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Street Children´s Farewell

von

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Kapitel 2

Kapitel 2:
 

Da der Behandlungsraum kaum bis gar keine Fenster hatte, wurde Kira nicht durch Licht geweckt, sondern durch Kälte. Und diese Kälte war beißend. Er richtete sich auf und schlang sich die Decke enger um den Körper, bis er eine Bewegung aus der Ecke des Raumes eine Bewegung wahrnahm.

Kira drehte sich herum, tastete seinen Körper ab, bis ihm wieder einfiel, dass ihm der Stab ja abgenommen wurde.

"Hallo?"
 

"Na sieh mal einer an." Schneidend zerriss die Stimme die Stille. "Der Krümel ist wach."

Zero ließ das grelle Neonlicht aufflackern. "Steh auf, Tsubasa erwartet dich!"
 

Kiras Gesicht wurde sofort abweisend. Die Umgebung wurde gleich um noch 10°C kälter. Eine Ader an seiner Schläfe begann gefährlich zu pochen. Dann noch der Befehlston…

"Sag, was hast du eigentlich für ein Problem mit mir??? Du behandelst mich die ganze Zeit wie eine Made, die dummerweise bei dir aufgetaucht ist und die dich total nervt."
 

Oh, passend beschrieben... unglaublich.

Zeros Gesicht drückte genau das aus. Er war überrascht. Und wie. Seit wann konnte ihn jemand so genau durchschauen, der nicht Tsubasa hieß?

"Problem würde ich nicht sagen.", kam es dennoch von ihm und er begann böse zu lächeln. "Es ist viel eher so, dass ich dich nicht leiden kann. Jemand, der nicht weiß, was er will, hat es nicht verdient zu leben."
 

Kira war kurz davor sich die Haare zu raufen. Was wollte dieser Kerl eigentlich von ihm??

"Soll ich etwa meine ganze Seele vor dir ausschütten?? Willst du meinen Therapeuten spielen?" Ein fieses Lächeln erschien auf seinen Lippen. "Du warst, gelinde gesagt, nicht gerade nett zu mir. Warum also hätte ich dir alles von mir sagen sollen?"
 

"Wer hat denn gesagt, dass ich einen Therapeuten spielen will?", schoss Zero zurück. "Es ist ja nicht so, als wüsste ich besser, was du willst als du! Wär ja auch traurig, dann müsste ich mir meinen Kopf ja mit deinen Problemen zerbrechen..."

Er klatschte ihm ein Hemd entgegen, blau und kurzärmelig, aber genau seine Größe. Es würde reichen fürs erste. "Los, komm mit, dann bist du mich auch endlich los! ... und ich dich auch..." Missmutig drehte er sich wieder zur Tür.

Er war um seinen Spaß gebracht worden. Eigentlich hatte er sich schon sehr darauf gefreut, den 'Winzling' wecken zu dürfen. Er hatte da einige böse Methoden, die er noch nicht ausprobiert hatte... Aber der hatte einfach einen zu leichten Schlaf...

Dann blieb er noch mal stehen, überlegte kurz. Schließlich seufzte er. "Eigentlich will ich nicht, aber Ta-chan wird böse, wenn ich es nicht tue, also... Hier!" Und er warf ihm noch eine der kleinen Tabletten zu.
 

Kira fing sie auf und schob sie sich in den Mund. Tsubasa hatte gestern ja erwähnt, dass er eine Mutprobe bestehen müsste. Ohne Tablette würde er das allerdings nicht schaffen.

Dann besah er sich das Hemd und zog es schließlich an. Es passte einigermaßen. Etwas groß, störte aber nicht weiter.

Dann machte er sich mit Zero auf den Weg. Unterwegs kamen sie an einigen Mitgliedern der gang vorbei, die Kira mit verstohlenen Blicken musterten.
 

Sie folgten ihnen in gewissem Abstand, umrundeten sie, gingen schweigend wie auf einer Prozession weiter, Kira und Zero in der Mitte. Bis sie einen Hof erreichten, dort strebten sie auseinander, stellten sich im Kreis an die Wände, warteten immer noch schweigend, während Zero den Neuling in die Mitte führte, dort stehen blieb. Als er sich umdrehte, waren seine Augen vorfreudig funkelnd.

