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Amour avec obstacles

Liebe mit Hindernissen
von

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Ich hatte gestern meinen Wecker nicht gestellt, ich hatte es vergessen. Oder ich wusste einfach, dass ich nicht verschlafen werde. Denn pünktlich wie ein Zuchthahn weckte unser liebestolles Totchi mich mit den Worten „Taxiiii aufstehen, sonst komm ich zu spääääät!“ zu dem Zeitpunkt war es 7.30 Uhr. Ich greife mir grummelnd mein Kissen, als Toshimasa mich zehn Minuten später noch immer nicht in Ruhe lässt. „Steh auf, Daidai, steh AUUUUUUF!“ Toshiya nutzt die Gelegenheit schamlos aus, als ich mich von der Seite auf den Bauch drehe und ein lautes *Klatsch* ist zu vernehmen, als seine flinke Hand auf mein Hinterteil trifft. Ich schrecke augenblicklich hoch. Ich bin es nicht gewohnt so geweckt zu werden. Vor allem nicht von diesem aufgebauschten, überschminkten, plateauschuhtragenden Zuchthähnchen namens Toshimasa! Ich kralle mich fester in das Kissen und pfeffere es ihm mit voller Wucht entgegen. Mit Erfolg. Er kann das Gleichgewicht auf seinen bestimmt 30 Zentimeter hohen Schuhen nicht mehr halten und fällt nach hinten, um auf seinem knochigen Gesäß zu landen. Nun gut. 30 Zentimeter sind vielleicht ein wenig übertrieben. Aber was soll’s. Toshiya schiebt seine Unterlippe vor und guckt mich vorwurfsvoll an. „Du hast es versprochen..“ Ich seufze und quäle mich unendlich langsam aus meinem warmen Nest heraus. Ebenso langsam schleppe ich mich gen Badezimmer. Würde man jetzt eine Schnecke neben mich setzten, würde sie unter Garantie ohne die geringste Anstrengung vor mir am Ziel sein und wahrscheinlich schon genüsslich hinter der Ziellinie mit überschlagenen, nicht vorhandenen Beinen einen Kaffee schlürfen, wenn ich dort ankomme.

Irgendwann bin ich dann doch im Bad angekommen, ignoriere die kaffeetrinkende Schnecke und stütze mich entnervt auf den Rand des Waschbeckens. Irgendwas starrt mir aus der silberbeschlagenen Scheibe vor mir entgegen. Hm. Sieht ganz schön fertig aus der Gute. Augenringe bis unter die Nasenflügel. Sehr attraktiv.. ‚Och Daisuke, nicht immer so viel Ironie am Morgen! Das tut nicht gut.’ ‚Halt’s Maul.’ ‚Hör ich noch mal was anderes von dir?’ ‚...’
 

8.30 Uhr. Wir sitzen allesamt am gedeckten Frühstückstisch. Selbst Kyo sitzt sogar einigermaßen aufrecht. Wenn er auch nicht sonderlich glücklich aussieht. Shinya schweigt zu meiner Linken. Kaoru sitzt ebenfalls schweigend über seinem Müsli und häuft gerade einen weiteren Löffel damit. Toshiyas suchender Blick fällt mir gerade auf. Er scheint wirklich und ernsthaft etwas zu suchen. „Toshiya?“ mit gehobener Braue sehe ich ihn an. „Willst du noch irgendwas haben?“ „Iiich?“ Toshiya beginnt zu grinsen „Nööö ich will nur Kakao~ <3“ und mit diesen Worten krallt er sich Kaorus Arm und schmiegt seinen Kopf an dessen Schulter. Sein Gesicht ziert ein Lächeln, das Toshiya aussehen lässt, als könne er kein Wässerchen trüben. Meine Mimik verfinstert sich von jetzt auf gleich. Mein Kaoru.. Das ist MEIN Kaoru! „Toshimasa.“ Kaoru blickt nicht von seinem Müsli auf, scheint aber nicht bei bester Laune zu sein. „Lass mich los. Und wenn du schon einen Kosenamen verwenden willst, dann nimm einen den es schon gibt und erfinde nicht sinnloserweise noch mehr dazu.“ Langsam aber sicher erhellt sich meine Miene wieder. „Oooch mennooo..“ Toshiya zieht seinen allseits gefürchteten Schmollmund, verschränkt die Arme und sinkt in seinem Stuhl einige Zentimeter zusammen. Nun ja. Jetzt ist er ungefähr auf Kyos Höhe. Wenn er bloß wirklich so klein wäre.. Dann würde man ihn mit seinen Plateauschuhen zwar immer noch nicht überhören können, aber man könnte ihn wenigstens halbwegs übersehen.

Ich wende meinen Blick von der Szene ab, nehme meine leere Schale und die restlichen Sachen vom Tisch und stelle sie in das Spülbecken. „Kyo ist heute dran.“ werfe ich nur kurz in den Raum und gehe mir dann die Zähne putzen.

Pünktlich um neun Uhr sitzen alle 5, Miyu wurde von Shinya schweren Herzens zu den Nachbarn gebracht, im Auto. Ich am Steuer. Irgendwie wäre es mir lieber gewesen, Kaoru würde fahren.. er ist ein begabterer Autofahrer als ich. Na gut. Das ist nicht schwer. Glücklicherweise bewältige ich die schwierigste Aufgabe mit Bravur: das Starten und Ausparken. So kommt’s, dass wir wenig später erst den murrenden Kyo und den Miyulosen Shinya vor dem Kino absetzen. Kaoru hat spontan entschlossen, dass die beiden sich zusammen Pirates of the Caribbean II, Dead Man’s Chest, ansehen müssen. Shinya wollte den gern sehen. Kyo hat bei der Auswahl rumgezickt, obwohl er ohnehin den ganzen Film über schlafen wird. Nun wird Toshiya immer hibbeliger, während er mir bereits zum zehnten Mal den Treffpunkt nennt, an dem wir ihn absetzen sollen. Er redet so schnell, dass Kaoru und ich sehr viel Mühe haben, ihn überhaupt im Ansatz verstehen zu können. Wir wissen inzwischen so viel, dass es sich um eine Art Blinddate handelt. Toshiya bestreitet immer noch, dass er sein Date im Darkroom kennen gelernt hat. Allerdings können Kao und ich uns das nicht anders erklären, warum es sonst ein Blinddate wäre. Wir wundern uns überhaupt, wie man in einem Darkroom jemandem seine Telefonnummer geben kann. Schließlich ist es ja, wie der Name sagt, recht dark da drinnen. Nicht dass ich das aus Erfahrung wüsste. Der Name sagt’s halt.

