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Treasure Hunters - Die Schatzjäger

- Die Jagd nach Michel's Helm -
von

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Am nächsten Morgen schien die Sonne durch die orange-gelben Vorhänge, und tauchte das ganze Zimmer in grellgelbes Licht. Der Wecker piepste eine Weile munter vor sich hin.

Dan öffnete schlaftrunken die Augen, schlug auf den Wecker, grummelte kurz und rollte sich auf die andere Seite. Paul redete irgendetwas im Schlaf und hatte den Mund offen stehen. Ich hatte die Augen fest geschlossen und wollte nicht auf den Wecker sehen, weil ich schon wusste, das es eine verdammt unmenschliche Zeit zum aufstehen für mich war. Ich war einfach kein Frühaufsteher, das sollte Dan eigentlich wissen, wenn er den Wecker stellte.

Ich öffnete schließlich doch die Augen und schaute nach. Mensch, viertel nach sieben. Ich drehte mich ächzend um und schloss wieder die Augen.

Ich musste wieder eingeschlafen sein, denn plötzlich rüttelte jemand an meiner Schulter und versuchte mich wach zu kriegen. Ich riss die Augen auf und schloss sie schnell wieder. Es war Paul. Seit wann war denn der schon wach? Der war manchmal noch schlimmer mit dem Schlafen als ich. Ich fauchte ihn an, er soll mich in Ruhe lassen, was ihn nur dazu verleitete, blöd zu grinsen. Er sagte, Dan wäre schon frühstücken gegangen.

Ich öffnete ein Auge. „Na und?“

„Mist!“ grummelte Paul. „Ich dachte, damit kriege ich dich.“

„Du kriegst gleich Probleme, wenn du weiter versuchst mich aus dem Bett zu bringen“, knurrte ich.

Er grinste nur und zog sich ein Hemd an. Dann ging er hinunter zum Frühstück und ich war allein im Zimmer. Dann hatte ich wenigstens Ruhe meine Haare zu machen und mich zu schminken. Ich war eigentlich kein Mensch, der nur auf das schaut, aber neben Catherine wollte ich nicht untergehen… Nicht, dass ich neidisch wäre, Nein. Aber ich wollte einfach nicht nur in Jeans und T-Shirt, neben diesem französische, Modelähnlichen Wesen stehen.

Ich suchte mir ein Sommerkleid heraus, das mit gelben und roten Blumen bedruckt war. Und ich nahm eine große Sonnenbrille mit. Vielleicht wurde ich doch mal für ’nen Promi gehalten, wenn ich zumindest so tat, mit Sonnenbrille und so…

Ich holte noch meine Ballerinas heraus und schmiss die anderen Klamotten in meinen Koffer, machte ihn zu und stellte ihn zu Dan und Pauls, die an der Tür stehen, bereit abgeholt zu werden. Dann stolzierte ich hinunter zum Frühstückssaal.

Dan und Paul warteten schon ungeduldig. Sie schauten mich ein bisschen schief an, als ich so hinunter kam. Aber sie enthielten sich jeglichen Kommentars.

Wir aßen Croissants, Brioches und Pains au chocolat und tranken Cappuccino. Ja, sowas gab’s nicht nur in Italien.

Schließlich gingen wir zur Rezeption und bezahlten. Draußen hatte man Monsieur Legrands klapprigen Wagen vorgefahren und mit unseren Koffern beladen.

Wir stiegen ein und los ging’s. Dieses Mal saß Dan am Steuer.
 

Als wir auf den Flugplatz fuhren, wartete Catherine schon auf uns.

Und? Was hatte sie an? Ich reckte meinen Hals nach vorne. Dan knurrte, ich solle verflixt noch mal sitzen bleiben.

Verdammt, sie hatte Jeans und T-Shirt. Scheibenkleister, ich kam mir so richtig doof vor. Naja, ein T-Shirt war es nicht wirklich, eher eine knappe Bluse. Und ihr Dekollete war auch noch größer als meins.

Ich fragte mich, was ich eigentlich für ein Problem hatte. Wieso schaute ich dauernd auf Catherines Klamotten? Hatte ich Angst, dass sie irgendwas mit Dan anfing?

Eigentlich nicht. Aber war bin manchmal eben ein bisschen bedröppelt in solchen Sachen. Frauen, würde Dan jetzt sagen.

