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Fesseln der Liebe (?)

von

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Kapitel 17

Aya genoss die angenehme Luft im Freien. Zuvor hatte sie sich eine Dusche gegönnt. Doch die Müdigkeit wollte nicht ganz von ihr weichen. Danach, als ihre Haare wieder trocken waren, suchte sie den Weg in den Garten. Als sie gestern hier angekommen war, hatte sie den Zaun bereits gesehen, der den Garten bereits andeutete, aber es genügte ihr nicht. Sie wollet ihn vor sich sehen und suchte, bis sie die Tür dazu fand.

Erstaunt durchquerte sie ein ihr fremdes Zimmer. Unmöbliert, hell und groß lag es vor ihr. Nichts außer ein rotweißer Teppich zierte diese Räumlichkeit. Trotzdem passte es auf eine bestimmte Art und Weise.

Direkt gegenüber der Tür befand sich eine weitere Tür, der Durchgang zur Terrasse. Groß, gefenstert, freundlich. Der Wind drückte die Vorhänge in den Raum, bäumte sie auf und zog sie wieder zu sich nach draußen. Hinter diesen großen Glastüren, die weit offen standen, verbarg sich der schönste Garten, den sie je gesehen hatte, direkt nach einer eleganten Terrasse.

Mit viel Liebe waren die Steine der Terrasse per Hand angebracht worden. Stilvoll eingravierte Muster, die sich wie Sträucher ausbreiteten, ließen sie alt und antik wirken. Über diese großen, quadratischen Steine stieg Aya und betrachtete weitgehend die zarte und berauschende Umgebung. Um der Terrasse, auf der nur zwei Liegen und ein kleiner Tisch, beides aus hellem Holz, standen, wuchsen Rosenbüsche und ein Erdweg führte durch den Garten an vielen, unterschiedlichen Blütenarten und Gemüsesorten vorbei. Alles hatte seine Ordnung, dennoch wirkte es natürlich und friedlich.

Auf einigen Bäumen, die Aya in diesem Wald zum ersten Mal erblickte, hatten Vögel ihre Nester errichtet und zwitscherten im Chor. In der Mitte des Gartens ragte ein altertümlich wirkender Brunnen an dem sich Pflanzen empor kletterten. Dies verlieh dem ganzen einen weiteren natürlichen Glanz. Nur der hölzerne Zaun, der hierum errichtet wurde, zeigte, dass dieser Garten jemanden gehörte.

Interessiert und voller Bewunderung durchquerte sie den großen Garten. Ein wundervolles Bild bot sich ihr und sie atmete den frischen, unwiderstehlich Duft der bunten Blüten ein. Eine bezaubernde Farbenpracht, kaum überschaubar. Zusätzlich zu der Gartenpracht spielte auch das Wetter mit. Die Sonne schien über ihr am Himmel und erwärmte die Luft. Der kühle Wind gestellte sich auch dazu und erschaffte eine angenehme Temperatur, in der es sich sehr gut leben ließ.

Eine Weile tat sie nichts anderes, außer die Natur zu bestaunen. Der Nachmittag verging langsam und sie wusste, schon bald würde die Sonne versinken und dann wäre die Nacht nicht mehr weit. Auch Shinri würde dann wiederkommen und insgeheim freute sie sich bereits darüber. Sie wünschte, der Junge könnte diesen Garten mit ihr besichtigen.

Sie betrachtete die Bäume auf der anderen Seite des Zaunes. Noch nie hatte sie einen Garten in einem Wald gesehen. Ein ungewöhnliches, aber bezauberndes Bild. Als sie dort stand und alles in sich aufnehmen wollte, erstarrte sie auf einmal. Sie blinzelte drei Mal, doch das Bild verschwand nicht. Nein, sie sah es ganz deutlich vor sich. Ihr Mund formte Worte, die sie nur leise verließen. “Das … kann doch nicht sein …” Es war Tag, helllichter Nachmittag. Das konnte keine Fata Morgana sein. Nein. Es zeichnete sich klar ab und zeigte ihr deutlich, dass es die pure Realität war!

