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Bahnübergang

Angst?
von

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Zustand der Dämmerung

Seelenruhig ging Kai zu seiner Wohnungstür. Schloss auf. Legte die Einkäufe in der Küche ab. Begab sich auf seinen Balkon. Betrachtete den überfüllten Aschenbecher.

Er rauchte schon seit einiger Zeit.

Noch ein Laster.

Als Sportler wäre es für ihn ein Unding gewesen, sich irgendwelchen Süchten hinzugeben. Freiheit, die er zu geniessen wusste.

Der Rauch verflüchtigte sich in der Mittagssonne. Doch Kai war in Gedanken.
 

Sanft wurde ihm seine Jacke von den Schultern gehoben. Wie ein Windhauch glitten die Finger über seinen Rücken. Die Hände glitten über seinen Bauch nach vorne. Lippen berührten ihn sachte in seinem Nacken. Die Hände seines Hintermannes glitten tiefer, strichen ihm über seinen muskulösen Bauch, fuhren seinen empfindlichen Seiten entlang, was ihn dazu verleitete, seinen Kopf in den Nacken zu legen und seine Augen zu schliessen…
 

Der Lärm der Strasse drang wieder in sein Bewusstsein. Als wollte sie sich verbeugen, knickte die Zigarette im Aschenbecher ein und rauchte noch einige Zeit weiter, während der junge Mann seinen Kopf in den Nacken legte und die Augen geschlossen hielt.
 

Diese Bilder schienen sich bei ihm eingeprägt zu haben. Er war froh über seine Art, Gedanken schnell in Bilder umwandeln zu können, denn nur so gelang es ihm, seine zahlreichen Vorstellungen zu ordnen.
 


 

Als Kai seinen Kopf umdrehte, blickte er durch die noch immer offene Tür hinaus.
 

Das Treppenhaus war verlassen.
 


 


 


 


 

Sanft umschmeichelte die Materie sein leicht angewinkeltes Knie, gleichzeitig löste sie sich langsam, jedoch beständig im Wasser auf. Seufzend setzte sich der junge Mann auf, den Schaum gedankenverloren betrachtend.

Seine Augen verengten sich, wütend zerdrückte er den eben diesen und stieg aus der Badewanne. Seit der Begegnung fühlte er sich rastlos, als wüsste er, dass etwas passieren würde, ohne sagen zu können, inwiefern dies sein neues und doch relativ beschauliches Leben, diese komplizierte Konstruktion zwischen Harmonie, Verdrängung, Ruhe und Gleichgültigkeit beeinflussen würde.

Schnell zog er sich an und ging zu seiner eigenen, gut ausgestatteten Bar. Ein Glas, ein wenig Eis und ein wenig mehr Martini würden seine Nerven zu beruhigen Wissen und ihm vielleicht auch die Möglichkeit geben, darüber nachzudenken, weshalb er sich so fühlte: War es wegen seiner Vergangenheit, dem Zeitpunkt oder schlicht der Ort des Zusammentreffens, der ihn so verwirrte? Weshalb war er so…so nervös?
 

Zeit seines Lebens suchte er Ruhe, Harmonie, angetrieben teilweise von dem Gefühl, das sich aufgeben nicht lohnen würde, anderseits befallen von einer unglaublichen Müdigkeit, die ihn immer wieder zu übermannen schien.

Die Scherben spiegelten die untergehende Sonne, während sich der weissliche Inhalt langsam über den Bodenverteilte. Kai stand da, wütend, auf sich, die Welt, seine vermeintliche Schwäche und ihn. Abrupt drehte er sich auf dem Absatz um, holte seine Jacke, schmiss die Türe hinter sich zu und ging schnell und hektisch durch das Treppenhaus, derweilen versuchte er zu vergessen, wer ihn so in innere Aufruhr versetzte.
 


