Katastrophenalarm
Hi ;)
Danke für die Kommentare zum letzten Kapitel!
Also werden Hochlade-bzw. Lesetag Mittwoch/Donnerstag sein. Diesmal gibt’s das Kap noch früher, aus einem Grund: für Kokomiko :)
Sie weiß, warum.
@Kilma_Mora: der Zeitfaktor. Ja- darüber hab ich mir auch schon Gedanken gemacht. Nach meinen Schätzungen/Berechnungen kommt Ran ca. 40 Minuten nachdem Shinichi aufgelegt hat, ins Grübeln. (30 Minunten Heulkrampf und Gejammer an Kazu-chans Schulter; ca. 20 Minuten braucht Kazuha, bis sie Tee kocht und Heiji anruft und irgendwann während dieser Zeitspanne kommt Ran ins Grübeln, so ungefähr 10 Minuten, nachdem Kazu verschwunden ist. Aber muss man das echt so genau wissen?)
Länger wäre auch nicht sinnvoll, denn je länger es dauert, bis sie darauf kommt, desto mehr vergisst sie vom Telefonat, d. h. sie würde wohl vergessen, wie er sich angehört hat, als er mit ihr Schluss gemacht hat. Nach weiteren fünfzehn Minuten ist dann auch Heiji da, der bis dahin beim Professor war und sich mit ihm zusammen Sorgen gemacht hat ;)
@Kokomiko: Meine Liebe, auch für dich gilt das ABV (Allgemeines Bratpfannen-Verbot) *g* Auch hier weißt du, warum :)
Ich wünsche euch wie immer viel Vergnügen beim Lesen und verbleibe bis nächste Woche---
eure Leira :)
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Es war kurz nach halb sieben Uhr abends, als es an der Tür der Detektei Môri Sturm klingelte. Ran, die bis dahin mit Heiji und Kazuha auf dem Sofa gesessen hatte, mit ihnen bereits die zweite Kanne Tee leere und bis zu diesem Moment vergeblich versucht hatte, aus Heiji mehr Informationen herauszuquetschen, stand auf und machte auf. Sie hatte die Tür kaum einen Spalt offen, als sich schon vier höchst aufgeregte Grundschüler herein drängten.
Sie runzelte die Stirn. Einer fehlte doch…
Und neben der Tatsache, dass er nicht bei ihnen war, machten die Kinder einen nicht eben glücklichen Eindruck, den sie doch Angesichts des Nachmittags im Vergnügungspark machen sollten.
Nein, sie sahen ganz und gar nicht vergnügt aus.
Heiji und Kazuha starrten, ebenso wie Ran, die atemlosen Kinder erstaunt an.
Mitsuhiko holte tief Luft.
„Man hat ihn entführt! Entführt!! Gekidnappt, einfach mitgenommen…!“
Er schrie. Ayumi war den Tränen nahe und Ais Gesicht war blass wie die Wand, vor der sie stand.
Nachdem sie gesehen hatten, wie die Leute in Schwarz mit Conan in ein Auto gestiegen und davongefahren waren, war Ai einfach nur auf den Boden gesunken und hatte den Rücklichtern des Porsches hinterher gestarrt.
Das konnte doch nicht wirklich passiert sein...
Was hatte er nur angestellt… sie würden ihn töten.
Nur gedämpft hatte sie Ayumis Geschluchze wahrgenommen, die neben ihr im Rasen gesessen und ein Büschel Gras nach dem anderen ausgerupft hatte.
Genta hatte gar nichts gesagt, nur mit angestrengtem Blick auf seine Schuhe gestarrt.
Mitsuhiko war es schließlich gewesen, der sie dann alle zur Vernunft gerufen hatte und als er sich nach ein paar lauten Worten ihrer Aufmerksamkeit sicher sein konnte, hatte er seine Freunde um sich geschart, um ihnen seinen Plan zu erläutern.
Der war ganz einfach: zuerst zu Ran gehen- dann die Polizei informieren. Weil die Polizei Ran bestimmt eher glauben würde als ihnen. Schließlich ging ja nicht Meguré persönlich ans Telefon, sondern ein gewöhnlicher Beamter, und der würde es unter Umständen für einen Witz halten.
Ai hatte ihn nur wortlos angeblickt.