"Kurz die Regeln: Du wirst gegen Chibi-chi und Chibi-chan antreten." Hinter ihm erschienen zwei Mädchen, die sich bis aufs Haar glichen, nur halt spiegelverkehrt. Schwarze Haare, schwarze Augen, schmaler Körperbau und sichtlich begeistert. Sie freuten sich definitiv. "Ihre Aufgabe ist es, dich auf ihre Art zu besiegen. Viel Vergnügen." Damit deutete er eine spöttische Verbeugung an und überließ den Ring Kira und seinen beiden Kontrahentinnen.

Die beiden Mädchen kicherten unablässig, warfen sich zwischendurch immer wieder Blicke zu, die sie in Verzückung geraten ließen. "Du bist so süß!", quietschten sie glücklich.
 

Kira konnte seinen Ohren nicht trauen. Er sollte gegen zwei Mädchen antreten??? Mädchen? Er hatte zwar nicht, wie manch andere, den Vorsatz keine Mädchen zu schlagen, aber trotzdem gefiel es ihm nicht sonderlich.

Nachdem sie ihn auch noch mit "süß" betitelten, drehte sich Kira zu Zero um, und sah ihn mit einem fragenden Blick an. "Was soll das? Ich meine..." Sein Blick glitt zu den Mädchen. Diese sahen sich immer noch an und warfen sich verzückte Blicke zu.
 

Dessen Grinsen wurde breiter. „Deine Probe. Besiegst du sie, bist du aufgenommen. Und frag mich nicht nach dem Grund. Das ist einzig und allein auf Tsubasas Mist gewachsen. Wäre es nach mir gegangen…“

Der junge Mann neben ihm grinste fröhlich, winkte einmal, dann deutete er auf die beiden Mädchen hinter ihm. „Sie warten.“, flötete er, dann ging ein Raunen durch die Gruppe. „Ach ja, den hier wirst du wohl brauchen.“ Er warf ihm seinen Stab zu, doch bevor er auch nur die Möglichkeit hatte, danach zu greifen, waren die Zwillinge da. Jede einen Fächer in der Hand. Von zwei Seiten griffen sie an, der Fächer der rechten streifte seinen Haarschopf, als hätte sie nicht weiter gezielt, und während er noch zu ihr sah, um auf weiteres zu reagieren, bekam er von der anderen einen Kuss auf die Wange.

Das war ihre Technik, wenn sie spielen wollten. Nicht verletzen, aber schmusen, knuddeln.

„Herzchensalve!“, schrieen die Zuschauer begeistert.
 

Kira taumelte kurz zurück, geplättet von der Kampftaktik der Mädchen. Dann besann er sich allerdings und hechtete nach vorn zu seinem Stab. Mit diesem in den Händen fühlte er sich schon viel besser und sicherer. Jetzt musste er nur noch einen guten Gegenangriff finden.

Als die beiden Mädchen erneut zum Angriff ausholten, duckte sich Kira unter ihnen weg und stellte sich mit flinker Gewandtheit genau hinter Chibi-chi oder Chibi-chan - das konnte er im Moment nicht sagen. Er hob seinen Stab und schlug sie seinem Gegner gegen die Kniekehlen, damit dieser das Gleichgewicht verlor. Gleichzeitig griff allerdings der zweite Zwilling an und zwang Kira so zum Rückzug. Vorerst.

Nachdem sich Chibi-chan von dem Angriff erholt hatte, stellten sich die Geschwister wieder vor ihn und begannen erneut, sich mit Blicken zu bedenken. Kira rollte genervt mit den Augen, als ihm mal wieder ein "Du bist so niedlich!" entgegen tönte.
 

Die beiden grinsten. „Ich will ihn knuddeln!“, rief Chibi-chi.

„Ich will durch seine Haare wuscheln!“, schloss sich Chibi-chan an.

„Ich will ihn kitzeln!“

„Ich will ihn umarmen und nie wieder loslassen!“

„Ich auch!“

„Er ist so niedlich!“, quietschten plötzlich beide los und lagen sich dann gegenseitig in den Armen. Und dann wurden sie ernst, als sie beide zu ihm sahen.

„Dann wollen wir doch mal dafür sorgen, dass er sich nicht mehr wehren kann.“, begann wieder Chibi-chi.

„Genau, damit wir ihn herzen können, ohne dass er wegläuft!“, erwiderte Chibi-chan.