 

Gegenteilig seinem natürlichen Verhalten, welches daraus bestand, dass Kai in einer Ecke sass und die Menschen beobachtete, lagen seine Haare nun auf dem Bar Tresen einer nicht unbedingt edlen Absteige. Doch zahlreiche leere Gläser mochten einem das Gefühl geben, das sich der Protagonist ab diesem jämmerlichen Schauspiel seiner selbst nicht zu stören schien. Seine Augen fixierten einen Punkt in weiter Ferne, spiegelten Kälte wieder, doch als würde Alkohol den Vorhang seiner Gefühlskälte lichten, sprangen seinem Beobachter die Funken von Einsamkeit, verletzten Stolz, endlosen Müdigkeit und kühler, sturer Stärke entgegen, was jenen wiederum zu einem Lächeln verleitete.
 

Schummriges Licht drang in sein Bewusstsein, er überwand sich schlussendlich und öffnete seine Augen. Seine Lider zuckten, jedoch liess er sich nicht eine Gefühlsregung anmerken, die seine Überraschung hätte verraten können. Registrierend, dass er bei sich zu Hause war, griff er nach dem Glas, in welchem wohl ein Medikament aufgelöst worden war. Versichert, dass keine andere Person anwesend war, fuhr er durch seine Haare und bekleidete seinen Oberkörper, während er versuchte, die Gewissheit zu bekommen, das nicht jene Person hier gewesen war, die er befürchtete.
 

Nachdem er die Fenster geöffnet hatte, setzte sich Kai an den bereits gedeckten Frühstückstisch, spöttisch lächelnd registrierte er die Nachricht, doch sollte sich sein Gesichtausdruck nun gleich ändern.
 

Als die Nachricht zu Boden schwebte, hatte Kai bereits die Tür abermals hinter sich zugeworfen.
 

«Du schuldest mir Geld.»
 


 


 


 

Müde vom gestrigen Abend erhob sich der junge Mann, fuhr sich durch die zersausten Haare und grinste sich selbst im Spiegel an, während er sich einmal um sich selbst drehte, den Bauch leicht eingezogen. Sein Grinsen erlosch, als der den kleinen Ansatz eines Bäuchleins zu erkennen meinte, mit mürrischen Gesichtsausdruck entschied er, das die Anmeldung in einem der zahlreichen Fitnessstudios in der Gegend nicht die schlechteste Wahl seines Lebens sein würde. Er grinste. Wie eitel er doch geworden war, allerdings hätte ein regelmässiges Training wohl auch den Vorteil, dass er sich Probleme wie gestern Abend wohl besser entledigen konnte, ohne dass sein Körper ihm am nächsten Tag antwortete.
 

Wasser prasselte über seine helle Haut und nässte sein Haare, genussvoll seufzend legte er seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
 


 

Unzählige Male hatte er an Kai gedacht, an Dinge, die sie erlebt hatten, an Versprechen, die sie sich stillschweigend gegeben hatten, seine Unfähigkeit, in seinem Leben einen kontinuierlichen Platz einzunehmen. Obwohl er da war, fühlte er sich selbst öfters im Stich gelassen, alleine, nun war er hier und es schien als hätte ihnen jemand einen Streich gespielt, denn er glaubte zu wissen, dass es nur wieder eine Frage der Zeit war, bis Kai sich wieder klammheimlich aus seinem Leben stahl, mit Absicht oder durch einen weiteren grausamen Zufall, nur um ihn spüren zu lassen, dass wieder etwas fehlen würde. Dass ihm etwas fehlen würde.

Wahrscheinlich war es dumm gewesen, eine Nachricht zu hinterlassen. Beide schienen nicht begeistert von der Anwesenheit des anderen zu sein, doch schien es, als könnten sie sich nie wirklich aus dem Weg gehen, da sich diese auf grausame Weise immer wieder kreuzten und somit verhinderten, das die jungen Männer verdrängten, was sie so dringend zu vergessen versuchten.
 

Bekleidet starrte der junge Mann aus dem Fenster, müde über die neusten Wirrungen seines Lebens, stellte er sich selbst keine Frage nach den Gründen, sondern nahm es einfach mit scheinbarer Gelassenheit hin. Mit derselben Ruhe verliess er die Wohnung im vierten Stock.
 