Die Polizei…
Sie bezweifelte ja, dass sie weit kommen würde, aber… es handelte sich hier um Entführung, vielleicht sogar Körperverletzung und… Mord…
Die Polizei und seine Freunde waren seine einzige Chance.
Also hatte sie nur genickt- dann war sie mit ihren kleinen Freunden so schnell sie ihre kurzen Füße trugen, zur Detektei Môri gelaufen.
Jede Sekunde zählte.
Nun standen sie also hier, und von Mitsuhikos Coolness war gerade nicht mehr viel übrig.
Er stand vor Ran, zitterte und bebte und immer mehr Worte sprudelten aus ihm heraus, so schnell, dass kaum mehr einer ein Wort verstand.
Ran hielt ihm kurz den Mund zu, um ihn zum Schweigen zu bringen.
„Hey, beruhigt euch. Wer hat wen entführt?“, versuchte sie die aufgebrachten Kinder zu beschwichtigen. Den Gedanken, dass Mitsuhiko mit ‚ihm’ Conan gemeint haben könnte, verdrängte sie. Er war zwar gerade nicht hier, aber das konnte alle möglichen Gründe haben. Keine Entführung. Nein, nicht doch. Conan war doch viel zu clever, den entführte man nicht so einfach. Wieso auch?
Die nächsten Worte trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht.
„Diese schwarz angezogenen Typen haben Conan! Wir haben sie gesehen, einer von denen, ein großer Blonder, hat ihn getragen. Sah aus, als ob er schlief. Sie sind zu einem Auto gegangen, eingestiegen und weg waren sie!“, antwortete Genta. Seine Stimme überschlug sich.
„War’n krasser Wagen, teure Marke, sie waren so schnell weg, wir konnten ihnen nicht folgen... wir müssen die Polizei…“
Ran stand da, wie vom Donner gerührt.
Keinen Augenblick war es her, da war sie sich doch noch so sicher gewesen, hatte diesen Gedanken einfach für absurd gehalten…
Conan entführt…
Lächerlich, eigentlich. Er war einfach nicht der Typ Kind, den man einfach in ein Auto zerrte.
Aber…
Aber…
Conan…!
Heiji fühlte sich, als ob der Boden unter seinen Füßen wegbrach und er langsam aber sicher in die Tiefe schlitterte.
Schwarz angezogene Leute, ein teures Auto – mit Sicherheit Gins Porsche. Kudô hatte ihn mal erwähnt.
„Was?!“, entfuhr es ihm dann, als er seine Sprache wieder gefunden hatte.
Er schaute zu Ai, die immer noch unter Schock zu stehen schien und kein Wort über ihre Lippen brachte- doch er konnte aus ihrem Gesicht lesen, dass er Recht hatte.
„Scheiße, nein! Wann, wo?! Los doch, heraus mit der Sprache! Nein, nein, nein, das kann doch gar nicht… wahr sein… Das... Wie konnte das denn passieren…? Wie...?“
Die letzten Worte murmelte er nur, knetete nervös seine Hände.
Ran starrte ihn an. Sie blinzelte.
„Heiji?“
Er drehte sich um, blickte sie an. Kazuha und Ran schauten ihn mit großen Augen an. Er sah aus, als ob er ein Gespenst gesehen hätte, unter seinem braunen Teint war ihm das Blut aus dem Gesicht gewichen.
„Wie konnte das passieren…“, wisperte er. Immer und immer wieder wiederholte er diesen Satz. Es war ein Gedanke, der ihm nicht aus dem Kopf ging, ihn beschäftigte, ihn entsetzte… und ihn fast panisch werden ließ.
Seine Freundin starrte ihn an. Ein ungutes Gefühl beschlich sie.
Heiji war in Sorge- und er hatte Angst.
Angst…
Kazuha hatte ihn selten so gesehen. Heiji fürchtete sich doch so gut wie vor nichts und niemandem- und so gut wie nie.
Ran ging zu ihm hin.
„Heiji, weißt du was darüber?“
Er schluckte nur, sagte nichts. Bekam gar nicht mit, dass sie ihn ansprach. Seine Gedanken rasten, überschlugen sich, drehten sich im Kreis.
Das durfte nicht wahr sein.
Das war eine Katastrophe…
Kudô!
Entführt... wie konnte er…?