„Und dann…“

„… werden wir ihn nie mehr loslassen!“ Wieder das Gequietsche und im nächsten Moment griffen sie wieder an. Jede langte nach einem Ende des Stabes, denn wenn der erstmal weg war, dann hätten sie freie Bahn!
 

Kira hatte die Absichten der Mädchen im Gespür und warf in einem plötzlichen Einfall seinen Stab in die Luft. Noch während die Mädchen auf ihn zustürmten, sprang er seinem Stab hinterher, fing ihn auf und versuchte ihn einem der Mädchen über den Kopf zu ziehen.

Leider ohne Erfolg.

Als er wieder auf dem Boden stand, hatte er kaum Pause, da die Zwillinge sofort wieder angriffen. Kira duckte sich, um dem einen Fächer auszuweichen, als ihn der andere unsanft in der Bauchgegend traf. Er spürte einen heftigen Schmerz, bevor sich Chibi-chi mit ihrem Fächer auf Kiras Schulter stürzte. Dieser wusste nicht sich anders zu schützen, als den Stab wie einen Rotor vor sich kreiseln zu lassen, sodass die Mädchen vorerst nicht in seine Nähe konnten.
 

Zero nickte bedächtig. Er war gut. Unerwartet gut. Und wider erwarten freute es ihn, was ihm nicht einmal bewusst war. Seine Augen folgten dem geschmeidigen Körper, der trotz Verletzung wirklich beweglich war. Jede Bewegung saß perfekt, auch wenn die Zwillinge wirklich schwer einzuschätzen waren. Tabletten waren eben doch Gold wert.

Gerade griffen sie wieder an. Chibi-chi warf ihren Fächer, sprang gleichzeitig in die Luft auf ihn zu, doch es war nicht sie, die tat, was sie andeutete. Chibi-chan warf sich ihm um den Hals, während die Schwester den Stab an sich nahm, ihn freudig-ausgelassen herumhüpfend über dem Kopf schwenkte. Und dann geschah das, was jeder hier erwartete: Chibi-chan gab ihm einen Kuss. Auf den Mund. Der Kampf war vorbei. Kira hatte verloren.

Zero warf einen Blick auf Tsubasa, der seinerseits auf die Uhr blickte, dann glücklich zu grinsen begann. „Zweiundzwanzig Minuten!“, rief er in die Runde und schwenkte die Großvatertaschenuhr über dem Kopf. „Neuer Rekord! Kira ist aufgenommen!“

Zero grinste. Das war doch gut. Das war sehr gut. Obwohl er eigentlich zu der Überzeugung gekommen war, dass er ihn gar nicht mochte. Komischer Gedanke…

Jugendliche stürzten jubelnd in die Mitte, wo Kira jetzt endgültig in den Klauen der Zwillinge war, beglückwünschten ihn, klopften ihm auf die Schulter, gratulierten ihm. Es war eine reine Freude. Richtig gruselig, aber so war es bei jedem Neuling, der bestand.
 

Kira bemerkte genau, wann er die Kontrolle über den Kampf verlor. Er passte einen Moment nicht auf, da wurde er von den Zwillingen überwältigt und entwaffnet. Mutig, oder bescheuert - wie man’s nahm - sah er entschlossen in ihre Augen, als sie sich ihm um den Hals warf und ihn küsste. Entsetzt riss er die Augen auf und erschrak noch mehr, als er hörte: "Kira ist aufgenommen!"

Nicht fähig die Situation zu begreifen, starrte er ins Leere. Sein Herz machte einen Sprung, innerlich froh, die Aufnahmeprüfung bestanden zu haben. Die anderen Mitglieder beglückwünschten ihn und Kira entschied, dass er hier nicht mehr weg wollte. Er kannte die Gruppe zwar kaum, aber sie gefiel ihm. Sehr sogar.

Nachdem sich die Jugendlichen beruhigt hatten, drehte sich Kira zu Zero und warf diesem einen Blick zu, der deutlich sagte: Ich kann etwas. Genau wie du. Hoffentlich akzeptierst du mich jetzt ein bisschen mehr. Dann huschte ein Grinsen über seine Lippen. Er stellte sich einen lächelnden Zero vor. Er hoffte, irgendwann mal in den Genuss zu kommen, diesen Anblick, den er nun vor seinem geistigen Auge hatte, auch mal in Natura sehen zu können.
 