 

Spazieren würde ihm gut tun, würde ihn beruhigen, würde ihm dabei helfen, den Plan über sein weiteres Vorgehen zu perfektionieren, dessen war sich Kai sicher, als er durch den nahe gelegenen Park lief. Nach aussen Gleichgültigkeit heuchelnd, befand er sich innerlich in Aufruhr, wie immer wenn er damit konfrontiert wurde, dass alles, was er sich sorgsam aufgebaut hatte, mit einer kleinen Begegnung mit ihm ins wanken geraten konnte.

Der von der Aprilsonne beschienene Schnee glitzerte auf den Wiesen, während Kai auf den nassen, schneebefreiten Gehwegen seinen Gedanken nachhing. Im fiel der junge Mann erst auf, als er beinahe vor ihm stand. Auch er hatte den Kopf gehoben.
 


 

Ihre Augen schienen sich gegenseitig anzuziehen, gleichzeitig waren beide Körper gespannt, doch waren sie keine Kinder mehr, weglaufen wäre wohl mehr als unpassend gewesen, beide schienen es sinnlos zu finden, weiter einander aus dem Weg zu gehen, wurde ihnen doch mit dieser Begegnung nur abermals bewiesen, das es unmöglich für beide war, mit ihrer Vergangenheit abzuschlissen.
 


 

Obwohl sich alles geändert hatte und sie beide nicht mehr ihr früheres Leben führten, war ihre Art der Kommunikation dieselbe geblieben. Schweigend beschlossen sie, nur dieses eine mal anders zu handeln als gewöhnlich, denn vielleicht würde eine Aussprache beide Leben komplizierter machen, doch wie sollten sie dies beurteilen können, wenn sie es nicht versuchten?

„Wir machen einen Fehler.“, meinte Kai und schien nicht wirklich eine Antwort zu erwarten, welche ihm der andere, der nun gemächlich neben ihm herlief und stur nach vorne Blickte, auch schuldig blieb.
 


 


 


 

Es war eines dieser Cafés, in welche man seine heimliche Liebschaft einlud, sein erstes Date hatte, sicherlich Stammgast sein konnte, ohne das der Besitzer dies mit einer zu auffälligen Begrüssung verriet. Auf die Anweisung seines Begleiters setzte sich Kai in eine spärlich beleuchtete Nische und bemerkte, dass er, bei dem Gedanken mit wem er hier war, doch relativ nervös wurde. Jener setzte sich ihm gegenüber hin und blickte ihm lange in die Augen, bevor er zum sprechen ansetzte.

„Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal wieder zu sehen. Eigentlich spielt es keine Rolle, nicht wahr? Es ist uns beiden egal - und wir wissen beide, dass es nicht so ist, weil wir doch im Endeffekt nichts voneinander verbergen können, möglich, dass wir uns gerade deshalb wieder begegnet sind, weil uns gegenseitig in Gedanken gewünscht haben, den anderen wieder zu sehen, doch ist unser grösster Wunsch auch unsere Furcht, welcher wir ständig ausweichen wollen, denn mit unserem zusammentreffen werden wir doch auch mit uns selbst konfrontiert und unser Leben, oder ehe dieses Gebilde, was wir unser Leben nenne, wird wieder durcheinander geworfen, etwas, was du wie ich verhindern wollen, gleichzeitig scheint nun endgültig die Zeit gekommen zu sein, da wir nicht mehr verdrängen können, wer wir sind, wer wir waren, zwei schwarze Tees bitte, einmal mit und einmal ohne Zucker.“, fügte der junge Mann, auf dessen Lächeln sich ein spöttisches Grinsen gelegt hatte, für den Kellner, der eben gekommen war, hinzu, bevor er sich wieder seinem Tischnachbar zuwandte,“ oder wäre es dir lieber gewesen, ich hätte dich zuerst nach deinem Befinden gefragt? Nun, Kai, wie geht es dir?“