Toshiya sprudelt unaufhörlich weiter „..Und er hat gesagt, er will euch beide auch kurz kennen lernen!“ ..der Kerl hält sich auch alle Hintertüren offen.. „Er ist gaaanz anders als die andern Typen, mit denen ich mich bisher getroffen habe..“ Kaoru und ich blicken uns viel sagend an und wir verstehen uns. Das selbe hat Toshiya bisher bei fast jedem neuen Date gesagt. Kaoru unterbricht Toshiyas Redeschwall mit einer Frage. „Totchi, wie heißt der Kerl eigentlich?“ „Wie er heißt?“ ich sehe selbst im Rückspiegel, wie Toshiya strahlt „Gackt.“ kommt es von dem offenbar atomarverseuchten Subjekt auf dem Rücksitz. Anders könnte man dieses Strahlen nicht begründen. Kaoru fängt an nachzudenken. „Gackt.. der Name kommt mir bekannt vor.. aber irgendwie sagt er mir gerade nichts..“ er zuckt ergeben mit den Schultern „Was soll’s.“ Ich zucke ebenfalls beipflichtend mit den Schultern und biege in die nächste Straße ein. Seltsam.. Kaorus Nähe scheint mir beim Autofahren Sicherheit zu geben.. Vielleicht sollte ich ihn als Glücksbringer an mein Schlüsselbund hängen.. und dann an meinen Gürtel. Dann wäre er auch immer ganz nah bei meinem.. Lassen wir das.

Vor einem gemütlich aussehenden Eiscafé zwingt mich ein spitzer Schrei Toshiyas zum Anhalten „Stooooop! Hier ist es!“ aufgeregt wie ein kleines Kind beginnt er auf dem Rücksitz zu zappeln. „Um Himmels Willen..“ murmelt Kaoru und spricht somit meine Gedanken laut aus. Er und ich steigen gleichzeitig aus dem Wagen. Ich gehe nach hinten und öffne dem vollkommen überdrehten und euphorischen Totchi die Tür, denn er schafft es gerade mal den Gurt zu öffnen, ohne sich zu strangulieren. Ich blicke zu Kaoru und lächle verschmitzt „Der Gute ist echt auf Adrenalin..“ Toshiya steigt aus dem Auto, glättet seinen breiten Gürtel- äähm.. Minirock und hüpft einige Male aufgeregt auf der Stelle, was wieder einmal das uns zu gut bekannte Klackern seiner Schuhe zur Folge hat. Kaoru lächelt ein wenig. Das erste Mal heute. Vielleicht ist er froh, das nahezu kollabierende Totchi loszuwerden. Ich vernehme eine tiefe, maskuline, aber schöne Stimme zu meiner Rechten. „Toshimasa?“ ein braunhaariger, recht groß gewachsener Mann steht hinter Kaoru und tippt ihm sanft auf die Schulter. Besagter dreht sich irritiert herum und deutet auf das sich suchend umguckende Totchi neben ihm. „Ich bin nicht Toshimasa. Er ist es.“ „Ah, Verzeihung.“ auf diesen simplen Satz folgt ein entschuldigendes und seeehr charmantes Lächeln. Dafür kann man ihm diese Verwechslung gerne verzeihen.. diesem Gackt.. Hey Mooooment mal. Meine Gedanken sind allein für Kao da! Raus daaa, raus! Ach ja..

Ein innerliches Seufzen folgt. Kaoru ist eben doch viel besser ohne Klamo.. in meinen Gedanken aufgehoben, meine ich. Ich spüre ein Kribbeln im Nacken und wende mich zu unserem Bandleader, der wie frisch ertappt schnell seinen nachdenklichen Blick abwendet.

Toshiya ist diesem gewissen Gackt gerade um den Hals gefallen und führt ihn nun zu dem schweigenden Kaoru und mir.

Totchi strahlt uns entgegen. Wir stehen nur einen knappen Meter von ihm entfernt, aber ich bin mir sicher, dass wir ihn auch noch aus 100 Metern Entfernung problemlos erkennen könnten. Vielleicht ist es ja auch nur sein Make-up, das mit den ganzen Glitzerpartikeln die Sonne, die ausnahmsweise in voller Pracht am Himmel steht, reflektiert.

„Aaaalso.“ beginnt er „Das ist Gackt.“ Besagter Gackt reicht mir seine Hand und auch mir fällt jetzt auf, dass er mir auf seltsame Art und Weise bekannt vorkommt. Was soll’s. Ich nehme seine Hand und schüttle sie höflich. Mit der freien Hand zeige ich zuerst auf mich und dann auf Kaoru, dem er nach mir seine Hand reicht.

„Ich Daisuke, das’s Kaoru.“ ..Jaaa... Ganz toll, Daisuke Andou. Ich Tarzan, du Jane. Ich lächle zerknirscht, lege hinter meinem Rücken die Hände in einander und wippe leicht nervös auf den Fußballen vor und zurück.

„Wir gehen dann mal rein.“ wirft Toshiya in die schweigende Runde. Und kurzerhand hakt er sich bei Gackt ein. Dieser nickt noch einmal zum Abschied und wird ohne weitere Worte von Totchi in das Eiscafé geschleift.

Kaoru sieht mich lächelnd an. „Ob der Gute wohl weiß, was er sich da angelacht hat?“ „Ich glaube kaum.. Aber er dürfte alt genug sein, um es selbst herauszufinden.“ erwidere ich und grinse viel sagend.