Nur zwanzig Meter weiter weg, unter einem großen, stämmigen Baum, erblickt sie einen schwarzhaarigen Fremden. Es war nicht derselbe, der sie gestern in Lucios Zimmer aufgesucht hatte. Nein. Viel mehr glaubte sie, Shinri wäre zurück gekehrt - was natürlich nicht sein konnte. Das war nicht Shinri, er sah nur so aus, wie er.

Aya fragte sich, was der Junge hier zu suchen hatte, der mit einem düsteren Lächeln am Baum lehnte und sie beobachtete.

Als der Fremde ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, trat er von dem Baum Weg und wand sich um. In Aya erwachte der Drang, ihm zu folgen und ihn zur Rede zu stellen. Der Junge, der ihr den Rücken zugewandt hatte, wartete nicht auf sie und betrat mit ruhigen Schritten den Wald. Bevor Aya wusste, was sie tat, rannte sie los, sprang über den Zaun und folgte ihm. Sie musste ihn aufhalten, bevor sie ihn aus den Augen verlor, ging es ihr durch den Kopf.

Einige Zeit lang huschte er vor ihren Füßen her. Ayas Rufe stoppten ihn nicht. Sie versuchte ihn zu erreichen, doch irgendwann verschwand er hinter dem nächsten Baum. Aya verlangsamte ihr Tempo und blickte hinter den großen Stamm, aber niemand war zu sehen. Sie lief einige Schritte umher, bis sie sicher sein konnte, dass er nicht mehr hier war. Das Laub um sie herum bewegte sich keinen Millimeter. Nur der Wind tanzte durch den Wald. Aya war ganz alleine.

Sie versuchte sich zu orientieren. Ihr Atem stockte. Nein, zischte es durch ihren Gedankengang. Sie suchte die Umgebung ab, aber es gab kein Anzeichen, woher sie kam. Panisch fragte sie sich, welchen Weg zu zurück nehmen musste, aber außer Laub gab es nichts, dass ihr den Weg hätte weißen können. Jetzt stand es fest. Sie hatte sich verlaufen. Das Haus war meilenweit von ihrem Standort entfernt und nie würde sie von hier wieder herausfinden. Nicht ohne Hilfe.

Auf einmal fiel ihr etwas ein. Die Erinnerung holte sie mit einem Schlag ein und es war ihr, als würde der Mann wieder vor ihr stehen und zu ihr sprechen. Pass auf dich auf. Geh nicht in den Wald. Er wartet auf dich.
 

Jackin saß noch immer auf der Couch. Er beendete das Buch und schlug es zu. Müde rieb er sich die Augen und legte das Buch seufzend zur Seite. Dann stand er auf. Geschickt schob er es an die Stelle des Regals zurück, aus der er es genommen hatte. Gestern hatte er mit diesem Buch angefangen. Vor Müdigkeit konnte er es nicht fertig lesen, aber heute hatte er es geschafft. Er lächelte. Lucio besaß wirklich gute Bücher. Er würde leider nicht mehr dazu kommen heute ein Neues anzufangen, denn Shinri und Lucio würden heute noch zurückkommen.

Er streckte sich genüsslich, dann trat er endlich wieder an das Fenster. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und entlockte ihm ein zufriedenes Lächeln. Der Himmel strahlte in seiner ganzen Pracht, während sich aber langsam die Sonne der Erde entgegenbewegte und schon bald den Horizont berührte. Der Sonnenuntergang von hier aus musste wunderschön sein, träumte er, und Ria kam ihm wieder in den Sinn. Sie wünschte sich bestimmt, mit ihm irgendwann so einen wunderschönen, romantischen Moment zu erleben. Nur ob jemals diese eine Zeit kommen würde?