Angesprochener hatte seine verschränkten Arme gelöst und sich nach vorne gelehnt, stütze sein Gesicht nun mit beiden Händen und erwiderte standhaft den Blick seines Gegenübers. “Gut, dir?“, fragte er diesen, amüsierte sich über seine leichte Überraschung, bevor er fortfuhr, “ da du kaum Morgen sterben wirst, bleibst du mir wohl noch ein wenig erhalten und damit werde ich wohl umgehen müssen, da ich aus Erfahrung weiss, das du biestiger sein kannst als ein Insekt, demnach wirst du wohl nie aus meinem Leben verschwinden, bilde dir nicht ein, ich hätte mich nach dir gesehnt, jedoch scheinst du mich irgendwie zu brauchen.“, stellte Kai klar, bevor auch er spöttisch lächelte. Beide wussten, das der jeweils andere sie längst durchschaut hatte und gemeinsam beschlossen sie im stillen, ihrem Schicksal en ein Schippchen zu schlagen, da sie keine Lust hatten, sich gegenseitig immer wieder zufällig zu sehen.
 

Stille legte sich über beide, doch redeten sie miteinander, unsichtbar für Fremde, und dennoch sichtbar, in einem Lächeln. Der junge Mann warf seine Haare leicht über die Schulter, ein faszinierendes Schauspiel, für sein Gegenüber, dessen Lächeln Hohn wie auch Bewunderung ausdrückte, wie auch für jeden Gast, der seinen Blick nicht von den beiden lassen konnte, die eine geheimnissvolle Aura voller Abgründe umgab, dennoch lächelten beide, sahen gleichzeitig unglaublich anziehend und abweisend aus.
 

Im dritten Stock des Wohnhauses ging das Licht an, als Kai mit seiner Begleitung seine Wohnung betrat. Den Mantel um den Hacken hängend, registrierte er mit einem Lächeln, dass der andere einfach eingetreten war, ohne auf die entsprechende Bitte zu warten, eine Angewohnheit, die neu und doch passend war.
 


 

Wieder sassen sie sich gegenüber, doch dieses Mal begann keiner zu sprechen, beide hingen ihren Gedanken nach, gemeinsam und doch alleine sassen sie auf dem grossen Sofa, müde und wach gleichzeitig, schien die Welt stillzustehen, selbst dann als Kai sich auf den Balkon bewegte und ihm die Zigarette von seinem Begleiter angezündet wurde. Beide blickten schweigsam über die Stadt, erfreut und bedrängt durch die Anwesenheit des jeweils Anderen.

Die Zeit, die verstrich, schien keine Bedeutung zu haben. Seinen Blick hatte Kai auf die nachtaktive Stadt geworfen, unzählige Lichter, die sich bewegten, stillstanden. Millionen Geschichten. Seine war bloss eine davon. Unbedeutend. Ein beruhigender Gedanke.

„Ich bleibe.“ Ein Moment für die Ewigkeit.

Und als hätten diese Worte alles erklärt, hörte er, wie derjenige, der hinter ihm stand mit seiner ansonsten leicht spöttischen Stimme ehrlich antwortete: „Schön.“
 


 


 

Es war jener Moment, den Kai herbeigesehnt hatte. Er wusste nicht wie lang er bereits darauf wartete, doch schienen sie in ihm eine unglaubliche Kreativität zu wecken, nun würde er noch besser mit den Überarbeitungen vorankommen.
 

Wahrscheinlich würde er noch ein Exemplar mehr schreiben.
 

Wer wusste schon, was Morgen geschehen konnte? Hastig die Zigarette zu Ende rauchend, vergas Kai gewollt seinen Besuch, öffnete seinen Laptop und begann, weiter zu schreiben, erfasst von einer Welle unglaublicher Intensität, wie er sie bis jetzt nur einmal erlebt hatte, zu jener Zeit, in diesem Café, als er in einem Park sass und seine erstes Buch schrieb, er wusste nun, was ihn damals dazu gebracht hatte, er wusste nun die Gründe, er hatte es wohl schon lange erkannt und schien nun erst tatsächlich zu begreifen, weshalb alles so gekommen war.
 

Als die Sonne ihre Strahlen am folgen Morgen ausschickte, gab sich Kai geschlagen und bewegte seine Beine das erste Mal seit Stunden.

Müde begab er sich in sein Schlafzimmer, entledigte sich seiner Kleider und legte sich ins Bett, in jenem Zustand der Dämmerung war es gleichgültig, ob der Andere noch hier war oder die wahrscheinlich bessere Variante gewählt hatte und bereits wieder verschwunden war.
 