„Lass uns nachhause fahren.“ sagt Kaoru und macht sich an der Beifahrertür zu schaffen. Als er gerade abtauchen will vernehme ich aus meiner Kehle ein doch recht lautes „Halt!“ Kaoru guckt verwundert zu mir „Was ist denn?“ „Du fährst. Ich brauche weder einen Herzinfarkt, noch eine blutige Nase und schon gar kein zerbeultes Auto vor unserem Haus.“ Kaoru lacht kurz auf und zuckt dann mit den Schultern „Na gut. Dann her mit den Schlüsseln.“ Zum Seitenwechseln gehen wir beide um die Motorhaube herum. Ich habe vorher geistesabwesend den Schlüsselring um meinen Daumen gelegt und somit verharren wir kurz vor einander stehend, bis ich endlich meinen Finger aus den ganzen kleinen Anhängern befreit habe. Der Schlüsselbund besteht nur zu 1/5 aus Schlüsseln. Ein Schlüssel für das Auto, den Briefkasten und die Haustür. Und dazwischen dann 15 bunte, kleine Schlüsselanhänger, weil ein gewisser Toshimasa es niedlicher fand. Ein gewisser Kyo hingegen gar nicht.

Kaoru kann es letztendlich nicht länger mit ansehen, wie ich mir bei dem Versuch meinen Daumen zu lösen beinahe sämtliche Gliedmaßen ausreiße.

„Ach komm schon, Dai-Baka, ich helf dir..“ bei den Worten grinst er und legt seine Finger an den Schlüsselring. Seine Worte.. Dai-Baka hat er gesagt.. Das klang so liebevoll..Seine weiche Haut.. wow.... Seine warme, weiche Haut berührt meine immer nur für ganz kurze Augenblicke, aber jedes Mal wieder fühlt es sich so an, als würde die berührte Haut auf meiner Hand brennen. Es dauert nur einen kurzen Moment, da hatte Kaoru den Schlüssel in seinen zarten Händen. Die ganze Zeit über hatte ich ihn dabei angestarrt. Vielleicht zu auffällig? Auf jeden Fall piekt er mir in den Bauch und fängt kurz an zu lachen. Dann sieht er mir in die Augen. Und was tue ich? Natürlich. Ich laufe rot an. Daraufhin muss ich verschüchtert grinsen und wende den Blick ab. „Los, geh zur Fahrerseite, ich will nach hause.“ murmle ich, während ich mit einer knappen Handbewegung abwinke. Ich gehe meinerseits zur Beifahrerseite und steige kurzerhand ein. Kaoru sitzt bereits im Wagen und startet den Motor.

Ich drehe meinen Kopf noch einmal zurück zum Café und lege meine Stirn nachdenklich in Falten. Kaoru scheint meine Gedanken lesen zu können

„Dieser Gackt kommt mir wirklich bekannt vor.“ zur Antwort schüttle ich den Kopf

„Ach was, der hat halt ein Allewelt-Gesicht. Solche Leute kommen einem immer bekannt vor.“ Kaoru schmunzelt nur und zuckt mit den Schultern.
 

Den Rest der Fahrt reden wir gar nicht, bis wir wieder vor unserer Haustür stehen und der Schlüssel im Schloss steckt. Inzwischen hatte sich der Himmel zu gezogen und es sah aus, als würde es jeden Moment anfangen zu regnen.

„So, Daisuke, jetzt wird’s ernst.“ Ich sehe Kaoru verdattert an, sage aber nichts. Ich weiß nicht, ob ich mir jetzt Sorgen machen soll oder worum es überhaupt geht. Er hatte zwar angekündigt, dass er mit mir allein reden will, wenn die anderen weg sind, aber worüber? Unsere Freundschaft..? Moment mal.. Ich bin ALLEIN mit ihm. Scheiße. Und jetzt? Wie soll ich mich denn verhalten?

Ich werde sichtlich nervös, aber Kaoru scheint es entweder nicht zu bemerken, wie ich versuche, den Wasserfallartigen Fluss meines Schweißes auf meinen Handflächen zu verbergen oder er ignoriert es ganz einfach. Er sieht mich auch nicht direkt an, als wir unsere Wohnung betreten.

Er zieht seine Schuhe aus und bleibt danach ungerührt stehen, bis ich meine ebenfalls an ihren Platz gestellt habe. Er sieht mir noch immer nicht ins Gesicht und greift meine linke Hand.

„Komm mit.“ murmelt er. Seine Stimme klingt so geheimnisvoll, dass sie sich schon fast niedergeschlagen anhört. Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob ich einen guten Grund habe, mir Sorgen zu machen. Vielleicht will er mich zu einem Therapeuten schicken, weil ich ihn immer so sehr mit glasigen Augen anstarre..?!

Ich schlucke schwer. Kaoru reagiert nicht und zieht mich einfach stumm mit in unser Wohnzimmer. Mit sanfter Gewalt drückt er mich auf das Zweiersofa und setzt sich daneben.

„Also, Daisuke.“ Scheiße. Was mach ich jetzt? Ich mach mir gleich in die Hose, das mach ich!

‚Hör auf mit dem Scheiß, Daisuke-Baka. Wenn du dir jetzt in die Hose machst, blamierst du dich bis auf die Knochen, stürzt dich aus dem nächsten Fenster und ich komme mit dir um. Meinst du nicht, dass ich zu wertvoll bin, als mit dir aus nem Fenster in den Tod zu stürzen?’ ‚Halt’s Maul.’ ‚Boah..’ ein entnervtes Seufzen war in meinem Hinterkopf zu hören und ich wette, dass, wenn meine innere Stimme Augen hätte, dass sich diese dann vollkommen denerviert um 360° gedreht hätten.

Back to Basics. Ein grandioses „Hm..“ folgt meinen Gedankengängen.