Ich nahm mich zusammen, und beschloss mit dem kindischen Getue aufzuhören. Aber jetzt hatte ich schon dieses unpraktische Kleid an. Ich konnte mich ja auch umziehen? Zumindest eine Hose darunter. Wenn uns Ballinger wieder jagte, war ich im Rock eh aufgeschmissen. Oder ich machte diesen Kerl damit so verrückt, dass er es aufgab mich zu jagen …

Als Dan und Paul ausstiegen, blieb ich im Auto und versuchte meinen Koffer aufzukriegen. Das einzige was ich schaffte war, dass alles herausflog und sich überall verteilte. Ich suchte eine weiße Leggins und schaute, ob mir auch niemand zusah. Nein, Dan und Paul waren mit Catherine in den Hangar gegangen um nach der „Honey“ zu sehen und zu schauen ob alles in Ordnung war. Mensch, was hätte dem Flugzeug denn passieren sollen?

Ich zog die Leggins unter das Kleid an und strich den Rock glatt. Dann stieg ich aus und begutachtete mich kritisch. Das sah sogar mal richtig stylish aus. Jetzt war ich endlich zufrieden.

Ich wartete auf die anderen drei.

Bis die endlich auftauchten, war mir warm. Sehr warm. Eher heiß. Aber besser warm, als dass es kalt war und wir alle schlotternd herumsaßen, wie es uns in London öfters ging.

„Fahren wir mit dem Auto von Monsieur Legrand?“ fragte Paul.

Catherine nickte. „Ich fahre, ich kenne mich auf den Straßen aus. Ihr würdet euch doch nur verfahren.“

Ich nickte zustimmend, sagte aber nichts von gestern Abend und unserer orientierungslosen Tour durch Avranches.

Wir stiegen alle ein. Catherine wollte mich als Beifahrerin. Ich freute mich und Dan und Paul nörgelten. War Catherine aber egal, sie fuhr einfach los.

Innerhalb einer halben Stunde brachte uns Catherine vor den Damm, der zu Mont-St-Michel führte. Wir stellten den Wagen auf einem großen Parkplatz ab und gingen zu Fuß über den Damm.

Mont-St-Michel war echt ein imposantes Bauwerk. Vor allem der große Turm, auf dem eine Statue des heiligen Michael stand, und die Häuser, die sich eng um das Kloster herumdrängten. Ich verfluchte mich, dass ich die Kamera im Auto gelassen hatte. Catherine hatte uns schon schief angeschaut, weil wir uns so anders als die üblichen Touristen benahmen.

Wir gingen langsam den Damm entlang. Es war gerade Ebbe und Catherine sagte, wir könnten auch neben dem Damm gehen.

Wenn wir gerade nach vorne blickten, waren da die Befestigungsmauern. Der Eingang war weiter links, man musste dazu vom Damm herunter und ein Stück über den Strand gehen. Catherine schlug vor, wir könnten da schon mal Ebbe war, einmal um die ganze Insel herumgehen. Wir sahen uns an, konnte nie schaden, wenn man den Umfang von der Insel kannte.

Catherine ging voraus und sagte, wir sollten nicht auf solche Flecken treten, die weich aussähen. Das könnte Treibsand sein.

Das würde jetzt gerade noch fehlen, dass einer von uns Profis im Sand versank. Wir umgingen die Flecken und waren bald außer Sicht des Damms, also genau auf der hinteren Seite von Mont-St-Michel.

Wir sahen uns die Mauern an und bemerkten so komische Gitter, die in die Mauern eingelassen waren. Catherine sagte, die Dinger könnte man sogar an manchen Stellen aufmachen und da hätte man schon mal eine Leiche gefunden, die hinter so einem Gitter eingesperrt gewesen sei.

Ob das eine fiktive Geschichte war oder nicht, mich schüttelte es. Leichen konnte ich gar nicht ab. Aber vielleicht war das auch schon seit dem Mittelalter her.

Als wir so vor der Mauer standen und uns unterhielten, sprangen plötzlich drei Gestalten von der Mauer.

Wir erschraken furchtbar.

Mein erster Gedanke war, die waren lebensmüde. Mein zweiter war, das waren Ballingers verdammte Spitzel.

„In Deckung“, brüllte ich, weil das die Helden in Filmen auch immer machten. Mich griff irgendwer von hinten und band mir die Hände auf den Rücken. Ich kam gar nicht zum schreien, so schnell ging es. Aber das Schreien hätte mir auch nichts genützt. Denn Dan und Paul wurden von einem mit einer Knarre in schach gehalten und Catherine wurde ebenfalls von einem Kerl gefesselt.

Ich fluchte und strampelte, aber es half nichts. Ich erwischre nur die Schienbeine und der Typ schien welche aus Stahl zu haben, denn er zuckte nicht mal mit der Wimper. Catherine hatte ihrem Kerl in die Hand gebissen, als er ihr den Mund zugehalten hatte, aber auch das hatte leider nichts genützt. Außer das er jetzt blöd herumjammerte. „Diese Weiber sind gewalttätig.“

Mensch, das uns diese Kerle immer so kalt erwischen mussten. Aber ich glaubte auch, wo die waren, war Ballinger nicht weit.

