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Your Song

von

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Prolog

Disclaimer:

Keine dieser Personen, außer meine selbsterfundenen, gehören mir selbst. Ich mache kein Geld damit und "leihe" sie mir nur. Yamato, Taichi, Jun und ihre Familien gehören TOEI. Andere Personen, wie die Band (mit Ausnahme des Namens), Schauplätze und Storyline sind mein geistiges Eigentum.
 

Zeichen:

" ... " = Reden

* ... * = Denken

> ... < = Texte aus Radio, Fernsehen, Zeitschriften, Erinnerung an Gesagtes, Zitate etc.
 


 

Your Song – Dein Lied
 

Prolog:
 

"Ich… ich… du wirst mir fehlen, Taichi…" Verlegen sah der blonde Junge zu Boden. Eigentlich war er ja der Typ, der sonst keine Miene verzog und nach außen hin cool und unerreichbar wirkte. Ein leichter rötlicher Schimmer überzog seine Wangen, an denen deutliche Tränenspuren sichtbar waren. "Ich dich auch, Yamato..." Zum ersten und zum letzten Mal umarmten sich die beiden Jungen. Wenn jemand vorbeigegangen wäre, hätte er es für eine normale Abschiedsszene gehalten. Dieser jemand wäre vielleicht nur verwundert darüber gewesen, dass beide Jungen weinten und sich länger festhielten, als nötig gewesen wäre. Er hätte wohl kaum geglaubt, dass diese beiden vor nicht allzu langer Zeit Erzfeinde gewesen waren. Aber niemand bemerkte den Abschiedsschmerz von ihnen, denn die Passanten hasteten zu ihren Flügen, zu Kofferausgaben, zum Check In oder einfach nur auf die Toilette. "Mach 's gut Matt." "Du auch Tai. Ich hoffe, du schreibst mir." "Natürlich. Ich werde anrufen, sobald ich angekommen bin." Vorsichtig drückte Matt den Braunhaarigen von sich weg.

Er wollte etwas sagen. Yamato wusste, dass es für ihn die letzte Gelegenheit war, Tai seine Gefühle zu offenbaren. Die Gefühle, die er tief in seinem Inneren für seinen besten Freund hegte. Er wollte es sagen, diese Empfindungen, dem, dem sie gehörten, mitteilen. Doch seine Lippen bewegten sich nicht. Seine Stimme erhob sich nicht. Er konnte nichts tun, als Taichi anzusehen und in seinen schokobraunen Augen zu versinken. "Matt??" "Ja??" In Tais Hals steckte ein dicker, fetter Pfropfen, als er sah, wie hoffnungsvoll Yamato ihn ansah. Er wollte nicht, dass hier alles aufhörte. Er wollte überhaupt nicht, dass es aufhörte. Tai, der sonst nie um ein Wort verlegen war, wurde plötzlich stumm. Er konnte sein Herz, das für sein Gegenüber schlug, ihm nicht ausschütten. Erst vor kurzem war er sich dessen bewusst geworden. Er hatte erkannt, was der rasende Puls, der Freudentaumel und das Herzflattern in Yamatos Nähe, ja gar bei seiner bloßen Erwähnung bedeutete. Seitdem hatte er nur auf eine Gelegenheit gewartet, Matt die Ursache für sein komisches Benehmen in letzter Zeit auszudrücken. Heute war für ihn der letzte Tag gekommen. Und er fand die drei Worte nicht, die ihn von seinen Qualen erlösen könnten. Sein Verstand hatte ausgesetzt. Nur noch bloße Instinkte lenkten seinen Körper.

Tai umfasste die Griffe der beiden Koffer. Am Rande spürte er, wie schwer sie waren und wie sehr seine Muskeln sich anspannten. Dann beugte er sich langsam vor, bemerkte noch, wie Yamato ausatmete und ein warmer Hauch seine Wange streifte. Schließlich bedeckte Tai mit seinen Lippen Matts Mund. Sanft presste er sie gegen die weiche Haut, die unter seiner Berührung schier erbebte. Er spürte, wie Matt scharf einatmete, sich ihm aber nicht widersetzte. Dann gewann sein Verstand wieder die Gewalt über ihn. Erschrocken blickte Tai Matt an. Erschrocken darüber, was er grade getan hatte. Sein Herz klopfte wie wild. Noch immer überrascht über den Kuss von Tai schaute Matt seinen Freund an. Plötzlich drehte Tai sich um und lief davon. Die Türen des Check In Bereichs schlugen hinter seinem Rücken zu. Er sah nicht mehr, wie Matt zu zittern begann und in die Knie sank. Er sah die Tränen der Verzweiflung nicht, die über seine Wangen liefen. Und er hörte nicht mehr, wie Yamato leise "Ich liebe dich, Taichi..." flüsterte.
 

Noch immer zitternd ließ Tai sich in den Sitz fallen und schnallte sich an. Die Sicherheitsanweisungen der Stewardessen bemerkte er nicht. Seine Gedanken waren noch immer in der Halle des Flughafens, der nun langsam unter ihm immer kleiner wurde und schließlich hinter der weißen Wolkendecke endgültig verschwand. Er wollte nicht weg. Nicht weg aus Japan. Nicht weg von seinen Freunden. Nicht weg von Yamato. Aber mit ihm hatte er es sich wahrscheinlich nach seiner Aktion in der Halle sowieso verscherzt. Tränen liefen seine Wangen hinab.

Da zupfte ihn jemand am Ärmel. Neben Tai saß ein kleines Mädchen. Er schätzte sein Alter auf ungefähr 4, 5 Jahre. Die Kleine reichte ihm ein Papiertaschentuch. Gequält lächelte Tai zum Dank. Er wischte seine Tränen ab und schnäuzte sich. "Warum weinst du denn??" Das Mädchen maß ihn mit besorgtem Blick. "Mein Dad ist nach Amerika versetzt worden, und meine Familie muss nun in die USA ziehen." Erneut putzte Tai sich die Nase. Gedanken an gemeinsame Erlebnisse mit seinen Freunden stiegen in ihm hoch. Und vor er sah deutlich vor sich, zwei strahlende saphirblaue Augen, die ihn funkelnd anlachten. Wieder bildeten sich Tränen in seinen Augen. Der kleine Fratz schien sie zu bemerken. Und plötzlich fand Tai sich in einer unbeholfenen kindlichen Umarmung wieder. "Nicht mehr weinen. Sonst wird Aiko-chan ganz unglücklich. Nicht mehr traurig sein. Bitte nicht." Sie drückte ihm einen nassen Schmatz auf die Wange. Reflexartig umarmte Tai das Mädel und flüsterte leise "Ich hör ja auf. Aber erdrück mich nicht." Er ließ sich von seiner neuen Freundin noch ein Taschentuch geben. Strahlend darüber, Tai aufgemuntert zu haben begann sie munter von sich zu erzählen. Er konnte gar nicht glauben, dass ein 5jähriges Kind so schnell und so viel erzählen konnte. Das einzige, was er sich merken konnte war, dass sie mit ihren Eltern Urlaub in Japan gemacht hatte. Aber da ihre Eltern einen Flug eher nehmen mussten, war sie nun allein im Flieger, der direkt Kurs auf die Vereinigten Staaten hielt.

"Duuhuuu...??" Tai sah in die grünen Augen der Kleinen, die sie bettelnd ansahen. "Mh?? Was willst du?" Tai lächelte. Das Mädchen sah mit ihren Bettelaugen einfach zu süß aus. "Spielen wir dann mal zusammen, wenn wir da sind?? Kommst du mich dann mal besuchen??" "Äh... also... ich weiß nicht, ob das deinen Eltern recht sein wird. Ich bin immerhin gute 9 Jahre älter als du." Tai schmunzelte über den nachdenklichen Blick, den Aiko aufsetzte. Überlegend verschränkte sie die Arme vor der Brust und ließ sich tiefer in den Sitz gleiten. "Keine Angst, mir wird schon was einfallen, damit wir zusammen spielen können. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Aiko-chan regelt das." Sie grinste. "Na gut. Aber lass uns jetzt mal eine Runde schlafen. Wir fliegen schon ewig..." "Ok!!" Glücklich über den neuen Freund kuschelte Aiko sich an Taichi und war im nächsten Moment eingeschlafen. Lächelnd strich Tai dem Mädchen über die rot schimmernden Haare. Dann fiel auch er in einen unruhigen Schlaf.

Schließlich erstreckte sich unter ihm der U.S. amerikanischer Boden. Sanft setzte das Flugzeug auf und die Passagiere klatschten Applaus für die gelungene Landung. Doch Tai versuchte sich die ganze Zeit an den Traum zu erinnern, den er gehabt hatte. Aber je länger er sich zu erinnern versuchte, desto hoffnungsloser wurde es, bis er schließlich aufgab. Dann stieg Tai die Gangway hinab und betrat zum ersten Mal in seinem 14jährigem Leben amerikanischen Boden.
 

Wie betäubt wankte Yamato nach Hause. Er zitterte noch immer. Sein Atem raste. Ganz zu schweigen von seinem Herzschlag. Er hörte, wie sein Blut in seinen Ohren rauschte. Leise Tränen stahlen sich seine Wangen hinab. Vorher hatte die Sonne noch geschienen, aber der Himmel schien Matts Gefühle zu teilen. Zuerst benetzten einzelne Tropfen das heiße Pflastergestein, bis der sanfte Nieselregen zu einem wahren Unwetter ausartete. Dicke Regentropfen fielen vom Himmel und durchnässten seine Haare und seine Kleider. Um ihn herum suchten die Menschen eilig Schutz vor dem Regen, er aber bemerkte weder die Passanten noch den Niederschlag. Nasse blonde Strähnen hingen in sein blasses Gesicht. Seine blauen Augen hatten sich auf eine seltsame Weise verdunkelt. Er sah auf. Vor ihm erhob sich ein riesiger Gebäudekomplex. Unbewusst war er den Weg zu Tais alter Wohnung gegangen. Im Geiste sah er sich und Tai die Treppen hinabrennen. Zu spät. Wie immer. Der Lehrer würde sie vor die Tür schicken. Das war nun vorbei.

*Tai ist fort. Er wird nicht mehr zurückkommen. Vergiss es Yamato. D...das am Flughafen hast du dir nur eingebildet. Er hat sich einfach umgedreht und ist davongelaufen. Er wird dich vergessen. Und es ist das Beste für dich, wenn du das auch tust. Es war nur eine Einbildung. Nichts weiter. Eine Fatahmorgana. Sonst nichts. Tai würde so etwas niemals tun. Du hast dich getäuscht... vergiss es einfach. So wie du es immer getan hast... Lass einfach niemanden an dich heran. Dann kann dich auch keiner mehr verletzen. Niemals mehr wird dir jemand so sehr wehtun. Du hast genug durchgemacht. Vergiss es einfach... vergiss es einfach...*

Doch tief in seinem Innern wusste Matt, dass er Taichi Yagami niemals, niemals in seinem ganzen Leben vergessen könnte. Zu sehr hatten sich seine braunen Augen und sein charmantes Lächeln in die Bindehaut seiner Augen eingebrannt. Zu sehr hatten sich seine Ohren an die sanfte, dunkle Stimme gewohnt. Zu sehr hatten sich seine Fingerspitzen das Gefühl seiner weichen, makellosen Haut gemerkt. Nein, niemals konnte er diesen Menschen aus seinem Gedächtnis verbannen. Und aus seinem verletztem Herz schon gar nicht. Noch immer schlug es bei dem Gedanken an ihm schneller.

Er konnte ihn nicht vergessen. Nicht wirklich. Aber das Leben musste weitergehen. So oder so. Yamato kam nicht drum herum. Und deshalb warf er einen letzten Blick auf die Wohnhäuser vor sich und verschwand dann im fallendem Regen. Er kehrte lange Zeit nicht mehr an diesen Ort zurück.

Write A Letter To Me... - Schreib mir einen Brief...

Chapter 1: Write A Letter To Me... – Schreib Mir Einen Brief...
 

"Aiko-chan?? Wo bist du?? Aiko-chan??" Taichi Yagami betrat das Haus, das so vielen Häusern in der Vorstadt glich. Es hatte einen weißen Fassadenanstrich und der grüne Rasen war gepflegt und darauf verteilt waren kleine Beete, in denen die Rosen in den verschiedensten Farben in vollster Blüte standen. Nicht viel an Taichi hatte sich verändert. Noch immer war seine sonnengebräunte, bronzefarbene Haut so weich wie vor zwei Jahren, als Amerika sein Heimatland geworden war. Seine braunen Haare standen wie eh und je wild von seinem Kopf ab. Doch reifer war er geworden. Und größer. Plötzlich fiel ihm ein kleiner Wirbelwind um den Hals.

Tai reagierte schnell und schlang seine Arme um das kleine 7jährige Mädchen, das ihn aus glitzernden grünen Augen anstrahlte. Ihre langen, roten Haare klebten in ihrem zierlichem Gesicht und ihr kleiner Körper steckte in einem weichen Frotteebademantel. "Hallo Tai!!" Zur Begrüßung drückte sie dem Jungen einen dicken feuchten Schmatz auf die Wange. Ein erschöpft aussehendes Kindermädchen kam keuchend vor Taichi zum Stehen. Sie lächelte. Sie fühlte sich auf unnachahmliche Weise zu dem jungen Japaner mit den schoko-braunen Augen hingezogen. "Anscheinend wirst doch nur du mit ihr fertig. Das Baden war die reinste Tortur." Aiko streckte ihr die Zunge raus. Taichi grinste.

Er kannte das zur Genüge. Mindestens 10 Erzieherinnen und Kindermädchen hatte das kleine Ding in seinen Armen schon verschreckt. Da die Eltern aber auf eine weibliche Person in der Erziehung bestanden, kam Tai nur zum Babysitten und zwischendurch vorbei, wenn wieder eine der Damen gekündigt hatte. "Ich werd' dann mal nach Hause gehen. Bye ihr beiden." Sie winkte Tai noch zu und ließ dann die Haustür hinter sich ins Schloss fallen.

Taichi setzte das Mädchen auf dem Boden ab. "Du sollst doch nicht immer so frech zu den netten Mädels sein." Lachend hob er den Zeigefinger. "Sie wollen alle nur das Beste für dich." "Ja. Sie wollen mich alle zu einem nettem jungem Fräulein erziehen, das brav ist und den Mund hält.", maulte sie. Taichi lachte schallend. Er kannte die kleine Aiko nun schon 2 Jahre lang und wusste, dass sie partout kein junges Fräulein werden wollte, wie es die Eltern von ihr erwarteten. Sie nahm den Jungen an der Hand. "Komm mit Tai. Ich will dir was zeigen!!" Ungeduldig zerrte Aiko Tai mit in ihr Zimmer. Vor der Tür machte sie Halt. "Versprich mir, dass du die Augen zubehältst." Tai grinste. "Klar."

Dann ließ er sich von der Kleinen in ihr Zimmer führen. Sie ließ seine Hand los und kurz darauf ertönte Musik. Nach und nach setzten die verschiedenen Instrumente ein. *Irgendwas hat sie vor...* Doch Tai kam nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, was Aiko wollte, denn der Gesangspart des Songs setzte ein. Er kannte diese Stimme. Er liebte sie viel zu sehr, um sie vergessen zu können. Diese Stimme konnte in sein Herz dringen und es bewegen, wie es keine andere konnte. Doch Tai wollte sich nicht eingestehen, wer da sang. Die schöne Männerstimme, die so tief und sanft sang... er wusste wer sie besaß. Nur ein einziger konnte seine Gefühle so sehr in seine Stimme legen, wie er. Nur einer konnte mit Worten so schön etwas beschreiben, dass einem Tränen in die Augen stiegen. Er spürte, wie er sanft gedreht wurde und nun der Tür gegenüberstand. Eine leise, entfernte Stimme sagte ihm, dass er die Augen öffnen dürfe. Tai öffnete sie und sein Blick wanderte an die Wand über der Tür.

Mühsam unterdrückte er die Tränen. Ein leises "Oh mein Gott..." rollte über seine Lippen. Er schluckte, als er den jungen Mann auf dem Poster betrachtete. Sein schlanker Körper wurde von einem dunklem Hemd bedeckt. Die ersten beiden Knöpfe des Hemdes waren geöffnet und ließen den Oberkörper hervorblitzen. Um den schlanken Hals wand sich ein schwarzes Lederband, an dem ein Anhänger aus Gusseisen in Form eines verschlungenem T´s befestigt war. Die hellen Haare hingen strähnig in das feingeschnittene Gesicht. Dieses wurde beherrscht von einem Paar tiefer, dunkler Augen, die im Scheinwerferlicht funkelten. Nachdenklich sah Yamato Ishida von einem Poster an der weißen Wand auf seinen besten Freund Taichi Yagami hinab.

Tränen schossen Tai in die Augen. Er konnte es nicht glauben. Solange hatte er ihn nicht mehr gesehen. Nicht mehr in die wunderschönen Augen geblickt. Und auch wenn es nur ein schwarzweißes Poster war... Sein Herzschlag wurde schneller, sein Puls raste, er hatte das Gefühl nicht genügend Luft zu bekommen. Und wieder spürte er dieses Unbeschreibliche in seinem Magen, dass nur jemand kannte, der es schon einmal erlebt hatte. Tausend Gedanken schossen durch Tais Kopf. Ob er wohl noch an ihn, der nach Amerika gezogen war manchmal dachte?? Hatte er ihm den Vorfall am Flughafen vergeben?? Und vor allem: Hatte er in den 2 Jahren seiner Abwesenheit jemanden gefunden?? Dann hatte er nämlich etwas geschafft, was Tai nicht gelungen war. Sicher, er war außerordentlich beliebt bei den Mädchen und er wusste das. Er brauchte sich doch nur eine auszusuchen. Aber es gelang ihm einfach nicht. Jedes Mal, wenn er davor war, mit einem Mädchen irgendwelche Zärtlichkeiten auszutauschen, tauchten vor ihm unweigerlich 2 strahlend blaue Augen vor ihm auf, die im Licht wie zwei Saphire funkelten. Niemals war es Tai gelungen, eine Freundin zu finden.

"Tai??" Aiko riss ihn aus seinen Gedanken. "Hm?? Ja? Was ist Kleine??" "Gefällt´s dir etwa nicht?? Warum schaust du so traurig?" Besorgt sah ihn Aiko an. Tai ließ sich zu ihr auf die Knie sinken. "Es ist nichts. Natürlich gefällt's mir." Er lächelte gequält. "Soll ich dir Pfannkuchen machen??" "Au ja!!!" Jauchzte die Kleine und lief die Treppe hinunter in die Küche. "Yamato..." seufzte Tai, sah das Poster noch einmal wehmütig an und folgte dann Aiko in die Küche. Die Kleine war ganz verrückt nach Pfannkuchen.
 

"Hey, wo bist du mit deinen Gedanken??" Die tiefe Stimme des Produzenten fegte die trübsinnigen Gedanken im Kopf seines neuen Youngstars weg. Erschrocken sah der Junge auf. "Nirgendwo." Murmelte er leise. Natürlich wusste er genau, wo er gewesen war. Nämlich in der Flugzeughalle. Auf den Tag genau 2 Jahre zurück. "Ich rate dir besser aufzupassen. Im Moment bist du zwar erfolgreich, aber das kann sich sehr schnell wieder ändern." "Ja" seufzte Matt und strich sich seine blonden Haare zurück. Gelangweilt spielte er mit dem silbernem Anhänger, der an einem ledernem Halsband hing. Es hatte die Form eines verschlungenen T´s. Unbewusst hatte er es damals am Souvenir-Stand am Flughafen gekauft. Warum, das wusste er bis heute nicht. Es war wohl so etwas wie ein Reflex gewesen.

Auf alle Fälle hatte er es seit diesem Tag nicht mehr abgelegt. Nur ein einziges Mal, als das Lederband gerissen war und er ein Neues kaufte. Als sein Produzent ihn noch einmal aus den Gedanken riss, wurde Yamato von diesem nach Hause geschickt. Er wurde mit einem "Wie schreibst du eigentlich deine Musik??" Gemurmel aus der Tür begleitet. Als ob er die nicht selber finden würde. Ärgerlich kickte Matt einen Stein weg. Klappernd sprang er über den Asphalt und verschwand dann in der aufkommenden Dunkelheit.

Nachdenklich ging Yamato die beleuchtete Straße entlang. Mal wieder mit seinen Gedanken woanders. Noch immer dachte er in Nächten wie diesen an eine bestimmte Person, die jenseits des Pazifiks lebte. Sternenklar erstreckte sich das Firmament über seinem Kopf hinweg. Das Mondlicht spiegelte sich in seinem strohblondem Haar. *Ich sollte wirklich damit aufhören immer nur über Tai nachzugrübeln. Es hilft ja doch nichts. Dadurch kommt er auch nicht wieder. Sicherlich hat er mich schon vergessen. Schon verrückt... Vor ein paar Jahren hätte ich alles darum gegeben, wenn er abhauen würde und jetzt...* Er seufzte und sah auf. Yamato stand vor einem großen Wohnblock. Seitdem Taichi abgereist war, war er nicht mehr hierher zurückgekehrt. Hierher an den Ort, der so gespickt voll war mit Erinnerungen, die Matt an Tai denken ließen. Ein zweiter Seufzer rollte über seinen fein geschwungenen Mund. *Und mit der Seufzerei sollte ich auch aufhören...* Lautlos sah er sich den Gebäudekomplex noch einmal an, drehte sich dann um und ging nach Hause.

Schon von weitem sah er den kleinen Postsack an seiner Tür lehnen. Alles Fanpost. Die Briefträger rissen sich förmlich darum, wer den kleinen, aber schweren Sack die Treppen zu seiner Wohnung hinauftragen durfte. Yamato schloss auf und zog den Sack hinter sich her und stellte ihn in eine Ecke. Morgen würde jemand kommen und mit ihm die Briefe durchsehen. Und dann würde er solange Autogrammkarten und kurze Briefchen schreiben, bis ihm die Hand wehtat. Den kleinen Brief, der auf dem Fußboden lag hob er erst jetzt auf. Anscheinend hatte man vergessen, ihn den Postsack zu stecken. Desinteressiert sah er auf den Absender. Sein Atem stockte. Der Brief war aus Amerika. Hastig riss er den Umschlag auf und versuchte das, was mit unendlich vielen Rechtschreibfehlern in englischer Sprache auf dem Zettel stand:
 

Lieber Yamato Ishida,

ich bin 7 Jahre alt und wohne in Amerika. Vor zwei Jahren hab ich in Japan Urlaub gemacht. Seitdem kommt ein japanisches Magazin jeden Monat mit der Post. Vielleicht weißt du ja, dass ein Artikel über dich in einem drin war. Ich hab mir das Poster aufgehängt und deine CD übers Internet bestellt.

Jetzt zu meinem Problem:

Gestern war mein bester Freund bei mir zu Besuch. (Ich hab ihn auf dem Rückflug nach Amerika kennen gelernt). Er hat gaaaanz lange das Poster von dir angesehen und sich dann auch meine CD ausgeliehen. Er sagt, dass er dich das erste Mal auf dem Poster gesehen hat. Aber das glaube ich ihm nicht. Er hat fast zu weinen angefangen, als er das Poster gesehen hat. Ich glaube, dass er dich kennt. Vielleicht kennst du ihn ja auch. Deshalb schick ich dir eine kurze Beschreibung, weil ich kein Foto hab.

Er heißt Tai (Seinen Nachnamen kann ich mir nicht merken). Er hat braune Strubbelhaare und braune Augen. Er ist groß und schlank. Aber er schaut immer etwas traurig. Und obwohl ihm die Mädchen in seinem Alter die Tür einrennen hatte er noch keine Freundin. Er sagt zwar, dass er auf die Richtige wartet, aber ich glaube er lügt mich an.

Weil ich heimlich deine Adresse in die CD geschmuggelt habe, bin ich mir sicher, dass er dir auch schreiben wird.

Bitte, bitte hilf ihm, damit er nicht immer so traurig schaut. Er ist mein allerbester Freund. Ich bin zwar nicht immer brav, aber vielleicht hilfst du ihm trotzdem. Wenn du ihm hilfst, verspreche ich, ein braves Mädchen zu sein und mich zu einer jungen Dame er ziehen zu lassen. Ich werde die Kindermädchen nicht mehr ärgern und das tun, was meine Eltern sagen.

Ich muss jetzt aufhören und den Computer herunter fahren, weil meine Eltern nach Hause kommen und die wollen nicht, dass ich solange mit dem Computer spiele. Das ist jetzt der längste Brief, den ich in meinem ganzem Leben geschrieben habe.
 

Liebe Grüße und einen dicken Schmatz schickt dir,

Aiko-chan
 

Immer und immer wieder las Yamato den Brief. Er konnte es nicht fassen!! Da hatte ihm eine kleine 7jährige aus den USA geschrieben, dass ihr bester Freund ihn vermutlich kannte. Und die Beschreibung ihres Freundes könnte haargenau auf Tai passen. Sein Herz schlug schneller. Noch mal überflog er die mit Computer geschriebenen Zeilen. Das Mädchen hatte gesagt, Tai würde ihm ebenfalls schreiben. Aufgeregt hievte er den Postsack ins Wohnzimmer und verteilte dessen Inhalt auf dem Fußboden. Dann ließ Matt sich auf dem Teppich nieder und begann nach einem Brief zu suchen, auf dem ebenfalls der Stempel der U.S. Airmail aufgedruckt war. Er suchte die ganze Nacht. Vergeblich.
 

Laut drang eine sanfte und doch kräftige Stimme aus dem Kopfhörer des Discmans. Tai hörte die CD nun schon zum x. ten Mal. Noch immer konnte er nicht genug davon bekommen. Er lag auf dem großen Bett, das in einer Ecke seines Zimmers stand. An den Wänden hingen Poster von diversen amerikanischen Bands. Vor Taichi lag ein großer weißer Briefbogen. Unbeschrieben. Er starrte ihn nun schon seit geraumer Zeit an. Neben dem Papier lag ein kleiner Zettel, der allem Anschein nach aus einer Illustrierten stammte. Auf dem blauem Glanzpapier war eine Adresse mit schwarzer Tinte gedruckt, die Tai inzwischen auswendig konnte. Noch immer betrachtete er den weißen Briefbogen vor sich. War es denn so schwer ein paar Zeilen zu schreiben?? Irgendwelche nichtssagende Floskeln. Mehr brauchte er ja nicht. Er seufzte. *Das konnte ich ja noch nie. Dummes Briefschreiben... so schwer kann's ja nicht sein. Andere können das doch auch. Naja...* Tai kreiste mit dem Stift über dem Papier. Mit einem erneuten Seufzer begann er dann zu schreiben. Es war ungewohnt nach zwei Jahren mit 26 Buchstaben jetzt plötzlich wieder japanische Kanji zu schreiben. Aber nach anfänglichem Zögern klappte es dann doch ganz gut:
 

Dear Ishida Yamato,

Zufällig habe ich vor ein paar Tagen deine CD in die Hand bekommen. Seitdem höre ich nichts anderes mehr. Mich fasziniert deine warme Stimme und der Inhalt der Texte. Viele davon treffen genau meine momentane Stimmung.

Unglückliche Liebe.... Früher dachte ich immer, dass mir das nie im Leben passieren könnte... Und letztendlich hat es doch mich getroffen. Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber manchmal in der Nacht kommt es dann doch über mich. Die Erinnerung.... Gestern war wieder eine dieser Nächte. Ich wollte wirklich nicht heulen. Wirklich nicht.

Doch als dann wieder die Augen auftauchten und in der Sonne glitzerten und ich daran denken musste, dass ich sie nie wieder sehen werde...

Als der Mund begann zuerst zaghaft zu lächeln und dann so hell wie tausend kleine Glocken zu lachen begann, und ich daran denken musste, dass ich es nie wieder hören werde...

Als meine Fingerspitzen im Geist sanft über die zarte Haut strichen, fühlten, wie weich und geschmeidig sie war und ich daran denken musste, dass ich sie nie wieder spüren werde...

Gott, jetzt bin ich schon wieder fast am heulen. Ich sollte nicht so nahe am Wasser bauen.

Ich bin doch verrückt, oder?? Ohne egoistisch oder eingebildet zu sein, kann ich sagen, dass ich nicht grade hässlich bin. Die Mädchen aus meiner Umgebung drücken sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Viele von ihnen sind hübsch und attraktiv. Und ich?? Ich hänge einer Erinnerung nach. Einem Mensch, der mich vermutlich schon längst vergessen hat. Einem Wesen, schöner als alles, was ich je gesehen habe... Einem Geschöpf, dem ich meine Liebe viel zu spät gezeigt habe. Einem Individuum, das mich bereits in seinen Bann geschlagen hatte, bevor ich es auch nur ansatzweise bemerkte.

Doch dieser Bann war das schönste gewesen, das ich jemals erlebte hatte. Gott, ich war noch ein Kind, als es anfing. Aber es war unbeschreiblich.

Und es ist es immer noch. Ich bin jetzt 16 und nun frage ich mich, ob man noch tiefer fühlen kann, wie ich es tue. Ob man noch mehr lieben kann. Und ob man noch mehr Schmerz empfinden kann. Noch mehr hassen, für dieses unsägliche Leid, das mein Herz auffrisst. Diese Qual zerreißt mich von innen heraus. Die Sehnsucht spüre ich fast körperlich. Mein Körper schreit nach dieser Person. Ich weiß weder ein noch aus.

Und dafür hasse ich diese Person. Hasse sie wie keinen vor ihr. Hasse sie für diese Qualen und Schmerzen, für dieses Leid, das mich vollkommen zerstört. Hasse sie für diese Sehnsucht in meinem Herz für die Ratlosigkeit in meinem Innern.

Doch der Hass ist nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen liebe ich diese Person. Mehr als alles, was mir bekannt ist. Mehr als meine verlorene Heimat. Mehr als meine alten und neuen Freunde. Mehr als meine Familie. Mehr als mich selbst. Ich würde mein Leben opfern um das dieses wunderbaren Geschöpfes zu retten. Ich liebe dieses Wesen. Mehr als je irgendjemanden oder etwas zuvor.

Es wäre so viel einfacher, wenn ich diesen Menschen einfach hassen könnte. Aber diese Liebe auf der anderen Seite macht das unmöglich. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich weiß weder ein noch aus, ich weiß nur, dass ich diesen Menschen bis an mein Lebensende lieben werde. Und darüber hinaus.
 

XXX
 

Ohne den Brief noch einmal zu lesen faltete Taichi die beiden vollgeschriebenen weißen Briefbögen und schob sie in den Umschlag. Darauf kritzelte er die Adresse von Yamato und klebte eine Briefmarke drauf. Als er den Brief verschloss fiel sein Auge kurz auf die Stelle, an der normalerweise der Absender zu finden war. Taichi schrieb den Namen seines Postfaches und die Adresse auf das weiße Papier und lief dann aus dem Haus. Vor einem Jahr hatte er sich ein Postfach eingerichtet. Warum, wusste er nicht mehr. Inzwischen hatte es zu regnen begonnen. Der Asphalt glitzerte nass im Schein der Straßenlaternen. Das Gewitter kühlte die heiße Erde, auf die die Sommersonne unerbittlich heiß hinunterbrannte.

Unter seinem T-Shirt den Brief verborgen damit er nicht nass wurde, lief Taichi die Straße entlang. Die Geräusche seiner Schuhe wurden vom Regen geschluckt. Keuchend kam Taichi vor einem Briefkasten zum Stehen. Noch konnte er einen Rückzieher machen. Noch konnte er den Brief zerreißen, wegwerfen und nach Hause gehen. Noch konnte er zurück. Doch wie von selbst hob eine Hand die Klappe, die den Briefkastenschlitz verbarg und der Brief näherte sich diesem. Taichi brauchte nur noch loszulassen. Sollte er?? Oder nicht??

Doch es war zu spät. Er hörte, wie der Brief dumpf auf dem Boden des leeren Briefkastens aufkam. Es war vorbei. Taichi konnte nichts mehr tun. Er ging zurück nach Hause. Zog dort die klatschnassen Kleider aus und legte sich ins Bett. Sofort schlief er ein. Und er schlief noch, als der Briefträger den Briefkasten bei der Spätleerung öffnete und einen einzigen Brief darin liegen sah. Ein Brief, der eine lange Reise nach Japan antrat. Adressiert an den steigenden Stern am Musikhimmel. Adressiert an Yamato Ishida.

A Sign Of Life From You... - Ein Lebenszeichen Von Dir...

Chapter 2: A Sign Of Life From You... – Ein Lebenszeichen Von Dir…
 

Tränen bildeten sich in seinen blauen Augen. Er spürte, wie die kleinen Wassertropfen sanft seine Wangen liebkosten und dann über sein Kinn zu Boden tropften. Yamato saß auf dem Boden. Umgeben von Briefen. Alle waren sie ungeöffnet. Bis auf einen. Und diesen hielt er in der Hand. Ein Brief aus Amerika. Ein Brief, dessen Worte Matt ins Herz trafen. Worte, geschrieben aus tiefster Verzweiflung, Sehnsucht, Hass und... Liebe. Er konnte es nicht glauben. Immer und immer wieder flogen seine Augen über die Schriftzeichen, Worte und Sätze. Solange bis er sie fast auswendig konnte. Am Ende standen zwar nur 3 X, aber Matt wusste tief in sich, dass der Brief nur von einem stammen konnte. Dass diese Handschrift nur einem einzigem gehören konnte. Nur von ihm.

Von Taichi Yagami. Er, der jenseits des Pazifiks über ein kleines Mädchen erfahren hatte, dass er hier, in der alten Heimat, mehr oder minder berühmt geworden war. Noch immer schwebte vor Yamatos Augen sein Gesicht. Seine tiefen brauen Augen schienen alles zu verstehen, alles zu wissen. Sein wunderschön geschwungener Mund. Manchmal in der Nacht, im Traum, spürte Yamato nach zwei Jahren noch immer, wie sie sich damals am Flughafen auf die Seinen gelegt hatten. Nur kurz, aber es war das schönste gewesen, was Yamato je erlebt hatte. Seitdem hatte er niemanden anders geküsst. Niemandem war es vergönnt gewesen, mit Matts Lippen zu verschmelzen und ihren sanften Druck zu spüren. Und allem Anschein nach, war es bei Taichi genau so.

Doch langsam schlichen sich in Matts Geist die Zweifel ein. Wie kleinen Pfeile drangen sie tief ein und vergifteten seine Gedanken. Meinte Taichi wirklich ihn?? Im Brief war nie die Rede davon gewesen, dass er es war, den Taichi als das schönste Lebewesen bezeichnete. Genauer gesagt, stand noch nicht einmal darin, ob es sich um einen Jungen oder um ein Mädchen handelte. Was war, wenn nicht er, sondern jemand anderes gemeint war?? Was, wenn Taichi ihm diesen Brief nur geschrieben hatte, weil er nur von ihm die Adresse hatte?? Was, wenn das stimmte?? Hatte Tai ihm nur diesen Brief geschrieben, weil er keine andere Wahl hatte?? Was würde geschehen, wenn dieser, ja man könnte sagen, dieser Liebesbrief nicht Yamato galt, sondern jemand anderem??

Yamato versuchte diese Gedanken zu verscheuchen. Weit weg aus seinem Geist zu schleudern. Es gelang ihm nicht ganz. Die Zweifel blieben. Und je mehr Yamato sie zu unterdrücken versuchte, desto stärker wurden sie. Er musste es wissen. Um jeden Preis. Und er wollte ihn treffen. Endlich wieder in seine dunklen, schokobraunen Augen schauen und darin versinken. Selbst von ihm hören, was er empfand. Und ihm dann endlich die eigenen Gefühle gestehen. Das war es, was sein Herz begehrte. Mehr als alles andere. Yamato stand auf. Er suchte Briefpapier und setzte sich an seinen Schreibtisch. Die Streichhölzer zischten, als sie aufflammten und die Kerzen entzündeten, die daraufhin einen warmen Schein verbreiteten. Aus den Lautsprechern der Stereoanlage drang leise Klaviermusik. Yamato nahm einen Füller, setzte ihn an und begann zu schreiben...

Na ja, das mit dem aller erstem Brief stimmte zwar nicht so ganz, trotzdem betrachtete Yamato sein Werk nicht ganz ohne Stolz. Seit der vierten Klasse hatte er keinen Brief mehr geschrieben, wenn man mal von den kurzen, nichtssagenden Postkarten zu Weihnachten absah. Er faltete das Papier und schob es in den vorbereiteten Umschlag. Er befeuchtete den bitter schmeckenden Rand an der Rückseite und klebte den Umschlag zu.

In schwarzen Lettern sah ihm seine Adresse entgegen. Es war nicht die Adresse für die Fanpost, sondern seine eigene. Yamato betrachtete die Vorderseite. * Warum hat er nur ein Postfach angegeben. Ich kenne seine Adresse doch gar nicht. Falls er es wirklich ist. Hör auf zu zweifeln, Yamato. Es ist eindeutig Taichi. Diese Handschrift ist eindeutig er. Aber dass er so gut schreiben kann, hätte ich nie gedacht. * "Taichi..." Matt berührte sacht den Brief mit seinen Lippen. Dann legte er ihn auf seine Kommode, damit er morgen nicht vergas ihn einzuwerfen. Sein weiches Bett lockte ihn unbeschreiblich. Yamato gähnte herzhaft. Er seufzte noch einmal Taichis Name und schlief dann ein.
 

Taichi betrat das kleine Geschäftsgebäude und steuerte zielstrebig einen Schalter an. Der Mann hinter diesem winkte ihm zu. Er lächelte. Seit Tagen kam dieser Junge hierher und fragte jedes Mal, ob ein Brief in seinem Postfach lag. Er und dieser Junge hatten inzwischen eine stille Freundschaft geschlossen. Nun hielt der Angestellte einen weißen Umschlag in den Händen und winkte Tai zu sich. Dieser begann schneller zu gehen und lief fast, als er am Schalter zum Stehen kam. "Ein... ein Brief?? Für... für mich??" Ungläubig sah Taichi den Angestellten an. "Ja. Für wen denn sonst?? Du hast mich richtig neugierig auf den Brief gemacht. Es kommen selten welche aus Japan hierher. Hat dir deine Freundin geschrieben?" Taichi riss ihm den Umschlag aus den Händen. Er musste den Absender zweimal lesen, um es wirklich glauben zu können.

"Hm? Was haben sie gesagt?" Musternd sah Taichi den grinsenden Mann an. "Ob dir deine Freundin geschrieben hat." Zuerst sah Taichi ihn etwas verwundert an. Hatte er denn nicht gelesen, dass der Absender eindeutig männlich war?? Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Mann konnte doch gar kein japanisch! "Nicht direkt meine Freundin..." "Aber du wartest schon so lange auf den Brief, dass ich glaube, dass dir der Absender sehr wichtig ist. Hab ich nicht recht??" Taichi lächelte. Tränen spiegelten sich in seinen Augen. "Nun ja. Wenn ich ehrlich sein soll... eigentlich sehr, sehr wichtig..." "Wie heißt du eigentlich??" "Yagami... Yagami Taichi..." Noch immer sah Tai den Brief in seinen Händen an. "Ich bin Mr Corlett. Da hinten kannst du ungestört lesen." Mr Corlett schüttelte dem verdutztem Taichi die Hand und führte ihn in ein kleines Hinterzimmer. *Kundschaft ist sowieso nicht da... Warum also nicht?* Sein Teeangebot lehnte Tai höflich dankend ab und ließ sich auf der alten Couch nieder.

Mr Corlett reichte ihm einen Brieföffner. "Dankeschön." "Bitte." Das Papier knisterte in Tais Händen, als er den Öffner ansetzte und den weißen Briefumschlag vorsichtig öffnete. Zum Vorschein kommt ein dicht beschriebener Briefbogen. "Na los. Du schaffst es." Mr Corlett sah ihm in die Augen. "Okay..." Tai atmete noch einmal tief durch, dann faltete er das Blatt auseinander. Ungeduldig überflog er die Zeilen. Mr Corlett saß ihm gegenüber und starrte ihn erwartungsvoll an. "Und??" Tränen bildeten sich in Tais Augen... Er schloss kurz die Augen, damit sich dieses unbeschreibliche Glücksgefühl in ihm legen konnte. Als er die fragenden Augen von Mr Corlett sah, begann er langsam und stockend vorzulesen...
 

Lieber / Liebe XXX,

Gib nur nicht auf. Es wäre das Verkehrteste, das du tun könntest. Die Person liebt dich sicherlich auch. Dein Brief war so wunderschön. Das Geschöpf, das dein Herz erwählt hat, muss überglücklich sein, so tief und innig geliebt zu werden. Aber warum schickst du mir diesen Brief?? Soll ich den Brief weiterleiten an diese bestimmte Person??

Du kannst wundervoll schreiben. Ich habe noch nie etwas Bewegenderes gelesen. Die Worte haben sich tief in mich hineingebrannt. Einzeln sind sie vielleicht bedeutungslos, aber du kannst sie so wundervoll aneinander reihen, dass man heulen könnte. Schreibst du Gedichte?? Wenn ja, sie wären sicher die schönsten auf der ganzen Welt.

Würden sie von deinen Gefühlen handeln?? Ich versuche immer, alle meine Empfindungen in meine Lieder zu legen. Irgendwie ähneln wir uns. Auch ich habe meine große Liebe verloren. Ich glaube nicht, dass ich so etwas noch einmal erleben werde. Diese Wärme von innen heraus. Es war unbeschreiblich. Ich fühlte mich so zu Hause. Das erste Mal, seitdem meine Eltern sich scheiden ließen. Ich war verbockt, stur und kalt. Gegen mich hätte man vermutlich eine Eistruhe als Sauna betrachtet. Ich fraß alles in mich hinein.

Bis... ja, bis mir meine Liebe über den Weg gelaufen ist. Zuerst haben wir uns nur gestritten und waren ständig sauer aufeinander. Jede Gemeinheit war nur wieder Rache für die vorhergegangene Beleidigung. Gegenseitig machten wir uns das Leben zur Hölle. Doch irgendwann wurden schließlich auch wir erwachsen. Und mit dem Erwachsenwerden erwachten auch in mir diese Gefühle. Gefühle, die mir so unbekannt gewesen waren. Gefühle, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Mein Blut rauschte in meinen Ohren und mein Blutdruck stieg. Es war heiß und kalt zur selben Zeit. Oh ja, ich liebte diese Person. Und tue es noch. Jedoch hat diese Person niemals davon erfahren. Die letzte Gelegenheit hatte ich vor 2 Jahren. Aber ich war zu feige meine Gefühle zu gestehen. Du hast es wenigstens geschafft, deiner Liebe von deinen Empfindungen zu erzählen... Wie beneide ich dich darum!! Noch immer bereue ich diesen Augenblick, diesen Moment, der der letzte gewesen war. Niemals, niemals in meinem ganzen Leben werde ich mir das verzeihen können. Genauso, wie ich nie aufhören können werde, diese Liebe weiterhin in meinem Herz zu tragen.

Ich kann zwar nicht so gut mit Worten umgehen wie du, aber ich hoffe, dass ich einigermaßen rüberbringen konnte, was ich im Moment empfinde. Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Briefwechsel aufrecht erhalten könnten.

Kommst du aus Japan?? Nur so eine Frage, weil du mir auf japanisch geschrieben hast (Ich hoffe du kannst meines lesen). Normalerweise würde ein Brief aus Amerika ja auf englisch verfasst sein, oder??

Na ja, lassen wir das. Gute Nacht und träum was schönes (Es ist gerade 1.00 Uhr morgens),
 

Yamato (Matt) Ishida
 

P.S.: Dein Brief war der aller erste aus Amerika. Hast du eigentlich einen Namen?? An drei Xe zu schreiben ist seltsam.
 

"Vor... vor 2 Jahren habe ich ihn das letzte Mal am Flughafen gesehen... Es... war schrecklich... Ich...ich meine..." Taichi brach aufgelöst in Tränen aus. Die Gefühle überwältigten ihn. *Oh mein Gott... Er... er...* Taichi konnte selbst diesen Gedanken nicht zu Ende führen. Noch war es zu früh, daran zu denken, dass Yamato dasselbe empfand wie er. Wenn Taichi jetzt daran dachte, würde er endgültig handlungsunfähig werden. Mr Corlett legte ihm eine Hand aufmunternd auf die Schulter. "Das kannst du mir auch später erzählen. Denkst du nicht, dass du zurückschreiben solltest??" "Ja... das... das denke ich auch... Aber... ich kann... ich kann doch..." "Ich hole dir Stift und Papier. Für den Fall, dass du mir noch etwas Gesellschaft leisten möchtest."

Mr Corlett kramte in einer Schublade. Er zog einen wunderschönen Schreibfüller und blütenweißes Papier hervor. "Ja. Sehr gerne." Taichi trocknete seine Tränen und lächelte. "Haben sie vielleicht etwas Tee für mich??" "Natürlich." Taichi hörte das Klappern aus der Küchennische, während er den Füller aufdrehte und auf den Umschlag Matts Adresse schrieb. Sein Blick schweifte durch den kleinen Raum. Die Sitzgarnitur auf der er im Moment saß, füllte den Raum fast vollständig aus. Neben dem spärlich gefülltem Bücherregal war ein kleines Fenster, an dessen Scheibe leise Regentropfen prasselten. Vor Taichi war dann nur noch ein kleiner, niedriger Tisch, auf dem der Briefbogen und -umschlag lagen.

Tai sank vor ihm auf die Knie um besser schreiben zu können. Fast fühlte er sich dabei wieder zu Hause in Japan, wenn sie alle um den Tisch knieten und aßen. Er sah die Gesichter seiner Freunde vor sich. Izzy, Sora, Mimi und alle anderen. Und neben ihm saß wie immer Yamato. Er sah ihn mit seinen blauen Augen an und lächelte. Ein Lächeln, dass den anderen nie auffiel. Ein Lächeln, das nur Taichi galt. Dieser Ausdruck des vollkommenen Glücks erfüllte Tai mit unbeschreiblicher Freude. Wie sehr hatte er Momente wie diese geliebt. Momente, in denen es nur sie beide gab. Momente, in denen sie scheinbar umringt von anderen Menschen, aber doch vollkommen allein waren.

Tai seufzte. "Hier dein Tee." Mr Corlett reichte ihm eine Tasse. "Vielen Dank." Eine Klingel ertönte. "Ah. Kundschaft. Mach es dir ruhig gemütlich. Bis dann!" Damit verschwand Mr Corlett wieder und ließ Tai allein. Die Stimmen von draußen ignorierend konzentrierte Taichi sich auf das Papier vor sich. Er nahm den Füller und setzte ihn an.
 

Dear Yamato,

Nenn mich, wie du willst. Meinen richtigen Namen möchte ich nicht verraten.

Ja, ich komme aus Japan. Aber ich musste vor 2 Jahren mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester nach Amerika ziehen.

Ich habe noch nie versucht, ein Gedicht zu schreiben. Aber ein Dichter schreibt immer das nieder, was er fühlt. Also denke ich, dass meine Gedichte schon von meinen Gefühlen handeln würden. Wenn ich irgendwann ein Gedicht verfasse, wirst du der Erste sein, der es lesen darf.