 


 

Der Mond strahlte hell über den Dächern Moskaus, beschien den Schnee, der noch nicht unter der zunehmend milder werdenden Aprilsonne verschwand, die einsamen, in Decken und Kleider gehüllten Gestalten, die aufgrund ihrer Vergangenheit, oft eine Ansammlung aus bösartigen Zufällen und tragischen Begebenheiten zugleich, bei denen selbst all jene, die sich mit menschlichen Abgründen beschäftigten, denn Atem anhalten würden, wenn sie davon erführen; jener Mond warf sein Licht in die Wohnung des jungen Mannes, welcher drei Nächte zuvor Kai nach Hause gebracht hatte und nun über sein seltsames Leben nachdachte, wie er es oft zu tun pflegte seit jenem Augenblick an der Treppe, als dieser wieder vor ihm stand, in seiner ganzen Einzigartigkeit.

Gedanken, die sich nicht nach einem bestimmten Muster bestimmen liessen, Erinnerungen, Erkenntnisse und Vorahnungen mischten sich mit allgemeingültigen Weisheiten, Gleichgültigkeit, Neugierde, aufrechtem Bedauern und dem rationalen Wissen, dass jeder Schritt weiter in die Richtung Kai keine schlechte Entscheidung, jedoch weder einfach noch erstrebenswert wäre.

Lächelnd lag der junge Mann da, lächelte, weil er sich damit abgefunden hatte, mit seinem Leben, jene Konstruktion, die auf Verdrängung basierte je nach seiner Wahl jedoch auch neu aufbauen könnte, doch wusste er im Inneren, würde er zulassen, das der andere einen Platz in seinem Leben einnahm, gleichzeitig gäbe er ihm einen Platz in seinem Herzen, welcher leer und kalt zuerst, später wie ein Schatten über dem Rest seines Organs bleiben würde, wenn Kai fort ginge.

Es störte ihn nicht.
 

Sein Lächeln wurde breiter, während seine Körperhaltung tiefe Melancholie vermittelte, einer jener Zustände, die sein Leben konsequent bereicherten.

Individuen wie er, die das Leben auch in Zeiten qualvoller Schmerzen liebten, weil jene ihnen das Gefühl gaben, zumindest am Leben zu sein, gab es selten, dennoch hatte er sie öfters angetroffen als er zählen konnte. Lag wohl an seiner Ausstrahlung. Persönlichkeit. Seinen Erfahrungen. Vorlieben?

Grinsend schlug er die Beine über den Bettrand. Beschloss, sich ein Stockwerk nach unten zu bewegen und Kai mit seiner Anwesenheit zu beglücken, möglich, das dieser sich überreden liesse, mit ihm etwas zu unternehmen, selbst im dem sehr wahrscheinlichen Fall, dass zwischen ihnen eine lethargische Stimmung herrschte, besetzt von Vorwürfen, Geheimnisse, welche der jeweils andere doch kannte, Erinnerungen, Unsicherheit und sinnloser Loyalität, war die Option im Vergleich dazu, denn Rest der Nacht alleine zu sein, die bessere in den Augen der Person, die eben ihre Wohnung verlies.
 


 


 

Auf dem Balkon stehend, ignorierte Kai das Klopfen an seiner Wohnungstür ebenso gekonnt wie damals seine alten Teamkameraden, zeigte auch dann keine Reaktion, als die Tür aufgestossen wurde, nickte jedoch leicht mir dem Kopf auf die Frage nach etwas Animation, denn er glaubte zu wissen, das es einfachere Dinge gab, als die Person, welche sich nun an seiner Bar versorgte, zu ertragen, wen ihr langweilig war.
 