Eine Weile lang beobachtete er Aya, die mit freudestrahlendem Gesicht durch den wunderschönen Garten wanderte. Sie begutachtete die Pflanzen, die großen Bäume und die Vögel auf den schmalen Ästen. Ob Shinri sie ebenfalls glücklich machen konnte? Jackin hoffte es, nur fehlte ihn der Beweis. Der junge Zoma war immer zur Stelle, würde Aya Hilfe brauchen, aber konnte er sie akzeptieren und sie endlich in die Geheimnisse einweihen? Jackin hatte nicht dieselbe wissbegierige Ader, wie Aya sie besaß. Aya musste alles wissen, um sich sicher sein zu könne, dass sie ihm vertrauen konnte. Der Gedanke entlockte Jackin einen Seufzer.

Auf einmal riss ihn etwas aus seinen Überlegungen und zurück in die Gegenwart. Er vernahm eine schnelle Reaktion des Mädchens. Sie lief auf den Wald zu. Sein Blick folgte ihr verwirrt. Was hatte sie vor?

Aya überquerte den Zaun. Sie rief jemanden nach, doch Jackin verstand kein Wort. Hatte sie etwa jemanden gesehen? Jackin warf einen nervösen Blick auf die Uhr. Lucio und Shinri konnten nicht wieder zurück sein, dafür war es viel zu früh. Außer dem schien es so, als renne die fremde Person vor ihr weg. Vielleicht … und auch er erinnerte sich an den Satz, den der Unbekannte angeblich zu Aya gesagt haben sollte.

Jackin es nicht mehr aus. Eine bedrohliche Lage zeigte sich vor ihm. Der tiefe, düster werdende Wald, der Aya verschlingen wollte, würde sie nur einen Schritt zu weit hineinwagen, und ein gefährlicher Fremder, der anscheinend nur darauf wartete, dass sie sich darin verirrte. Doch das Mädchen stoppte nicht und rannte den ersten Bäumen entgegen.

Sofort öffnete der Blonde das Fenster. Er musste handeln. Schnell sprang er über den Fenstersims, fetzte durch den Garten und überquerte geschickt den Zaun. Jackin erspähte Ayas brünetten Haarschopf, versuchte sie noch zu überholen, sie zurück zu bringen, als sie dann gänzlich verschwand. Er befand sich noch nicht weit entfernt von der Lichtung und schon hatte er ihre Spur verloren.

Eine Weile wanderte er auf der Stelle, ohne das Haus aus den Augen zu verlieren. Verzweifelt rief er nach Aya. Keine Antwort. Er wartete einige Zeit, doch nichts tat sich. Verzweifelt seufzte er auf. Nun stand er vor einer Wahl. Sollte er hinterher und vielleicht, aber nur vielleicht, Aya finden, oder im Haus bleiben und Shinri um Hilfe bitten, der sie bisher immer wieder gefunden hatte.

Wütend schlug er gegen die dunkle Rinde eines großen Baumes. Er hasste sich und seine Unnützlichkeit. Noch nie hatte er es geschafft Aya aus eigenen Kräften zu helfen. Wer wollten schon einen Kumpel wie ihn? Er war ein schlechter Freund. Irgendetwas hinderte ihn, dort hinein zu gehen. Nur, was hielt ihn zurück? Wäre es Ria gewesen, die sich in den weiten Wald verlaufen hätte, würde er ohne zu zögern hinterher eilen. Nur eine ganz bestimmte Person konnte Aya jetzt noch retten.
 

Entsetzt starrte Aya um sich. Die Dunkelheit legte sich über den Wald. Die Sonne sank langsam und die Abendröte wich einem dunklen, sternenbesetzten Himmel. Sie hatte die Orientierung wirklich verloren. Jeder Baum ähnelte dem anderen und die Nacht erschwerte ihr das Sehen. Es war hoffnungslos. Sie war müde, traurig und hungrig. Am liebsten hätte sie sich auf den Boden geschmissen und wäre eingeschlafen. Sie hatte aber bereits bemerkt, dass sich unter dem Blättergewirr einige Schlangen befanden. Ungewöhnlich, durchdrang es ihre Gedanken. Schlangen an solch einem Ort. Obwohl, sie wusste nicht einmal, wo sie sich genau befand.