Wenn du dir selbst nicht verzeihen kannst, wie soll dann dein Leben weitergehen?? Du kannst doch nicht ewig irgendetwas nachhängen, was längst vorbei ist. Schau in die Zukunft! Vergiss deinen Fehler! Ich denke, du hast ihn längst ausgesühnt. Fass neue Hoffnung für deine Liebe. Mir schreibst du, dass ich nicht aufgeben soll, aber selbst stehst du davor. Also hör auf, Trübsal zu blasen und tu etwas für deine Liebe!! Ich verstehe, dass du tief verletzt bist, aber dein Leben muss doch weitergehen, Yamato! Hör nicht auf, deine Träume und Ziele zu verfolgen, nur um den Fehlern der Vergangenheit nachzujagen! Jeder macht Fehler. Und jedem wird verziehen, wenn er aufrichtig bereut. Deine Liebe hat das sicherlich schon lange getan und wartet auf ein Lebenszeichen von dir!

Verdammt, warum schreibe ich dir das eigentlich alles?? Vielleicht, weil ich selbst so bin. Vielleicht sollte ich endlich damit anfangen, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen und dir die Wahrheit schreiben. Die Wahrheit über mich und das, was vor 2 Jahren am Flughafen geschah. Die Wahrheit über meine Gefühle. Die Wahrheit über die beiden Briefe.
 

"Entschuldigung..." Taichi sah auf. Mr Corlett sah in die kleine Stube. "Ich muss jetzt abschließen. Würdest du bitte gehen? Du kannst aber morgen wiederkommen, wenn du möchtest." Den Briefbogen zusammenfaltend stand Tai auf. Er schob das Papier in den Umschlag mit Matts Adresse. "Das ist sehr freundlich von ihnen, Mr Corlett. Kann ich den Briefbogen mitnehmen? Ich werde ihnen auch einen Neuen besorgen." Taichi ging wieder in das kleine Geschäft. "Nein, nicht nötig. Behalt ihn ruhig." Mr Corlett lächelte. "Vielen Dank. Auf wiedersehen und danke für den Tee" Aus reiner Gewohnheit verbeugte Tai sich und verließ das Postamt. Mr Corlett sah ihm nach und schloss dann ab. Der junge Japaner war ihm sehr sympathisch und erinnerte Mr Corlett ein bisschen an seine eigene Jugend.
 

Leise betrat Tai das Haus. Er hatte Aiko versprochen, heute noch einmal vorbeizuschauen, bevor sie in den Urlaub flog. Doch all seine Vorsicht brachte nichts, denn sobald Tai einen Schritt in die Halle tat, flog Aiko ein "TAAAAAIIIIII!!!!!", kreischend in seine Arme. "Hallo, meine Kleine!!" Er drehte sich ein paar Mal mit dem Mädchen in den Armen um die eigene Achse. Sie erinnerte Tai an Kari, als sie so alt wie Aiko gewesen war. Aiko klammerte sich juchzend an ihn und schrie erfreut über das unverhoffte Vergnügen. "So, genug. Sonst wird dir noch schlecht." Tai setzte seine kleine Freundin auf den Boden. "Ich hab schon geglaubt, dass du nicht mehr kommst!" Sie zog einen Schmollmund und blickte ihn vorwurfsvoll an. "Hast du geglaubt! Aber ich halte meine Versprechen!!" Er wuschelte durch ihre Haare. Sie sah ihn aber immer noch beleidigt an. Tai seufzte. "Was soll ich tun, damit du mir nicht mehr böse bist, hm?" Ein Funkeln trat in Aikos Augen. Geheimnisvoll zog sie Tais Kopf zu sich.

"Ich... will... Pfannkuchen!!" Tai lachte. So etwas hatte er sich gedacht. Die Kleine war süchtig nach seinen Pfannkuchen. Die von anderen mochte sie nicht. Nur seine. "Also Pfannkuchen. Na gut." "Juhu!!" Jubelnd lief das Mädchen voraus. Tai folgte ihr in die Küche, wo schon alle Zutaten bereit standen. "Du kleines Luder! Du warst von Anfang an auf Pfannkuchen aus! Dafür werde ich Rache üben und dich durchkitzeln!! Komm her!" Aiko nahm lachend Reißaus und eine wilde Verfolgungsjagd begann. Anschließend versöhnten sich die zwei beim Pfannkuchenessen wieder. Gierig schob Aiko einen nach dem anderen in ihren Mund. "Hast du Angst, dass ich dir keine mehr mache, oder was?" Tai grinste über den Tisch das Mädchen an. "Nein, aber die zwei Wochen Europa machen mir Angst." "Warum das denn??" "Weil die sicher keine Pfannkuchen machen. Also muss ich mir einen Vorrat anessen." Glücklich mampfend sah Aiko ihren Kameraden an. Sie war zufrieden. Seit ewig langer Zeit hatte ihr bester Freund aus tiefstem Herzen gelacht. Plötzlich begann Tais Uhr zu piepen. "Ich muss nach Hause, Aiko." "Schade..."

Tai stand auf und ging zur Tür. Aiko folgte ihm. "Taaaiii..." "Hm?" "Ich werde dich ganz wahnsinnig vermissen!!" Schluchzend schlang Aiko die Arme um Tais Körper. "Ich dich auch meine Kleine. Hör auf zu weinen. Das ist es nicht wert. Du bist doch nur 2 Wochen weg. Und danach mache ich dir einen Berg Pfannkuchen. Versprochen!" Tai sah Aiko aufmunternd in die Augen. Doch irgendetwas lag in ihren grünen Augen, dass Tai bekannt vorkam.

Es war der selbe Ausdruck, der damals in Yamatos Augen gelegen hatte. Damals, am Flughafen hatte Tai in ihnen den gleichen tiefen Schmerz gesehen. Schmerz, der darauf beruhte, den anderen nicht mehr wiederzusehen. Plötzlich überkam Angst Taichi. Sie schlich sich in seinen Körper und umgriff sein Herz mit ihrer starren, kalten Hand. Er fürchtete, dass sich die Geschehnisse von einst wiederholten. Dass ein Mensch aus seinem Leben verschwand, ohne ihm gesagt zu haben, was er für sie empfand. Taichi ließ sich vor Aiko auf die Knie und zog sie fest an sich.

"Ich hab dich ganz doll lieb, weißt du das, Aiko-chan? Ich hab dich ganz doll lieb." Er legte seinen Kopf auf ihre Schulter und spürte, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten und auch Aiko zu weinen begann. "Ich dich auch Tai. Ich hab dich auch ganz doll lieb. Aber du musst jetzt nach Hause gehen. Sonst schimpfen deine Eltern." Aiko drückte Tai einen dicken, nassen Kuss auf die Wange. "Machs gut, Aiko-chan." "Du auch Tai." Dann schloss Tai die Tür hinter sich.
 

*Sie sah so aus, als würden wir uns nicht wieder sehen. Was hat sie denn nur? Es sind doch nur 2 Wochen. Aiko-chan war doch schon wesentlich länger weg. Komisch...* In Gedanken versunken ging Tai den Gartenweg entlang und trat auf die Straße. Langsam durchschritt er die Allee, an deren Seiten die Häuser dicht an dicht standen. Der Regen von vorhin hatte aufgehört und die Wolken hatten sich gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang verzogen.

Der Flieger von Aiko würde rechtzeitig starten können. Taichi sah sie noch vor sich, wie sie sich im Flugzeug von Japan nach Amerika das erste Mal begegnet waren. Sie hatte ihn irgendwie wieder aufgebaut. Ihre grünen Augen hatten wie Kristalle geglitzert. Tais Gedanken schweiften weiter in der Zeit zurück. Die Szenen am Flughafen zogen an ihm vorbei, der Abschied von seinen Freunden und von Yamato. Immer weiter rasten sie durch die Zeit, bis sie langsamer wurden und schließlich zum Stillstand kamen.

Nur noch undeutlich konnte Tai sich an den Moment erinnern, an dem er und Matt sich das erste Mal begegnet waren. Vom ersten Moment an, hatte Tai besser sein wollen als er. Ihn übertrumpfen, der immer einen kühlen Kopf bewahrte. Ihn, der trotz seiner Coolness bei allen irgendwie doch beliebt war. Ihn, mit dem alle, trotz seiner abweisenden Art befreundet hatte sein wollen. Bei den meisten war es am Anfang wohl so gewesen, doch sie hatten aufgegeben. An Yamato Ishida waren alle gescheitert. Bis auf Taichi. Als erster hatte er es geschafft, Matts Freundschaft zu gewinnen. Aus dem anfänglichem Sich-gegenseitig-übertrumpfen war mit der Zeit eine Freundschaft geworden, wie Tai keine andere erlebt hatte.

Er konnte sich hundertprozentig auf seinen Freund verlassen. Mit ihm über alles reden und jeden Schwachsinn mit ihm machen. Und in den schwachen Momenten mit ihm traurig sein. Aber wie alles im Leben veränderte sich auch diese Freundschaft. Jedenfalls für Tai.

Er begann zu spüren, dass es anders war als Freundschaft. Etwas ähnliches, aber doch anders. Und bis vor zwei Jahren war Taichi sich nicht sicher gewesen, was es war. Tai stand an der Kreuzung, die er überqueren musste, um nach Hause zu gelangen. Irgendwo schlug eine Glocke halb acht. Er dachte an das Gefühl, das er für Yamato empfand und betrat die Kreuzung.

Vor seinen Augen sah er wieder Matts blaue Augen und sein seltenes strahlendes Lächeln. Tränen rannen plötzlich über Tais Gesicht. Während der letzte Glockenschlag ertönte ging Tai über die Mitte der Straße. Die Sonne versank fast hinter dem Horizont und malte lange Schatten auf den dunklen Asphalt. *Yamato. Ich Vermisse dich. Weißt du das?*

Seine Tränen glitzerten im roten Sonnenlicht, als das Auto heranraste und ihn erfasste. Tais Körper flog ein Stück und landete dann auf dem noch nassem Teer. Er spürte Schmerz in seinem ganzem Körper. Überall war er und erdrückte ihn fast. Doch schreien konnte Tai nicht. Nicht mehr. "Yamato..." kam über seine blutigen Lippen. "Yamato... wo bist du?" Dann wurde alles schwarz um ihn herum.
 

Matt öffnete die Augen. Warum war er eigentlich aufgewacht? Verschlafen blinzelte er ins Zimmer. Die Welt war noch dunkel. Aber bald würde es Morgen werden. Die roten Leuchtzahlen auf seinem Wecker zeigten 5:30 an. *Bäh. Erst halb sechs...* Yamato zog sich die Decke wieder über den Kopf, drehte sich auf die andere Seite und versuchte wieder einzuschlafen. Aber es gelang ihm nicht. Vermutlich war er schon zu wach, um jetzt noch schlafen zu können. *So ein Scheiß...*

Im Pyjama ging er zu seinem Elektropiano und setzte sich seine Kopfhörer auf. Es war kein Keyboard. Es wurde wie ein Klavier gespielt. Nur hatte Yamato keinen Platz für einen richtigen Flügel. Also hatte er sich Ersatz beschafft. Matt wusste nicht warum, aber plötzlich hatte er das Bedürfnis verspürt, Klavier zu lernen. Irgendetwas hatte ihn dazu gedrängt. Und wie durch Zufall war ihm ein Angebot für Klavierstunden in die Hände gefallen. *Schicksal...*

Seine Finger berührten ein paar Tasten und eine Tonreihenfolge erklang, die Yamato schon seit einiger Zeit im Kopf herumspukte. Er tauschte das Liedheft gegen Notenpapier aus und begann einzelne Punkte auf die Linien zu setzen. So begann er am frühen Morgen einen Song zu komponieren, auf einem Instrument, das er noch nicht einmal richtig beherrschte und dennoch spürte er, dass er irgendwas tun müsse. Vollkommene Ruhe sank wieder über das Zimmer. Nur noch ab und zu war das Kratzen von Matts Stift auf dem Papier zu hören.

Langsam erhob sich die Sonne und tauchte alles in warmes Licht. Ein wundervoller, neuer Tag brach an. Matt schrieb ein ruhiges, langsames Lied in den jungen Tag hinein, während irgendwo in Amerika ein Autounfall das Leben eines Jungen völlig veränderte. Was Matt nicht wusste, war, dass auch sein Leben sich verändern würde.

Do You Remember...? - Erinnerst Du Dich...?

Chapter 3: Do You Remember…? – Erinnerst Du Dich…?
 

*Wo bin ich?? Es ist alles so dunkel.* Tai blinzelte in die Dunkelheit. Er lag einfach nur da und versuchte, seine Umgebung wahrzunehmen. Zuerst war alles vollkommen finster und totenstill. Dann hörte er fern und verzerrt ein leises, regelmäßiges Piepen. Scheinbar war er gefesselt oder ziemlich geschwächt, denn er konnte sich nicht bewegen. Langsam wurden Umrisse und einzelne Lichtpunkte sichtbar. Aber Tai konnte nicht identifizieren, was er da in der Dunkelheit zu sehen glaubte. Oder waren es nur Schatten, die das schwache Licht malte? Das Piepen wurde langsam deutlicher und die verzerrten Umrisse und Schatten gewannen an Beständigkeit.

*Wo bin ich?* Immer wieder drängte Tai sich diese Frage auf. Er wusste noch, dass er an irgendjemanden gedacht hatte und dann hatte er ein ohrenbetäubendes Quietschen vernommen. Und dann war nichts mehr da. Einfach ausgelöscht. "Verdammt!!" Tai ballte eine Hand zur Faust. Ein Schmerz durchzuckte seinen Arm. "Scheiße..." Mühsam versuchte Taichi den schmerzenden Arm anzuheben. Erst beim dritten Mal gelang es ihm. In seinem Arm steckte eine Nadel, die seinen Körper mit der Infusion verband.

"Scheiße, scheiße, scheiße..." leise fluchte er vor sich hin. Er lag anscheinend im Krankenhaus. *Wirklich toll hingekriegt, Yagami.* Das Piepen war anscheinend sein Herzschlag und vermutlich hatte er sich einen Arm und eines seiner Beine gebrochen, weil er sich kaum bewegen konnte. *Wie lang ich wohl schon hier bin?* Tai starrte die weiße Decke über seinem Kopf an. *Hoffentlich kommt da mal jemand, der mir sagt, was eigentlich genau los ist.*

Langsam begann es zu dämmern und die Sonne reckte sich verschlafen über den Horizont. "Wann kommen die denn endlich??" leise vor sich hingrummelnd sah Tai genervt zur Tür. Wie auf Kommando wurde die Klinke herunter gedrückt und eine Schwester betrat den Raum. "Guten Morgen!" "Oh, mein Gott..." Erschrocken blieb die Schwester in der Tür stehen und hielt sich beide Hände vor den Mund, wie um einen Schrei zu unterdrücken. "Was ist denn?" Dieser Satz gab ihr anscheinend den Rest und sie stürzte aus dem Raum. "Was zum Teufel ist denn los?" Langsam wurde Tai wütend. War es denn zuviel verlangt, dass man ihm sagte, was passiert war?? Er wollte doch nur wissen, was ihm fehlte, abgesehen von Arm- und Beinbruch und wann er wieder aus dem Krankenhaus könnte.

Die Tür wurde erneut geöffnet. Diesmal von einem Arzt. Hinter ihm betrat die Schwester von vorhin das Krankenzimmer. "Guten Morgen.", wünschte Taichi. Diesmal bekam er eine Antwort. "Wie fühlen sie sich?" Kritisch begutachtete der Arzt Tai. "Mal abgesehen davon, dass ich eigentlich nicht weiß, was los ist, ich mir meinen Arm und mein Bein gebrochen hab, eigentlich ganz gut." "Aha. Schlagkräftig also auch." Der Doktor gab der Schwester einige Anweisungen und setzte sich dann zu Taichi. "Dann bin ich ihnen wohl eine Antwort schuldig. Aber zuerst: ich bin Dr. Bryant." "Ich bin Yagami. Yagami Taichi. Sie können Tai zu mir sagen. Oder Taichi. Ist mir egal." "Angenehm." Sie gaben sich die Hand. "Also. Was ist nun los??" "Immer langsam. Alles schön der Reihe nach. Du hattest einen Autounfall. Vor 2 Monaten." "Soweit kann ich mich noch erinnern."

Taichi kam sich komisch vor, dass er im Bett lag und der Arzt auf ihn hinunterschaute. "Gut. Bei dem Autounfall hast du dir unter anderem eine Kopfverletzung zugezogen. Und hast bis jetzt geschlafen. Du hast kein Lebenszeichen von dir gegeben, noch sonst irgendetwas getan. Eine der Schwestern behauptet zwar, dass du einmal geschrieen hättest, aber... nun ja. Lassen wir das. Das Wichtigste ist: wir hatten es nicht für möglich gehalten, dass du noch einmal aufwachst. Es gibt anscheinend doch noch Wunder auf Erden..."

Der Arzt lächelte. "Ansonsten fehlt dir nichts gravierendes. Wir werden dich noch ein paar Tage zur Beobachtung hier behalten, dann denke ich, kannst du wieder nach Hause gehen. Übrigens, den Brief, den wir bei dir gefunden haben, haben wir abgeschickt. Ein Mr. Corlett ist gekommen und hat das Porto bezahlt." Der Arzt verließ das Zimmer. Tai war wieder allein. Er hatte wahnsinniges Glück gehabt. Aber von welchem Brief hatte der Arzt geredet?? Und wer war Mr. Corlett? Wem hatte er denn geschrieben? Und was?
 

Yamato ging in seiner Wohnung auf und ab. Es war wieder einer dieser Tage, an dem er sich Sorgen machte. Eigentlich verging kein Tag, an dem er sich keine Sorgen machte, aber heute war es wieder extrem. Yamato hatte wieder einmal den Brief durchgelesen, den er vor 2 Monaten bekommen hatte. Zurückzuschreiben hatte er sich noch nicht getraut. Warum meldete Taichi sich nicht mehr? Der Brief war nicht fertig geschrieben. Der Absender und seine Adresse stimmte, aber wieso hatte Tai den Brief nicht beendet?? War ihm etwas zugestoßen? Wenn ja, was?? Wie ging es ihm überhaupt? Nervös wanderte Yamato von der Küche ins Wohnzimmer und wieder zurück. Die Wahrheit über das, was vor 2 Jahren geschah... Ihm ging dieser Satz nicht mehr aus dem Kopf. Die Wahrheit, die Wahrheit... *Gott, verdammt...* Wütend kickte er den Mülleimer um. Gut, dass nichts mehr darin war.

Scheppernd kippte der Mülleimer auf den Boden. *Was hast du nur wieder angestellt?* Matt ließ sich an auf den Hocker fallen und begann zu spielen. Das Lied beruhigte ihn einigermaßen. Es war dasselbe, dass er eines morgens bei Sonnenaufgang angefangen hatte zu schreiben. Nur hatte Yamato noch keinen Text. Er seufzte. *Tai...* Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb an der Uhr hängen. Sie erinnerte ihn an irgendetwas. Was war es bloß?? "Scheiße!! Die Proben!! Die bringen mich um!"

Matt sprang auf, schnappte sich seine Gitarre und stürzte aus der Wohnung. Tai war für kurze Zeit vergessen. Doch während Yamato in der herbstlichen Abendsonne zu seinen Bandproben lief, erinnerte er sich wieder an ihn. Er dachte daran, wie sehr Tai den Herbst mit seinen vergoldeten Blättern liebte. Während er einen Platz durchquerte, schreckte Yamato ein paar Tauben auf, die am Boden nach Brotkrummen gepickt hatten. *Wenn ich doch nur fliegen könnte... Dann würde ich zu dir kommen und selbst herausfinden, warum du mir nicht mehr schreibst. Was ist nur passiert, dass kein Brief kommt? Gott, verdammt Taichi. Langsam mache ich mir echt Sorgen um dich. Melde dich endlich...*

Nun ja, langsam war nicht so ganz richtig. Inzwischen war er fast verrückt vor Sorge um Taichi. Yamato erreichte den verabredeten Ort und verschwand durch eine schwere, schwarze Tür in dem großem, grauen Gebäude.
 

Taichi ging die weißen langen Gänge des Krankenhauses entlang. Oder besser humpelte. Der Armgips war ihm abgenommen worden, sodass er sich nun auf Krücken fortbewegen konnte. Und weil er sonst nichts zu tun hatte, streifte er durch diesen Flügel des Krankenhauses und durch den kleinen Park, der zu dem großen Gebäude gehörte, in dem er sich befand.

Inzwischen kannte er neben dem behandelndem Arzt auch einige Krankenschwestern und -pfleger. Seine Familie kam zwar jeden Tag zu Besuch und er hatte einen Mitbewohner bekommen, aber er fühlte sich trotzdem irgendwie allein. Er wusste nicht genau, was es war. Oder er konnte sich einfach nicht mehr daran erinnern. Er leide unter Amnesie hatte Dr. Bryant gesagt. Aber seine Erinnerungen würden zurückkommen. Vielleicht nicht vollständig, aber ein großer Teil davon.

Tai betrat sein Zimmer wieder und ließ sich auf das Bett fallen. Sein Mitbewohner war nicht da und er schaltete den Fernseher an.

Die Nachrichten liefen. >...Das vor 2 Monaten abgestürzte Flugzeug konnte nun endlich geborgen werden. Es war auf seinem Flug nach Europa kurz nach dem Start ins Meer gestürzt. Alle Passagiere kamen dabei ums Leben. Unter den Opfern war auch ein siebenjähriges Mädchen. Die Unfallursache bleibt weiterhin ungeklärt. Die Hebung...<

*Sie hat es gewusst. Aiko hat gewusst, dass das Flugzeug abstürzen würde... Oh mein Gott...*

Taichi wurde schwarz vor Augen. Ihm war, als würde ihm das Herz zerrissen. Das Mädchen, von dem der Nachrichtensprecher berichtet hatte, war seine kleine Freundin. Panik stieg in Taichi auf. Verzweiflung, Verwirrung, Angst und vieles mehr. Und all das kam ihm so unglaublich bekannt vor. Wie ein Déjà-vu. Taichi kam es so vor, als hätte er schon einmal den selben Schmerz in seinem Innern gespürt. Aber darüber konnte er jetzt nicht nachdenken. Entgeistert starrte er noch immer den Bildschirm an. Seine kleine Aiko-chan war tot. Einfach so. Verschwunden. Ausgelöscht.

Die Schwester, die Tai als erstes wach vorgefunden hatte, betrat das Zimmer. "Was hast du denn?", fragte sie besorgt. Aber Tai antwortete ihr nicht. "Tai!! Was um Himmels Willen ist nur los??" Sie versperrte ihm die Sicht zum Fernseher und zwang ihn, ihr in die Augen zu schauen. Zwei Tränen liefen über Tais Wangen. "Sie...sie ist... tot... Der Flieger ist... ins Meer gestürzt... Ich... ich werd' sie nicht wieder sehen... Genau... genauso... wie... wie..." Aber ihm fiel nicht ein, wen er nicht wiedersehen würde. Spielte das denn jetzt eine Rolle?? Aiko war ihm genommen worden. Seine süße, kleine, pfannkuchensüchtige Aiko-chan. "Aiko... Aiko-chan..."

Taichi ließ sich von der Schwester in den Arm nehmen und zudecken. Er verstand nicht, was sie sagte. Taichi hörte es nicht. Er war nur noch mit sich beschäftigt. Mit sich und mit dem Schmerz in sich, der erneut ausgebrochen war und in seinem Herzen wütete und dabei tiefe Wunden hinterließ. Irgendwann verließ die Schwester Tai und er lag allein in dem weißen Raum. Tränen schimmerten in seinen leeren Augen und als er einschlief und seine Augenlider sich senkten, liefen sie über sein Wangen. Sie liebkosten seine Haut und kühlten sein erhitztes Gesicht, bevor sie ganz verschwanden.
 

"Wo bleibst du denn solange?? Wir warten schon ´ne halbe Ewigkeit auf dich!" Yamato schlug die Tür hinter sich zu. Wütend auf sich und den Rest der Welt. Und auf Taichi, weil dieser nicht mehr schrieb. "Die fünf Minuten..." grummelte er. Was wussten die schon?? Jeder von ihnen hatte entweder eine Freundin oder war verliebt. Zumindest hatte jeder von ihnen schon mindestens eine feste Freundin gehabt. Bis auf Matt. Ein paar One Night Stands hin und wieder. Mehr war nie dabei gewesen. Bei keinem Mädchen hatte er dasselbe gespürt wie bei Taichi. Keine konnte ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit geben. Es war zum Verzweifeln.

Sicher hatte Yamato versucht alte Gefühle zu verdrängen und Taichi aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Aber gelungen war es ihm bisher nicht. Und so hatte er sich schließlich seinem Schicksal ergeben. Anscheinend war er dazu verdammt auf ewig auf Taichi zu warten. Was blieb ihm denn anderes übrig? "Hey, wo bist du mit deinen Gedanken?? Zuerst kommst du zu spät und dann bist du gar nicht bei der Sache. Hast du irgendwelche Probleme?" "Nun ja. Wie mans nimmt..." Er lächelte gequält.

Anscheinend war es der Band schon länger aufgefallen, dass er nicht mehr der Alte war. So war das eben. Jeder bemerkte es, wenn der andere irgendwelche Probleme hatte. "Ist aber nicht so schlimm..." Selbst in seinen eigenen Ohren klang es nicht besonders glaubwürdig. "Das glaub´ ich dir nicht." Yamato seufzte. Was blieb ihm anderes übrig, als es ihnen zu erzählen?

Es ging ihm zwar gewaltig gegen den Strich, aber wenn er ihnen nicht bald davon erzählte, würden sie ihn Tag und Nacht damit auf die Nerven gehen. Und das hasste er mehr als alles andere. Wenn jemand glaubte ihm helfen zu müssen. Er kam doch gut allein zurecht. Warum sollte er sich denn helfen lassen? Das war schon immer so gewesen. Aber irgendwie musste es sein. Außerdem hatte Yamato plötzlich das Gefühl, als könnte er die Worte nicht mehr zurückhalten. Als müsste endlich alles raus. "Ich schlage vor, wir lassen die Proben heute ausfallen."

Dafür erntete er Begeisterung von der Band. Er seufzte erneut und betrat mit seinen Freunden ein kleines Hinterzimmer. In diesem war es behaglich warm. Die große Couch, der dazugehörige Stuhl und der Tisch ließen nur noch Platz für den kleinen Kühlschrank und einer kleinen Stereoanlage. Yamato betrachtete seine Truppe, wie sie nacheinander den kleinen engen Raum betraten und sich auf der Couch bzw. dem Stuhl niederließen.

Die Drummerin Mizael, die trotz ihres Aussehens sich genauso prügeln konnte wie die Gangmitglieder auf der Straße. Den Keyboarder Shinji, der hoffnungslos in Mizael verknallt war, die zwar immer so tat, als sähe sie ihn nicht, aber trotzdem etwas für ihn empfand. Und schließlich Yukiro, der E-Gitarre spielte. Er war inzwischen seit 2 Jahren mit seiner Freundin zusammen. Diese Menschen waren zu Yamatos 2. Familie geworden. Er musste es ihnen erzählen. Es wäre ein Vertrauensbruch, es ihnen nicht zu sagen. Matt seufzte. *Ich sollte mir das Geseufze wirklich mal abgewöhnen. Das ist ja nicht mehr normal*

Er setzte sich zu seiner Band auf die Couch. Alle sahen ihn erwartungsvoll, aber auch besorgt an. "Ihr wollt´s also wirklich wissen, ja?" "Warum würden sonst hier sitzen und die Proben ausfallen lassen?" Mizael ließ die Beine über eine Armlehne des Stuhles baumeln. Sie sah Yamato kurz an, dann suchte ihr Blick wieder einen Punkt, der weit entfernt zu sein schien. "Also... wie soll ich anfangen? Hab ich euch schon von Tai erzählt?" "Das ist doch der, der vor 2 Jahren nach Amerika gegangen ist, oder?" Shinji war aufgestanden und öffnete den Kühlschrank um etwas zu trinken zu holen. "Genau der." "Von dem hast du doch schon ewig nichts mehr gehört, oder? Er hat doch nie geschrieben, soweit ich weiß." "Das... stimmt nicht so ganz, Yukiro... Er hat geschrieben... Vor zweieinhalb Monaten kam ein Brief aus Amerika. Er war von ihm." "Und? Was schreibt er? Hast du zurückgeschrieben?"

Shinji reichte jedem eine Flasche undefinierbarem Etwas, dass er selbst irgendwann mal gemixt hatte. Das Zeug schmeckte verdammt gut. "Nun ja... was er geschrieben hat, ist nicht so wichtig. Aber ich hab zurückgeschrieben. Vor zwei Monaten kam der letzte Brief. Anscheinend hat er ihn nicht zu Ende geschrieben. Der Brief endet einfach so. Der Umschlag und der Brief waren ziemlich zerknittert... Ich mach mir verdammt viele Sorgen um Taichi..." Matts Augen folgten einer Fliege, die ungeniert über die spiegelblanke Glasoberfläche des Couchtisches lief.

"Hast du ihm schon einen Brief geschickt, warum er nicht schreibt?" Yukiro schaute ihn an. Yamato spürte seinen Blick, erwiderte ihn aber nicht. "Das ist es ja. Ich trau mich nicht... Ich hab Angst, dass ihm irgendwas zugestoßen ist oder sonst was..." "Dann solltest du ihm ja erst recht schreiben, meinst du nicht auch??" "Ich denke Shinji hat Recht, Yama. Wenn du ihm nicht schreibst, wirst du es nie erfahren." "Genau, was ist denn so verkehrt daran, wenn..." "Halt den Mund Shinji..." Mizael sah maß ihn mit kritischen Blicken. Ebenso wie Yukiro. "Ihr versteht beide anscheinend nicht, um was es hier geht, oder?" Die beiden Jungs sahen sie verdutzt an. Was meinte sie denn? Sie sagte doch sonst kaum ein Wort.

"Was meinst du damit??" "Männer..." Das Wort klang auf eine gewisse Weise abfällig. Dann lächelte sie. "Ihr seid beide so blind... Ich denke, es geht hier viel mehr um den Inhalt der Briefe, als ihr denkt..." Ungläubig richtete Yamato seinen Blick auf das Mädchen, dass sich lächelnd eine dunkle Strähne hinters Ohr strich. Woher wusste sie etwas?? "Er fürchtet sich davor, das Ende des Briefes zu erfahren, genauso wie er sich das wünscht. Und hinzu kommt noch die Sorge um Tai, von dem er seit Jahr und Tag nix mehr gehört hat... Gott verdammt Matt, wie sehr liebst du den Kerl eigentlich?" Mizael hätte beinahe geschrieen. "Ihr merkt doch wirklich nichts... das ist ja so was von typisch..." Ihre Stimme wurde wieder leiser und verlor sich in der Stille, die sich im Raum ausbreitete.
 

Tai blinzelte. Warum schien die Sonne? Warum schien die Sonne und erhellte die Welt mit ihrem warmen Licht, wenn die kleine Aiko zu Grabe getragen wurde? Warum nur? Taichi trug einen schwarzen Anzug und betrachtete die Menschen um sich herum. Man hatte die Leiche von Aiko gefunden. Bis zuletzt hatten sie alle sich an die Hoffnung geklammert, dass es nicht Aiko sei. Aber wie so oft im Leben wurden Hoffnungen und Wünsche zerstört. Ein leichter Wind spielte mit den Zweigen der großen Trauerweide unter dem Aiko mit ihren Eltern ruhte. Seine dunklen Augen suchten einen Punkt irgendwo am Horizont.

Warum hatte sie sterben müssen? Er war dem Tod entronnen, aber sie war ins Jenseits gegangen. Sein kleiner Sonnenschein. Dieser Tag hätte ihr sicher gefallen. Die Herbstsonne erwärmte die Erde für ein letztes Mal und rote, gelbe und braune Blätter wurden vom Wind mit spielerischer Leichtigkeit über Straßen, Plätze und Gärten geweht. Ein paar letzte Astern erinnerten noch schwermütig an den vergangenen Sommer und einige bereits kahle Bäume mahnten vor dem kommendem Winter. Der Wind zerzauste Tais schwer zu bändigende Haare. Der Kies knirschte unter seinen Füßen, als Taichi nach der Beerdigung nach Hause ging. Tai konnte nicht mehr weinen. Er hatte es in letzter Zeit oft getan. Zu oft. Seine Haut war rot und gereizt. Aber nichts war dadurch besser geworden. Allenfalls nur noch schlimmer.

"Bin wieder zu Hause..." Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, verschwand er in sein Zimmer. Dort lag ein großer Briefumschlag für ihn. Sein Name stand in krakeliger Kinderschrift darauf. *Der ist sicher von Aiko...* Tai nahm den braunen Umschlag in seine Hände und sank in die Matratze ein. *Was wohl drin ist?* Seine aufkommenden Gedanken an seine kleine Freundin verdrängte er. Er öffnete den Umschlag und ließ seinen Inhalt auf die Bettdecke neben sich gleiten. Eine CD, ein Poster und ein weiterer weißer Umschlag mit seinem Namen rutschten aus dem Umschlag. Tai drehte die CD in seinen Händen. *Irgendwoher kenne ich sie... Ich hab sie sicher irgendwo in einem Laden gesehen...* Tai faltete das Poster auseinander.

"Oh mein Gott..." hauchte Taichi. Er kannte dieses Poster. Und die Person die darauf abgebildet war. "Yamato..." Dieser Name kam ihm in den Sinn, als er es ein Stück von sich weghielt und den jungen Mann darauf erblickte. *Wieso Yamato?? Woher weiß ich, dass das sein Name ist? Kenn ich ihn etwa? Ausgerechnet einen Star... Das ist sicherlich so einer, der die ganzen Schnulzen in die Welt setzt. Was hat so einer denn mit mir zu tun? Ich kenn doch keine Schnulzensängerfuzzis... Ich bin doch kein Mädchen. Aber gut aussehen tut er. Das muss man ihm lassen. Und erst diese Augen... Moment mal? Was denk' ich denn da?? Das Auto muss bei mir ja mehr Schaden angerichtet haben, als ich weiß... Aber die Augen sind trotzdem schön. Eigentlich ist der ja schon fast richtig süß... Hey... stopp, stopp, stopp, Yagami!! DAS da ist ein Typ!! Ein Schnulzensängerfuzzi obendrein... DU bist auch ein Kerl! Und ein Kerl verliebt sich nicht in einen Schnulzensängerfuzzi. Die Mädels rennen dir die Tür ein und du starrst einem Schnulzenfuzzi in die herrlichen Augen!! Das ist nicht normal, Yagami!! Hör auf damit!* "Ja genau..." Widerwillig faltete Tai das Poster wieder zusammen und öffnete den weißen Umschlag. Er zog einen Brief heraus, der von Aiko war.
 

Lieber Tai,

wenn du diesen Brief bekommst, bin ich nicht mehr da und du wirst dich vermutlich auch nicht an mich erinnern. Ich will auch gar nicht, dass du das tust. In dem Moment, indem du diesen Brief durchliest, bin ich im Himmel und schaue dir zu. Ich wusste, dass es so kommen würde. Ich habe es gesehen. Nein... vielleicht ist sehen nicht das richtige Wort dafür. Ich habe es gespürt, als meine Eltern mir von unserem Urlaub erzählten und du kurz darauf in meinem Zimmer standest und das beigelegte Poster betrachtet hast. Ich schicke es dir mit der zugehörigen CD.

Vielleicht wunderst du dich, dass ein siebenjähriges Mädchen einen solchen Brief schreibt, der eigentlich nicht zu ihrem geistigen Wissen gehören kann. Und erst diese Handschrift, die nur einem Erwachsenem gehören könnte. Vielleicht nicht einmal das. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich es auch nicht. Wahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass ich deinen Unfall und meinen Tod vorausgesehen habe. Vielleicht auch damit, dass ich heute ein helles, weißes Licht in meinem Traum gesehen habe. Ich weiß es wirklich nicht.

Aber seit dieser Begegnung fühle ich, wie mich dieser Körper einengt. Sobald meine Seele sich daraus befreit, werde ich auf weißen Schwingen den Himmel durchkreuzen. Ich wünschte, du könntest dann bei mir sein. Dieser Wunsch entspringt tief aus meinem Herzen heraus. Ich will immer bei dir sein. Ich will, dass du mich in den Arm nimmst und mich auch ohne Flügel fliegen lässt. Ich wünschte, dass du meine Liebe erwidern würdest. Aber ich weiß, dass es nicht so ist und es auch nie so sein wird. Du bist nicht mir bestimmt, sondern jemand anderem. Jenem Menschen, den du vor über 2 Jahren verlassen hast. Es ist genau derselbe, der auf dem Poster ist.

All meine Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft wurde zerstört und zersprang wie eine Glaskugel in tausend Splitter, als ich sah, wie du das Poster angesehen hast. Steh zu deinen Gefühlen, Tai. Sei nicht feige und vertraue auf dein Herz...
 

Ich hoffe, dass du glücklich wirst.

Deine, dich liebende,
 

Aiko-chan
 

Wortlos faltete Tai den Brief zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag. Diesen schloss er in seinem Nachttischchen ein. Er sah Aikos lachendes Gesicht vor sich und sah wie ihre Augen gleich Smaragden im Sonnenlicht funkelten. Erneut betrachtete er das Poster. *Seine Augen...* Tai kniff die Augen zusammen. Plötzlich schienen seine Augen aufzuleben und kurz in einem hellem blau zu erstrahlen. *Was zum Teufel...?* doch sosehr Tai sich auch bemühte, das helle Aufleuchten kam nicht wieder.

Kurz danach fragte er sich, ob er es sich vermutlich nur eingebildet hatte. Den restlichen Tag und die ganze Nacht hindurch grübelte Taichi dann darüber nach, ob der Junge auf dem Poster nun grüne oder blaue Augen hätte. Er verdrängte diese Gedanken zwar, aber sie schlichen sich immer wieder bei ihm ein und schließlich verfolgten sie ihn sogar in seinen wirren Träumen in dem sich alles um ein Poster, grüne und blaue Augen und Engel drehte.
 

"WAS?? Du soll das etwa heißen, dass du schwul bist?!" Shinji starrte Yamato regelrecht an. Er forderte eine Antwort. "Nun ja... also ähm... weißt du... ich... äh... also... eigentlich... eigentlich..." "Eigentlich...?" Nun begann auch Yukiro Matt durchdringend anzusehen. Mizaels Blick hatte sich inzwischen wieder irgendwo im Nirgendwo verloren. "Äh...also... wenn man es so konkret... betrachtet... dann...dann denke ich... dann denke ich... ähm... dass das... äh... eigentlich... richtig ist... Aber eigentlich... habe ich mir... darüber noch keine... keine Gedanken gemacht... glaube ich..." Es war raus. Mehr oder minder. Oder doch nicht? Hatten Yukiro und Shinji auch verstanden, was er meinte? Yamato fühlte sich hilflos. Er selbst verstand doch schon lange nichts mehr. Wie sollten es dann andere tun können? Shinji, der noch immer fassungslos seine Flasche in der Hand hielt, setzte sich ihm gegenüber auf die Couch. Sein Getränk stellte er beiläufig auf den Tisch. "Matt... ich denke, dass du selbst überhaupt nicht weißt, was nun abläuft..." "Ach... und du weißt es, ja?" Yamato spürte Wut in sich hochsteigen.

"Nein, aber ich will es herausfinden, verstehen und dir helfen. Es ist mir egal, ob du nun schwul bist oder nicht. Ich denke, dass ich für alle spreche und sage, dass wir voll und ganz hinter dir stehen. Und deshalb wollen wir dir helfen. Klar?" "O...okay." Irgendwie verblüffte Matt diese Antwort. Er hatte etwas anderes erwartet. Zwar wusste Yamato nicht genau, was, aber das hier übertraf all seine Vorstellungskraft. Dass er so tolle Freunde hatte, hätte er niemals geglaubt.

Yukiro wechselte seinen Platz und setzte sich neben Shinji um Matt in die Augen sehen zu können. "Liebst du diesen Tai?" "Ja. Mehr als alles andere." *Wow...* Eine so herausgeschossene Antwort war eigentlich nicht so ganz das, was alle, Matt eingeschlossen, erwartet hatten. "Schön." Yukiro lächelte. "Fühlst du dich... ähm... wie soll ich sagen... sexuell zu ihm hingezogen?" Das Blut schoss in seine Wangen und färbte es rot. "Nun ja... äh..." "Mein Gott Yukiro... Du bringst ihn ja ganz in Verlegenheit... Du bist echt schlimm..." "Ach ja?" "Ja!" "Na wenn du meinst. Yamato. Kannst du dir vorstellen, deinen Taichi zu küssen?"

"Wenn ich ehrlich sein soll... Erinnere ich mich eigentlich nur noch verschwommen daran..." "Also hast du ihn schon geküsst? Wann?? Erzähl doch..." Shinji und Yukiro sahen ihn neugierig an. "Am Flughafen... Aber... nicht so richtig... Eigentlich hat ja er mich geküsst... Im übrigen seht ihr gerade aus wie die Mädels aus unserer Klasse. Die schauen sich auch immer so an, wenn eine verknallt ist." Diese Bemerkung überhörte Shinji vollkommen. "Apropos Mädchen... Fühlst du dich zu einer von ihnen irgendwie... hingezogen? Zumindest körperlich?" "Ich weiß nicht so recht... Wen meinst du denn?" "Nun ja..." Shinjis Blick huschte unauffällig zu Mizael, die noch immer weit, weit weg zu sein schien. "Ich denke da an die Neue aus unserer Klasse. Die sieht doch gar nicht so schlecht aus. Ich mein... lange Beine, Knackarsch, tiefes Dekoltée und so weiter und so fort..."

"Euch Typen geht´s doch wirklich immer nur darum, wer die größten Titten hat. Es ist doch immer so. IMMER!!" Mizael stürmte aus dem Raum. Entgeistert sahen die Jungen sie an. Shinji sprang auf. "Warte doch. Mizael!! Warte...!" Die Tür fiel erneut mit einem lauten Schlag ins Schloss und Yukiro blieb allein mit Yamato zurück. "Das hat ganz schön wehgetan..." Mit traurigen Augen sah Matt die Tür an. "Jaja... es ist nicht immer leicht... Vor allem bei den beiden..."

"Du hast wohl recht. Ich werde dann mal nach Hause gehen. Ich muss schließlich heute noch einen Brief schreiben." Yamato lächelte. "Yamato?" "Ja?" Matt drehte sich in der Tür noch einmal um. "Ich bin froh, dass du es uns erzählt hast. Ich wünsch dir viel Glück. Du schaffst das sicher." "Klar! Ciao!" Noch nie war Matt so optimistisch gewesen. Er war froh, so gute Freunde zu haben. Heute würde er endlich einen Brief schreiben und nach Amerika schicken. Doch als er zu Hause ankam, steckte bereits ein Brief in seinem Briefschlitz an der Tür. Er war eindeutig an ihn adressiert. Und... Er stammte aus Amerika...

I Feel Sadness... - Ich Fühle Traurigkeit...

Chapter 4: I Feel Sadness... – Ich Fühle Traurigkeit…
 

Dear Ishida Yamato,

Ich habe heute ein Poster und eine CD von dir geschenkt bekommen. Von wem... Daran möchte ich jetzt nicht mehr denken. Außerdem habe ich Briefe gefunden, die von dir stammen und an mich adressiert sind. Anscheinend kenne ich dich. Aber ich weiß nicht mehr, woher. Ich kann mir auch nicht vorstellen, was ich mit einem Musiker wie dir zu schaffen hätte. Vor allem aus Japan. Ich selbst bin japanischer Abstammung, war aber selbst noch niemals in diesem Land. (Das ist eines der Dinge, die ich irgendwann in meinem Leben tun möchte.)

Gerade höre ich die CD. Deine Stimme kommt mir irgendwie bekannt vor. Als hätte ich sie schon mal gehört. Auch kommt es mir so vor, als könnte ich den Text verstehen, obwohl ich kein japanisch spreche. Bilder tauchen vor meinen Augen auf, an die ich mich nicht erinnern kann. Orte, Personen.... Alle kommen mir bekannt vor, aber ich kann sie nicht richtig zuordnen. Warum schreibe ich dir das eigentlich alles? Du bist sicherlich sehr beschäftigt mit Lieder machen und singen, dass du wahrscheinlich keine Zeit hast, meinen Brief zu lesen.

Naja. Egal. Ich hatte einfach das Bedürfnis Dir zu schreiben. Frag mich nicht warum. Es ist einfach so.

Ich habe mir wie bereits geschrieben, Briefe von dir an mich durchgelesen. Weißt du, dass du mich an jemanden erinnerst? Mir fällt nur nicht ein, an wen. Auf alle Fälle bist du anscheinend sehr traurig und einsam.
 

Ich hoffe, dass es dir inzwischen besser geht.

Gruß,
 

Yagami Taichi


 

*Er... er kann sich nicht mehr erinnern...* Yamato saß vor seiner Haustür. Sofort hatte er den Brief gepackt und ihn gelesen. Nun stützte er seinen Kopf in seine Hände. Sein ganzer Optimismus war wie weggefegt. Als wäre er in einen Sturm geraten, der alle guten Gedanken und Gefühle weggeblasen hatte. Matt fühlte sich einsam, leer und unendlich traurig. Wo vorher noch so etwas wie Entschlossenheit, Mut und irgendwas, das Yamato nicht definieren konnte gewesen war, war jetzt nur noch ein großes, schwarzes, dunkles Loch. Langsam wurde es kalt um ihn herum. Die Nacht senkte sich über Tokio. Der Mond blinzelte ab und zu zwischen den Wolkenfetzen hervor. Wie kleine Edelsteine auf einer dunklen Decke stachen die Sterne vom nachtblauen Firmament. Yamato kam es so vor, als würden sie heute etwas anders scheinen als sonst. Ihr Licht war nicht fröhlich zwinkernd und blinzelnd, sondern kühl glitzernd und funkelnd. Schön waren sie auch. Darin bestand kein Zweifel. Aber Matt mochte die fröhlichen Sterne mehr. Das Licht der kühlen Sterne brach sich in einer Träne, die seine Wange hinab lief. *Warum nur? Was ist denn nur passiert? Warum ausgerechnet ich? Warum ausgerechnet jetzt? Immer dann, wenn ich mal nicht depri bin, passiert so ein gottverdammter Scheiß...* "Scheiße, Taichi... Was ist nur passiert?" hauchte Matt in die kalte Nacht hinaus.

Seine Lippen waren blau und sein Gesicht blass und kalt. Sollte er nicht langsam reingehen? Er würde noch krank werden. Aber machte das denn überhaupt einen Unterschied? Ob er nun krank war oder nicht? Ob er nun lebte oder nicht? Wen interessierte es denn? Warum war er denn auf dieser gottverdammten, beschissenen, grausamen Welt, die nichts für ihn bereithielt außer Schmerz und nochmals Schmerz? War es ihm denn nicht vergönnt, einmal glücklich zu sein? Konnte denn nicht auch er wenigstens einmal ein bisschen Glück haben? Yamato stand auf und schaute über die nächtliche Stadt. Bis zum Boden hinunter... War es tief genug um unter seinem Leben einen Schlussstrich zu ziehen? Würde er etwas spüren? Würde er fühlen können, wenn sein Körper auf dem harten Asphalt aufschlagen und seine Knochen zersplittern würden? Aber es wären nur geringe Schmerzen gegenüber dem, was in Matts Herz war.