 

Alkoholprobleme? Kai fragte sich, ob er welche hatte. Die vierte Bar. Das achte Getränk. Kein Abendessen. Sein Gegenüber grinste bloss, während der eigene Kopf immer schwerer wurde, er abermals in Gedanken versank, die drohten, in völlig zu erdrücken, grenzte er sie auch selten ein, so verlangte er nun nach einem freien Kopf, ohne jene zermürbende Wiederholung jener wiederkehrender Fragen nach seinen eigenen Beweggründen, die er sich stellte, jedoch nicht mit Leidenschaft überdachte, nicht, weil er es nicht gewollt hätte, schlicht deswegen nicht, weil es nicht zu ihm passte, war er doch ein Mensch, der die Dinge hinnahm, sich jedoch stets eine eigene Meinung bildete und mit beinahe beängstigender Sicherheit das sichere Ende erahnte, zudem war er klug genug, seine Vorteile und Interessen aus jeder noch so ausweglos scheinenden Misere zu wahren, eine Eigenschaft, die andere gleichermassen zu befürchten und beneiden schienen, Empfindungen, die Kai entgegengebracht wurden, seit er sich erinnern konnte.
 

Musternde Blicke streiften ihn, als seinem Gegenüber mit einer unvergleichbaren Heftigkeit bewusst wurde, wessen Kai alles beraubt worden war.

Seiner Kindheit.

Jugend.

Seinem Leben.

Grundsätzlich schien es keinen Grund zu geben, zu Leben, schien es doch blosse Existenz zu sein. Über jene Dinge, die er nicht hatte, konnte er nicht schreiben, so fanden sich in seinen Texten Begebenheiten wieder, die Kai gesehen, erahnt und erhofft haben mochte. Er kannte seine Bücher. Weshalb er sie gelesen hatte, wusste er, Gedanken machte er sich keine, es war Neugierde gewesen. Sehnsucht. Passagen, bei denen er glaubte zu wissen, an welche Situation Kai gedacht haben mochte, hatte er immer gelächelt, gleichwohl, das nie er oder der Autor eine Rolle in diesen gespielt hätten

Sie waren beide unfähig. Würde jeder weitere, noch so sporadische Kontakt, nicht beide zerstören? Mussten sie sich entscheiden?

War es nicht offensichtlich, das beide Optionen durch ihre durchweg negativen Seiten bestachen?
 

Es gab wenig was sie davon abhielt, dennoch lastete das Gewicht eines sicherlich erlogenen Lebens schwerer, als sich nur einer der beiden jungen Männer vorstellen konnte und zu jener Zeit realisiert hatte.

Tatsächlich hatten beide Angst. Nicht dieses Gefühl, wenn man dem Tod nahe steht, jenes Gefühl der Machtlosigkeit, klammernd und zermürbend hatte es von ihnen Besitz ergriffen, wehren schien beiden sinnlos, so sassen sie da, musterten einander und als sich ihre alkoholverschleierten Blick trafen lasen sie in ihrem Gegenüber keine nebensächliche Gefühle, sondern nur ablehnende Kühle, welche das gegenseitige Begehren zu verstecken suchte.
 


 

Die Decke veränderte sich nicht. Wie er das hasste. Nicht zum ersten Mal wachte er mitten in der Nacht auf und stellte dies fest, nun, es war auch vorgekommen, dass neben ihm jemanden gelegen hatte, sei es in der Zeit vor seiner gescheiterten Ehe, als er nicht auf das Geschlecht seiner Beschäftigung geachtet hatte, schliesslich während der Ehe, als kontinuierlich seine Frau neben ihm gelegen hatte, doch Kai konnte sich nicht erinnern, dass die Atemzüge einer anderen Person jemals so beruhigend auf ihn gewirkt hatten. Tröstend. Voller echter, glücklicher Harmonie und Zufriedenheit. Er drehte sich um und schlief ein.
 

Müde erhob sich der junge Mann und setzte sich auf. Zärtlich, spöttisch und leicht traurig sah strich er über die grauen Haare des noch schlafenden Mannes. Und während sich sein Gesichtsausdruck langsam in eine Miene voller Verletzlichkeit und Melancholie überging, begriff er, dass der andere immer einen Platz in seinem Herzen gehabt hatte. Resigniert suchte er sich seine Kleider und benützte ungefragt Kais Dusche.
 

Der Wohnungseigentümer entsagte ebenfalls einige Zeit später dem Schlaf, seine Erinnerungen kehrten zurück, als er das Prasseln der Dusche vernahm. Schmutzig fühlte er sich nicht, dennoch verspürte er Lust.
 