Eine Zeit lang rief das Mädchen noch um Hilfe, schon bald aber gab sie es auf. Es half ihr nicht weiter. Niemand kam. Sie suchte sich einen Weg aus und ihre Beine trugen sie weiter, über das Laub hinweg. Schritt für Schritt, fast schon wie benebelt, lief sie in irgendeine Richtung.

Vielleicht schaffte sie es ja doch heraus. Sie durfte die Hoffnung nicht aufgeben. Noch nicht. Sogar, als die Nacht kälter wurde und sie mit dem T-Shirt einsam im Wald stehen blieb, gab sie noch nicht ganz auf. Doch langsam schwand die Hoffnung und in ihr breiteten sich Traurigkeit und Angst aus. Sie versuchte die aufkommende Verzweiflung zu unterdrücken. Irgendwer würde sie sicher suchen. Es musste jemand kommen! Shinri. Wird er sie wirklich suchen?

Die Gedanken daran, hier alleine herumzuirren, ließen ihr die Tränen in die Augen steigen. Schnell wischte sie diese mit dem Handrücken ab und versuchte sich zusammen zu reisen. Noch dufte sie nicht aufgeben und auch nicht an solch schreckliche Sachen denken, die vielleicht passieren könnten. Nein, nicht wenn es Shinri gab. Oh Gott! Wieso konnte sie sich nicht einfach zusammenreisen, ihr Herz beruhigen und weiter gehen? Wieso bleib sie stehen und hoffte einfach, dass Shinri kam? War es die Müdigkeit, die ihr Hirn benebelte, oder war das etwas in ihr, dass an den Zoma dachte?

Sie lehnte sich an einen Baum und verschnaufte. Es war dunkel und düster und sie war alleine. All das, wovon sie gehofft hatte, dass es sie nach dem gestrigen Tag nicht mehr ereilen würde. Immer wieder verfluchte sie sich, weil sie nicht auf den Rat des fremden Mannes gehört hatte. Wieso war sie auch so naiv gewesen und war dem unbekannten Jungen gefolgt? Nur, weil er aussah wie Shinri? Oder war sie es gar nicht, die sich dorthin bewegt hatte? Vielleicht trug eine unbekannte Macht ihre Schuld daran, oder auch nur ihre eigene Dummheit.
 

“Vergesst das nie! Es liegt an euch! Euer Leben ist das Wichtigste, das ihr habt. Lasst euch nicht von diesen Menschen um den Finger wickeln. Bis zum nächsten Mal hoffe ich auf Besserungen”, schloss das Oberhaupt die Versammlung ab. Die Zomas verließen den großen, verdunkelten Saal und gingen ihre eigenen Wege.

Shinri wollte auch so schnell es ging verschwinden, als er aufgehalten wurde. Sein Onkel rief nach ihm. Lucio und Ria standen bei ihrem Cousin und alle drei betrachteten den älteren Herrn. “Shinri”, erklang seine raue Stimme. Die dunklen, pechschwarzen Augen musterten ihn ernst. Die Haut war rau und bleich. Falten zeichneten sich um seine Mundwinkel und seine Augen. Er wirkte dennoch sehr jung für sein eigentliches Alter.

Shinri blickte ihn düster an, wartete aber auf die nächsten Worte. Das Oberhaupt wand sich an Shinri und Ria: “Ihr wisst, die Hoffnung aller lastet auf euren Schultern.”

Ria nickte sofort zustimmend. “Ich versuche, so schnell wie nur möglich meine Aufgabe zu vollbringen!”, versprach sie. Die Energie floss in ihr, denn sie wusste, was sie wollte. Shinri aber wich dem Blick seines Onkels aus und wollte seinen Weg fortsetzen.