„Ich wollte mit dir reden.. und ich muss sagen..“ Kaoru zieht die Luft scharf zwischen seinen Schneidezähnen hindurch ein. Ich spüre wie seine Hand unruhig über die Sofapolster streichen. Ich verstehe, dass er jetzt gern eine rauchen würde. Mir geht es nicht anders. Aber er scheint es ja zu unterdrücken, das Verlangen nach seinen Zigaretten. Zumindest versucht er’s. Und ich tue es ihm gleich. Aber ich beginne ungewollt damit, meine Händen zu ringen. Aber ich kann nicht anders, ich muss etwas tun und ich kann doch nicht Kaoru einfach in’s Wort fallen, schließlich habe ich keinen blassen Schimmer davon, was er mir sagen will. Und er auch nicht, wie es scheint.

„und ich muss sagen, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.“ er beißt sich auf die Unterlippe. Und ich sehe ihn an. Ein schwerer Fehler. Es sieht so heiß aus, wenn seine oberen Schneidezähne ganz langsam über das empfindliche Fleisch seiner Lippe streifen. Oh man.. ich hab ne Gänsehaut.. Jetzt bloß nichts anmerken lassen.. wow..

Plötzlich schaut er auf. Scheiße. Ich mit meinem glasigen Blick. Ich hoffe, ich habe dieses Mal auch nicht gesabbert. Prüfend, ganz beiläufig fahre ich mit meiner Zunge meine Mundwinkel kurz ab. Das war knapp. Ein paar Sekunden länger und ich hätte hier gesessen wie eine geifernde Hyäne.

Leise beginnen feine Regentropfen gegen die Fenster zu prasseln. Ich halte die Stille nicht mehr aus.

„Sag’s einfach Kaoru, ich werde dir daraus garantiert keinen Strick drehen..“ ich versuche ihn aufmunternd anzulächeln, aber mein Lächeln geht in der plötzlichen Dunkelheit unter und meine Worte verschwinden ebenfalls zum Teil in einem recht lauten Knall, der verkündet, dass soeben die Sicherungen allesamt rausgeflogen sind. Kaoru seufzt erleichtert. Kein Blickkontakt ist halt immer noch besser als.. öhm.. Blickkontakt?

Kaoru klingt ein wenig bedrückt, als er beginnt weiter zu reden. „Die, du siehst mich schon seit geraumer Zeit immer so seltsam an..“ Autsch. Das hat gesessen. „Und na ja.. weißt du..“ er räuspert sich kaum hörbar. „Ich hab seit einer ganzen Weile schon so ein Gefühl.. dir gegenüber.“ die letzten beiden Worte kommen kaum noch gehaucht über seine Lippen. „Und mit deinen Blicken.. Machst du mir.. eine gewisse.. Hoffnung.“

Ein unsicheres Hüsteln von mir und ein kurzes, nervöses Lachen und ich spüre, dass Kaoru aufsteht. „Tut mir leid, vergiss, was ich gesagt habe, ich werde dann mal die Sicherungen wieder einschalten.“ „Stopp!“ höre ich mich selbst sagen und spüre wie meine vermaledeite Hand nach Kaorus greift, ihn zurückhält. Gleichzeitig erhebe ich mich selbst und stelle mich vor ihn.

„Kaoru..“ ich ziehe ihn sanft an mich, schließe meine Arme um seinen zarten Körper und schmiege meinen Kopf an den seinen. Tief ziehe ich seinen Geruch durch meine Nase in meine Lungen und es ist, als würde sein Duft wie eine Droge direkt in mein Blut übergehen. Ich bin nicht mehr aufgeregt. Nicht mehr nervös. Ich bin wie betäubt.

Leise, kaum lauter als die um Einlass bittenden Tropfen am Fenster, flüstere ich an sein Ohr „Du hast meine Blicke richtig gedeutet, denke ich..“ ohne zu wissen, ob er überhaupt von dieser Art Gefühl geredet hat, die ich für ihn empfinde. Nun bin ich mir sicher. Jetzt, da ich ihm so nah bin. Meine Gefühle sind keine einfache Schwärmerei, keine Bewunderung. Ich liebe ihn. Eindeutig. Allerdings spüre ich etwas wie Angst in meinem Hinterkopf wachsen. Wenn er mir jetzt widerspricht. Wenn er mich jetzt angewidert wegstößt, was tue ich dann? Doch meine Zweifel werden durch seine nächste Bewegung zerstört. Langsam und ganz sanft hebt Kaoru seine Arme und legt sie um meine Taille. Ich spüre wie sich sein wundervoller, violetter Haarschopf bewegt und er seine Stirn in meine Halsbeuge schmiegt.

Für einige wundervolle Augenblicke stehen wir einfach nur da. Eng aneinander geschmiegt im dunklen Wohnzimmer. Tief und dunkel grollt der Donner draußen und feinlinige Blitze durchziehen den wolkenverhangenen Himmel. Und irgendwann erhebt Kaoru seine Stimme ein weiteres Mal. Ich muss mich fast anstrengen, um ihn richtig verstehen zu können, er klingt unsicher. So unsicher, wie ich mich gefühlt habe.

„Dai-Chan.. Ich glaube.. Ich liebe dich..“ Diese Worte brennen sich sofort in mein Gedächtnis und in mein Herz. Mich überkommt eine Welle der Euphorie, die meinen Herzschlag beinahe aussetzen lässt. „Und ich weiß... dass ich dich liebe, Kaoru.“ erwidere ich mit einem Grinsen auf den Lippen, das mir gar nicht mehr von eben diesen weichen will. Hätte ich keine Ohren, mein Grinsen würde ohne Unterbrechung einmal um meinen Kopf herum gehen.

Ein wenig Abstand bringe ich zwischen Kaoru und mich. Meine rechte Hand lasse ich auf seinem Rücken, aber mit der linken streife ich mit sehr geringem Druck an Kaorus Kinnlinie entlang. Ich senke meine Gesicht und nähere mich seinem. Geschätzte zwei Zentimeter vor seinen Lippen stocke ich. Ich will seine Reaktion wissen und lasse meinen Atem unbewegt über seinen Mund streichen.

