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Licht und Schatten

von

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4. Kapitel

„Und du bist dir wirklich hundertprozentig sicher?“

Deans zweifelnde Stimme riss Sam aus seinen Gedanken. Die ganze Zeit hatte er überlegt, ob er sich vielleicht nicht doch irrte, ob er voreilige Schlüsse gezogen hatte, und Deans Unglaube war nicht gerade förderlich, um seiner Unsicherheit Einhalt zu gebieten.

„Nicht hundertprozentig“, erwiderte Sam. „Aber zu achtzig Prozent.“

Dean stieß sich von der Motorhaube des Impalas ab, an dem er sich zuvor noch gelehnt hatte, und warf seinem Bruder wieder einen dieser argwöhnischen Blicke zu, die er durch das demonstrative Anheben seiner Augebrauen fast schon zur Vollkommenheit gebracht hatte.

„Weißt du, Mann, ich will jetzt wirklich nicht behaupten, dass ich ein Ass in Mathematik bin, aber achtzig Prozent reichen in diesem Fall nicht. Wir können eine ganze Menge Ärger kriegen, wenn wir falsch liegen.“

„Ich weiß“, murmelte Sam.

Aber er war sich ziemlich sicher, dass sie zumindest auf der richtigen Spur waren.

Dean hatte zunächst etwas skeptisch reagiert, als Sam ihm seine Vermutung offenbart hatte, schließlich aber hatte er eingewilligt, dass Ganze wenigstens nicht sofort als Schwachsinn zu verbuchen, sondern seinem kleinen Bruder eine Chance zu geben.

Und nun standen sie hier, neben dem Impala, ganz in der Nähe des kleinen Ladens mit dem überaus motivierten Kassierer, und starrten auf eine Parkanlage ganz in der Nähe, wo ein kleines Mädchen in einem roten Kleid mit ihrem Ball auf der Wiese spielte.

Sie wirkte fröhlich und ausgelassen, lachte die ganze Zeit und brachte durch ihren Charme vorbeilaufende Passanten dazu, bei ihrem Anblick ebenfalls zu lächeln.

Sie schien überaus glücklich.

Aber Sam hatte schon früh gelernt, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden.
 

„Das kleine Ding ist also besessen.“ Dean starrte skeptisch zu Amy hinüber und schüttelte den Kopf. „Nun ja, von der Statur könnte es ungefähr hinkommen, aber wirklich genau erkennen konnte ich dieses Alyssa-Miststück nicht. Und du bist dir sicher?“

Sam nickte. Als sich Alyssa zu ihm hinübergebeugt hatte, hatte er Einzelheiten ihres Gesichts ausmachen können. Und sie war ihm auf erschreckende Weise bekannt vorgekommen. Sofort hatte er sich an die kleine Amy erinnert, die ihm vor dem Laden begegnet war und ihn mit ihren Fragen gelöchert hatte.

Ein unschuldiges Kind … diese Dämonen wurden auch immer dreister!

„Dann muss Danny aber vor fünfzehn Jahren jemand völlig anderen in seinem Zimmer vorgefunden haben“, gab Dean zu bedenken.

„Danny hat erzählt, dass er ein Mädchen gesehen hat“, meinte Sam. „Alyssa scheint offenbar die Dunkelheit zu bevorzugen, damit man sie nicht genau erkennen kann. So bemerken die Leute nicht, dass der Dämon immer wieder sein Äußeres verändert. Und anscheinend sind Alyssas bevorzugte Opfer kleine Mädchen.“

Dean runzelte die Stirn. Man konnte ihm ansehen, wie wenig ihm diese Neuigkeit gefiel. Und Sam vermochte es ihm nicht zu verübeln, ihm selbst sagte die Vorgehensweise dieser hinterhältigen Dämonin auch nicht allzu sehr zu.

„Nun gut, die Kleine ist besessen.“ Dean seufzte und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Und wieso tanzt sie dann im Park?“

Genau in diesem Moment quietschte Amy entzückt auf, als sie ein Eichhörnchen entdeckte. Fasziniert beobachtete sie das Tier, wie dieses etwas vom Boden aufhob und dann auf einen Baum huschte.