Und ich hatte richtig geraten. Der Kerl spazierte seelenruhig um die Ecke eines kleinen Befestigungsturms. Er hatte ein höhnisches Grinsen auf den Lippen und sah sehr zufrieden mit sich aus.

Der würde bald nicht mehr so doof gucken, schoss mir durch den Kopf. Ich zappelte immer noch herum, in der Hoffnung, der Typ würde mich endlich loslassen.

Dieses Mal hatte mich Rodriguez in den Händen. Pears hielt Catherine fest und der andere, wie war noch sein Name, wedelte mit der Knarre vor Dan und Paul herum. Ich sah Dan an, dass er dem Kerl am liebsten die Pistole um die Ohren hauen würde. Ach ja, sein Name war Tunner und er war ein wenig schusselig mit Knarren. Wenn Dan nur auf eine passende Gelegenheit wartete…

Ballinger kam auf uns zu. Besser gesagt, er kam auf mich zu.

Er hielt vor mir an und hob mein Kinn an. Dann sah er mir ins Gesicht. Sein Grinsen wurde noch breiter.

„So, Stella-Schätzchen, Sie sind sogar noch hübscher, als ich Sie in Erinnerung habe.“

Ich wollte ihm in diesem Moment am liebsten an die Gurgel springen. Dan sah ziemlich wütend drein und Paul hatte seinen Blick auf Catherine gerichtet, die verwirrt dreinschaute.

Ballinger sah sie sich reihum an und wandte sich dann wieder mir zu. „Ich habe Ihnen schon einmal angeboten, zu mir zu kommen und sich nicht mit diesen Versagern abzugeben.“

„Pah“, sagte ich. „Idiot.“

„Na, na, “ machte er. „Sie sind vielleicht respektlos.“ Er grinste seine Schergen an. „Stella-Schätzchen wird das aber noch vergehen, wenn wir den Helm haben, nicht wahr?“

Die drei lachten heiser.

„Bloß wird das Stella-Schätzchen und ihre Kollegen, Ihnen nachher Michels Helm vor der Nase wegschnappen“, erwiderte ich frech.

Sein Grinsen verschwand, aber er lachte trocken und unecht. „Das werden wir ja sehen.“

Er drehe sich zu Catherine, die immer noch total verwirrt aussah und nicht wusste was hier vonstatten ging.

„Mr. McLean hat also schon jemanden gefunden, der ihm den Weg zu Michels Helm weisen wird?“

Dan wurde rot vor Wut. „Ja, und sie gehört zu uns. Scher’ dich bloß weg.“

Ballinger lachte wieder.

Ich began loszulabern und versuchte Catherine alles zu erklären. Ich faselte von Schatzjägern, Antiquitäten und sonst noch was. Ich wusste nicht ob sie alles versteht, oder ob sie mich jetzt für komplett durchgeknallt hielt. Ich befürchtete eher letzteres… Rodriguez unterbrach meinen Redeschwall und hielt mir den Mund zu. Ich biss ihn in den Handballen, so leicht ließ ich mich nicht unterbrechen. Ich schickte den nächsten Wortschwall Richtung Catherine und Ballinger wurde langsam wütend, weil er nicht zu Wort kam.

„Mensch, bring’ sie endlich zum Schweigen.“ Rodriguez drückte mir kaltes Metall in den Rücken. Wahrscheinlich wieder Mal eine Pistole. Ich wurde still.

Ein Loch in meinem Rücken wollte ich nicht. Dann schon lieber in Ballingers Rücken oder auch in seinem Hintern.

„Wir werden Ihre kleine Reiseführerin uns ein wenig ausleihen“, sagte Ballinger und sah zu Catherine, die alles andere als begeistert aussah.

Dan knurrte und Paul fluchte vor sich hin weil sie nichts dagegen tun konnten.

„Und ihr“, Ballinger wendete sich uns zu. „Ihr werdet jetzt ein wenig unter Wasser gesetzt. Auch wenn es um Stella-Schätzchen ein wenig Schade ist.“

Ich spuckte ihm vor die Füße. Aber ich verstand nicht recht, was der Kerl mit dem Wasser meinte.

Ballinger zeigte auf das offene Meer. Am Horizont kam etwas in Sicht, das wie eine Welle aussah. Eine Schaumkrone zog sich über die ganze Sichtweite.

Verdammt nochmal. Das war eine Welle, das sah nicht nur so aus.

Die Flut kam. Und zwar ziemlich schnell.

Ich hatte im Reiseführer gelesen, dass das Wasser eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h bekommen konnte. Wir hatten also nicht mehr allzu viel Zeit.

