Zum Inhalt der Seite

Ayashi - Der Weg zur Wahrheit

(überarbeitet)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sesshoumaru stand erneut vor Ayashis Schrein und blickte auf die Gravur ihrer beider Namen hinab. Er hatte gerade eben die rote Farbe in den Schriftzeichen seines Namens erneuert und beugte sich hinab, um seine Fingerkuppen an dem alten Schwert zu verletzen, das er dort vor so vielen Jahren niedergelegt hatte, und ein wenig seines Blut zur Farbe zu mischen.

Es kam ihm vor, als sei es erst gestern gewesen, dass er hier mit Ayashis Verwandten und engsten Freunden Abschied von ihr genommen hatte, doch es war bereits fünfzig Jahre her. Fünfzig Jahre. Sesshoumaru schüttelte leicht den Kopf, als er sich das klar zu machen versuchte, doch daran scheiterte.

Die Zeitspanne von fünfzig Jahren war für einen Youkai keine allzu große, doch er fühlte sich, als sei sie länger als alle Zeit, die er bisher gelebt hatte. Ayashi fehlte ihm immer noch sehr, doch er hatte sich ihrem Wunsch gemäß verhalten – und das verschaffte ihm ein wenig Trost. Dass sein Handeln, dass die Tatsache, dass er nicht aufgegeben hatte, dass er sein Leben nicht beendet hatte, bestimmt ihre Zustimmung fand, half ihm ein wenig.

Dennoch kam er jedes Jahr hierher an ihren Schrein und ließ vor seinem inneren Auge wehmütig Revue passieren, was an jenem Tag und in der Zwischenzeit geschehen war. Gesund konnte das für sein Herz nicht sein, das spürte er, doch nun brauchte er dieses Ritual, um mit seinem Schmerz umzugehen. Ein Ritual, das sich regelmäßig jährlich wiederholte, obwohl er natürlich auch sonst an Ayashi dachte.

Er mochte nicht darauf verzichten, einmal im Jahr wirklich allein mit ihr zu sein, wenn er doch sonst seinen Schmerz und seine Trauer hinter einer undurchsichtigen Maske verbergen musste, damit er seine Herrschaftsansprüche und sein Gesicht wahren konnte.
 

Sesshoumaru atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen, als wolle er sich so besser daran erinnern können, was in der Zwischenzeit geschehen war, an dem Ayashi leider nicht teilhaben konnte.

Er hatte mit Kataga einen neuen Rat eingesetzt. Was sich an jenem Tag vor fünfzig Jahren abgezeichnet hatte, war wirklich eingetreten. Kataga hatte seit damals den Vorsitz im Rat von Kyoto inne und machte eine gute Politik, die es Sesshoumaru erlaubte, sich so oft wie möglich aus den Geschäften zurückzuziehen, denn das hatte er so gewünscht.

Er führte immer noch seine Gebiete, erschien aber nur noch zu den wichtigsten Sitzungen. Er war gefürchtet und wurde infolgedessen auch nicht herausgefordert, was ihn nicht im Geringsten störte. Sie respektierten ihn alle als Herrn des Westens, doch Seshoumaru war sich sicher, dass sich die einen oder anderen hinter seinem Rücken wünschten, dass er sich mehr in die Geschicke ihrer Gesellschaft einmischte.

Doch wozu? Der Welt der Youkai hatte in den letzten fünfzig Jahren nicht einmal ein Krieg oder eine heftigere Auseinandersetzung gedroht. Es war nicht nötig sich einzumischen.

Direkt nach der Einrichtung des Schreins für Ayashi hatte Sesshoumaru härter als je zuvor sein Training wieder aufgenommen. Es hatte ihn wütend gemacht, dass er gegen Yaris Gift nicht immun gewesen war, denn die Wirkung des Gifts eines Inu-Youkai sollte bei einem anderen Inu-Youkai überhaupt nicht anschlagen. Das sollte ihm nie wieder geschehen, hatte er sich vorgenommen – und vor wenigen Jahren hatte er es vollbracht:

Kein Gift konnte ihm mehr etwas anhaben. Niemand würde ihm mehr hinterhältig schaden können. Er war nachweisbar stärker als damals geworden.