Leicht irritiert wandte der Andere seinen Kopf, als die Tür zur Dusche geöffnet wurde.
 


 

Befriedigt trank Kai seinen ersten Kaffee an jenem Tag, zog zum ersten Mal an seiner Zigarette und registrierte den leichten Wind. Hungergefühle meldeten sich, so wandte er sich ab und setzte sich an den bereits bescheidenen gedeckten Tisch, an welchem bereits eine Person sass, die wie er selbst, leicht lächelte und an einem Kaffee schlürfte.

„Wie viel schulde ich dir noch?“, fragte er sein Gegenüber, sein leichtes Lächeln beibehaltend.
 


 


 


 


 

Zweifelsohne war es für beide ein Ding der Unmöglichkeit, ihre gegenwärtige Beziehung nur annähernd zu beschreiben, überflüssig, da Gleichgültigkeit und Kälte besonders bei Kai die vorherrschenden Charakterzüge waren. Sie brauchten einander.

Würden dies jedoch immer leugnen.

Was waren sie?

Kai wurde in seinen schwächeren Momenten von dieser Frage übermannt, schob sie jedoch in eine andere Ecke seiner Gedankenwelt. In jene Ecke mit einem riesigem Schrank. Seine Schubladen wurden nur dann für Sekunden geöffnet, um unliebsame Fragen darin abzulegen, zu all jenen Erinnerungen, die Kai bewusst verdrängte, als hoffte er, die bereits meterdicke Staubschicht würde die Fragen verschwinden lassen.

Er dachte nicht darüber nach, wie es Morgen aussehen könnte.

Die Wohnungstür war offen.

Kai quälte sich selbst damit, zu warten, ob sie nun einmal täglich aufginge, denn er wusste, gleichwohl welchen Platz er einnahm, der Andere war jederzeit dazu in der Lage, aus seinem Leben zu verschwinden, auf Dauer oder endgültig, Kai war sich sicher, einer der wenigen Punkte die er klar definieren konnte, war jene stiller Packt darüber, das sie sich in keiner Weise zu einander bekannten, ferner einander verpflichtet waren.
 

Nachdenken scheute er, mochte er doch am liebsten seinen Kopf in leerem Zustand. Begänne er mit leidigem Nachdenken, wäre wohl kein Ende in Sicht. Kai registrierte das Geräusch und begann sich zu entspannen. Er war noch da.
 

Sie sprachen beide kein Wort. Wozu? Wussten sie doch beide, was ihr jeweiliger Gegenüber dachte.

Es war anstrengend.

Reizvoll.

Selbst zerstörerisch.

Ein Fehler.

Doch schien es beiden, dass jene Bindung vielleicht das erste in ihrem Leben war, was richtig sein konnte in seinem vollen Umfang. Keine Illusionen. Keine Träume. Nur die nackte, grausame Wirklichkeit.

Es war nicht richtig.

Es war nicht falsch.

Jene Art neutrale Gleichgültigkeit hatte sich über sie gelegt, die Menschen sich angewöhnt hatten zu fühlen, jene Menschen, die in ihrem Leben bereits zuviel gesehen hatten.

Oft tranken sie zusammen. Nicht viel, nicht wenig. Beide lebten sie ihr Leben gemeinsam und doch aneinander vorbei. Und doch, beide mochten ihr Leben nun – denn sie hatten begonnen zu leben.

Kai grinste leicht. Obwohl der andere nur einen Stock über ihm wohnte, war er doch längst bei ihm eingezogen.
 

Seine Augen reibend, die von dem grellen Licht des Laptops zu schmerzen begonnen hatten, stellte sich Kai aus reiner Neugierde die Frage, wie beide wohl auf Fremde wirken mussten. Obwohl im die Antworten persönlich gleichgültig waren, bestand eine gewisses Interesse aufgrund seines Berufes.
 

Grinsend registrierte er, wie fremde Hände seine Hemdknöpfe öffneten und sich an seinem Gürtel zu schaffen machten. Nach einer über vier Stunden andauernder Starre, schien es dem andern Leid, zu warten.
 

