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Frei sein

von

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Bruder

Schon nach wenigen Minuten kam meine Bestellung und ich ließ den Löffel in das Vanilleeis gleiten. Nach wenigen Löffeln schon, stand ein etwas älterer Mann neben mir und lächelte mich an: "grüß Gott junge Dame, dürfte ich mich zu euch setzen" "Tut euch keinen Zwang an" mit einer Handbewegung deutete ich auf den Stuhl mir gegenüber. Auf diesen der Mann sich zugleich auch setzte. "Warum seit ihr hier her gekommen?" fragte ich den Mann kühl, das Eis von meinem Löffel schleckend. "Zu euch, weil ihr jemandem ..." er stockte kurz, fuhr dann aber doch fort ".. der mir sehr wichtig war ... und ist ... ähnlich seht!" Ich musterte ihn mit einem fragenden Blick und ließ kurz von meinem Eis ab. "Ach und wer soll diese Person gewesen sein." Er senkte seinen Blick, wobei sein dunkelblondes Haar nach vorne fiel, es ging ihm bis knapp über die Schultern und war leicht gelockt. "Ach, ich sollte mir keine Hoffnungen machen" Ich legte meinen Löffel beiseite und meinte: "Na wenn ihr euch keine Hoffnungen macht, dann könnt ihr ja auch wieder verschwinden!" In meiner Stimme war etwas kaltes, herzloses, das seit meiner Kindheit da gewesen war. "Meine Schwester" murmelte er kaum hörbar. Ich lächelte leicht: "Doch nicht aufgegeben! Und wie heißt sie?" "Yoe!" sein Blick war auf den Tisch gerichtet und leicht verzweifelt. "Ich habe sie seit 16 Jahren nicht mehr gesehen, aber so wie ihr ... so könnte sie aussehen! Aber ich sagte doch ich mache mir keine Hoffnungen sie wieder zu finden!" Ich ließ meine Hände sinken: "Jetzt sagt doch so etwas nicht, ihr werdet sie sicher bald wieder sehen!" Und lächelte ihn an. Man sah mir nicht an, dass ich auf meinen Namen etwas geschockt und gleichzeitig wissensbegierig reagiert hatte. "Wie habt ihr sie denn verloren?" fragte ich, mein Blick immer noch kühl, doch man merkte mir jetzt schon an, dass ich neugierig geworden war. Er seufzte: "Meine Mutter hatte sie verkauft! Wir waren finanziell am Ende und sie war verzweifelt. Meine arme Yoe." Ich stand abrupt auf und knallte meine Handflächen auf den Tisch. "Was glaubst du wie verzweifelt ich war. Allein mit diesem Mann, ganz alleine in einer fremden Stadt, umgeben von Fremden! Mir ging es nicht viel besser als euch!" Aus weit aufgerissenen und verwirrten Augen sah er mich an: "Y.. Yoe?" fragte er stotternd. Ich wurde ruhiger und setzte mich wieder. Durch meinen Aufschrei sah mehr als die Hälfte der Leute, die um das Cafe saßen oder standen zu mir. "Ja?!" "Du ... bist du .. es wirklich.. Yoe!" Ich nickte leicht. "Wenn dein Name Rajin ist!" Er sah mich an und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus: "Ja ich bin Rajin... ich kann es nicht glauben ich habe dich endlich wiedergefunden!" Abrupt stand er auf, umging den Tisch und legte mir seine Arme um den Hals. Mein Blick war unverändert, doch mein Gesichtausdruck wirkte etwas fröhlicher als sonst. Ich lehnte meinen Kopf gegen seinen Arm. Leise, den Blick auf den Tisch gerichtet meinte ich: "Adresse, Job, Telefonnummer, Vergangenheit, Frau ... ich will alles wissen. Damit ich dich nie wieder verliere!" Ich legte meine Hände auf seinen Arm, um ihn festzuhalten. Er legte seinen Kopf auf den Meinen. "Ich erzähle dir alles was du wissen willst!" Er löste sich von mir und setzte sich wieder, mir gegenüber.

Nach zwei Stunden wusste ich im Groben wie sein Leben bis jetzt verlaufen war, seitdem ich verkauft wurde.

Er hatte mit zwanzig geheiratet, eine Kindergärtnerin. Ihr Name war angeblich Lian. Kinder hatte er noch keine, aber sie wollten welche. Er war von Beruf Anwalt, wohnte zirka siebzig Kilometer von meinem Heim entfernt. Durch einen Unfall, als er sechzehn war, ist er nun auf einem Auge fast blind. Was ich noch durch das Gespräch erfuhr, war dass meine Mutter seit bereits zehn Jahren tot war.

Nach dem Gespräch, fuhren wir zu seinem Haus. Er wollte mich seiner Frau vorstellen. Er war überglücklich mich wieder gefunden zu haben, ich auch. Doch irgendetwas in mir, ließ meine Gefühle nicht nach außen. Ich wirkte immer noch abweisend, kühl und herzlos.

Bei seiner Wohnung angekommen, war ich etwas aufgeregt. Wie wohl meine Schwägerin war? Rajin sperrte gut gelaunt und grinsend die Tür auf und trat in die Wohnung. Er blieb plötzlich stehen und starrte in die Wohnung, ließ den Schlüssel fallen, der mit einem dumpfen Knall und einem Scheppern auf dem Boden aufkam. Als ich hinter ihn trat, sah ich den Grund.

Seine Augen weiteten sich und er rannte, auf die in der Wohnung liegende Leiche seiner Frau zu. Ihr blasser, regungsloser Körper lag in einer richtigen Lache aus Blut und Scherben. Ein kleines Loch war im Fenster zu erkennen und ich wusste wie sie gestorben war. Ich blickte auf die Leiche, mein Gesichtsausdruck änderte sich kein bisschen. Ich hatte schon viele Tote gesehen, obwohl diese Frau meine Schwägerin war, empfand ich nichts. Hass, auf den Mörder, Trauer, um die Frau, Mitgefühl, für meinen Bruder. Nichts....

Ich trat an meinen Bruder heran, der neben seiner Frau kniete und ihren Oberkörper umarmte. "Nein, Lian! Wer hat dir das angetan?!" Ich legte meine linke Hand auf seine Schulter. Als ich in die Augen der Leiche blickte, erkannte ich sie wieder. Irgendwo hatte ich sie schon einmal gesehen. Ich wusste es, es war die Frau die durch Juan beschattet werden sollte. Die Organisation war dafür zuständig, dass sie jetzt tot war. Meine rechte Hand ballte ich zur Faust und ich schaute zu Boden. Mein Bruder setzte sich auf und sah, mit Tränen in den Augen und einem schon fast schmerzverzehrten Gesicht zu mir auf. Ich konnte nicht anders, ich kniete mich nieder und umarmte ihn. Er krallte sich in meine Schultern und brüllte laut: "NEIN!" Ich drückte ihn an mich, dann hörte ich ein Knarren. Als ich mich zur Tür herumdrehte war es bereits zu spät, ich fühlte einen harten Schlag, einen kurzen Schmerz. Und mir wurde von einer Sekunde auf die andere schwarz vor Augen. Meine Arme lösten sich von Rajin und die Welt um mich herum verschwand. Schreie, Poltern, Knallen, ... Ich sah nur noch Rajin`s Gesicht, seine Augen, wie sie mich geschockt, ängstlich und hilfesuchend anstarrten. Auf seinen Wangen waren rote Blutspritzer zu erkennen, dann wurde es dunkel und ich spürte nichts mehr. Nicht einmal mehr wie ich auf den harten Boden fiel und dort regungslos liegen blieb.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Caro-kun
2008-10-12T10:47:31+00:00 12.10.2008 12:47
Ja~a sie hat ihren Bruder wiedergefunden – oder besser gesagt, er hat sie wiedergefunden.

Allerdings hat sich Rajins Freude dann ja ziemlich schnell in Luft aufgelöst. Es muss furchtbar gewesen sein, seine Frau da tot zu sehen.

Die Geschichte is echt spannend *g*
Muss gleich weiterlesen.



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