Ich hatte eine ganz böse Vorahnung, was Ballinger mit uns vorhatte. Er gab seinen Kerlen ein Zeichen und sie schoben uns Richtung Mauer. Ich fing an zu strampeln. Ich sah die Wasserleiche vor mir, von der Catherine uns vorhin erzählt hatte. So wollte ich nicht enden, ich wollte vorher noch Ballinger in die Eier treten. Ich fluchte vor mich hin. „Scheiße, ach scheiße.“

Ballinger öffnete eins von den Gittern in der Mauer. Tunner schupste als erstes Dan und Paul da ’rein. Dann Rodriguez mich kopfüber hinterher. Ich schlug meinen Fuß hinaus und traf als Abschiedsgruß noch seine Nase. Blut schoss heraus und besudelte seine Kleidung. Ich schrie, dass ihm das ganz recht geschehe. Pears machte das Gitter zu und schloss es mit einem Schloss ab, bevor Rodriguez mir an die Gurgel gehen konnte.

Catherine versuchte Pears zu entkommen, scheiterte aber und fing wild an zu schreien, bis Rodriguez ihr eins überzog und sie bewusstlos wurde.

Paul und Dan stießen einen wüsten Schwall Verwünschungen aus.

„Das bekommst du zurück, die Dreckskerl“, brüllte Paul und hämmerte gegen das Gitter. Die vier und Catherine verschwanden aus unserem Blickfeld und die Flut kam mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit näher.

Wir hockten wie erstarrt in dem kleinen Loch und sahen ratlos der Flut zu.

„Wir müssen irgendwie hier ’rauskommen, “ sagte Dan. Er drehte sich um. Das Loch war so eng, das wir gerade mal auf den Knien herumrutschen konnten.

„Ich tue Ballinger nicht den Gefallen und ersaufe hier.“ Dan fing an nach hinten zu robben und wir sahen, dass der Schacht nicht etwa nach ein paar Metern aufhörte, sondern, wie ein Gang nach hinten führte.

„Los, kommt“, knurrte Dan. Paul und ich drehten uns, an der Wand entlangschrammend und ächzend um. Dann krochen wir Dan auf den Knien hinterher. Ich warf noch einen letzten Blick zurück, nach draußen. Adios, schöne Welt. Aber der Gang war unsere einzige Möglichkeit hier wegzukommen. Wenn der Gang wirklich aufhörte, dann… ja, dann hatten wir ein Problem. Und ich wollte immer noch nicht als aufgedunsene Wasserleiche enden.

Die Wände des schmalen Gangs waren nass und modrig. Überall waren schleimige, algenähnliche Wasserpflanzenreste und ich versuchte vergeblich die Wände nicht zu berühren. Es roch auch nicht angenehm.

Wir sahen nach kurzer Zeit aus, als hätten wir in einem grünen Moorloch gebadet. Aber unsere einzigen Gedanken galten jetzt dem Gang, und der Hoffnung hier herauszukommen.

Der Gang wurde immer dunkler und Paul gab Dan ein Feuerzeug, damit er die Wände ableuchten konnte. Aber die ganze Zeit sahen wir nur modrige, grüne Steine und auch mal ein paar Krebse, die versuchten dem Licht zu entfliehen.

Dan stieß plötzlich gegen irgendetwas. Ich horchte auf. Es hörte sich so dumpf an, wie Holz. Er tastete sich langsam vorwärts und beleuchtete dann einen großen Stein, der zur Hälfte von der Decke herunterhing. Aber Platz genug zum durchkriechen war noch.

„Glück gehabt“, meinte Dan.

Ich nickte erleichtert und ließ mich auf meinem Hinterteil nieder. Und landete prompt auf irgendetwas, das nachgab. Ich kreischte auf, weil ich Angst hatte, einen Krebs platt gesessen zu haben. Doch es hörte sich nicht wie ein Krebs an, eher wie ein Schalter, der irgendetwas auslöste.

„Mensch, pass doch auf“, grummelte Paul mich an und zog mich weg. Er hatte die ganze Zeit nichts gesagt. Ihm stank das ganze hier. Stinken tat’s hier aber auch wirklich grauenhaft.

„Schau mal meinen Hintern an, ist da irgendwas?“ Ich streckte ihm mein Hinterteil entgegen. Er sah kurz hin und schüttelt dann den Kopf. „Nichts. Aber der Hintern ist schön.“

„Was zum Teufel war das dann?“ Ich nahm Dan das Feuerzeug aus der Hand und beleuchtete damit den Boden. Ich hatte da irgendetwas Viereckiges in den Boden gedrückt. Ich legte noch mal meinen Finger darauf und es schob sich noch weiter in den Steinboden.