„Auf diesen Moment warte ich schon so lange..“ murmelt Kaoru in diesem Moment, reißt seine Hände hoch zu meinem Kopf, legt sie an meinen Nacken und zieht meinen Kopf stürmisch an sich. Unsere Lippen treffen heftig und doch so sachte aufeinander. Im ersten Bruchteil eines Augenblicks bin ich völlig perplex über Kaorus plötzliche Übernahme der Macht über das Geschehen. Aber darauf muss man bei ihm eigentlich vorbereitet sein. Schließlich ist er der Leader-Sama. Ich erwidere sein galantes Zungenspiel enthusiastisch und lege meine nun recht überflüssig gewordenen Hände an seine drängende Hüfte. Mit sanfter Gewalt fordert er mich dazu auf, mich aus das Sofa zu legen. Ohne den wilden Kuss auch nur eine Sekunde zu unterbrechen, gebe ich seinem Drängen nach und platziere mich auf dem Sofa. Breitbeinig. Aber nur, um Halt zu finden, denn Kaoru fackelt nicht lange. Glücklicherweise hat unsere Couch eine tiefe Sitzfläche. Anderenfalls lägen wir beide nun auf dem nackten, kalten Boden. Denn Kaoru legt sich kurzerhand halb auf mich drauf. Sein linkes Bein liegt zwischen meinen, mit dem anderen stützt er sich neben mir ab. Atemlos trennen wir unser gieriges Lippenspiel und Kaoru beginnt wie ein Kind, das sein Geburtstagsgeschenk öffnet, mir mein T-Shirt auszuziehen. Ich lasse mir das nur zu gern gefallen, ziehe es mir selbst über den Kopf und lasse es neben das Sofa fallen. Ebenso verfahren wir mit seinem Hemd. Suchend lasse ich meine Finger über seinen warmen Oberkörper gleiten. Über sein Schlüsselbein, seine Brust, die harten Brustwarzen, seinen Bauch, zu seinen Seiten und hinab bis zu seinem perfekten Po, den ich bisweilen nur aus der Ferne bewundern konnte. Kaoru lässt sich nichts nehmen und beginnt seinerseits meinen Oberkörper mit seinem Mund zu liebkosen. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und lasse ein genießerisches Seufzen seinen Weg aus meiner Kehle bahnen. Kaorus Lippen suchen langsam, aber stetig den Weg zu dem Bund meiner Hose. Seine flinken Finger machen sich gerade begierig an meinem Hosenknopf und dem Reißverschluss zu schaffen, als ein Geräusch das genießende Keuchen von uns beiden unterbricht und übertönt. Entweder klopft dort draußen jemand sehr energisch mit einem Vorschlaghammer an oder jemand versucht mit seinen 30 Zentimeter Plateauschuhen die Tür einzutreten. „Verdammt..“ murmle ich und richte mich auf, nachdem Kaoru bereits neben dem Sofa steht, sein Hemd wieder überzieht und mir meines reicht. „Tolles Timing..“ meint er und drückt mir schmunzelnd einen Kuss auf die Stirn. Ich ziehe mir schnell mein T-Shirt über und stehe auf. Das Klacken der Tür des Sicherungskastens sagt mir, dass Kaoru wohl schon dabei ist, die Sicherungen wieder funktionsfähig zu machen. Ich für meinen Teil gehe zur Tür und bemerke noch gerade, bevor ich den Schlüssel herum drehe und die Klinke herunterdrücke, dass mein Hosenknopf noch offen ist. Ich schließe ihn und öffne die Tür.

Ein vollkommen durchnässtes, sehr niedergeschlagenes und herzzerreißend weinendes Totchi kommt mir entgegengestürmt und wirft sich in meine Arme. Im selben Moment geht das Licht wieder an.

„Daahahahahaaaiiiii....“ „Mensch, Totchi, du solltest doch anrufen, wenn was ist, wozu hast du denn ein Handy?!“ vollkommen irritiert transportiere ich das durchnässte, zitternde Nervenbündel in die Küche und zu dem erstbesten Küchenstuhl, den Kaoru, vorausschauend wie er ist, schon bereitgestellt hat. „Was ist denn passiert, Toshiya?“ mischt sich unser Bandleader mit fürsorglichem Blick in Toshimasas Geschluchze ein.

„Er.. *schnief* er hat.. einen.. anderen *schnief* irgendein.. blöder Kerl namens.. Hyde!“ Kaoru seufzt und ich lege Totchi meine Hand auf den Rücken. „Ich wusste doch, dass mir der Kerl komisch vorkam.. dieser.. Gackt.“ als ich den Namen ausspreche, heult Totchi erbärmlich auf und fängt an zu wimmern. „Ich *schnief* sehe vieeeel besser aus, ich *schnief* weiß gar nicht, was... Gackto-Chan an dem findet.. *schnief*“ Kaoru geht in der Zeit in’s Wohnzimmer und ich höre, wie er Kyo auf seinem Handy zu erreichen versucht. Er schaltet auf Lautsprecher, vielleicht, damit er währenddessen das Sofa wieder richten kann.. „Hm?“ meldet sich eine Stimme, die wirklich niemand anderem als unserem Vokalisten gehören kann. „Kyo?“ „Hm.. ruf doch Shinya an.“ „Aber der steht doch garantiert neben dir.“ ein weiteres Murren am anderen Ende der Leitung und danach das Besetztzeichen. Aufgelegt. Ich kann Kaoru im Wohnzimmer wütend vor sich hingrummeln hören. So etwas wie: der hat sich wohl das Hirn geblichen.. Kann ich gerade so verstehen, wenn Toshiya nicht gerade wieder einen seiner markerschütternden Schluchzer verlauten lässt.

Dieses Mal telefoniert Kaoru auf die ‚normale’ Art und Weise. Das Sofa scheint gerichtet zu sein. Shinya und Kyo sollen sich ein Taxi nehmen und damit heimfahren.

Ich wende mich wieder vollständig Toshiya zu, der immer wieder einen durchdringendes Wimmern und Schluchzen zum besten gibt.