Ich hätte das verhindern müssen...! Ich hätte verhindern müssen, dass er das tut… ich hätte ihn aufhalten müssen…
Ran bekam Panik. Warum sagte er denn nichts? Wenn Heiji schon so aus der Fassung war… musste die Sache wohl ernst sein. Er wusste wohl was, so wie er sich benahm. Kannte er etwa die Leute, die ihren Conan gekidnappt hatten…?
„Heiji, weißt du etwas über Conans Entführer?! Heiji! Heiji, was ist los mit dir? Sag doch was…! SAG DOCH WAS!“
Sie schrie, packte ihn am Kragen, schüttelte ihn, um ihn zum Reden zu bringen. Allerdings nicht lange- Kazuha zerrte sie von ihrem Freund weg, drückte sie ein wenig abseits. Allerdings keineswegs, um ihn vor ihr zu beschützen.
„HEIJI! Komm zu dir, Ran hat dich was gefragt, was ist los mit dir?“
Er reagierte immer noch nicht.
„Schön, dann eben anders…“, murmelte sie.
Dann holte sie aus und verpasste sie ihm eine Ohrfeige.
Auf einmal herrschte Stille im Raum.
Ran und die Detective Boys, die bis gerade eben noch wild durcheinander geredet hatten, starrten zuerst das Mädchen, dann den jungen Detektiven mit offenen Mündern an.
Der war endlich wieder im hier und jetzt angekommen und fasste sich an die Wange.
„Kazuha! Für was war die denn? Musste das sein?“
„Oh, wie schön. Der Meisterdetektiv weilt wieder unter uns. Ran hat dich was gefragt.“
Sie blickte ihn abwartend an. Heiji wandte sich Ran zu.
„Ja? Entschuldige bitte…“
Ran schluckte, dann stellte sie ihre Frage erneut.
„Heiji… was genau weißt du darüber? Über die Leute, die Conan entführt haben?”
Sie sagte das sehr, sehr leise.
Er schluckte, seufzte tief.
„Setz dich besser...“
Alles was er sah, war weiß- bis auf drei verschwommene, schwarze Gestalten vor ihm.
Alles was er hörte, war sein eigener Herzschlag, seine eigenen Schreie…
Und alles was er fühlte war… Schmerz.
Oh Gott, lass es vorbei sein. Lass mich sterben, bitte, lass es vorbei gehen, mach, dass es aufhört…
Er schrie.
Schrie aus Leibeskräften.
Es war so furchtbar, die Schmerzen fast unerträglich.
Ein weiterer Krampf schüttelte seinen Körper und er stöhnte schmerzerfüllt auf.
Shinichi lag auf einem kalten, weiß gefliesten Boden, in schwarzen Klamotten, zusammengekrümmt wie ein Embryo und fühlte, wie sein Körper unnatürlich schnell wuchs.
Die Schmerzen, die Hitze, die Krämpfe… es war schlimmer als jemals zuvor.
Er schwitzte und zitterte zugleich, sein Atem ging schnell und flach.
Bitte lass es aufhören. Lass mich tot sein…
Die Zeit schien endlos, Minute um Minute tickte vorbei, ein Moment reihte sich an den anderen… und keiner wollte der letzte sein.
Er merkte, wie ihn seine Kräfte verließen. Wie diese Qual, dieses viel zu schnelle Wachstum, seinen Körper schwächte.
Irgendwann wurde er ruhiger, war zu erschöpft, um noch zu schreien.
Er lag da, fühlte die Kühle der kalten Fliesen an seiner Wange, seinen Handflächen und stöhnte leise, war kaum fähig, seine Augen noch offen zu halten.
Er wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, er hatte sein Zeitgefühl total verloren. Über ihm standen Gin, Vodka und Vermouth und sahen ihm bei seinem Leiden zu.
Dann endlich war es vorbei.
Und er lebte immer noch.
Nicht doch…
Er war entkräftet, versuchte vergebens, sich zu bewegen, sich aufzurichten.
Er war ihnen ausgeliefert, und die Erkenntnis bereitete ihm großes Unbehagen. Wenn sie sich jetzt entschließen würden, ihn zu töten, würde er nicht einmal widersprechen können.
„Du lebst also immer noch... Bemerkenswert.“
Gin grinste, schaute auf seine Uhr, dann zu ihm hinunter.
Shinichi versuchte, den Kopf seinen Peinigern zuzuwenden, erfolglos.