„Finger weg“, sagte Dan schnell. “Bevor wieder was passiert.“

„Wieso wieder?“ motzte ich. „Immer bin ich Schuld.“

„Das hab ich gar nicht gesagt“, protestierte Dan. „Weiber.“

„Hört auf zu streiten“, unterbrach uns Paul. „Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.“

Plötzlich krachte etwas und Staub rieselte von der steinernen Decke. Wir drehten erschrocken die Köpfe nach oben. Der Stein bewegte sich wieder ein Stück. Es knirschte, wie Finger die über eine Tafel kratzen und ich bekam eine Gänsehaut „Vielleicht sollten wir weitergehen“ murmelte ich. „Sonst fällt uns hier noch die Decke auf den Kopf.“

Von oben schob sich der halb herunterhängende Stein noch weiter herunter. Immer weiter, ohne Rücksicht darauf, dass hier jemand saß.

Eine Ladung kleiner Kieselsteine rieselte hinter dem Stein hervor.

Dan reagierte sofort, er brüllte mich an und drückte mich auf den Bauch, dann schob er mich mit Gewalt unter dem Stein durch. Paul krabbelte fluchend hinterher und scheuerte sich die Knie auf. Er warf sich herum, reichte Dan die Hand und zog ihn schnell hindurch. Er kam geradeso noch hindurch.

„Was sollte denn das?“ fauchte er mich lautstark an.

„Ich weiß gar nicht, was du meinst“, brüllte ich zurück. „Ich kann gar nichts dafür.“ Paul seufzte laut und genervt, lehnte sich an die Wand und wartete ab. Der Stein war zu unserer Überraschung ganz im Boden versunken.

Dan leuchtete die Decke ab, die freigeworden war und entdeckte einen Schlüsselabdruck. Und auf dem Stein, der jetzt unten lag, lag der Schlüssel dazu. Ein kleiner goldener Schlüssel, mit einer Verzierung. Dan steckte ihn in seine Hosentasche. „Vielleicht finden wir die Tür dazu.“

Dan scheuchte uns weiter. Dieses Mal ging Paul mit dem Feuerzeug voran. Wir konnten jetzt gebeugt laufen, die Decke war ungefähr dreißig Zentimeter höher, als der schmale Tunnel vorher.

Ich wusste nicht, wie lang wir gelaufen waren. Wir gingen um Kurven, bogen mal scharf nach links ab, dass man meinen konnte, der Tunnel führte wieder zurück wir hergekommen waren.

Nach, ich schätze mal, einer Viertelstunde, kamen wir an das Ende des Tunnels. Der Weg war so urplötzlich zu Ende, dass wir alle erst mal schlucken mussten.

„Und jetzt?“ fragte Paul und drehte sich zu uns um.

Links und rechts waren Wände, aus dicken Steinen, die aussehen, als wären sie extra, um diese Mauern zu bauen, aus Steinbrüchen gehauen worden.

Hier waren sie nicht mehr so feucht und überzogen mit grünen Algen, nur noch voll mit Spinnweben und voller grauem Steinstaub. Die Ritzen waren etwas weiter auseinander und kleine Krabbeltiere, Spinnen und Kellerasseln verschwanden darin, als Paul mit dem Feuerzeug hinleuchtete.

Wir waren voll in einer Sackgasse gelandet. Wir kamen nicht vor und nicht zurück, weil ein gutes Stück hinter uns der verflixte Stein den Weg versperrte.

Ich ließ mich rücklings an der Wand herunterrutschen.

„Und was machen wir jetzt?“

Dan besah sich die Steine. Er fuhr mit den Finger die Ritzen entlang und tastete die Decke nach möglichen Schwachstellen ab.

„Mir kommt es komisch vor, das der Weg so weit geführt hat und nun im nichts endet, “ sagte er.

„Wieso sind hier eigentlich keine Algen mehr an den Wänden“, fragte Paul und setzte sich neben mich.

Dan warf uns einen Blick zu. „Vielleicht gibt es irgendwo einen Abfluss, anders kann ich mir das nicht vorstellen.“

Ich rücke näher an Paul. „Ich will hier nicht verhungern. Ich find’ das ganze hier echt Scheiße.“

„Das kannst du laut sagen“, murmelt Dan und fährt weiter die Ritzen ab. „Ich gehe ein Stück den Gang zurück und schaue, wo der Algenbefall aufhört.“

Paul gab ihm das Feuerzeug und er drehte sich um und ging den Weg zurück. Seine Schritte hallten im Tunnel nach. Paul stand ebenfalls auf, legte mir kurz seine Hand auf die Schulter und ging dem fahlen Lichtschein von Dans Feuerzeug nach.