Keine zehn Minuten später sitzen alle Bandmitglieder bei Toshiya am Küchentisch. Shinya hat zu Toshiyas Rechten Platz genommen, ich sitze zu dessen Linken. Links von mir wiederum liegt Kyo mit dem Kopf auf seinen Armen gebettet auf dem Tisch und macht das, was er außer essen, Songs und Gedichte schreiben am besten kann. Links von Kyo sitzt letztendlich Kao.

[rechteckiger Tisch, eine schmale Seite an der Wand, an der anderen sitzt Die]

Shinya streicht Toshiya tröstend immer wieder über seinen Rücken und sieht dann Kaoru mit bedeutsamem Blick an. „Habt ihr ihm denn schon ‚du-weißt-schon-was’ gegeben?“ Kao hebt eine Braue „Bitte was?“ Shinya stöhnt entnervt auf „Das ist doch nicht dein Ernst, wofür kauft man denn sonst so was?!“

Ich habe Shinya schon lange nicht mehr so viel sprechen hören. Und vor allem nicht so energisch. Auch Kaoru scheint es ähnlich zu gehen. Leicht verwirrt sieht er Shinya zu, wie dieser seinen Stuhl zurück schiebt und zum Kühlschrank geht. Toshiya hat für einen Moment aufgehört zu schluchzen und reibt sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang. Mit seinen verheulten Augen blickt er ebenfalls zu Shinya und selbst Kyo hat ein Auge geöffnet, um ein wenig von dem Geschehen mitzubekommen.

Mit einer bühnenreifen Geste öffnet Shinya die Tür des Kühlschranks mit der rechten Hand und zaubert wenige Sekunden später mit der linken eine selbst gekaufte Schokoladentorte aus dem inneren des Kühlschranks hervor. Ach ja. Stimmt.. Shinya hat uns extra aufgetragen einen gewissen Vorrat an Schokolade und schokoladenhaltigen Dingen anzulegen. Für den Fall, dass Toshiya wieder einmal ein Date hatte. Der Gute konnte einem auch leid tun. Aber nun ja, Schokolade ist nun einmal die beste Medizin. Beim Anblick des riesigen Stückes des Schokoladenkuchen, das Shinya, wie so oft zuvor, für ihn zurechtschneidet, beginnt Toshiya wieder zu sprechen. Ein wenig gebrochen zwar, aber er spricht. So war das immer.

„Ich meine.. was hat er.. das ich nicht habe? Frau und Kind..?“ Totchi schnief noch einmal erbärmlich und ich reiche ihm mein letztes Taschentuch beinahe wie eine Opfergabe dar. Toshiya schnäuzt sich daraufhin und holt erneut Luft „Er ist so ein Barschloch.“ Kyo öffnet auch noch sein zweites Auge und Kaoru sieht Toshimasa ebenfalls fragend an. Ich spreche es schließlich aus „Barschloch?“ „Ja.“ Bestätigt mir Toshiya mein Hinterfragen. „Baka und Arschloch. Ich konnte mich nicht entscheiden.“ „Ah.“ Kaoru und ich werfen uns kurz viel sagende Blicke zu. Wir verstehen uns auch ohne Worte. Ja, klar, so kann man das auch interpretieren, aber so meine ich das jetzt gar nicht.

Shinya stellt Toshiya das gewaltige Stück Schokoladentorte vor die Nase, legt ihm seine Hand auf den Rücken und beginnt erneut damit, Toshiya sanft über diesen zu streichen, während er sich wieder auf seinen Platz setzt.

In weniger als fünf Minuten hatte unser Bassist das gesamte Stück Torte verschlungen. Danach ging es ihm, wie es ihm dann immer geht. Er ist dann immer, als wäre er vollkommen high. Von Vanilleräucherstäbchen versteht sich. Und ja, davon kann man high werden. Ich spreche da aus Erfahrung.

Die Türklingel reißt mich plötzlich aus meinen Gedanken. „Wer kann das wohl sein?“ frage ich, ohne mich an jemanden bestimmtes zu richten. Ich stehe auf, gehe aus der Küche und zur Eingangstür. Ich öffne sie zuerst nur einen Spalt und dann vollständig, als ich erkenne, wer da vor mir steht. Gackt. Erst jetzt, als er mir seine Hand demonstrativ an die Hüfte legt, bemerke ich, dass Kaoru mir gefolgt war. Das Objekt in der Tür wurde von uns beiden mit unseren Blicken regelrecht geröntgt. Und es war ihm offensichtlich sehr unangenehm von Kao und mir so durchdringend angesehen zu werden. Kaorus Hand bewegt sich kurz, als er anfängt zu sprechen, doch seine Worte bekomme ich kaum mit. Sie sind mir auch egal.. noch eine feine Bewegung von Kaorus Fingern an meinen Lenden.. wuaah.. Gänsehaut. Verdammt.. Mehr als Gänsehaut.. Nya.. aber jetzt, wo er doch weiß, dass ich ihn liebe und er mich auch.. vielleicht stört es ihn dann ja gar nicht, wenn ich mit ner Beule in der Hose herumstolziere. Hm. Vielleicht hat er ja ab und zu wegen mir selbst einen Stä- lassen wir das. Ich laufe schon wieder rot an. Diese miesen Gedanken.. uaah aber sie sind schööön.. schön mies.. Au jaa.. Kaoru...

„Daisuke?“ „Hm?!“ ich schrecke hoch. Mist. Ich hab doch nicht schon wieder angefangen zu sabbern.. oder?

„Wollen wir Gackto-san reinlassen?“ reinlassen?! Warum soll.. Oh.. so meinte Kao das gar nicht. Ein innerliches Räuspern.

„Ähm.. gut. Komm rein.“ ich gehe mache zusammen mit Kaoru den Weg in unsere Wohnung frei. Ein kleiner prüfender Blick nach unten und ein erleichtertes Seufzen. Keine Delle in der Hose sichtbar. Dafür sitzt sie zu tief und ist zu weit. Baggypants eben. Oder wie auch immer diese verfluchten Dinger heißen. Kaoru scheint mein kurzer Blick nicht verborgen geblieben zu sein. Denn auf einen ersten, tadelnden Blick von ihm, folgt ein breites Grinsen und ein großzügiger Kniff in meine Pobacke.