Er lehnte sich tief über die Brüstung und sah hinab. Würde sich etwas ändern, wenn er spränge? Vermutlich nicht. Warum also nicht? Warum nicht hier und jetzt alles beenden? Es war doch so einfach... Yamato kletterte über das Geländer und lehnte sich hinaus. Der Wind durchwirbelte seine goldblonden Haare. Er brauchte nur noch loszulassen. Loslassen vom Geländer, das ihn noch am Leben hielt. Loslassen von dem Gerüst das sein Leben ausmachte und das nun langsam zu bröckeln begann. *Scheiße... Verdammte Scheiße...* Yamatos Lippen zitterten vor Kälte. Wie tausende von kleinen Nadeln piesackte die Kälte seinen Körper.

"Yamato..." "Wer...wer ist da?" Über Matts Wangen liefen Tränen. "Yama..." "Taichi?" Matt sah sich nicht um. Ihm war klar, dass hinter ihm niemand stehen würde. "Taichi..." Aber doch... War es keine schöne Vorstellung? Wäre es nicht wundervoll sich einfach umzudrehen und in die Arme von Taichi zu fallen? Wäre es nicht wundervoll, wenn... *Wenn was?* "Matt..." "Taichi..." Er würde nie erfahren, was so wundervoll wäre, wenn er jetzt sprang. Yamato sah einer Träne nach, die von seiner Wange hinabtropfte und sich in der Dunkelheit verlor. Wenn er losließe würde er den einfachen Weg wählen. Davonlaufen vor allen Problemen. Wenn er sich aber anders entschiede. Das Leben wählte... Yamato würde sich dem Kampf stellen müssen. "Yama..." *Schon wieder diese Stimme... Höre ich sie oder murmelt sie in meinem Kopf?* Yamato konnte nicht mehr unterscheiden. Konnte Traum und Realität nicht auseinanderhalten. Es war doch unmöglich, dass Tai hinter ihm stand. Aber wenn es doch so war...? Ohne sich umzublicken kletterte Yamato wieder über das Geländer. Seine Beine zitterten, als er wieder auf sicherem Boden stand. "Yamato..." Matt drehte sich um und es war ihm, als könnte er Taichis Gestalt für einen kurzen Augenblick im Mondlicht lächeln sehen. "Taichi..." Dann schloss Matt die Tür zu seiner Wohnung auf.
 

"Tai? Bringst du das für mich bitte zur Post?" Tais Mutter hatte die Tür einen Spalt geöffnet und hielt ihm einen kleinen Stapel Briefe hin. "Klar Mom." Taichi sprang vom Bett und schaltete die Stereoanlage aus. "Seit wann hörst du wieder J-Pop?" "J was?" "J-Pop. Japanische Musik. Sag mal Tai weißt du das nicht mehr?" "Nein, was?" "Dass du 14 Jahre in Japan gelebt hast." "WAS?? Und warum reden wir dann die ganze Zeit auf englisch?"

"Vor zwei Jahren haben wir hier neu angefangen. Und damit du und Kari mehr Übung in Englisch bekommt, haben wir von Anfang an versucht nur noch auf englisch zu reden." "Aha. Deshalb also..." "Was hast du gesagt?" "Ach nichts. Ich hab mich nur gewundert. Ich geh dann. Tschüß!" Tai nahm seiner Mutter die Briefe aus der Hand und lief hinaus.

*Deshalb dachte ich also, dass ich die Lieder verstehe... Ich kann japanisch! Oder konnte es. Ob ich es mal versuchen sollte?* Tai blieb am Straßenrand stehen und versuchte etwas auf japanisch zu sagen. Doch kein Laut drang über seine Lippen. *Ich... ich kann es nicht mehr. Ich spreche meine eigene Sprache nicht mehr... ich kann nicht mehr japanisch...* Wie in Trance ging Tai weiter. Menschen hasteten an ihm vorbei, die ihn nicht beachteten. Und er beachtete sie nicht. Völlig in Gedanken betrat er das Postamt. "Hey! Tai! Lange nicht gesehen. Wo warst du denn die ganze Zeit?" Ein Angestellter begrüßte ihn fröhlich. "Guten Tag, Mr Corlett." *Woher weiß ich plötzlich wie er heißt? Hat er etwas mit meiner Vergangenheit zu tun?* "Ich soll das hier für meine Mutter abgeben." Taichi reichte ihm die Briefe. "Danke. Übrigens hast du wieder einen Brief bekommen. Er ist gestern angekommen." Mr Corlett sortierte die Briefe seiner Mutter irgendwo ein und holte einen Brief hervor. "Oh. Domo arigatou!" "Bitte was?"

"Domo arigatou. Das heißt "Vielen Dank"." "Ist das japanisch?" "Ja. Ist es." Tai strahlte. Anscheinend war doch noch nicht alles verschwunden. "Auf wiedersehen." Taichi verbeugte sich und lief aus dem Postamt. "Was hat der Junge nur?" Mr Corlett sah Taichi nach und zuckte dann mit den Schultern.

Taichi lief und lief. Immer weiter und weiter in die Stadt hinein. *Ich kann es wieder!!* Er bog in eine kleine Seitenstrasse ein und kam dort keuchend zum Stehen. Erschöpft lehnte er sich gegen die kühle Hauswand und zog den Brief aus der Tasche. Durch die ganze Rennerei war er etwas in Mitleidenschaft gezogen worden. Es stand eindeutig sein Name darauf. Taichi betrachtete den Absender. *Der Schnulzensängerfuzzi...* Eine gewisse Unruhe erfasste Tai. Warum nur? Es war doch nur ein Brief. Ungeduldig riss er den Umschlag auf.
 

Lieber Yagami Taichi,

tatsächlich geht es mir inzwischen besser. Ich habe meine Probleme zum Teil bewältigt und fühle mich wieder stärker.

Woher du mich kennst weiß ich allerdings nicht. Du hast mir eines Tages geschrieben, dass du meine CD in die Hände bekommen hättest. Allerdings war dein Brief japanisch, also denke ich doch, dass du es irgendwo doch kannst. Falls nicht, habe ich versucht den Brief ins Englische zu übersetzen und dir diese Übersetzung mitgeschickt.

Jetzt weiß ich endlich auch, wie du heißt. In deinen vorherigen Briefen hast du immer nur mit "XXX" unterzeichnet. Ich kann dir diese Briefe bzw. Kopien davon senden, falls du sie haben möchtest.

Kann es sein, dass du einen Unfall hattest? Entschuldige, dass ich so direkt frage, aber es interessiert mich brennend, weil Du Dich danach anhörst, als hättest du eine schwere Gehirnerschütterung erlitten.

Ich frage mich, wie alt du bist. Ich bin 16, aber vielleicht weißt du das ja. Wie siehst du aus? Was machst du so den ganzen Tag? Ich weiß, ich bin ziemlich neugierig, aber es interessiert mich brennend, was jemand in Amerika so den ganzen Tag tut. Ich will alles wissen!!

Sooo beschäftigt bin ich dann nun auch wieder nicht, dass ich meine Post nicht beantworten könnte! Du hattest dich vor gut 2 Monaten mit dem letzten Brief bei mir gemeldet. Es ist der einzige den ich nicht beantwortet habe, weil er einfach aufhörte. Nach dem letzten Satz war Schluss. Kein Gruß, keine Unterschrift, nichts! Ich hab mich, ehrlich gesagt, nicht getraut zu schreiben. Bis vor kurzem. Aber als ich mit dem Plan dir zu schreiben nach Hause kam, war bereits dein Brief bei mir angekommen. Ich habe mir massig Sorgen um dich gemacht, mein lieber Taichi! Ich meine, du schreibst, dass du jemanden aus tiefstem Herzen, aber anscheinend einseitig liebst. So wie ich. Ich weiß wie beschissen man sich fühlt und dachte, du hättest dir was angetan, oder sonst was! Glaub mir, ich weiß wovon ich rede. Der Gedanke einfach aufzuhören liegt immer verdammt nahe. Jeden Tag habe ich auf einen Brief gewartet. Du ahnst ja nicht, was für ein Stein mir vom Herzen fiel, als dein Brief im Briefschlitz steckte!

Schreibst du inzwischen Gedichte? Nur mal so ´ne Frage. Ich brenne darauf, eines von Dir zu lesen!

Ich bombardiere dich ja regelrecht mir Fragen. Aber ich könnte den ganzen Tag bzw. Nacht so weiter machen. Aber ich hör jetzt auf. Hab Morgen einen langen Tag!
 

Also, viele Grüße,
 

Yamato
 

P.S.: Ich hoffe, du kannst inzwischen wieder etwas japanisch und schreibst mir zurück.


 

Die Türklingel läutete. Als Yamato öffnete schlüpfte Mizael in seine Wohnung. "Hi Yamato." "Hi..." Verwundert sah Yamato das Mädchen an. Bisher hatte sie ihn noch nie besucht. Und er auch sie nicht. Verwundert nahm er ihr die Jacke ab. "Danke." Mizael strich sich unsicher einige dunkle Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Kann ich mit dir reden, Yamato?" "Klar. Gehen wir ins Wohnzimmer." Dieses Mädchen erstaunte Matt immer mehr. Er führte sie ins Wohnzimmer und wies auf die Couch. "Willst du etwas zu trinken? Heiße Schokolade vielleicht?" "Ja, sehr gern." *Tai und ich haben auch immer Schokolade getrunken...* Yamato setzte die Milch auf. "Möchtest du ein Stück Kuchen?" "Nein danke." Ein Tablett mit zwei dampfenden Kakaotassen balancierend kam Yamato zurück. "Bitte." Er reichte Mizael eine Tasse und ließ sich ebenfalls auf der Couch nieder. "Also. Was ist los?" Ihre dunklen Haare umrahmten ihr blasses Gesicht. "Weißt du, Yamato... es ist doch bald der Abschlussball von unserem Tanzkurs..."

"Ja. Den aus der Schule, oder? Schade, dass wir in getrennten Gruppen sind." "Ja. Den meine ich. Also... ich bin gefragt worden, ob ich hin gehen möchte..." "Und? Willst du denn nicht hingehen?" "Doch schon. Natürlich! Aber es ist nur..." Mizael wandte ihren Blick ab und starrte in ihre Tasse. "Du willst nicht mit dem hingehen, der dich gefragt hat, oder?" Sie nickte. "Hast du jemand anderes?" "Das ist es ja gerade. Er hat noch nicht gefragt. Ich weiß, dass er hingehen will, aber nicht mit wem. Und jetzt..." "Jetzt hoffst du, dass er mit dir hingeht, oder?" Wieder ein Nicken. "Und wo liegt das Problem?" Mizael schluchzte auf. Tränen tropften ihre Wangen hinab. "Was ist denn?? Hab ich was falsches gesagt?"

"Nein, schon gut. Aber... aber wer... wer will schon mit mir zum Ball gehen? Ich... ich meine... Ich höre genau, wie sie hinter meinem Rücken über mich tuscheln und mit dem Finger auf mich zeigen. Er fragt mich sicher nicht... Du... du weißt ja, was sie alle sagen..."

"Du nimmst die doch nicht ernst, oder? Es ist doch alles Lüge, was sie erzählen. Das weißt du. Das weiß ich. Die ganze Band weiß es." "Ja schon... Aber es ist ein Unterschied zwischen es wissen und mit mir auszugehen." Mizael stellte ihre Tasse ab und ließ sich zur Seite auf das Sofa fallen. Ihre Arme hingen über dem Boden in der Luft. "Sie erzählen ich würde auf den Strich gehen um mir Drogen zu kaufen. Ich würde mir die Arme aufritzen und alle 2 Monate versuchen mich umzubringen." Mizael redete jetzt mehr mit sich selbst als mit Yamato. Ihr Blick war wieder irgendwo weit weg.

Matt fiel auf, wie einsam sie, trotz der Band, sein musste. Sie lebte fast allein. Aber nicht, weil sie es so wollte. Ihre Eltern arbeiteten lange und jeden Tag. Sie wurde seit ihrem Herzug von den anderen abgelehnt. Warum konnte keiner so recht beantworten. Mizael war nicht hässlich und ihre Noten lagen leicht über dem Durchschnitt. Klar war es etwas seltsam, wenn sie total abwesend aussah und plötzlich irgendeine schnippische Bemerkung von sich gab. Aber trotzdem. So richtige andere Freunde hatte Mizael nicht. Und langsam waren über die Jahre hinweg irgendwelche Gerüchte über ihr seltsames Verhalten entstanden. Wenn irgendwer eine Schulregel brach, wurde immer zuerst sie verdächtigt. Man traute ihr alles zu. Bis auf das, was sie eigentlich war. Ein normales Mädchen.

Vorsichtig berührte Yamato sie am Arm. Ihre Augen wandten sich ihm zu. "Das kriegen wir hin. Ich verspreche es." "Danke." Sie lächelte gequält.

"Weißt du, was mich interessiert?" "Nein. Was?" "Warum du immer so abwesend schaust. Du scheinst immer unendlich weit weg. Irgendwo, wo es viel schöner ist als hier." Yamato lächelte. In Mizaels blassblaue Augen trat ein Schimmern. Fast so, als würde etwas in ihr erwachen, dass Matt noch nie gesehen hatte. "Tut mir leid. Aber das darf ich dir nicht erzählen. Ich habe es versprochen. Aber ich kann dir eine ungefähre Vorstellung davon geben. Setz dich entspannt hin und schließ deine Augen. Gut. Und jetzt... Stell dir eine Welt die ganz genauso aussieht wie unsere. Aber ohne die Gebäude, Straßen und Brücken. Eine Welt nur aus Natur. Früchte wachsen an den Bäumen. Sie schmecken süß und saftig. Jeder Mensch der dort hinkommt hat einen Freund. Ein Wesen, dass ihn durch sein ganzes Leben hindurch begleitet. Alle dort sind glücklich. Nur ab und zu schafft es das Böse etwas an Macht zu gewinnen. Aber dann wird es mit Hilfe von Träumen, Wünschen und Gefühlen besiegt..."

"Redest du vom Paradies?" "So ähnlich." Mizael lächelte. "Dorthin gehe ich immer. Die Welt hier ist viel zu grausam und zu kalt. Du darfst niemandem davon erzählen, ja? Es ist jetzt ein Geheimnis nur zwischen uns beiden. Ein Bestandteil unserer Freundschaft. Freundschaft spielt dort eine wichtige Rolle. Freundschaft und Mut regieren diese Welt. Beschützt vor dieser Welt von acht Rittern..." Irgendetwas begann zu piepen. "Sorry, Yamato. Ich muss jetzt gehen. Bis bald. Danke für die Schokolade und das Gespräch." Und schon war Mizael aus der Wohnung.

*Etwas seltsam ist sie schon...* Matt räumte die beiden Kakaotassen weg. *Shinji ist ein solcher Feigling! Hat sich noch immer nicht getraut sie zu fragen. Es ist zum Verzweifeln mit ihm...* Yamato schüttelte den Kopf, wie um diese Gedanken zu verscheuchen. *Was Tai wohl gerade macht?* Bei dem Gedanken an Tai begann es in Yamatos Bauch zu kribbeln und sein Herz schlug eine Spur schneller. *Es beginnt wieder. Verdammt, ich hab das vor 2-3 Jahren schon durchmachen müssen! Irgendwie hasse ich dieses Gefühl...* Matt klopfte sich auf den Bauch. Erfolg hatte er damit keinen. "Ich hasse es, ich hasse es!! Andauernd dieses Gekribbele! Hmpf!" Die beiden Kakaotassen waren inzwischen wieder sauber und trocken. Yamato stellte sie in den Küchenschrank zurück. *Hoffentlich kannst du dich bald an mich erinnern, Taichi. Aber ich glaube, im Moment ist es besser, wenn du nicht weißt, was geschehen ist...* Matt betrachtete den klaren Sternenhimmel durch das geschlossene Küchenfenster. Er selbst spiegelte sich darin. Die Küche und die erleuchtete Stadt überschnitten sich zu einem Szenario, über das Yamatos Gestalt zu wachen schien.
 

"Bin wieder zu Hause..." Taichi lies die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Er sah noch immer auf den Brief. "Hi. Hast du die Briefe aufgegeben?" "Hmhm... Hab ich... Ich geh in mein Zimmer." Mit diesen Worten verschwand lies Tai seine Mutter einfach stehen. Verwundert sah sie ihm nach. Seit einiger Zeit war ihr Taichi sehr seltsam. So ruhig kannte sie ihren Sohn gar nicht.

Tai setzte sich auf sein Bett. Der Brief von Yamato brachte ihn ins Grübeln. Er musste ihn kennen. Irgendwoher... *Wenn ich mich doch nur erinnern könnte... Verdammter Mist... Warum ausgerechnet ich?* Aus irgendeinem Grund traten in Taichis Augen Tränen. Plötzlich fühlte er sich einsam und allein. Er schlang die Arme um seine Knie und sah aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne und die Vögel zwitscherten. Entfernt hörte er, wie die Autos auf dem Highway hupten. Er schien wie in Zeitlupe umzufallen. Die Matratze federte seinen Körper ganz sanft, als er aufschlug. In derselben Pose wie zuvor verharrte er so und seine leisen Tränen nässten den Bettbezug. *Warum vermisse ich dich nur so?? Warum nur?? Ich kenne dich doch nicht einmal. Ich wünschte, du wärest hier und würdest mich trösten. Oder einfach nur mit mir reden. Ich wünschte, ich könnte dich berühren, spüren, wie du mit deinen zarten Fingern über meine Haut fährst. Ich wünschte, du würdest mich küssen. Warum bist du soweit weg?? Verdammte scheiße...*

Taichis Körper entspannte sich. Seine Tränen waren versiegt. "Warum weine ich denn überhaupt?? Es bringt doch eh nichts. Was hab´ ich eigentlich für einen Scheiß gedacht?" Er setzte sich wieder auf und zog, um sich abzulenken, Block und Stift zu sich. Dann krakelte er ein bisschen darauf rum, bis er schließlich seine Gedanken aufzuschreiben begann. Es tat einfach nur gut, sich etwas von der Seele zu schreiben. Es war zwar nicht viel, noch nicht einmal ein richtiges Gedicht, wie Tai fand, aber es nahm ihm dann doch einen Teil der Last, die er auf seinen Schultern lasten fühlte.

*Ich wünsche mir wirklich, dass du da wärst...* Taichi betrachtete noch einmal den Brief von Yamato und seufzte dann. Seine Mutter klopfte an die Tür. "Ja bitte?" "Tai? Wir fahren dann. Bist du sicher, dass du allein zurecht kommst? Du kannst immer noch gerne mitkommen." "Nein, aber ich hab wirklich keine Lust, mir das ganze Getratsche anzuhören." Er grinste. "Na gut. Kari fährt aber jetzt doch mit." "Hast du sie überreden können? Mich kriegen da keine 10 Pferde hin." Seine Mutter seufzte. "Wenn du meinst. Also... mach `s gut." "Ja. Viel Spaß!!" Erleichtert ließ Tai sich wieder auf sein Bett fallen. Bis jetzt hatte er befürchtet doch zu irgendwelchen weitschichtigen Verwandten aufs Land fahren zu müssen. Endlich gehörte das Haus für 2 Wochen ihm ganz allein. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Und als erstes würde er sich jetzt was zu Essen machen.
 

Lässig warf Yamato sich die Jacke über. Sie baumelte an einem Finger seinen Rücken hinunter. Die Sonne schien es noch einmal gut zu meinen, bevor der Winter endgültig einbrach. Matt zückte seine Sonnenbrille und setze sie auf. Dann schlenderte er die Einkaufspassage entlang. Er brauchte unbedingt noch einen Anzug für den Abschlussball des Tanzkurses. Er betrat die nächstbeste Boutique. "Guten Tag. Kann ich ihnen behilflich sein?" Sofort kam eine aufgetakelte Verkäuferin zu ihm. "Ich brauche einen Anzug." "Schön, schön. Welcher Anlass? Gehen sie allein hin oder in Begleitung? Was trägt die Begleitperson?" Die aufdringlich piepsige Stimme der Verkäuferin ging ihm schon jetzt auf die Nerven. "Hören sie zu: Ich brauche einfach nur einen Anzug. Okay?" Die Verkäuferin schien leicht eingeschnappt. "Wie sie meinen. Folgen sie mir bitte." Matt seufzte und folgte ihr tiefer in die Boutique hinein. Dabei fiel ihm auf, dass sie sich wohl nur mit Mühe in den Minirock gezwängt hatte, den sie trug. Sie zog einen Anzug von einem Kleiderständer und drehte sich um. Yamato fiel das Schild an ihrer Bluse auf, auf dem ihr Name stand. "Wie gefällt ihnen dieses Modell? Einfach und schlicht. Und dazu das passende Hemd. Sie drehte an einem Hemdenständer und zog ein Hemd vom Bügel. "Bitte. Dort hinten sind die Kabinen." "Danke." Er ließ sich von ihr die Sachen reichen. Unterm Gehen begutachtete er den Anzug und das Hemd. *Geschmack hat sie ja. Das muss man ihr lassen.* Der Stoff des Anzugs war einfach und in einem dunklem blau gehalten, das fast schon schwarz war. Auch das weiße Hemd mit dem breiten Kragen und den langen Ärmeln gefiel ihm. Fast wäre er in ein Mädchen hineingerannt, dass sich in einem Abendkleid vor einem Spiegel misstrauisch drehte.

"Oh! Entschuldigung!" "Macht doch nix." Matt betrachtete sie genauer. "Mizael?" "Hi Matt. Hab dich mit der Sonnenbrille gar nicht erkannt. Kaufst du dir einen Anzug?" Er nickte. "Du hast dir die Haare abschneiden lassen.", bemerkte Yamato unnötigerweise. Mizaels lange Haare waren einem frechen Kurzhaarschnitt gewichen. "Ja. Aber ich bin mir nicht sicher, ob 's gut aussieht..." Nervös fuhr das Mädchen sich durch die Haare. "Natürlich sieht das gut aus. Kaufst du dir ein Kleid?" "Nun ja... Irgendwie finde ich nichts passendes... Außerdem... er hat mich noch immer nicht gefragt." Sie seufzte und sah enttäuscht zu Boden. "Keine Sorge. Das wird schon noch." Matt lächelte sie aufmunternd an. Mizael sah genauso traurig aus, wie er sich fühlte. "Na komm. Ich probier nur das hier schnell an und dann suchen wir für dich eine passende Abendgarderobe." Yamato strich ihr die aufkommenden Tränen aus den Augen. "Danke, Matt." Überschwänglich fiel sie ihm um den Hals.

Zuerst wusste Matt nicht, wie ihm geschah, dann aber schloss auch er die Arme um ihren zierlichen Körper. "Du tust soviel für mich... Ich kann dir das sicher nie alles zurückzahlen.", schluchzte sie. "Hey, für was sind Freunde denn da? Jetzt hör auf zu weinen." Ein seltsames Klicken ließ Yamato aufhorchen. Durch seine blonden Haaren, die ihm strähnig ins Gesicht hingen sah er sich suchend um. Doch er konnte niemanden entdecken. Da! Schon wieder. Yamato wurde nervös. Wenn er etwas hasste, dann war es dieses hektischen Klicken, dass von den Fotoaperraten kam, welche die Reporter immer mit sich trugen. Mit sanfter Gewalt drückte er Mizael von sich weg. Ihre Augen waren noch immer tränenverhangen und er reichte ihr ein Taschentuch. Anscheinend hatte sie das Klicken nicht gehört. *Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein. Ich sollte dringend mal wieder durchschlafen. Diese ganze Geschichte bringt mich noch um den Verstand.* Und mit "dieser Geschichte" meinte er nichts anderes als die Briefe, die er und Taichi sich schrieben.

My Greatest Wish... - Mein Größter Wunsch...

Chapter 5: My Greatest Wish... – Mein Größter Wunsch…
 

Mit einer Pizza kehrte Taichi in sein Zimmer zurück. Im Vorbeigehen schaltete er seinen PC an. Seine Mom machte ihm nie Pizza zum Mittagessen, also war das schon eine kleine Besonderheit. Tai hing seinen trübseligen Gedanken nach und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Die Sonne blinzelte herein und in ihren goldenen Strahlen tanzten kleine Staubteilchen. Tai ließ seine Pizza stehen und öffnete das Fenster. Von fern hörte er den Verkehr auf den Highways. Die zwitschernden Vögel waren ein ziemlich krasser Gegensatz zum Verkehrslärm, fand Tai. Er nahm seinen Füller und seinen Schreibblock und stieg aus dem Fenster aufs Dach. Dort ließ er sich auf den von der Sonne gewärmten Schindeln nieder. Eine sanfte Brise wehte um seine Nase und spielte mit seinen Haaren. Tai klemmte seinen Füller an den Block und legte diesen so neben sich, dass er nicht hinunterrutschte.

Dann legte er sich ganz auf das Dach. Unter seinen Händen spürte er etwas Moos, das hier oben gewachsen war. Ohne hinzusehen tastete er es ab und versuchte dann behutsam es von den Schindeln zu lösen. Schließlich hielt Taichi ein kleines Moospölsterchen in seinen Händen. Er betrachtete es und hielt es gegen die Sonne. Das Moos schien grün zu leuchten und die Sonnenstrahlen brachen durch einige Lücken im Gewebe. Er betrachtete es noch einen Augenblick, dann warf er das Moos fort. In einem weitem Bogen segelte es durch die Luft und landete geräuschlos im Vorgarten. Tai setzte sich wieder auf und kratzte nun mit dem Fuß das Moos vom Dach, während er in den Himmel schaute. Ab und zu flogen Vögel vorbei, aber sonst war der Himmel bis auf ein paar Schleierwolken strahlend blau. Taichi nahm den Block wieder in die Hände und öffnete ihn. Die paar Zeilen, die er vorher geschrieben hatte, standen noch darin. Er seufzte, blätterte um und begann ein neues Gedicht. Dieses Mal überlegte er vorher, was er schreiben wollte.

Plötzlich hörte er, dass jemand in seinem Zimmer war. Tai hörte auf zu schreiben und horchte. *Wer ist das bloß? Ein Einbrecher? Aber was macht der um diese Uhrzeit hier? Ich dachte, die brechen nur nachts ein...* Er hörte Schritte. Dann sah er, dass sich Hände auf das Fensterbrett legten. Vorsichtig stand Tai auf. Dieser Einbrecher konnte was erleben! In der Nacht hätte Tai vielleicht Muffensausen bekommen, aber am helllichten Tag war er dann doch ganz schön wagemutig. Mit einem Satz sprang Tai vor das Fenster und schrie aus Leibeskräften, dass der Einbrecher sich gefälligst verziehen sollte! Doch anstatt eines Einbrechers schrie ein Mädchen, etwa in Tais Alter, vor Schreck auf und stolperte ins Zimmer zurück. "Wer...bist du?" Verwundert blickte Tai das Mädchen an. Zwei rebellische, helle Augen sahen ihn an, als sie ihren Blick hob. Anscheinend hatte sie ihn nicht verstanden. "Wer bist du?" wiederholte Tai. Unsicher antwortete sie: "Ich heiße Mizael. Und du?" "Ich bin Taichi." Noch immer misstrauisch beobachtete Tai, wie das Mädchen sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. "Sprichst du japanisch, Mizael?" Verwundert über diese Frage sah Mizael ihn an. "Hai", antwortete sie. "Warum fragst du? Wir sind doch in Japan. Weshalb sollte ich nicht japanisch sprechen?" *Hat die noch alle Tassen im Schrank?? In Japan?! Das ist doch blöd!* "Hör mal. Du befindest dich in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wie kommst du darauf in Japan zu sein?" "I...in Amerika??" Entsetzt ließ sich Mizael auf Taichis Bett fallen. "Verdammt! Ich hab mich doch verirrt! Verdammt, verdammt, verdammt!!"

Langsam hielt Tai dieses Mädchen, dass so plötzlich in seinem Zimmer aufgetaucht war, tatsächlich für verrückt. Anscheinend machte sich das auf seinem Gesicht bemerkbar. Schlagartig sprang Mizael vom Bett auf und sah betreten zu Boden. Da sah sie etwas am Boden liegen und hob es auf. Es war der Briefumschlag, in dem Yamatos Brief gewesen war. Sie drehte ihn in ihren Händen um den Absender zu lesen. Ihre Augen weiteten sich. "Oh mein Gott... oh mein großer Gott..." "Was? Fehlt dir was?" "D... du? Du bist Taichi Yagami?" "Ja. Wieso?" Mizael sah vom Brief zu Tai und wieder zurück.

"Das... das ist unmöglich...", flüsterte sie. Dann lächelte sie Tai an. Es war kein richtiges Lächeln. Vielmehr gewannen ihre Augen an Wärme und um ihre Lippen machte sich eine kleine Regung bemerkbar. Aber sonst sah sie aus, wie zuvor. Und Tai bekam sie auf einmal unnatürlich bekannt vor. "Kenn' ich dich irgendwoher?" "Nein, mich wahrscheinlich nicht. Aber jemanden, den ich kenne." Dabei huschte ihr Blick zu einem Poster von Matt, das zusammengefaltet auf dem Schreibtisch lag. Tai bemerkte es nicht. "Kann ich deinen Computer benutzen?" "Öh...ja klar." Tai wurde aus ihr einfach nicht schlau. Sie zog aus ihrer Hosentasche etwas, das wie ein Tamagotchi aussah und hielt es vor den Bildschirm. "Ich denke, wir sehen uns bald wieder, Taichi Yagami." Tais Augen weiteten sich. Was zum Teufel hatte dieses Mädchen vor? Sie murmelte irgendwas von einem Tor und sein Bildschirm und ihr Tamagotchi erstrahlten in so hellem Licht, dass Tai sich schützend den Arme vor sein Gesicht hielt. Dann war das Mädchen verschwunden. Und Tai hatte das Gefühl, dass das nicht die einzige Überraschung war, die ihm noch bevorstand.
 

Lieber Yamato,

ich hatte tatsächlich vor 2 Monaten einen Unfall. Ich wurde von einem Auto angefahren. Jedenfalls hat man mir das gesagt. Ich habe nämlich eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen. Inzwischen weiß ich wieder so ziemlich alles, aber was mit Japan zu tun hat ist aus meinem Gedächtnis verschwunden. Deshalb kann ich mich auch nicht an dich erinnern. Jedenfalls glaube ich das. Irgendwie habe ich nämlich das Gefühl, dich zu kennen. Ich weiß zwar nicht woher oder wie lange schon, aber irgendetwas sagt mir das.

Ich bemühe mich inzwischen, wieder japanisch zu lernen und mich an mein Leben dort zu erinnern. Für mich denke ich, wäre es deshalb auch sehr interessant, was du den ganzen Tag so machst.

So. Du wolltest etwas über meinen Tagesablauf wissen: an einem ganz normalen Durchschnittstag gehe ich in die Schule und mache Hausaufgaben, sobald ich nach Hause komme. Wenn ich dann noch Zeit habe, spiele ich Fußball. (Das ist das einzige von dem ich behaupten kann, dass ich wirklich gut darin bin.) Ansonsten... eigentlich ist mein Leben aufregend langweilig. Ich wundere mich darüber, was andere Leute so erzählen. Wenn ich da mich so ansehe... Irgendwie passiert mir nichts, über das ich groß etwas erzählen könnte. Ehrlich gesagt, scheint das aber im Moment auch keinen zu interessieren. Die meisten, die ich kenne reden entweder darüber, wessen Freundin am hübschesten ist, wo die nächste Party ist und wen sie dort abschleppen können. Na ja. Darüber wo die nächste Party ist, rede ich auch, aber das ewige Getue mit den Mädchen... Vielleicht liegt 's auch daran, dass ich, obwohl ich jetzt schon 16 bin, auf diesem Gebiet überhaupt keine Erfahrung hab. Das liegt mir anscheinend nicht.

Yamato, hast du einen Wunsch? Ich meine nicht so etwas wie: "Zu Weihnachten wünsche ich mir einen neuen Fernseher" oder etwas in der Art, sondern einen tiefen, sehnlichen Herzenswunsch. Hast du so einen? Gibt es etwas, das du als dein "Ziel" bezeichnen könntest? Oder etwas, an das du die ganze Zeit denken musst? Ich glaube, dass ich durch deinen Brief einen solchen Wunsch für mich gefunden habe. Ehrlich gesagt, ist es mir jetzt etwas peinlich, das zu schreiben. Nun ja... Ich komme mir reichlich unverschämt vor. Ich möchte ein Gedicht schreiben. Ein Gedicht, das du singst. Das ist mein sehnlichster Wunsch. Jedenfalls glaube ich. Denn da ist noch etwas in mir. Noch eine große Sehnsucht, die ich mir nicht erklären kann. Aber ich weiß nicht, was es ist. Manchmal überkommt es mich so stark, dass ich an nichts anderes mehr denken kann. Wenn ich doch nur herausfinden könnte, was es ist. Weißt du es vielleicht?

Ist es dir schon einmal passiert, dass du jemandem begegnet bist, der dir unnatürlich bekannt vorkommt? Als hättest du ihn schon irgendwo einmal gesehen. Mir ist es heute passiert. Ich habe einen Menschen getroffen, den ich wiedererkannte. Nur wusste ich nicht, woher. Na ja. Mir wird es schon wieder einfallen. Ich schreibe dir dann, wer es ist.

Ich habe deine alten Briefe wiedergefunden. Bitte schick mir auf keinen Fall Kopien von meinen Briefen. Ich will nicht wissen, was ich dir alles für einen Kram geschrieben habe.
 

In diesem Sinne...

Liebe Grüße,

Taichi
 

P.S.: Ich habe dir ein Foto von mir beigelegt, damit du weiß, wem du überhaupt schreibst. Es ist zwar nicht besonders aktuell... aber das ist ja egal. Ich würde mich auch über eines von dir freuen.


 

Als Yamato den Briefumschlag umdrehte, flatterte ein Foto heraus. Es drehte sich ein paar Mal, dann landete es mit der Vorderseite auf dem Boden. Mit klopfendem Herzen bückte Matt sich, hob das Bild auf und drehte es herum. Auf dem Bild war, wie nicht anders zu erwarten, Taichi. Seine Haare waren strubbeliger denn je und er grinste breit übers ganze Gesicht. Auf seinen Schultern saß ein kleines Mädchen, das fröhlich mit seiner Zuckerwatte winkte. Im Hintergrund konnte Yamato ein Riesenrad und einige Jahrmarktsbuden sehen. Matt zitterte. So sah er also nun aus. Taichi... sein Taichi... Vorsichtig strich Yamato über die Fotografie. "Taichi..."

Es läutete an der Tür. "Ja? Wer ist da? Die Tür ist offen!" "Ich bin 's, Shinji." "Komm nur rein!" Schweren Herzens legte Yamato das Foto und den Brief zur Seite und wischte sich verstohlen ein paar Tränen aus den Augen. "Was gibt es denn?" Er versuchte zu lächeln. "Nun ja..." Shinji druckste herum. "Ich hab da ein Problem über das ich mit dir reden wollte..." "Setz dich erst mal. Dann können wir reden. Möchtest du etwas trinken?" Matt brachte Shinji zur Couch. "Nein danke." Ihm gegenüber ließ Yamato sich im Sessel nieder. "Also. Um was geht's?"

"Na ja... bald ist doch der Ball vom Tanzkurs... Und nun... ähm..." "Du hast noch keine Partnerin?" "J...ja... also, ich meine... es gäbe schon jemanden den ich gern dorthin einladen würde, aber..." "Was aber?" *Ich hab 's doch gewusst! Shinji will mit Mizael hingehen und traut sich nicht, sie zu fragen!* "Nun ja... sie ist schon eingeladen worden." "Hat sie denn schon zugesagt?" "Weiß nicht..." "Hast du Angst, dass sie dir einen Korb gibt?" Ein zögerliches Nicken. Matt rollte mit den Augen und seufzte. "Vielleicht wartet sie ja nur darauf, dass du sie einlädst! Sonst hätte sie doch die Einladung bereits angenommen, oder?" "Meinst du...?" Ein kleiner Schimmer der Hoffnung flackerte in Shinjis Augen auf. "Ja klar! Aber wenn du sie aus lauter Schiss nicht fragst, wirst du 's nie rausfinden! Warum sitzt du eigentlich noch hier? Los! Hau ab und frag sie!" "Bist du dir wirklich sicher?" Yamato sah ihm in die Augen. "Hör zu: Wenn du zu feige bist, sie einzuladen... Soll `s ich für dich machen?" Matts Gegenüber schüttelte den Kopf. "Schön. Dann solltest du sie aber trotzdem demnächst fragen, weil der Ball bald ist. Das wird schon!" "Wenn du meinst..." "Sei doch ein bisschen optimistischer!" "Na gut. Ich geh dann wieder." "Ok." "Danke Yamato. Fürs Gespräch und so. Ich glaub wirklich, dass ich das hinkriegen könnte." Shinji stand auf und ging zur Tür. "Klar schaffst du das!" Zum Abschied hob Matt kurz die Hand, dann fiel die Tür ins Schloss.
 

*Gott, die haben Probleme...* Er seufzte. Manchmal fragte er sich, warum es sich manche Menschen so schwer machten. Sein Blick fiel wieder auf den Brief. Noch einmal überflog er ihn. *Mein größter Wunsch...?* Er lächelte. *Kannst du es dir nicht vorstellen, Taichi? Kannst du das denn nicht?* Yamatos Gedanken begaben sich auf eine Reise. Sie überquerten den Ozean. Er ließ sie wandern, soweit sie wollten. Doch Matt wusste, wo seine Gedanken landen würden... Yamato legte sich auf seine Couch und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf.

Ein Teil seiner Beine und seine Füße hingen in der Luft. Er schloss die Augen. Sein größter Wunsch erfüllte sich in seinem Traum. Er stand ihm gegenüber. Ihm, Taichi! Dieser blickte ihm in die Augen, als könnte er nicht glauben, wen er vor sich sah. Ganz langsam hob Tai seine Hand um ihn zu berühren, um sich zu vergewissern, dass Matt wirklich da war. Vorsichtig streckte Yamato seine Hand nach Taichi aus. Langsam näherten sich ihre Fingerspitzen, so als wäre der andere aus dünnem, zerbrechlichem Glas. Matt sah, wie sich Taichis Augen ungläubig weiteten, als sich ihre Hände behutsam trafen. Es war nicht mehr als eine unendlich sanfte und zärtliche Berührung ihrer Fingerspitzen, dennoch trieben sie Yamato die Tränen in die Augen. Wie zwei klare Gebirgsbäche liefen sie seine Wangen hinab und spiegelten das helle Licht, dass beide umgab. Tai begann ganz langsam zu lächeln. >Du bist wirklich da. Du bist es wirklich...<, flüsterte er. Seine Stimme erfüllte den ganzen Raum. Sie schien von überall her zu kommen. Matt hörte sie um sich herum und tief in sich drin. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl überkam ihn. Der Tränenstrom wollte nicht versiegen. Viel zu lange hatte er nicht mehr geweint... Dennoch nickte Yamato. Plötzlich spürte er Tais Hand an seiner Wange und fühlte, wie er seine Tränen wegstrich. >Ich hab mich so nach dir gesehnt, Yama...< Matt spürte, wie Taichi ihn in seine Arme zog. Dann versank er endgültig in seinem Traum. Tränen liefen über seine Wangen, als er um kurz nach 2 Uhr auf seiner Couch lag und sich sein größter Wunsch in seinen Träumen erfüllte und er dabei einschlief.
 

Es läutete. Mizael sah von ihrem Buch auf. *Wer kommt denn ausgerechnet zu mir? Ich muss mich verhört haben...* Sie vertiefte sich wieder in ihrem Buch. Neben ihr lag auf der Couch eine große Schachtel. Mizael lächelte. Mit Yamato hatte sie dieses wunderschöne Ballkleid gekauft. Am liebsten würde sie es anziehen und den ganzen Tag darin herumlaufen. Sie fühlte sich in diesem Kleid wie eine Prinzessin. Es läutete erneut. *Anscheinend will doch jemand zu mir.* Verwundert stand sie auf und öffnete die Tür. "Ja?" "Hallo Mizael." Shinji stand vor ihrer Tür! "H...hi. Komm doch rein." "Danke." Bisher hatte sie noch nie jemand besucht! Und jetzt kam ausgerechnet Shinji zu ihr. "Die sind für dich." Shinji drückte ihr mit hochrotem Kopf einen Blumenstrauß in die Hände. "Ähm... vielen Dank. HATSCHI!" "Wirst du krank Mizael? Fehlt dir was?" "Nein, nein. Ich hab eine leichte Allergie gegenüber Blumen. HATSCHI! Ich stell sie schnell ins Wasser. Setz dich doch schon mal ins Wohnzimmer. Möchtest du etwas trinken? HATSCHI!" "Nein, aber danke. Kann ich dir helfen?" Unsicher betrat Shinji Mizaels Wohnzimmer. "Nein... HATSCHI! Geht schon..."

Mit Taschentüchern bewaffnet und dem Blumenstrauß kam Mizael ins Wohnzimmer. "Du spinnst, Shinji. Kaufst mir mitten im tiefsten Winter Blumen! Die kosten doch um die Jahreszeit ein Schweinegeld! Vielen Dank." Es war das erste Mal, das Shinji Mizael richtig glücklich lächeln sah. Aber es dauerte nur einen kurzen Moment an, dann war es wieder vorbei. "Nun ja... es geht." Shinji grinste nervös. Er spürte, wie schnell sein Herz schlug als er Mizael ansah. "Was willst du eigentlich bei mir?" *Er...er will doch nicht etwa...? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen... er hat sicherlich schon jemanden...* Mizael setzte sich neben Shinji auf die Couch. "Also?" "Ähm... ja... also es ist doch morgen Schulball... Und nun ja... ich ähm... ich weiß, dass dich schon jemand gefragt hat, aber ich... ich wollte trotzdem fragen... ob du... nur wenn du auch willst... eventuell mit mir..."

Nervös knetete Shinji seine Finger und starrte verlegen auf seine Knie. "Ob ich mit dir auf den Ball gehe??" Shinjis Kopf ruckte. Mizael identifizierte das als ein Nicken. "Liebend gern, Shinji..." "Ehrlich?" "Ja... Aber ich weiß nicht, ob du es ernst meinst..." Mizael sah zur Decke hinauf. "Schon so viele Menschen haben mich belogen... Meine Eltern, Freunde..." "Ich belüge dich nicht." Schüchtern versuchte Shinji seinen Arm um sie zu legen. "Und warum sollte ich dir glauben? Woher weiß ich, dass du mich nicht auch belügst?" Tränen schimmerten in Mizaels Augen. Es war das allererste Mal, dass Shinji einen derartigen Gefühlsausbruch bei Mizael erlebte. "Warum solltest du mir nicht glauben? Habe ich dich je belogen? Hm?" "Shinji..." Mizael ließ sich in seine Arme sinken. Vorsichtig zog Shinji sie näher an sich heran und strich ihr über den Kopf. "Shinji? Ich freu mich auf morgen..." "Ich mich auch. Ich hol´ dich um sieben ab."

"Ok." *Oh Gott… Er hat mich wirklich gefragt! Matt hatte Recht gehabt! Matt... mit wem geht er wohl zum Ball?* "Shinji? Mit wem geht eigentlich Yamato zum Ball?" "Weiß nicht... wie kommst du darauf?" Mizael befreite sich aus Shinjis Armen. "Nun ja... Er hat mir sehr geholfen. Ohne ihn würde ich wahrscheinlich nicht mit dir zum Ball gehen. Deshalb. Er tut mir so leid. Er wartet noch immer darauf, dass er seinen Taichi wiedersieht und denkt, dass es unmöglich ist ihn zu treffen." "Wie meinst du das? Denkst du, es gibt einen Weg diesen Taichi hierher zu bekommen? Aber das ist doch unmöglich! Wie willst du das anstellen?" "Das lass Mal meine Sorge sein. Denkst du, Matt würde sich freuen, wenn Taichi morgen zum Ball kommt?" Ungläubig sah Shinji in ihre Augen. *Was hat sie denn vor? Wie will sie diesen Taichi bis morgen von Amerika hierher bringen?* "Nun ja... ich denke er würde ausflippen vor Freude. Ich denke, es ist das, was er sich am meisten wünscht. Glaubst du nicht auch?" "Ja genau. Ähm... Hast du was dagegen, wenn wir morgen mit Taichi Yagami aus Amerika zum Schulball gehen?"
 

Lieber Taichi,

ich habe über deine Frage nachgedacht. Also über meinen größten Wunsch. Ich musste gar nicht lange überlegen, was es ist. Ich wünsche mir ein Wiedersehen mit der Person, die mir am meisten bedeutet. Das ist meine große Sehnsucht. Und so eine ist es wirklich. Es ist mir unmöglich, die Person wiederzutreffen. Sie hat mich längst vergessen. Wenn ich diesem Menschen auf der Straße begegnen würde, würde er mich vermutlich erkennen. Aber er würde sich nicht an das erinnern, was wir gemeinsam erlebt und gefühlt hatten. Deshalb ist es unmöglich. Glaub mir, ich grüble jede Nacht darüber nach, mir meinen Wunsch zu erfüllen. Aber wie ich es auch drehe und wende... es ist und bleibt unmöglich. Wenn ich früher den Mut gehabt hätte, den ersten Schritt zu tun, wäre es vielleicht möglich gewesen. Aber ich war zu feige dazu. Und jetzt ist es vorbei. Versprich mir, Tai, dass du niemals feige davonlaufen wirst, wie ich es getan habe. Bitte versprich es mir!

Schick mir dein Gedicht sobald es fertig ist. Ich brenne förmlich darauf, ein Lied dazu zu schreiben. Irgendwie hab ich es im Gefühl, dass es wunderbar werden wird!

Ich hab mich total über dein Foto gefreut. Ich werde es neben mein Bett stellen und beim Einschlafen an dich denken. Deine Augen strahlen so viel Wärme und Gefühl aus, dass man sich darin verlieren könnte. Ich habe in den Umschlag ein Bild von mir hineingelegt. Es ist ein reines Privatbild. Keines von denen, die in den Illustrierten sind. Meine Freunde haben es geschossen. Sie haben sich hinterrücks angeschlichen. Das Bild ist mir ein bisschen peinlich, aber es ist das aktuellste, das ich im Moment habe.

Hmm... du wolltest etwas zu meinem Tagesablauf wissen... das ist ziemlich kompliziert, weil es bei mir eigentlich keine "normalen" Tage gibt. Also eigentlich geh ich auch zur Schule und mache nachmittags Hausaufgaben, wenn ich nicht Bandprobe habe. Durch die ganzen Konzerte und so weiter treffe ich mich zweimal die Woche mit Leuten aus der Schule um den Stoff nachzuholen. Im Moment mache ich dann von der Schule aus sogar einen Tanzkurs! Ich hab mich doch tatsächlich dazu überreden lassen! Aber ich glaube, dass das Mädchen eine schlechte Wahl mit mir getroffen hat. Gerade mal, dass ich mir ihren Namen merken kann. Ich habe das Gefühl, dass ich sie ausnutze. Meinst du, ob ich ihr dafür einen Blumenstrauß schenken soll?

Wann hast du in Amerika eigentlich Ferien? Nur mal so eine Frage. Ich habe seit heute Ferien. Wenn man das als Ferien bezeichnen könnte. Gerade mal eine Woche hab ich frei. Alles andere wird Bandprobe und Nachlernen. Nun ja, ich hör auf damit. Sicherlich langweilt dich das.