Doch dazu kam es nicht. Den Blick erwidernd wurden seine Augen abschätzig und höhnisch. Er bildete sich was drauf ein? Konnte er, aber das hieß nichts. Ihn selbst hatten die beiden auch nicht besiegt…

Ohne eine weitere Regung wandte er sich ab, während Tsubasa zu dem Neuling rannte und ihn überglücklich in die Arme schloss. Er brauchte jetzt nicht mehr soviel zu sehen. Jetzt hatte er ja die Gewissheit, dass der andere bleiben würde, dass er ihn im Auge behalten und irgendwann mal gegen ihn kämpfen konnte. So mutige Antworten bekam man eben nicht häufig.

Zero ging zum Meer, wie immer, wenn er bewegt war. Heute war er es auf eine seltsam beruhigende Art und Weise. Sein Herz war gelöst, seine Seele baumelte. Es war irgendwie angenehm, wieder ein Ziel vor Augen zu haben. Ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnte: Er wollte einen Gegner, der nicht vor ihm zurückschreckte, und genau das würde er aus diesem kleinen Kira machen. Genug Mut hatte er schließlich!
 

Als Tsubasa ihn wieder losließ, nachdem er ihn fast erdrückt hatte, suchten Kiras Augen Zero, fanden ihn jedoch nicht mehr. Der andere war verschwunden. Irgendwohin.

Mit einem leichten Schulterzucken setzte sich Kira in Bewegung, den anderen folgend, die nun eine kleine Willkommensfeier für ihn geben wollten. Schnell wurden ihm von hinten die Augen verbunden und er wurde an je einem Arm von Chibi-chi und Chibi-chan geführt. Als ihm die Binde wieder gelöst wurde, erblickte er einen großen, überdimensionalen Raum. Mit einer Treppe ging es sogar noch eine Etage höher. Dieses Loft wurde ihm als Zentrale und Wohnung der beiden Chefs und als Versammlungsraum der Gruppe vorgestellt.

Mara, der dicke Kämpfer aus der Gasse, trat während der Einführung leise und heimlich hinter ihn und flüsterte ihm eine gut gemeinte Warnung ins Ohr. Sollte Kira je die obere Etage betreten, wäre er ganz sicher einen Kopf kürzer. Ein leichter Schauder lief ihm über den Rücken. Na das konnte ja heiter werden!
 

Zero kam nach ein paar Stunden zurück, da waren sie alle noch am Feiern. Bier und Wein floss, wie man deutlich roch, wie er mit deutlichem Missfallen registrierte, als ein paar Jungen lallend auf ihn zukamen. Klasse.

„Lasst mich doch in Ruhe!“, murrte er, stieß sie weg, was sie lachend kommentierten:

„Er hat mich angefasst!“

„Ui, lass mal riechen!“

Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen. Oh man, die Gruppe würde zugrunde gehen. Früher oder später. Wütend darüber machte er sich auf den Weg hinauf. Besser allein sein als diese Idioten um sich herum!
 

Kira feierte ausgelassen seinen Eintritt in die Gang. Er hielt sich mit dem Alkohol allerdings zurück, da er noch immer unter Medikamenten stand, man konnte ja nie wissen, was noch passieren könnte.

Nach einiger Zeit kam auch Zero wieder zurück, wie Kira aus den Augenwinkeln bemerkte.

Als ihm die Luft zu stickig wurde und ging er vor die Tür, wo er sich gleichzeitig von dem Wind der herrschte ein wenig abkühlen ließ. Er lief ein paar Schritte auf und ab und musterte das Gebäude von außen. Es war unauffällig. Das war gut. Kaum jemand, der nicht wusste, was es war, würde es für ein Gang-Quartier halten, sondern einfach für eine abgehalfterte, baufällige Fabrik.
 

Zero stand oben auf dem Dach, als unten zum x-ten Male die Tür aufging. Und wie jedes Mal sah er nach, wer herauskam. Es erstaunte ihn halb, dass es Kira war. Er hätte nicht gedacht, dass er es schaffte, die Neugierigen heute schon abzuhängen. Oder hatte er ihnen einfach nur deutlich gemacht, dass er nicht wollte? Vielleicht hatte er ihre Neugier ja auch schon befriedigt?