„Sie benimmt sich nicht unbedingt wie ein Dämon“, gab Dean zu bedenken. „Auf jeden Fall ist mir noch keiner begegnet, der mit einem Ball spielt und einen Faible für Nagetiere hat. Ehrlich gesagt fände ich das sogar sehr beunruhigend, wenn sich ein Dämon so verhalten würde.“

„Ich habe da eine Theorie“, sagte Sam. „Sie klingt zwar etwas merkwürdig, aber irgendwie ergibt sie auch Sinn. Zumindest würde sie einiges erklären.“
 

Dean fischte eine 45-er aus dem Kofferraum, steckte die Waffe in seinen Hosenbund und warf seinem Bruder einen Blick zu. „Und wie lautet nun deine Theorie?“

Sam sah hinüber zu Amy, die ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren geliebten Ball gerichtet hatte. Lachend warf sie ihn hoch in die Luft und fing ihn wieder auf, bevor er den Boden berühren konnte. Sie bewies dabei eine ausgesprochen erstaunliche Hand-Augen-Koordination für so ein junges Mädchen. Vielleicht zu erstaunlich …

„Was wäre, wenn Alyssa nicht die Dunkelheit bevorzugt, um ihr Gesicht zu verbergen, sondern aus einem anderen Grund?“, fragte Sam.

Dean konnte daraufhin nichts weiter tun, als einen verwirrten Gesichtsausdruck aufzusetzen. „Was meinst du?“

„Als ich mit Amy geredet habe, hat sie etwas zu mir gesagt, das ich in jenem Moment nicht verstanden hatte, was mir aber nun langsam aber sicher sinnvoll erscheint.“ Sam holte sich auch eine Waffe aus dem Kofferraum, sorgsam darauf achtend, dass kein Passant zufällig ihr geheimes Waffenarsenal zu Gesicht bekam. „Wir haben über deinen Wagen gesprochen und sie meinte, sie könnte damit nicht fahren, weil es kein Cabrio sei. Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht. Aber unter Umständen hatte sie Angst vor dem dunklen Inneren.“

Dean schien immer noch nicht recht zu begreifen, worauf Sam hinauswollte. Darüber hinaus war es ihm ganz offensichtlich unverständlich, wie jemand eine Spritztour mit seinem Impala ablehnen könnte.

„Vielleicht fürchtet Alyssa das Licht“, erklärte Sam seine Ausführungen genauer. „Bevor sie einen Raum betritt, geht sie sicher, dass alle Lampen ausgeschaltet sind. Noch niemand hat je einen Lichtstrahl auf dieses Mädchen richten können. Was wäre also, wenn Licht ihre Schwachstelle wäre?“

Nun schien Dean langsam zu verstehen, ein leichtes Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit. „Du meinst also, das einzige, was wir hätten tun müssen, um es diesem Biest richtig heimzuzahlen, wäre gewesen, sie mit einer Taschenlampe anzustrahlen?“ Dean schüttelte den Kopf. „Du hast Recht, Mann, diese Theorie ist wirklich ziemlich merkwürdig.“

„Möglicherweise liege ich auch völlig falsch“, gab Sam zu bedenken. „Aber es würde zumindest Amys Reaktion erklären. Sie fürchtet sich vor der Dunkelheit, weil dort der Dämon ihren Körper übernehmen kann. Und wenn es sich dabei nur um den Schatten eines Autodachs handelt.“

Dean nickte knapp, schaute wieder hinüber zu dem spielenden Mädchen. „Also wenn du Recht hast, dann ist die ganze Sache vielleicht doch leichter, als ich gestern Abend nach unserer netten Begegnung mit dieser Gruselgöre noch gedacht habe.“ Er schloss den Kofferraum und sagte: „Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.“

Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung, in Richtung Amy. Sam folgte ihm augenblicklich.
 

Amy bemerkte ihr Näherkommen sofort. Erst wirkte sie etwas verdutzt, aber als sie Sam erkannte, legte sich auf ihre Lippen ein strahlendes Lächeln. Sie stürmte zu ihnen hin, den Ball fest in ihren Händen, und schaute zu ihnen beiden hoch.

„Hallo, Sam“, sagte sie begeistert. „Bist du wieder einkaufen gewesen?“

„Ehrlich gesagt sind wir deinetwegen hier.“ Er ging in die Hocke, um ihr direkt in die Augen blicken zu können. Eine Vertrauensbasis zu schaffen, war in dieser Situation äußerst wichtig. Und auch wenn Amy überaus aufgeschlossen wirkte, war es dennoch möglich, dass sie sich sofort versperrte, wenn sie erst einmal gehört hatte, worüber sie mit ihr reden wollten. „Wir haben etwas mit dir zu besprechen.“

Amy schien das hingegen wenig zu interessieren. Sie sah an Sam vorbei, direkt zu Dean. Ihre Stirn gerunzelt, fragte sie: „Wer ist das denn? Er sieht aus wie einer dieser bösen Rocker aus dem Fernsehen.“

Dean schien wohl nicht so recht zu wissen, ob er sich beleidigt oder geschmeichelt fühlen sollte. Sam währenddessen musste all seine Willenskräfte mobilisieren, um nicht schadenfroh zu grinsen.

