Kapitel Sieben
Kapitel Sieben
Nächte lang hat es mich verfolgt.
Die Dämonen meines Gewissens.
Ist dies die Strafe für mein egoistisches, selbstschützendes Handeln?
Wollte Gott, dass ich weiß, wie es seinem kleinen Menschlein geht?
Hab doch Mitleid, zumindest nur einmal, wenn du mich schon verstoßen hast.
Hör endlich auf, mir diese Träume zu schicken….und diese seltsamen Gefühle.
Grausame, zermürbende Gefühle.
Es schmerzt. Ich fühle mich, als würde ich fallen und mir fehlen Hände um mich fest zu halten.
Ist dies das Fegefeuer?
Ein Wort von euch erfunden für einen Platz der Verzweiflung und der Strafe.
Mattes Schwarz starrt aus dem Fenster, beobachtet das Tanzen der Regentropfen, welche vom Wind hin und her geworfen werden.
Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen, der Mann der mich nicht los lässt.
Von meiner verzweifelten Belustigung blieb nur noch ein stinkender Haufen Selbstmitleid übrig.
Meine Gelenke knacken steif als ich mich erhebe um mich an zu ziehen und das Haus verlasse.
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Der Wasserhahn macht ein monotones Geräusch.
Erst scheint er etwas Luft durch die Leitung zu ziehen, dann löst sich der Tropfen mit einem *flupp* vom Metallgitter um in die oberste der Tassen des Stapels zu fallen, welche bereits bis zum Rand gefüllt war.
Karyu hatte schon länger nicht mehr gespült.
Der Mann hatte keine Lust.
Wieso auch? Er bekommt ja keinen Besuch.
Von keinem hatte er in den Tagen etwas gehört.
Die Zeit schreitet jedenfalls unaufhaltsam voran.
Vielleicht sollte er seinem Leben ja endlich ein Ende setzen.
Schnell und schmerzlos.
So war er doch immer gewesen.
Doch seit er den angeblichen Bassisten getroffen hatte, war nichts mehr ‚normal’, sein Leben war in Wallung geraten.
Monotonie und Routine waren gewichen.
Er vergötterte ihn. Nicht nur körperlich.
Gelangweilt und in schmutzigen Kleidern lag der Gitarrist auf seiner Couch um an die Decke zu starren.
Jedes Mal trieb ihm die Gewissheit, dass er sich in das unnahbare Wesen verliebt hatte die Tränen in die Augenwinkel.
Er hatte noch nie einen Korb bekommen und jetzt.. war es umso schlimmer.
Leises Flüstern untergrub die Stille, als ihm immer wieder der Name des anderen über die Lippen kroch.
Leise… und wohl nur an sich selbst gerichtet.
Die langen, bleichen Arme schlangen sich haltend um den eigenen Körper.
Wie gerne wollte er sich erlösen, sich selbst befreien.
Den einfachsten Weg wählen und vor seinen Gefühlen fliehen.
Es war feige, bemitleidenswert, egoistisch doch mittlerweile schämte er sich nicht mehr vor sich selbst.
Karyu war immer gegen Freitod gewesen, das Wählen eines Ablebens wenn man glaubt, aus dem tiefen Loch nie wieder heraus zu kommen.
Natürlich hatte er sich ständig überlegt, wie er es angehen sollte… das Aufschneiden von irgendwas erschien ihm als unschön, lächerlich.
Bei Gott, er hatte wirklich hunderte Wege gefunden wie er ein Ende setzen konnte, doch wahrscheinlich hätte er sich in den meisten Fällen nicht getraut es durch zu ziehen.
Zu Lang, zu schmerzhaft.
Er war schwach.
Es nicht einfach durch zu ziehen, oder es überhaupt tun zu wollen?
Diese Fragen hatte er schon lange aus seinem Kopf gestrichen.
Ob es nun kindisch war, einfach auf zu geben.
Er wollte nicht mehr.
Entschlossen stand er auf.