Weißt du, dass ich die ganze Zeit so weiterschreiben könnte? Der Brief wird wieder ewig lang... Ich genieße es richtig, dir zu schreiben. Es tut gut, einfach mal jemandem zu erzählen. Geht’s dir genauso? Ich rede sonst recht wenig mit den Leuten um mich herum. Ich habe das Gefühl, ich langweile sie. Langweile ich dich?? Wenn ja, sag 's bitte, sonst komme ich mir blöd vor. Du kannst mir auch alles schreiben, was du willst. Ich werde alle deine Briefe lesen und beantworten. Versprochen! Ich kenne das nämlich. Wenn niemand einem zuhört und man nicht weiß, wohin mit den ganzen Worten in einem drin. Ich denke, dass das mein Problem früher war. Ich bin richtig jähzornig gewesen. Gott sei Dank ist das nun vorbei.
 

Ich glaube, der Brief ist jetzt schon lang genug.

Also,

tschüß,

Yamato


 

Tai saß mit unterschlagenen Beinen auf seinem Bett und las Yamatos Brief. Mitten in der Nacht war Taichi aufgewacht und hatte den Brief nun wohl zum x ten Mal gelesen. *Irgendwie trostlos...* Als Tai zum Fenster blickte, sah er sein Spiegelbild, dass sich durchscheinende über die nächtliche Welt legte. Er seufzte. Irgendwas musste sich ändern. So konnte es nicht weiter gehen. Er wusste zwar nicht so genau, was zu ändern war, aber die derzeitige Situation machte Taichi irgendwie fertig. *Vielleicht hätte ich doch mit Mom, Dad und Kari auf 's Land fahren sollen, anstatt hier Trübsal zu blasen... Aber jetzt ist es auch nicht mehr zu ändern.* Taichi betrachte erneut das Bild von Yamato. *Er kommt mir so verdammt bekannt vor... ARGH!!! Es raubt mir noch den letzten Nerv!!* Taichi raufte sich die Haare.

Er saß nun schon insgesamt 2 geschlagene Stunden vor diesem Foto und ihm fiel einfach nicht ein, warum ihm Yamato darauf so verdammt bekannt vorkam. Überhaupt glaubte er, die Situation auf der Fotographie schon einmal erlebt hatte. Matt saß an einem Keyboard und spielte. An und für sich nichts besonderes, aber so wie er dort saß und seine Finger die Tasten berührten, glaubte Taichi fast die Musik zu hören, die Yamato spielte. Auf Matts Gesicht lag ein entspannter Gesichtsausdruck und seine Lippen umspielte ein verträumtes Lächeln. *Wieso nur?? Es ist zum Verrücktwerden!* Taichi kannte diese Szene doch! Nur woher? Frustriert strecke Taichi sich auf seinem Bett aus. Sein Blick huschte zur Leuchtanzeige seines Weckers. Die aggressiv rot leuchtenden Ziffern sagten ihm, dass es schon nach 3 Uhr war. Tai seufzte. *Dann denke ich morgen weiter drüber nach.* Er gähnte und kuschelte sich in seine Bettdecke. Gerade als er ins Schlummerland glitt, hörte er, wie sein PC komische Geräusche von sich gab. Eigentlich waren sie gar nicht komisch. Es war das ganz normale Summen und brummen, das er von sich gab, wenn er hinaufgefahren wurde. Aber Taichi konnte sich nicht daran erinnern, dass er ihn eingeschaltet hätte! Der Bildschirm flammte hell und blendend auf und sein Licht tauchte Tais Zimmer in kaltes weißes Licht.

Plötzlich erschien im Bildschirm eine kleine Gestalt, die auf ihn zukam und dabei immer größer zu werden schien. Tai kniff seine Augen zusammen um besser sehen zu können. *Das bilde ich mir sicher nur alles ein. So etwas ist doch unmöglich!* Das Licht der Gestalt wurde schwächer und verlosch schließlich ganz. Das seltsame Mädchen erschien wieder. "Hallo Taichi" "H...hi... was machst du denn hier? Und das mitten in der Nacht!" Erstaunt blickte das Mädchen durch das Fenster nach draußen. "Shit! Ich hab den Zeitunterschied ganz vergessen! Das passiert auch immer mir!" Ärgerlich drehte sie sich zum PC um. "Daran muss ich das nächste Mal unbedingt denken!" "Ähm... entschuldige, aber, was zum Geier machst du mitten in der Nacht in meinem Zimmer?? Und wer bist du überhaupt?" Taichi tippte sie an der Schulter an. Etwas verwirrt drehte sie sich um. "Oh... ähm... ich bin ähm... Mizael! Und ich will mich bei jemandem revanchieren, der mir sehr, sehr viel geholfen hat." Taichi hob misstrauisch eine Augenbraue. "Und was hat das bitteschön mit mir zu tun?" "Einfach alles! Weil du der größte Wunsch dieses Menschen bist. Er denkt, dass es unmöglich ist, seinen Wunsch zu erfüllen." "Unmöglich? Aber warum?" "Weil, weil... ach, einfach wegen allem! Aber jetzt, jetzt habe ich die Gelegenheit ihm seinen Wunsch zu erfüllen." Mizael lächelte. Taichi traute ihr nicht so ganz über den Weg. Was wollte dieses Mädchen mitten in der Nacht von ihm? Um was handelte es sich bei diesem "größten Wunsch"?? Und um wen ging es denn überhaupt?

"Was bedeutet das eigentlich alles?" "Du wirst es schon noch verstehen, Taichi. Ich komme morgen um dieselbe Zeit wieder. Hast du einen Anzug??" "Häh?" Taichi runzelte die Stirn. Wieso brauchte er jetzt plötzlich einen Anzug? Was war denn eigentlich los? Irgendwie fühlte er sich über den Tisch gezogen. "Ob du einen Anzug hast!" Eindringlich sah Mizael ihn an. Tai wusste, dass sie alles daran setzen würde, ihren Plan in die Tat umzusetzen. "Ähm ja. Hab ich." "Schön. Ich werde kommen und dich abholen. Ich muss jetzt gehen. Bis morgen Nacht! Um die gleiche Zeit wie jetzt!" Sie murmelte wieder irgendwas und der Bildschirm hüllte sie in sein weißes Licht. "Und wohin gehen wir dann?"

Taichi konnte ihr entferntes "Auf einen Ball!" vernehmen, dann war alles wieder still. Nur der laufende PC zeugte noch davon, was soeben geschehen war. Taichi konnte es kaum glauben. *Unfassbar! Was wollte die von mir? Mizael? Irgendwoher ist mir dieser Name bekannt...Wer könnte dieser jemand sein, dem sie einen Wunsch erfüllen will??* Er zog die Decke über sich und grübelte über das Erlebte nach. Fragen nach dem was, wer und warum quälten ihn. Dennoch schlief er nach kurzer Zeit mit einer unbestimmten Ahnung ein.

I'm Dreaming, Don't I...? - Ich Träume, Oder...?

Chapter 6: I´m Dreaming, Don´t I…? – Ich Träume, Oder…?
 

*Seltsam... wo bin ich?* Nachdenklich durchquerte Tai den Raum in dem er sich befand. Er kam ihm bekannt vor, aber trotzdem wusste er nicht woher. "Hallo?" Seine Stimme widerhallte unwirklich an den Wänden. Es war helllichter Tag, die Sonnenstrahlen malten Muster auf den Teppichboden. Plötzlich hörte Tai eine zarte, leise Musik. Er folgte ihr. Dabei fiel ihm auf, dass alles um ihn herum plötzlich größer war, als er es gewohnt war. Und als er an einem Spiegel vorbeikam, erkannte er auch warum. Er war um fast 4 Jahre jünger geworden! Ein zwölfjähriger Taichi sah ihm aus dem Spiegelglas ungläubig entgegen. *Seltsam...* Taichi ging der Musik weiter nach. Sie kam ihm bekannt vor. Irgendwoher wusste er auch, wie er zu gehen hatte, um dorthin zu gelangen, woher die Musik stammte. Und er ahnte dumpf, was ihn erwartete. Er konnte den Gedanken nicht vollständig greifen, aber er war keineswegs überrascht über den Anblick des blonden Jungen, der am Klavier saß und die Welt um sich herum vergessend spielte. *Yamato...*

Der Junge begann zu altern und wurde plötzlich zum 16-jährigen. Seine Haare wurden länger und bedeckten die blasse Haut seines Nackens. Schließlich erstarrte das Bild zu der Szene auf Tais Foto. Die letzten Töne der Melodie verklangen und das Bild begann zu verblassen. "Yamato! YAMATO!"

Taichi schreckte hoch. Er hatte Mühe Luft zu bekommen und sein Herz raste. *Was war das nur? So ein seltsamer Traum...* "Yamato... Matt... Ich wusste es! Ich kenne ihn. Verdammt!" Wieder einmal entglitt ihm die Erinnerung an seine Vergangenheit.

"Verdammt! Wieso geht es nicht?? Warum nur?" Plötzlich hatte Tai das Gefühl vollkommen allein zu sein. Und, er war es auch. Niemand war da, der seine Tränen und seine Verzweiflung sah. Niemand, der tröstend seine Arme um ihn legte und das Feuer des Zorns in ihm löschte. Niemand der ihm über sein eigenes Versagen hinweg half. "Verdammt, verdammt, verdammt..." Doch es war niemand da, der es hörte. Keine Eltern, keine Schwester, keine Freunde, keine Aiko und... kein Yamato. *Wieso sollte er hier sein? Warum kommt es mir so vor, als müsste er hier sein. Warum ausgerechnet er? Warum nicht jemand anderes?* Taichi hatte das Gefühl unter all diesen Fragen und der Einsamkeit zusammenzubrechen. Tai spürte förmlich körperlich wie ihn alles um ihn herum zu erdrücken schien. Hilfesuchend irrten seine Augen umher. Sie suchten einen Ort. Irgendeinen Ort, wo Taichi sich festhalten konnte. Ein Ort, wo Taichi seine Sorgen wie ein altes Hemd abstreifen und hinter sich lassen konnte.

Sein Blick fiel auf die Fotographie, die vergessen auf dem Boden lag. Sie zeigte Yamato, der in einem Traum versunken auf einem Klavier spielte. Taichi hangelte nach ihr und betrachtete sie wieder. Das Foto gab ihm wieder Kraft. Er wusste ganz genau, dass er sich erinnert hatte. Er wusste es, so einfach war das. Und er würde sich an mehr erinnern, dessen war Taichi sich sicher! Es musste nur einfach weitergehen. "Argh! Taichi du bist ein Trauerkloß! Hör auf, dich selbst zu bemitleiden und such jetzt endlich einen Anzug für den Ball! Los! Steh auf oder willst du den ganzen Tag im Bett verbringen??" Irgendwie war es Taichi, als hätte er so etwas schon einmal gehört. Eine vertraute kleine Stichelei, wie unter Freunden. Mit einem Lächeln auf den Lippen stand Taichi auf und ging ins Bad.
 

Yamato wachte auf, als das Telefon klingelte. Verschlafen stieg er aus dem Bett und tapste zum Telefon. "Moshi moshi?" "Guten Morgen Yamato!" "Guten Morgen Mizael. Was gibt´s?" "Ich wollt´ dir nur erzählen, dass ich jetzt mit Shinji zum Ball gehe! Er hat mich wirklich gefragt! Du hattest recht. Ich kann es kaum glauben! Ich danke dir so sehr." "Jaja. Schon okay. Sonst noch was?" *Muss sie denn schon so früh anrufen??* Yamato gähnte. "Ich habe eine Überraschung für dich." "Für mich? Was ist es?" "Wirst du schon sehen. Ich nehm´ die Überraschung auf den Ball mit. Ich bin schon auf deine Reaktion gespannt. Du musst mir versprechen, dass du mich nicht fragst, wie ich’s angestellt habe, okay?" "Jaja... schon gut. Was ist es?? Du hast mich neugierig gemacht." "Hmmm... das erfährst du noch früh genug. Aber du wirst nie und nimmer damit rechnen." "Du bist fies.", bemerkte Matt trocken. "Das weiß ich. Also, bis heute Abend! Ciao!" Dann hörte Yamato nur noch ein leises Tuten aus dem Hörer. *Hm… etwas mit dem ich auf keinen Fall rechne. Da bin ich ja mal gespannt... was könnte es wohl sein...? Naja. Auch egal. Ich geh wieder ins Bett.*

Yamato schlurfte ins Schlafzimmer zurück und ließ sich ins Bett sinken. *Aah... ist das gemütlich!* Er räkelte sich noch etwas im Bett bis... das Telefon erneut klingelte. "Bitte nicht... das ist unfair. Nicht schon wieder. Es ruft doch sonst keiner an... Warum ausgerechnet jetzt?" Ergeben nahm Yamato den Hörer ab. "Moshi, moshi?" "Hallo Matt!" "Ich weiß es schon Shinji. Ich weiß, dass du Mizael gefragt hast, ob sie mit dir zum Ball geht und sie zugesagt hat und ich weiß von der Überraschung. Es ist etwas, mit dem ich überhaupt nicht rechne und ich beim Ball erhalte. Ich geh wieder ins Bett. Gute Nacht." Matt knallte den Hörer auf das Telefon und ging wieder ins Bett. *Wenn ich eins hasse, dann sind es frühmorgendliche Anrufer. ARGH! Und um noch mal zu schlafen ist es inzwischen auch schon zu spät. Ich hasse es, ich hasse es, ich hasse es!*
 

Nervös blickte Taichi auf seine Uhr. Kurz vor 3 Uhr morgens. In Gedanken ging er noch einmal alles durch. Er hatte abgeschlossen, alle Fenster waren verriegelt. Er hatte den Anrufbeantworter eingeschaltet und alle Geräte abgeschaltet. Eigentlich konnte es ja losgehen! Trotzdem musste er wohl schlafen und träumen. Wozu sollte er so etwas verrücktes tun? Da stand er mitten in der Nacht um drei Uhr morgens im Anzug in seinem Zimmer und wartete darauf, dass sein PC sich von selbst hochfuhr. Er betrachtete das Foto von Matt noch einmal und las den Brief schon wieder durch. Beiläufig schob er die beiden Dinge in die Tasche seiner Hose. Dann fiel sein Blick auf seine Schreibmappe. Entschlossen riss Taichi das Blatt mit seinem Gedicht heraus und schob es zum Brief und dem Foto. Dann knipste er das Licht aus.

Plötzlich schaltete sein PC sich ein und der Bildschirm flammte auf. Mizael tauchte vor ihm auf. "Hallo Taichi." "Hi." "Hast du alles?" "Ja, ich denke schon." "Gut. Dann kann es eigentlich losgehen. Du musst mir versprechen von alldem nichts zu erzählen, okay? Du sagst, dass du auf einem Kurztrip bist, ja?" "Okay. Was genau hast du eigentlich vor mit mir? Wohin gehen wir eigentlich?" "Ich werde dir eine Augenbinde umlegen und dann werden wir auf dem schnellsten Weg zu mir nach Hause reisen." Fragend sah Tai sie an. "Zu dir? Wo ist das?" Diese Antwort blieb Mizael ihm schuldig.

Sie verband ihm die Augen und nahm ihn bei der Hand. "Halt dich gut fest. Lass mich auf keinen Fall los!" Obwohl Tai direkt neben Mizael stand, verstand er wieder nicht, was sie danach sagte. Auf jeden Fall war er kurz darauf irgendwo anders. Er spürte, wie die Sonne auf seine Haut schien und der Wind seine strubbeligen Haare bewegte. Mizael zog ihn irgendwo hinauf und als Tai sich daran festklammerte, war er sich fast sicher, dass er Federn in seinen Händen hielt. "Birdramon! Auf geht ´s! So schnell wie möglich nach Hause." *Wir werden doch jetzt nicht etwa fliegen?? Nein, bitte nicht. Sicher schlafe ich noch! Bitte lass mich noch schlafen! Bitte lass alles ein Traum sein...* "Halt dich gut fest, Taichi, sonst fällst du noch hinunter." Jetzt klammerte Tai sich fast in das weiche Federkleid unter ihm. Er war froh, nichts sehen zu können. Er machte sich auch so schon vor Angst fast in die Hosen, auch wenn er das niemals zugegeben hätte. Er war so beschäftigt sich festzuhalten und Angst zu haben, dass er nicht merkte, wie die Zeit verflog. *Hoffentlich ist dieser Traum bald vorbei...* "Taichi, du kannst jetzt loslassen. Komm, lass uns gehen."

Sie zog Taichi von dem riesigen, fliegenden Etwas mit Federn weg. Dann murmelte sie erneut etwas, das Tai nicht verstand und Tai merkte sofort, dass sie wieder irgendwo innen drin waren, denn das Sonnenlicht und der Wind waren verschwunden. Schließlich nahm Mizael ihm die Augenbinde ab. "Willkommen in Tokio, Taichi." "Ich bin WO??" "In Tokio." "Willst du mich verarschen?" "Nein, sicher nicht. Sieh doch aus dem Fenster, wenn du mir nicht glaubst. Denkst du, dass es so in deinem Vorstadtort in Amerika aussieht?" Sie zog die Vorhänge eines Fensters beiseite und unter Tais Augen erstreckte sich die abendliche Hauptstadt Japans. "Aber... aber das... das ist doch unmöglich..." "Genauso unmöglich, von Amerika nach Japan in nur einer Stunde zu reisen? Es mag dir unmöglich erscheinen, aber dennoch ist es so. Es ist jetzt 6 Uhr. Ich muss mich umziehen. Shinji holt uns in einer Stunde ab. Du kannst dir aus der Küche etwas zu trinken und zu essen holen, wenn du möchtest." Dann verschwand Mizael hinter einer Tür, die anscheinend zum Badezimmer führte. *Wer zum Geier ist Shinji?* Tai seufzte. Schließlich fand er nach einigem Suchen die Küche und den Kühlschrank. "Wenigstens etwas..." Wahllos griff er hinein und setzte sich damit an den Küchentisch. Schlemmend bemerkte er die Bilder an der Wand. Sie zeigten immer eine Gruppe Jugendlicher. Zuerst beachtete Tai sie nicht weiter doch dann, als er die Küche eingehend gemustert hatte, stand er auf um die Fotos zu betrachten. *Mizael und... und Yamato? Was zum Kuckuck...?*

"Gefallen sie dir?" "Du... du kennst Yamato?" "Ja. Wer kennt ihn nicht?" "Das meine ich nicht. Auf jedem dieser Bilder ist er zu sehen. Und du und diese beiden." Taichi deutete auf die Bilder. "Natürlich. Wir gehören zusammen." "Dann bist du...also..." "Ja. Ich bin die Drummerin. Und Yamato ist die Person, für die du heute die Überraschung bist." "Yamato... ich hab ihn seit... über 2 Jahren nicht mehr gesehen. Wie... wie geht ´s ihm? Wie habt ihr von mir erfahren?" Traurig sah Mizael ihn an. "Soll ich ehrlich sein?" Tai nickte. "Es geht ihm nicht besonders gut. Jedenfalls sehe ich das so. Die anderen haben es noch nicht bemerkt, aber langsam aber sicher richtet er sich zu Grunde." "Aber warum nur?" Sorgenfalten bildeten sich in Tais Gesicht. "Das glaube ich, sollte er dir selbst sagen. Er hat uns von dir erzählt, nicht viel, aber genug, dass ich dich erkannt habe, als ich mich in dein Zimmer verirrte. Ich weiß, was am Flugplatz passiert ist und so weiter. Ich bin so glücklich, dass du mitgekommen bist. Ich hätte nicht gewusst, was ich hätte tun sollen. Vielen Dank." "Kei...keine Ursache. Aber... was ist am Flugplatz passiert?" Mizael stutzte. "Das... das weißt du nicht?" "Nein, tut mir leid. Ich hatte einen Unfall und eine Gehirnerschütterung. Bis vor kurzem wusste ich noch nicht einmal mehr, dass ich 14 Jahre lang in Japan gelebt habe. Und an Matt kann ich mich kaum noch erinnern." "Oh mein Gott... was mach ich denn jetzt?" Mizael schlug die Hände vor ihr Gesicht. Was wäre, wenn Tai Yamato überhaupt nicht erkannte? Was, wenn er sich an nichts mehr erinnerte? Wie würde Matt das aufnehmen? Diese und noch viele weitere Fragen schwirrten in Mizaels Kopf, als es an der Tür klingelte.

"Hallo Shinji." "Hi." Shinji fielen fast die Augen aus dem Kopf. Mizael trug ein einfaches, enganliegendes rotes Kleid. Sie war ganz dezent geschminkt und in ihren Haaren schimmerten kleine mit Strasssteinen besetzte Spangen. "Wir haben ein Problem. Taichi sagt, dass er sich an fast gar nichts mehr erinnern kann. Was machen wir jetzt nur?" "Keine Panik. Wir machen weiter, wie bisher. Sein Gedächtnis kommt sicher zurück." "Hallo. Bist du Shinji?" Tai trat aus der Küche. "Ja. Du musst Taichi Yagami sein. Freut mich." "Ja. Mich auch. Mizael hat gesagt, ich würde Matt treffen. Stimmt das?" "Ja. Woher kennst du Yamatos Spitznamen?" "Weiß nicht... ich glaube, dass ich mich langsam wieder an alles erinnern kann. Gehen wir dann?" "Ja. Lasst uns gehen." Mizael seufzte. Irgendwie lief alles aus dem Ruder. Sie schloss die Tür ihrer Wohnung ab und zu dritt gingen sie zur U-Bahn.
 

Yamato betrachtete sich im Spiegel. Es war irgendwie ungewohnt, einen Anzug zu tragen. *Hoffentlich kann ich darin überhaupt spielen... Naja. Es muss gehen. Mizael spielt ja auch in ihrem Kleid. Auch wenn ich mich frage, wie sie das anstellen will...* Seine Uhr piepste. "Los geht´s." Lässig fuhr Matt sich noch einmal durch seine blonden Haare, dann schloss er die Tür hinter sich ab und machte sich auf den Weg zur Schule, wo er sich mit seinen Freunden um acht Uhr treffen wollte. *Jetzt bin wirklich mal gespannt. Was könnte die Überraschung nur sein...? Ich glaube, ich hätte doch eine Jacke anziehen sollen... Es ist arschkalt...* Er zog sein Jackett enger um die Schultern, dann setzte er seinen Weg fort. Er wollte schließlich nicht zu spät kommen.

Von weitem sah er bereits Mizael und Shinji aus der U-Bahn Station kommen. *Wen haben sie denn da dabei?* Die Shilouette des Jungen kam ihm bekannt vor. Der gemächliche Gang und die Frisur! Die Art wie er sich bewegte... *Das ist doch unmöglich!* Matt begann zu laufen. "Hey! Mizael! Shinji! Wartet auf mich!" Die kleine Gruppe hielt an und Mizael drehte sich um und winkte. "Hallo Yamato! Beeil dich!" *Ich renn´ doch schon wie der Teufel! Kann es wirklich sein? Nein, es ist unmöglich! Es kann unmöglich Tai sein... Unmöglich! Du träumst, Yamato!*

Im Halbdunkel kam Matt keuchend vor Shinji und Mizael zum Stehen. Die dritte Person hielt sich weiterhin im Hintergrund. "Hi!" "Du bist ja gerannt als wäre jemand hinter dir her. Respekt!" Shinji klopfte ihm auf die Schulter. "Ja ja. Danke. So. Jetzt geht ´s wieder." "Matt?" "Hm?" Yamato wandte sich Mizael zu. "Wie du ja weißt, haben wir heute eine Überraschung für dich." Sie lächelte. "Ich und Shinji möchten uns bei dir für alles bedanken, was du für uns getan hast. Wir wissen, dass wir dir ziemlich auf die Nerven gingen und so. Nun ja... ist ja jetzt egal. Auf alle Fälle hoffen wir, dass dich unsere Überraschung freut." Mizael ging einen Schritt zur Seite und umgriff Shinjis Hand. "Lass uns hineingehen. Mir ist kalt." "Hmhm. Ciao ihr beiden. Bis dann." Aufmunternd klopfte Shinji Yamato erneut auf die Schulter, dann verschwand er mit Mizael in der Schule.

To See You Again... - Dich Wiederzusehen...

Chapter 7: To See You Again... – Dich Wiederzusehen…
 

"Ha…hallo Matt…" *Das ist unmöglich! Ich träume! Ich muss ganz einfach träumen!!* "T...Tai?" "Ja. So heiß ich." Tai grinste. Er war sichtlich nervös. Zum ersten Mal in seinem Leben wusste er nicht, was er sagen sollte. "Ich fass´ es nicht! Tai!" Yamato fiel ihm um den Hals "Ich hab´ dich so sehr vermisst, Taichi…" Tai´s Herzschlag beschleunigte sich, sein Atem begann zu rasen und er konnte plötzlich nicht mehr klar denken. Irgendwie... kannte er dieses Gefühl in Matts Nähe. Er schlang die Arme um ihn. "Du hast mir auch gefehlt, Matt." Lange Zeit blieben sie einfach nur so stehen. Es tat gut, den anderen wieder zu spüren und sicher zu sein, dass jemand da war, der einen festhielt. "Wo kommst du nur so plötzlich her? Wie hast du das nur gemacht?" Yamato drückte Tai ein Stück von sich weg. "Ähm... ich... ähm... mache so etwas wie einen Kurztrip." Taichi lächelte. Er konnte es kaum glauben. Er stand ihm gegenüber. Ihm, den er, so erschien es Tai, schon ewig kannte und ihm doch so fremd war. In seinen saphirblauen Augen glitzerten kleine Tränen. "Hey, warum heulst du denn, Matt?" "Ich heul doch gar nicht! Du bist doch der, der weint." Erst jetzt bemerkte Taichi, dass ihm Tränen über die Wangen flossen. *Wieso... wieso weine ich? Ich... ich kann gar nicht mehr damit aufhören...* Trotzig wischte Tai sie von seinem Gesicht. "Ich freu mich so, dich wieder zusehen. Auch wenn ich mich an fast nichts mehr erinnern kann. Ich spüre, dass du mir sehr viel bedeutest, aber nicht genau..." Taichi brach ab. Yamato strahlte ihn so an, dass es ihm die Sprache verschlug. "Ist doch egal. Hauptsache, du bist wieder da! Ich dachte, ich sehe dich niemals wieder! Ich kann's noch immer nicht glauben! Das ist so was von... von..." "Unmöglich?" "Genau... es ist so was von unmöglich..." "Und dennoch ist es geschehen..." Tai lächelte... er hatte es so vermisst. Einfach nur in Matts Nähe zu sein. Seine Stimme zu hören... er fühlte sich einfach nur noch wunderbar. "Lass uns reingehen... es ist kalt hier draußen." "Ja. Lass uns reingehen."

*Oh mein Gott... oh mein Gott... Es gibt tatsächlich noch Wunder... Ich raff es nicht! Er ist wirklich hier!* Aufmerksam beobachtete Yamato Tai. Er wollte ihn sich so genau einprägen, wie nur möglich. Damit er ihn niemals vergaß. Seine Blicke wanderten über das bekannte Gesichtsprofil, die Strubbelhaare, Tais schlanken Körper hinab bis zu seiner Hand die neben Tais Körper schlenkerte. Wie mochte es sich wohl anfühlen, von ihr berührt zu werden? Ganz vorsichtig und zärtlich oder wild und leidenschaftlich? Aber über eines war Yamato sich sicher: Tais Finger würden eine brennende Spur auf seinem Körper zurücklassen. Wie mochte es sein, wenn Tais Hand die seinige umfasste? Wie mochte es sein, von Taichi ganz fest gehalten zu werden? Das überstieg Yamatos Fantasie. Aber es musste unglaublich und wunderbar schön sein. "Matt?" "Ja?" "Wie geht's dir eigentlich?" "Gerade im Moment bin ich der glücklichste Mensch der Welt! Und wie geht's dir? Was ist bei dem Unfall überhaupt passiert?" " Jetzt fühle ich mich superspitzenmegaklasse! Aber wie das mit dem Unfall passiert ist... keine Ahnung. Alles was ich weiß, dass ein Auto mich angefahren hat und dann abgehauen ist. Ich hab mir einen Arm und ein Bein gebrochen und wie gesagt... die Gehirnerschütterung halt... Ich wünschte, ich hätte mir mehr gebrochen, anstatt mein Gedächtnis zu verlieren!" "So was darfst du nicht sagen, Tai!" Erschrocken blickte Matt seinen Freund an.

"Und trotzdem... ich kann mich doch kaum mehr an dich erinnern... Mizael hat heute irgendwas von einem Ereignis am Flugplatz erzählt, aber ich weiß es einfach nicht mehr... Was hast du denn?" Yamatos Gesicht war plötzlich bleich und leer geworden. "Soll das heißen, dass... dass du es nicht mehr weißt?" "Was denn?" "Ach... nichts... gar nichts..." *Er weiß es wirklich nicht mehr. Oder hab ich damals doch nur geträumt? Nein, es kann kein Traum gewesen sein! Das darf es ganz einfach nicht!* "Hey, das hier kommt mir bekannt vor. Wir sind hier zur Schule gegangen, nicht wahr?" "Ja. Und jetzt ist es mein letztes Jahr. Es war die letzten beiden Jahre schrecklich langweilig ohne dich." "Kann ich mir vorstellen. Was gäbe ich dafür, noch mal mit dir zur Schule zu gehen. Das war lustig! Weißt du noch, wie oft wir gemeinsam den Chemiesaal geschrubbt haben? Wir beide hatten unsere Kaugummis unter den Tisch geklebt und der dumme Lehrer hat uns immer erwischt." Taichi strahlte. Langsam, so schien es, kehrte seine Erinnerung zurück. "Natürlich erinnere ich mich daran, Tai. Ich werde mich mein ganzes Leben daran erinnern. Aber ohne dich macht das Schrubben nur halb soviel Spaß. Übrigens sind unsere Lehrer heute so ziemlich alle da." Yamato grinste. "Müssen wir da wirklich rein? Ich hab keine Lust, bestimmten Leuten über den Weg zu laufen." "Da musst du durch!" Mit einem hämischen Grinsen schob Yamato Taichi in das Schulgebäude hinein in dem sie sofort von lauter Musik und einer unüberschaubaren Menschenmenge in Empfang genommen wurden.

"Yamato, wo kommen all diese Leute her? So viele Leute waren wir doch früher nie." "Die Presse muss mitbekommen haben, dass heute der Schulball ist. Wie ich es hasse! Los komm schon. Ab durch die Mitte!" Yamato packte Taichi am Arm und zog ihn mit sich. Als sie sich durch das dichteste Gedränge gequetscht hatten begann es sofort um sie herum zu blitzen. Plötzlich wurde Yamato anders als zuvor. Sein glückliches Strahlen wich einem etwas zu kühlem Lächeln und gekonnt winkte er in ein paar Kameras. Er kämpfte sich bis zu Shinji, Mizael, Yukiro und dessen Freundin durch. Mit Tai im Schlepptau. "Yamato... ist das noch normal? Unser Direktor hätte Reportern doch sofort Hausverbot erteilt." "Hat er auch. Nur kommt der heute etwas später, sodass die Reporter hereingekommen sind.", antwortete Mizael an Matts Stelle. Noch immer hielt sie Shinjis Hand. "Yukiro, Sakura, das ist Taichi. Taichi das sind Yukiro und Sakura.", machte Matt schnell bekannt. "Hallo."

Nervös sah Tai sich um. Diese ganzen Journalisten überall und das Blitzlicht machten ihn nervös. Und jetzt, als Matt ihn auch noch losließ, wusste er überhaupt nicht mehr, was er tun sollte. "Wo sind eigentlich Sora und Izzy? Und TK? Was macht der so?" "Ähm... Sora ist kurz nach dir in einen anderen Stadtteil umgezogen und Izzy kommt etwas später. TK ist mit Mama in den Urlaub gefahren." Matt seufzte. "Es wird wirklich Zeit, dass unser Direx auftaucht..." Er rollte mit den Augen und wies auf die Fotografen. "Ich will endlich mal meine Ruhe haben." *Gott, ich würde dieses ganze dumme Blitzlicht und so niemals im Leben aushalten. Wenn man berühmt ist, hat man ja nicht eine ruhige Minute mehr. Ich werde ganz sicher niemals berühmt.* "Ah! Schaut, der Direx! Der könnte sich auch mal wieder einen neuen Anzug zulegen!" Tai erblickte seinen alten Schuldirektor. Groß und dünn stakste er heran. Aber sein Kopf war puterrot. Wütend ging er auf die Journalisten und Fotografen zu und "komplimentierte" sie hinaus. Sofort wurde das Gedränge in der Halle leichter und die Schüler begannen laut zu johlen und zu klatschen. Der Direktor lächelte schüchtern und fuhr sich nervös durch die Haare. So viel Beifall von den Schülern hatte er nicht erwartet. Er quetschte sich zu Yamato, Taichi und den anderen durch die Menge.

"Guten Abend. Haben die Reporter Sie belästigt?" "Nein, eigentlich nicht besonders. Aber danke, dass Sie sie verscheucht haben. Das Gedränge war ja kaum auszuhalten." Sakura lächelte höflich. Der Direktor nickte und blickte dann einem nach dem anderen an. Sein Blick blieb an Tai hängen. "Yagami? Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie wären nach Amerika ausgewandert!" "Bin ich ja auch. Mehr oder weniger freiwillig. Ich mache gerade einen Kurztrip und wollte einfach Mal wieder reinschauen. Es freut mich sehr, Sie gesund zu sehen." "Danke. Ich hoffe, es gefällt Ihnen in Amerika." "Nun ja. Jetzt, da ich wieder hier bin, möchte ich am liebsten gar nicht mehr nach Hause." Tais Blick traf ganz kurz Yamatos Augen. Er grinste, als er bemerkte, dass ein leichter Rotschimmer über Matts Wangen lag.

"Jaja. Bei den alten Freunden fühlt man sich natürlich am wohlsten. Ich verstehe. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend." "Ja danke. Ihnen ebenfalls." Tai seufzte, als sich der Direktor umdrehte und in der Menge verschwand. "Dieses ewige rumschleimen und freundlich sein geht mir auf den Wecker." Yukiro lachte schallend. "Daran wirst du dich wohl gewöhnen müssen. Ich sehe grade, wie der Direx die anderen Lehrer über dich informiert. Ich glaube, so schnell wirst du dich heute nicht vor Lehrern retten können. Komm Sakura, lass uns tanzen." Yukiro zog seine Freundin mit sich auf die Tanzfläche, wo gerade der erste Tanz eröffnet wurde. "Komm Shinji. Wir gehen auch. Ich will den ganzen Kurs nicht umsonst gemacht haben!" Auch Mizael und Shinji verschwanden.

"Jetzt sind nur noch wir zwei übrig.", Matt grinste. "Wo ist eigentlich deine Tanzpartnerin, Matt?" "Da hinten steht sie mit ihrem Freund. Und du? Willst du nicht tanzen?" "Nein. Ich kann das nämlich nicht. Denkst du, ich wäre hierher gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass ich TANZEN soll?", fragte Tai scherzhaft. "Wärst du meinetwegen hierher gekommen, auch wenn du tanzen müsstest?" "Immer doch!" *Was hab´ ich da gesagt? Bin ich jetzt total...? Das kann ganz einfach nicht normal sein! Ich glaube, dass ich verrückt werde!* "Soso..." Yamato lächelte. "Dann komm mal her!" Er zog Tai plötzlich eng zu sich heran. "Ich zeig dir, wie es geht! Ich werde dich führen und du tust einfach, was ich dir sage. Alles klar?" Tai nickte krampfhaft. Er konnte Matts Körperwärme durch die Kleidung spüren und seinen Duft riechen. Es brachte ihn vollkommen aus dem Konzept. Und als Matt seine Hand nahm und die andere auf Tais Hüfte legte, glaubte Tai, dass sein Verstand nun völlig aussetzte. "Leg deine Hand auf meine Schulter, Tai. Kann 's losgehen?" "Ja, ich denke schon." "Okay. Also pass auf. Eins, zwei, drei. Eins, zwei drei. Eins, zwei, drei. Es geht doch! Von wegen du kannst es nicht! Au! Das war mein Fuß!" "´tschuldige. Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei..." Taichi starte krampfhaft auf seine Füße. Irgendwo musste er ja hinschauen! Der Blick in Matts tiefblaue Augen würde ihm jetzt sicher den Rest geben und ihn Dinge tun lassen, von denen er sich nicht ganz sicher war, dass Matt damit einverstanden war. "Matt, ich glaube, wir sollten aufhören. Ich trete dir sonst noch die Füße wund." Tai sah auf. Und, wie konnte es auch anders sein, begegnete er Yamatos Blick. "Okay... vielleicht, vielleicht sollten wir das wirklich tun..." Aber keiner der beiden hörte auf, sich im Takt der Musik zu drehen. Denn aufzuhören hieß, den anderen loszulassen. Den kurzen Moment der Zweisamkeit in dieser dichtgedrängten Menschenmenge zu unterbrechen. Irgendwie brachten beide das nicht fertig.
 

"Sieh mal rüber, Shinji..." Shinjis Augen gingen in die Richtung, in die Mizael sah. Er erblickte Yamato und Tai, die miteinander tanzten und sich irgendwie verliebt in die Augen sahen. "Die beiden sind so süß zusammen, nicht wahr?" "Hmhm... Ich glaube, wir haben das Richtige getan. Ich meine natürlich... du hast das richtige getan. Es war ja schließlich deine Idee, oder?" Mizael seufzte. "Vielleicht... aber ohne dich wäre ich niemals darauf gekommen..." Sie legte ihren Kopf in Shinjis Halsbeuge und schloss die Augen. "Es ist schön, mit dir zu tanzen. Ich könnte ewig so weiter machen..." Mizael sah weder, wie Shinji das Blut in die Wangen schoss, noch bemerkte sie, dass sein Herz schneller schlug und sein Atem sich beschleunigte. Sie war viel zu viel damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was die Zukunft wohl für sie alle bereithielt. *Was mach ich nur? Was wird nur aus Tai und Matt? Ich kann doch Tai nicht jeden Tag von Amerika nach Japan befördern. Außerdem würde er beginnen, Fragen zu stellen. Was soll ich nur tun? Was nur? Ich seh doch, wie sehr die beiden sich lieben. Verdammt, verdammt, verdammt. Was mach ich nur? So kann es nicht für immer bleiben. Manche Dinge sind einfach unmöglich zu tun. Was wird denn jetzt werden? Ich werd es schon nicht übers Herz bringen können, Taichi zurückzubringen. Warum muss alles nur so verdammt kompliziert sein?* "Machst du dir Sorgen über die Zukunft, Mizael?" Mizael erwachte aus ihren Gedankengängen und sah Shinji verwundert an. "Woher weißt du das?" "Inzwischen glaube ich, kenn ich dich gut genug, um zu wissen, dass du es nicht magst, wenn etwas passiert, dass du nicht geplant hast. Du wirst nervös, wenn etwas aus dem Ruder läuft und nicht alles den Weg geht, den du für den einfachsten hältst. Mach dir nicht so viele Sorgen darüber, was vielleicht sein könnte oder passieren mag. Wenigstens heute nicht. Lass es einfach laufen. Dieser Abend gehört uns. Uns allein, okay?" Mizael seufzte. "Du hast wohl Recht..."

Ihr Blick löste sich von seinen Augen und suchte in der Menge nach den anderen. Kehrte dann aber erfolglos zurück. "Und an was denkst du gerade?" "An die Zukunft." "Und zu mir hast du gesagt, ich soll mir keine Gedanken machen!!" "Nein, ich habe gesagt, du sollst dir keine Sorgen mehr machen. Gedanken sind etwas anderes als Sorgen." Shinji grinste, woraufhin Mizael gekünstelt seufzte. "Und, welche Gedanken spukten in deinem Kopf rum?" Shinji lächelte. "Ich habe mir überlegt... ach nein, vergiss es!" "Was?? Ich will das jetzt wissen! Du bist so gemein! Bitte, sag 's mir. Biiiiitteeee!" "Nope. Lass uns nach draußen gehen. Es ist so stickig hier drin." "Das ist doch nur eine blöde Ausrede!" "Nun komm schon!"

Lachend nahm Shinji Mizael bei der Hand und zog sie mit sich. Er bahnte sich seinen Weg durch die dichtgedrängte Menschenmenge ohne irgendjemandem auf die Füße zu treten oder ihn umzulaufen. Schwungvoll stieß er eine Tür auf. Kalte Nachtluft umfing sie und als sich die Tür hinter ihnen schloss wurde die Musik schlagartig leiser und klang gedämpft zu ihnen nach draußen. "Shinji, es ist arschkalt hier draußen." Er überging dieses Kommentar vollkommen. "Lass uns dort rübergehen." Shinji wies in die hinterste Ecke des Schulhofes, wo er wusste, dass eine kleine Bank stand. "Shinji, es ist immer noch kalt hier draußen!" Frierend ließ Mizael sich auf der kleinen Bank nieder. "Du wolltest doch wissen, an was ich gedacht habe, oder?" Shinji setzte sich neben sie. "Ja schon. Aber kannst du mir das nicht drinnen erzählen?" "Ich will aber nicht, dass es jemand mitkriegt." Der überraschte Ausdruck auf ihrem Gesicht veranlasste ihn erneut zu grinsen.

"Also? Was ist es? Ich bin jetzt wirklich neugierig!" "So?" "Ja!" Shinji rückte ein Stück näher an sie heran und nahm ihre Hand in die Seine. Sein Blick suchte ihre dunklen Augen in denen sich die Sterne des Firmaments neben seinem eigenem Gesicht spiegelten. "Ich habe mich gefragt, wie du reagieren würdest, wenn ich dich küsse." *Ich hab es gesagt! Ich hab es gesagt. Ich muss vollkommen verrückt sein!* "Vielleicht solltest du einfach mal die Dinge tun, an die du immer denkst und dann den Mut verlierst sie zu tun, weil du dir zu viele Gedanken gemacht hast." "D...du meinst?"

Anstatt zu antworten schloss Mizael ihre Augen und hob ihren Kopf ganz sachte an. Sie fühlte, wie sich der Druck von Shinjis Hand verstärkte. Dann spürte sie seinen warmen Atem ihre Lippen und ihre Haut kitzeln. Sie bemerkte, wie ihre Lippen zu beben begannen. Jedenfalls glaubte sie das. Sie hörte ihr pulsierendes Herz und meinte, das Shinjis es auch hören musste. Aber er hörte es keinesfalls. Es wurde vom Rauschen des Blutes in seinen Ohren übertönt. Zögerlich neigte er den Kopf und berührte Mizaels Lippen sachte mit den seinen. Sie gaben sanft unter seinem Druck nach. Und ganz langsam, fast unmerklich, begann Mizael seinen Kuss zu erwidern. Unsicher, unerfahren und doch wunderschön. Vorsichtig legte Mizael einen Arm um Shinji und zog ihn noch näher zu sich. Seine Hand berührte ihren Oberschenkel und durch ihr Kleid spürte sie, wie kalt seine Hände waren. Sie seufzte leise und löste den Kuss. "Shinji..." Ganz langsam öffnete sie die Augen. "Shinji…", wiederholte Mizael. Dann begann sie ganz langsam zu lächeln. Unglauben machte sich auf seinem Gesicht breit, als das Lächeln zu einem regelrechtem Strahlen heranwuchs. "Mizael!" Shinji umarmte sie. "Shinji, lass uns reingehen… bald ist unser Auftritt. Außerdem ist es so kalt. Los komm schon!" Sie zog Shinji auf die Füße und betrat mit ihm das Schulgebäude. Noch immer hielt das Strahlen auf ihrem Gesicht an.

Don't Forget Your Feelings... - Vergiss Deine Gefühle Nicht...

Chapter 8: Don´t Forget Your Feelings... – Vergiss Deine Gefühle Nicht…
 

"Yamato?" "Hm?" "Wo hast du die schöne Kette her?" "Die hier?" Yamato berührte sein Lederhalsband, an dem ein silbernes, geschwungenes T hing. "Ich hab sie mir mal vor langer Zeit gekauft." "Und wofür steht das T? Beginnt der Name deiner Freundin mit diesem Buchstaben?" Sie hörten zu tanzen auf. Sofort bereute Tai das, was er gesagt hatte. "Ich habe keine Freundin. Und das andere bleibt ein Geheimnis." "Och komm schon. Erzähl 's mir! Bitte!" "Nein, keine Lust!" "Bitte, bitte, allerliebster, bester, schönster Matt!" "Nein, du musst schon selber draufkommen." Matt grinste. *Das T steht für Taichi, du Dummkopf...* "Du wirst es nie erraten, mein lieber Taichi Yagami." "Und genau deswegen musst du es mir erzählen!" Taichi grinste überheblich. "Und was ist, wenn ich keine Lust dazu habe?" "Du bist fies, Matt." Tai zog eine Schnute, woraufhin Matt schallend lachte. "Glaubst du, dass ich mich in 2 Jahren so drastisch ändere und noch glatt freundlich werde?" "Du hast dich überhaupt nicht verändert Matt.", grollte Tai, drehte sich um und schmollte. Plötzlich wurde er von Matt von hinten umarmt. "Du dich auch nicht, Tai. Und das T... Das steht für Taichi..." Yamato ließ ihn los und stürmte auf die Bühne. Denn dort warteten Shinji, Mizael und Yukiro schon auf ihn, um mit ihrem Auftritt zu beginnen.

Matt schnappte sich seine Bassgitarre und trat ans Mikro. "Guten Abend, alle miteinander! Ich hoffe, dass es euch allen gut geht und wünsche euch mit der Band einen tollen Abend. Bevor wir anfangen, möchte ich mich noch bei Mizael und Shinji dafür bedanken, mir meinen größten Wunsch erfüllt zu haben und..." Matt lachte verschmitzt und versuchte gegen den aufbrandenden Applaus anzukämpfen. "...und ich möchte heute unseren Special Guest aus Amerika ganz herzlich willkommen heißen. Taichi, willkommen zurück in Japan. So. Genug geredet! Fangen wir an!" Yamato schlug die erste Seite der Gitarre an und begann zu spielen. Nach und nach setzten auch Mizael, Shinji und Yukiro ein.

Noch immer stand Taichi wie erstarrt da. Was hatte das zu bedeuten?? Matts seltsames Verhalten, sein erfüllter größter Wunsch und das T an seinem Halsband, das für seinen Namen stand. Taichi konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen. Wie gebannt starrte er zur Bühne hinauf und beobachtete Yamato, der dort droben die Welt um sich herum zu vergessen schien. *Was zum Teufel ist hier nur los?* Weiterhin betrachtete er Matt, der nun fast zärtlich das Mikrophon umschlang und zu singen begann. Das Lied bewegte Taichis Herz. Es war voller Sehnsucht, Erwartung, tiefschwarzer Melancholie und Liebe. Musik und Text widersprachen sich und ergänzten sich dennoch perfekt zu einem Ganzen.