Blieb noch die Frage, was er hier machte. Musste er sich etwa auch wegen übermäßigem Alkoholkonsum übergeben? Wie die anderen? Hatte er sich doch geirrt, was den Kleinen betraf?

Doch Kira lief nur hin und her. Scheinbar ging es seiner Schulter wieder besser. Er hatte jedenfalls nicht mehr nach einer Tablette verlangt, sonst wäre Tsubasa längst hier aufgetaucht. Oder er selbst… wäre wohl besser wenn nicht, dann würde sein Leben nicht schon heute enden…

Desinteressiert wandte er sich ab. Es hatte wieder zu regnen begonnen…
 

Als Kira die ersten Tropfen des Regens auf seiner Haut spürte, streckte er den Kopf gen Himmel. Es war schön... und so entspannend. Er liebte den Regen, auch wenn er ein dunkles Kapitel seiner Vergangenheit beleuchtete. Als sein Bruder damals gestorben war, hatte es auch geregnet... in Strömen.

Als der Regen stärker wurde und langsam seine Klamotten durchtränkte, entschloss er sich wieder nach drinnen zu gehen. Er war zwar schon wieder relativ fit, und seine Schulter schmerzte kaum noch, aber er musste sich ja nun nicht noch eine Grippe einfangen.

Als er wieder in den Innenraum kam, schlug ihm der Geruch nach Alkohol und Zigaretten nur so entgegen. Sobald die anderen ihn wieder ausmachten, waren Chibi-chi und Chibi-chan wieder an seiner Seite, um ihm nicht noch mal die Gelegenheit zu bieten, heimlich zu verschwinden. Auch Mara gesellte sich nach einiger Zeit zu ihnen. Sowohl die Zwillinge als auch der Hüne hatten schon ne Menge getrunken, so dass sich ihre Wangen leuchtend rot von den Gesichtern abhoben.

Kira lächelte in sich hinein, als er versuchte, einem plötzlichen Redeschwall von Chibi-chan hinterherzukommen. Es war wirklich lustig mit anzusehen, was der Alkohol aus manchen Leuten machen konnte.
 

Plötzlich übertönte ein zorniger Schrei die laute Musik. Wut und lodernder Hass klangen darin. Ein zweiter Schrei, ängstlich, dann ein unsicheres Lachen der gleichen Stimme. Der Raum versank im Schweigen. Selbst die Musik hatte gerade beschlossen, ein leiseres Lied zu beginnen, dass kaum zu hören war.

„Z…Zero?“, hörte man die Stimme durch den Raum flattern, dünn, zaghaft, entschuldigend. Und sie kam definitiv von oben.

Tsubasa sprang auf, gerade als die Musik mit einem Knall schneller und lauter wurde. „Zero!“, schrie er. „Lass es sein!“ Seine Augen waren weit aufgerissen, die Augenbrauen vor Vorahnungen tief in die Stirn gezogen. „LASS ES SEIN!“

Es war definitiv zu spät. Zero erschien an der Treppe oben, hinter sich her schleifte er ein Mädchen an den Haaren. Sein Hemd war blutbespritzt und auch an seinem rechten Arm und an seinem Hals über der Tattoowierung lief Blut herab. Es war deutlich zu erkennen, dass es nicht seines war.

„Wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr es nicht wagen sollt, hier heraufzukommen, aus welchen fadenscheinigen Gründen auch immer!“, grollte er und Angst machte sich in den Gesichtern breit, als er den Körper die Treppe hinunter warf. Das Mädchen schlug mehrere Male mit dem Kopf auf die Stufen, kam erst am unteren Ende zum Liegen. „Ich habe euch gewarnt!“

Tsubasa rannte zu dem Mädchen hin, beugte sich über sie und fühlte ihren Puls. Ein kurzes Zeichen und zwei Jungen kamen, hoben sie hoch und trugen sie eilenden Schrittes aus dem Zimmer. Sie war nicht tot, aber sie brauchte dringend ärztliche Behandlung! Der Anführer richtete sich auf, sein Gesicht ernst, blickte er zu seinem Pflegebruder hinauf, der den Blick aus irren Augen erwiderte. Vorwurf lag darin.