Fest vornehmend, er würde nie wieder an das gefühlskalte Monster denken schlurfte er in der Küche.
Dort stand schon das orangefarbene Röhrchen, welches er mit sehr viel Gerede und einem fetten Bonus in der Apotheke erstanden hatte.
Seine heruntergerutschte Hose machte schleifende Geräusche beim Laufen, die Säume waren schon dreckig-grau
Der Deckel sprang mit etwas Druck von der Röhre ab.
Wie kleine, weiße Smarties kullern die winzigen Kapseln in seine Hand.
Ein Klopfen lässt ihn zusammenzucken, jedoch stört er sich nicht daran als er sich den Inhalt seiner Hand einverleibt.
Es dauerte wirklich länger als er gedacht hatte.
Nach der neunten fingen sie an im Hals zu kratzen, brauchten viel von der abgestandenen Limonade, mit der er sie sich runterspülte.
Das hatte er sich wohl alles angenehmer und leichter vorgestellt, zumal ihn langsam eine gewisse Übelkeit einholte und ihm die leeren Gefäße aus den Händen rutschten.
In seinem Taumel bemerkte der Braunhaarige nicht einmal den kühlen Atem in seinem Nacken.
„Ich dachte du wärest einfallsreicher.“
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Plastik schlägt auf dem Boden auf und springt noch einige Male, ein erschrockenes Atmen war zu hören, während ich hinter dir stehe, tief den modrigen Geruch deinerseits einatme.
„Ich dachte du wärest einfallsreicher.“, sage ich.
Meine Worte klingen neutral, weder spöttisch noch mitleidig.
Ich brauchte nicht einmal leise sein, um mich an zu schleichen.
An ihm vorbei beuge ich mich neugierig zu der Verpackung der Schlaftabletten, entteuscht seufze ich auf.
Wie man es macht, macht man es verkehrt.
Ruhig lese ich mir die winzige Aufschrift durch, stelle sie auf den Tisch auf den ich auch meinen schmalen Körper schwinge, dass dabei so einiges runterfällt, stört mich wenig.
In deinen Augen spiegelt sich eine seltsame Freude wider, welche jedoch überschattet wird als dir klar wird, was du da genommen hast.
Deine Hände fassen auf meine Oberschenkel, krampfen als dein Gesicht sich zu einem schmerzlichen Lächeln verzieht.
„Du bist wieder da! Wieso nicht früher?!“
Ja ich bin zurückgekommen.
„Wieso denn? Jetzt bin ich doch hier..“ antworte ich den Kopf schief legend und hebe meine Rechte.
Dein Haar ist nicht mehr so weich wie noch vor einigen Tagen.
„Aber... ich dachte du kommst nicht mehr… nie wieder… und jetzt.. bring mich ins Krankenhaus.“ stotterst du und bettelst beinahe schon.
Ich mag es, wenn du das tust.
Doch da ist was. Ich habe noch nie Angst in deinen Augen gesehen.
Unter tausenden Menschen, bei denen ich so etwas erblicken durfte, wieso berührt es mich dieses Mal?
Hast du Angst, dass dein dummes Vorhaben jetzt klappen wird?
So kurz nachdem du vielleicht das bekommen hast, wonach du gestrebt hast.
Dass du mich verlassen musst.
Spöttisch hinterfrage ich, wieso, erhalte nur ein heiseres „Weil ich sonst sterbe.“
Trotz der Worte bildet sich ein süßes Lächeln aus meinem Mund.
Die langen, bleichen Finger legen sich auf die von kaltem Schweiß bedeckten Wangen.
Zärtlich streichle ich sie inmitten dieses Chaos’ Karyus Wohnung.
Beruhigt schließt du deine Lider, verweigerst mir den Blick auf dein wässriges Braun.
Ein kleiner Rand Feuchtigkeit bildet sich zwischen deinen vollen, dunklen Wimpern.
Hast du etwa Angst vorm Sterben?