Seinem guten Freund Tsukiyomaru hatte das nichts genützt, denn der hatte ihn nicht zur Hilfe gerufen, als er sie so nötig gebraucht hätte. Nun war er tot. Ermordet vom eigenen Vater. Seine kleine Tochter Shiori war nach einigem Hin und Her sicher bei der sterblichen Mutter, und Sesshoumaru hatte beschlossen, es dabei zu belassen. Vermutlich hätte er das Kind unter anderen Umständen zu sich genommen, da es das Kind seines Freundes gewesen war, doch sie hatte noch ihre Mutter.
 

Sesshoumaru blickte in den dämmrigen Himmel. Er konnte nicht anders, als auch sein Versagen zu sehen. Noch immer hatte er Tessaiga nicht in seinen Besitz bringen können, obwohl er sich das geschworen hatte. Was hatte er nicht alles unternommen, um seine Ziele zu erreichen, die ihm dennoch verwehrt geblieben waren? Und dabei war es nicht einmal mehr so, dass er das Schwert nur nicht finden konnte, wie es lange Zeit der Fall gewesen war.

Es war schlimmer gewesen: Er wusste genau, in wessen Hand es sich befand. In der unwürdigen Hand seines Halbbruders. Sesshoumarus Inneres sträubte sich vehement gegen dieses Wort. Er ertrug es leichter, ihn beim Namen zu nennen.

„Inuyasha.“ knurrte er verachtend.

Es spielte keine Rolle für ihn, dass er nach und nach die Kräfte seines Tenseigas kennen gelernt hatte. Es machte ihn wütend, dass sein Vater ihm verheimlicht hatte, wozu Tenseiga fähig war. Niemals hätte er es liegen lassen, als er zum Duell mit Yari aufgebrochen war, wenn er gewusst hätte, dass Tenseiga ein Wesen wieder zum Leben erwecken konnte. Es hätte es von vornherein niemals abgelegt. Was das Schweigen seines Vaters alles angerichtet hatte, war kaum zu glauben.

Doch wie schon gesagt: Es spielte ohnehin keine Rolle. Er hatte zwar die kleine Rin zum Leben wiedererweckt, sodass sie ihm nun überall hin folgte, doch Tessaiga wurde immer noch von Inuyasha geführt.

Inuyasha, der ihm nicht geholfen hatte. Inuyasha, ohne dessen Verrat Ayashi noch leben könnte. Inuyasha, der von einer närrischen Priesterin gebannt worden war. Nicht, dass Sesshoumaru sonderlich traurig darüber gewesen wäre, doch er hatte zutiefst bedauert, dass er seinen Bruder deshalb nicht zu einem Zweikampf hatte fordern können. Inuyasha, der von seinem Vater bevorzugt worden war.

Selbst jetzt, da Sesshoumaru zugeben musste, dass sich seine Einstellung zum Schwert Tessaiga ein wenig geändert hatte, und er vielleicht sogar ansatzweise eingesehen hatte, dass es zu Inuyasha gehörte, so war er doch nicht dazu bereit, ihm dies jemals zu verzeihen.

Nichts hatte sich daran geändert, seit ihn diese andere Miko… das seltsame Mädchen mit den seltsamen Kleidern und Manieren – Kagome – von seinem Baum befreit hatte. Zu welchen Sinn und Zweck hatte sie das überhaupt getan? Sie brachte nur Unruhe und Unannehmlichkeiten.

Wenn er da nur an das Juwel der vier Seelen und diesen unnützen Naraku dachte, den er nun zum persönlichen Feind hatte. Es war hart genug, Inuyasha schon wegen ihres gemeinsamen Feindes in letzter Zeit öfter zu sehen.
 

Als Sesshoumaru an Naraku dachte, musste er unweigerlich auch an dessen Abkömmlinge denken. Kagura, die Herrscherin des Windes, war am vorigen Tag vernichtet worden – von Naraku selbst, da der von ihrem Verrat erfahren hatte.