Auf einmal legte sich die knochige, alte Hand auf Shinris Schulter und hielt ihn somit auf. Der Schwarzhaarige entgegnete den ernsten Blick mit grimmiger Miene. “Du kannst sagen, was du möchtest! Aber ich werde machen, wozu ich Lust habe!”, fauchte der Jüngere. “Von dir lasse ich mir bestimmt nichts vorschreiben!” Er war mit seinen Vorwürfen noch nicht fertig. “Übrigens hast du ja wohl überhaupt nichts Großartiges erreicht! Nicht ein einziges Kind kannst du dein eigen nennen! Das ich nicht lache. Und du nennst dich Oberhaupt der Zomafamilie?!” Shinri schäumte vor Wut. Er hasste seinen Verwandten mehr als jeden anderen auf dieser weiten Welt. Am liebsten wäre er ihm an den Hals gefallen, wäre in diesem Moment nicht Ria dazwischen gegangen. Sie redete auf ihn ein und versuchte ihn zu beruhigen, was ihr nicht wirklich gelang.

“Ich habe es eilig! Ich hoffe, wir sehen uns nie wieder, Onkel”, verabschiedete sich Shinri mit verächtlichem Ton, der seinem Onkel nicht entging. Der schwarzhaarige Junge machte auf dem Absatz kehrt und verschwand hinter der nächsten großen Tür.

“Ich entschuldige mich vielmals für ihn, Onkel”, meinte Ria und folgte ihrem Cousin mit schnellen Schritten. Lucio blieb mit dem Oberhaupt der Familie zurück. Der Ältere von beiden blickte durch den Gang, dann wand er sich wieder an Lucio. “Mir scheint es so, als liege das Mädchen Shinri am Herzen. Er hat versucht, sie so wenig wie möglich ins Gespräch zu bekommen und sie verteidigt, wo es nur ging. Hast du sie bereits kennen gelernt?”

Lucio nickte zustimmend. “Ja, ich hatte das Vergnügen sie kennen zu lernen. Sie ist recht süß, aber keineswegs auf den Kopf gefallen. Eine interessante Person. Es so lange mit Shinri auszuhalten, ist eine bemerkenswerte Leistung.” Das Oberhaupt musterte seinen Neffen mit hochgezogenen Augenbrauen. “Sie scheint es dir aber angetan zu haben”, bemerkte er mit einem missfallenden Blick. Der Onkel Rashid hasste alles, was mit den Menschen zu tun hatte, vor allem da sie für die Zomafamilie lebenswichtig war.

“Lucio, behalte Shinri im Auge. Es ist von größter Dringlichkeit, dass sich keiner von uns den Menschen zu sehr anvertraut. Sie sind es nicht wert, egal wie süß sie für euch erscheinen mögen. Du weißt, was sie trifft, wenn sie Schwierigkeiten macht.“ Rashids Augen waren eiskalt, als er Lucio unverwandt ansah. Ja, er würde nie vergessen, was es hieß, den Zomas Schwierigkeiten zu bereiten. Auch nach sechs Jahren steckte ihr Tod ihm tief in den Knochen.

“Ach, übrigens. Kurai hat sich heute nicht blicken lassen. Aber ich glaube, er haltet sich in der Nähe deines Hauses auf. Finde ihn und bringe ihn endlich zu Vernunft! Wenn er sich weiterhin weigern sollte, wird er zu einem Verräter unseres Volkes”, erklärte Rashid beiläufig, aber seine schwarzen Augen sagte Lucio, wie wenig er von Kurais Verhalten angetan war.

Kurai war ebenfalls ein Cousin von Lucio. Er war nicht so alt wie Lucio selber, doch weigerte er sich vehement, einer Frau zu nahe zu treten. Jeder Zoma brauchte die Nähe eines Menschen, egal ob Auserwählte oder nicht. Lucio selbst blieb keine andere Möglichkeit, als sich mit menschlichen Frauen zu treffen, die nicht vom Schicksal für ihn bestimmt waren, denn seine eigene Auserwählte war vor sechs Jahren hingerichtet worden.

Kurai, mit seinen 21 Jahren, suchte noch immer verzweifelt nach seiner Auserwählten. Er wollte es nicht einsehen, sich mit anderen Menschenfrauen einzulassen und riskierte damit seine eigene Gesundheit. Immerhin härtete ihn diese ungesunde Lebensweise ab und er konnte länger ausharren, als Lucio selbst. Sein Onkel war weniger davon begeistert, denn laut seinem Gesetzt, sollten die Zomas nicht zögern, die Menschen für ihre Zwecke zu missbrauchen - ohne Gefühle.