Mich ließen sie alleine im Dunkeln zurück. Ich zog meine Beine zu mir her und umklammerte sie mit den Armen. Es war verflixt kalt hier.

Mir stand das ganze bis oben. Da wurde uns zuerst unsere Reiseführerin geklaut, wir in einem Tunnel uns selbst überlassen bis wir ersoffen, und nun das.

Das Wasser, also die kommende Flut, war, als wir hier eingesperrt wurden, schon ziemlich nahe. Doch wir wurden nicht einmal ansatzweise nass. Es musste einen Abfluss geben, sonst wären wir hier schneller ersoffen als wir „Flut“ sagen konnten.

Der Eingang des Tunnels war an der Außenmauer des Mont-St-Michel und musste also direkt unter das Kloster führen. Wenn wir wenigstens wussten, wie weit wir gelaufen waren könnten wir die Entfernung abschätzen. Aber was half das schon, dann wussten wir nur, unter welchem Klosterteil wir verhungerten.

Der Lichtschein des Feuerzeugs war nun ganz verschwunden. Die Stimmen von Dan und Paul waren verklungen und mir fuhr außerdem ein kühler Wind hinten in mein Kleid. Wo blieben Dan und Paul so lange?

Plötzlich tropfte irgendetwas herunter, mir direkt auf den Kopf. Ich fuhr erschrocken hoch und stieß mir den Kopf an der Decke an. Ich bekam eine Gänsehaut, es war stockdunkel, arschkalt und ich bekam Muffensausen, wenn ich daran dachte, was da gerade heruntergetropft hatte.

Du hast zu viele Krimis gelesen, schalt ich mich selbst.

Ich tastete an der Wand entlang. Ich wusste noch ungefähr wo ich gesessen hatte, da tastete ich dann, die Ritzen entlang, an die Decke.

Ich fühlte etwas feuchtes, nichts moosiges, wie ich es von den Algen her kannte, sondern etwas, das die Decke entlanglief und heruntertropfte.

Ich hörte das ‚Plopp, plopp’, das zunehmend öfter erklang.

Zuerst tropfte es mir auf den Schuh, dann auf die Schultern, und dann begann es in einem dünnen Rinnsal herunter zu laufen. Wie ein kleiner Bach, dann wurde es zu einem etwas dickeren Bach. Ich fühlte wie es eine große Pfütze auf dem Boden bildete. Scheiße, von irgendwo her lief hier Wasser herein.

Es war wie ein Wasserhahn, den man langsam aufdrehte. Ich fühlte, wie es durch die Ritzen drängte und gegen meine Schuhe schwappte.

Ich brüllte nach Dan und Paul. Meine Stimme warf einige Echos an der Tunnelwand und kam dann zu mir zurück. Keine Reaktion.

Ich machte eine Paar Schritte nach vorne und trat plötzlich irgendwo hinein, wo ich bis zu den Knien versank. Der Boden sank weiter und ich hing mit dem Fuß fest und kam nicht mehr aus dem Loch.

„Herrgottnochmal, Dan“, brüllte ich, als mir das Wasser bis zu den Oberschenkeln stand.

Ich hing mit dem Schuh fest. Ich beugte mich runter, versank bis zu den Schultern im Wasser, löste den Sandalenriemen und ließ den Schuh, Schuh sein.

Dann hievte ich mich aus dem Loch heraus.

Viel half es mir nicht, das Wasser stand außerhalb des Lochs jetzt auch schon gut dreißig Zentimeter hoch.

Ich zog den anderen Schuh auch aus und pfefferte ihn ins Dunkel des Tunnels.

Dann watete ich in die Richtung, wo ich dachte, das Dan und Paul hingegangen waren. Meine Hände ließ ich an der Mauer, dass ich mich, falls ich auf irgendeinem Wasservieh ausrutschte, abstützen konnte.

Das Wasser hinter mir, strömte mittlerweile wie ein Wasserfall aus verschiedenen Mauerritzen.

Plötzlich hörte ich von vorne ein Geräusch. Wie jemand im Wasser rannte. Und derjenige kam äußerst schnell auf mich zu.

Ich spürte noch, wie jemand gegen mich knallte und flog rückwärts ins Wasser. Derjenige lag noch auf mir drauf und fluchte wild. Paul.

Hinter ihm ging das Feuerzeug an und Dans Gesicht wurde angeleuchtet.

„Da habt ihr euch ja einen schönen Platz zum Baden ausgesucht“, flachste er und streckte mir die Hand hin. Ich schob Paul von mir herunter und ließ mich von Dan hochziehen. Ich war von oben bis unten völlig durchnässt. Meine Klamotten klebten an mir und meine Haare trieften.

