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Filth

[Fortsetzung zu "Wie früher..."]
von

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Zusatzkapitel: mail back (ShinyaXToshiya)

Die Tür schlägt zu. Obwohl es eigentlich ein leises Geräusch ist, weckt es Assoziationen in mir. Nach all der Zeit sollte ich mich daran gewöhnt haben, aber jedes Mal wenn soetwas passiert schrecke ich wieder zusammen. Mein Herz beginnt zu rasen und hört erst wieder nach Minuten damit auf, wenn ich mir wirklich sicher bin, dass es tatsächlich nur die Tür war. Meistens geschieht das dann, wenn du den Raum wieder betrittst und mit leisen Schritten und sanftem Lächeln auf mich zukommst ohne auch nur zu ahnen, was in solchen Momenten in mir vorgeht. Für dich ist das einzige Zeichen, das dir bei mir deutlich macht, dass jener schreckliche Tag vor einem Jahr überhaupt stattgefunden hat, die Albträume, die mich fast jede Nacht heimsuchen. Du weißt nichts von den Panikattacken, die mich manchmal überfallen, wenn ich alleine durch einen leeren Gang gehe, wie an jenem Tag damals als ich den Schuss hörte, oder die manchmal stunden- oder sogar tagelang andauernden dissoziativen Zustände, die meistens erst dann aufhören, wenn wir intim werden.
 

Auch jetzt kommst du wieder in deiner unerschütterlich Ruhe raus auf die Terasse, wo ich immernoch sitze. Die Sonne ist bereits untergegangen, Sterne leuchten am Himmel und die Luft ist spürbar abgekühlt, aber ich finde einfach nicht die Kraft aufzustehen und reinzugehen. Stattdessen beobachte ich dich, wie du dich an das Geländer stellst und gedankenverloren deinen Blick über das nächtliche Tokyo schweifen lässt. In dem Licht, das vom Wohnzimmer herausscheint, glänzt dein Haar wunderschön und Schatten betonen deinen zierlichen, doch so starken Körper auf fast magische Weise. Wie du so dastehst möchte ich dich am liebsten fest in die Arme schließen und nie wieder loslassen – wenn ich mich überhaupt bewegen könnte im Moment.
 

Dann drehst du dich irgendwann um. „Schon seltsam, nach all der Zeit...“ Auch wenn du den Satz unvollendet lässt, kann ich mir denken, was du meinst. Du warst ja noch nie jemand der vielen Worte, aber in der letzten Zeit habe ich das mehr denn je zu schätzen gelernt, denn du beschränkst dich auf das, was gesagt werden muss. Manchmal kann Schweigen doch auch ganz schön sein. Hätte mir jemand vor ein paar Jahren gesagt, dass ich heute so denken würde, ich hätte denjenigen für verrückt erklärt. Aber Menschen ändern sich; leider nicht immer zum Positiven.
 

„Seltsam kommt mir in dem Sinn aber nicht gerade gut vor.“, bemerke ich leise und bin mir erst garnicht sicher, ob du es überhaupt gehört hast, bis du auf mich zukommst und dich neben mich setzt. Dein Körper strahlt eine angenehme Wärme aus, sodass ich nicht umhin kann, mich etwas an dich zu lehnen. Sofort legst du schützend einen Arm um mich und ich schließe die Augen, kann endlich ein bisschen entspannen.
 

„Das wird schon wieder.“ Du hörst dich zuversichtlich an, aber ich kann deinen Worten noch keinen Glauben schenken. Vielleicht kann ich es irgendwann, vielleicht aber auch nicht und das alles hat am Ende doch keinen Sinn und wir beiden werden den Rest unseres Lebens arbeitslos in diesem Molloch von Stadt verbringen. Nein, danke. Wenn schon arbeitslos dahinsiechen, dann wenigstens daheim in Osaka... oder Kyoto... Kyo schwärmt doch immer so davon, da muss es ja irgendetwas in der Kaiserstadt geben, das einen gewissen Reiz ausübt. Wie auch immer... was bringt es schon sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Abwarten und Teetrinken was Übermorgen bringt. Ob Kaoru sich überhaupt wieder einkriegt?
 

