(6) Doppelkopf vs. Pferdequartett: unentschieden
Kapitel 6 – Doppelkopf vs. Pferdequartett: unentschieden.
- Farin -
Er öffnete die Augen. Durch eine Lücke in den Gardinen fiel ein Sonnenstrahl genau in sein Gesicht, davon war er wohl aufgewacht. Er hörte keine singenden Vögel; dafür war das Hotel-Doppelglas zu dick und er fragte sich kurzzeitig zynisch, ob das Management des Hotels die Zimmer schalldicht gestaltete, um Lärm von draußen abzudämmen oder ob es doch darum ging, jegliche Skandälchen strikt innerhalb der Mauern des eigenen Hauses zu behalten, schließlich hatten auch teure Hotels einen Ruf zu verlieren. So oder so bezweifelte er, dass er zwitschernde Vögel gehört hätte, wenn die Fenster dünner gewesen wären, schließlich befanden sie sich mitten in der Oberhausener Innenstadt und draußen gab es wohl allenfalls scheißende Tauben, statt lustig zwitschernder Finken und Eichelhäher.
Draußen schien – ob Vögel oder nicht – ein unverschämt schöner Maitag heranzureifen und Farin beschloss, dass, obwohl er streng genommen noch im Bett lag und gerade erst aufgewacht war, er bereits jetzt mit dem falschen Fuß aufgestanden war. „Scheiß Wetter,“ murmelte er zynisch und beschloss, erst einmal joggen zu gehen, schließlich war es erst halb neun, wie er nach einem Blick auf seine Uhr feststellte, und der Bus sollte erst gegen eins Richtung Münster losfahren. Frühstück war sowieso überbewertet und er brauchte den körperlichen Ausgleich um seine sprichwörtliche gute Laune wieder zu finden.
Zweieinhalb Stunden später verließ er zum zweiten Mal an diesem Tage – allerdings diesmal deutlich besser gelaunt und frisch geduscht – sein Hotelzimmer. Er war im schönen Kaisergarten joggen gewesen, hatte echte Vögel zwitschern gehört und hatte beschlossen, dass das Konzert heute Abend sicher grandios werden würde, wie immer auf dieser Tour. Und morgen stand erstmal ein Off-Tag an, den würde er sich sicher irgendwo im Ruhrpott vertreiben können, fernab von pimpernden Bandgenossen und sonstigen Ärgernissen.
Mit seinem Tour-Rucksack auf dem Rücken und seinem Buch in der Hand trat er hinter das Hotel, wo der Tourbus schon wartete. Rod lehnte an selbigem und rauchte eine Zigarette, während Bela nirgends zu sehen war, das war ihm aber ganz recht so.
„Morgen Farin. Alles klar?“
Rod wirkte eigentlich wie immer. Zumal er alleine – ohne Bela – herumstand. Vielleicht war das, was er gesehen hatte, ja doch weniger als er im ersten Moment gedacht hatte. Moment. Er hatte sich geschworen, da heute nicht mehr dran zu denken.
„Hey Rod. Aber immer. War grade joggen, wer hätte gedacht, dass der Pott bei Sonnenschein so aufgewertet wird?“
Rod grinste und schmiss seinen runtergerauchten Zigarettenstummel weg. „Da sagst du was. Ich bin trotzdem froh, heut Abend woanders zu spielen, so langsam ging mir die Halle hier auf den Keks. Apropos, hast du Bela heute schon gesehen? Vielleicht sollte ihn mal jemand wecken gehen.“
„Jo, mach du.“ Farin gab sich Mühe, möglichst unbeteiligt dreinzuschauen – und war der Meinung, dass ihm das recht gut gelang, schließlich hatte er jahrelange Übung darin. „Ich les’ derweil mal hier draußen weiter. Sag an, wenn’s losgeht.“
„Immer ich“, grummelte Rod – wohl eher aus Gewohnheit als weil er wirklich genervt wäre, schätzte Farin, und machte es sich mit seinem Buch auf dem imposanten Springbrunnen bequem, der eine gute Sitzgelegenheit bot, ansonsten aber eher protzig und fehl am Platz wirkte, hier an der Hinterausfahrt des Hotels.
Eine gute Stunde später saßen alle drei, zusammen mit ein paar schlafenden Crew-Mitgliedern, im Tourbus und hatten Oberhausen hinter sich gelassen. Bela, der ebenfalls alles andere als wach wirkte, hatte sich mit einem Comic auf eine Bank hinten im Bus verzogen und vorhin mit Müh und Not ein „Morgen“ in Farins Richtung genuschelt. Kein besonders ungewöhnliches Verhalten für den Schlagzeuger; bevor der Nachmittag anfing war in den seltensten Fällen was mit ihm anzufangen.