*Wie wunderschön... Ich hätte nie geglaubt, dass Yamato so unbeschreiblich singen kann...* Taichi spitzte die Ohren. Neben ihm redeten zwei Mädchen anscheinend über Yamato. Die eine war um die 20 und die andere schien aus der Schule zu stammen. Die Zwanzigjährige hatte flammend rote Haare, die sie in etwa so wie Taichi trug. Ganz leise sprach sie mit ihrer Freundin und Tai hörte etwas von ihrem Gespräch mit. "So toll hat er noch nie gesungen. Es ist einfach unbeschreiblich... ich kann 's kaum glauben! Woran das wohl liegt?", sagte die aufgestylte Rothaarige. "Jun, glaubst es könnte mit diesem Taichi zusammenhängen? Oder mit dem Wunsch, von dem er gesprochen hat?" "Hmmm... ich weiß nicht so recht. So wie er heute Abend singt, muss er wirklich sehr starke Gefühle für diesen Taichi haben. Wenn er für ihn singt. Soweit ich weiß, haben Mizael und Shinji Taichi heute zum Ball mitgebracht. Das würde dann auch das mit dem Wunsch erklären..." "Aber... das würde dann ja bedeuten..." Erschrecken lag in den Augen des Mädchens. "Ja. Genau das glaube ich auch, wenn wir mit unseren Vermutungen richtig liegen. Nun ja. Verlassen wir uns lieber auf die Fakten. Glaub mir, ich krieg schon noch raus, was es damit auf sich hat. Zunächst sollte ich aber lieber wieder gehen, bevor auffällt, dass ich nicht zu den geladenen Gästen hier gehöre. Also, ciao. Komm doch morgen vorbei. Die Fotos sind bald fertig. Das wird die Story des Jahres. Bye!" Damit verschwand die Frau, die anscheinend Jun hieß aus dem Publikum. Bei Tai hatte dieses zufällig gehörte Gespräch unzählige Fragen aufgeworfen, die er zu beantworten können schien. Aber er wollte sich diese Antworten selbst nicht eingestehen. Die Antworten waren doch so simpel und alles schien einen Sinn zu ergeben. Aber sie waren so absurd, dass Tai darüber gelacht hätte, wenn sie nicht so schrecklich wahr zu sein anmuteten. *Nein, das kann unmöglich sein. Das ist nicht wahr! Nie und nimmer!* Für den Moment schien Taichi diesen Gedanken aus seinem Gedächtnis verbannen zu können, aber er wusste, dass er nun alles, was er und vor allem das was Matt tun würde mit völlig anderen Augen sehen wird.

Tai sah sich in der Halle um. Niemand schien ihn zu beachten. Die Schüler tanzten entweder oder sie saßen und standen in kleinen Gruppen beieinander, lauschten der Musik und redeten. Alle schienen ihn, Taichi vollkommen vergessen zu haben. *Ich brauch jetzt dringendst was zu trinken.* Er drängelte durch die Menge auf dem Weg zur gut besuchten Bar.
 

Matt kam sich plötzlich so leicht vor beim Singen. Ein derartiges Rauschgefühl hatte er noch nie erlebt. *So muss sie sein. Die absolute Schwerelosigkeit...* Yamato hatte das Gefühl, dass sie schon lange nicht mehr so gut gespielt hatten. Seine Augen suchten Taichi in der Menge. Er schien sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Plötzlich wurde er kalkweiß und verschwand im Gedränge. Kurz darauf entdeckte Yamato ihn an der Bar wieder. *Was hat ihn nur so erschreckt?*

Yamato konzentrierte sich aber nicht lange darauf. Jetzt, genau jetzt in diesem Moment. Matts Lieblingsstelle in seinem Lieblingssong. Die Stelle, an der er seinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte. Yamato spürte, wie sein Körper sich auf diesen Teil konzentrierte und seine Sinne zu brodeln begannen. Mizaels Schlagrhythmus wechselte, Shinji, Yukiro und er wurden eine Spur lauter. Als hätte er es bemerkt, drehte Taichi sich um und ihre Blicke trafen sich. Und dann brach die heiße Flut in Yamatos Innerem los. Er hob vollkommen ab und vergaß alles um sich herum. Die Menschen um ihn herum verschwanden, seine Umgebung verschwamm, alles um ihn herum verblasste. Es gab nur noch ihn und den kochenden, brodelnden, überschäumenden Vulkan in ihm der nun ausbrach. Er wusste nicht mehr, wo er war und wer er war. Vollkommen besinnungslos ließ er sich treiben. Erst als er merkte, dass das Lied zu Ende ging, seine Gefühle sich wieder abkühlten und er den Beifallssturm seines Publikums hörte, kehrte Yamato zurück.

Noch immer betrachtete Taichi ihn mit seinem fesselnden Blick. Doch dieser war plötzlich von Lehrern umringt, sodass ihr Blickkontakt abbrach. Yamato drehte sich zu seiner Band um, die ihn erstaunt ansahen. In ihren Augen lag ein Ausdruck von Respekt und Unglauben. Yamato grinste. Selbst er glaubte noch ein wenig auf Wolken zu schweben. Es war... unbeschreiblich gewesen. Als sich die Menge wieder einigermaßen beruhigt hatte, schlug Yukiro den ersten Ton des nächsten Liedes an. Die Show musste schließlich weitergehen!
 

"Und? Wie ist es, wieder hier zusein?" Es war mitten in der Nacht und so waren Taichi und Yamato fast allein in der U-Bahn. "Hm... Es ist... unbeschreiblich." "Du bist ganz schön müde, was?" "Wie kommst du denn da drauf?" Tai gähnte herzhaft. "Ein halbwegs wacher Taichi hätte mich zugelabert, ein müder Taichi ist ziemlich wortkarg." "So? Dann will ich dir mal zeigen, wie wach ich noch bin!" Taichi sprang auf. Just in diesem Moment stoppte die Bahn ruckartig. Taichi glitt aus und stolperte einen Schrei ausstoßend auf Matt zu. Instinktiv breitete dieser seine Arme aus, um den fallenden Taichi aufzufangen. Taichi spürte, wie Yamato versuchte, ihn festzuhalten und er merkte, dass Matt zu schwach war.

Deshalb riss Tai ihn um und landete mit ihm auf der gepolsterten Bank der U-Bahn. Tai spürte, wie Yamatos Herz aufgeregt gegen seine Brust pochte, sein Atem sich beschleunigte und eine zarte Röte Matts Wangen färbte. Das Kristallblau seiner Augen wirkte verklärt und wie hinter einem dünnem Schleier verborgen. *Dieser Blick...* So hatte Taichi seinen besten Freund noch nie gesehen. Oder hatte er es nur vergessen? Oder... hatte er schon einmal davon geträumt? War es sein Wunsch, dass Matt ihn eines Tages einmal so ansah? So... so seltsam? Nein, sicher hatte er sich das niemals gewünscht. Matt sah krank aus. Vielleicht war es das Beste, wenn er nicht darüber sprach. Überhaupt... es war ja gut möglich, dass Tais Fantasie ihren Teil zu Matts seltsamen Aussehen beisteuerte. Immerhin schlief Taichi schon fast. Er musste die Hälfte wohl träumen. Ja, so war es sicher. Es war für Taichi Tatsache, dass wohl Matts Gesundheit ein wenig angeschlagen sein musste und den Rest... den musste er sich einfach einbilden. *Genau... genau so muss es sein. Es muss so sein...* Es MUSSTE einfach...

Verlegen erhob sich Taichi. "´tschuldige. Bin wohl doch nicht mehr so fit, wie ich dachte..." Er lachte nervös und zog Matt wieder in eine aufrechte Position. Dieser wirkte verstört und plötzlich tief in Gedanken. "Geht´s dir nicht gut?" Matt schien ihn gar nicht zu hören. Das schrieb Tai seiner angeblich schlechteren Gesundheit zu und hüllte sich ebenfalls in Schweigen, als er sich wieder neben seinen blonden Freund setzte. *Was ist bloß los mit Tai? Zuerst wirkte er erschrocken, dann so als ob... als ob...* Yamato brach diesen Gedanken ab, noch bevor er ihn zu Ende gedacht hatte. *Hör auf damit, Matt. Mach dir keine falschen Hoffnungen. Tai hat es vergessen! Er hatte sogar dich vergessen! Wieso sollte er sich an so etwas wie den Zwischenfall am Flugplatz erinnern? Du solltest froh sein, dass er sich überhaupt an dich erinnern kann! Schlag es dir aus dem Kopf! Du wirst für ihn niemals das sein, was er für dich ist, und was du gern sein möchte. Schmink ihn dir ab! Endgültig! Er wird sich nicht erinnern! Nie! Es wird ihm nicht mehr einfallen! Es wurde aus seinem Gedächtnis verbannt! Unwiderruflich! Und es ist das Beste für ihn! So ist es und nicht anders!*

"Matt? Müssen wir nicht bald aussteigen?" Tai riss ihn aus seinen Gedankengängen. "Hm? Was?" Erschrocken sah Yamato sich um. "Oh ja. Nächste Station. Gleich sind wir da. Dann kannst du ausschlafen." Yamato grinste. "Du aber auch. So fit wie du tust, bist du nämlich gar nicht. Ich sehe, wenn jemand krank wird." "Ich werde sicherlich nicht krank, Taichi Yagami! Ich war seit fast 2 Jahren nicht mehr krank. Also glaube ich kaum, dass es mich erwischt, wenn ausgerechnet du zu Besuch bist." "Wollen wir wetten? Ich erkenne sofort, wenn jemand krank wird." "Jaja... wenn du meinst. Ich werde aber nur krank, wenn du dann Krankenschwester spielst." Yamato stand auf. "Wir sind da."
 

"Danke fürs nach Hause Bringen." Mizael stand im Türrahmen. "Bitte. Gern geschehen." Shinji beugte sich vor und hauchte Mizael einen Abschiedskuss auf die Wange. "Schlaf gut." "Du auch." Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. "Willst du wirklich nach Hause gehen? Es ist so kalt, außerdem sieht es so aus, als ob es bald regnen würde.", sagte Mizael ohne dem sternenklarem Nachthimmel nur eines Blickes zu würdigen. "Meinst du?" Shinji grinste. Wenn er es sich recht überlegte, hatte auch noch gar keine Lust zu gehen. "Du kannst gerne die Nacht über hier bleiben, wenn du willst. Platz genug habe ich." Mizael trat zur Seite. "Macht dir das wirklich nichts aus? Ich will mich nicht aufdrängen." Während er das sagte, betrat Shinji die Wohnung und zog seine Jacke aus, um danach Mizael ihren Mantel abzunehmen. "Möchtest du einen Kakao?" "Nein danke." "Gut. Dort ist das Wohnzimmer. Ich zieh mich nur schnell um. Ich muss aus diesem Kleid raus." Mizael wies auf eine Tür und verschwand kurz darauf hinter einer anderen.

Shinji betrat das Wohnzimmer und ließ sich auf der nachtschwarzen Couch nieder. Er sah sich um. Auf dem Couchtisch stand ein Laptop, daneben lag ein Ding, das aussah wie eine Kreuzung aus Tamagotchi und Digitaluhr. Das Digitaluhrtamagotchi schimmerte blau und es war ein seltsames Zeichen darauf eingraviert. Shinji beachtete es nicht weiter. Aber es erinnerte ihn an etwas. Er wusste nur nicht, was es war. Wahrscheinlich war es unwichtig.

*Wo bleibt sie nur? Sie wollte sich doch nur umziehen.* Plötzlich erinnerte Shinji sich an all die Filme, die er je gesehen hatte, in denen ein Mann eine Frau nach einer Party nach Hause bringt und zu einer Tasse Kaffee eingeladen wird. Während sie sich "nur schnell was Bequemeres" anzieht, sitzt er im Wohnzimmer oder sonst irgendwo. Und sobald er anfing, sich zu fragen, wo die Frau denn bliebe, öffnet sie die Tür in allerschärfster Unterwäsche... Shinji verscheuchte diesen Gedanken. *SIE würde so etwas sicher nie tun.* Trotzdem war der Gedanke an Mizael in Dessous ihm gar nicht mal sooooo unsympathisch...

"An was denkst du denn grade?" Lautlos war Mizael ins Zimmer gekommen und ließ sich mit 2 Gläsern Limo neben Shinji nieder. "An nichts wichtiges..." Dennoch konnte er ein erleichtertes Aufatmen nicht verbergen. Mizael trug eine schlabberige Hose und ein Sweatshirt. Er lächelte. Mizael sah furchtbar müde und total fertig aus. Er sah, dass es ihr immer schwerer fiel, die Augen offen zu halten. Ihm ging es eigentlich nicht anders. "Du siehst ja ganz schön müde aus." "Bin ich auch. War ja auch viel los." Sie gähnte. *4 Stunden Schlaf pro Nacht sind doch ein bisschen wenig. Ich sollte den Doppeljob wirklich irgendwann mal beendigen.* "Lass uns schlafen gehen, Shinji. Ich fall gleich um." Sie zog Shinji auf die Füße. "Gut."

An der Hand führte Mizael Shinji in ihr Schlafzimmer. "Welche Seite, Shinji?" "Wie meinst du das?" "Die Couch ist zu kurz, der Fußboden zu hart; eine Matzratze hab ich nicht, also müssen wir beide wohl im gleichen Bett schlafen... Ich hol nur mal schnell ein zweites Bettzeug." Mizael öffnete den Schrank und zog eine Decke und ein Kopfkissen heraus. "Hast du dich entschieden?" "Ähm... äh... ähm... vielleicht sollte ich doch besser nach Hause gehen..." Mizael rollte gekünstelt mit den Augen. "Du kippst doch wie ich gleich aus den Latschen. Such dir eine Seite aus und dann lass uns schlafen. Aus und basta!" Shinji seufzte. Allein schon bei dem Gedanken mit ihr in einem Bett zu liegen... Er spürte, wie sein Herz gegen seinen Hals pochte. Aber er wusste auch, dass Mizael recht hatte. Wenn er nach Hause ginge, würde er auf der Straße einschlafen.

"Such du dir eine aus." "Okay." Sie warf Decke und Kissen auf das Bett. "Du kannst alles, was du ausziehst dort über den Stuhl werfen." Erschreckt weiteten sich Shinjis Augen, aber Mizael bemerkte es nicht, weil sie sich im selben Augenblick auf das Bett fallen ließ und so liegen blieb, wie sie aufkam. Unschlüssig sah Shinji sich im Zimmer um. Sollte er sich nicht ausziehen und so den Anzug ruinieren oder sich ausziehen und so nah an Mizael liegen, nur getrennt durch Unterwäsche und einem Sweatshirt?! *Ach, ist ja egal.* Shinji legte alles bis auf seine Boxershorts ab und legte sich neben Mizael. "Gute Nacht, Mizael." Ihre Antwort war nur noch ein leises unverständliches Murmeln, weil sie sich schon auf dem Weg ins Traumland befand. Wie er sich nun verhalten sollte, darüber konnte Shinji nicht mehr nachdenken, denn er schlief kurz darauf tief und fest.
 

"So, da wären wir." Yamato öffnete die Tür und Taichi betrat die Wohnung. Doch Taichi hatte keinen Blick dafür übrig. Er gähnte nur noch: "Wo ist die Couch? Ich bin todmüde." "Denkst du, ich lasse meine Gäste auf der Couch schlafen? Ich werde auf der Couch schlafen. Dort ist das Schlafzimmer." Mit sanfter Bestimmung schob Yamato Taichi in ein Zimmer. "Du hast aber ein großes Bett.", bemerkte Tai knapp. "Jaja. Ich geh dann wir sehen uns dann morgen. Nacht!" Er hatte schon die Türklinke in der Hand, als Tai ihn zurückhielt. "Du hast heute wesentlich mehr geschuftet als ich. Außerdem wohnst du hier. ICH schlafe auf der Couch!" "Nein tust du nicht!" "Tu ich wohl!" "Nein das machst du nicht! Außerdem bist du mein Gast!" "Ich schlafe auf der Couch und damit hat sich´s!" "Oh nein, Tai, du wirst im Bett schlafen und ich auf der Couch." Taichi lenkte ein. "Okay, da wir anscheinend beide unbedingt auf der Couch schlafen wollen, schlafen wir beide dort! Genauso wie früher! Wo ist das Wohnzimmer?" Tai packte Yamato an der Hand und zog ihn aus dem Schlafzimmer.

Nach einigen Versuchen hatte er das Wohnzimmer gefunden und schubste Matt auf die nicht gerade breite Couch. "Taichi, wenn ich jetzt aber doch krank werde, steck´ ich dich womöglich noch an!" "Quatsch, du wirst nicht krank." "Dann könnten wir aber doch auch im Bett schlafen. Wir hätten wesentlich mehr Platz." Einige Sekunden trat ein verständnisloser Blick auf Tais Gesicht, wandelte sich dann aber in einen erstaunten Gesichtsausdruck. "Du kleines Genie. Das hättest du ruhig früher sagen können." Mit einem Ruck riss Taichi Yamato auf die Beine. Matt hätte nie gedacht, dass Tai, selbst wenn er halb schlief noch solche Kraft hatte ihm fast den Arm abzureißen.

Plötzlich standen sie sich nah. Sehr nah. Gefährlich nah. Matt spürte Tais Atem in seinem Gesicht und war sicher, dass Taichi den seinen fühlte. So dicht vor sich und so intensiv hatte Yamato Tais braune Augen noch nie wahrgenommen. Er starrte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. Doch wie immer erinnerten sie ihn an Schokolade mit bernsteinernem Karamell durchzogen. Dieses Karamell sah man nicht auf den ersten Blick. Und diese kleine Unscheinbarkeit war es, die Yamato so gefiel. Er sah sein Spiegelbild in Tais geöffneten Pupillen. Er roch Tai, fühlte seine Wärme durch die Kleidung dringen. Es raubte ihm fast den Verstand. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, bis auf den, dass irgendwas geschehen müsse, sonst konnte es gefährlich für Matt werden, ein Dummheit zu begehen. Eine Dummheit, von der er nicht wusste, ob Tai damit einverstanden war.

"Wir... wir sollten..." "Ja? Was sollten wir...?", hauchte Tai in einem Ton, der so unschuldig klang, wie er war, aber gleichzeitig Vorstellungen in Matts Gedanken auftauchen ließ, die ihm das Blut in die Wangen steigen ließ. Tais Lippen lagen einladend und leicht geöffnet vor ihm. Seine Augenlider senkten sich langsam und sein Kopf bewegte sich ein Stück in Yamatos Richtung. Matts Gedanken schalteten ganz ab. Konnte es sein?? Träumte Yamato? Wollte Taichi dasselbe wie er? Oder war es ein Missverständnis? Nun ja, er machte sich im Moment keine Gedanken. Darüber würde er nachdenken, wenn die Zeit dazu war. Was jetzt zählte war das hier und jetzt. Dieser Augenblick. Nervös befeuchtete Matt seine Lippen und schloss die Augen. Langsam begann er sich nach vorn zu beugen.

Ein letztes Mal zögerte er noch. "Taichi, bist du wirklich damit einverstanden?" flüsterte Yamato kaum hörbar. Taichi antwortete nichts. "Tai?" Diesmal sagte Matt es so laut, dass Tai es hören musste. Als Antwort erhielt er aber nur ein leises Schnarchen. Yamato trat einen Schritt zurück. "Taichi?!" Erschrocken öffnete Tai die Augen. Er blinzelte. "Hast du was gesagt? Bin wohl kurz eingenickt. Was sollten wir eigentlich tun?" Matt war zum Heulen zu Mute. Trotzdem lächelte er. "Wir sollten ins Bett gehen, bevor du noch mal im Stehen einschläfst." Widerstandslos ließ Taichi sich ins Schlafzimmer führen. Er zog das Nötigste aus und schlief noch bevor er richtig im Bett lag.

To Be With You... - Bei Dir Zu Sein...

Chapter 9: To Be With You... – Bei Dir Zu Sein…
 

"Tai?" Der Angesprochene bewegte sich nicht. Seine Augen blieben fest verschlossen. "Bist du schon wach?" Wiederum bekam Matt keine Antwort. Dennoch lächelte er. Die aufgehende Sonne blinzelte verschlafen durch die Fenster und tauchte das Bett in dem Yamato und Taichi lagen in ein warmes, freundliches Licht. Matt konnte es kaum glauben. Er, Taichi lag wirklich neben ihm und schlummerte friedlich. Seine Nase kräuselte sich leicht als er sich bewegte und eine Haarsträhne in sein Gesicht fiel. Vorsichtig, bedacht den Schlafenden nicht zu wecken, strich Matt sie an ihren Platz zurück. Tais Haare waren geschmeidig und weich. Yamato dachte zurück, als Taichi noch in Japan gelebt hatte und die frühen Morgenstunden für sie beide die Schönsten des Tages gewesen waren. Diese 2, 3 Stunden hatten nur ihnen gehört. Matts Gedanken schweiften ab zu dem Tag, der eigentlich genau wie dieser gewesen war. Taichi, der noch im Tiefschlaf war und er, vollwach, weil er nicht hatte einschlafen können. In dieser Nacht und an jenem Morgen war es geschehen, einfach so. Yamato hatte sich in seinen besten Freund verliebt. Er wusste nicht warum, nicht wann genau es angefangen hatte, aber es war passiert. Zufall, Schicksal... Matt konnte nicht sagen warum. Aber dennoch war es ihm halbwegs bewusst geworden. Er hatte diesen Tag verdrängt, die aufblühenden Gefühle versucht zu vergessen. Aber er hatte es nicht geschafft. Nicht ganz. Denn genau jetzt, jetzt da dieser Moment wiedergekehrt, an dem Taichi zurückgekommen war, spürte er wieder dieses starke Gefühl. Dieses Gewurle in seinem Bauch, das Klopfen seines Herzens, all das und noch viel mehr. Zum ersten Mal hörte er sein Blut in seinen Ohren rauschen. Zum ersten Mal wurde ihm dieses absolute Glück und die gleichzeitige Angst davor, sich zu "verraten" bewusst. Zum ersten Mal fielen ihm Dinge an Tai auf, die er zwar vorher bemerkt, aber ihnen keine weitere Beachtung geschenkt hatte. Das kleine Grübchen in seiner Wange, der Haarwirbel an seinem Hinterkopf, die kleinen, winzigen Bernsteinsplitter in Tais braunen Augen, die so dunkel waren wie Schokolade, die ganz sanft und geschmeidig im Mund zergeht und einen bittersüßen, sahnigen Geschmack hatte.

Behutsam setzte Matt sich auf und streckte die Beine aus dem Bett. Noch ein bisschen verschlafen tapste er in die kleine Küche und machte Kaffee. Den konnte er jetzt gut gebrauchen. Eigentlich war er nämlich hundemüde und draußen war die Sonne gerade ganz aufgegangen.
 

Er war gefangen. Zwei große, warme Fangarme umschlagen ihn und hielten ihn fest. Shinji spürte einen kleinen, atmenden Körper neben sich. Es war angenehm warm und gemütlich. Sonnenstrahlen fielen in sein Gesicht und stachen durch seinen geschlossenen Augenlider. Zuerst blinzelte er kurz, dann kniff er die Augen wieder zusammen und zog den Kopf ein. Er hätte nicht gedacht, dass ihn die Sonne so sehr blenden würde. Ein violettes Abbild des strahlenden Himmelskörpers leuchtete vor seinen Augen. Nochmals hob Shinji ganz langsam die Lider. Diesmal lagen seine Augen im Schatten und er sah sich um. Er erblickte seine Klamotten, die er über dem Stuhl hingen, die Decke, wie er in der Nacht vom Bett geworfen hatte.

Dann sah er das Mädchen, das ihn mit eisernem Griff umfasste. Über Mizaels Wangen lag ein leichter Rotschimmer und um ihre Lippen meinte Shinji ein schwaches Lächeln spielen zu sehen. "Guten Morgen Mizael." Sie entgegnete nichts. "Ich weiß, dass du wach bist." Trotzdem erhielt er keine Antwort. Behutsam blies Shinji ihr ins Gesicht. So nah hatte er ihr Gesicht noch nie genau gesehen. Langsam näherte er sich ihm und stieß wiederum einen schwachen Lufthauch aus. Dann küsste er sie ganz sachte. Wie am Vorabend gaben ihre Lippen den Seinen sanft nach. Shinji spürte die Erwiderung, die zuerst ganz schüchtern kam, dann aber schon fast fordernd wurde. *Ich wusste, dass sie schon wach ist.* Shinji schob seinen Arm umständlich unter ihren zierlichen Körper und streichelte sanft mit der anderen ihre Wange. Mizaels Hand begann langsam Zeichen auf seiner Brust zu zeichnen, die genauso geheimnisvoll waren, wie sie selbst.

"Woher wusstest du, dass ich wach bin?" "Männliche Intuition..." "Ah ja." Ein gehauchter Kuss landete auf Shinjis Nasenspitze. "Lass uns aufstehen, Shinji. Ich mach uns Kaffee." Er brummte unwillig. Es war doch viel zu gemütlich im Bett, um jetzt aufzustehen. "Ich will nicht. Lass und noch ein bisschen hier bleiben." Er zog Mizael, die schon aufgestanden war, zu sich zurück. "Wie kann man nur so lang im Bett bleiben? Das ist doch langweilig!", beschwerte sie sich lautstark. "So? Denkst du wirklich?" "Ja. Was soll man denn den halben Tag im Bett tun?" Shinji grinste. "Da fiele mir schon was ein..." "Und was?" Statt einer Antwort wurde Mizael in seine Arme gezogen und innig geküsst. Ein wohliger Schauer durchlief sie, als Shinji ungeschickt versuchte ihre Lippen zu teilen und seiner Zunge Einlass zu verschaffen.

Unsicher öffnete sie ihren Mund und spürte sogleich seine Zunge, die mit ihrer zusammentraf. Mizael seufzte leise. Sie spürte, dass sie förmlich glühte und ihr Puls raste. Besser wurde das auch nicht, als Shinji vorsichtig seine Hände an ihre Taille legte und sie noch näher zu sich zog. Wie von selbst schlang Mizael ihre Arme um seinen Nacken und fuhr nervös durch seine kurzen, weichen Haare. Sie konnte fast nicht realisieren, was geschah. Wie lange hatte sie sich nach diesem Augenblick gesehnt? Und jetzt... Jetzt war er da. Ganz plötzlich und leise gekommen. "Shinji... Sag mir, dass ich nicht träume... bitte. Sag, dass du wirklich vor mir sitzt." "Wenn du träumst, träum´ ich genau dasselbe. Lass uns einfach weiterschlafen." "Mhm..." Mizael schloss ihre Augen wieder. wenn es wirklich ein Traum war, dann war er so wunderbar echt, dass es wohl wirklich besser war, wenn sie weiterschliefe und weiter in diesem Traum verweile. *Wahrscheinlich ist es wirklich besser...*
 

Taichi schnupperte. Der Duft von bitterem, heißem Kaffee lockte ihn aus dem Bett. "Guten Morgen Taichi." Empfing ihn Yamato in der Küche. "Morgen! Du hast ja schon Frühstück gemacht!" Yamato grinste. Tai hatte ein Gespür dafür, wann es wo etwas zu essen gab. Er wurde davon magisch angezogen. Salat, Brot, Fisch, Fleisch, Süßes, Saures, Scharfes... alles querbeet. Hauptsache viel davon und nicht verdorben. Taichi lächelte. "Genau wie früher." "Wenn du länger bleibst, wirst du mir noch die Haare vom Kopf fressen." "Soviel ess´ ich dann auch nicht..." antwortete Tai, setzte sich an den Küchentisch und bestrich sein erstes Brötchen mit Butter und Erdbeermarmelade. "Keine Angst. Iss soviel du willst..." Eine kleine Pause trat ein. Nur Taichis zufriedenes leises Schmatzen war ab und zu zuhören. "Ich bin total glücklich, dass du wieder da bist." Fast hätte Tai sich verschluckt. Er spürte, wie Blut in seine Wangen schoss und ihm heiß wurde. *Warum zum Teufel werd´ ich so rot? Yagami, du hast hier nicht rot zuwerden! Yamato ist dein bester Freund!!! Oder?!* Oder was? War das wirklich nur Freundschaft? Weniger? Mehr? War da etwas gewesen, das er nur vergessen hatte? Ein Ereignis? Ein Erlebnis? Taichi versuchte die verschwommene Ahnung zu fassen und in einen vernünftigen Gedanken oder eine Erinnerung umzuwandeln. Doch sie entglitt ihm wie ein Fisch den Händen eines Fischfängers. Sie war da. Taichi wusste es. Wenn er sie doch nur greifen könnte!! Doch je mehr er es versuchte, desto weiter entfernte sie sich. *Verdammt!*

"Sag mal Tai, an was erinnerst du dich jetzt eigentlich genau?" Matt riss ihn aus den Gedanken. "Ich weiß es nicht. In meinem Kopf sind lauter Bruchstücke. Plötzlich fallen mir Namen und Gesichter ein, oder eines von beiden ohne das zugehörige Stück. Alles ist wie ein großes Puzzle. Nur dass ich keine Ahnung hab, wie das Ganze zum Schluss aussehen soll. Es ist, als hättest du eine Geschichte in der Absätze und ganze Kapitel fehlen. Es ist ehrlich gesagt eine Katastrophe." Tai seufzte. Es war ein Desaster. "Mhm..." Yamato nickte.

"Hast du eigentlich was zum Anziehen dabei? Ich meine außer dem, was du anhattest? So wie ich dich kenne, wahrscheinlich nicht." "Was soll das denn heißen? Du kennst mich ja besser, als ich mich selbst!" "Schon möglich." Matt grinste. *Ich hoffe nur, dass das nicht wirklich stimmt. Hoffentlich erinnert er sich bald wieder an alles.* "Auf alle Fälle gehen wir jetzt einkaufen und dann durchwühlen wir meine alten Fotoalben und helfen deinem Gedächtnis ein bisschen auf die Sprünge." "Wenn du meinst..." "Ja, ich meine. Also steh auf. Du gehst unter die Dusche und ich hole dir was zum Anziehen von mir. Los! Komm schon!" "Na gut, na gut. Ich komm ja schon! Lass mich los, du reißt mir ja den Arm aus!"

Doch das fiel Matt im Traum nicht ein. Er zog Taichi ins Bad bis unter die Dusche. "So. Du duschst und ich hol dir was zum Anziehen." Yamato versuchte in der engen Dusche um Taichi herumzugehen um das Bad wieder zu verlassen. Dabei kam er aber aus Versehen an dem klobigen Wasserhahn hängen und plötzliche prasselte kaltes Wasser auf ihn und Tai herab. Auf einmal waren beide klitschnass. Ihnen war heiß und kalt zur selben Zeit. Schweiß lief mit dem Wasser aus dem Duschkopf über ihre Haut, die eine Gänsehaut bildete. "Matt... Sind wir nicht schon mal so gestanden? Es... es gab einen Platzregen. Wir waren... irgendwo am Wasser. Es war auch kalt. Aber... wir sind doch näher beieinander gestanden, oder? Ich... ich konnte spüren, wie du gezittert hast. Deine Zähne haben aufeinander geschlagen. Es war plötzlich kalt und es war doch so... so heiß. Mehr weiß ich nicht mehr. Es fällt mir wirklich nicht mehr ein! Scheiße!"

"Vielleicht, ...vielleicht sollten wir alles noch mal genauso nachstellen, wie damals. Vielleicht fällt ´s dir dann wieder ein. Wir standen näher beieinander. So?" Yamato ging näher an Taichi heran. Er konnte trotz des kalten Wassers und der nassen Kleider Tais warmen Oberkörper spüren. Fühlend wie sich sein Atem beschleunigte begann sein Puls zu rasen und sein Blut färbte sein Gesicht. Matt unterdrückte ein leises Seufzen. Dies war mehr als er sich wünschen durfte. Mehr als das was er sich vorstellen durfte. Es durfte nicht weitergehen. Es würde Tai erschrecken, wenn er weitermachte. Er konnte nicht noch weitergehen! Bis hierher und nicht weiter! Yamato wusste nicht, was er alles tun würde, wenn es jetzt so weiterginge wie damals. Es durfte nicht sein! *Nein, nein, nein. Es darf nicht so weit kommen! Und doch... Nein! Yamato hör auf! Du gehst zu weit! Taichi kann sich doch nicht daran erinnern! Stop! Hör auf damit! Sofort!* Er blickte zu Taichi. In seinen Augen lagen Verwunderung, Erstaunen, Angst, Wiedererkennen und etwas, das Yamato nicht zu definieren wusste. "So sind wir gestanden. Genau so. Und dann,... Dann..."
 

Langsam fuhren Shinjis Hände unter Mizaels Pulli. Der kleine Teil der Haut, die seine Hände berührt hatten, brannte schier und Mizael bebte unter dieser Zärtlichkeit. "Shinji...", seufzte sie leise und rückte noch näher an ihn heran. Sie spürte seine Zunge in ihrer Mundhöhle, seine Lippen auf ihren... Sie fühlte, wie seine Hände unendlich langsam ihren Körper hinaufrutschten. Shinjis Finger strichen über ihren Rücken und ihren Bauch. Währendessen lösten sich ihre Lippen und Mizael begann sein Gesicht zu küssen und seine Ohrläppchen zu liebkosen. Sie schmeckte den Schweißfilm, der sich auf seiner Haut bildete und sie roch das dezente Aftershave und ihn selbst. "Mizael... was machst du da?" Seine Stimme war wie ein leiser, heiserer Lufthauch. "Das würde uns auch interessieren, Mizael."

Shinji und Mizael fuhren auseinander. In der Tür standen 2 Personen. Anscheinend Mizaels Eltern. Shinji hatte sie noch nie gesehen. Mizael hatte auch nie viel von ihnen erzählt. Alles was er wusste war, dass sie extrem viel arbeiteten und deshalb auch extrem selten zu hause waren. "Ähm,... ähm... Mutter, Vater, das ist Shinji. Er macht gemeinsam mit mir Musik in der Schulband. Gestern nach dem Ball war er so freundlich und hat mich nach Hause gebracht und ich habe ihn hereingebeten und ihm zum Dank eine Tasse Kaffee angeboten." "Soso... und was hat das hier zu bedeuten?" "Ähm,... ähm..." Mizael, die inzwischen aufgestanden war, suchte vergeblich nach Worten. "Ähm... Die Schule will bald ein Theaterstück aufführen. Wir sollen ein Stück aussuchen und es präsentieren. Das Stück, das die meiste Zustimmung erhält, wird aufgeführt. Vielleicht war es unklug William Shakespeares "Romeo und Julia" auszusuchen, weil es sehr, sehr schwer ist, es vorzustellen. Aber Mizael und mir ist es sehr wichtig die Botschaft dahinter den Menschen zu zeigen. Nämlich, dass sich die Liebe, das stärkste Band, das Menschen knüpfen können, sich über alles hinwegsetzen kann. Über Gefahren, Feindschaften, Hass und schließlich auch über den Tod. Wir haben gerade eine Szene geprobt, in der Romeo und Julia sich zum ersten Mal richtig bewusst werden, was sie füreinander empfinden und gegen den Willen ihrer Eltern, gegen ungeschriebene Gesetze und gegen den Hass ihrer Familien, das Traditionelle rebellieren. Für Mizael und mich ist das der aussagekräftigste Teil im ganzen Stück. Um diese Botschaft hinter dieser Szene den anderen zu vermitteln muss man sehr, sehr hart arbeiten und oft proben."

Shinji nickte energisch und Mizaels Kinn machte Bekanntschaft mit dem Fußboden angesichts dieser dreisten Lüge. Ihre Eltern aber schienen nichts davon zu ahnen. Im Gegenteil. Sie hatten Tränen in den Augen, dass ihre Tochter sich sosehr dafür einsetzte, eine derartige Botschaft ihren Mitmenschen zu vermitteln. *Wie blöd sind meine Eltern eigentlich? Die kaufen Shinji das doch nicht etwa ab?? Oder doch?* Anscheinend war es so. Denn Mizaels Vater sagte soeben: "Na, na gut. Trotzdem halte ich es für besser, wenn Sie jetzt gehen." "Wie Sie es wünschen." Shinji stand auf und zog sich an, während Mizaels Eltern das Schlafzimmer wieder verließen.

"Ich fass´ es nicht! Die haben dir das wirklich abgenommen!! Wahnsinn! Du hast mir gerade das Leben gerettet! Gut, dass du in Literatur besser aufpasst als ich!" Mizael seufzte erleichtert auf. "Schade, dass du jetzt doch gehen musst. Tut mir leid. Ich hatte echt vergessen, dass sie heute von ihren Geschäftsreisen zurückkommen." "Macht doch nichts. Vielleicht ist es besser so." Die beiden gingen durch den Flur zur Tür. "Okay, also bis morgen meine Julia! Ciao!" Shinji drückte Mizael einen flüchtigen Kuss auf den Mund und war aus der Tür. "Bis morgen Romeo."
 

Taichi berührte Yamato schüchtern und schlang schließlich seine Arme ganz um seinen schlanken Körper und zog ihn näher zu sich. Tai spürte, wie Matts Hände langsam seine Oberarme hinauffuhren und jeden Muskelstrang einzeln nachzogen. Seine schlanken Finger spielten mit Taichis Nackenhaaren. "So. Genau so war es. Was ist danach passiert?" Tais Stimme drang nur ganz leise in Matts Ohr. "Die anderen sind gekommen und haben uns ins Poolhaus gezogen." "Stimmt. Ich war so verwirrt. Alles war so komisch..." "Ich weiß, ich weiß. Lass uns noch eine Weile so stehen bleiben, ja? Einfach so." *Gott, Matt, hör auf damit! Es wird nie wieder so sein wie es war, wenn du weiter machst! Hör auf.* Ein irritierter Blick traf Yamatos saphirblaue Augen. "Weil ´s schön ist." Taichi bemerkte, wie Matts Augen wieder hinter diesem seltsamen Schleier oder Schatten verschwanden und total verklärt wirkten. "Matt?" "Hm?" "Daran erinnere ich mich nicht." Yamato lächelte. "Es ist auch nie passiert..." *Hör auf Yamato! Lass es bleiben!*

"Aha..." Nervös fuhr Tai mit der Zunge über seine Lippen. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was er gerade tat, begann Taichi sich langsam vorzubeugen. Er fühlte plötzlich Matts warmen Atem auf seinem Mund und spürte, wie sich sein schlanker Körper förmlich an ihn drängte. *Taichi, was machst du da eigentlich? Er ist dein bester Freund! Das ist doch nicht normal! Tai! Du bist ein Junge und Yamato auch! Tai!* Doch seine innere Stimme wurde leiser und leiser, bis sie plötzlich ganz verschwand.

Tai verspürte auf einmal das Verlangen Yamato stärker festzuhalten als er es schon tat, den Abstand zwischen ihnen zu Nichts zu machen und Yamatos Haut auf der seinen zu spüren. Die Begierde erwachte in ihm, seinen besten Freund zu küssen und von dessen Lippen eine Erwiderung zu spüren. Tai fühlte, spürte, begehrte und wollte. So viele Empfindungen waren noch nie auf einmal so plötzlich und schnell auf ihn eingeströmt. Sie raubten ihm den Verstand und vernebelten seine Gedanken. Bevor Tai seine Augen schloss wurden Yamatos Augen plötzlich wieder klar, doch sie waren dunkler als sonst. In ihnen lagen die Gefühle, die Tai empfand. Verlangen, Begierde und etwas, das Tai noch nie gesehen hatte. Ein zärtlicher Ausdruck, der ganz sanft über seine Seele strich.

Taichis Augenlider fielen ganz hinab und Matt beugte sich ganz langsam vor. Seine Zweifel waren weg. Wenn es geschehen sollte, dann war es so und nicht zu ändern. Früher oder später wäre es geschehen. So oder so. Es war egal. Deshalb dachte Yamato jetzt nicht mehr an Folgen, Zukunft oder Vergangenheit. Alles was zählte war die Gegenwart. Das Hier und Jetzt. Taichi und er. Er und Taichi. Niemand sonst. Aber irgendwas stimmte nicht. Es kam von weit außerhalb, doch er konnte noch nicht definieren, was es war. Doch Taichi hörte es auch. Das helle, nervtötende, laute Schrillen des Telefons.

Taichi schreckte aus seiner Trance hoch. Was war da gerade los? Er stand halbnackt mit Yamato engumschlungen in der Dusche!! Er teilte einen erschrockenen Blick mit Matt, der daraufhin ohne ein weiteres Wort zu verlieren zum Telefon stürzte. Es konnte doch nicht wahr sein!

*> So wie er heute Abend singt, muss er wirklich sehr starke Gefühle für diesen Taichi haben. Wenn er für ihn singt. < > Aber... das würde dann ja bedeuten... <* Plötzlich fiel Taichi das Gespräch wieder ein, das er am Vorabend mitgehört hatte. Aber das konnte doch nicht wahr sein, oder? Empfand Matt für ihn etwa mehr als nur bloße Freundschaft?
 

"So. Das Bild ist doch eindeutig, oder?" Die rothaarige Frau zog im roten Licht der Fotokammer einen Papierbogen aus dem Wasser und befestigte ihn an der Wäscheleine über den Wasserschüsseln zum Trocknen. Das Mädchen neben ihr spielte aufgeregt mit ihren Fingern. "Das ist es Jun." "Gute Arbeit Myja. Diese Fotos werden ein kleines Vermögen bringen." Ein hämisches Lachen umspielte Juns Mund. Ihr Blick haftete am Bild, das im roten Licht der Fotokammer noch nass glänzte. Es zeigte Yamato und Mizael in einer innigen Umarmung in der Boutique. *Ich wusste, dass man mit dir gutes Geld verdienen kann, mein lieber Yamato Ishida.*
 

Irritiert trat Taichi aus der Dusche. Eine Spur von Wasserpfützen bedeckte den Fußboden. Yamato hatte sie hinterlassen, als er zum Telefon gelaufen war. An Tai selbst floss das Wasser hinab und breitete sich auf den Fließen aus, aber er bemerkte es nicht einmal. Seine Gedanken rasten noch schneller als sein Blut durch seine Venen und Arterien. Was war da gerade passiert? Oder besser... was wäre fast passiert? *Oh mein Gott... Ich hätte fast... Wir hätten uns fast... TAICHI!! Du bist ein Kerl und er auch! Hallo?! Es hätte nie, niemals so weit kommen dürfen! Normale Leute stehen nicht miteinander unter einer viel zu engen Dusche! Vor allem dann nicht, wenn sie noch halb angezogen sind! Taichi! Du bist nicht schwul! Und Matt ganz sicher auch nicht! Er wäre der Allerletzte, der...* Doch immer noch drängte sich dieses seltsame Gespräch in seine Gedanken. Das, welches er am Vorabend mehr oder weniger freiwillig mitangehört hatte... Er schluckte. War es wirklich so, wie er vermutete?? War es so, dass seine Ahnungen sich bestätigten?? Liebte sein bester Freund ihn? Nicht wie einen Bruder, sondern anders. War es wahr? Und warum dann ausgerechnet ihn? Warum er? Warum Yamato?

Da trat Matt plötzlich wieder ins Bad. Er trug nur trockene Jeans und seine blonden Haarsträhnen klebten nass in seinem Gesicht. Auf seinem schlanken Körper waren noch Wassertropfen, die über seine Brust liefen. Winzige Tropfen schlossen sich zu einem kleinen Bächlein zusammen, das sich seinen Weg über Matts Bauch zum Bund seiner Hose hin bahnte. Weiter ließ Taichi seinen Blick nicht wandern. Zum einen aus Angst davor, Matt könnte es bemerken, zum anderen aus Furcht vor dem, was er selbst denken und vor allem fühlen könnte.

"Der am Telefon hat sich nur verwählt. Ähm... das hier sind ein paar Klamotten für dich." Matt legte einen kleinen Wäschestapel ins Waschbecken. "Ich hoffe, sie passen dir. Ich ähm, ich warte dann in der Küche auf dich." Nervös schlug Yamato die Hände aneinander. "Ähm ja. Bis.... äh dann. Ja. Ähm... Ciao."

Schwer atmend zog Matt die Tür hinter sich zu und lehnte sich an die Wand neben ihr. *Dieser Blick...* Ja, natürlich hatte er bemerkt wie Taichi ihn angesehen hatte. Seine Blicke hatten auf seiner nackten Haut gebrannt wie Feuer, das ihn aber trotzdem nicht verletzte. Vorsichtig, tastend waren seine Augen Matts Körper hinunter gewandert. *Oh mein Gott. Tief durchatmen. Beruhig dich Matt. Tief durchatmen, tief durchatmen...* Yamato stützte seinen Kopf ebenfalls an die Wand und betrachtete für einen Moment die Decke und schloss dann die Augen. Er hatte Tais Blicke fast so deutlich gespürt, als wären es seine Hände gewesen, die zärtlich über seinen Haut strichen. Ein wohliger Schauer durchlief Yamato. Taichis Finger streichelten seine Brust, umfuhren die sich ganz schwach abzeichnenden Bauchmuskeln, umkreisten seinen Bauchnabel... und wanderten schließlich zum feuchten Bund seiner Jeans. Yamato seufzte tief.

*Hör auf, Yamato. Es wird nie so sein. Du tust dir damit doch nur selber weh. Tai hat alles vergessen. Und es ist besser, wenn er sich nicht daran erinnert. Es ist am besten für euch beide. Mach dir keinen Hoffnungen! Du kannst nicht mehr verlangen als seine Freundschaft. Sogar für die solltest du dankbar sein! Mehr darfst du dir nicht wünschen! Hör auf!* Matt atmete tief durch. Er durfte einem Blick und einem Vorfall unter der Dusche nicht zuviel Gewicht schenken! Doch der "Was-wäre-wenn..."-Gedanke war einfach zu schön. *Nein! Vergiss es! Taichi fühlt nicht so wie du! Ganz sicher nicht! Vielleicht tat er es einmal, aber es ist lange her! Zu lange! Er hat dich fast vergessen! Also vergiss du deine Gefühle für ihn!* Yamato widerstand der Versuchung, seine geballte Faust wütend gegen die Wand hinter seinem Rücken zu schlagen. Stattdessen sog er noch einmal viel Luft ein und ließ sie ganz langsam durch seine Nasenflügel wieder ausströmen. Danach war es besser und er seufzte schwer. Dann ging er sich fertig anziehen, um dann in der Küche auf Taichi zu warten.

You Are My Best Friend... - Du Bist Mein Bester Freund...

Chapter 10: You Are My Best Friend… - Du Bist Mein Bester Freund…
 

Wenige Minuten später spülte er auch schon das Frühstücksgeschirr in der Küche ab, als plötzlich erneut das Telefon schrillte. "Moshi, moshi?", fragte er etwas genervt über den morgendlichen Anruf in den Hörer. Am anderen Ende meldete sich eine wütende Stimme. "Sag mal, was fällt euch eigentlich ein? Hab ich euch denn nicht klar und deutlich gesagt, dass ihr genau das nicht tun solltet? Hab ich es euch nicht immer und immer wieder eingebläut? Und was macht ihr? Vor allem du! Du bist eigentlich der, der es am allerwenigsten tun sollte! Von dir hängt doch im Grunde alles ab!" Verwundert blickte Matt den Hörer an. Noch immer dröhnten die Worte seines Managers in seinem Ohr. Was war denn jetzt auf einmal los? Als Erklärung kam nur, Yamato solle doch in die heute erschienenen Magazine einen Blick werfen.

Verwirrt legte Matt den Hörer neben die Spüle und durchwühlte den Poststapel, den er vorher auf den Tisch gelegt hatte. Er zog eines jener Magazine hervor, die er nicht selbst las, wohl aber seine Fans. Deshalb bekam auch er sie zugeschickt. Er überblätterte ein paar Seiten und hielt dann plötzlich inne.

>Yamato und Mizael, das neue Paar in der aktuellen Musikszene?< Hinter der riesigen Schlagzeile war ein Bild, das anscheinend in der Boutique geschossen worden war zu sehen. Also hatte Matt sich nicht verhört. *Verdammt! Wie ich so was hasse! Diese Reporter haben doch selbst von nichts eine Ahnung. Und der Ärger mit meinem Manager ist jetzt echt das Letzte, was ich gebrauchen kann.* Wütend packte Matt die Illustrierte und pfefferte sie in eine Ecke. Er hatte nicht übel Lust, die nächste zu packen und aus dem geöffneten Fenster zu schleudern.