„Komm, lass uns ins Bett gehen, es ist spät.“ Mir bleibt nur ein ergebenes Nicken, ich will nicht mehr selbst denken und eigene Entscheidungen treffen müssen. So folge ich dir und kurze Zeit später liegen wir nebeneinander im Bett, ich mit dem Rücken zu dir, eingerollt um möglichst wenig Angriffsfläche für entweige, nicht anwesende Bedrohungen zu bieten. Ich kann deinen Blick auf meinem Rücken spüren, äußerlich sicher kühl und ausdruckslos, doch innerlich machst du dir Sorgen, wie immer eben.
 

Irgendwann beginnst du mir sanft über die Schultern zu streicheln, nur der Hauch einer Berührung, aber so intensiv wie kaum etwas anderes, bis du zärtlich die Arme um mich legst und näher an mich rückst, als wolltest du mich schützen. In der Kühle der Nachtluft ist mir kalt, doch deine Haut strahlt eine unbändige Hitze aus. Am liebsten würde ich in dich hineinkriechen, um diese Wärme an meinem ganzen Körper spüren zu können, aber wie draußen noch kann ich mich wieder kaum rühren. Deine schlanken Finger beginnen durch mein Haar zu kämmen und schicken Schauer über meinen nackten Rücken, bis sie beginnen die Konturen meines Gesichts nachzuzeichnen, eine Spur deiner Wärme auf jedem Millimeter, den du berührst, hinterlassend. Unbewusst kuschle ich mich näher an dich, lehne mich in jede dieser federleichten Berührungen; langsam lässt die Starre nach, die mich zuvor ergriffen hat.

Es ist mir ein Rätsel, wie ein so schöner, liebenswürdiger und alles in allem einfach perfekter Mann sich gerade in mich verlieben konnte oder womit ich dieses Glück verdient habe, aber ich weiß, dass es keinen Sinn macht darüber nachzudenken und so nehme ich dieses Geschenk einfach als das an, was es ist und genieße es solange ich kann. Deine Hand wandert weiter hinab, streift nur kurz meinen Hals, bevor sie ihre Reise über mein Schlüsselbein zu meiner Brust fortführt. Du weißt, dass ich nicht gerne am Hals berührt werde, die Vorstellung, dass mir jemand die Luft abschnüren könnte, ist zu erschreckend. Seit meiner Kindheit schon erfüllt mich der Gedanke zu ersticken mit unendlicher Panik, aber woher das kommt, weiß ich nicht so genau.
 

Als du beginnst meine Brustwarzen zu liebkosen, beiße ich mir auf die Lippe um ein Keuchen zu unterdrücken. Ich will diese Stille gerade nicht durchbrechen, es ist, als würde ein Bann über uns liegen und die Vorstellung diesen zu zerstören scheint irgendwie falsch. So ist es oft zwischen uns, häufig lieben wir uns still, in gegenseitigem Einverständnis und völliger Ruhe, als wären wir schon immer perfekt füreinander gewesen. Vielleicht sind wir das ja auch wirklich, wer weiß das schon. Aber ich liebe diese Art, wie wir miteinander schlafen, es ist ein Gefühl, als würden wir für diese Zeit in unserer eigenen Welt leben, in die uns niemand folgen kann; etwas was ich bei keinem anderen Mann und keiner Frau zuvor erlebt habe.

Manchmal glaube ich, dass du alles bist, was mich noch bei Verstand hält, wenn du allein durch dein Lächeln oder einen unschuldigen Kuss all meine Ängste vertreibst. Und auch als ich später in dieser Nacht wie so oft schweißgebadet aus meinen Albträumen erwache, ist es deine Nähe, die mein rasendes Herz wieder beruhigt und der Anblick deines weichen Gesichts, das mir die Sicherheit gibt, die ich brauche, um das alles irgendwie ertragen zu können. Wieder habe ich mich in den Schlaf geweint, ohne dass wir ein Wort darüber gewechselt haben, denn du hast längst akzeptiert, dass ich den Grund für diese Tränen nicht kenne, die jedes Mal ihren Weg über meine Wangen finden, nachdem wir Sex hatten.
 