Mit einem schwachen Nicken antwortete Lucio seinem Oberhaupt Rashid. Der ältere Herr legte seine knorrige Hand auf die Schulter seines Neffen und sah ihm ernst in die Augen, doch sagte er kein Wort. Die Drohung verstand Lucio auch so. Sollte er nur irgendetwas gedankenloses tun, was das Oberhaupt erzürnen könnte, würde es Konsequenzen geben.

Eine unterdrückte Wut brodelte in Lucio, als er endlich entlassen wurde. Er wusste ganz genau, was Rashid hätte sagen wollen. Lucio war schon 31 Jahre alt und hatte noch keine eigenen Kinder. Aber leider würde er auch nie in dessen Genuss kommen, da seine Auserwählte umgebracht worden war. Und für all das gab Rashid ihm die Schuld.

So schnell es ging, aber ohne Aufsehen zu erregen, durchquerte Lucio die selbe Tür, die auch Ria und Shinri genommen hatten. Dahinter warteten die beiden auch bereits. Sie sahen angespannt und wütend aus und Lucio konnte es ihnen nicht verdenken. Er fühlte sich genauso. Mit einem sanften Lächeln bat er sie, weiter zu gehen, doch anscheinend machte Shinri etwas ganz anderes Sorgen. Nicht das Treffen. Nein, etwas ganz anderes, dass nur er spüren konnte.

So schnell es ihnen möglich war, brachten sie den Weg hinter sich. Als sie ankamen, waren sie fast schon erleichtert und Ria fühlte sich, als käme sie nach langer Zeit nach Hause zurück. Nicht, weil sie früher in diesem Haus gelebt hatte, sondern weil sei Jackins Anwesenheit spürte.

Shinri dagegen war nicht erleichtert oder glücklich. Etwas plagte ihn. Eine Angst und er wusste, es hatte etwas mit Aya zu tun. Er wollt sie in Sicherheit wissen, also rannte er zum Haus, die verwirrten Rufe der beiden anderen ignorierend.

Als er die Haustüre erreichte, kam Jackin ihm entgegen. Er sah besorgt aus und sofort wusste Shinri, dass etwas nicht stimmte. Bevor er Jackin ganz erreichte, fragte er ihn bereits: “Wo ist sie? Wo ist Aya?” Er war außer Atem vor Sorge um sie und hätte Jackin am liebsten geschüttelt, um die Information aus ihm heraus zu holen. Doch der blonde Junge war kooperativ und sofort erzählte er ihm: “Aya ist in den Wald gelaufen! Ich weiß nicht, aber ich glaube, irgendwer ist mit ihr dort draußen.”

“Wieso bist du ihr nicht gefolgt?!”, knurrte Shinri aufgebracht, als er das hörte. Es war bereits mitten in der Nacht und der Wald barg Gefahren, von denen er nichts wusste.

“Du weißt genauso gut, wie ich, wieso! Du bist der Einzige, der sie zurückholen kann”, entgegnete Jackin ihm scharf, denn auch er war fast krank vor Sorge. Zum Glück verstand Shinri ihn sofort. Ihm war klar, dass Jackin sie nie und nimmer in diesem großen Wald gefunden hätte. Seine Wut auf Jackin verflog und die Angst nahm immer mehr zu.

“Ihr bleibt hier!”, befahl er allen drei in einem Ton, der keine Widerrede duldete. In diesem Moment, war er kein Freund von ihnen, er war der Zoma, der sein Leben beschützen wollte. Denn Aya war sein Leben.

Schnell rannte Shinri in den Wald, ohne sich einmal umzudrehen. Er wusste, es war dringend und er wollte keine Zeit verlieren. Die anderen blieben zurück. Sowohl Shinris Blick, als auch seine Worte, wiesen ihnen an, nicht gegen ihn zu arbeiten. Lucio wusste, wie beharrlich und gefährlich Shinri sein konnte. Deswegen war es er, der eigentlich den Platz des Oberhauptes annehmen hätte müssen.
 