„Sie hat mich ein wenig an dich erinnert, Ayashi.“ gab Sesshoumaru zu und legte den Kopf schief. „Ein ganz klein wenig. Vielleicht lag das an ihrem starken Wunsch nach Freiheit. Oder an dem Wind, den sie beherrschte.“ meinte er.

Ayashi war nach ihrem Tod zu Wind geworden, der seinen Armen entglitten war. Unwiederbringlich. Lautlos. Einige Male hatte er nach Ayashis Tod geglaubt, Ayashis Stimme im Windhauch zu hören. Des Öfteren hatte er sich vorgestellt, dass Ayashis Finger der Wind seien, und dass sie ihm durch ihre Zärtlichkeiten Trost spenden wollte.

Dann war eines Tages Kagura aufgetaucht. Zuerst hatte er sie als widerlichen Abkömmling eines dreckigen Halbdämons gesehen. Immerhin hatte sie den Wind für ihn beschmutzt, der bisher für ihn Ayashi gewesen war. Doch dann… Konnte er sagen, dass er sie näher kennen gelernt hatte? Nein, vermutlich war das zu viel.

Trotzdem konnte er sagen, dass er zum Schluss keinen Hass und keine so große Verachtung mehr für Kagura übrig gehabt hatte. Sie hatte ihm leid getan – etwas, das er schon lange nicht mehr empfunden hatte, und eine Regung, die er geglaubt hatte, nie mehr empfinden zu können. Eine Art von Mitgefühl.

Er erinnerte sich genau an den Duft von Blut und Blüten zurück, der von Kagura kurz vor ihrem Tod ausgegangen war, und der ihn zu ihr geführt hatte, obwohl er zu jedem Zeitpunkt gewusst hatte, dass es nicht Ayashi war. Es war ähnlich gewesen. Das hatte ihm genügt, um zu ihr zu gehen.

Sesshoumaru hatte noch nicht verstanden, warum er sie mit Tenseiga nicht hatte retten können, doch das war nun nicht mehr zu ändern. Kagura hatte gelächelt, als sie gestorben war. Und er freute sich beinahe für sie oder mit ihr, dass sie ihre Freiheit, die sie so sehr geliebt und ersehnt hatte, vor ihrem Tod noch erlebt hatte.
 

Das Licht des Tages wich allmählich der Dunkelheit der Nacht und Sesshoumaru wusste, dass es Zeit wurde, den gemeinsamen Lagerplatz aufzusuchen, den er für die Nacht für Yaken und Rin gewählt hatte. Er wollte die beiden nicht unnötig lange allein lassen, zumal Naraku immer wieder angreifen konnte.

Sesshoumaru war sich der Gefahr bewusst, der Rin ausgesetzt war, solange sie bei ihm blieb, doch er wusste auch, dass es keinen Ort gab, an dem sie vor Naraku wirklich sicher war. An seiner Seite und unter seinem Schutz war sie immer noch am sichersten, denn Naraku wusste genau, dass er über das Menschenmädchen an den mächtigen Youkai herankam. Er hatte es mehr als einmal versucht.

„Ich glaube, du hättest sie gern.“ murmelte Sesshoumaru und ließ seinen Blick noch einmal über die Schriftzeichen gleiten. „Ich muss gehen.“ flüsterte er und strich noch einmal mit seinen Fingern über die Stelen.

Es fiel ihm schwer, diesen Ort zu verlassen, doch er wusste, dass es sein musste. Rin. Er musste sie weiterhin schützen. Nachdem er ihr einmal wieder das Leben gerettet und sie so oft schon beschützt hatte, würde er nicht zulassen, dass sie jemand verletzte.

Und dafür und für den Kampf gegen Naraku, der sich seinem Gefühl nach dem Ende näherte, brauchte Sesshoumaru immer noch Ersatz für sein kürzlich zerbrochenes Schwert Tokijin.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück