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Wie früher... [beendet am 6.11. ^^]

von

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Als ich in dieser Nacht in meinem viel zu großen Pyjama-Ersatz-T-Shirt in dem Doppelbett im dunklen Schlafzimmer liege, macht mich der Gedanke, dass du nur wenige Meter von mir entfernt lediglich durch die dünne Wand getrennt liegst, fast verrückt. Es ist schon spät, meine Augen fallen immer wieder zu, aber der Schlaf will nicht kommen. Kannst du auch nicht schlafen? Am liebsten würde ich aufstehen und nachsehen, aber was, wenn du wirklich noch wach bist und mich bemerkst? Wie soll ich es erklären? Würdest du nicht wieder denken, dass ich doch mehr für dich empfinde, als ich offen zuzugeben vermag?
 

Also liege ich weiter in der Dunkelheit. Meine Gedanken schwirren wieder herum, ohne dass ich einen von ihnen wirklich ergreifen und bis zum Ende denken kann. Aber was macht es schon für einen Unterschied? Für jeden beendeten Gedanken würde ein neuer hinzukommen.
 

Der Wind hat wieder zugenommen, der Regen prasselt lautstark gegen mein Fenster. Wenn ich jetzt einschlafe, wird er morgen noch da sein? Oder hört er auf? Macht es überhaupt einen Unterschied ob ich schlafe oder wache oder sterbe? Hinsichtlich des großen Ganzen ist die Antwort, glaube ich, nein. Wenn ich mir dich ansehe, macht es den sicherlich; zumindest wenn es ums Leben oder Sterben geht.
 

Meine rechte Hand wandert beinahe unbemerkt zu meinem linken Arm. Ich streiche einige Male über die kalte Haut, Gänsehaut breitet sich auf meinem ganzen Körper aus, unter den Fingerspitzen spüre ich viele kleine Erhebungen. Zeichen der vergangenen Jahre, all der Schmerzen und Probleme denen ich versucht habe zu entkommen, aber es nicht geschafft habe. Vielmehr habe ich mir damit nur noch mehr Probleme eingehandelt. Aber ich habe verlernt anders mit den ganz normalen Schwierigkeiten des Alltags klar zu kommen.
 

Seufzend drehe ich mich auf die Seite, ziehe die Decke enger um mich. Es ist kalt, das ist es immer, eigentlich sollte ich mich längst daran gewöhnt haben. Das wenige Licht, das durch die Vorhänge hereinfällt, erhellt mein Nachttischchen. Nicht nur die kleine Lampe, die darauf steht, oder den Roman, den ich schon seit Wochen nicht mehr zur Hand genommen habe und wahrscheinlich auch so schnell nicht beenden werde, sondern auch das kleine Notizbuch, in das ich schon mindestens genauso lange nichts mehr geschrieben habe. Es ist nicht zum Schreiben da. Es existiert, um mein Geheimnis zu wahren, den Gegenstand zu verstecken, der mir Nacht für Nacht beweist, dass ich noch am Leben bin; dass ich noch etwas fühlen kann.
 

Wie ist es zu fühlen? Ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte Mal etwas außer Schmerz gefühlt habe, und selbst den habe ich mir selbst beigebracht. Du hast nicht nur kein Problem damit zu fühlen, sondern kannst diese Gefühle auch noch ausdrücken, offen mit ihnen umgehen. Genauso Kaoru, Toshiya und selbst Shinya von Zeit zu Zeit. Ich bin mir sicher, selbst er fühlt tief in sich sehr viel, auch wenn er es nicht nach außen hin zeigt oder zeigen kann. Aber ich erinnere mich kaum an eine Zeit, da ich wirklich gefühlt habe.
 

Mein Leben begann mit der Musik. Bevor ich in der ersten Band gesungen habe, erinnere ich mich nicht an viel. Nein, das ist falsch. Ich erinnere mich an alles, jedes kleinste Detail, aber es ist ein anderes Leben. Es hat nichts mit meinem heutigen Ich zu tun. Damals war ich ein anderer Mensch. Heute bin ich vielleicht nicht einmal mehr einer, denn Mensch zu sein, heißt zu fühlen. Oder nicht? Meine Erinnerungen an damals sind zwar klar, solange ich mich darauf konzentriere, aber sie kommen mir vor wie die Ereignisse eines Filmes, den ich mir irgendwann einmal im Kino angesehen habe. Es war kein besonders schlechter Film und auch kein besonders guter. Man könnte ihn als Durchschnitt bezeichnen. Ein Film, den man sich zwar einmal ansehen kann, aber danach fragt man sich, was nun so toll daran war, dass man einen Haufen Geld für die Eintrittskarte und das Popcorn ausgegeben hat und danach vielleicht noch eine halbe Stunde lang durch die dunkle Stadt nach Hause laufen muss, womöglich noch bei Regen oder Schnee und eisigster Kälte.
 

Aber ich bemühe mich auch garnicht groß über diesen Film nachzudenken. Wie gesagt, er war nicht sehr spannend. Da wäre nichts, was ihn von anderen durchschnittlichen Filmen unterscheidet, die man sich ab und zu Freitagabend im Fernsehen ansieht, wenn mal wieder keine Muße und Lust hat etwas zu unternehmen. Er hat nicht einmal einen wirklichen Höhepunkt. Keinen einzigen. Je länger ich nämlich darüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass dieser Film die reinste Zeitverschwendung ist. Keiner würde ihn sich je freiwillig ansehen, wenn er vorher wüsste, was passiert. Denn es passiert eigentlich nichts. Es gibt keine Einleitung, keinen Aufbau von Spannung, keinen Höhepunkt und keine Lösung der Situation. Die Situation ist einfach ab einem bestimmten Punkt vorbei, ohne dass etwas besonderes passiert. Und “tadaa”, hier ist der neue Kyo.
 

Erst jetzt bemerke ich, dass ich wenigstens einen Gedanken einmal bis zu einem halbwegs akzeptablen Ende gebracht habe. Immerhin etwas. Wenn ich die Nacht schon nicht fürs Schlafen nutze, dann wenigstens dafür. Es sind noch Stunden bis Sonnenaufgang, bestimmt schläfst du tief und fest, träumst von völlig absurden Dingen. So wie jeder normale Mensch eben. Wie jeder außer mir.
 

Eigentlich habe ich Durst, aber mir ist so kalt, dass ich lieber unter der warmen Decke bleibe, als mit nackten Füßen über den Flur bis in die Küche zu stiefeln. Noch dazu würde ich bei dir vorbei kommen und wieder mit neuen, unvorhersehbaren Gedankengängen beginnen. Besser ich versuche zu schlafen, so aussichtslos dieses Vorhaben auch sein mag.
 


 

Am nächsten Morgen bist du es, der mich aufweckt. Eingeschlafen bin ich erst im frühen Morgengrauen, sodass es mir vorkommt, als hätte ich gerade erst die Augen geschlossen. So ist es ja auch. Der verlockende Geruch von Kaffee steigt mir in die Nase, als du den Kopf durch die Tür steckst und mich mit deinem typischen Grinsen anguckst. Der Raum ist für meinen Geschmack viel zu hell, sodass ich mich sofort wieder unter der Decke verkrieche. Wieso hab ich mir auch dieses Zimmer als Schlafzimmer ausgesucht? Jeden Morgen das gleiche Spiel, wenn die Sonne durch die dünnen Vorhänge scheint. Aber eigentlich ist es auch egal, da ich meistens spät einschlafe und früh wieder aufstehe.
 

Einige Minuten vergehen und ich gebe mich schon fast der Hoffnung hin, dass du aufgegeben hast und alleine zu diesem Interview gehst. Allein der Gedanke nachher all diesen Leuten zu begegnen, diesen Fremden, und ihnen zumindest mein Desinteresse vorspielen zu müssen, macht mich krank. Selbst meine Freunde würde ich heute am liebsten nicht sehen. Sie machen sich nur wieder Sorgen, wenn ich nicht einmal dazu fähig bin ihnen “heile Welt” vorzugaukeln.
 

Natürlich hast du es nicht aufgegeben. Plötzlich spüre ich deinen warmen Atem an meiner Wange, versuche mich reflexartig davor zu schützen, aber du lachst nur. Hinter mir sinkt die Matratze ein wenig nach unten und Augenblicke später fängst du an meinen Nacken zu kraulen. Du weißt ganz genau, dass ich dem einfach nicht widerstehen und dir deshalb nicht böse sein kann. Warum kennst du mich nur so gut?
 

Murrend ziehe ich mich noch weiter unter die Decke zurück. Die Luft wird langsam stickig dadrunter, aber ich hoffe einfach mal, dass du dich verziehst, bevor ich ersticke. Als du nach einigen Minuten, in denen mir schon langsam schwindelig wird, noch immer keine Anstalten machst zu verschwinden, versuche ich möglichst rücksichtslos deine Hand zu verscheuchen. Du kannst wirklich lästig sein, wenn du es drauf anlegst.

Seufzend stehst du endlich auf. “Wenn du nicht sofort aufstehst, Kyo, bist du gleich um eine Decke leichter!”, drohst du mit toternster Stimme. Meine Vernunft sollte mir eigentlich sagen, dass du jetzt keinen Spaß mehr verstehst, aber ich bin noch zu verschlafen, um deine Worte rechtzeitig zu verarbeiten. Eine Sekunde später hast du deine Drohung schon wahr gemacht. Mir bleibt wohl wieder einmal nichts anderes übrig als deinem Willen zu folgen...
 

Was soll's. Ich habe keine Lust mir von Kaoru wieder eine Standpauke über Pünktlichkeit und Verantwortung anhören zu müssen.
 

Während dem Frühstück und auf der Fahrt zum Studio sprechen wir kaum miteinander. Aber zur Abwechslung ist es kein unangenehmes Schweigen. Man könnte fast schon sagen, es ist beruhigend mit dir gemeinsam zu schweigen. Du gibts mir nicht das Gefühl, dass du etwas von mir erwartest, das ich dir nicht geben kann, im Gegenteil, denn du scheinst das Schweigen genauso zu genießen wie ich. Vielleicht ist es einfach nur die Ruhe vor dem Sturm wenn vor dem Fernsehstudio gleich wieder die Fans stehen und Autogramme wollen und Photographen und Reporter, die ihre ewig gleichen, dümmlichen Fragen stellen auf die sie ohnehin keine Antworten bekommen werden. Zumindest nicht von mir.
 

Beim Aufstehen war ich froh genug, dass du zu sehr mit dem Frühstück beschäftigt warst um einen genaueren Blick auf mich zu werfen. Somit sind dir die Schnitte auf meinen Armen nicht aufgefallen und ich musste mir bis jetzt keine faulen Ausreden einfallen lassen. Ihr denkt immernoch, dass ich es nur auf der Bühne tue, nicht wahr? Etwas anderes würdet ihr mir nicht zutrauen oder ihr wollt es euch garnicht ausdenken. Ich kann es verstehen.
 

Als wir an unserem Bestimmungsort ankommen, werfen die anderen uns nur kurz seltsame Blicke zu, wenden sich dann aber schnell wieder ihren Beschäftigungen zu. Kaoru redet wie immer mit jemandem von der Produktion, damit auch ja alles glatt läuft. Toshiya und Shinya sind genügend miteinander beschäftigt, dass es ein Wunder ist, dass sie uns überhaupt bemerkt haben. Muss Liebe schön sein...
 