„Das ist mein Bruder Dean“, stellte Sam ihn mit zuckenden Mundwinkeln vor.

„Ach tatsächlich?“ Sie musterte ihn kritisch von oben bis unten. „Du siehst irgendwie gruselig aus. Aber ich mag deine Frisur. Sie sieht aus wie ein Igel. Und ich liebe Igel.“

Dean hob eine Augenbraue. Er war wohl noch nie in seinem Leben mit einem Igel verglichen worden und wusste dementsprechend nicht, wie man sich in solch einer Situation zu verhalten hatte. Er entschied sich schließlich dafür, ein wenig grummelig aus der Wäsche zu schauen und leise vor sich hinzumurmeln.

„Aber vom Gesicht her sieht er eher aus wie ein brummiger Bär“, fuhr Amy mit ihren Ausführungen fort. Sie schien Deans Äußeres unglaublich faszinierend zu finden, gebannt beobachtete sie, wie sich seine Stirn in Falten legte. Als hätte sie so etwas zuvor noch nie in ihrem Leben gesehen.
 

„Amy, hör zu, wir müssen mit dir reden“, lenkte Sam die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Über etwas sehr Wichtiges.“

„Und das wäre?“ Interessiert mustere ihn Amy.

„Es geht um Alyssa.“

Mit einem Mal änderte sich Amys fröhliche Miene. Ihr Lächeln erlosch, ihre Augen wurden groß. Unsicher sah sie von einem zum anderen.

„Ihr … ihr wisst von ihr?“, stotterte sie unbehaglich.

„Ganz recht“, meinte Dean nickend. Sam entging hierbei nicht, dass die Hand seines Bruders unbewusst zu der Stelle seiner Jacke wanderte, unter der sich die Waffe befand. „Sie hat uns gestern besucht. Es war wirklich eine reizende Begegnung.“

„Oh nein …“ Sie wich einen Schritt zurück. „Sie war gemein zu euch, nicht wahr?“ Sie drückte ihren Ball enger an ihre Brust. „Sie ist immer zu allen gemein.“

Dies sagte sie jedoch nicht mit Angst in der Stimme. Vielmehr klang sie schuldbewusst, als fühlte sie sich dafür verantwortlich, dass Alyssa ihr Unwesen trieb. Und es war nicht gerade abwegig, dass ein kleines unbedarftes Mädchen dies dachte. Womöglich hatte Alyssa selbst ihr das eingeredet.

„Es tut mir leid …“, sagte Amy kleinlaut, ihren Blick gesenkt. „Ich sage ihr immer, sie soll nicht so böse sein, aber sie hört einfach nicht auf mich.“

Sam verwunderte das wenig. Mächtige Dämonen hatten äußerst selten die Angewohnheit, auf die Ratschläge von Menschenkindern zu hören.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, sagte er. „Es ist nicht deine Schuld. Es geht hier nur um Alyssa. Sie kontrolliert dich, du kannst nichts dagegen tun.“ Sam hielt kurz inne und setzte sein sanftmütigstes Lächeln auf, um Amy zu beruhigen. „Aber Dean und ich, wir können dir helfen.“

Amy schaute auf. „Helfen?“, fragte sie leise.

„Ganz recht.“ Dean trat vor und lächelte verschmitzt. „Wir werden diesem kleinen Biest ordentlich in den Hintern treten, glaube mir. Am Ende wird dieses Miststück in der Hölle schmoren.“

Dean erwartete offenbar, dass Amy laut aufjubeln und ihm um den Hals fallen würde. Doch das genaue Gegenteil trat ein.

Statt sich über die unverhoffte Hilfestellung zu freuen, konnten die beiden Brüder beobachten, wie die Augen des Mädchens wässrig wurden.
 

„Ihr wollt … ihr wehtun?“ Augenscheinlich schockierte sie diese Nachricht sehr.