„Wieder schlecht geträumt?“, dringt deine leise Frage wie immer durch die kühle Nachtluft und wie immer antworte ich: „Ja.“ und setze mich auf, ziehe die Knie an und lege die Arme darum um meinen Kopf darauf zu betten. Es gibt mir irgendwie das Gefühl der Sicherheit zurück, nachdem ich mich jedes mal nach diesem Traum so wehrlos und ausgeliefert fühle. Dem Schicksal ausgeliefert, so nennt man das wohl; Kyo wüsste wahrscheinlich wie man es richtig beschreibt.
 

Kyo... wie kann er Dies Anwesenheit nur ertragen, nach allem was geschehen ist? Ich kann es doch selbst kaum, dabei kenne ich nur einen Bruchteil dessen, was wirklich passiert ist. Allein sein Gesicht zu sehen hat die ewige Angst, die mich heutzutage beherrscht noch schlimmer werden lassen und am liebsten hätte ich ihm in dem Moment, als er dort neben Kyo stand, die Tür vor der Nase zugeschlagen. Wenn allein so eine Situation mich schon überfordert, wie soll ich dann in seiner Gegenwart noch arbeiten können? Wie soll ich das Zittern meiner Hände unterdrücken, um das Plec irgendwie in den Fingern zu halten und die richtigen Akkorde zu greifen? Der Gedanke an die Zukunft ist erschreckend und furcheinflößend, am liebsten würde ich die Zeit anhalten.
 

Auf dem Nachttisch beginnt mein Handy zu vibrieren. Als ich danach greife, verrät mir ein Blick auf dich, dass du bereits wieder schläfst, unruhig zwar, aber immerhin. Mittlerweile weißt du, dass du mir ohnehin nicht aktiv helfen kannst in diesen Situationen, hauptsache du bist da und unbewusst streichelst du mir über die Hand. Das sanfte blaue Licht, dass von dem Bildschirm das Zimmer ein wenig erhellt, blendet mich erst in den Augen, bevor ich endlich erkenne, was in der sms steht. >Hast ne mail. Kyo.< Eine typische Nachricht, wie ich sie in den letzten Monaten nur zu oft bekommen habe und er genauso. Auf gewisse Weise teilen wir ein ähnliches Schicksal... so schlimm das alles auch war, hat es uns viel enger aneinander geschweißt, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.
 

Also greife ich nach meinem am Boden neben dem Bett liegenden Laptop und warte bis das lahme Teil endlich betriebsbereit ist. Hab wohl einfach zu viel Krams darauf gespeichert... vielleicht sollte ich mal aufräumen... ich hasse aufräumen... Mit einem resignierenden Seufzer mache ich mich an die harte Arbeit mich mit einer Hand in das Mailprogramm einzuloggen, um die Mail endlich aufzurufen. Jede dieser Mails erwarte ich gleichzeitig mit einer gewissen Spannung und Vorfreude, fürchte sie aber zugleich, da ich nie weiß, in was für einem Zustand Kyo wieder ist, wenn er sie schreibt.
 


 

>Manchmal wär ich froh, wenn er damals ein bisschen besser gezielt hätte. Oder der Krankenwagen im Stau gestanden hätte. Oder sonstwas... weiß du wie das ist, wenn man eigentlich das Gefühl hat, man müsste tot sein, aber man lebt trotzdem? Und dann schleicht sich da der Gedanke ein, dass ich vielleicht nichtmal sterben kann, wenn ich will, dass mir das das Schicksal nicht erlauben würde...