„Also können wir ihn jetzt erschießen?“, drängte Vodka.
„Nein, Hohlkopf. Ich will ihn leiden sehen. Er hat uns oft genug einen Strich durch die Rechnung gemacht, ich will, dass er dafür bezahlt. Einfach erschießen wäre ein zu gnadenvoller Tod, nicht wahr?“
Er trat Shinichi in die Magengegend. Der stöhnte auf, merkte, wie jemand an seiner Kleidung zerrte und ihn auf den Rücken drehte.
„Du verdienst was Qualvolleres. Außerdem ist Kudô Chefsache, das weißt du doch.“, meinte er zuerst an Shinichi, dann an seinen Partner gewandt.
Dann wandten sich die beiden Männer um, schickten sich an, den Raum zu verlassen.
An der Tür angekommen, drehte sich Gin allerdings noch einmal um.
„Was ist, Vermouth? Kommst du?“
„Gleich. Geht ihr schon mal vor.“
Gin nickte widerwillig und verließ mit Vodka nun endgültig das weiße Zimmer.
Vermouth ging in die Hocke, nahm Shinichis Kopf in ihre Hände, strich ihm eine Haarsträhne aus dem schweißnassen Gesicht und schaute ihn durchdringend an.
„Warum hast du das gemacht, du dummer Junge… du hast dir dein Todesurteil selber gefällt…!“
Shinichi hörte zwar, dass sie etwas sagte, aber der Sinn ihrer Worte drang nicht bis zu ihm vor. Er war müde. So müde…
Die blonde Frau erkannte wohl, dass Reden momentan wohl nicht viel Sinn machte. Also warf sie ihm einen besorgten Blick zu.
„Halt durch.“
Dann hauchte sie ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Ruh' dich aus, sleep well, my darling… Silver bullet. “
Vorsichtig ließ sie seinen Kopf zurück auf den Boden sinken, um ihm nicht wehzutun, dann verschwand auch sie aus seinem Blickfeld.
Das Letzte, was Shinichi hörte, bevor seine Welt in Schwärze versank, er wieder das Bewusstsein verlor, war das Zuschlagen der Tür und ein Schlüssel, der sich im Schloss umdrehte.
Die Detective Boys saßen auf dem Sofa und starrten den Detektiven aus Osaka, der gerade mit seiner Erzählung geendet hatte, mit heruntergefallenen Kinnladen an.
Conan war in Wirklichkeit Shinichi Kudô gewesen.
Alle staunten, bis auf Ai, für die diese Geschichte ja nichts Neues war. Es war an der Zeit, dass alles raus kam und sie war ihm dankbar, dass er das Reden übernahm.
„Das erklärt so ziemlich alles.“, meinte Mitsuhiko schließlich.
„Conan war immer viel reifer, viel erwachsener und schlauer als wir. Kein Wunder, wenn man weiß, wer er wirklich war. Und die ganzen komischen Sachen, die ihm manchmal rausgerutscht sind. Einmal zum Beispiel hat er so was Ähnliches gesagt wie: ‚Haltet euch raus, ihr seid noch Kinder!’, oder so. Ich hab mir ja schon manchmal Gedanken gemacht, aber das… wer ahnt schon so was?“
„Wow.“, stimmte Genta seinem Freund zu.
Er war fasziniert von der Schlauheit seines Freundes- so im Nachhinein gesehen dachte er, dass ihm das alles doch auch auffallen hätte müssen.
Ayumi saß auf dem Sofa, starrte ihre kleinen Pantöffelchen an und sagte gar nichts.
Mitsuhiko warf ihr einen prüfenden Blick zu, wollte etwas anmerken, ließ es dann aber doch sein, als er den starren Ausdruck in ihren Augen bemerkte. Offensichtlich dachte seine Freundin gerade angestrengt nach, und sie dabei zu stören wäre unhöflich.
Fakt war, für sie war gerade eine Welt zusammengebrochen. Die Erkenntnis, dass Conan gar kein kleiner Junge war, sondern in Wirklichkeit Shinichi Kudô, ein fast erwachsener Oberschüler, ließ all ihre rosaroten Kleinmädchenträume wie Seifenblasen zerplatzen.
Sie war doch in ihn verliebt gewesen.
Und jetzt…
Jetzt schämte sie sich.
Heiße Tränen rannen ihre hochroten Wangen hinab.