Gerade als er ausholte hielt jemand ihn am Handgelenk fest.

"Beruhig dich, Matt. Was ist denn überhaupt passiert?" "Schau doch selbst!" Der Ton, den Yamato anschlug war schärfer und lauter ausgefallen, als er beabsichtigt hatte. Er erntete dafür einen etwas erschrockenen Blick von Tai, der aber sogleich wieder verschwand und einem Ausdruck des Wiedererkennens wich. Taichi öffnete den Mund zu einer ebenso scharfen Antwort, ließ es dann aber sein, weil er wusste, dass so etwas sehr schnell bei ihnen in eine Prügelei ausarten konnte. Stattdessen nahm er Matt fast zärtlich die Zeitschrift aus der Hand. Stumm wies er auf das Telefon, das noch immer neben der Spüle lag und bedeutete Yamato weiterzutelefonieren, während er den Artikel las, der in etwa derselbe war, wie der der Illustrierten, die in der Ecke lag.

Langsam ließ sich Tai auf die Eckbank sinken und blätterte die Zeitschrift durch. Als er die entsprechenden Seiten gefunden hatte, begann er die Bilder zu betrachten und den kurzen Artikel zu studieren. Er las zwar, aber der Sinn der Worte zog an ihm vorbei. Stattdessen rasten seine Gedanken. Auf der einen Seite war er erleichtert, denn wenn es wahr war, was Taichi sah, dann konnte es doch unmöglich sein, dass Matt mehr für ihn empfand als Freundschaft. Andererseits machte sich ein seltsames Gefühl in ihm breit. So etwas wie tiefe, bodenlose Enttäuschung. Und er spürte kleine, aber harte Nadelstiche in der Brust, wenn er die Bilder anschaute. Mühevoll unterdrückte er den Druck in seinen Augen.

Kurz warf er Yamato einen Blick zu. Er debattierte heftigst mit der Person am anderen Ende der Leitung. Tai hörte nicht hin, was Matt sagte. Es erschien ihm unwichtig. Im Moment konzentrierte Tai sich nur darauf, dass sein bester Freund womöglich eine Freundin hatte. Er stellte sich vor, wie sie sich ansahen, umarmten, berührten und küssten. Die Gefühle, die Tai dabei empfand waren alles andere als angenehm.

Taichi seufzte und schlug das Magazin zu. Er hatte genug gesehen. Verstohlen strich er sich kurz über die Augen und betrachtete dann wieder Matt. Es war seltsam ihn so wütend zu sehen, wenn die Wut nicht gegen Tai selbst gerichtet war. Sie hatten sich oft zornig gegenübergestanden und mindestens genauso oft geprügelt. Aber das war, bevor sie Freunde geworden waren. *Früher... Verdammt lang her... Selbst für mich, wo ich mich doch nicht erinnern kann.* Tai bemerkte, dass Yamato kurz vor einem regelrechten Wutausbruch stand. Das dämonische, gefährlich dunkle Funkeln in seinen wurde stärker und sein Mund war verkniffen. *Da muss sich ja echt was angestaut haben bei ihm. Normalerweise ist er reagiert er doch cool. Von wegen "Mein Jähzorn ist weg..."* "Ja. Ciao." Yamato donnerte den Hörer regelrecht auf. Dann seufzte er. Sein Zorn schien genauso schnell zu verpuffen, wie er gekommen war. Aber Taichi erinnerte sich, dass die äußerliche Fassade nur die größte schauspielerische Kunst war, die er je gesehen hatte. Innerlich kochte Yamato weiter und Taichi ahnte, dass das wahre Gewitter ihnen noch bevorstand.

"Tai, ich fürchte, dass das Fotoanschauen und Einkaufen etwas warten muss. Das war gerade mein Manager. Ich muss zu einer dringenden Besprechung. Es geht um... Na ja... du hast es ja gelesen." Matt wies mit dem Kopf zur Zeitschrift die auf dem Tisch lag. Tai nickte. "Kommst du mit? Irgendwer muss mich schließlich zurückhalten, gewisse Leute zu verprügeln." Yamatos Grinsen wurde schwach von Taichi erwidert. Seufzend stand er auf. "Natürlich komm´ ich mit. Gehen wir."
 

Mizael sprang auf. "Was sagen sie da? ... Das ist doch nicht möglich! ... Ja, ich komme sofort. Ciao!" Sie schob das kleine Handy zurück in die Tasche ihrer Hose. Dabei bemerkte Mizael, wie sehr ihre blassen Hände zitterten. Man hatte sie abgelichtet. Zusammen mit Yamato. Gegen das Blitzlichtgewitter zum Beispiel bei Veranstaltungen oder an Flughäfen hatte sie wirklich nichts. Es war schließlich Teil ihres Berufs in die Kameras zu lächeln und diese Bilder dann in diversen Zeitschriften wiederzufinden, aber sie mochte es nicht, wenn Leute sie unter anderen Umständen fotografierten. Sie seufzte. "Ich muss gehen. Wir haben eine dringende Bandbesprechung. Ich hab keine Ahnung, wann ich wiederzurückkomme, also wartet nicht mit irgendwas auf mich. Wir sehen uns! Tschüß!" Mizael ließ ihre Mutter mitten im Zimmer einfach stehen. Sie musste jetzt wirklich über wichtigeres nachdenken, als die Gefühle ihrer Eltern, die sie soeben verletzt hatte. Mizael hatte zwar ein schlechtes Gewissen, aber ihre Eltern hatten es schließlich mit ihr auch immer so gemacht. Die Karriere vor jeglichen Gefühlen. Und es war jetzt ihre Karriere. Ihr Beruf. Und dieser war in seiner jetzigen Form gerade in Gefahr wegen eines blöden Fotos.

Eine Photographie wie dieses bedeutete, dass sie schlimmstenfalls eine Presseerklärung geben mussten. Was aber sicher war, das waren die zahlreichen Reporter, die über sie herfallen würden. *Wie die Heuschrecken in Ägypten...* Diese Paparazzia waren wirklich so schlimm wie eine Plage. Aber eine Plage, ohne die es sie nicht geben würde. Einerseits hasste Mizael die Presse, aber auf der anderen war genau sie, ihre Berufsgruppe, so sehr auf Artikel und Fotos angewiesen, wie keine Zweite. Sie seufzte. *Dabei hatte der Tag so schön angefangen...*

Langsam begann Mizael sich zu fragen, was Shinji im Moment wohl dachte und tat. Er nahm doch das, was in den Zeitschriften stand doch nicht etwa ernst, oder? War er auch gerade auf dem Weg zum Treffen? Dachte er an sie? Glaubte er, dass sie mit Matt zusammen war?? Da bemerkte sie, dass jemand laut nach ihr rief. Mizael drehte sich um und erkannte Shinji, der auf sie zulief. In seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht definieren konnte. Keuchend blieb er vor ihr stehen. Er hatte noch nicht genug Luft um zu reden, da sah Mizael, welche Frage in der Luft schwebte und in seinen Augen lag. "Nein, es stimmt nicht." Ein Lächeln huschte über seine Lippen und er nickte leicht, aber glücklich und sichtlich erleichtert. Shinji wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Er vertraute Mizael vollkommen.

Sie waren ein Paar. Daran konnte niemand etwas ändern, bis auf sie selbst. Aber sie waren nicht ganz so Paar, wie beide es gerne wollten. Kein Kuss, keine Umarmung und auch, als beide weitergingen, hielten sie sich nicht an der Hand. Dazu waren sie zu sehr Profis. Zu sehr besorgt ihr Privatleben aufzudecken. Keiner von beiden sagte ein Wort und schweigend trafen sie bei einem kleinen Gebäude ein, vor dem Yukiro bereits wartete. Er hatte sie noch nicht bemerkt, weil er nach links sah. Shinji drehte den Kopf in dieselbe Richtung wie er und entdeckte Yamato und Taichi, die von einer anderen Straße her auf sie zukamen.
 

"Dort vorne sind sie." Matt hob die Hand und sein Gruß wurde dreimal erwidert. "Du, Matt?" Taichi, der im Gegensatz zu seinem Charakter die ganze Zeit nicht viel gesagt hatte, blieb stehen. "Mich würde interessieren, ob nun ja... Ich möchte wissen, ob es stimmt..." Verwundert hielt auch Yamato mitten auf der Straße an. "Ist das nicht offensichtlich?" Das war genau die Antwort, die Taichi gebraucht hatte. Diese Antwort gab es in Mangas immer dann, wenn die Frage derart interessant war, dass es einen verrückt werden ließ, wenn man mit einer solchen Antwort abgespeist wurde. "Ich, ich weiß nicht. Mizael und die anderen kenne ich noch nicht lange genug. Außerdem kann ich mich noch immer nicht an alles erinnern. Im übrigen ist deine Antwort total nichtssagend. Also. Ja oder Nein. Mizael und du. Seid ihr ein Paar?"

Endlich. Es war draußen. Die Sache, die Taichi die ganze Zeit über auf der Seele gebrannt hatte. Endlich war diese Frage ausgesprochen. Taichi seufzte leise auf. Er wusste nicht, welche Antwort er erwartete. Beide waren auf ihre Art und Weise Erlösung und Folter zugleich für Tai. Sagte Matt Ja und bestätigte damit Tais Ahnung, würden die Zweifel über ihre Beziehung endgültig geklärt sein. Denn wie konnte Yamato ihn lieben, wenn er in Mizael eine feste Freundin hatte? Doch Tai spürte als er über dieses Ja von Matt nachdachte, wie sich ein hässliches Gefühl in ihm breit machte. Er wollte das nicht empfinden. Er sträubte sich mit allen Mitteln dagegen. Doch wenn es so sein würde, würde Taichi nichts dagegen tun können.

Jedoch bei einem Nein als Antwort wäre dieses Gefühl wie weggeblasen sein. Zwar noch da, aber so klein, dass man es vergessen konnte. Aber Taichi würde sich weiterhin über das, was Matt und er füreinander empfanden machen, Gedanken machen. Und Tai wusste, dass er damit niemals würde aufhören können, ehe er die Wahrheit erfuhr.

"Nein. Wir sind kein Paar. Eindeutig genug?" Tai nickte. Dass Yamato diese Antwort gegeben hatte erschien ihm jetzt so, als hätte er es bereits wissen müssen, als er die Illustrierte aufgeschlagen hatte. Eine seltsame Erleichterung machte sich in Tai breit. Er konnte sich nicht erklären warum und wieso, aber er war einfach nur noch froh. Froh, dass die Bilder, die er gesehen hatte, logen, dass der Artikel log, dass die ganzen Magazine und Zeitschriften logen. Taichi wusste, dass Yamato ihn nie, niemals anlügen würde. Jeder andere. Aber nicht Matt. Auf ihn konnte er sich hundertundeinprozentig verlassen. Sein bester Freund würde so etwas nicht tun. Er nicht. Genauso wie er. Auch Taichi würde Matt nie mit einer Lüge abspeisen. Tai lächelte sanft.

"Was grinst du denn so? Vorher hast du noch Trübsaal geblasen und jetzt lächelst du, als hättest du im Lotto gewonnen!" "Hmm... ich weiß nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich daran erinnere, dass du mal gesagt hast, dass ich dein bester Freund bin." "So? Hab ich das wirklich? Jetzt musst du mir aber auf die Sprünge helfen, mein lieber Taichi... Wer dich zum besten Freund hat, der braucht keinen Erzfeind mehr." Yamato grinste. Wenn das wirklich stimmte, was Tai sagte, dann waren sie ein gutes Stück weiter, als noch heute morgen. Vielleicht würde Tai sich auch noch an anderes... *Nein, Ishida! Hör auf!*

"Dieses Kompliment kann ich nur zurück geben. Ähm... ich denke zum ersten Mal hast du es mir gesagt, da sind wir genau hier entlang gegangen. Ich glaube, es war der Tag, an dem wir unsere Aufnahmetests für die Mittelschule bestanden haben." "Gut möglich. Es wird schon stimmen, wenn du es so sagst. Ich weiß noch sehr gut, wie sehr es geregnet hatte." Langsam begann Matt wieder zu gehen. Wenn sie noch länger stehen blieben, würden sie morgen noch nicht bei Mizael und den anderen sein. "Ja, genau. Wir waren beide total nass, aber der Regen störte uns überhaupt nicht. Wir sind ganz ruhig weitergegangen und haben geredet. Und ganz plötzlich hast du gesagt: "Tai, du bist mein bester Freund." Und zwar genau so. Ich bin total baff gewesen. Du bist der allerletzte gewesen, dem ich diesen Satz so aus der Luft zugetraut hatte. Und ich weiß bis heute nicht, warum du plötzlich damit herausgerückt hast." Taichi grinste. Ein weiterer kleiner Schritt in Richtung seines vollständigen Gedächtnisses war getan.

"Soll ich dir verraten, warum?" "Ja. Das würde mich jetzt brennend interessieren. All die Jahre hab ich mich gefragt: Warum ausgerechnet ich?" "Hmm... Erstens: Irgendwann musste ich es ja sagen, nachdem doch so offensichtlich war, dass ich dein bester Freund war. Du bist nämlich nicht gerade der Beste, wenn es darum geht etwas zu verstecken. Dazu bist du viel zu ehrlich. Und zweitens: Weil du mein bester Freund bist. Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Wehe, du haust noch mal so lang ab, ohne zu schreiben." Ein Grinsen überflog ihre Gesichter. "Keine Panik. Jetzt, wo ich meinen besten Freund wiederhabe, werde ich ihn nicht mehr so schnell vergessen."

"Das rate ich dir auch, Yagami. Und wenn du schon mal dabei bist, ich hab dir gestern gesagt, dass ich keine Freundin hab und geschrieben hab ich dir das sicherlich auch. Aber wahrscheinlich hast du mir mal wieder nicht gut genug zugehört bzw. gelesen, was?" "Das liegt nur daran, weil du eine solche Klaue hast, dass ich den Satz nicht entziffern konnte.", gab Tai schlagfertig zurück. Diese kleinen Sticheleien erinnerten ihn wieder an die Zeit vor über 2 Jahren und zauberten ein Lächeln auf sein Gesicht. "Du hast ja Recht." Matt gab sich geschlagen. Er hatte keine Lust, jetzt mit Taichi zu streiten, ob er nun eine unleserliche Schrift hatte oder nicht.

"Ich kann sie lesen, das reicht doch nun wohl oder?" "Wenn du meinst. Warst nicht du der, der sich vor Physik mein Heft leihen wollte, weil seine Schrift derart unleserlich gewesen ist?" Ein fieses Grinsen breitete sich auf Tais Mund aus. Es gefiel ihm, Yamato und zugegebenermaßen auch sich selbst immer wieder in Erstaunen zu versetzen. "An dieses Detail meines Lebens hättest du dich aber jetzt nicht zu erinnern brauchen. Außerdem ist deine Handschrift noch schrecklicher als meine." "Ich hab doch nie was anderes behauptet oder?" Tai setzte seinen unschuldigsten Engelsblick auf und sah Matt mit großen braunen Dackelaugen an. Dieser seufzte. "Jaja..."

"HA!" "Was ist denn jetzt wieder los?" "Dir sind die Argumente ausgegangen! Das ist noch nie passiert! Ich hatte das letzte Wort! Ich habe dich besiegt! Ich habe dich geschlagen! Gebt mir ein T! Gebt mir ein A! Gebt mir ein I! Wer ist der Größte? Wer ist der Größte? Hm? Hm? Hm?" "Ja, gut. Okay. Du hast gewonnen. Ich hab verloren. Bist du jetzt zufrieden?" Wenn Matt ehrlich war, ging es ihm gewaltig gegen den Strich, sich diese Niederlage eingestehen zu müssen.

"Ja. Zum Trost, lad´ ich dich nachher auf ein Eis ein." "Oh, wie spendabel von dir.", erwiderte Yamato trocken. "Bist du jetzt beleidigt?" "Nein, bin ich nicht." "Bist du wohl." "Bin ich nicht." "Doch." "Nein." "Doch." "Nein." "Doch." "Nein." "Doch, doch, doch." "Nein, nein, nein, nein." "Gut. Gewonnen. Wir sind quitt." Tai streckte Matt die Hand hin und dieser schlug ein. *Wirklich genauso wie früher...* Inzwischen standen die beiden grinsend vor Shinji, Mizael und Yukiro, die sich keinen Reim auf ihr seltsames Verhalten machen konnten.
 

Taichi sah sich um. Zum wievielten Mal denn nun schon? Wie oft hatte er denn heute schon seinen Blick vom einen Ende der Straße zum anderen schweifen lassen? Nur vereinzelt kamen Menschen vorbei. *Eigentlich seltsam. Ausgerechnet in Tokio...* Langsam spürte Taichi, wie die Kälte durch die Jacke stieg. Er hatte sie sich von Yamato ausgeborgt, genauso wie die Sachen, die er trug. Taichi zog den Kopf ein und vergrub seine Nase im weichen Stoff. Irgendwie war das Gefühl, das er empfand wenn er Matts Duft so intensiv roch angenehm. Tai lächelte. Im Grunde war es ja ganz schön, dass es kälter wurde.

"Mensch, wo bleiben die nur? So lange kann das doch nicht dauern...", nuschelte Tai leise in die Jacke. Eigentlich hätte er jetzt auch in dem großen Gebäude vor ihm sitzen müssen. Aber der Manager hatte ihn postwendend rausgeschickt, bevor Tai auch nur einen Fuß hineingesetzt hatte. Die Besprechung sei sehr "bandintern" und "Außenstehende" hätten damit nichts zu tun. Taichi hatte sofort erkannt, dass der Manager zwar ein guter Geschäftsmann war, was man aber keinesfalls von ihm als Mensch sagen konnte. Er seufzte. Eine oder zwei geschlagene Stunden wartete er nun schon darauf, dass die Tür aufschwang und seine Freunde herauskamen. *Zum Glück ist wenigstens die Bank da. Sonst hätte ich mir ja die Beine in den Bauch gestanden!* Er betrachtete seine Schuhspitzen, wie sie ganz langsam auf die eine Seite kippten und sich dann wie ein Stehaufmännchen wieder aufrichteten. Und das nur, um auf die andere Seite zu fallen. So langweilig war Tai seit langem schon nicht mehr gewesen. Als ein kalter Windhauch vorbeikam, grub Tai seine Hände noch tiefer in die Jackentaschen und versteckte fast sein ganzes Gesicht im Kragen.

Da hörte er auf einmal Stimmen, die aus dem Gebäude zu kommen schienen. Die Tür wurde geöffnet und Yukiro trat heraus. Er machte ein finsteres Gesicht. *Komisch. Dabei habe ich gedacht, der wäre immer lustig und gut drauf...* Nach Yukiro kam Shinji. Er sah auch nicht gerade wie der Glücklichste Mensch auf Erden aus. Tai meinte erkennen zu können, dass er geweint hatte, war sich aber nicht sicher, weil er davon nicht viel verstand. Dann verließ Mizael das Haus. Sie sah eigentlich aus wie sonst auch immer. Keine sichtbar große Veränderung lag auf ihrem Antlitz. Doch sie schien einen inneren Kampf mit sich auszufechten. Direkt hinter Mizael folgte Yamato. Sein Gesicht wies noch Spuren eines Wutanfalls auf, den er anscheinend gehabt hatte. Seine blauen Augen lagen tief und dunkel in ihren Höhlen und seine aschblonden Haare hingen ihm wirr in die Stirn. Taichi hatte es ja geahnt, dass es soweit kommen würde. Aber jetzt konnte er auch nichts mehr daran ändern. Die Tür hinter Yamato schlug wie von Geisterhand zu.

Mizael und Yamato kamen auf Tai zu, während Shinji und Yukiro schnurstracks weggegangen waren. Plötzlich fiel Taichi auf, dass die beiden näher beieinander gingen, als nötig gewesen wäre. Dann erkannte er den Grund. Mizaels Hand lag fest in der von Yamato. Tai sog scharf die Luft ein. Was war denn jetzt auf einmal los? Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit.

"Taichi? Ich..., ich muss mit dir reden." Matt schluckte schwer und trat noch einen Schritt auf seinen besten freund zu. Taichi stand auf. Was hatte das alles zu bedeuten? Er konnte sich nicht erklären, warum Matt und Mizael plötzlich Händchen hielten. Warum konnte Yamato ihm nicht wie sonst in die Augen sehen? Was war für Matt plötzlich so interessant am Boden, dass er diesen ansah und nicht ihn? Irgendetwas stimmte hier nicht. Dessen war Tai sich sicher. Doch er wusste nicht, ob ihm das gefallen würde, was Matt antworten würde. "Um was geht es denn?" Er ahnte Schlimmes. Yamatos Stimme war sehr leise und brüchig, als er zu Sprechen begann. "Ich..., ich habe gelogen. Mizael und ich... Wir... wir sind ein Paar. Seit einem Jahr schon..."

Do You Tell The Truth...? - Sagst Du Die Wahrheit...?

Chapter 11: Do You Tell The Truth...? – Sagst Du Die Wahrheit…?
 

"W… was?" Taichi kam es vor als fiele er. Als würde man ihm den sicheren Erdboden unter den Füßen wegziehen und in eine endlose, schwarze Tiefe stürzen. Er fiel und fiel und fiel. Aus Oben wurde Unten und aus Unten Oben. Links wechselte mit Rechts und alle Farben mischten sich zu einem dunklen, alles schluckenden Schwarz. Geräusche, Bilder und Gefühle. Zurück blieb nur Schmerz. Plötzlich fand Taichi sich in Tokio wieder. In seinem Kopf drehte sich alles. "Ihr seid was?" Mizael und Yamato waren ihm die Antwort noch schuldig. Taichi schluckte. Er hatte die Antwort doch schon erfahren! Warum musste er sie jetzt noch einmal hören?? Um sich noch mehr Schmerz zuzufügen? Schmerz, von dem er nicht einmal wusste, warum er ihn genau hatte? Oder war es deshalb, weil er sich verzweifelt an den winzigen, dünnen Strohhalm der Hoffnung klammerte, dass er sich doch verhört hatte? Diese Hoffnung... warum hatte er sie? Was machte sie aus? Eine Hoffnung, dass Yamato und Mizael kein Paar waren? Warum empfand er so eine Hoffnung? Er durfte sie doch eigentlich gar nicht haben, oder?

"Wir sind zusammen. Ein Paar. In der Boutique vor ein paar Tagen fühlten wir uns unbeobachtet. Wir sind schwach geworden und man hat uns fotografiert. Nun ja. Jetzt bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als auch noch zusagen, dass wir in einer Woche zusammenziehen werden." Mizael ratterte diesen Text herunter, als hätte sie ihn auswendig gelernt. Sie sah den Schmerz in Taichis Augen nicht, der mit jedem Laut, jeder Silbe und jedem Wort größer wurde. Er wuchs ins Unermessliche und schnürte Tai die Kehle zu. Langsam nickte er. Zu nichts anderem fähig. Eine Hand, eine Klaue, heißkalt, mit Dornen übersät und scharfen Klingen als Krallen umschloss sein Herz und drückte zu. Das Blut, vorher noch ein lebendiger, reißender Strom war nur noch träges, trübes Brackwasser, das sich mühsam durch Venen und Arterien zwängte. Nach einigen Sekunden wurde es besser, doch die Klaue blieb und umgab weiterhin sein Herz, bereit wieder zuzuschnappen.

Taichi nickte erneut. *Nächste Woche also...* Bis dahin würde er wohl entweder nach Hause zurückkehren oder sich in einem Hotel einmieten. Denn Taichi erschien es logisch, dass Mizael von zu Hause aus und bei Matt einziehen würde. Er seufzte. Plötzlich schien es ihm, als läge er wieder im Krankenhaus. Gerade war er aufgewacht. Seine Vergangenheit war dunkel und von düsteren Nebelschwaden umgeben. Tais Blut floss langsam und träge durch seinen Körper. Seine Gliedmaßen waren gelähmt und fühlten sich an wie unnötiger Ballast, der einen Heißluftballon beim Aufstieg in den weiten blauen Himmel behinderte. Das Einzige was Tai noch fühlte, fühlen konnte, war der tiefe dumpfe Schmerz in ihm, der sich allmählich in seinem Leib ausbreitete und von seinem Körper und seiner Seele langsam Besitz ergriff.

"Tai? Geht´s dir gut?" Mühsam hielt Taichi Tränen zurück, aber es gelang ihm nicht ganz. Zwei kleine Wassertropfen benetzten seine Wangen. Er schluckte. "Natürlich geht´s mir gut! Warum sollte es mir denn schlecht gehen?" Das Grinsen um seinen Mund wirkte aufgesetzt, künstlich und falsch. Yamato sah seinen besten Freund mit glasigen, sorgenvollen Augen an. Bei Gott, Taichi war bei weitem der schlechteste Lügner dem er je begegnet war. Matt sah, wie sehr er eben Taichi verletzt hatte. Das Leid, das sich im ganzen Gebärden von Taichi zeigte nicht wenig war und das diese Verletzung tiefer ging, als Tai selber ahnte.

Dennoch nickte Matt. Wenn er jetzt nachhakte würde Taichi endgültig die Fassung verlieren. "Gehen wir." Mizael unterbrach das Schweigen. Ihre Augen glänzten und es war das erste Mal seit Jahren so. Normalerweise war sie ein gefasstes, kühles Mädchen. Aber dieser ganze Tag ging ihr gegen den Strich. Sie hasste Situationen wie diese. Sie hasste Tai dafür, dass er für Yamato solche Gefühle hatte, auch wenn er sich diese nicht eingestand und Yamato sie nicht sehen wollte. Sie hasste Matt dafür, dass er Tai angelogen hatte. Sie hasste den Fotografen dafür, dass er sie abgelichtet hatte. Und sie hasste sich selbst dafür, dass sie Matts Freundin war. *Ich hasse diesen ganzen beschissenen Tag! Verdammt!* Sie betrachtete die beiden Jungen, die noch immer keinerlei Reaktion zeigten. Die Sorgen und Entschuldigungen in Yamatos Saphiren schienen nicht von den von Schmerz und Enttäuschung beherrschten Augen Taichis gesehen zu werden. Völlig lethargisch blickten sie um sich. Vollkommen unabhängig von Tais Gedanken und Wahrnehmungen huschten sie ruhelos über die trostlose Umgebung.

Es brach Mizael das Herz die beiden so zu sehen. Verstohlen wischte sie sich mit der freien Hand über die Augen. Die Finger der anderen waren mit Yamatos Fingern ineinander verschränkt. Verkettet. Zusammengeschweißt. Mizael fühlte, wie sehr Matt mit sich kämpfte, denn der Druck seiner Hand nahm immer weiter zu, bis sich die Hand fast verkrampfte. Mizael meinte, jeden Augenblick müssten ihre Handknochen brechen. Doch sie sagte nicht, dass der Schmerz langsam ihren Arm hinaufkroch und ihn fast lähmte. "Hey Leute, lasst uns doch irgendwo hingehen.! *Eine blödere Bemerkung ist dir wohl nicht eingefallen, was? Idiot!* Doch es wirkte. Schlagartig waren Yamato und Taichi wieder geistig anwesend. Mizael fühlte ihre Finger wieder und sah einen entschuldigenden Blick in Matts Augen, der für kurze Zeit ihr galt und dann wieder zu Taichi wanderte.

Tai schloss kurz die Augen und schluckte. *Haltung bewahren Yagami. Haltung bewahren. Es war doch klar, dass Yamato nichts für dich empfindet. Hör auf, darüber traurig zu sein. Freu dich für Yamato und Mizael, dass sie zusammen sind! Sie sind ein Paar und du wirst nichts daran ändern können! Mach kein Gesicht, wie sieben Tage Regenwetter! Schlechte Laune passt nicht zu dir! Du bist Taichi Yagami. Du bist der beste Freund von Matt. Und als solcher hast du gut drauf zu sein und sich für die beiden zu freuen! Also! Lächle! Lächle Taichi!* Tatsächlich gelang es ihm ein Lächeln auf dem Mund zu haben, als er die Augen wieder öffnete. Aber deren Ausdruck wollte nicht zu den nach oben gezogenen Mundwinkeln passen. Es wirkte wie eine groteske Verzerrung seiner selbst. Ein trauriges Abbild seines alten Ichs. Vielleicht war es das Beste, sich jetzt abzulenken.

"Ja. Lasst uns irgendwo hingehen. Es ist zwar erst Mittag, aber wie wär's mit einem Eis? Das Eis in Amerika ist zwar auch gut, aber zu Hause schmeckt es hunderttausendmal besser." Einer unerwarteten Eingebung folgend schob er Mizael und Yamato vor sicher. Tai wusste auf einmal, dass nicht weit von hier eine Eisdiele war. "Das 'Il' gibt´s doch noch, oder?" Wasser sammelte sich auf Tais Zunge, als er an das kleine Eiscafé dachte. Die 28 Eissorten des 'Il Gelato' waren seinen Geschmacksnerven plötzlich wieder in bester Erinnerung.

"Natürlich. Obwohl sie in den letzten Jahren erhebliche Verluste eingefahren haben, weil ein gewisser Taichi nicht mehr gekommen ist. Der hat nämlich immer soviel Eis gegessen, dass sie eigentlich sonst nichts verkaufen mussten." Für diese Bemerkung bekam Matt Tais Zunge zu sehen. "Ihr wollt doch nicht allen Ernstes mitten im Winter zum Eis Essen gehen, oder? Es ist doch schon kalt genug!" "Warum sollten wir denn nicht?", fragten beide gleichzeitig. "Es ist doch so kalt. Aber mir ist's ja gleich. Ich bestell mir dann halt einen Kakao, damit ich mir nicht sämtliche Gliedmaßen abfriere. Müssen wir wirklich Eis essen? Es ist doch so kalt." Mizael seufzte. Man konnte nicht oft genug sagen, dass es kalt war. "Ja. Wir müssen Eis essen! Für Eis ist es nie zu kalt!" Fast war es wieder wie früher. Eine kleine Streitigkeit zwischen Matt und Tai. Eine Auseinandersetzung die beiden Spaß machte, weil das was sie sagten niemals wirklich ernst gemeint war. Kleine Sticheleien von Yamato und Tais manchmal etwas unbeholfenen Antworten waren das, was ihre Freundschaft so einzigartig machte. Früher waren sie der Anlass zu regelrechten Prügeleien gewesen, heute lachten sie beide darüber. *Fast so wie früher...* dachte Yamato. Aber eben doch nur fast...
 

Behutsam und darauf bedacht, keinen Laut zu verursachen öffnete die Gestalt die Hintertür. Die Innenstadt war belebt, aber der kleine Hinterhof dunkel und verlassen. Hier sammelte sich Abfall und Kisten stapelten sich an den Wänden. Der Karton war nass und leichter Schimmelgeruch drang zu der Gestalt herüber. Sie rümpfte die Nase und schlüpfte im Schatten der Häuser in das Treppenhaus des Gebäudes. Die Schatten der Wände verbargen ihr Gesicht und rasch stieg sie die Treppen hinauf. Die Absätze ihrer Schuhe klickten leise und ihr Widerhall drang von allen Seiten auf sie zurück. Man könnte meinen, dass jemand ihr folgte, doch die Gestalt wusste, dass niemand im hinteren und oberen Teil dieses Gebäudes hauste. Im vorderen Teil hatte ein kleines Geschäft Platz gefunden. Der Schatten beschleunigte seine Schritte und trat durch eine weitere Tür im ersten Stock. Spinnweben, Staub und Schmutz empfingen sie hier. Durch die verschmutzten Fenster warf die Wintersonne schwache Strahlen herein und malte Muster auf den Boden. Hier war schon länger keiner mehr gewesen. Und es würde vermutlich auch so bald keiner mehr herkommen.

*Ideal für mich...* Die Person trat näher ans Fenster und spähte hinaus. Auf der Straße unter dem Fenster tummelten sich die Menschen. Keiner warf auch nur zufällig einen Blick herauf. Ein eisiges, schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen. Mit einem unterdrücktem Seufzen ließ sie die schwere dunkle Tasche auf den Boden gleiten. Staub wirbelte auf und tanzte im Sonnenlicht. Die Gestalt nahm ihren Schal ab und zog sich die Mütze vom Kopf. Dichte, rote Haare kamen zum Vorschein und fielen kinnlang bis in das Gesicht der jungen Frau. Sie bückte sich und zog ein schwarzes Kopftuch aus der Tasche und versteckte die Haare wieder darunter.

Dann ließ sie sich in den Staub sinken und bezog Stellung vor dem Fenster, immer eine kleine Seitenstraße im Visier. Bald musste es soweit sein. Ein sanftes Vibrieren in ihrer Hosentasche signalisierte ihr einen Anruf. Sie ließ eine Hand zur Hose gleiten und zog das kleine Handy heraus. Sie drückte einen Knopf und hielt das Mobiltelefon an ihr Ohr. Sie sprach nur sehr gedämpft, denn es bestand die Möglichkeit, dass jemand sie unten im Geschäft hörte. " ... Ja, ich bin bereits da. ... Ja. Verstanden. ... Selbstverständlich. Bezahlung wie immer? ... Natürlich. ... Auf Wiederhören." Ihr unbekannter Geldgeber. Sie selbst hatte ihn noch nie gesehen geschweige denn getroffen. Sie machte diesen Job und erhielt im Gegenzug dazu einen Scheck per Post. Je nach Arbeit mit einer entsprechenden Zahl darauf.

Sie schob ihr Handy zurück in ihre Hosentasche und öffnete ihre Tasche. Immer noch behielt sie die kleine Seitenstraße im Auge. Gleich musste es soweit sein. Bald würden ihre Opfer sehen. Und dann würde sie gnadenlos schießen. So wie immer.
 

Mit einem Mal waren Taichi, Yamato und Mizael aus der Seitenstraße heraus. Eine leichte, kalte Brise blies um ihre Nasen. "Hier ist es ja noch kälter!" Mizael vergrub ihr Gesicht im Kragen ihrer Jacke. Sie beschleunigten ihre Schritte, denn ein Stück weiter entfernt und auf der anderen Straßenseite war bereits das 'Il' zu sehen. Taichi lief ein paar Schritte voraus. Zum einen, weil er sich schon auf sein Eis freute, zum anderen weil er es nicht ansehen konnte, wie Yamato und Mizael sich an den Händen hielten und so nahe beieinander gingen. "Ich kann dich ja wärmen, wenn dir so kalt ist. Mir fiele da schon was ein, was deine Temperatur in die Höhe treiben würde..." Tai war fast, als konnte er das Grinsen, das Matts Mund umspielte sehen. Er wollte das nicht hören, er wollte es nicht sehen. Aufmerksam betrachtete er deshalb seine Umgebung, versuchte sich an Gebäude und Geschäfte zu erinnern. Trotzdem hörte er, wie Mizael lachte und sagte: "So? Und was?" Angestrengt tastete Taichi seine Umwelt ab. Verbissen versuchte er sich zu erinnern. An irgendwas, irgendjemanden. Er brauchte nur eine Nichtigkeit einer Erinnerung um Mizael und Matt zu unterbrechen. Oder etwas anderes. Hauptsache Mizael und sein bester Freund hörten auf, miteinander zu flirten.

Plötzlich sah er hinter einem geschlossenen Fenster etwas im schwachen Sonnenlicht aufblitzen. Er wusste nicht genau, was es war. Tai kniff die Augen zusammen um etwas genaueres zu erkennen. Die Reflexion war nur kurz da gewesen. Aber relativ groß und kreisrund. Fast so wie ein Spiegel oder eine Glassscheibe. Oder aber wie... *Ein Fotoapparat! Eine Linse! Natürlich!* Taichi drehte sich um damit er seine Freunde auf seine Entdeckung aufmerksam machte.

In diesem Moment sagte Yamato "Das zum Beispiel." Und zog Mizael an sich. Tai meinte, dass sich ihre Augen für kurze Zeit erschrocken weiteten. Aber so unmerklich, dass er sich nicht sicher war. Dann fielen ihre Augenlider und sie erwiderte sanft Matts Kuss. Seine Hände schmiegten sich um ihre Taille und pressten sie an sich. Ihre Hände legten sich auf seine Schultern und die beiden schienen die Welt um sich herum zu vergessen, während sie sich diesen Kuss teilten. Ruckartig wandte Tai sich wieder um. Was er da gesehen hatte konnte unmöglich stimmen! Es durfte nicht so sein! Es konnte nicht so sein! Alles in ihm sträubte sich gegen diesen Kuss. Die Klauenhand um sein Herz drückte wieder zu. Diesmal fester. Es schien, als wollte sie sein Innerstes zerquetschen. Tais Lungen wollten nicht mehr arbeiten und sein Magen drehte sich um. Das, was er gesehen hatte, war der Beweis gewesen. Yamato liebte Mizael und Mizael ihn. Sie waren glücklich zusammen. Bei diesem Gedanken traten Tränen in Tais Augen. Seine Eingeweide spielten verrückt und mit einem gebrochenem "Da ist ja das 'Il'!" rannte Taichi los. Er wollte weg. Weg von hier. Weg von dieser Wahrheit. Er wollte nichts sehen und nichts hören. Er wollte nichts mehr fühlen. Trotzdem wich er geschmeidig wie eine Antilope den Menschen aus die ihm entgegentraten. Taichi erhöhte noch einmal sein Tempo und verschwand im rettenden Café.
 

Unendlich vorsichtig nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. So sanft und zärtlich, als wäre sie aus Glas und könnte jeden Augenblick unter seinen Fingern in tausend kleine Scherben zerbrechen.

"Das solltest du nicht tun, ich stecke dich doch sonst nur an." Sakura lächelte müde. "Ach Quatsch! Wie geht´s dir?" Yukiro strich seiner Freundin ein paar Haarsträhnen aus dem blassen Gesicht. "Nicht gerade berauschend." Sie hustete. "Ich hab zuerst total verschlafen. Als ich aufstehen wollte, wär ich fast zusammengeklappt. In meinem Kopf ist ein Presslufthammer und alles andere fühlt sich an, als hätte man mich durch einen Fleischwolf gedreht. Und das Fieber macht es auch nicht gerade besser. Ich hasse es dermaßen, wenn ich mit einer Grippe ans Bett gefesselt bin." "Wenn etwas anderes dich fesselt, stört es dich anscheinend nicht, oder?" Ein freches Grinsen ergriff von Yukiros Gesicht Besitz. Die Röte im Gesicht seiner Freundin ersparte dieser die Antwort.

"Spaß beiseite. Es tut mir leid. Ich wollte unbedingt, dass du dieses Kleid anziehst. Bin ja echt ein toller Freund. Lass meine Liebste in der größten Kälter ein Kleid anziehen, von dem man nicht grade sagen kann, es wäre warm. Da wär es eigentlich nur gerecht, wenn ich mich auch bei dir anstecken würde." Noch immer grinste Yukiro. Für einen Augenblick waren seine Sorgen vergessen. "Hat es dir wenigstens gefallen, das Kleid?"

"Natürlich. du weißt genau, wie sehr ich es liebe, wenn du so tolle Teile anhast." Noch während er dies sagte, streckte Sakura ihre Hände nach ihm aus und Yukiro folgte nur zu gerne ihrem Ruf und ließ sich neben dem Bett auf die Knie sinken. Sakuras Finger fuhren durch sein schwarzes glänzendes Haar. Dann unter den Kragen seines Pullovers und wieder heraus. Er küsste ihre Halsbeuge, während er seine Hand unter die Bettdecke schob und auf Sakuras Bauch legte. Ein Lächeln umspielte ihren Mund. "Ich liebe dich Sakura." Sie liebte es, wenn er das zu ihr sagte. Egal wie. Sie liebte es, wenn dieser Satz nur ein leiser Hauch in ihrem Ohr war. Aber auch, wenn er es quer über die Straße schrie. Jedes Mal klopfte ihr Herz dabei aufs neue und sie konnte es immer noch kaum glauben, dass dieser Satz tatsächlich ihr galt. Wenn er es sagte, schwang seine Stimme dabei und wenn sie ihre Finger auf seinen Hals legte, konnte sie spüren wie seine Stimmbänder unter der Haut vibrierten.

"Du weißt, dass ich das auch für dich empfinde?" Als Antwort wanderte die Hand auf ihrem Bauch ein Stückchen höher. "Ja. Das weiß ich." Yukiro lächelte. Langsam schob er seine Hand weiter. Solange, bis er den Rand ihres BHs unter seinen Fingerspitzen fühlte. Während er dies tat, blieb Sakura ganz ruhig liegen und beobachtete ihn. Vorsichtig glitten seine Finger zur Seite ihrer Brust. Um ihr Einverständnis zu zeigen, hob Sakura ihren Oberkörper an. Sie spürte, wie Yukiros Hand unter ihren Rücken glitt und dabei eine heiße Spur hinterließ. Er löste die Haken und Sakura merkte, wie sich der Stoff unter ihrem Shirt zusammenzog.

"Du böser Junge! Du hast mir den BH aufgemacht! Komm nur her! Du wirst deine gerechte Strafe dafür erhalten! Du ungezogener, frecher Bengel!" Fordernd schob sie ihre Hände seine Arme hinauf um sie auf seiner Schulter liegen zu lassen. "Vielleicht ist es ja genau das, was ich wollte!" Yukiro grinste. "Oh, ich werde ganz furchtbar grausam sein." Sakura zog ihn über sich auf das Bett. Er konnte spüren, dass ihr Atem bereits schneller ging, als es normalerweise der Fall war. "So?" "Ja." "Hmm..." Er schmunzelte. "Es wird fürchterlich sein für dich. Du wirst wimmern und stöhnen und schreien." Das wiederum glaubte er gern. Er konnte sich schon vorstellen, wie seine "Bestrafung" aussehen würde. Und wenn er ganz ehrlich war, hätte er auch nichts dagegen einzuwenden, wenn Sakura ihn öfter "bestrafen" würde.
 

Taichi setzte sich auf den Deckel der Toilette. Seine wiederkommende Erinnerung bestätigte ihm, dass sich nur wenig verändert hatte und dass der kleine Stern im roten Lack der Toilettentür von ihm dort eingeritzt worden war. Damals hatte er die Angewohnheit gehabt in jedem Klo, dass er öfters besuchte sein "Zeichen" zu verewigen. Sein Zeichen, das waren zwei Kreise um die sich 8 schmale, gleichschenklige Dreiecke reihten. Ein Stern oder eine Sonne. Extra um es in die Türe zu ritzen hatte Taichi an diesem Tag ein kleines Taschenmesser dabei gehabt. Matt hatte ihm den Vogel gezeigt und ihn einen Verrückten genannt, als sie gemeinsam in der Kabine gestanden hatten.

Das war im Sommer gewesen. Der heißeste Tag des ganzen Jahres. Taichi grinste. Nach getaner "Arbeit" waren sie aus der Türe getreten und sich plötzlich neben einem anderen Besucher wiedergefunden. Dem wären fast die Augen rausgefallen als er sie, schweißnass wegen der brütenden Schwüle, gesehen hatte. Beide hatten die Situation sofort erfasst, hatten gegrinst und ihr Spiel mit dem völlig verwirrten Mann gespielt. Tai erinnerte sich daran, dass Matt seine Hand in seine gelegt hatte und ihn von hinten ganz sanft in den Nacken geküsst hatte. Taichi hatte ganz leise, kaum merklich geseufzt und seinen Kopf geneigt um seinem Freund mehr Spielraum zu geben.

Seine zweite Hand war nach hinten gewandert und Matt sanft den Nacken gekrault. Als Yamato dann auch noch "Koibito..., Geliebter..." in sein Ohr mehr gestöhnt als geflüstert hatte, hatte der Mann gänzlich seine Fassung verloren und war fluchtartig verschwunden. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, hatte Tai gespürt, dass Matt, noch immer in seinem Nacken vergraben gewesen, zu kichern begonnen hatte. Die kurzen Atemstöße und die kitzeligen Haare hatten ihm dabei mehr zugesagt, als er es zuzugeben gewagt hatte. "Um Gottes Willen, Tai. Hat der blöd geschaut..." Und plötzlich waren sie beide in schallendes Gelächter ausgebrochen.

Tai schloss die Augen und spürte, dass sein Herz genauso schnell klopfte wie damals. Das gleiche Schwindelgefühl und Pulsrasen schnürten ihm die Luft ab. Um sich zu beruhigen steckte Tai seine Hände in die Hosentaschen. Als er sie wieder zurückzog befand sich in einer Hand ein Foto, ein Briefumschlag und ein gefalteter Papierbogen. Tai dachte daran, dass er diese Dinge erst vor knapp 22 Stunden eingesteckt hatte. *Verdammt viel passiert in diesen 22 Stunden...* Taichi betrachtete das Foto. Noch immer saß Yamato unverändert verträumt und die Musik versunken am Klavier und streckte sein Gesicht in das rötliche Licht der Sonne.

Es sah aber etwas mitgenommen aus. Die Ecken waren verbogen oder leicht geknickt. Um es vor noch mehr Schaden zu bewahren, schob Tai es in den Umschlag zu Yamatos Brief. Danach faltete er vorsichtig das andere Papier auseinander. Seine Augen flogen wieder und wieder über die kurzen Zeilen und Verse. Tai sah kurz auf und sein Blick fing einen Kugelschreiber auf, den anscheinend jemand hier verloren hatte. Es war noch etwas Farbe in der Mine, denn als Taichi Kreise auf sein Blatt malte zeichneten sich diese nach einiger Zeit leuchtend blau ab. Schnell setzte Tai noch einige Zeilen unter das bisherige Gedicht.

Vielleicht würde er es später einmal richtig zusammen schreiben und es dann Yamato schenken. Schließlich ließ er ihn bei sich wohnen. Er hatte ihm etwas zu Essen gegeben und Kleidung ausgeliehen. Natürlich, er hätte ihm auch etwas kaufen können, aber er wusste nicht genau was. Matt besaß schon alles, was Tai sinnvoll erschienen wäre zu schenken. Sein erster künstlerischer Erguss war zwar auch nicht gerade das, was er berauschend fand, aber hatte Yamato nicht selbst gesagt, er würde es gern haben?

You Needn't Pretend Any Feelings... - Du Brauchst Keine Gefühle Vorzuheucheln

Chapter 12: You Needn´t Pretend Any Feelings… - Du Brauchst Keine Gefühle Vorzuheucheln…
 

"Tai? Bist du hier drin?" Taichi hörte, wie die Tür geöffnet wurde und Matt die Toilette betrat. "Ja, bin hier." "Sag mal, was treibst du denn schon wieder? Komm gefälligst raus! Mizael und ich haben uns schon Sorgen gemacht. Und außerdem: Dein Eis schmilzt schon. Jetzt komm endlich da raus! Oder bist du in der Kloschüssel stecken geblieben?" "Ich komm ja schon..." Taichi betätigte die Klospülung. *Tarnung ist alles. Er braucht nicht zu wissen, was ich getan hab'.* "Außerdem bin ich noch nie in einer Kloschüssel stecken geblieben! Ich bin ja schließlich nicht du!" Tai trat aus der Kabine und grinste Matt an. "Das war nur, weil du als Aprilscherz unbedingt Kleber aufs Klo hast schmieren müssen!" "Jetzt reg´ dich wieder ab. Es war eh nur wasserlöslicher Kleber. Du bist ohne Schaden für dein Hinterteil wieder rausgekommen." "Ja, aber erst nachdem ich mir ´ne halbe Stunde dein Gelächter hab anhören dürfen. Nicht zu vergessen die Witze noch Monate danach!" "Jaja..." Taichi trat ans Waschbecken und streckte seine Hände unter den Wasserstrahl. Yamato sagte nichts.