Ich warf Paul, der nur bis zum Bauch nass war, einen bösen Blick zu.

„Habt ihr wenigstens einen Weg nach draußen?“ frage ich Dan. Er warf einen Blick hinter mich, zu dem kleinen Wasserfall aus den Ritzen.

„Einen schmalen Durchgang, aber wir müssen ein Stück tauchen.“

Erst jetzt fiel mir auf, dass Dan ebenfalls klitschnass war. Seine Haare hingen ihm feucht und strähnig ins Gesicht. Seine Klamotten tropften.

„Tauchen!!“ keifte ich entsetzt. „Wieso tauchen, ach verdammt noch mal. Wenn ich diesen verflixten Ballinger in die Finger kriege.“

Paul zeigte plötzlich auf meine Füße. „Wo sind denn deine sexy Schuhe?“

Ich wurde rot. Wenn ich dem von meinem Missgeschick erzählte, lachte er mich eh nur aus. „Och, die waren nass. Und in nassen Schuhen kriege ich Blasen.“

Paul nickte und grinste dann wissend. „Soso…“

Dan zeigte auf den Tunnel. „Los. Hier entlang.“
 

Ich stand entsetzt vor dem kleinen schmalen Tunnel. Er war höchstens fünfzig Zentimeter breit und Wasser schwappte darin herum. Nun, jetzt nicht mehr, dass Wasser aus dem hinteren Teil des großen Tunnels war bis hierhin gelaufen und ließ den Eingang des kleinen Tunnels nur noch erahnen.

„Jetzt sag nicht, dass du da vorhin hineingetaucht bist“, sagte ich zu Dan. Doch der nickte grimmig. „Wäre ich sonst so nass…“

Paul hatte die Hände in seine nassen Hosentaschen vergraben und sah zu uns herüber. „Wie wär’s wenn wir das endlich hinter uns bringen?“

Ich stöhnte genervt. „Mensch…“

„Ich fange an“, sagte Paul. „Dan kommst du zum Schluss nach? Dann nehmen wie die Dame in die Mitte.“

Dan nickte grinsend.

Paul legte sich auf den Bauch und holte tief Luft, dann ließ er sich in den Tunnel gleiten und verschwand kopfüber.

Ich sah entsetzt zu, wie schließlich auch seine Füße verschwanden.

„Wie weit ist es?“ fragte ich leise.

„Fünfzig Meter“, sagte Dan. „Ungefähr...“

Ich seufzte und ging in die Hocke. Schoss jedoch sofort wieder in die Höhe, als das Wasser meinen Hintern berührte.

„Also, auf geht’s, “ sagte Dan.

Ich warf ihm einen widerwilligen Blick zu, machte es aber so wie Paul. Legte mich auf den Bauch und holte Luft.

Das kalte Wasser traf mich wie ein Schlag, ich befürchtete schon ich würde reflexartig schreien, doch ich besann mich wieder.

Ich grub meine Finger in die Ritzen und zog mich vorwärts. Die Wand war glitschig und ich strampelte mit den Füßen um weiterzukommen.

Ich öffnete die Augen und sah nur Dunkel. Alles um mich herum war dunkel. Ich bekam Panik. Meine Gedanken fingen an verrückt zu spielen.

Ich zog mich weiter, rutschte wieder ab und hielt inne. Plötzlich schob jemand von hinten. Ich spürte einen energischen Druck an meinem Fußgelenk.

Ich bekam neuen Mut und schob mich weiter. Mit den Armen die Ritze greifen, und ziehen, und immer wieder dasselbe, bis ich plötzlich einen hellen Fleck sah.

Die Luft wurde mir langsam knapp, meine Lungen schienen bald zu bersten. Mein ganzer Körper schrie nach Luft. Ich stieß plötzlich gegen einen Widerstand.

Vor Schreck entwischte mir ein Schwall Luftblasen, der schnell nach oben stieg. Der Tunnel bog sich nach oben.

Und der seltsame Widerstand gab aber Gott sei Dank nach, als ich dagegendrückte.

Jetzt war es nicht mehr so schwer, sich weiter zu ziehen. Der helle Fleck kam näher und näher.

Plötzlich stieß mein Kopf durch die Wasseroberfläche. Ich holte tief Luft und mir entfuhr ein Laut der Erleichterung. Dan schoss hinter mir aus der tiefe des Tunnels und griff nach dem Tunnelrand.

Paul griff schnell nach meiner Hand und zog mich aus dem Wasser. Dan kletterte nach und wir standen endlich alle im trockenen.

Der helle Fleck, den ich gesehen hatte, war ein etwa zwei Meter breites, teichartiges Becken. Seitlich befand sich eine Rinne, die wieder im Mauerwerk verschwand, wo offenbar das Wasser abfloss, falls es aus dem Becken drückte.