„Ähm …“ Dean wusste nicht mehr, was er sagen sollte, als er in ihr entsetztes Gesicht blickte. Auch Sam war ratlos. Mit solch einer Reaktion hatte er eigentlich nicht gerechnet. Normalerweise waren die Opfer hocherfreut, wenn man sie von lästigen Dämonen befreite. Amy hingegen machte ein Gesicht, als hätte man ihr soeben vorgeschlagen, ihre beste Freundin umzubringen.

Unter Umständen war das vielleicht auch gar nicht mal so falsch. Möglicherweise hatte Alyssa Einfluss auf das Mädchen genommen und ihr eingeredet, dass sie ihr nur Gutes tun wollte. Dass sie Freundinnen seien.

Diese Alyssa war wirklich ein hinterlistiges Biest!

„Hör zu, Alyssa benutzt dich nur.“ Sam wollte Amy besänftigend seine Hand auf die Schulter legen, doch diese wich vor seinem ausgestreckten Arm zurück. Leise schniefte sie, während die ersten Tränen ihre Wangen herunterkullerten.

„Alyssa hat mich doch lieb“, meinte sie mit zittriger Stimme. „Wie könnt ihr nur so was Gemeines sagen?“

Sam warf einen Blick zu seinem Bruder. Offenbar hatte die Dämonin den Verstand des Mädchens ordentlich manipuliert. Das würde gewiss nicht einfach werden.

„Wir wollen dir wirklich nur helfen“, versuchte Sam es erneut. „Alyssa ist böse, das hast du doch gerade eben selbst gesagt. Wir müssen sie aufhalten.“

„Ihr wollt ihr wehtun!“ Nun hatte Amys Stimme eindeutig einen verärgerten Tonfall angenommen. Ihr ganzer Körper verkrampfte sich.

„Es ist nur zu deinem Besten“, meinte Sam. „Alyssa verletzt andere Menschen und das kannst du doch nicht wirklich wollen, oder? Tief in deinem Inneren weißt du, dass sie nur so tut, als wäre sie deine Freundin. Und dir ist sicherlich auch klar, was sie in Wirklichkeit ist. Wir müssen sie stoppen, bevor sie noch mehr Menschen wehtut.“

Aber Amy schien seine Worte nicht gehört zu haben. Stattdessen schüttelte sie überaus energisch den Kopf und schrie laut: „NEIN!“
 

Sam wollte sie auf irgendeine Art und Weise zur Ruhe bringen, doch er kam gar nicht mehr dazu. Stattdessen spürte er einen Luftstoß, der ihn frontal traf und wie schon am Abend zuvor von den Füßen riss. Ohne die geringste Kontrolle über seinen Körper zu haben, rutschte er über den noch vom Morgentau nassen Rasen, bis er schließlich äußerst unangenehm gegen eine Sitzbank prallte. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Rücken und ließ ihn für einen Moment Sternchen vor seinen Augen sehen.

Dean erwischte es sogar noch schlimmer, wie Sam trotz seiner eigenen misslichen Lage bemerkte. Da er sich nicht wie sein jüngerer Bruder hingehockt hatte, hatte er automatisch mehr Angriffsfläche geboten und segelte nun durch die Luft wie ein Fähnchen im Wind, als besäße er nicht das geringste Gewicht. Letztlich krachte er gegen einen Baum und fiel zu Boden.

Nachdem Sam sich mit einem raschen Blick davon überzeugt hatte, dass Dean zumindest noch am leben war, wandte er sich Amy zu. Ihre Haare tanzten, wie es schon bei Alyssas Besuch gewesen war, doch anstelle des höhnischen Lächelns war nun nur noch Entsetzen in Amys Gesicht zu sehen. Fassungslos betrachtete sie die beiden Brüder, als könnte sie nicht glauben, was soeben passiert war.

„Ich … ich …“ Sie fand keine Worte, während ihr Tränenfluss nicht zu versiegen scheinen wollte.

Sam hievte sich ächzend hoch und schleppte sich mehr schlecht als recht zu Dean. In seinem Rücken machte sich ein dumpfer Schmerz breit, wahrscheinlich würde sich dort bald ein schöner, großer Bluterguss bilden. Allerdings störte ihn das kaum. Er wurde beinahe wöchentlich von mindestens einem Dämon oder Geist durch die Gegend geschleudert, da machte dieser zusätzliche blaue Fleck ihm nun wirklich nichts aus.

„Dean, alles in Ordnung?“, erkundigte sich Sam besorgt.