Gackt hat sich inzwischen seine Schuhe ausgezogen und sie fein säuberlich zu den anderen gestellt. Er sieht Kaoru kurz an und räuspert sich. „Toshimasa-chan?“ kaum hatte er dies ausgesprochen, hören wir ein wildes Poltern in der Küche und ein Paar nackter Füße aufgeregt zur Tür tapsen „GACKTO-CHAAAAN!“ tönt es aus Toshiyas Kehle und mit ausgebreiteten Armen rennt er auf unseren neuesten Besucher zu. Dieser nimmt ihn seinerseits in die Arme und lächelt ein wenig bedrückt. „Das vorhin tut mir leid.. Hyde ist so anhänglich.. ich habe ihm schon einmal gesagt, dass das mit uns nichts werden kann, wegen seiner Familie. Ich will mich da nirgendwo einmischen.. Toshimasa-chan.. verzeihst du mir?“ Toshiya strahlt Gackto an, als wäre er ein Atomkraftreaktor. „Haiiiii Gackto-chan! Du machst mich so glücklich..“

Heilige Scheiße.. mit großen Augen starre ich auf die Szene, die sich dort vor mir abspielt. Das klingt ja wie in ner billigen Soap oder Telenovela oder wie auch immer diese schmierigen Dinger heißen mögen.. Ist ja widerlich..

Toshiya drückt Gackt einen kurzen Kuss auf, greift seine Hand und zieht ihn langsam aber stetig in die Richtung seines Zimmers.

Kaoru und ich blicken uns an. Aus Erfahrung können wir sagen, dass er dort so schnell nicht wieder rauskommen wird...

Der Bandleader setzt sich in Bewegung und geht in Richtung Küche. Was sehe ich da? Shinya scheint die ganze Szene nicht all zu begeistert verfolgt zu haben. Das verrät mir das ‚ich-bring-dich-um-Funkeln’ in seinen Augen, bevor er seinen Kopf blitzschnell wieder aus dem Türspalt zieht. Ich muss unwillkürlich schmunzeln. Entweder ist es ihm unheimlich schade um die Schokoladentorte oder um Gackt oder Toshiya. Oder eventuell um diesen sonderbaren Gackt.. Nein. Quatsch. Es ist bestimmt die Schokoladentorte.

Ich folge Kaoru zurück in die Küche und vergreife mich sogleich an unserem Kühlschrank. „Oh. Ich wusste gar nicht, dass wir so viel Guavensaft vorrätig haben.. Neben den Massen an Schokoladentorte..“ „Na ja. Shinya hat gegen Toshiyas wöchentlichen Beziehungsfrust mit genügend Schokoladentorte vorgesorgt. Was den Guavensaft angeht.. Erst hast du welchen gekauft, davon wusste Shinya nichts und ich auch nicht, deshalb haben wir jetzt die dreifache Menge. Würde Kyo sich nicht an den Keksen vergreifen und zur Abwechslung mal ein bisschen von dem Saft trinken, bekommen wir den auch noch bis zum Ablauf des Haltbarkeitsdatums leer.“

Ich zucke mit den Schultern und greife mir eine Dose. Im Moment kann ich nicht erkennen, ob in unserem Kühlschrank noch etwas anderes steht. Man sollte Guavensaft gekühlt trinken, dann schmeckt der richtig gut. Warm schmeckt der aber nach Erbrochenem.

Ah, Moment. Da steht noch was anderes drin. Ungefähr 30 Dosen Engerydrinks und ein bisschen Bier.. Kein Schwein kauft mehr Cola.. deshalb musste ich vor einer Weile auf Guavensaft umsteigen. Irgendwann werde ich das selbst in die Hand nehmen. Irgendwann.

Ich schließe die Tür des Kühlschranks und bemerke erst jetzt, dass Kaoru mich mit verträumtem Blick beobachtet hatte. Er sieht aus, als versucht er, mich mit den Augen auszuziehen.. und wenn ich mich nicht gerade sehr irre, merke ich, wie mein Gürtel lockerer wird..

Verdammt.. warum musste dieses plateauschuhtragende Etwas gerade in einem so.. kuscheligen Moment auftauchen..?

Kaoru schüttelt leicht verwirrt und mit einem ‚auf-frischer-Tat-ertappt-worden’ Blick seinen wundervollen Kopf und lächelt mich verlegen an. Ich schlucke kurz trocken und wende mich wieder meiner Dose mit Guavensaft zu, die ich für einen Moment ein wenig zu fest gedrückt zu haben scheine. Ein paar schöne Dellen hat das Gute Stück jetzt.. Moment mal... war es nicht sonst immer ich, der sabbernd da stand und Kaoru begaffte? Na ja. Ist jetzt ja auch egal. Kaoru hatte auf der Ferse kehrt gemacht und war in Richtung Wohnzimmer gegangen. Draußen regnet es noch immer. Als ich mit meiner nicht mehr wirklich zylinderförmigen Dose in den Flur trete, bietet sich mir ein seltsames Bild.

Shinya steht vor Toshiyas Zimmertür. Die rechte Hand zur Faust geballt. Er sieht so aus, als würde er am liebsten sofort in das Zimmer reinplatzen. Mir ist es allerdings lieber, er tut es nicht. Ich will mir den Schein bewahren, dass die beiden dort drinnen nur Mensch ärgere dich nicht spielen. Als Shinya mich entdeckt, läuft er, ähnlich wie Kaoru wenige Sekunden zuvor, rot an und verschwindet seinerseits in seinem Zimmer, Miyu folgt ihm auf dem Fuße und kann sich gerade noch durch den Spalt der Tür quetschen, ehe diese ins Schloss fällt.