Nicht nur, dass der Fall von ihrer flauschigen, pinkfarbenen Wolke des ersten Verliebtseins ein verdammt tiefer Sturz gewesen war, nein…
Was mochte er sich denn dabei gedacht haben?
Ayumi wimmerte.
Als sie ihn angehimmelt hatte, prophezeit hatte, das sie beide für einander bestimmt wären, ihm ab und an einen Kuss auf die Wange gegeben hatte…
Ihr wurde richtig heiß, glaubte, ihr Gesicht müsse glühen.
Wahrscheinlich hatte er sich heimlich lustig über sie gemacht. Wie dämlich hatte sie sich verhalten, wie peinlich war das…
Sie schniefte.
Dann legte Ayumi nachdenklich ihre Stirn in Falten.
Andererseits…
Conan war immer sehr nett zu ihr gewesen. Sehr freundlich, hilfsbereit und verständnisvoll.
Sie konnte eigentlich nicht glauben, dass er sie ausgelacht hatte.
Conan war ihr Freund gewesen- und Shinichi damit auch.
Und noch dazu war er Ran-neechans Freund, sie liebte ihn offensichtlich, und er sie wohl auch und deswegen…
Deswegen mussten sie ihn finden. Retten.
Ihm durfte nichts Schlimmes passieren, bitte.
Man durfte ihm nicht wehtun, oder…
Oder…
Eine Träne rollte ihre Wange herunter, tropfte von ihrem Kinn auf dem Boden, doch in ihren Augen lag ein entschlossener Ausdruck.
Genta war immer noch überwältig von den Neuigkeiten und schien Conans Entführung, geschweige denn dessen Dilemma, fürs erste verdrängt zu haben.
„Wir waren mit dem besten Detektiv Japans befreundet!“, rief er begeistert.
Heiji warf ihm einen schrägen Blick zu, schluckte dann aber.
Der dicke Junge hatte ja Recht. Kudô war tatsächlich besser als er, schon immer.
Und für Haarspaltereien war jetzt keine Zeit.
„Wie hat er das ausgehalten?“, fragte nun Kazuha.
Sie hatte die ganze Zeit über geschwiegen, war auf der Couch gesessen wie vom Donner gerührt.
„Wie… ich meine… von einem Tag auf den anderen war nichts mehr in seinem Leben so wie vorher. Er konnte nicht mehr reden, wie er es als Shinichi getan hatte, konnte sich nicht mehr wie er benehmen, konnte nicht mehr so handeln wie früher…“
Sie schluckte.
„Lebte wahrscheinlich ständig in Angst, musste eine Rolle spielen, jemand sein, der er nicht war. Wie hat er das ertragen? Und das so lange?“
Heiji starrte seine Freundin an.
Kazuha…
Ein trockener Schluchzer riss sie aus ihren Gedanken, und alle Augen richteten sich auf Ran, die sich bis jetzt noch gar nicht geäußert hatte. In keinster Weise irgendwie reagiert hatte.
Sie saß auf dem Sofa, war immer bleicher geworden und betrachtete ihre Hände, die zitterten wie Espenlaub.
„Du hast es geahnt, nicht war? Kudô wusste, dass du ihn allmählich durchschaust… dass er dir nicht mehr lange was vormachen kann.“
Heiji flüsterte nur.
Ran hob den Kopf. Man sah ihr an, wie sie sich quälte, wie die Erkenntnis über die Identität ihres Freundes ihr den Boden unter den Füßen wegzog, sie ins Straucheln brachte…
Dann brach es aus ihr heraus, ihre Worte quollen aus ihr hervor wie Wasser aus der Schleuse eines Staudamms- angestaute Gefühle, Gedanken und Sorgen, die aus ihr herauswollten, sich ein Ventil suchten, am liebsten alle auf einmal erzählt werden wollten.
„Wieso hat er es mir nicht gesagt?! Wieso…?! Wie konnte er mich über Jahre nur so anlügen? Wie konnte er, wie konnte er noch in den Spiegel schauen, dieser… dieser…
Ich hab mir solche Sorgen gemacht, verdammt, das wusste er doch, ich hab es ihm doch gesagt…!“
Plötzlich wich auch noch der letzte Rest Farbe aus ihrem Gesicht, sie schlug sich die Hand vor den Mund.