+.+ <- das bin ich. Ein lebender Toter. XD<
 

Typisch., denke ich mir nur, muss aber grinsen. Manchmal fühle ich mich genauso, wie er es gerade beschreibt, aber seine Worte versetzen mir auch einen Stich ins Herz, denn ich bin ja Schuld, dass er noch lebt, weil ich da war. Kaoru hat zwar den Krankenwagen gerufen, aber meinetwegen, waren alle so schnell da. Ob er wohl wütend ist? Ich versuche das erstmal zu verdrängen und lese weiter.
 

>ihn heute wiederzusehen war irgendwie schön. Klar, du kannst mich jetzt als verrückt abstempeln, wahrscheinlich bin ich's... aber ich hab ihn vermisst... so sehr... so sehr... ich kanns nicht erklären, aber in dem Moment, da ich ihn dort hab stehen sehen, vor eurer Tür, da... hat irgendwas in mir *klick* gemacht... und plötzlich war alles wie früher... ich weiß ja, dass es so nicht sein sollte, aber ich kann nichts dagegen tun...

Was wäre wohl die normale Reaktion auf eine Situation wie die zwischen ihm und mir?

~ Angst. Ich könnte mit Angst reagieren und alle würden verstehen.

~ Wut. Für das, was er mit angetan hat. Und was er uns angetan hat. Und alle würden verstehen.

~ Apathie und Vergessen. Ich würde garnichts fühlen und ihn ignorieren und aus meinem Leben streichen und die ganze Zeit, die ich mit ihm zusammen war, gleich mit dazu. Wieder würden alle verstehen, oder nicht?

Aber womit ich reagiere ist das: Verlangen. Sehnsucht. Lust. Und was für mich jetzt in diesem Moment daraus resultiert ist das: Schuld.
 

mail back...<
 

Seine Worte treiben mir wieder die Tränen in die Augen und verursachen Gänsehaut, schicken mir eiskalte Schauer über den Rücken. Du schläfst immernoch und das ist wohl auch gut so. Ich will das hier nicht erklären müssen. Für Kyo und mich ist das hier eine Art der Selbsttherapie. Wir bilden uns ein mit einem Fremden zu schreiben und reden nie darüber, was wir einander Nachts schreiben, wenn wir uns dann gegenüberstehen. Es ist so eine Art stilles Einverständnis, denke ich, aber ich verstehe das ganze nicht so wirklich. Ich weiß nur, dass es mir hilft und ihm doch bestimmt auch... also antworte ich auch gleich.
 

>Wieso Schuld? Fühlst du dich schuldig? Weil du ihn immernoch begehrst? Ich kann nicht behaupten, dass ich das verstehe... weder, warum du ihn begehrst, noch warum du dich deshalb schuldig fühlst. Du kannst ja nichts für deine Gefühle. Und noch weniger kannst du was dafür, dass er dir so wehgetan hat... aber das hab ich dir ja schon oft genug gesagt, ne? Sollte mir wohl langsam mal ne neue Strategie ausdenken... ^__~

aber falls es dir hilft: ich bin froh, dass du noch lebst... nur mal so nebenbei...

hmm... Shinya schläft. Ich hatte schon wieder Albträume. Irgendwie mach ich mir Sorgen, dass ich nichtmehr spielen kann. Ich hab Angst vor übermorgen.<
 

Ich weiß nicht was ich anderes schreiben soll und klicke deshalb schnell auf >senden<. Wenn ich zu lange Gelegenheit dazu habe über das Geschriebene nachzudenken, traue ich mich nichtmehr so offen mit meinen Gefühlen zu sein und lösche die Hälfte wieder. Aber das wäre ja nicht der Sinn der Sache. Also warte ich...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-02-04T20:42:04+00:00 04.02.2008 21:42
*mehr lesen will* _._

^^
Von:  Xuy
2008-02-04T01:18:32+00:00 04.02.2008 02:18
Ich finde den Teil in der FF echt toll....sie is sooo traurig,,moi!
Naja..schon komisch das mit Die und Kyo........
Hoff du schreibst bald weiter....*ansporn*
LG..Ayu!!!^^


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