Und Verständnis, tief verborgen…
 

Kira war gerade dabei mit den Zwillingen zu reden, als ein Schrei die Stimmung zerriss und Ruhe, beinahe völlige Ruhe, in dem Loft hervorrief. Kira hob sofort den Kopf, um den Verursacher des Schreis zu suchen, als er Zero mit einem Mädchen am oberen Ende der Treppe stehen sah. Seine Augen weiteten sich, als er das Blut an ihm sah.

Kira besah sich das Mädchen genauer und entdeckte eine Platzwunde an ihrem Auge und eine geschwollene Wange, ihr Bein stand seltsam ab. Im Grund hing sie wie ein Schluck Wasser in seiner Hand. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Zero etwa eines seiner eigenen Mitglieder geschlagen?? Und dieser Blick in seinen Augen: gerade zu bizarr und fanatisch, nicht gerade positiv.

Ein leichter Schauder kroch über seinen Rücken.

Dann fiel ihm wieder Maras Warnung ein. Das hatte das also zu bedeuten. Jetzt verstand er. Aber das hieß nicht, dass er es guthieß!

In der allgemeinen Aufregung, die nun entstand, entschloss sich Kira dazu, Zero zur Rede zu stellen. In seinem Inneren begann etwas zu brodeln, das sehr tief saß. Er starrte noch einige Sekunden wütend nach oben, bis er sich abrupt umdrehte und das Loft verließ. Er brauchte frische Luft und zwar dringend.

Draußen ging er halb um das Loft, sodass ihn von der Tür niemand mehr hören konnte. Er ließ sich mit dem Rücken gegen die noch vom Regen nasse Wand gleiten. Mit seiner Faust begann er den Boden unter sich zu traktieren.
 

Währenddessen ging Tsubasa die Treppe hinauf auf den Jungen zu, der noch immer dort stand und ihn herausfordernd ansah. Hier wusste jeder, sollte es zu einem wirklichen Kampf kommen, würde einer daraus als Leiche hervorgehen. Es war also klar, dass Tsubasa nicht kämpfen würde, aber was sonst?

„Los, ins Zimmer!“, erklang die Stimme des Größeren, woraufhin Zero sich umdrehte und wortlos ging. Tsubasa folgte ihm, warf noch einen Blick in die Runde, der besagte, dass sie gehen sollten, dass sich einer gefälligst um den Neuzugang und dessen Unterbringung kümmern sollte, dann schlug die Tür zum Obergeschoss hinter ihnen zu.

„Was hast du dir schon wieder dabei gedacht?“, rief er wütend. „Zaara gehört zu unserer Bande! Du kannst sie doch nicht einfach zusammenschlagen! Sie ist dem Tode nahe!“

„Das war beabsichtigt!“, kam die zischende Antwort, als sich Zero in den Sessel am Fenster fallen ließ. „Ich habe sie alle gewarnt!“

„Das gibt dir nicht das Recht, sie umzubringen!“, schrie der Junge mit den schwarzen Augen, doch er bekam keine Antwort. Zero erwiderte nur trotzig seinen Blick und schließlich seufzte er, ließ sich auf der Armlehne seines eigenen Sessels nieder. „Was wollte sie denn überhaupt?“

Der Junge gegenüber schnaubte verächtlich. „Besoffen war sie!“, knurrte er. „Hat in einem Anflug von Größenwahn gedacht, ich würde ihr Eindringen verzeihen, wenn sie mir ihre Liebe gesteht!“ Er überzog das Wort gnadenlos.

„Sie hat dir ihre Liebe gestanden und du hast sie dafür geschlagen?“, fragte Tsubasa stirnrunzelnd.

„Nein, ich habe sie dafür bestraft, dass sie meine Warnung ignoriert hat!“, stellte der Chinese richtig. „Wenn sie mich liebt, ist das ihre Sache, nicht meine.“

Auf Tsubasas Gesicht legte sich ein mitleidiges Lächeln. „Du tust mir leid. Du verkriechst dich hier oben, schneidest dich von der Außenwelt ab und gibst den kalten Mann. Dabei bist du nur einsam.“

Zero lachte leise, fast schon verächtlich. Langsam stand er auf, kam zu seinem Bruder und setzte sich dann auf dessen Schoß, legte die Arme um seine Schultern. „Warum, ich hab doch dich. Mehr brauche ich nicht.“

Tsubasa seufzte erneut, gab ihm eine Kopfnuss. „Du bist ein Depp. Du sehnst dich nach Nähe und begreifst es nicht mal!“ Lächelnd zog er ihn in die Arme, wiegte ihn leicht hin und her. „Aber das, was du wirklich suchst, wirst du bei mir niemals finden.“, sagte er traurig. „Und ich kann nichts weiter tun, als zu warten, bis du das erkennst…“

Zero erwiderte nichts. Wusste gar nicht, was. Manchmal, da redete sein kleiner, großer Bruder halt so was Komisches. Wenn er nicht verstand, was er damit meinte, dann war das nur normal.
 