Als Tai gerade das Papiertuch in den Mülleimer geworfen hatte, spürte er plötzlich, wie Matts Hand die seine umgriff. "Weißt du noch, Taichi...?" Yamatos Stimme war nur ein wenig mehr als ein Hauch und hatte den gleichen, verführerischen Unterton wie damals. Sein warmer Atem und sein weiches Haar in Tais Nacken jagten diesem heißkalte Schauer über den Rücken. Ein Schwindelgefühl breitete sich in seinem Kopf aus. Aufgeregt versuchte er schneller an mehr Luft zu kommen. Genauso wie sein Freund. Taichi spürte seine schnellen Atemzüge an seinem Hals. Auch das Heben und Senken von Matts Brustkorb machte sich bemerkbar, so dicht standen sie beieinander.

"Ja. Natürlich weiß ich es noch..." Tais Hirn setzte aus und er umklammerte mit der einen Hand die Finger die in ihr lagen, die Zweite schickte er auf Wanderschaft. Vorsichtig, tastend, bewegte sie sich ihrem Ziel zu. Matts Haare flossen so weich wie geschmolzenes Gold durch seine Finger, als die Hand ihren Endpunkt erreicht hatte und sanft durch Yamatos Haar strich. Die Raumtemperatur schien plötzlich um 10° Celsius gestiegen zu sein. Tai bemerkte, wie sich ein leichter Schweißfilm auf seiner Haut ausbreitete. "Taichi... Koibito..." Matts Hand legte sich auf seinen Bauch und presste sie noch näher aneinander. Seine Lippen bebten als sie sich vorsichtig in den Nacken von Tai legten. Yamato spürte die kleinen Härchen die sich wie elektrisiert aufrichteten. Ein wohliges Seufzen entrang sich Tais Kehle. Seine Augen schließend konzentrierte er sich nur noch auf das, was Matt hinter ihm tat. Obwohl er es sich nicht eingestand, genoss er die warmen Lippen die sanft seine Haut liebkosten.

"Tai, schau mal in den Spiegel." Yamato riss ihn in die Wirklichkeit zurück und sein Blick suchte sein Spiegelbild. Es sah ihm verwundert entgegen. Die Szenerie im Spiegelbild zeigte ihn und seinen besten Freund. Schmusend auf dem Klo. Bei Taichi schrillten sämtliche Alarmglocken laut auf. *Was zum Teufel tun wir da grade?* "Wir sehen aus wie ein Liebespaar.", meinte Matt. "Was hast du eben gesagt?" "Ach nichts. Vergiss es einfach. War nicht so wichtig. Lass uns gehen. Mizael wartet sicherlich schon auf uns. Ich kann's gar nicht erwarten, das Eis von ihren Lippen zu küssen! Los komm´ schon. Ich will endlich zur Liebe meines Lebens!" Damit war Yamato aus der Tür.

Taichi stand wie eingefroren neben dem Waschbecken. Sein zweites Ich aus dem Spiegel sah durch ihn hindurch. "W... was?", flüsterte es leise. Tai spürte plötzlich wieder diesen Schmerz in seinem Brustkorb. Warum liebkoste Matt zuerst ihn, nur um dann davon zu reden, Mizael zu küssen? Warum verletzte er ihn so? Warum nannte er ihn Koibito, wenn er kurz darauf Mizael als Liebe seines Lebens bezeichnete? Warum tat er ihm auf diese Weise derart weh? Warum tat es so weh, Matt mit Mizael zu sehen? Warum fühlte er sich seltsam wenn Yamato in der Nähe war? Woher kam dieses Gefühl als schwebe er? Woher kam der Schwindel, der Freudentaumel und die tiefe Traurigkeit, der Schmerz, der Neid auf Mizael? Warum empfand er so? *Gott verdammte Scheiße!*

"Kommst du jetzt endlich?" Yamato steckte den Kopf in den Waschraum. Ein glückliches Lächeln auf den Lippen. Fast etwas zu glücklich, als man es von ihm gewohnt war. Und irgendwie falsch. *Falsch glücklich? So ein Blödsinn, Yagami!* Tai setzte ein Grinsen auf. "Ich komm schon. Hab nur noch meine Frisur überprüft." Er trat aus der Toilette. "Frisur? Welche Frisur?" "Na, meine obercoole, geniale Frisur eben!" Gespielt eitel fuhr Tai sich durch die Haare. "Das Ding da auf deinem Kopf nennst du Frisur?" "Wenn das keine Frisur ist, was ist es dann?" Taichi ließ sich neben Mizael vor seinem Eisbecher nieder. "Ich würde es als Gestrüpp bezeichnen. Wenigstens hast du endlich die Taucherbrille zu Hause gelassen!" Empört ließ Tai seinen Löffel klirrend auf den Teller fallen, auf dem sein Eisbecher stand. "Erstens war es eine Fliegerbrille, zweitens ist das kein Gestrüpp, sondern eine tolle Frisur und drittens hast du doch selbst keine Ahnung von Haaren!" "Ach ja?" "Ja, natürlich!" "Das glaubst aber auch nur du." "Kann schon sein, aber es ist offensichtlich, wer von uns beiden hier der Haarexperte ist."

Funkelnd sah Tai seinen Freund an. Er wusste, dass man am besten eine schöne Streiterei mit Yamato anfangen konnte, wenn an seine Frisur kritisierte. "Das bin dann sowieso ich." Ein herausforderndes Lächeln umspielte Matts Lippen. Wenn es etwas gab, was ihm jetzt Spaß machen würde, wäre Taichi zu ärgern. Ihn zur Weißglut zu bringen und zu sehen, wie er sich auf die Lippen biss, wenn ihm nichts mehr einfiel. "Ach komm schon, deine blonden Zotteln hast du doch schon ewig lange. Wann haben die das letzte Mal ´nen Friseur gesehen?" "Du traust dich mit deinem Gestrüpp meine Haare Zotteln zu nennen! Du bist ja so was von doof..." Yamato grinste fies. Tai begann auf seiner Unterlippe herumzukauen. "Doof... so ein altes Wort. Was besseres fällt dir wohl auch nicht ein, was?" "Oh doch. Wie wär's mit... blöd, schwachsinnig, idiotisch, beschränkt, dumm..." Taichi sprang auf. "Das sagst du nicht noch mal!" Mit lauter werdender Stimme erhob sich auch Yamato. "Und wie ich das tue: Tai, du bist so was von doof, blöd, schwachsinnig, idiotisch, beschrä..." Da hatte er auch schon Tais Faust im Gesicht. "Na warte, das wirst du bereuen!" Matt konterte und warf sich und Tai zu Boden. Von oben herab schlug er auf Tai ein. Doch er hatte nicht mit einer derartigen Gegenwehr gerechnet. Unter ihm strampelte und trat Tai nach allen Richtungen. Mizael ermahnte sie umsonst, doch endlich aufzuhören. Einige Gäste der Eisdiele waren aufgesprungen und bildeten einen Kreis um die sich Schlagenden.

Mit einem Schrei setzte Tai sich plötzlich auf und schaffte es, Yamato unter sich zu bringen. Nun bekam Matt alles zurück, was er vorher ausgeteilt hatte. Inzwischen bluteten beide aus Mund und Nase. "Hört doch endlich auf, euch wie kleine Kinder zu benehmen! Wie alt seid ihr denn? Acht?" Mizael konnte es kaum glauben, vor ihr prügelten sich ihr Freund und dessen bester Kumpel. Aus einem Grund, der doch wörtlich an den Haaren herbeigezogen worden war! Wie konnten sich zwei fast erwachsene Menschen nur so derart kindisch aufführen??

Auf einmal hielt Tai inne. Er grinste. "Hey Matt, du blutest ja. Steht dir nicht besonders." "Glaubst du, dass du spitze aussiehst, wenn ein Verrückter auf dich einschlägt? Im übrigen blutest du auch. Da schau!" Yamato strich über Taichis Gesicht und zeigte ihm seine Finger, die nun blutverschmiert waren. "Uuups. Daran bist jetzt aber du schuld." "Jaja. Tut mir leid. Hättest du die Güte, deinen Arsch von mir runter zu bewegen? Du bist ganz schön schwer." Grinsend nahm Yamato Taichis Hand, die dieser ihm entgegenstreckte, nachdem er aufgestanden war.

"Mir tut es auch leid. Aber ich muss zugeben, dass du besser geworden bist. Respekt. Fast hätte ich Angst bekommen." "Danke für die Blumen. Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Und: Deine Haare sehen nicht aus wie ein Gestrüpp. Sie sind total schön wuschelig und kuschelig." Taichi lächelte. ">Wuschelig und kuschelig<. Hmm... Gefällt mir. Du hast auch keine Zotteln. Ich find deine Haare ganz toll." Liebevoll strich Tai seinem Freund durch die Haare. Dafür schenkte dieser ihm ein Lächeln. Seelenruhig ließen sie sich wieder auf ihren Stühlen nieder.

"Hier." Mizael reichte beiden Papiertaschentücher. "Ihr seid echt unmöglich. Man muss sich ja schämen mit euch. Wischt euch das Blut aus dem Gesicht." "Aber er hat angefangen!" Tai deutete auf Yamato, der sich gerade das Taschentuch in die Nase steckte. "Gar nicht wahr! Du hast angefangen!" "Hab ich nicht!" "Hast du wohl!" "Nein!" "Doch." "Nein." "RUHE!!! Jetzt ist aber Schluss! Das hält man ja im Kopf nicht aus! Hört sofort auf euch zu streiten! Das ist ja peinlich!" Mizael seufzte. Die beiden waren ein Buch mit sieben Siegeln. Zuerst stritten sie, dann schlugen sie sich, nur um sich dann wieder zu versöhnen und sich mit Komplimenten zu überhäufen und im nächsten Moment war die nächste Schlägerei im Anzug.

"Ist ja schon gut. Beruhig dich. Wir werden uns jetzt vertragen, nicht wahr Tai?" Tai schob sich einen Löffel Eis in den Mund und nickte. "Versprochen!" "Sprich nicht mit vollem Mund." "Jaja..." Yamato zog Mizael näher zu sich. "Siehst du?" Vorsichtig küsste er sie. Sie seufzte und schlang ihre Arme um Matt. Ein eisiger Schauer lief über ihren Rücken, als er seine Hände ihren Körper hinunterwandern ließ und auf ihre Taille legte. "Hast du einen Kaugummi Mizael?" "Nur den einen im Mund." Und schon spürte Mizael, wie Yamato begann, ihren Kaugummi zu stehlen.

Tai wandte den Kopf ab und sah aus dem Fenster. Er wollte das nicht sehen. Es tat weh Mizael und Yamato zu beobachten, wie sie ihre Liebe offen zeigten. Deshalb ließ Taichi seine Blicke über die Menschen auf der anderen Seite des Glases wandern. Alle hasteten an ihnen vorüber und bemerkten sie nicht einmal. Ein kleiner Junge lief weinend hinter seiner Mutter her. Immer wieder deutete er auf die Eisdiele. Doch seine Mutter ignorierte ihn und zog den Kleinen weiter. Taichi fing seinen Blick auf und lächelte ihm aufmunternd zu. Er winkte ihm und der Junge winkte tapfer lächelnd zurück. Plötzlich fiel ein Blitzen von der Seite her in Tais Augen. Der Junge hatte es auch bemerkt und deutete in eine Richtung. Dann war er mit seiner Mutter um die Ecke verschwunden. Dem Zeigefinger des Jungen folgend wandte Tai den Kopf. Er suchte die Straße ab, konnte aber nichts erkennen.

Doch als die Menschenmenge auf einmal etwas weniger dichtgedrängt vorüberzog, erblickte Tai in einer kleinen Insel eine Frau. Ihre kurzen roten Haare glänzten im schwachen Licht. Sie trug dunkle enge Kleidung, die ihre schlanke, fast dürre Figur zur Geltung brachte. Sie wirkte vollkommen fremd in dieser Welt. *Fast wie ein Alien... Obwohl sie eigentlich ganz hübsch ist.* So ganz konnte Tai das aber nicht beurteilen, denn ein monströses Ding verdeckte einen Teil ihres Gesichts. *Ein Fotoapparat!*, schoss es ihm durch den Kopf.

Er wandte sich zu Mizael und Yamato um. "Da draußen steht jemand und fotografiert euch. Sollten wir nicht abhauen?" Matt sah ihn an. So etwas wie Irritation lag in seinem Blick. "Warum sollten wir abhauen? Warum glaubst du sind wir hier? Warum glaubst du knutschen wir hier rum? Wenn wir ungestört sein wollten, wären wir woanders." "Aber... aber..." "Kein aber, Tai. Mach dir keine Gedanken. Ich bin mir sicher, Matt erklärt es dir später." Yamato lächelte. "Sie hat Recht. Lass die Fotografen unsere Sorge sein. Iss dein Eis auf und danach gehen wir weiter. Ich erklär dir alles zu Hause, ja?" Taichi nickte. Er verstand die Welt nicht mehr. Zunächst taten sie alles um ihre Beziehung geheim zu halten und dann wollten sie scheinbar fotografiert werden. *Da versteh einer die zwei...* Kopfschüttelnd schob er sich einen Löffel Eis in den Mund. Der Geschmack von Vanille und Schokolade breitete sich auf seiner Zunge aus.
 

Sie sah erstaunt hinter ihrer Kameralinse hervor. Dieser Junge bei Yamato und Mizael... Hatte er sie gesehen? Hatte er erkannt, was sie hier tat? *Natürlich hat er das. Er ist schließlich nicht dumm. Keiner ist so blöd, nicht zu kapieren, was ich hier tue.* Sie hob die Kamera wieder vor ihre Augen und beobachtete die kleine Gruppe im Café durch das Objektiv. Eigentlich sollte sie ja Mizael und Yamato fotografieren, die schon wieder über einander herfielen. Aber dieser Junge faszinierte sie. Etwas lag in seinen Augen... Sie konnte nicht genau sehen was es war. Sie drückte an einem Knopf und zoomte sein Gesicht näher heran. Doch wegen dem Gewicht des Apparates hatte ihre Hand leicht zu zittern begonnen und ihr Blickfeld war verrutscht.

Wenn sie durch die Kamera blickte, sah sie nun den Kragen seines Shirts. Behutsam hob sie die Kamera weiter nach oben, darauf bedacht, nicht wieder zu zittern. Sie betrachtete die Sehnen an seinem Hals, die sich leicht unter der gebräunten Haut abzeichneten. Nach seinem markanten Kinn traten seine fein geschwungenen, vollen Lippen in ihr Blickfeld und sie verschwendete einen Gedanken daran, sie zu küssen. Nachdem ihr Blick auch die gerade Nase entlang gewandert war hatte sie endlich seine Augen erreicht. Dunkel wie tiefes Erdreich lagen sie in einem Kranz aus dichten Wimpern in den Augenhöhlen. Schnell betätigte die Fotografin den Auslöser einige Male.

Diese Augen musste sie einfach auf Zelluloid bannen. So wunderschöne Augen in denen eine Tiefe war, die sie selten gesehen hatte. Augen aus denen man Gefühle ohne Schwierigkeiten lesen konnte. Eifersucht, Trauer, Irritation und etwas, das nicht entdeckt werden wollte... So viele Emotionen... Sie seufzte. *Zum Verlieben schön...* Dieser Junge war so unschuldig und naiv wie ein Kind. Fast zeitlos schön.

Vielleicht sollte sie endlich mal wieder etwas für ihre eigentliche Karriere tun. Nicht nur immer die Auftragsarbeiten von irgendwelchen Leuten, die sie selbst noch nicht mal zu Gesicht bekam. Sie war gut, das wussten sie. Aber nicht gut genug um ihre Fotografien ausstellen zu können. Deshalb musste sie sich auf diese Weise ihr täglich Brot verdienen. Stars und Sternchen in ihrem ganz normalen Alltagsleben unbemerkt auf Papier bannen. Es gefiel ihr nicht wirklich. Sie wollte fotografieren was ihr gefiel. Und das tat sie jetzt. *Ausnahmsweise...* Vorsichtig pirschte sie sich näher an das Café heran. Sie betätigte den Abzug öfter als sie eigentlich vorgehabt hatte. Als sie den Film verschossen hatte, verschwand sie wieder in der Menge.
 

Shinji warf die Tür hinter sich zu. Der hell erleuchtete Flur verschwand hinter dem Holz. Sein Zimmer lag in tiefer Dunkelheit vor ihm. Er ließ sich träge auf sein Bett fallen. Am liebsten würde er etwas werfen. Irgendwas kaputtmachen. Einfach nur zerstören. So wie sie ihn zerstört hatten. Noch immer konnte er es nicht glauben. Mizael war mit Yamato zusammen! Über ein Jahr schon! Ohne dass sie je etwas gemerkt hatten. War er etwa nur ein Spiel gewesen? So als Abwechslung zum Alltag? Wieso nur? Wieso hatte er es nicht gewusst? Waren Matt und Mizael etwa so gute Schauspieler, dass sie ihre Gefühle verbergen konnten? Warum vertrauten sie ihm und Yukiro nicht? Ihm fiel beim besten Willen kein vernünftiger Grund ein. Sie machten nun schon so lange zusammen Musik, dass er eigentlich gedacht hatte, sie würden einander alles erzählen.

Aber im Grunde hätte er es sich ja denken können. Hatte er nicht vor dem Ball Mizael beobachtet wie sie scheinbar erleichtert aus Matts Wohnung gekommen war? Kannten sich Mizael und Yamato nicht schon am längsten von allen? Sie hatten ein Verhältnis zueinander, das jemand, der sie nicht kannte etwa in der Kategorie "Flüchtige Bekanntschaft" einordnen konnte. Die beiden taten ja auch alles, damit es so aussah. Aber sie vertrauten einander fast blind. Sie waren einander ähnlich. Etwas seltsam wirkend auf andere. Ihr Äußeres war kühl und unnahbar. Das bisherige Leben fast durchgehend von Einsamkeit gekennzeichnet. Ihre Eltern hatten sich von ihnen und einander entfremdet. Dieser Seelenverwandtschaft hatte Shinji nichts entgegenzusetzen.

"Ich hätte es wissen müssen." Shinji schlug mit der Hand auf die Decke seines Bettes ein. Er kam sich so unendlich dumm vor. Wie hatte er sich nur so täuschen lassen können? Mizael und Yamato lachten jetzt sicher über ihn. Höchstwahrscheinlich saßen sie nebeneinander, hielten sich an den Händen und redeten. Darüber, wie lange sie alle Welt getäuscht hatten. Wie dumm sie doch alle waren, dass sie so lange einer Lüge aufgesessen hatten.

Und der Dümmste von allen war Shinji. Er hatte doch wirklich geglaubt, dass Mizael etwas für ihn empfinden könnte. Er schüttelte den Kopf. Sie hatte nie ähnliche Gefühle wie er gehabt. Aber das sie ihn so eiskalt anlügen würde, hätte er nie geglaubt. Mizael hatte ihn Romeo genannt und ihm heute morgen noch versichert, dass sie nicht mit Yamato zusammen war! Warum hatte sie ihn angelogen? Er begriff es nicht. Damit, dass sie ihn nicht liebte, damit hatte er gerechnet. Aber diese Lüge... Sie tat ihm weh. Diese vorgegaukelte Liebe war schmerzhafter als eine, die nicht erwidert wurde.

*Verdammte Scheiße... Warum ich? Warum hat sie nur mit mir gespielt?* Doch diese Frage konnte er sich nicht beantworten. Beim besten Willen nicht.
 

Yukiros Handy klingelte. Gähnend tastete der Besitzer nach dem bimmelnden Gerät. "Moshi, moshi?" fragte er etwas genervt in den Hörer. Warum manche Leute immer dann anriefen, wenn er gerade eingeschlafen war? "Hi Matt. Was gibt's denn mitten in der Nacht? ... Wenn ich müde bin, ist elf Uhr für mich mitten in der Nacht. ... Jetzt ist auch zu spät. Ich bin schon wieder wach. ... Vergnügungspark? Ja, gut. Ich komme. Soll ich Mizael und Shinji anrufen? ... Gut. Okay. Dann bis morgen. ... Ciao und auch gute Nacht." Yukiro seufzte und legte auf. Hätte Matt denn nicht vor 15 Minuten anrufen können? Er schüttelte den Kopf und gähnte. Sich streckend stand er auf. Wenn er sich es recht überlegte, hatte er eigentlich noch Hunger und Durst. Und da er jetzt sowieso schon aufgestanden war, schlich er in die Küche.

Vorsichtig öffnete er den Kühlschrank, um keinen Laut zu verursachen. Seine Eltern schliefen schon und er wollte sie nicht aufwecken. Wählerisch schweifte sein Blick über die Nahrungsmittel. Schließlich entschied er sich für einen Vanillejoghurt und klappte die Kühlschranktür zu. Die Helligkeit, die vorher von ihm ausgegangen war, schwand der Dunkelheit. Die Straßenlaternen warfen ein fahles Licht durch die Fenster. Zielsicher fasste Yukiro nach einem Löffel in einer Schublade und setzte sich auf die Arbeitsplatte. Langsam zog er den Deckel vom Joghurtbecher und leckte ihn ab. Danach schob er sich den ersten Löffel genussvoll in den Mund.

Er behielt den Löffel im Mund und ließ seine Hand zu seinem Hinterkopf gleiten um seine zusammengebundenen Haare zu lösen. Wie ein schwarzer Vorhang fielen sie weich über seine Schultern. Yukiro strich sie hinter seine Ohren und dachte daran, dass er jetzt die längsten Haare der ganzen Band hatte. Schließlich tauchte er den Löffel wieder in die kalte Creme im Becher. *Hmm...* Den Geschmack von Vanille liebte er. Besonders seitdem seine Freundin Sakura Vanillebonbons entdeckt hatte und ihnen restlos verfallen war. Ihre Lippen und ihre Mundhöhle schmeckten danach, wenn sie eines von ihnen gegessen hatte. Und das tat sie fast immer.

Things, I've Never Told... - Dinge, Die Ich Nie Erzählt Habe...

Chapter 13: Things, I´ve Never Told... – Dinge, Die Ich Nie Erzählt Habe…
 

Frierend aber trotzdem lachend taumelten Yamato und Taichi in die Wohnung. "Gott, du bist so was von krank!" Erschöpft ließ Matt sich in den Sessel im Wohnzimmer fallen. "Hey, du kannst immer noch Tai zu mir sagen. Gott klingt irgendwie seltsam." Er grinste. Nach dem heutigen Abend war es nicht mehr allzu schwer den Glücklichen nur vorzuspielen.

Das Sushi in Japan war einfach das Beste und Taichi hatte soviel davon gegessen, als ob er nie wieder etwas davon bekäme, obwohl seine Mutter sich sehr gut auf das Zubereiten dieses Gerichts verstand. Überhaupt hatte er soviel gefuttert, wie schon lange nicht mehr. Angefangen bei dem riesigen Eisbecher im Café über die vielen kleinen Snacks zwischendurch, denen er einfach nicht hatte widerstehen können, über das Sushi bis hin zu den Süßigkeiten, Kuchen und Torten in der Karaokebar. Im Moment fühlte er sich wie ein wohl gemästetes Schwein.

"Du hast dich beim Karaoke ja ganz schön blamiert, was Tai?" Yamato grinste. "Ich kann ja nicht alles gut können. Es ist nicht jeder mit so einer Hammerstimme wie deiner gesegnet." Aber blamiert hatte Taichi sich wirklich. Doch da er wusste, dass er keinen einzigen Ton auch nur halbwegs richtig treffen konnte, machte es ihm nichts aus. Selbst als ihm ein Besucher versichert hatte, er klänge so wie sein Hund, dem er auf den Schwanz gestiegen war, hatte Tai nur gegrinst.

"Danke für die Blumen." "Gern geschehen. Stell sie ins Wasser, damit sie nicht verdursten." Matt rollte mit den Augen und seufzte theatralisch. "Du bist ja so was von klug! Irgendwann treibst du mich noch in den Wahnsinn! Lass uns ins Bett gehen, bevor du noch mehr Unsinn anstellst!" "Bist du etwa schon müde?" "Ja." Zur Bekräftigung nickte Yamato und stand auf. Während er zur Tür ging löste er die Knöpfe seines Hemdes, bis es ihm los um die Schultern hing.

"Matt?" Der Angesprochene drehte sich im Türrahmen zu ihm um. Fast reflexartig wanderte Tais Blick seinen Körper auf und ab. "Ja, was ist?" "Hast du vielleicht Papier und Stift für mich?" Etwas irritiert sah Yamato seinen Freund an, nickte dann aber und zeigte auf eine Schublade im Schrank. "Da drin. Nimm dir einfach was du brauchst. Ich geh jetzt ins Bett. Kommst du auch bald?" Tai nickte. Er würde nur noch schnell das Gedicht zu Ende bringen, dann würde auch er in die weichen Kissen von Matts Bett sinken und schlafen. "Ja. Ich komm gleich." "Also dann. Gute Nacht, Tai." Matt drehte sich um und schritt durch die Tür, während Tais Augen dem Hemd folgten, das von seinen Schultern rutschte. "Nacht." Das Türschloss klickte und Taichi war allein.

Seufzend zog er den gefalteten Zettel aus seiner Hosentasche und strich ihn vor sich auf dem Tisch glatt. Er überflog den Text darauf ein paar Mal, dann stand er auf um sich Papier und Stift zu holen.
 

"Was sagst du da, Miza-chan?" "Ich werde ausziehen." Ruhig sah Mizael ihrer Mutter in die Augen. "Aber warum denn?" "Ihr seid doch sowieso kaum zu Hause. Ob ich das hier den ganzen Tag allein herumhocke oder ausziehe, ist doch egal. Außerdem bin ich alt genug. Falls du es vergessen haben solltest." "Nein, ich hab es nicht vergessen, aber Kind, du kannst uns doch nicht einfach so verlassen!" Tränen standen in den Augen von Mizaels Mutter. Sie begriff nicht, warum ihre Tochter derartige Dinge sagte und auch noch ausziehen wollte! "Glaub bloß nicht, ich würde wegen dir und Vater hier bleiben."

Eine plötzliche Kälte trat in Mizaels Augen zum Vorschein. Sonst immer abwesend, fixierten sie nun ihre Mutter und feuerten regelrecht eisige, verletzende Pfeile auf sie ab. "Zu wem willst du denn überhaupt gehen, Miza-chan?" "Zu Ishida. Ishida Yamato. Ich muss es tun. Ich kann nicht anders! Ich muss einfach!" Unverständnis wurde auf dem Gesicht der ihr völlig fremden Frau kenntlich. Der Frau, die ihre Mutter war.

"Einfach so? Zu einem dahergelaufenem Kerl?" "Er ist nicht einfach nur ein >dahergelaufener Kerl<! Ich liebe ihn! Und er mich! Aber davon hast du ja keine Ahnung!" Wut breitete sich in Mizaels Gesicht aus. Was fiel ihrer Mutter ein, Yamato einen dahergelaufenen Kerl zu schimpfen, wenn sie ihn noch nicht einmal kannte?

"Miza-chan..." Mizael sah, dass nun langsam auch der Zorn von ihrer Mutter Besitz ergriff. Nur noch ein bisschen weiter und sie hatte es geschafft. Sie würde das Fass zum Überlaufen bringen und ihre sonst ruhige und gefasste Mutter würde ausflippen. "Miza-chan..." Mizael legte alles Kälte, Wut und Hass in ihre Stimme, was sie aufbieten konnte. *Es tut mir leid, Mama...*

"Nenn. Mich. Nie. Wieder. Miza-chan. Ich glaube deinem Geschwafel und Heuchelei nicht mehr. Hörst du? Ich glaube deinem Spiel nicht mehr! Du dachtest, du könntest mich in deiner Geschichte von Friede, Freude, Eierkuchen einwickeln. Da hast du dich aber geschnitten! Du hast doch alles nur gespielt. Deine ganze Warmherzigkeit und Liebe war doch alles nur Schein! Heuchlerin! Und ich habe dir auch noch geglaubt! Aber jetzt ist diese Zeit vorbei. Ich glaube nicht mehr an deine Stories von Ich-hab-dich-lieb und Bei-mir-bist-du-geborgen nicht mehr! Lügnerin!"

Rote Striemen zeichneten sich plötzlich auf Mizaels Wange ab. Ihr Kopf war von der Wucht der Ohrfeige zur Seite geschleudert worden. Mizael fühlte, wie sich der Schmerz von ihrer linken Gesichtshälfte ausbreitete. *Ich habs verdient...* "Du wirst nicht ausziehen. Ab in dein Zimmer." Mizaels Mutter keuchte vor Erregung, Zorn und Wut. Ein eisiges Lächeln breitete sich dennoch auf Mizaels Mund aus. "Du weißt, dass du mich nicht aufhalten kannst, Lügnerin. Für dich und Vater bin ich doch nur ein nutzloses Ding, das man gegebenenfalls rumzeigt und ansonsten zu Hause einschließt. Ihr liebt mich nicht und ich euch nicht." *Es tut mir leid, es tut mir leid, Mama...*

"In dein Zimmer! Sofort!" Mizael drehte sich um. Sie wusste, wie sehr sie ihre Mutter gerade verletzt hatte. Tränen traten in ihre Augen, doch sie unterdrückte sie. *Es tut mir leid, es tut mir leid, Mama. Aber es ist nur zu eurem Besten. Je mehr ihr mich hasst, umso leichter wird es euch fallen, mich gehen zu lassen. Und für mich wird es einfacher nicht mehr zurückzublicken...* Obwohl sie hörte, dass ihre Mutter schluchzend auf dem Boden zusammenbrach, ging Mizael in ihr Zimmer, ohne sich umzudrehen und zurückzuschauen.
 

Vorsichtig öffnete Tai die Tür des Schlafzimmers einen Spalt breit und lugte hinein. Matt lag im Bett und hatte ein Buch aufgeschlagen vor sich liegen. Anscheinend war er über der Lektüre eingeschlafen, denn die Brille auf seiner Nase war verrutscht und die Augen hinter den Gläsern geschlossen. Als Taichi in das Zimmer ging, konnte er gleichmäßige Atemzüge hören. Keinen Laut verursachend trat Tai neben Yamato und nahm das Buch von seinem Bauch. *>Moderne Physik. Eine Zusammenfassung.< Wenn ein Buch so einen Titel hat, kann man ja nur noch einschlafen.* Mit einem Kopfschütteln platzierte Tai es auf dem Nachttisch. *Ich wusste gar nicht, dass er eine Brille hat.* Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, zog er das Metallgestell von seiner Nase.

Während er die Balken zusammenlegte und neben das Buch deponierte, betrachte er Matts Gesicht und ließ sich neben dem Bett auf die Knie sinken. Blonde Haarsträhnen hingen Yamato wirr ins Gesicht und ließen seine blasse Haut etwas dunkler wirken. Die hohen Wangenknochen verliehen Tais Freund ein fast aristokratisches Aussehen. Tais Augen wanderten über das Gesicht. Weiche Züge, geschwungene, rosige Lippen, eine schöne Stirn. *Er ist perfekt...* Taichi konnte seinen Blick kaum von der androgynen Schönheit reißen. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er nicht sagen können, ob Yamato vor ihm ein Junge oder ein... ein was? Dieses Gesicht entzog sich jeglichen Geschlechts. Es war weder männlich noch weiblich, wie das eines Engels. Ein Engel, in dessen Augen man den weiten, tiefblauen Ozean sah. Geheimnisvoll funkelnd wie Saphire im silbernen Mondlicht.

Yamato war ein guter Schauspieler. Selten hatte Tai jemanden mit einem so perfektionierten Pokerface gesehen. Keine Emotionen spiegelten sich in Matts Gesichtszügen wider, wenn er es so wollte. Doch manchmal verrieten seine Augen ihn an die Menschen um ihn herum. Und besonders an Taichi. Er hatte gelernt hinter die Maske aus übertriebener Coolness, geheuchelter Arroganz, falscher Eitelkeit und oft gespielter Gleichgültigkeit zu sehen. Yamato hatte sich dagegen mit Händen und Füßen gesträubt. Die Angst wieder verraten und verletzt zu werden hatte ihn dazu bewegt. Die Scheidung seiner Eltern und die Trennung von seinem kleinen Bruder T.K. hatten zu tiefe Wunden hinterlassen gehabt.

Aber nach und nach hatte Yamato akzeptiert, dass er Menschen an sich heranlassen musste, damit die Verletzungen heilen konnten. Er hatte zugelassen, dass Taichi und nur Taichi hinter die mühsam errichtete Fassade sah. Er hatte zugelassen, dass lang unterdrückte Gefühle wieder hochkamen.

Taichi dachte an all das, was er gesehen hatte. Die Traurigkeit und Verzweiflung, die Yamato manchmal nahe, fast zu nahe, an die Klippen am Meer getrieben hatten. Aber der Stolz, der sein bester Freund besaß hatte nie jemand brechen können. Und manchmal, aber sehr selten loderte in seinen Augen eine Leidenschaft auf, von der Tai sich nicht sicher war, dass sie tatsächlichen in dem schlanken Körper innewohnte.

Ob Mizael diese Leidenschaft auch kannte? Er selbst hatte sie nur dann gesehen, wenn sie sich, aus lauter Wut und Zorn, gegenseitig fast krankenhausreif geprügelt hatten und dann wenn Yamato Musik machte und sang. Sonst nicht. Ob sie, Mizael, vielleicht eine andere Seite dieser Leidenschaft kannte? Eine Seite, die er nie gesehen hatte? Eine Leidenschaft, von der er zwar gehört, sie aber noch nie selbst erlebt hatte? Teilten Matt und Mizael diese Leidenschaft vielleicht sogar auch? Nachts, dann wenn sich der Vorhang der Dunkelheit längst über Tokio gebreitet hatte? So wie jetzt... Wären sie jetzt zusammen, wenn er nicht gekommen wäre?

Taichi stand auf und knipste die Nachttischlampe aus. Er mochte sich das gar nicht vorstellen. Er kniff die Augen kurz zu, um die Bilder die sich vor ihm auftaten zu verscheuchen. Tapsend umrundete er das Bett und streifte seine Kleidung ab. Dann glitt er unter die Bettdecke. Ein leises "Gute Nacht." Verließ seinen Mund und er sank in die Kissen.

Sofort kehrten die Bilder zurück. Szenen, die er nicht sehen und Geräusche die er nicht hören wollte. Er erblickte Yamato und Mizael, die knutschend vor dem Bett standen, in dem er gerade lag. Das Zimmer wurde nur schwach vom Mondlicht herhellt, sodass Taichi mehr nur erahnte als dass er es wirklich sah. Diverse Kleidungsstücke lagen kreuz und quer um Matt und Mizael auf dem Boden. Langsam strich Matt über Mizaels Haut ihre Taille hinauf und öffneten die Träger ihres BHs. Fast geräuschlos glitt er über ihre Schultern zu Boden. Mizael drängte sich mit ihrem entblößten Oberkörper an Matt. Sie küsste seinen Hals und fuhr mit ihren Händen durch sein blondes Haar.

"Warum tust du das? Mir ist schon heiß genug. Außerdem möchte ich dich ansehen. Du bist das schönste Mädchen der Welt." Behutsam versuchte Matt sie von sich wegzudrücken, doch sie ließ es nicht zu. Sie schüttelte den Kopf und sah ihn an. "Denkst du, mir ist nicht heiß? Aber ich will ganz nahe bei dir sein. Ich will dich überall spüren. Auf jedem Quadratzentimeter meiner Haut. So nah wie möglich und so tief es nur irgend geht." Ihre Atemzüge wurden während sie das sagte immer tiefer und geräuschvoller.

Yamato lächelte. "Ich liebe dich, Mizael." In diesem Moment zerbrach etwas in Taichi. "Ich liebe dich so sehr..." "Ich liebe dich auch..." Mizael öffnete bereitwillig den Mund um Matts Zunge Einlass zu gewähren und den Kuss genauso stürmisch und fordernd zu erwidern. Ihre Hände wanderte zwischen ihren Körpern seine Brust und seinen Bauch hinab und blieben am Hosenbund liegen.

Sie machte sich daran zu schaffen und ihre Hände glitten in die Jeans hinein. Yamato keuchte auf, was sie zu einem Grinsen veranlasste. "Hmm... Du scheinst meiner Idee nicht ganz abgeneigt zu sein, oder?" Statt einer Antwort hob er sie hoch und ließ sie in das Bett sinken. Taichi konnte sehen, wie dunkel Yamatos Augen vor Verlangen waren. Langsam kniete er sich über Mizael.

Wie es wohl wäre, jetzt an ihrer Stelle zu sein. Wie es wohl wäre, wenn er es wäre, über den Matt sich beugte und nicht Mizael? Taichi stellte es sich einfach nur vor. Er spürte, wie Yamato ihm eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht strich und dabei flüsterte: "Du bist das schönste Geschöpf auf der ganzen Welt..." Tai sah nun nichts mehr, er hatte die Augen geschlossen. Er wollte sich nur noch auf das konzentrieren, was er um sich herum mit seinen anderen Sinnen wahrnahm. Etwas zu sehen hätte diesen schönen Traum zerstört.

Die Matratze unter ihm bewegte sich und Tai spürte, wie Haare in seine Stirn fielen, doch es waren nicht seine eigenen. Keine Sekunde später spürte er schon einen warmen Atem auf seinen Wangen. Matts Gesicht musste seinem nun wirklich sehr nah sein. Noch immer öffnete Tai die Augen nicht. Unwillkürlich begannen seine Lungen heftiger und in immer kürzeren Abständen nach mehr Sauerstoff zu verlangen. Statt eines Magens war da nur ein riesiges Loch, das ihn aufzusaugen drohte.

Matts Atem wurde immer schneller, wärmer und deutlich spürbarer. Tai klammerte sich in die Kissen. *Oh mein großer Gott...* Dann schaltete sein Hirn sich ab. Yamatos Lippen hatten sich auf die seinen gelegt. Ganz vorsichtig und fast schüchtern ruhten sie auf seinem leicht geöffnetem Mund. Er bebte unter diesem Kuss. Sein ganzer Körper begann zu zittern. Ihm wurde zuerst heiß und dann wieder kalt. Tai konnte Matts Atem in seinem Rachen spüren und er war sicher, dass es ihm auch so ging. Yamatos Lippen waren weich und warm. Beide verharrten in bewegungsloser Stille.

Dann entfernte sich Matts Mund zögerlich wieder. Die Wärme auf Tais Lippen verschwand und ließ ihn in Dunkelheit und Kälte zurück. *Nein! Lass mich nicht allein!* Reflexartig hob er sein Kinn und holte Yamato zurück. Er wollte nicht, dass er ging. Er wollte, dass sie zusammenblieben, dass die Zeit still stehen blieb und sie allein waren. Nur er und Yamato. Ohne Mizael, Band, Familien und andere Menschen. Sie würden es nicht verstehen. Er verstand es doch selbst nicht einmal richtig. Alles was er wusste war, dass es nicht falsch war was sie taten. Es konnte gar nicht falsch sein.

Verzweifelt presste er seine Lippen an Yamatos, die mit gleicher Kraft erwiderten. Taichi wollte mehr von dieser Kraft. Er wollte sie erfahren, kennen lernen und nie wieder vergessen. Die Leidenschaft die sich hinter dem Kuss verbarg gemeinsam mit Yamato erkunden und immer wieder aufs Neue entdecken.

Seine Finger krampften sich in die Bettlaken. Langsam verließ ihn seine Kraft und Matt schien es nicht anders zu gehen. Der Kuss wurde wieder sanfter, bis er nur mehr eine Erinnerung war. Ein Schatten der Wirklichkeit und Realität.

Tai spürte, dass Yamatos Blick auf ihm lastete, aber er traute sich nicht, die Augen zu öffnen. Die Matratze bewegte sich wieder und Tai vermutete, dass Matt sich wieder hingelegt hatte. Er wartete. Vorsichtig fuhr er sich mit der Zunge über die pulsierenden Lippen. Ein unbekannter Geschmack lag auf ihnen. Tai konnte nicht genau definieren, was er schmeckte, aber er glaubte eine Spur von Baileys zu erkennen. Hatte Yamato nicht zuletzt einen solchen getrunken? Tai fiel es wieder ein. Sie beide hatten zusammen einen getrunken. Kurz bevor sie nach Hause gegangen waren.

Tai schlug die Augen auf. Ungläubig sah er sich um. Was war geschehen? Hatte er gerade geträumt? Wann war er eingeschlafen und wann wieder aufgewacht? Jetzt gerade eben oder schon vorher? War das gerade Erlebte Wahrheit oder Lüge? Real oder irreal? Das konnte Tai nicht sagen. Trotzdem, oder gerade deswegen, machte dieser Kuss ihm angst. Nein, nicht der Kuss an sich, sondern das, was er dabei empfunden hatte. Die Tatsache, dass es ihm gefallen hatte und er sich nicht sicher war, ob er zu einem weiteren Kuss Nein sagen zu wollen. Er würde sicher nicht Nein sagen. Ganz bestimmt nicht. *Was zum Teufel...? TAICHI! Was denkst du da bloß? Matt ist ein Kerl! Und du bist auch einer! DAS ist doch nicht normal! Tai, reiß dich zusammen! So was darfst du noch nicht mal denken!*

Und was, wenn er dich liebt? Was, wenn der Kuss real war? Fragte eine dünne Stimme. *Er liebt mich ganz sicher nicht! Warum sollte er das tun, hä? Und ich habe nur GETRÄUMT! Es war ein TRAUM! Es war NICHT REAL!* Was ist mit den zwei Mädchen, die du belauscht hast? Wieder diese Stimme. *Sie müssen sich geirrt haben! Ganz einfach! Gott, ich muss wirklich total crazy sein! Ich führe schon Selbstgespräche!* Und was war heute morgen in der Dusch... *RUHE! Es war gar nichts! Gar nichts!* Die Stimme verstummte.

Neben sich sah Tai Matt seelig schlafend liegen. War er vorher nicht näher an der Bettkante gewesen? *Einbildung, Tai...*
 

"Yamato... Matt? Schläfst du schon?" Sein Gegenüber gähnte und murmelte etwas Unverständliches. "Was hast du gesagt?" "Jetzt nicht mehr..." "´tschuldigung." Matt hob seine Augenlider ein bisschen um gekünstelt mit den Augen zu rollen. Er drehte sich auf die andere Seite und umschlang sein Kissen. "Lass und wieder schlafen, Tai. Es ist zu früh, um aufzustehen." Dann fielen ihm die Augen wieder zu. Tai hingegen war wieder hellwach und setzte sich auf. "Matt?" "Jaaaaa?", kam es gedehnt und mit genervtem Unterton zurück. Doch Taichi schien es nicht zu bemerken. "Danke." Verdutzt drehte Yamato sich halbwegs um und blinzelte ihn aus schlaftrunkenen Augen an. "Für was denn?" "Dafür, dass ich bei dir essen und schlafen kann." "Ist doch kein Problem. Ich freu mich, dass du da bist." Er drehte sich Taichi gänzlich zu. "Ehrlich?" "Ja. Ganz ehrlich." Zur Bekräftigung wuschelte Matt ihm durch die braunen Haare. Eine kurze Stille trat ein und Yamatos Geist driftete schon wieder ins Reich der Träume ab.

Plötzlich hangelte Tai nach seiner Hose und zog ein gefaltetes Blatt heraus. "Es ist fertig, Matt. Ich möchte es dir schenken. Für... na ja, für alles eben." Etwas verlegen streckte Taichi ihm das Papier hin. Verwundert sah Yamato ihn an. Dann setzte er sich auf und stopfte sich sein Kissen in den Rücken. An Schlaf war wohl nicht mehr zu denken.

Er hatte es tatsächlich getan. Würde Yamato es überhaupt annehmen? Würde es ihm gefallen? Hielt er ihn jetzt womöglich für einen kompletten Idioten? Wie hatte er nur auf die dumme Idee kommen können, ihm ein Gedicht schenken zu wollen? Da wurde ihm das Blatt aus der Hand gezogen. "Wirklich für mich? Darf ich es lesen?" Tai nickte. Bei dem warmen Lächeln konnte er einfach nicht anders. "Natürlich. Es ist ja jetzt deins." Matt hangelte nach seiner Brille auf dem Nachttisch und setzte sie auf. Während er las, begann Tai die Bettdecke zu kneten. So nervös und aufgeregt war er selten. Gebannt starrte er auf seine Hände, die den weißen Stoff immer wieder wrangen.

"Taichi?" "Ja?" Fast erschrocken sah er auf. Blickte Yamato an. Tränen schimmerten in dessen Augen. "Du weinst ja." "Tu ich gar nicht." "Aber fast." "Daran bist ja du schuld!" "Was? Wieso? Ich hab doch gar nichts getan!" Matt lächelte. Sein Freund war manchmal wirklich naiv. "Das da..." Er deutete auf das Blatt Papier. "... ist einfach nur noch zum Heulen." *Ich hätte ja wissen müssen, dass es ihm nicht gefällt. Es ist zum Heulen schrecklich... Sicher hält er mich jetzt für einen Volltrottel, der ihm auch noch ein grottenschlechtes Gedicht schenkt. Ich so was von blöd! Wie hab ich nur glauben können, dass es ihm gefällt? Tai du Vollidiot!*

Tai biss sich auf die Unterlippe. "`tschuldigung", brachte er zerknirscht hervor. "Wieso das denn?", fragte Matt. "Für das da." Schamesröte stieg in Taichis Wangen und er deutete auf sein Gedicht. "Ja klar Und ich entschuldige mich bei unserem Lehrer für meinen Musikeinser." Entgegnete Yamato sarkastisch "Das ist spitze, Tai! Klasse!" "Ehrlich?" "Ganz ehrlich!" "Und du lügst mich auch nicht an, oder?" "Sicher nicht. Warum sollte ich so etwas tun, Taichi?" Verwundert sah Matt seinen besten Freund an. Dieser zuckte mit den Schultern. *Warum sollte ich ihn anlügen? Wie kommt er da drauf?*

"Ich, ich weiß nicht, ob ich dir alles aufs Wort glauben kann, was du sagst." Erstaunen und Entsetzen machten sich auf Matts Gesicht breit. Was sagte er da? Was bedeutete das bloß? "Ich, ich meine, du hast mir versichert, du hättest keine Freundin und heute morgen kam dann, ihr seid seit einem Jahr zusammen. Versteh mich nicht falsch, aber ich glaube, dass das nicht alles war, was ich wissen sollte. Ich meine, hey, ich hab wirklich Viel vergessen, aber das heißt noch lange nicht, dass du mir Dinge vorspielen musst, die nicht so sind, wie sie sind. Auch wenn ich mich nicht mehr an Vieles erinnern kann, eines weiß ich doch noch, du hast mich nie angelogen und mir vertraut. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass sich das was vor 2 ½ Jahren war immer mehr verändert hat. Du hast nicht mehr das Vertrauen in mich wie damals. Du glaubst nicht mehr an mich, oder? Du glaubst nicht, dass ich mich nie mehr an alles erinnere, hab ich Recht? Also sag mir, und lüg mich nicht an, warum hast du mich angelogen?" In Taichis Augen lag ein eindringlicher, fast flehender Blick. Er wollte die Wahrheit. Noch eine Lüge duldete er nicht. Er wollte es wissen und zwar jetzt.