Dean, dessen Gesicht im Gras lag, gab zunächst einige unverständliche Laute von sich, schließlich aber hob er seinen Kopf und meinte mürrisch: „Langsam habe ich echt genug davon, als Punchingball missbraucht zu werden!“

Mit Sams Hilfe schaffte er es, sich wieder aufzurappeln. Er wollte nach der Waffe in seinem Hosenbund greifen, aber allein schon an seiner leicht schwankenden Haltung konnte man sehen, dass sich in seinem Kopf noch alles drehte. Er verfehlte die Kanone um Längen und hätte daraufhin beinahe wieder das Gleichgewicht verloren, hätte Sam ihn nicht in letzter Sekunde gepackt.

„So ein Mist“, knurrte Dean. „Ich seh alles doppelt. So was kann ich eigentlich nur nach zwanzig Flaschen Bier erlauben.“ Er schien Amy einen verärgerten Blick zuwerfen zu wollen, aber wie schon zuvor stand es mit seiner Präzision nicht zum allerbesten. Er schaute glatt an dem Mädchen vorbei und starrte stattdessen einen unschuldigen Mülleimer vorwurfsvoll an.
 

„Es … es tut mir leid …“, schluchzte Amy herzzerreißend. „Das wollte ich nicht. Es ist … einfach so passiert.“

Nun, wenigstens stand nun fest, dass Alyssa trotz des Lichtes nicht völlig kraftlos war. Sie konnte womöglich nicht Amys Körper kontrollieren, aber sich dennoch ab und an überdeutlich präsentieren.

Und das arme Kind gab sich die Schuld an allem.

Sam sorgte zunächst dafür, dass Dean auf der Sitzbank Platz nahm, ansonsten wäre er wahrscheinlich wieder umgekippt. Immer noch sah er grimmig zu dem Abfalleimer hinüber, seine Bewegungen wirkten wie die eines Betrunkenen, der nicht mehr genau wusste, wo er eigentlich war und wo sich überhaupt oben und unten befand.

Dann wandte sich Sam wieder Amy zu. Erst wollte er vorsichtshalber auf Distanz bleiben, aber das mitleiderregende Weinen brachte ihn schließlich dazu, sich wieder vor sie hinzuhocken.

„Amy, Dean und ich, wir wollen dir wirklich nur helfen“, versuchte er es erneut. „Willst du wirklich so weiterleben? Willst du immer Angst vor der Dunkelheit haben müssen?“

Amy wischte mit ihrem Handrücken über ihre tränennassen Wangen. „Nein, will ich nicht“, schniefte sie leise.

„Siehst du? Wir können dir dabei helfen, wieder frei zu sein.“

Ihre großen, blauen Augen sahen ihn unsicher an. „Wieder frei?“

„Ganz genau“, nickte Sam. Nach diesem Erlebnis schien das Mädchen um einiges kooperativer zu sein. Im Grunde hatte sich Alyssa mit dieser ganzen Aktion nur selbst geschadet. „Alyssa wird nicht mehr im Dunkeln auf dich warten.“

Amy zögerte, drückte den Ball fest an ihre Brust. „Sie wäre nicht mehr in der Dunkelheit?“

„Nie mehr!“, versprach Sam. Mehr als jemals zuvor war er wild entschlossen, es dem Dämon heimzuzahlen und es diesem armen, verängstigten Kind zu ermöglichen, endlich wieder ein Leben in Frieden zu führen. „Also, was sagst du?“

Anstatt einer Antwort ließ sie plötzlich den Ball fallen, trat auf ihn zu und umschlang seinen Hals. Erneut begann sie zu weinen, doch dieses Mal waren es eindeutig Freudentränen.

Das schien wohl ‚Ja’ zu bedeuten.
 

„Dann müssen wir dich zu uns ins Motel bringen“, erklärte Sam der Kleinen. „Dort ist alles, was wir dafür brauchen.“

Genauer wollte er im Moment nicht werden, die Einzelheiten hätten sie nur wieder verschreckt. Er hoffte nur, dass der Exorzismus sie nicht dazu brachte, ihre Meinung zu ändern, wenn ihr erstmal bewusst wurde, was mit ihr geschehen würde. Zunächst aber wollte Sam nicht daran denken, sondern sich an seinem kleinen Triumph erfreuen.