Kira saß noch einige Zeit auf dem Boden, bis einer aus der Gang zu ihm kam. Er stellte sich ihm als Ren vor und bot ihm an, Kira zu seiner Wohnung, beziehungsweise zu seinem Schlafplatz zu führen.

Er studierte Ren einige Sekunden, bevor er dessen Hand ergriff, um aufzustehen. Er schien einer der älteren Mitglieder zu sein, vom Alter würde Kira ihn auf 19 schätzen. Seine Gesichtszüge und sein Auftreten waren energisch und entschlossen, allerdings erkannte man trotzdem, dass eindeutig Zero und Tsubasa die Chefs waren.

Sie liefen auf die andere Seite des Lofts, wo noch einige kleine Lagerhäuser standen. An manchen waren Zahlen oder Zeichen, an anderen kleine Bilder. Kira ließ seinen Blick über einige Türen schweifen und sah Zeichen wie Sterne oder Zahlen-Buchstaben-Kombinationen.

Ren stoppte dann vor einer eher unauffälligen Tür. Sie war wirklich weder verziert noch bemalt. „Darf ich vorstellen? Meine bescheidene Behausung.“ Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ich würde dir vorerst erst einmal anbieten, bei mir zu wohnen, bis dir der Chef ein eigenes Zimmer zuteilt. Einverstanden?“

Kiras Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Danke für das Angebot… aber wieso bietest gerade du mir einen Schlafplatz an?“

„Ich weiß nicht, aber mein Haus ist ziemlich groß… und ich hätte nichts gegen einen Mitbewohner.“, antwortete der Junge lächelnd.

„Okay“ Kira hielt dem anderen seine ausgestreckte Hand hin. „Dann auf eine gute Wohngemeinschaft.“

Dieser nahm sie sogleich und nickte grinsend mit dem Kopf. Dann schloss Ren die Tür auf und sie betraten endlich das Zimmer. Kira staunte nicht schlecht. Es war groß, um nicht zu sagen wirklich riesig. Von außen betrachtet hätte er höchstens einen 18m²-Wohnraum erwartet, aber es stellte sich heraus, dass in dem Zimmer noch eine Treppe in ein höher gelegenes Zimmer führte, was noch mal locker 14m² hatte. Also tatsächlich groß genug für zwei.

Ren zeigte mit seiner Hand nach oben. „Wenn du magst, kannst du den oberen Teil nehmen, ich hab bisher hauptsächlich unten gewohnt, daher…“

Kira nickte. Da er keine Sachen aus seiner alten Gang mitgenommen hatte, hatte er auch nicht viel, was er hier auspacken konnte, also ging er erstmal nach oben, um sich alles anzuschauen. Das ganze Gebäude hatte einen ähnlichen Aufbau, wie das Quartier von Zero. Allerdings viel kleiner. Oben war es ziemlich spartanisch eingerichtet, was nicht weiter verwunderte, da Ren ja nur unten wohnte. In der einen Ecke stand ein kleiner Tisch mit einer Lampe. In der anderen stand ein Sofa. Mehr brauchte man hier ja eigentlich auch nicht.