Rod und Farin selbst derweil saßen weiter vorne im Bus an einem Tisch und spielten Karten. Genauer gesagt praktizierten sie eine irre Mischung aus Doppelkopf – zu zweit, - Pferdequartett - Rod hatte das Deck von einem leicht irren weiblichen Fan geschenkt bekommen und es war der Running Gag der Tour, dass die Karten ständig überall auftauchten - und selbsterfundenen Regeln, wie sie ihnen gerade passten.
„So, mein Hannoveraner mit Stockmaß 1,60 plus Herzbube schlägt deine Dulle mit der Caro Zehn doch locker!“
„Na schön, das ist dein Stich, aber dann komm ich ’raus!“
„Dann mach!“
„Ha! Ich biete meinen Caro Fuchs und ein Nordschwedisches Kaltblut, komm da mal drüber! Das ist ein echtes Schwergewicht, so wie der aussieht.“
„Nix. Der hat doch lauter Haarfransen im Gesicht und sieht gar nichts, erinnert mich irgendwie an Bela. Den stech’ ich doch mit meiner Kreuzdame und dem Shetlandpony locker aus!“
Sie guckten sich an und prusteten los, so laut, dass Bela von hinten protestierend rief, sie sollten doch mal Rücksicht auf seinen schmerzenden Kopf nehmen und Rod zurückrief, er solle sich nicht so anstellen, schließlich habe er selbst am Vorabend viel mehr getrunken als Bela. Der kam den Mittelgang entlanggelaufen, ließ sich neben Farin auf die Bank fallen und schien auf einmal deutlich munterer.
„Farin, du hältst doch zu mir, oder? Der Jungspund da soll mal die Klappe halten. Der weiß doch gar nicht, wie es ist, einen ordentlichen Kater zu haben.“ Bela kuschelte sich an Farins Schulter, der sich genau eine Sekunde lang erlaubte, die Berührung zu genießen, bis er Bela spielerisch wegstieß.
„Ich auch nicht, mein Lieber, du erinnerst dich?“
„Trotzdem, ein bisschen Respekt vor meinem Alter und meiner Weisheit könntet ihr ruhig an den Tag legen.“ Belas überzogen affektierte Sprechweise hätte Bono zur Ehre gereicht.
„Weisheit? Welche Weisheit denn?“ kam es spöttisch von Rod.
„Hmpf! Mit euch rede ich nicht mehr!“ Bela tat, als wäre er völlig entsetzt, musste aber selbst zu sehr grinsen, als dass es geklappt hätte.
Touralltag. Farin liebte ihn einfach. Der Hirnschwund pustete seinen Kopf frei, er musste nicht nachdenken, stand jeden Abend vor tausenden von Menschen, die alles, was sie drei an Blödsinn abließen, bedingungslos abfeierten und obendrein wurden sie auch noch reich dabei. Verdammt, was hatte er sich damals eigentlich gedacht, als er ernsthafte Musik machen wollte? Ernsthaftigkeit als Lebensziel war eindeutig überschätzt, beschloss er, während er in das herzhafte Lachen seiner Bandgenossen einstimmte.
.... To Be Continued ...
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Anmerkungen
Sorry - schon wieder ist eine ganze Zeit in's Land gezogen, bevor ich tatsächlich das neueste Kapitel geschrieben, gelöscht, neu angefangen, wild rumeditiert und schließlich - jetzt! - hochgeladen habe. Und dann ist es auch noch so kurz und eigentlich passiert gar nichts. Sorry! Es wollte selbst so kurz bleiben - ich habe versucht, es nach dem letzten Satz noch weiterzuführen, aber das fühlte sich falsch an - daher also nur diese knapp zwei Seiten in Word.
Dafür ist Kapitel 7 schon angefangen - vielleicht schaff ich's ja diesmal, tatsächlich schnell damit fertig zu werden, wer weiß? Immerhin kann man sich damit toll vor Uniarbeit drücken... XD
Dank gebührt auch diesmal wieder allen, die bislang kommentiert haben - DANKE Leute, ihr seid toll und ich freu mich wie blöd über das viele nette Lob!!
Weitere Kommentare sind natürlich seeehr Willkommen. ;)