„Mein Gott, was hab ich ihm alles erzählt! Ich hab Conan doch vertraut! Ich hab Shinichi vertraut… oh Gott…all die Dinge, die ich ihm erzählt habe, meine Gefühle, meine Gedanken…“
Ihre Stimme zitterte.
„Und was macht er? Er… er lügt mich an, nutzt mich aus… Hat ihm das Spaß gemacht? Wahrscheinlich hat er sich heimlich über mich lustig gemacht… Ich dachte, wir wären befreundet, dachte sogar, wir wären mehr als das…
Ich dachte, wenn es einen Menschen gibt, an den ich uneingeschränkt glauben kann, der zu mir steht, wäre er das… warum hat er mir nicht vertraut? Warum hat er es mir nie erzählt? Stattdessen tut er mir das an…
Ich dachte, ich kenne ihn… dachte, er würde mich niemals so behandeln… niemals so betrügen, so belügen…“
Tränen rannen ihr über die Wangen.
Heiji beugte sich vor, griff ihren Unterarm, drückte fest zu, damit sie ihm zuhörte… er musste das klarstellen, er musste ihr doch sagen, wie es wirklich gewesen war…
„Ran. Hörst du mir nicht zu? Ich hab dir doch gesagt, und du hast doch selbst herausgefunden, dass er dich beschützen wollte. Warum glaubst du jetzt, dass er das aus purer Böswilligkeit gemacht hat? Nur weil er nicht einfach nur weg war, sondern als Conan in deiner Nähe blieb? Was meinst’n, warum…“
„Er hat sich gehasst dafür.“
Es war Ai, die Heiji ins Wort gefallen war. Sie war aufgestanden und stellte sich vor Ran, die Hände in die Hüften gestemmt.
„Dieser Trottel liebt dich, er würde für dich sterben und das sage ich nicht nur so. Er hat dir nichts gesagt, weil ich und der Professor ihm solange hingeredet haben, bis wir ihn überzeugen konnten, dass es das Beste ist, wenn so wenige wie möglich von seiner unfreiwilligen Verjüngungskur wissen.
Er wollte es dir sagen. Er hat mehr unter der Situation, unter seinen Lügen, gelitten als du, das darfst du mir glauben! Du kennst ihn doch, den ewigen Moralisten…
Und dann musste er ausgerechnet dich anlügen. Von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet dich. Er ist richtig depressiv geworden mit der Zeit. Er hat mit dir Schluss gemacht, nicht nur, damit du in Sicherheit bist, damit du ihn hasst- sondern auch und vor allem, weil er geglaubt hat, dass das nur fair dir gegenüber wäre. Er wollte dich wieder lachen sehen, und wenn es mit einem anderen wäre. Er wollte, dass du glücklich bist. Und in Sicherheit.
Er hat sich gehasst. Und so sehr wie er sich verabscheut hat, hat er dich geliebt. Er wollte es dir sagen, damals im Beika-Restaurant. Du weißt schon, der Abend nach dem Schulfest. Er wollte dir sagen, dass er dich liebt.
Er hätte diesen verdammten Fall sausen lassen, hätte er gewusst, dass das Gegengift nur temporär war. Er hat es nicht gewusst, weil ich es ihm nicht gesagt habe.
Ich war eifersüchtig. Damals wusste ich noch nicht warum, heute weiß ich es. Ich wollte nicht, dass ihr ein Paar werdet. Ich wollte nicht, dass er glücklich ist mit dir, weil ich ihn liebe. Ich wollte ihn für mich haben.
Das unterscheidet ihn von mir. Er würde akzeptieren, wenn du mit einem anderen glücklich wirst, weil er dich liebt. Ich tue das nicht. Ich will, dass er mit mir glücklich wird, sonst mit keiner. Soll er doch sehen, wo er bleibt.“
Sie schluckte.
„Dass es ihm so schlecht geht, ist meine Schuld. Dass sie ihn jetzt haben, ist meine Schuld. Ich wusste, dass es ihm beschissen geht und hab ihn allein gelassen.“
„Was meinst du damit? Dass sie ihn haben, wäre deine Schuld?“
Ran starrte sie misstrauisch an.
Das rotblonde Mädchen biss sich auf die Lippen.
„Meine Schuld deswegen, weil ich ihm durch meine Aktionen sein Leben ruiniert habe. Ich hab ihm die Hoffnung genommen… hab ihn soweit gebracht, dass er… dass er…“
„Dass er was?“, hakte Heiji energisch nach.