Yamato suchte nach den richtigen Worten. Das Gefühl, dass es zu diesem unausweichlichem Gespräch kommen würde, hatte er gleich am Anfang gehabt. Aber das es so bald schon da war, damit hatte er nicht gerechnet. Schließlich meinte er die richtigen Sätze gefunden zu haben, um Taichi alles zu erklären. Er atmete tief durch. Das musste er jetzt durchstehen!

"Hör mir zu. Ich werde dich nicht anlügen und ich werde versuchen, dir alles genau zu erklären, ja? Gut. Also. Bis jetzt, war ich schon immer Single mit ein paar Beziehungen zwischendrin, die ein oder zwei Wochen hielten. Das schreibt die Presse. Aber das heißt noch lange nicht, dass es stimmt. Das ganze ist eine einzige große Lüge, um uns bekannter und erfolgreicher zu machen. Eine Band hat wesentlich mehr Erfolg, wenn der bekannteste, meistens der Sänger Single ist. Weil dann die ganzen Mädels die CDs kaufen. In diesem Fall, bin ich nun mal der, der diese ganze Show anziehen muss. Nach außen hin muss ich bestimmten Leuten bestimmte Gefühle entgegenbringen. Das ist alles Promotion.

Unser Privatleben ist eigentlich streng geheim. Es weiß deshalb keiner, dass ich furchtbar sauer werden kann und manchmal einfach ausraste. Keiner weiß, ob ich wirklich die und die Person liebe. Keiner weiß, ob ich wirklich mit dem und dem was hatte. Das geht nur mich und die entsprechende Person was an. Und ich will, dass von mir soviel geheim bleibt, wie nur irgend möglich. Deshalb haben nicht mal Yukiro und Shinji was von mir und Mizael gewusst. Deshalb habe ich auch dir eine Lüge aufgetischt. Ich weiß, du hättest niemals jemandem was davon gesagt, wenn ich dich darum gebeten hätte. Das weiß ich auch bei Shinji und Yukiro. Aber man kann sich ja aus Versehen verplappern und dann ist der Teufel los.

Du hast es je erlebt. Man hat uns abgelichtet, kurz darauf sind wir in irgendeiner Zeitung. Unser Manager ist schrecklich wütend und hat uns geraten, dass wir nicht dementieren sollten. Also müssen wir jetzt alles mehr oder weniger regelrecht zur Schau stellen, weil die Masse Fotos sehen wollen. In 3 Tagen ist eine Pressekonferenz, bei der wir alles erzählen werden und auch müssen.

Es tut mir schrecklich leid, dass ich dich angelogen habe. Aber vielleicht verstehst du es ja. Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue, aber... es ist alles so furchtbar kompliziert. Für mich blieb keine andere Wahl, aber ich schwöre, dass ich dich nicht anlüge, wenn ich sage, dass ich dir mein Leben anvertrauen würde. Es hat sich nichts seit damals verändert, außer dem, dass mein Leben nicht mehr mir allein gehört. Und ich bin mir sicher, dass du dich wieder an alles erinnern wirst. Noch mal, es tut mir alles unendlich leid. Wirklich und absolut ehrlich."

Matt seufzte und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. Das Mauerwerk war angenehm kühl.

"Es ärgert mich unglaublich, dass man uns fotografiert hat. Jetzt wird alles nur noch zur Schau gestellt. Wir haben doch wirklich alles, alles getan, damit niemand davon erfährt. Mich regt alles einfach nur noch auf..."

Warum passierte das alles ausgerechnet jetzt?? Jetzt, da er, Taichi wieder bei ihm war? Jetzt da er endlich gehofft hatte, so etwas wie glücklich sein zu können?? Doch diese Fragen zu stellen brachte ihm nichts. Ändern tat so etwas die Situation keineswegs.

"Aber so ist das anscheinend. Ich habe mich für das Singen entschieden. Und jetzt muss ich nun mal auch die Konsequenzen dafür tragen." Tai lächelte. Er hatte alles verziehen. "Ich denke, du hast dich richtig entschieden. Du hast ein wahnsinniges Talent und eine superschöne Stimme. Wenn du nicht ganz groß wirst, will ich nicht mehr Taichi Yagami heißen." "Schleim nicht so rum, Tai." Yamato grinste. Es tat gut, etwas Lob zu hören, wenn man am Morgen noch eine Standpauke zu hören bekommen hatte. *Balsam für die Seele...* "Ich brauch mich doch nicht einzuschleimen. Manche würden töten, um den Platz neben dir, in deinem Bett, haben zu können. In den du mich nebenbei auch noch gedrängt hast. Ich hab keinen Grund um mich bei dir einzuschmeicheln. Du weißt, dass ich recht habe, Matt." "Ist schon gut, schon gut. Hab ich was gesagt??"

Tai grinste. "Nein. Eigentlich nicht. Sag mal, spürst du eigentlich deine Stimmbänder beim Singen? Ich wollte dich das schon immer mal fragen, aber ich hab's bisher immer wieder verpasst." "Du kommst auf Sachen..." "Mich interessiert das doch nur! Also? Nun sag schon!"
 

"Also... Ähm... Eigentlich nur, wenn ich meine Hand hierhin lege." Flüchtig berührte Yamato seinen Hals. "Warte. Gib mir deine Hand, Tai." Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm Matt Tais Hand und legte sie dorthin, wo er sich vorhin selbst berührt hatte. Tais kleiner Finger ruhte auf seinem Schlüsselbein und der Zeigefinger dort, wo der Hals begann und der Kiefer aufhörte. *Sein Puls...* Täuschte Tai sich, oder wurde er wirklich immer schneller? *So ein Unsinn, Tai. Du bist wirklich doof.*

"Na dann fang mal an, du Sänger du." Matt grinste und nickte. Er schloss die Augen. In seinem Kopf hörte er das Gitarrenintro von Yukiro. Dann einen Ton von Shinjis Keyboard. Er ließ Luft in seine Lungen strömen. Plötzlich war er so aufgeregt, als würde er vor einem riesigen Publikum stehen, obwohl er doch nur für Taichi, seinen besten Freund, sang. Doch für Lampenfieber hatte er jetzt nicht Zeit. Schließlich musste er doch singen!

Langsam verließ der Sauerstoff seine Lungenflügel wieder, voll mit den ersten Tönen des Liedes. Tai spürte, wie Matts Hals unter seinen Finger vibrierte. Es war ein seltsames Gefühl.
 

So lately, been wondering

Who will be there to take my place

When I´m gone you´ll need love to light the shadows on your face

If a great wave shall fall and fall upon us all

Then between the sand and stone, could you make it on your own
 

If I could, then I would

I´ll go wherever you will go

Way up high or down low, I´ll go wherever you will go
 

( So spät frage ich mich,

wer da sein wird um meinen Platz einzunehmen

Wenn ich gegangen bin, wirst du Liebe brauchen um die Schatten in deinem Gesicht zu erhellen

Wenn eine große Welle fallen sollte und auf uns alle fällt

Kannst du dann zwischen Sand und Steinen dein eigenes Ding drehen
 

Wenn ich könnte, dann würde ich

Ich würde gehen, wo immer du auch hingehst

Weit hinauf oder tief hinab, ich würde gehen wo immer du auch hingehst )

Sie waren allein, es war stockfinstere Nacht und Yamato sang aus voller Kehle und tiefstem Herzen. Währendessen lag seine eigene Hand auf dessen Kehle und er selbst lauschte gebannt der wunderschönen Stimme. Schauer liefen Tais Rücken hinab.

And maybe, I´ll find out

A way to make it back someday

To watch you, to guide you, through the darkest of your days

If a great wave shall fall and fall upon us all

Then I hope there´s someone out there who can bring me back to you.
 

If I could, then I would,

I´ll go wherever you will go

Way up high or down low, I´ll go wherever you will do
 

( Und vielleicht werde ich

eines Tages einen Weg finden es rückgängig zu machen

Dich zu beobachten, dich durch die schwärzesten deiner Tage zu leiten

Wenn eine große Welle fallen sollte und auf uns alle fällt

Dann hoffe ich, dass jemand dort draußen ist, der mich zu dir zurückbringen kann
 

Wenn ich könnte, dann würde ich

Ich würde gehen, wo immer du auch hingehst

Weit hinauf oder tief hinab, ich würde gehen wo immer du auch hingehst )

*Wo ist er nur? Er sieht so weit weg aus.* Gerade hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, als Matt die Augen aufschlug, seinen Kopf drehte und ihn ansah. Etwas lag in seinem Blick... Tai konnte nicht definieren, was es war. Langsam zog er seine Hand von Yamatos Kehle, dieser aber drückte sie mit seinen eigen Fingern auf ihren Platz zurück. Taichi spürte jetzt noch deutlicher das Vibrieren seiner Stimmbänder, die bei jedem Ton, jedem Wort in sanfte Schwingungen gesetzt wurden.

Run away with my heart

Run away with my hope

Run away with my love
 

I know now, just quite how

My life and love my still go on

In your heart, in your mind, I´ll stay with you for all of time
 

( Lauf mit meinem Herz weg

Lauf mit meiner Hoffnung weg

Lauf mit meiner Liebe weg
 

Ich weiß jetzt, einfach nur wie

Mein Leben und meine Liebe weitergehen müssen

In deinem Herz, in deinen Gedanken, werde ich für alle Zeit bei dir bleiben )

Noch immer hielt der Blick von Matts saphirblauen Augen ihn gefangen. In diesem Moment glaubte Tai sich seinem Freund näher zu sein als jemals zuvor. Irgendwo in seinem Hinterkopf regte sich eine Erinnerung. Schon einmal hatten ihn diese blauen Augen so angesehen. So seltsam bittend, flehend und ihm irgendetwas mitteilend. Doch er konnte diesen Ausdruck nicht interpretieren. Sie waren zu zweit. Auf einer kleinen freien Insel in einem Meer von Passanten, die eilig vorbeihasteten *Was ist damals bloß geschehen? Was willst du mir sagen?* Abschiedsgefühle lagen in der Luft. Die Situation hatte etwas endgültiges an sich. Sie waren jünger. Ungefähr 2 einhalb Jahre jünger. Plötzlich wusste Tai wo sie waren. Am Flughafen von Tokio!

If I could, then I would

I´ll go wherever you will go

Way up high or down low, I´ll go wherever you will go
 

If I could turn back time, I´ll go wherever you will go

If I could make you mine, I´ll go wherever you will go

I`ll go wherever you will go
 

( Wenn ich könnte, dann würde ich

Ich würde gehen, wo immer du auch hingehst

Weit hinauf oder tief hinab, ich würde gehen wo immer du auch hingehst
 

Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich gehen, wo immer du auch hingehst

Wenn ich dich zu meinem Eigentum machen könnte, würde ich gehen, wo immer du auch hingehst

Ich würde gehen wo immer du auch hingehst )

Doch sobald Taichi versuchte, sich weiter zu erinnern, flutschte die Szenerie weg und war wieder in der Dunkelheit verschwunden. Der letzte Ton kam über Yamatos Lippen und verklang im dunklen Zimmer. Tränen schimmerten in Tais Augen. Er wusste nicht, warum, aber ein tiefer Schmerz war über ihn gekommen. Es fühlte sich an, als würde er ganz allein auf der Welt sein. Keine Menschenseele weit und breit. Totale Einsamkeit. Kalte Schauer ließen Taichi erzittern. Obwohl er in einem warmen Bett lag, kam es ihm vor, als würde es nie wieder richtig warm werden. Die einzige Wärmequelle schien von Matt auszugehen, an dessen Kehle noch immer seine Hand lag. "Und?" "Ich... ich weiß nicht Matt... Plötzlich ist da was da... Es ist komisch... Dieses Lied, diese Worte..." Verwirrt schüttelte Tai den Kopf.

Auf einmal zog Yamato ihn in seine Arme. "Hey, ist ja schon gut" "Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, Matt. Du benimmst dich so seltsam und ich... ich weiß gar nicht, warum und was los ist. Und diese seltsamen Gefühle in mir... ich bin so schrecklich durcheinander. Alles in meinem Kopf ist ein einziges Wirrwarr. Ich sehe Menschen, Orte... an die ich mich erinnern müsste, aber es nicht kann. Dann denke ich an ein Lied oder so, weiß aber nicht wann ich es gehört habe oder wo. Und in manchen Situationen habe ich so ein komisches Gefühl. Mein Gedächtnis ist damit verbunden, aber es will nicht wiederkommen, dafür aber spüre ich so seltsame Dinge. Zum Beispiel, wenn ich eine Mundharmonika spielen höre, werde ich total glücklich und zufrieden, weiß aber nicht warum. Und weißt du, was das Schlimme daran ist?? Weißt du, was das ist? Die Menschen um mich herum scheinen zu wissen, warum es mir so geht, warum ich so fühle, aber sie wollen es mir nicht sagen. Sie helfen mir nicht! Sie sagen zwar, sie würden alles nur Erdenkliche tun, aber in Wahrheit wollen die doch gar nicht, dass ich mich erinnere, oder Matt? Ist es nicht so, Matt? Du willst auch nicht, dass ich mich erinnere, oder? Du willst nicht, dass ich mich daran erinnere, was am Flughafen passiert ist. Dort haben wir uns das letzte Mal gesehen, nicht wahr? Oder Matt? Yamato. Antworte mir! Ist es so, wie ich es sage?"

Doch er bekam keine Antwort. Stattdessen spürte er, wie Yamato ihm sanft über den Rücken strich. Dieses seltsame Gefühl tauchte wieder in Tai auf. Er fühlte sich geborgen und doch vollkommen aufgeregt. Auf der einen Seite entspannte er sich doch seine Nerven lagen blank. *Was ist nur los mit mir? Was geht da ab?*

"Weißt du Tai... Dieses Lied, das ich gerade gesungen habe, das hat noch niemals jemand gehört oder den Text dazu gelesen. Es ist schon furchtbar alt. Und ich war vollkommen aufgelöst, als ich es geschrieben habe. Weißt du, es war noch am gleichen Abend, an dem du weggeflogen bist. Ich kann mich daran erinnern, wie meine Hände gezittert haben. Ich glaube, es war der schrecklichste Tag in meinem ganzen Leben. Eigentlich hätte ich dieses Lied viel früher schreiben müssen. Und ich hätte dir schon viel früher sagen sollen... ich hätte es dir viel früher vorsingen sollen. Aber das ist mir erst an diesem Abend klargeworden. Ich habe alles von damals in mir vergraben, weil es viel zu sehr wehtut, daran zu denken. Vielleicht geht es den anderen Menschen auch so? Dass das, an das du dich erinnerst, vielleicht mit ihren eigenen Schmerzen verbunden ist. Vielleicht wollen sie selbst nicht mehr daran denken, was einmal geschehen ist, weil es nicht mehr zu ändern ist. Du wirst dich auch ohne Hilfe anderer irgendwann an alles wieder erinnern können. Du bist doch selbst so stark Taichi, du brauchst die Unterstützung von anderen doch gar nicht."

"Aber es wäre einfacher, wenn sie da wären." "Du kannst nicht immer nur den einfachen Weg gehen Tai. Es wird einem nie leicht gemacht. Und manchmal ist der einfachste Weg nicht zwingend der Beste. Lass uns schlafen. Wir müssen morgen fit sein, wenn wir in den Vergnügungspark gehen wollen." "Mhm..." Tai nickte. Obwohl der Aussagegehalt von Matts Worten gegen Null tendierte, fühlte er sich doch etwas besser verstanden und nicht mehr gar so hilflos wie zuvor. Zufrieden schloss er die Augen und schlief ein.

My Heart Is On A Rollercoaster... - Mein Herz Fährt Achterbahn...

Autorenkommentar:

Hallo ihr Lieben!

Es tut mir leid, dass ich mit dem neuen Kapitel so lange gebraucht hab, aber ich war/bin mit dem Studium leider ziemlich eingespannt, sodass ich mich ein bisschen einschränken muss. Nichtsdestotrotz wird die Geschichte aber fortgesetzt, auch wenns länger dauern wird. Danke schon mal für eure Geduld.

Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen. ^-^
 

Chapter 14: My Heart Is On A Rollercoaster... - Mein Herz Fährt Achterbahn...
 

Die Sonne kitzelte in seiner Nase und er streckte sich im noch leicht rötlichen Morgenlicht der Sonne. Tai setzte sich auf und sah sich um, während er mit seinen Händen durch seine struppigen braunen Haare fuhr. Er war allein. *Klar, dass er schon auf ist. Braucht der Kerl eigentlich gar keinen Schlaf?* Gähnend und verschlafen schlurfte Taichi aus dem Schlafzimmer, auf der Suche nach seinem Freund. Wie vermutet fand er ihn werkelnd in der Küche. Matt hatte etliche Gummis und Klammern in den Haaren um zu verhindern, dass ihm einige Haarsträhnen ins Gesicht fielen und ihn so beim Brote Schmieren behinderten. Um seinen Hals hing eine blaue Küchenschürze von der Tai wusste, dass rechts an der Brust mit weißem Faden "Yamato Ishida – Best cook in the world" aufgestickt war. Schließlich hatte Tai sie ihm zum Geburtstag geschenkt. "Guten Morgen, Tai. Auch schon auf?" Grinsend sah Yamato von seinen Broten auf. "Morgen." Tai gähnte. "Ja, halbwegs bin ich wach." Er gähnte nochmals und Matt steckte ihm ein Brötchen in den Mund. "Dange." Mit vollen Backen kauend ließ Tai sich auf einen Stuhl am Küchentisch plumpsen und sah Matt bei der Arbeit zu.

Auf einmal klingelte es an der Tür. "Das ist Yukiro. Beeil dich. Wir gehen in einer Viertelstunde." "Jaja... Nur kein Stress." Träge erhob sich Tai. Matt hatte inzwischen die Tür geöffnet und Yukiro hereingelassen. "Morgen Tai. Gut geschlafen?" "Guten Morgen. Ja. Hab ich." "Ab ins Bad mit dir, sonst sind wir morgen noch da!" Mit einem leichten Tritt in sein Hinterteil beförderte Matt Tai Richtung Bad. "Nimm dir irgendwas aus meinem Schrank zum Anziehen." "Ist gut!" brüllte Tai aus dem Bad zurück.

Yukiro grinste. "Was?" Kritisch zog Yamato eine Augenbraue hoch. "Nichts. Nur so. Sakura hat Grippe gekriegt, Shinji konnte ich nicht erreichen und Mizael hat ja keine Zeit, oder?" Yukiro ließ sich auf den Stuhl sinken, auf dem vorher Tai gesessen hatte. "Ja. Sie hat heute ein Interview und danach ein Fotoshooting. Verständlich, dass sie keine Zeit mehr für den Vergnügungspark hat. Gehen halt nur wir drei. Wie geht´s Sakura denn?" "Na ja. Wie es einem bei 'ner Grippe halt so geht. Sie ist müde, hat Kopfweh und Fieber... Der ganze Mist halt. Ich war gestern noch bei ihr." Yukiro erntete für sein darauffolgendes Grinsen einen aussagekräftigen Blick von Matt. "Ihr habt doch nicht etwa, wenn sie krank ist..." "Nein, nein..." Yukiro schnitt ihm das Wort ab. " Ich hab die Nacht bei mir zu Hause durchgeschlafen. Was man deinem Aussehen nach von dir wohl nicht grade behaupten kann. Was war denn gestern Nacht los?" Yamato seufzte. Eigentlich wollte er darüber nicht reden. Er räusperte sich und senkte die Stimme ein wenig.

"Er hat nach dem... "Ereignis" am Flughafen gefragt. Er wollte wissen, was passiert ist..." Yukiro sah auf. "Und? Was hast du ihm erzählt?" "Nichts. Ich kann ihm das nicht antun. Nicht nachdem er endlich wieder hier ist, nach über 2 Jahren. Ich bin jetzt mit Mizael zusammen. Ich könnte es nicht ertagen, ihn noch mal zu verletzen und zu verlieren. Ich kann nicht riskieren, das alles ein zweites Mal zu verlieren. Nicht jetzt." "Aber du wirst es ihm doch sagen, oder?" Eindringlich sah Yukiro dem Bandleader in die Augen. "Oder?", hakte er nach. "Ich, ich weiß nicht..." Resignierend sah Yamato zur Seite. "Er ist doch dein bester Freund, oder?" Matt nickte. "Ich denke, dann hat er als solcher ein recht darauf, zu erfahren, was wirklich passiert ist." "Aber, aber ich kann doch nicht schon wieder unsere Freundschaft aufs Spiel setzen. Außerdem wird er mir sowieso nicht glauben und mich für einen Lügner halten. Das ist das Letzte, was ich will." Seine Hand umkrampfte die Tischplatte. "Es wird ihm das Leben zur Hölle machen, genauso wie es bei mir ist. Es ist gut, dass er es vergessen hat und es ist am Besten für ihn, wenn er sich niemals wieder daran erinnert. Ich kann ihm das nicht antun. Er würde es nicht packen. Ich bin damals mehr als einmal zu nah an den Klippen am Meer gestanden. Ich habe mich mehr als einmal zu weit über Geländer von Hochhäusern gelehnt. Alles nur deswegen. Wenn Tai sich deswegen etwas antut... Ich könnte es mir niemals verzeihen."

Er schloss die Augen und stützte seinen Kopf in seine Hände. Warum musste alles nur so furchtbar schwer sein? Matt hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Auf der einen Seite wusste er ja, dass Yukiro Recht hatte, mit dem was er sagte. Taichi musste es irgendwann erfahren. Er hatte ein Recht darauf zu wissen, was geschehen war. Auf der anderen Seite hatte Yamato Angst vor dem, was danach sein würde. Wie würde Tai auf die Wahrheit reagieren? Wenn es doch nur abzusehen wäre, was geschehen würde! Matt seufzte. Leider war es das nicht.

"Ich bin fertig! Wann geht´s los?" Wie ein Wirbelwind stürmte Tai in die Küche. Er strahlte von einem Ohr zum anderen und schien wieder ganz der Alte zu sein. "Sofort. Yukiro, bist du soweit?" "Ja, von mir aus kann's jetzt losgehen." Mit einem Freudenschrei und einigen Sätzen war Tai schon and er Wohnungstür. "Los kommt schon!", drängte er und verschwand nach draußen.

"Du musst es ihm sagen, Matt!" Yukiro hielt seinen Freund an der Schulter zurück und sah ihm tief in die Augen. Dieser aber wandte den Blick ab. "Ich weiß nicht, ob ich das kann." Yamato ging zur Arbeitsplatte und schulterte den Rucksack in dem ihre gesamte Verpflegung war. Dann folgten die beiden Tais Drängen, doch nun endlich nach draußen zu kommen.
 

„Hey, wo bleibt ihr denn?!“ Taichi winkte zu Yukiro und Matt zurück. Kaum an den Drehkreuzen am Eingang vorbei, war Tai losgestürmt. Nun gingen ihm seine Freunde zu langsam. „Jetzt kommt doch endlich, ihr lahmen Enten, ich will Achterbahn fahren!“ „Wir kommen ja schon.“, rief Matt lachend zurück. Es war eine gute Idee gewesen, hierher in den Vergnügungspark zu kommen. Hier konnte er, und auch Taichi, auf andere Gedanken kommen. Seine blonden Haare hatte Matt unter einem Basecap versteckt. Die große Sonnenbrille fiel wegen der strahlenden Sonne nicht weiter auf. Außerdem, wer würde ihn schon in einem Freizeitpark vermuten? Er hatte eigentlich andere Sorgen. *Eigentlich…*Aber Yamato verdrängte die düsteren Gedanken.

„Müsst ihr euch wirklich derart verkleiden?“ Tai deutete auf die Kappen und Sonnenbrillen von Matt und Yukiro. „Du willst doch einen schönen Tag haben, oder Tai?“ Yukiro blickte Taichi über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an. „Ja, sicher.“ Er grinste. Wie sehr er sich auf den Park freute! Auf die Achterbahnen, Karusselle, Wasserrutschen und und und… „Aber ein Nachmittag kann nur ohne Reporter und anhängliche Fans schön sein.“ Matt vollendete Yukiros Erklärung. Nervende Reporterkameras, Fragen und kreischende Mädchen konnten sie heute wirklich nicht gebrauchen. „Oh, okay…“ Betreten sah der Braunhaarige zu Boden. Daran hatte er nicht gedacht.

„Können wir dann endlich los? Ich kann’s kaum noch abwarten.“ „Dir kann aber auch gar nichts die Laune verderben, oder Tai?“ Matt grinste. Wenigstens schien sein Freund den Tag genießen zu können. Tai grinste zurück. „Doch, und zwar, wenn wir jetzt nicht bald Achterbahn fahren!“ Er packte Matts Hand und zog ihn mit sich. „Nicht so lahm, Yama!!! Ich will alles fahren!“ *Diese beiden…* Lachend folgte Yukiro den beiden zur erstbesten Achterbahn, bei deren Anblick allein ihm schon übel wurde. *Warum bin ich nur mitgegangen?*.

Die Schlange, in der sie anstanden, hatte schon eine beträchtliche Länge angenommen. *Gott sei Dank sind wir schon ein bisschen weiter vorn. Lang kann’s jetzt ja nicht mehr dauern…* Matt blickte hinter sich und sah statt seines besten Freundes nur dessen Bauch vor sich. „Tai, was tust du da?“ „Ja, nach was sieht’s denn aus?“ Tai kraxelte an den Zäunen herum, die die Menschen in eine gegliederte Schlange aufteilte und so am Drängeln hinderte. „Nach dämlich und Ich-Führ-Mich-Auf-Wie-Ein-Zehnjähriger. Du bist so was von peinlich. Komm da runter.“ „Aber mir ist langweilig. Das dauert ja ewig.“ „Du wolltest unbedingt gleich hier fahren. Obwohl du gesehen hast, dass die Schlange ewig lang ist, aber das war dir ja wieder egal.“

„Hey, was kann ich dafür, dass es nicht schneller vorwärts geht? Du kannst ja mal deinen bösen Blick anwenden, vielleicht lassen uns die Leute dann aus Angst vorbei.“ Tai streckte Matt die Zunge raus. „Böser Blick? Ich?“ „Ja, du. Wer sonst?“ „Du vielleicht?“ „Nein, ich kann doch gar nicht böse schauen. Ich bin der Liebreiz in Person.“ Übertrieben klimperte Tai mit den Augen zu Matt hinunter. „Kindskopf! Und jetzt komm da runter.“, antworte der Blonde lachend. „Nö. Seh’ ich gar nicht ein.“ „So? Dann hol ich dich eben da runter!“ „Kannst du doch gar nicht.“ „Das werden wir ja sehen…“ Matt packte Tai am Kragen und versuchte, ihn vom Geländer zu ziehen. „Heh, ihr beiden, beruhigt euch doch mal wieder.“ Doch Yukiros Einwurf blieb ungehört. „Matt, hör auf, du würgst mich.“ „Dann komm da herunter.“ Als Tai sich weiterhin weigerte, änderte Yamato seine Taktik und ließ ihn los. Stattdessen streckte er nun beide Arme aus und begann Taichi zu kitzeln. Yukiro runzelte die Stirn. „Yama, das ist unfair...“, konnte Taichi noch glucksen, bevor er das Gleichgewicht verlor und nach vorn kippte. „Achtung!“ Matts Arme breiteten sich aus und fingen Tai auf. Ihre Köpfe schlugen aneinander. „Yagami Taichi, du Idiot!“

Wütend sah Yamato seinen Freund an. Dieser blickte zurück und Matt sah in seine dunklen Augen. „Du Idiot…“, flüsterte er noch mal. Die Zeit schien still zu stehen. *Diese Augen…* Sie hatten Matt gefangen genommen. Er sah, wie er selbst sich in ihnen spiegelte. Das Sonnenlicht fiel seitlich in Tai’s Augen. Die Iris schien von innen heraus zu leuchten und die kleinen hellen Karamellspritzer glänzten wie pures Gold. *Taichi…* Wie gern wollte er für immer in diese Augen sehen können. Wie sehr wünschte er sich, dass sie nur ihn ansahen. Und zwar auf dieselbe Art und Weise, wie er selbst Tai betrachtete, wenn er meinte, er bemerke es nicht. Wie sehr wünschte er sich, diese Augen würden ihn lieben können…

„Matt? Yama? Hey, bist du noch da?“ „Hm? Ähm, ja.“ Matt blinzelte ein paar Mal um wieder in die Realität zurückkehren zu können. Was hatte er schon wieder gedacht? Wollte er heute nicht einfach nur einen schönen Tag verbringen, anstatt sich mit Sorgen zu quälen? Mit Sehnsüchten, die sich sowieso nie erfüllen würden? „Alles okay bei dir? Du hast einen ganz schön harten Schädel.“ Besorgt sah Tai ihn an. Wegen dieser blöden Sonnenbrille konnte er noch nicht mal in die Augen des Blonden sehen. Es war, als spräche er mit einem Fremden. „Was man von dir ja nicht gerade behaupten kann, Weichbirne!“, stichelte Matt. *Ihm darf auf keinen Fall etwas auffallen. Ihr seid Freunde. Nur Freunde. Nicht mehr. Nur Freunde.* „Heh…“ Empört plusterte Tai sich auf.

„Ähm… wie wär’s, wenn ihr mal aufrücken würdet, ihr beiden?“, versuchte Yukiro die beiden zu unterbrechen. „Wir sind bald dran.“ „Was? Echt? Ich hab doch gesagt, dass es nicht lange dauert.“ Tai grinste und schloss zum Rest der Schlange auf.
 

„Ich fahr nie wieder mit diesem, diesem… Ding!“ Yukiro ließ sich auf einer Bank nieder. Er war blass und sein Magen schien noch immer nicht die Achterbahn verlassen zu haben. Ihm war wirklich übel. *Warum muss ich Idiot auch mitfahren? Ich weiß doch, dass mir schlecht wird…* Er schloss die Augen und massierte sich die Schläfen, in der Hoffnung, diese ruhige Bewegung würde auch seinen Bauch sich weniger drehen lassen.

„Du verträgst das nicht so gut, was?“ Tai grinste. „Das passiert mir auch manchmal. Selten zwar, aber es passiert.“ Er ging vor Yukiro in die Hocke und nahm seine Hände von den Schläfen. „Das bringt nichts. Du musst dir einen festen Punkt suchen und den ansehen. Die Augen zuzumachen bringt dir gar nichts.“

Tai redete ihm weiter gut zu und Matt stand daneben. Eine kleine Pfeilspitze bohrte sich in sein Herz. Er konnte es nicht mitansehen, wie sein bester Freund sich um Yukiro kümmerte. Seine Hände verkrampften sich in den Hosentaschen zu Fäusten. Warum, warum nur? Warum konnte er nicht einmal zusehen, wie Tai sich um seinen Bandkollegen kümmerte? Wieso musste sogar diese Szenerie ihm Schmerzen zufügen? *Wieso kann ich nicht einfach meine Gefühle für ihn ausschalten?*

„Matt? Kannst du mir bitte mal das Wasser und ein Taschentuch geben?“ Tai sah ihn an. „Hm? Ja klar.“ Er holte den Rucksack von seinen Schultern und kramte nach dem Gefragten. Als er es hatte, tränkte er den Stoff mit dem kühlen Nass und reichte es Taichi. Dabei streiften sich ihre Hände. „Hey, du denkst ja richtig mit. Danke.“

Ein warmes Gefühl breitete sich von Tai’s Hand in seinen ganzen Körper aus. Das Taschentuch, welches er Yukiro an die Stirn hielt, schien diese Wärme gar nicht abkühlen zu können. Sein Nacken kribbelte. Ebenso wie sein Bauch. *Was fühle ich da nur?* Tai hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. *Wegen so einer kleinen Berührung? Was geht nur ab mit mir? Ich bin ja nicht mehr normal! Bin ich etwa in ihn verschossen?! Nein, nein Tai. Sowas darfst du nicht mal denken. Du bist doch nicht schwul. Dir laufen die Mädels die Tür ein. Und Yama-chan ist mit Mizael zusammen. Ihr seid nicht schwul. Nicht ihr…*

„Hm, danke. Jetzt wird’s besser. Aber mit so einem Teil werd’ ich heut trotzdem nicht mehr mitfahren.“ „Ja, so schaust du auch aus.“ Matt grinste. „Du solltest lieber mit dem Klein-Kinder Kram fahren, anstatt mit den Sachen für Erwachsene“, stichelte er. „So? Heißt das, dass wir gleich noch mal damit fahren?!“ Hoffnungsvoll sah Tai Matt an. „Öhm… später vielleicht…“ Denn ganz so bekommen hatte ihm der doppelte Looping auch nicht. Er klopfte Tai auf die Schulter, der etwas enttäuscht aussah. Aber er konnte jetzt beim besten Willen nicht schon wieder fahren, ohne wie Yukiro anschließend auf der Bank dazusitzen. „Es gibt ja noch viele andere Dinge, die wir machen können. Lasst uns doch jetzt mal weitergehen und dann sehen wir schon, was wir tun. Alle einverstanden?“ Yamato’s Vorschlag wurde einstimmig angenommen.
 

„Willst du wirklich nicht mitfahren Yukiro?“ „Nein, nein, fahrt ihr mal ohne mich. Lasst mir den Rucksack da, dann müsst ihr den nicht mitnehmen.“ Yukiro ließ ihn sich von Matt reichen. „Jetzt beeilt euch mal. Sonst kommen noch die Leute. Ihr habt Glück, dass grade fast keiner ansteht.“ „Ja, los komm schon Yama!“ Tai zupfte am Ärmel seines Freundes. „Ich komm ja schon.“ „Bis später Yukiro.“ „Ich wünsch euch viel Spaß.“ Dann wandte Yukiro sich um und steuerte den nächsten Hot Dog Stand an.

„Willst du vorne oder hinten sitzen Matt?“ Tai betrachtete die Bahn. In den einzelnen Zweier-Waggons saß man statt nebeneinander hintereinander und der vordere wurde von einem Bügel gehalten. Man musste also nahe zusammensitzen, damit man erstens Platz hatte und zweitens, damit der hintere vom vorderen im Waggon gehalten wurde. „Du darfst vorne sitzen. Ich fühl mich besser, wenn ich nicht sehe, wo ich hinfahre.“ Mit diesen Worten stieg der Blonde in den letzten Waggon und streckte die Beine auseinander. „Jetzt komm schon.“ „Aber das sieht komisch aus, wenn ich da sitze.“ „So ein Käse, jetzt komm endlich, du Kindskopf.“ Etwas widerwillig ließ sich Tai zwischen Matts Beinen nieder. „Geht’s so?“ „Jup. Mach den Bügel zu.“ Tai zog die Eisenstange an seinen Körper heran. Als sie eingerastet war, fuhr die Bahn auch schon an und zog sie hinauf.

Tai fühlte, wie Yamato’s Atem seinen Nacken kitzelte. Das Gefühl war irgendwie seltsam, aber angenehm. Sehr angenehm. Er schloss die Augen und neigte den Kopf leicht zur Seite, um mehr von diesem warmen Lufthauch zu spüren. Dabei lehnte er sich auch gegen Matt. Es überraschte ihn, wie sehr er sich geborgen fühlte, während die Bahn unter ihm ratterte. Dass sein Freund die Arme unter ihm hindurchgestreckt hatte, um den Bügel festzuhalten, hatte er zwar registriert, war ihm aber sonst nicht weiter aufgefallen. Somit lag er jetzt sozusagen in Matts Armen. Ihm wurde warm bei dem Gedanken und kalt zu gleich. Was dachte er denn da überhaupt? Yamato war doch mit Mizael zusammen! Er würde ihn auslachen, wenn Tai ihm erzählen würde, was er dachte. Aber dieses Gefühl war so angenehm. Hiernach hatte er sich die ganze Zeit über gesehnt. Aber es konnte, es durfte nicht sein. Wollte er das alles wirklich? Er war doch nicht schwul! Empfand er tatsächlich mehr als nur Freundschaft für Matt? Oder suchte er nur nach diesem Geborgenheitsgefühl, das jetzt zufällig Matt ihm gab?

Konnte er das nicht auch bei einem Mädchen finden? Alles war so furchtbar verwirrend. Aber diese Verwirrung wiederum erschien ihm seltsam vertraut. Es war nichts Neues für ihn, sich nicht im Klaren darüber zu sein, was er wollte.

Eine Erinnerung flammte auf. Matts blaue Augen sahen ihn an. Tränen schimmerten in ihnen. Tai zerriss es das Herz. Er fühlte Panik in sich aufsteigen. Er musste etwas tun. Er wusste nicht was. Aber er musste etwas loswerden. Etwas ganz wichtiges. Wenn ihm doch nur einfiele, was es war. Noch immer blickten diese blauen Augen ihn an. Doch es ging nicht weiter. Die Szenerie blieb stehen und bewegte sich nicht mehr. Verzweifelt versuchte Tai die nächste Szene der Erinnerung zu erhaschen, doch vergeblich. Es blieb beim Standbild.

„Tai, gleich geht’s bergab…“ Matt’s Stimme riss ihn aus den Gedanken. „Mhm.“, antwortete er bloß und seine Hände hielten sich noch fester am Bügel fest. „Welcher Idiot wollte denn hier mitfahren?“ „Du, Tai.“, lachte Matt. Doch das hörte dieser schon nicht mehr, denn als sie in die Tiefe fuhren, schrie er laut auf.

Taichi’s Haare kitzelten in der Nase des Blonden. Und obwohl es nicht gerade das Angenehmste auf der Welt war, Haare in der Nase zu haben, wollte Matt um nichts auf der Welt fort von hier. Es war so wundervoll gemeinsam mit Taichi hier zu sein. Er spürte ihn so nah bei sich. Sein warmer Körper schmiegte sich an den seinen, zwar vielleicht nicht unbedingt gewollt, aber dennoch genoss er es. Matt sah Taichi’s Nacken vor sich, seine leicht gebräunte Haut, auf der sich wegen des Adrenalins die Härchen aufrichteten. Zumindest glaubte er das. Denn die Bahn schüttelte sie ordentlich durch. Doch Yamato hatte keinen Blick für diese übrig. Am liebsten würde er ewig weiterfahren. Tai’s Haare und deren Duft in der Nase, die nackte Haut seines Nackens vor Augen und seinen warmen Körper in den Armen haltend. *Ach, Taichi… wieso muss alles nur so furchtbar kompliziert sein? Wieso nur?* Er schloss die Augen. *Wie gern würde ich jetzt die Zeit einfach anhalten…*

Plötzlich spürte er eine Bewegung an seinen Händen. Sie war warm und schickte Hitze durch seinen Körper. Tai hatte seine Hand auf die Seine gelegt. Absicht oder nicht? Gewollt oder ungewollt? Matt wusste es nicht. Was zählte war, dass er es getan hatte. *Warum tust du das Tai? Willst du mich noch mehr quälen?* Woher sollte er denn nun wissen, ob Tai diese Bewegung nun freiwillig geschehen war oder aus irgendwelchen anderen Gründen? Er konnte ihn ja schlecht fragen. Doch instinktiv spreizte er seine Finger und Tai’s rutschten in die frei gewordenen Zwischenräume und blieben dort liegen. Sein Freund bewegte seine Hand nicht weg. *Was?* Yamato konnte es nicht fassen, was Tai da tat. Konnte es denn sein, dass…? Daran wagte Matt nicht einmal zu denken, geschweige denn, darauf zu hoffen. *Es kann doch nicht sein, oder?* Langsam schob er seine Finger wieder zusammen und hielt nun Tai’s Hand fest. *Was tu’ ich denn da eigentlich…?* Sein Herz klopfte. Was war nur mit Tai los? Oder träumte er selbst nur gerade? Wie konnte das geschehen? Tai war doch hellwach. Ganz anders war nun die Situation, als noch vorige Nacht, als Taichi fest geschlafen hatte.

Da hatte Matt es gewagt, seiner Sehnsucht nach Tai nachzugeben und ihn zu küssen. Er hatte nicht widerstehen können. Taichi’s Lippen waren leicht geöffnet dagelegen, sanft schimmernd in der Dunkelheit… Auch auf das Risiko hin, das er entdeckt wurde, hatte er sich über seinen besten Freund gebeugt und sanft dessen Lippen mit seinen berührt. Wie weich sie gewesen waren. Und als Matt den Kuss schon hatte beenden wollen, war plötzlich eine Erwiderung von Tai gekommen. Er hatte seine Lippen gegen seine gepresst. Sehnsuchtsvoll, verzweifelt. Yamato hatte es kaum glauben können. Wie sehr hatte er sich danach gesehnt, ihn zu spüren. Doch dann war ihm eingefallen, was er denn da überhaupt tat und er hatte den Kuss beendet und sich erschrocken über sich selbst und über das, was geschehen war, umgedreht und wieder hingelegt. Was hatte er nur getan? Was, wenn Tai wach gewesen wäre? Und kurz darauf hatte Tai auch schon das Wort an ihn gerichtet. Noch immer wusste Matt nicht, ob Tai in dieser Nacht wach gewesen war oder seinen Kuss nur im Traum erwidert hatte.

Doch jetzt war es heller Tag und sein Freund konnte ja unmöglich in der Achterbahn eingeschlafen sein. Dann spürte Matt, wie der Druck seiner Hände zögerlich, aber merklich erwidert wurde. Ihre Finger verschlangen sich ineinander. Er konnte es kaum glauben! Was geschah hier nur? Was? Yamato konnte es sich beim besten Willen nicht erklären. Es fiel ihm nur eine einzige rationale Erklärung ein, aber diese schloss er aus. Es konnte unmöglich sein, dass Tai dasselbe empfand. Soviel Glück konnte er doch gar nicht haben! *Und was, wenn doch?* „Tai…“ seufzte Matt und wagte es, mit seinen Lippen Tai’s Nacken zu streifen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (41)
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Von:  Nupsi
2010-03-31T18:34:01+00:00 31.03.2010 20:34
Hi!
Ich zähle zu den "Spätlesern" deiner FF ^^
Weiß auch nicht, warum ich sie so lange übersehen hab...
Auf jeden Fall gefällt sie mir sehr gut. Auch wenn es bis jetzt ja noch kein Happy End für Yama und Tai gibt.
Was ich nicht verstanden hab ist, ob Yamato jetzt wirklich mit Mizael zusammen ist oder tun die beiden nur so?
Worüber ich mich sehr gefreut habe ist das Lied das im letzten Kapitel vorkommt.
Ich war früher ein riesiger Fan von The Calling (oder eher dem Sänger ^^)
Als ich den Text gelesen hab, habe ich mir gedacht Moment, irgendwoher kennst du das... Hab's mir dann direckt noch mal angehört (nach ca.6 Jahren)
Ich würd mich sehr freuen, wenn du deine FF weiter schreiben würdest. Dafür ist sie doch viel zu schön, um einfach so aufzuhören. Und außerdem müssen Yamato und Tai doch noch zusammen finden ^_^

Liebe Grüße, Nupsi
Von: abgemeldet
2009-08-15T15:09:18+00:00 15.08.2009 17:09
Deine Fanfiction gefällt mir außerordentlich gut!
Ich kam leider jetzt erst dazu sie zu lesen...
Aber ich muss wirklich sagen, dass das eine sehr gute Idee war.
Und ich hoffe du wirst die FF irgendwann fortsetzen!
Würdest du mir dann bitte eine ens schicken? *dackelblick aufsetz*
Von:  MaiRaike
2009-04-01T22:57:19+00:00 02.04.2009 00:57
Also, ich muss sagen, dass dein Schreibstil mir ausgesprochen gut gefällt.
Leider ist diese Fanfic teilweise ziemlich verworren.
Zum Beispiel der Teil mit Tais Leben in Amerika, warum helfen seine Eltern ihm nach seinem Unfall nicht? Und warum kann er ohne ein schlechtes Gewissen zu haben einfach mal eben nach Japan fahren? Es müsste doch in Amerika Leute geben (=seine Eltern) die sich Sorgen um ihn machen und inzwischen doch bestimmt schon eine Vermisstenmeldung aufgegeben haben...
Auch die plötzliche Beziehung in der Matt sich befindet kommt etwas ad hoc. Es gibt keinerlei Erklärung über diese Beziehung. Wie sieht es zum Beispiel mit seinen Gefühlen für sie aus? Oder mit ihren für ihn?
Warum sind sie zusammen?
Naja, vielleicht wird im nächsten Teil ja noch etwas mehr klar. Ich freu mich jedenfalls darauf.
Von:  dexdexgirl
2009-03-06T18:08:48+00:00 06.03.2009 19:08
find die fanfic einfach zu göttlich :D
kann es kaum erwarten das es weiter geht *versteckte botschaft* XD
wäre lieb wenn du mir vlt ne ens schreiben könntest wenns weiter geht ^^
lg dex

Von:  MuckSpuck
2008-11-23T21:08:13+00:00 23.11.2008 22:08
Okay, langsam wird es kompliziert ^^
Du kannst di beiden doch nicht so lange zappeln lassen!
Und warum sagt Matt Tai im Geheimen nicht wasSache ist?!
Echt nervenaufreibend!

Mach schnell weiter und hilf den beiden!
Von: abgemeldet
2008-11-23T16:45:48+00:00 23.11.2008 17:45
ohh gott, das letzte kapi is einfach nur so geil.. XD
und übrigens, ich liebe diesen song... *______*
schreib bitte bitte ganz schnell weiter, auch wenn da allen ein bisschen verwirrend is, ich will wissen wie´s weiter geht!

lg tasha
Von:  -Ray-
2008-11-23T16:30:50+00:00 23.11.2008 17:30
Deine FF ist mir eindeutig zu Konfus.
Ich checke überhaupt nicht mehr durch, was das ganze hin und her eigentlich soll.
Eigentlich liebt Matt Thai, ist aber mit ner Frau zusammen, tut so als will er nichts von Tai, will aber eigentlich wirklich was von ihm.

Hat das alles einen tieferen Sinn, den ich einfach noch nicht verstanden habe?
Und hat das hin und her bald mal ein Ende?


Von: abgemeldet
2008-10-01T08:57:28+00:00 01.10.2008 10:57
Hi^^
Also so weit find ich deine FF gut, aber die letzten beiden Kapitel haben mir nicht so gut gefallen. Als wenn die Beiden nicht schon genug Probleme haben würden, jetzt auch noch diese vorgeheuchelte Beziehung. Bring das bitte ganz, ganz schnell wieder in Ordnung, ja?
VLG Selena
Von:  Heruvim
2008-09-19T13:21:29+00:00 19.09.2008 15:21
so, da bin ich wieder, nach langer wartezeit :P
das war ein schoenes kapitel.
wieder sehr gefuehlvoll und...auch etwas verwirrend ....
ich habe mir auch gedacht, dass matt und mizael ganz sicher zusammenkommen, aber schliesslich ist es eine taito ff :D
freu mich schon aufs naechste kapitel $.$
Von:  -Ray-
2008-08-18T15:27:11+00:00 18.08.2008 17:27
hi du
also ich fand deine story bisher total geil, nur das letzte kapitel hat mir nicht gefallen.

es ist irgendwie überhaupt nicht ins Konzept passend, dass Matt jetzt doch mit Mizael zusammen sein soll...
es klingt auch ein bisschen aus der luft gegriffen und ich verstehe nicht, wenn Matt und Tai beste freunde sind warum spielen sie ihm dann was vor..

ich hätte das nicht mit reingebaut, aber gut ^^ deine story nicht meine ;)
ich werd sie auf jedenfall weiter verfolgen möchte wissen was du aus diesem Wirrwar noch machst.

Dein Schreibstil ist gut!
Schön lesbar ;)


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