Wir sahen uns gegenseitig an. Dan sah nichts mehr, weil ihm der Pony im Gesicht klebte. Paul hingen Wasserpflanzen im Haar und ich begann zu lachen.

„Was ist bitte so witzig“, fragte er gekränkt. „Wir sind gerade dem Ertrinken entgangen, und du lachst.“ Er warf die Hände in die Luft. „Ich finde es ja auch toll, dass wir dem Kerl ein Schnippchen geschlagen haben. Aber das wir jetzt alle nass sind, dass finde ich nicht so toll.“ Er redete sich in rage.

Ich dagegen deutete auf seinen Kopf und brachte kein vernünftiges Wort heraus. „Dein…deine Haare….“ Ich brach wieder in einen Lachanfall aus.

Dan schüttelte den Kopf, aber er grinste und strich sich seine Haare aus den Augen. Die Situation war so absurd, dass es wirklich zum Lachen war. Oder sollten wir lieber heulen.

Mir liefen Tränen übers Gesicht, und ich lachte hysterisch. Bis ich merkte, dass ich wirklich heulte. Mir entfuhr ein lauter Schluchzer und Dan und Paul drehten sich entsetzt zu mir um. Beide hatten so ein bestürztes Gesicht, dass ich beinahe wieder lachen musste, wenn ich nicht gerade am Heulen, wegen meiner Schuhe, wegen dem verflixten Auftrag, und wegen unserer beschissenen Situation, gewesen wäre.

„He, was ist los?“ fragte Paul sanft. Er nahm sanft meine Hand und strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht.

Ich schluchzte und wischte mir über die Augen. „Schon gut. Ich bin nur so ein hysterisches Huhn.“

Dan stand betroffen daneben und wusste nicht recht, was er machen sollte. Er hasste weinende Frauen, da kam er sich immer so vor, als ob er daran schuld wäre.

Paul sagte, ich solle mich ein wenig hinsetzen und zeigte auf einen kleinen Mauervorsprung auf dem ich mich niederließ. Ich beruhigte mich langsam wieder. Die Angst, die ich da eben gespürt hatte, in dem dunklen engen Rohr, hatte mir ein doch wenig zugesetzt.

Ich hatte nun ein wenig Zeit, mir den Raum, in dem wir herausgekommen waren, ein wenig genauer anzuschauen. Er war vielleicht vier Meter hoch. An der rechten Wand waren Regale angebracht, links befand sich das Becken. Und gegenüber von mir war eine große Holztür. Das ganze sah aus, wie eine Art Vorratskammer. Nur das fast keine Vorräte da waren. Nur eine einsame Flasche Wein lag im Regal, und Paul meinte, die konnte man doch nicht vereinsamen lassen. Er entkorkte sie mit einem Taschenmesser und schaute sich den Aufdruck an. „Ein 1995er Bordeaux. Na, Geschmack haben die Kerle ja.“

„Cheers!“ Er setzte sie sich an die Lippen und nahm einige tiefe Züge. Danach setzte er die Flasche wieder ab und schüttelte sich. „Buah, das haut aber rein.“

Er reichte Dan die Flasche, der jedoch abwinkte. „Danke, ich steh’ nicht auf dieses Zeug. Ich bleib’ bei meinem Budweiser.“

Er sah mich an, aber ich schüttelte ebenfalls den Kopf. Kein Wein für mich, da wurde mit immer so heiß.

„Was ist mit dieser Tür?“ fragte ich. „Geht die nicht auf?“

Dan schüttelte den Kopf. „Hab ich alles probiert. Das ist eine Massivholztür, wahrscheinlich noch aus dem Mittelalter. Die gibt nicht so schnell nach.“

„Vielleicht auch doch“, sagte Paul und zeigte auf die Klinke, die sich eben knirschend herabsenkte. Wir hielten alle die Luft an.

„Oh-oh“, sagte ich.

„Wahrscheinlich will derjenige, der hier reinkommt, ebendiese Flasche Wein“, knurrte Dan und warf Paul bösen einen Blick zu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MuadDib
2008-03-17T15:37:02+00:00 17.03.2008 16:37
ich bin nun bis zu diesem kapitel gekommen und finde die ff bis jetzt wirklich gut ^^
nur eine sache habe ich nicht so richtig verstanden. auf seite 3 steht folgendes "Mein ganzer Körper schrie nach Luft. Ich stieß plötzlich gegen etwas Scharfes und spürte einen stechenden Schmerz am Bauch. ".
was ist da passirt? hat sie dort etwas gestochen? aber wenn ja wo ist die reaktion darauf? oder kommt das noch in den nächsten kapiteln?


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