„Rück schon raus mit der Sprache!“
Ai schluckte hart, wagte es nicht, irgendjemandem ins Gesicht zu sehen.
„Ich vermute stark, dass er sich gestellt hat.“, wisperte sie so leise, dass kaum zu verstehen war, was sie da gesagt hatte- nichtsdestotrotz hatte es jeder gehört- und begriffen.
Es trat genau die Reaktion ein, die sie erwartet hatte. Ungläubige, entsetzte Gesichter, hörbares Nach-Luft-Schnappen - Anspannung und Angst lagen fast greifbar in der Luft.
„Wie das denn? Wusste er, wo ihr Hauptquartier ist? Warum hat er dann nich’ der Polizei gesagt…“, setzte Heiji an, doch Ai unterbrach ihn.
„Nein, wusste er nicht. Nicht genau, jedenfalls. Zumindest wüsste ich nichts davon. Was ich allerdings weiß, ist, dass er die Emailadresse vom Boss herausgefunden hatte. Und ob du’s glaubst oder nicht, Ran… du hast ihm dabei sogar geholfen. Er hatte einmal die Tastentöne gehört, als Vermouth dem Boss eine Mail schickte, damals, als sie ihn entführt hatte. Da konnte er sie aber noch nicht zuordnen. Deswegen hat er damals diesen Komponisten gefragt, den mit dem absoluten Gehör- der hat ihm dann das Lied vor gepfiffen, das er gehört hatte. Und du hast ihm den Titel geliefert, Ran.“
„Nanatsu no ko…“, murmelte Ran. Entsetzen stand in ihren Augen.
„Ja, genau. Er hat es mir erzählt, damals, weil ich wissen wollte, wie er die Nummer nun herausgefunden hat.
Die Organisation merkt sich die Töne der Handytasten, jede Nummer ist eine Melodie…
Daher hatte er die Nummer. Ich schätze, er wird ihm geschrieben haben. Und ich vermute, dass das kurz nach eurem…“, sie schluckte, warf Ran einen kurzen Blick zu, „… Telefonat geschehen ist.“
Dann fiel ihr etwas ein.
„Ran, hast du Conan heute eine SMS geschrieben?“
Ran schüttelte langsam den Kopf.
„Nein, Conan nicht, nur Shinichi. Heut morgen.“, murmelte sie traurig.
„Damit wäre es bewiesen…“, hauchte das kleine Mädchen tonlos, starrte auf den Boden.
Er hatte es wirklich getan.
„Was? Wieso denn?“
„Er hat mich vorhin angelogen. Es war kurz nach drei Uhr nachmittags, als er eine SMS gekriegt hat. Er hat gesagt sie wäre von dir.“
Ran schüttelte den Kopf. Sie war kreidebleich geworden.
„Aber… warum sollte Shinichi sein Leben denn freiwillig aufs Spiel setzen wollen?“, hauchte sie, starrte das rotblonde Mädchen fragend an.
„Weil er am Ende ist.“
„Wie… wie meinst du das?“
Ai schluckte.
„Er konnte es nicht mehr länger ertragen, so zu sein, wie er war. Shinichi hing fest, konnte nicht vor und nicht zurück, es ging nichts weiter… kein Gegengift in Sicht, kein Hinweis von der Organisation, um sie endlich dingfest machen zu können- denn obwohl er eine Nummer hatte, so konnte er doch nichts beweisen, würde sich und andere nur in Gefahr bringen, würde er die Polizei darauf ansetzen. Und noch dazu…“
Das kleine Mädchen schaute auf, blickte Ran in die Augen.
„… als ob das nicht schon genug wäre, kamst auch noch du. Du, die du dir ständig Sorgen machtest, die unter seinem Verschwinden litt, die sich quälte, weil sie nicht wusste, warum ihr bester Freund auf einmal so anders war. Er hasste sich dafür, dir das antun zu müssen. Deswegen hat er mit dir Schluss gemacht. Er wollte wenigstens dir die Chance geben, glücklich zu werden, auch wenn das bedeutete, dass er dich damit verlieren würde.