Als ihn plötzlich starke Müdigkeit überfiel, warf er einen Blick auf die Uhr. Es war spät. Schon weit nach Mitternacht. Es wäre wahrscheinlich das Beste, dem offensichtlichen Verlangen seines Körpers nachzugeben. Also ging er in Richtung Sofa und ließ sich einfach darauf fallen. Um den restlichen Kleinkram würde er sich morgen kümmern. Dann könnte er sich irgendwo ein paar Dinge besorgen, mit denen er das Zimmer ein wenig gestalten konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Bi_Kawaii_x3
2008-01-19T19:55:17+00:00 19.01.2008 20:55
Juhu!XDD Er hat die Prüfung bestanden!X3333333
Das SIE ihn gleich küsst, schade das Zero nicht Eifersüchtig geworden ist!XDDD
Mach weiter so!^^
lg
Von: abgemeldet
2007-08-25T08:39:35+00:00 25.08.2007 10:39
Alsooooo ö.ö
XD Die milly hatte zwar schonmal bis hierhi gelesen, aber sie fängt jetzt wieder an...X3 Ich will alleeees durchlesen, da ich bei den letzten kapiteln nicht hinterhergekommen war Q_________Q
gomennasai *chu~*
Also zu deinem schreibstil: der ist wirklich toll! Du beschreibst alles lebensnah und verständlich, aber auch sehr fliessend :3 SChön ><
Und was ich noch sehr gut finde ist, dass du aus verschiedenen Sichtweisen (also mal aus Zeros und dann aus kiras sicht) schreibst...Das ist voll cool >< man fühlt sich da gleich hineinversetzt in die jeweilige person =3
Zero ist cool...aber ich tendiere (bis zu diesem kappi) nach Kira eher XD
Der kampf war auch gut beschrieben X3 Voll niedlich iwie XD
*knuddel*

Von:  Kei_Hiwatarie
2007-02-05T20:16:14+00:00 05.02.2007 21:16
Der Kampfstil der beiden, war echt witzig, kann mir echt gut vorstellen, wie er total perplext geguckt haben muss, als er den Kuss bekommen hat *g* finde die beiden Chefs echt gut. Ham ein echt gutes verhältnis zueinander ^^ Kira mag ich auch, aba Zero is der Beste *g* schreib schnell weiter, freumich schon auf das nächste Kap
By ^^
Von:  Kerstin-S
2007-02-05T14:18:23+00:00 05.02.2007 15:18
hey ihr zwei *knuddel*

das kapi ist einfach großartig =)
ich find zero soooo toll *gg*
und kira natürlich auch..... ^^
ich hoffe es kommt bald wieder ein neues kapi =)
ich freu mich schon riesig

*flausch*
hab euch lieb ^^
Von:  bloody_venus
2007-02-04T13:03:19+00:00 04.02.2007 14:03
mhm, ich heisse zwar zeros gewaltausbrüche nicht gut, baerdas gibt der story fahrt. wann gehts weiter?
Von:  Angle-Moon
2007-02-03T20:52:13+00:00 03.02.2007 21:52
war echt ein tolles kappi. ;)
man, kira kann einem mit dem kuss leid tun. ich muss ehrlich sagen, dass ich dachte er würde diesen kampf gewinnen, aber da hab ich wohl weit fehlgeschlagen. und das mit der wohngemeinschaft würd mich auch interessieren. *grins* bin mal gespannt, ob sich das verhältnis mit kira und zero noch bessert. ;) *knuddel*ggg*knuff*
Von:  NeveralonE
2007-02-01T16:09:26+00:00 01.02.2007 17:09
heyhey...das kappi ist wirklich klasse!!
der kampfstil der beiden zwillinge ist einfach genial^^..und die wohngemeinschaft ist auch echt cool und ich bin gespannt was sich daraus entwickelt..
aber das zero so ausgeflippt ist...hmm..da muss doch in der vergangenheit mal was passiert sein oder?? *neugierig*..freu mich auf jeden fall aufs nächste kappi
lg ZaNne-chan
Von:  Rees
2007-02-01T13:17:37+00:00 01.02.2007 14:17
hi^^
so ich habe deine überraschung als sehr gut befunden. ich muss sagen, dass mir dieses kapitel sehr gefällt. es ist schön endlich mal wieder was von dir gelesen zu haben. die beiden zwillingschwestern find ich echt niedlich.
aber zero. was ist den dem für ne laus über die leber gelaufen? nuss doch nicht gleich so ausflippen. echt unglaublich. und tsubasa war viel zu nett zu ihm. er schlägt nen mitglied halb tot und dann wird er auch noch relativ nett behandelt. dit möcht ich auch mal haben. *grins*
und ren find ich sehr nett. ich bin mal gespannt, wie das mit der wohngemeinschaft wird.
freu mich schon auf das nächst kap
hab dich gaaaaaaaaaanz dolle liiiiieb


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