So aufgewühlt habe ich Shinya selten gesehen.. Nur wenn Kyo mal wieder versucht hatte, Miyu mit Rattengift, Rohrreiniger oder Pestiziden zu füttern.. Ja, das tut er öfters..

Ich schüttle nur den Kopf, nippe an meinem verbeulten Guavensaft und werde einen Blick auf meine Armbanduhr. Hm. Ganz schön spät geworden. Toshiyas Therapie hat heute anscheinend länger gedauert, als gewöhnlich und vor allem war sie überflüssiger, als sonst. Es ist 23.27 Uhr.

„Hm..“ murmle ich nur und gehe zu Kaoru ins Wohnzimmer. Er hat den Fernseher eingeschaltet. „Nettes Programm..“ ich beginne zu grinsen und stelle mich mit meinem Saft vor die Couch.

„Ja..“ grummelt der Bandleader verärgert und taucht unter die Sitzfläche des Sofas ab. „Ich finde die Fernbedienung nicht...“

Ich pflanze mich mit meinem üblichen Grinsen neben ihn, auf die Seite des Sofas, die Kaoru nicht gerade untergräbt und wende meinen Blick der Mattscheibe zu.

Wirklich.. das Programm ist.. ganz toll.. Eine eindeutig Sonnenbank-gebräunte, Gelbblond gefärbte, aufgepushte, gebotoxte (ja, ich nenn das so.) Frau räkelt sich auf einem Küchentisch, während ein Anabolika-Suchti gerade dabei ist, seinen Gürtel zu öffnen und keucht mindestens jede Sekunde einmal: du machst mich so feucht! ...Ja.. klar.. wenn sie jedes mal, wenn sie den Satz wiederholt, feuchter werden würde.. hätte sie innerhalb von etwa zehn Minuten die Niagarafälle zwischen ihren Schenkeln..

Ich hebe eine Braue und blicke dann seufzend zu Kaoru. Französische billig-Porno-Produktionen.. Irgendwie macht mich das gerade nicht an..

Der Bandleader ist inzwischen dazu übergegangen, die Fernbedienung unter dem Sofa zu suchen. So habe ich eine perfekte Aussicht auf Kaorus Allerwertesten. Hm.. Ich würde da jetzt nur zu gern rein kneifen..

Ich beiße mir auf die Unterlippe und plötzlich ertönt ein Jubelschrei von unter der Sitzfläche. „JA! Ich hab sieeeee!!“ worauf auch sogleich ein dumpfer Schlag ertönt und ein zischendes Geräusch von Kaoru, als dieser wieder von seinem Tauchgang hoch kommt. In der rechten Hand hält er die Fernbedienung und mit der linken tastet er seinen Hinterkopf nach Beulen ab. Als er fündig wird, verzieht er das Gesicht. Ich leide mit ihm und erleichtere ihn sogleich mitfühlend um die Fernbedienung. Ich puste die letzten Staubmäuse von den Tasten und schalte endlich in ein anderes Programm.

„Lass das mal an. Ich hab zwar vergessen, was da kommt, aber es soll gut sein..“ meint Kaoru und platziert sich neben mir auf der Couch. „Das lässt sich ändern..“ meine ich und grinse, als ich auf die Taste für den Videotext schalte. Ehm ja.. toll. Die Infos wurden mal wieder nicht aktualisiert. Was soll’s.

Doch dann sticht mir eine Überschrift ins Auge: „Japanische Männer tun es zu wenig.“ ich hebe eine Augenbraue. Das macht mich doch irgendwie neugierig.. Wie die auf so was nur kommen..?

Ich gebe die angezeigten Ziffern ein und warte, bis der ‚Artikel’ angezeigt wird:

„Japanische Männer sind Sexmuffel. Das behaupten zumindest die Forscher. Und sie haben Beweise: So haben japanische Paare im Durchschnitt nur 41 Mal Sex im Jahr. Jetzt sahen sich Experten genötigt, die Japaner zu viel mehr Sex auffordern. Denn ein Drittel der Befragten hatte im vergangenen Monat gar keinen Sex. Das liege vor allem am Stress, so die Forscher. Viele Männer seien nach der Arbeit einfach so müde, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes keine Lust mehr hätten.“

Ups.. Da hab ich mir ja den Richtigen ausgesucht.. Ich sehe zu Kaoru, der sich gerade aus der Küche ein Bier geholt hat und lege die Stirn in Falten. Kaoru ist der Workaholic schlechthin.. Vielleicht hat er auch so gar keine Lust auf Sex.. Na ja.. Ich könnte ihn mal darauf an-.. Ne. Ich glaube nicht. Könnte man auch einfach in der Praxis austesten..



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2006-12-19T19:53:03+00:00 19.12.2006 20:53
aaarw <3
sooo toooll :)
ich find ja totchi so... süß.. xD
*ihn knuddel* ^___^;

als der name 'gackt' gefallen ist, musste ich wirklich lachen. XD
*gg* hehe

naja.. ich werd dann mal weiter.. ^^
Von:  Tetsu
2006-12-11T23:25:38+00:00 12.12.2006 00:25
>>Es ist bestimmt die Schokoladentorte.«
Es ist IMMER die Schokoladentorte xDDDDDDDDDDD

Ein wahnsinnig geniales Kapitel!
Die und Kao sind so waiiiiii~~~

Du schreibst echt wahnsinnig gut, man kann garnicht mehr aufhören *_______________*~~~

... weiter? *lieb schautz*
Von:  CandyHolic
2006-12-09T20:21:26+00:00 09.12.2006 21:21
Einfach obergeiler Schreibstil!
Schreib bitte gaaanz schnell weiter
Von:  -Touya-
2006-11-20T17:48:48+00:00 20.11.2006 18:48
das ist tooooll!!!!!!! *-*
dein schreibstil ist sooo... HAMMER XDDDD
besonders im 1. Kapi^^
einfach geil!!
ich favorier mir dat mal^.^
hoffe, es geht bald weiter!
Von:  Froda
2006-10-26T18:21:05+00:00 26.10.2006 20:21
*Umschau*
Gehts noch weiter?


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