Begehren. Zweifellos vorhanden. Dennoch unbedeutend. Jedoch wesentlich.
 


 


 

Der letzte Schnee schmolz in der warmen Maisonne weg. Sie schliefen nicht oft miteinander. Sie schliefen zu oft miteinander.

Es funktionierte. Inspirierte ihn.

So legte Kai seinen Kopf in den Nacken, schloss seine Augen und blickte in die Sonne. Es funktionierte.

Zufriedenheit durchflutete ihn. Kirschblütenblätter flogen sachte an ihm vorbei. Wind fuhr ihm durch sein Haar. An diesem Morgen war er aufgewacht. Wie jeden Tag. Doch heute war er von der spontanen Eingebung beseelt worden, an jenen Ort zurückzukehren.

Er schritt über denn Platz. Vor seinem Inneren Auge waren die Umrisse der Abtei noch deutlich zu sehen, schmerzhaft eingebrannt, bereit, ihn sein Leben lang zu begleiten.

Durch das Tor ging er in den Innenhof, sah vor seinem inneren Auge die Erinnerung, die sich wie eine alte Filmrolle selbst abspielte, jedoch öffnete er seine Augen und fand sich wieder, auf einer Wiese, ausserhalb von Moskau, sich fragend, was aus ihm selbst geworden war, erwiderte Kai starr den Blick seines Gegenübers, welcher mit besonnen Schritten auf ihn zukam und im Begriff war weiterzulaufen, doch schien er von einer Kraft zurückgehalten zu werden, zu stark, als er sich hätte wehren können, so wendete er seinen Kopf und fragte Kai, ob er komme. Angesprochener drehte sich nur wortlos um und tat, wie ihm geheissen.

Doch nun hatte der Andere ihm einen Grund zum Nachdenken gegeben.
 


 


 

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So, hiermit nun also das erste Kapitel.Eigentlich wollte ich es früher hochladen, doch irgendwie hat es sich verspätet, daher möchte ich mich besonders bei jenen Personen, die einen Kommentar hinterlassen haben, entschuldigen. Der grund dafür ist simpel: Ich war unzufrieden und habe das Kapitel immer wieder umgeschrieben. Nun denke ich, dass ich an einem nicht zu kitschigem Punkt angelangt bin..hoffe ich zumindest..soll ja Geschmakssache sein^^
 

Zur FF: Ich bin mir durchaus bewusst, das sie ziemlich bruchstückenhaft geschrieben ist, das rührt daher, das mir, als ich angefangen habe, keine vollständige Geschichte eingefallen ist, sondern nur bestimmte Szenen mit den beiden Protagonisten. Selbstverständlich in den unpassensten Momenten.^^
 

Ich hoffe ihr hattet eine entspannte Zeit während des lesens und ich habe eure Neugierde geweckt.

Natürlich freue ich mich über Kommentare und wenn Fragen auftauchen...ja dann fragt^^
 

saki



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Milura
2007-05-16T08:41:31+00:00 16.05.2007 10:41
Hi!
Da ich zurzeit unter einer extremen Kommifaulheit leide und sowohl die Menge als auch die Qualität meiner Kommentare darunter leidet, fasse ich mich eher kurz:

Mir hat auch dieses Kapitel sehr gefallen. Ich find's gut, dass du die Identität der zweiten Person noch nicht enthüllt hast, obwohl ich zugeben muss, dass ich langsam vor Neugierde platze. Deshalb bin ich umso gespannter auf das nächste Kapitel.

Vielen Dank übrigens für die Benachrichtigung (ohne die ich wahrscheinlich noch länger gebraucht hätte, mich zu einem Kommi aufzuraffen *seufz*)

Liebe Grüße
Milu
Von:  -myst3ry-
2007-05-05T11:16:38+00:00 05.05.2007 13:16
Ich find das Kapitel wirklich toll.
Die Gefühle von Kai wrden sehr schön beschrieben und: sein gegenüber ist uns immer noch nicht bekannt. Wir wissen nur, dass er aus dem Team ist.
Ich freue mich schon auf die nächsten Seiten, -myst3ry-


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