Schnell bemerkte er, dass Amy sich nicht wieder von ihm lösen wollte. Sie hatte ihren Kopf in seine Halsbeuge gekuschelt und ihre Arme dermaßen fest ineinander verhakt, dass Sam ordentlich Kraft dafür hätte mobilisieren müssen, sie wieder zu trennen. Somit beließ er es dabei, schnappte sich den auf den Boden gefallenen Ball und stand zusammen mit Amy auf dem Arm auf. Sie war so dermaßen leicht, dass er ihr Gewicht kaum bemerkte. Selbst seinem immer noch schmerzenden Rücken machte es kaum etwas aus.

„Hältst du das für eine gute Idee?“ Dean war in der Zwischenzeit wieder aufgestanden und zu ihnen getreten. Er schwankte zwar immer noch etwas und auch seine Augen wirkten noch ein wenig glasig, aber wenigstens schaffte er es, stehen zu bleiben. „Die Kleine hat uns gerade quer durch die Luft gewirbelt.“

„Fällt dir denn was Besseres ein?“, fragte Sam. „Ich denke, es ist weniger schmerzhaft, wenn wir es jetzt über die Bühne bringen, als dass wir bis heute Abend warten. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, mich noch mal mit Alyssa anzulegen.“

Dean schien immer noch wenig begeistert, dennoch nickte er widerwillig. „Na fein, dann fahren wir.“

Amy regte sich plötzlich, indem sie den Köpf schüttelte. „Nicht ins Auto“, sagte sie. „Dort ist es dunkel.“

„Dann gehen wir halt zu Fuß“, meinte Sam schulterzuckend. „Das ist gesund.“

„Gesund?“, fragte Dean entsetzt. „Wir wären mindestens eine Stunde unterwegs. Außerdem lasse ich meinen Wagen hier sicher nicht stehen.“

„Dann gehen nur Amy und ich“, sagte Sam. Er hatte keine große Lust, sich mit Deans irrwitziger Liebe zu diesem Auto auseinanderzusetzen.

Dean war nun offenbar vor ein großes Problem gestellt. Gequält schaute er zwischen Sam und dem Impala hin und her, in seinem Inneren wahrscheinlich ein Kampf um die Frage, wer von beiden nun wichtiger war. Im Grunde hätte Sam beleidigt sein müssen, aber eigentlich war er nur froh, dass Dean überhaupt über diese Sache nachdenken musste und nicht sofort zu seinem Wagen rannte.
 

Schließlich aber siegte – oh Wunder – Deans Familiensinn. „Denkst du wirklich, ich lasse dich mit einem Dämon alleine durch die Gegend spazieren? Da bist du wirklich schief gewickelt.“ Er räusperte sich. „Außerdem sehe ich noch immer ein wenig verschwommen, ich würde wahrscheinlich nur einen Unfall bauen. Das kann ich meinem Baby doch nicht antun.“

Zwar hätte man das Ganze für eine billige Ausrede halten können, damit er sich seine Männlichkeit bewahren konnte, aber seine immer noch trüben Augen verrieten, dass er tatsächlich nicht unbedingt in den Straßenverkehr gehörte. Für einen kurzen Moment war Sam ehrlich besorgt und erwog, vorher noch bei einem Arzt vorbeizuschauen, aber wie er seinen Bruder kannte, würde der sich nur dagegen sträuben. Somit verwarf Sam diese Idee, behielt sie aber im Hinterkopf und ermahnte sich selbst, Dean im Auge zu behalten. Sollte er plötzlich blass werden und kurz vor einer Ohnmacht stehen, würde Sam die Sache mit dem Dämon links liegen lassen und seinen Bruder ins nächstbeste Krankenhaus verfrachten.

„Wir sind gerade zu Kindesentführern geworden, ist dir das klar?“ Dean warf einen Blick zu einem Seniorenpärchen, das gerade an ihnen vorbeilief und bei dem Anblick Sams, wie er das kleine Mädchen auf dem Arm hielt, verzückt lächelten.

„Das Risiko nehme ich gerne in Kauf“, meinte Sam nur.

Denn wenn alles nach Plan verlief, würde Amy schon sehr bald wieder ein völlig normales Kind sein und Alyssa würde für immer von der Bildfläche verschwinden.

Dennoch konnte sich Sam eines miesen Gefühls in der Magengegend nicht erwehren. Denn seit wann verlief schon alles nach Plan?
 