Shinri rannte mit schnellen, lautlosen Bewegungen durch den Wald. Die Dunkelheit konnte ihn nicht abschrecken. Sie wirkte weniger bedrohlich auf ihn, als ein kleines, weißes Kaninchen. Er hatte es eilig und niemand würde ihn aufhalten können, denn er hatte etwas wichtiges zu erledigen. Es gab nichts, was wichtiger war, als Aya zurück zu holen. Deswegen ließ er sich keine Ruhe und hetzte durch den Wald, bis jeder normale Mensch bereits die Orientierung verloren hatte. Kopflos war er gerannt und an vielen, gleich aussehenden Bäumen vorbei gekommen. Es war kein Wunder, dass Aya sich verirrt hatte.

Irgendwann, als er tief genug im Wald war, blieb er stehen, umringt von großen, dünnen Bäumen, die sich in den Himmel streckten. Auf dem Boden lag Laub ausgebreitet und er wusste, dass sich darunter einige interessante Schlangenarten tummelten. Doch eigentlich gab es hier keine Schlangen und er wurde schlagartig an einen Zoma erinnert. Schnell schüttelte er den Gedanken ab. Es war absurd, dass er wirklich hier sein sollte. Wieso auch? Um seinen großen Bruder zu besuchen?

Still blieb Shinri im Wald stehen. Tief atmete er durch, um alle Gedanken zu lösen. Danach öffneten sich seine dunklen Augen wieder und spähten durch die Nacht, suchten die Umgebung ab und warteten auf etwas. Er sprach in die Nacht: “Kommt, meine Freunde. Tiere der Nacht! Weißt mir den Weg! Meine Auserwählte wartet auf mich.”

Der Wind trug die Nachricht an den Bäumen vorbei und noch weiter in den Wald hinein. Shinri stand regungslos da und wartete auf eine Antwort. Eigentlich war ihm nicht nach Geduld zumute, aber er beherrschte seine innere Aufruhr. Er wollte nicht wahllos umher rennen und panisch reagieren, wie es andere in seiner Situation getan hatten. Und auch half ihm das Band, dass sie verbanden, nicht weiter. Er konnte sie nicht spüren. Es war, als wäre ihre Verbindung getrennt und das machte ihm wahrlich Sorgen. Er zwang sich dazu, ruhig zu bleiben.

Still und unbewegt lauschte er in die Nacht hinein. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Innerlich kämpfte er gegen einen Strudel aus Gefühlen an, die mit Angst, Sorge und Sehnsucht angehäuft waren.

Ein leises Krächzen erklang und schickte ihm einen Hoffnungsschimmer. Sofort löste Shinri seine bewegungslose Position und rannte los. Mit geschmeidigen, lautlosen Schritten hetzte er durch das Unterholz. Schnell und gewand überquerte er den mit Laub zugeschütteten Boden und ließ mehr als genug Bäume achtlos hinter sich zurück. Sein Blick war wachsam und beobachtete die Umgebung, die in Dunkelheit gehüllt war. Nichts entging ihm, auch wenn die Sorge ihn schier aufzufressen drohte.

Als er dann endlich Aya erblickte, setzte sein Herz für einen Augenblick aus. Entsetz blieb er am Rande der Lichtung stehen. Wut packte ihn mit schier endloser Kraft und es blieb nur zu hoffen, dass Aya kein Haar gekrümmt worden war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mayuki
2008-10-20T06:22:10+00:00 20.10.2008 08:22
Q____Q' Soviele neue Fragen!!!
xD Tollig..
Ahw so süß >__< wie Shinri zu Aya ist x__x'
Naja Fact ist : ich will mehr qq'
Freue mich schon aufs nächste Kapi ♥ *_*'
Mach schön weiter x3!
*knuddel* *keks da lass*
vlg deine Mayu *wink* *verschwind* ~wusch~ xD *weg*
Von:  Sakura-Jeanne
2008-10-19T19:54:47+00:00 19.10.2008 21:54
du schreibst ja imemr noch hammer geil


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