Oder Gibst du damit zufrieden dies zu tun wenn ich da bin?
Krampfend zucken deine Hände in dem Stoff meiner Hose, so wie du sich an mich gelehnt hast.
Tut es weh?
Deine Wangen blähen sich immer wieder leicht auf als ich dir einen unschuldigen Kuss auf die zitternden Lippen gebe, du versucht diese unerklärliche Übelkeit zu unterdrücken.
‚Lass sie zu, bitte lass sie zu’, wage ich es nicht aus zu sprechen.
Nahe an deinem Ohr halte ich inne, befreie dein von Ringen verziertes Hörorgan sorgfältig von dem Üppigen Haar.
„Nein.. aber du wirt dich fühlen als müsstest du es….“, sanfte, warme Ohre dringen in dein Gehör.
Selten, nein eigentlich noch nie hast du so einen Tonfall von mir bekommen, ich höre ihn selbst zum ersten Mal seit langer Zeit.
Du hinterfragst es verwirrt, die Antwort jedoch, wird dir dein Körper selbst geben.
Ich wäre von gestern, würde ich nicht wissen, dass du dir davon in den nächsten Minuten und Stunden die Seele aus dem Leib kotzen wirst.
Dein schwerer, von dem Unwohlsein gequetschter Atem rauscht an meinem Ohr.
Die Minuten schleppen sich, noch immer verharrst du so an mir und kippst härter, fester gegen meine Schulter an der du dich festkrallst und gegen die vielen unangenehmen Reize ankämpfst.
Das Warten scheint ein ende, deine Mundwinkel zucken immer nervöser, der medizinische Brei quillt deine Speiseröhre hinauf.
Schwach sinkst du auf den Boden. Du kannst es nicht mehr halten, bis es aus dir bricht.
Halb verdaute Kapseln landen mit einigen schweren Schüben auf den Boden, dennoch schütteln dich weiterhin das zwanghafte Husten und Würgen.
Anscheinend war die Geschichte mit dem Brechmittel in den Schlaftabletten wahr, seltsamer weise macht sich eine kleine Erleichterung in mir breit.
Auch wenn ich den Geruch nicht ertragen kann, rutsche ich von meinem Tribünenplatz auf dem Tisch auf meine Füße und streichle dir über den Rücken bevor ich deinen Entkräfteten und vor Erschöpfung entsinnten Körper erhebe.
Du kannst nicht Danke sagen, doch ich weiß, du würdest.
Tränen überschwemmte Augen, schweißglänzendes Gesicht, blass wie Elfenbein und scheinbar blutleer.
Du schaffst es nicht, mich zu fragen, wieso ich dich ohne mühe durch deinen Flur tragen kann und dich auf das Bett lege.
Die Frage abnehmend beuge ich mich runter und flüstere dir zu es sei ein Geheimnis.
Ein schwaches Lächeln lässt deinen Mundwinkel kurz aufzucken bevor du dich der Müdigkeit hingibst.
Ich werde dich nicht fragen, wieso du so etwas Dummes getan hast. Ich weiß es.
Der Grund dafür bin ich, das ehrt mich seltsamerweise sogar.
Vorsichtig befreie ich dich aus den Kleidern, welche ich auf einen großen Haufen Schmutzwäsche werfe.
Dieser wächst und wächst, je mehr ich das Zimmer von der Unordnung befreie.
Zufrieden Setze ich mich auf die Bettkante, betrachte dein friedliches Antlitz welches in dem frischen Laken schlummert.
Meine Magengegend wird von einem seltsamen, warmen Kribbeln eingenommen je länger ich hier sitze und weiß, dass du bald wieder die Lider aufschlagen wirst.
Wirst du dich freuen, dass ich noch da bin?
Verstohlen verstecke ich mein Lächeln unter meiner Handfläche, da es mir selbst peinlich zu sein scheint.
Dies geschieht alles ohne dass du es bemerkst.
Erwache bald, mein Liebling. Du verpasst den ersten Schnee.