Während ich auf den Beginn der Show warte, erinnere ich mich auf einmal an eine Geschichte aus meiner Kindheit. Nachmittags saß ich oft allein auf meinem Bett und habe mir Bücher angesehen. Ich habe es irgendwo ohne nachzudenken in der Mitte aufgeschlagen, mir angesehen was dort stand oder wie die Seite aussah und das Buch dann wieder zugeschlagen. In meiner kindlichen Naivität war ich steif und fest davon überzeugt, dass, wenn ich die Seite nocheinmal aufschlug, etwas anderes dort zu sehen wäre. Also habe ich das Buch geöffnet und war völlig hin und weg von der Tatsache, dass natürlich die Abbildung sich verändert hatte, da ich nie die selbe Seite wiederfand. Es fing mit Büchern an und breitete sich auf alle anderen Bereiche meines Lebens aus. Sobald ich wegsah, erwartete ich, dass sich der Gegenstand, den ich Augenblicke zuvor betrachtete, verändert hätte wenn ich wieder hinsah.
 

In mancher Hinsicht glaube ich das immernoch. Jedes Mal wenn ich schlafe – und das tue ich vorzugsweise während der Arbeit, da ich Nachts meistens sowieso kein Auge zubekomme – präge ich mir das Bild, das sich mir bietet genau ein. Wenn ich aufwache bin ich erleichtert, dass sich meine Umgebung meistens verändert. Das erspart es mir mich mit unangenehmen Situationen weiter auseinander setzen zu müssen. Ein weiterer Nachteil wenn man nachts schläft ist es, dass sich am Morgen nichts geändert hat, einmal abgesehen vom Stand der Sonne. Das Zimmer liegt meistens genauso da wie am Abend zuvor, der Abwasch und die Wäsche sind immernoch nicht gemacht und die Probleme haben sich auch nicht von alleine gelöst.
 

Auch jetzt lege ich mich auf das nächstbeste Sofa in der Garderobe und schließe schnell die Augen. Wenn ich aufwache, ist das Interview vielleicht schon vorbei, oder das Studio ist abgebrannt oder weiß ich was. Hauptsache ich muss diesen Rummel um mich herum nicht mehr aushalten, den Lärm und die Hektik, während alles was ich möchte doch eigentlich gerade nur ein bisschen Ruhe ist, um nachzudenken. Nachdem das letzte Nacht seit langem endlich wieder geklappt hat, möchte ich diesen Zustand der Vernunft ausnutzen, um vielleicht eine Lösung zu unserer Situation zu finden.
 

Doch es ist kalt und weit und breit keine Decke zu finden, die ganze Zeit stößt jemand gegen mich oder das Sofa und der Geräuschpegel ist einfach nicht auszuhalten. Mir brummt bereits nach wenigen Minuten der Schädel, nicht mal die Aussicht auf eine Zigarette kann mich in irgendeiner Weise aufheitern, zumal ich dafür wieder aufstehen müsste. Während ich mir über diese Möglichkeiten allerdings Gedanken mache, nicke ich doch endlich ein und die Geräusche außenrum werden zu einem leisen Rauschen, das mich langsam in den Schlaf wiegt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  KyOs_DiE
2008-06-28T11:33:35+00:00 28.06.2008 13:33
>Auch jetzt lege ich mich auf das nächstbeste Sofa in der Garderobe und schließe schnell die Augen. Wenn ich aufwache, ist das Interview vielleicht schon vorbei, oder das Studio ist abgebrannt oder weiß ich was.

Den satz fand ich irgendwie lustig xD
Ich mag Kyo in der FF sehr gerne, mag irgendwie was er denkt oo xD
Von: abgemeldet
2008-05-07T19:04:39+00:00 07.05.2008 21:04
sou, das nächste kapi ist verschlungen und ich muss erstmal schluss machen (prüfung lernen -.-, aber lese sobald es geht wieter)
das kapi ähnelt natürlich sehr den anderen, ich bin gespannt bis die letzten unklareiten aufgedeckt werden und wie sich kyo weiterentwickelt und wie es natürlich wieter geht mit den beiden


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