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Tja, seit wann verläuft auch alles nach Plan? ;p
 

An dieser Stelle wollte ich mich auch nochmal herzlich bei meinen lieben Kommentatoren Butters, Kaguyashi, jibrillchan und tamchan93 bedanken ^______^



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2010-02-09T18:17:17+00:00 09.02.2010 19:17
ach ja....das Kapitel hat mir wieder sehr gut gefallen^^

mhm....ich bin mir aber noch nicht sicher was ich von dem Mädchen Amy/Alyssa halten soll.....ich hab ja mehrere Theorien.....
1. Es ist wirklich so wie Sam und Dean vermuten.....das Amy von Alyssa während der Dunkelheit kontrolliert wird...und Amy nichts dafür kann....aber da sind ja immer noch die 20%.....
2. Oder Amy IST Alyssa.....damit meine ich, dass Alyssa nur die süße kleine Amy spielt um die Jungs dazu zu bringen ihr das "etwas" aus dem Keller zu bringen.....mhm....nur warum sollte sie so eine Show abziehen....ist ja nicht so als würde eine ernste Drohung von Alyssa nicht auch ziehen.....;P.....mhmmmm.....

Ich weiß es nicht.....NOCH nicht^^....aber ich werde es sehr bald erfahren! hehehehe :D

Und hier noch meine Lieblingsstellen:

"Er schien Amy einen verärgerten Blick zuwerfen zu wollen, aber wie schon zuvor stand es mit seiner Präzision nicht zum allerbesten. Er schaute glatt an dem Mädchen vorbei und starrte stattdessen einen unschuldigen Mülleimer vorwurfsvoll an." - *lach*

"Schnell bemerkte er, dass Amy sich nicht wieder von ihm lösen wollte. Sie hatte ihren Kopf in seine Halsbeuge gekuschelt und ihre Arme dermaßen fest ineinander verhakt, dass Sam ordentlich Kraft dafür hätte mobilisieren müssen, sie wieder zu trennen. Somit beließ er es dabei, schnappte sich den auf den Boden gefallenen Ball und stand zusammen mit Amy auf dem Arm auf." - voll süß xD

"Dean war nun offenbar vor ein großes Problem gestellt. Gequält schaute er zwischen Sam und dem Impala hin und her, in seinem Inneren wahrscheinlich ein Kampf um die Frage, wer von beiden nun wichtiger war. Im Grunde hätte Sam beleidigt sein müssen, aber eigentlich war er nur froh, dass Dean überhaupt über diese Sache nachdenken musste und nicht sofort zu seinem Wagen rannte." - typisch Dean ;P

Also weiter so, bis bald, deine Janine :)
Von:  jibrillchan
2008-04-14T13:06:52+00:00 14.04.2008 15:06
Wie schön, es geht weiter. Jetzt will ich aber wisse, was Sam da für eine Vermutung hat, ich habe nämlich keinen Plan.

Dean und die Sache mit der Augenbraune, ich finde das ja immer wieder klasse.

Ach und Sam hat also das kleine Mädchen mit dem Ball in verdacht, an die kann ich mich noch erinnern und so kam mir gleich etwas merkwürdig vor. Aber besessen? So einfach ist das ganz bestimmt nicht.
Ein Dämon mit einem Faible für Nagetiere. Das stell ich mir lustig vor. *grins*

Armer Dean, sie ist klein und dumm, niemand mit verstand würde eine Tour in deinem Impala ablehnen, wie könnte er denn.
Dean mit einem bösen Rocker zu vergleichen ist gut. Ein toller Einfall. Dabei schaut er doch eigentlich gar nicht so böse aus.

*lach* Ich kann nicht mehr, erst der Rocker und dann auch noch ein Igel. Das ist einfach zu gut. Ich glaub es ja nicht.
Ich mag deinen Schreibstil wirklich gerne. Du triffst die beiden Brüder sehr gut, bringst einen schönen Humor mit rein und deine Geschichte ist bis jetzt sehr gut ausgedacht, mir gefällt ja vor allem, wie die Element aus vorangegangenen Kapiteln mit einbringst. Wirklich sehr gut.

Da ist Dean aber mit Schwung in ein Fettnäpfchen getreten. Kinder reagieren eben nicht so wie andere Opfer. Obwohl ich mir mit der Sache des Opfers nicht ganz sicher bin.
Irgendetwas stimmt da ganz sicher immer noch nicht.

Nicht mal Sam kann sie beruhigen, das ist ungewöhnlich, ihm vertrauen die Menschen ja meistens. Aber Amy ist halt noch ein Kind.

Die zwei tun mir ja leid, so durch die Luft geschleudert zu werden, aber Dean danach ist ja einfach nur Goldig. Und dann starrt er auch noch einen unschuldigen Mülleimer an, einfach nur putzig. Ein grandioser Einfall.

Was heißt den hier irrwitziger Liebe zum Auto, ich finde diese Beziehung die Dean zu seinem Auto hat herrlich. Und wenn ich so eines hätte, würde ich das auch nicht einfach so rum stehen lassen. Ach, Sam soll sich mal nicht so haben, wenn es hart auf hart kommen würde, dann würde Sam sicher immer an erster Stelle stehen. Aber im Moment sei ihm kurzes überlegen schon gestattet. Und er entscheidet sich ja für die Familie.

Aber mit dem Mädchen ist definitiv noch was faul. Wo sind denn ihre Eltern, zum Beispiel?

Bei den beiden verläuft eigentlich so gut wie nie was nach plan, was mich jetzt doch etwas beunruhigt.

Ein tolles Kapitel, hat mir wieder sehr gut gefallen und ich bin wirklich schon gespannt, was die beiden jetzt erwartet.

LG

Von: abgemeldet
2008-04-12T18:25:58+00:00 12.04.2008 20:25
endlich gehts weiter^^
ich finds geil, dass du die augenbrauen-sache mit rein gebracht hast. dean macht das ja sehr häufig
amy ist total süß, ich liebe so kleine mädchen, außer sie sind ein bisschen crazy, dann machen sie mir angst
und jetzt ist auch rausgekommen, dass amy angst vor der dunkelheit hat, aber darauf bin ich ja schon viel früher gekommen, ohne i-welche hilfe^^
wenn dean ich auf eine spritztour mit dem impala einlädt, würde ich nicht `nein´ sagen
ich fands süß, wie amy dean mit einem bösen rocker aus dem fernsehen verglichen hat, der arme
es stimmt schon, dass sammy wöchentlich verprügelt wird und sein bruder kriegt fast nie was ab. jetzt ist sammy mal froh, dass nicht er verprügelt wird
der arme mülleimer, wird einfach ohne grund böse angeschaut
ich find die vorstellung, wie sammy mit amy auf dem arm durch die gegend läuft einfach zu süß
so muss schluss machen, ihr wartet bestimmt alle ungeduldig auf mich
HDGDL
tam-chan93
Von:  DoctorMcCoy
2008-04-12T15:45:07+00:00 12.04.2008 17:45
Tolles Kapitel. Diese Amy wird wirklich immer süßer. Wie sie freudestrahlend auf Sam zugelaufen ist. Und erst die Beschreibungen über Dean. Einfach herrlich. Wie heißt es nicht so schön: Kindermund tut Wahrheit kund. Dean als eine Mischung aus Igel und brummigen Bär muss ich mir wirklich merken.
Amy schien ja wirklich geschockt zu sein, als die beiden meinten, dass sie Alyssa vernichten wollten. Wie heißt dieses Syndrom noch einmal? Helsinki oder war es doch ein anderes?
Aber die beiden sind mal wieder durch die Luft geflogen. Genial! Und du hast nicht zuviel versprochen. Ich sage nur: Mülleimer!
Diese kleine Truppe, die da jetzt durch die Stadt läuft, sieht bestimmt sehr süß aus. Sammy mit einem Kind auf den Arm stelle ich mir noch süßer vor. Einfach zum knuddeln.
Aber ich denke, dass das jetzt nicht alles so einfach ablaufen wird. Immerhin sind ja da noch die 20% und der Keller vom Stubenhocker, der noch auf der Liste steht.
Bin also sehr gespannt, wie es weiterläuft.
HDL
Kaguyashi
Von:  Persephone
2008-04-12T13:24:05+00:00 12.04.2008 15:24
So hallo^^

Es geht weiter!
*rumhüpf*
Ach ich mag Amy, ich find die total süß^^
Na ja okay, Alyssa is eher ein - wie Dean so schön sagte - Miststück, aber ich hoffe, sie werden sie austreiben können.
Nur irgendwie tut mir Amy leid, ein Exorzismus bei so einer kleinen und zierlichen Person?
Da passiert sicher noch irgendwas!

Dean und sein Auto...ja, ja... Aber ich bin froh, dass er sich dann doch noch für Sammy entschieden hat
*kopf schüttel*

Ich bin gespannt, was weiter passiert und ob Alyssa noch einmal auftauchen wird (ich glaube es zumindest)
*Kekse dalass*


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