Shinichi… Shinichi hat nie geahnt, dass er dir so wichtig ist. Er hätte nicht im Traum damit gerechnet, dass du ihn so sehr vermissen würdest, er dir so fehlen würde, wie es der Fall ist. Er hat es nicht gesehen, genauso wie du nie erkannt hat, wie unendlich viel du ihm bedeutest. All die Jahre hat er versucht, alles Übel von dir fern zu halten, dich in Sicherheit zu wissen, und dann hat er erkannt, dass es nicht nur die Organisation ist, die dir Schmerz und Leid zufügen könnte, die eine Gefahr für dich ist… nein, auch er selbst war es, wegen dem du dich so gequält hast. Der dir wehtat.
Er wollte das nicht. Er konnte es nicht länger mit ansehen. Shinichi hasste Conan und hasste sich selbst, für das, was er dir antat, Tag für Tag. Und heute… heute hat er wohl beschlossen, dem ein Ende zu setzen. Er hatte nichts mehr zu verlieren, was ihm noch etwas bedeutet, nach diesem Telefonat. Shinichi hat nur noch sein Leben, und das ist ihm momentan, befürchte ich, egal… er will diesen Alptraum, in dem er nun schon seit drei Jahren hängt, endlich beenden. Er will aufwachen…“
Ran starrte sie an. Sie fühlte sich überrollt- einerseits überwältig von dem, was Shinichi ihretwegen auf sich genommen hatte und andererseits… machte sie sich nun noch mehr Sorgen als zuvor. Angst stieg in ihr hoch.
„Woher weißt du das alles?“
Ai seufzte.
„Weil auch ich nicht das bin, wonach ich aussehe. Ich bin in Wirklichkeit einundzwanzig Jahre alt, mein Name ist Shiho Miyano, Codename Sherry und bin meines Zeichens Ex-Mitglied der Organisation, die ihn jetzt hat. Ich bin geflohen, als sie meine Schwester getötet haben, du kennst sie, Asami Hirota, alias Akemi Miyano. Ich hab an dem Gift gearbeitet, dass ihm und mir das angetan hat. Wir teilen das gleiche Schicksal, mit dem Unterschied, dass ich mich damit umbringen wollte und er damit umgebracht werden sollte.“
Sie seufzte.
„Wenn du jemanden hassen willst, hasse mich, nicht ihn. Er kann am allerwenigsten was dafür. Sein einziger Fehler war, dich nicht nach Hause gebracht zu haben, an jenem schicksalhaften Abend, sondern Vodka hinterherzulaufen. Und das hat er bitter genug bezahlt. Für diesen Fehler zahlt er immer noch, und der Preis ist verdammt hoch.“
Ran wischte sich die Tränen aus den Augen.
Shinichi liebte sie.
Ihr Herz machte einen Sprung.
Gleich darauf wurde ihrem Hochgefühl allerdings ein herber Dämpfer versetzt.
Was nützte ihr seine Liebe, wenn er vielleicht schon tot war? Ihr Brustkorb zog sich zusammen und sie fühlte, wie ihr die Angst den Atem raubte. Er durfte nicht tot sein.
Bitte.
„Und wie finden wir ihn jetzt?“
Mitsuhiko hatte das Wort ergriffen und schaute in die Runde.
„Wir gar nicht, Kleiner. Das ist nichts für Kinder. Ihr werdet jetzt brav heimgehen und ich ruf die Polizei an.“
Heiji starrte sie an.
Die drei Kinder schauten sich an.
„Das hat er auch immer gesagt. Conan.“
Kazuha zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
„Was?“
„Das ist nichts für Kinder.“, wiederholten die drei aus einem Mund.
„Vergesst es. Wir kommen mit, Conan ist auch unser Freund. Egal ob nun zehn oder zwanzig Jahre alt.“
Ran schaute in die entschlossenen Gesichter der Kinder und ein sanftes Lächeln glitt kurz über ihr Gesicht.
Dann fiel ihr Blick auf ihre Hände, blieb an ihrem rechten kleinen Finger haften.
Der rote Faden… er war noch da. Nicht zerrissen und nicht zerschnitten.
Aber wenn er jetzt verschwand, dann wusste sie… dann wusste sie, dass der Grund dafür…
Shinichis Tod war.
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Edit: Ich hab den Zeitfaktor bei der Rückverwandlung rausgenommen- so genau muss mans eigentlich auch net wissen. Danke Kilma für den Tipp- dieses Edit hintenanzufügen, meine ich...