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Seasons

Oneshot-Sammlung
von

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[Frühling] Geständnis (Shōnen-Ai)

Naruto presste sich keuchend gegen die Zimmertür, als habe er Angst, irgendjemand könne sie von außen wieder aufstoßen. Sein Herz hämmerte ihm schmerzhaft gegen die Rippen und er fuhr sich mit der Hand über die Brust; schaffte es allmählich, sich wieder zu beruhigen. Für eine kurze Weile schloss er die Augen und stand in völliger Finsternis. Mühsam versuchte er die wirren Gedanken zu ordnen, die sich in seinem Kopf überschlugen und ihm Bilder vorführten, die er am liebsten aus seinem Leben streichen wollte.
 

Wie kochende Lava flossen die Erinnerungen durch ihn hindurch, schnürten ihm die Kehle zu, dass das Schlucken plötzlich schwer fiel, drückten auf seinen Brustkorb und brannten ihm in den Eingeweiden. Naruto wurde schwindelig und er öffnete die Augen, ließ von der Tür ab und taumelte auf das alte, gebrauchte Hotelbett zu, das sich knarrend unter dem Gewicht des Blonden durchbog, als dieser bäuchlings in die viel zu weiche Matratze fiel.
 

Ein paar Sekunden lag er regungslos da, das Gesicht in den Kissen verborgen, und wünschte sich, diese Position nie wieder ändern zu müssen. Doch es half nichts. Nach Luft schnappend drehte er den Kopf zur Seite und starrte an die gegenüberliegende Wand. Das Zimmer schwamm in gräulicher Dunkelheit, sodass von den Gegenständen im Raum bloß einige schemenhafte Umrisse blieben. Die Vorhänge waren noch nicht zugezogen und durch das Fenster leuchtete der Schein des Halbmondes als einzige matte Lichtquelle.
 

Plötzliche Stimmen und das Fußgetrappel einiger Hotelgäste auf dem Flur ließen Naruto hochfahren und ängstlich lauschte er ihnen nach. Könnte sich eine ganz bestimmte Person unter ihnen befinden? Wie albern er sich benahm, fiel ihm erst auf, als sich bereits nach wenigen Minuten das Getümmel auf den Gängen legte, ohne dass jemand an seine Tür geklopft hatte. Augenblicklich fiel die Anspannung wieder von seinem Körper ab und Naruto atmete erleichtert auf. Er konnte seine Aufregung weder leugnen noch unterdrücken und schämte sich gleichsam dafür. War er zu feige sich der Konfrontation zu stellen? War er zu feige sich Sasuke zu stellen?
 

Hitze entflammte auf seinen Wangen, als ihm beim bloßen Gedanken an den Namen wieder der Grund für seine überstürzte Flucht bewusst wurde und gleichzeitig brandete eine Flut vernichtender Wut in ihm auf. Was hatte der dämliche Trottel sich nur bei dieser Aktion gedacht? Hatte er es überhaupt ernst gemeint oder hatte er Naruto nur veralbern wollen? Wenn ja, war es ein ziemlich mieser Scherz gewesen. Denn egal, was der Uchiha zu ihm gesagt hatte, Naruto würde nie so fühlen können wie er, da war er sich sicher. Vielleicht hätte er gleich kontern sollen, anstatt wie ein angeschossenes Tier davonzulaufen. Oder zumindest hätte Sasuke ein saftiger Fausthieb nicht geschadet…
 

Ruhelos richtete Naruto sich wieder auf und starrte gedankenverloren auf das kitschige Bild über seinem Bett, ohne es wirklich wahrzunehmen. Er wusste nicht, wann alles begonnen hatte, aber sein Verhältnis zu Sasuke musste sich verändert haben, seit dieser nach Konoha zurückgekehrt war. Zehn Jahre war es nun her, dass sie einander als Rivalen erwählt hatten und die Zeit des Neides und der Konkurrenz war schon ewig vorbei. Mittlerweile war es ein festes, freundschaftliches Band, das beide zusammenhielt. Naruto fragte sich, ob es die unterschwellige Angst war, Sasuke erneut verlieren zu können, die ihn dazu brachte, so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen zu wollen, denn in den letzten Monaten hatten sie beinahe jede Mission zu zweit absolviert. Doch wenn er genauer darüber nachdachte, waren da vielleicht auch noch andere Dinge mit im Spiel: Gefühle, die Naruto bisher nicht wahrgenommen hatte…
 

Der Blondschopf schlug beide Hände vors Gesicht und spürte abermals, wie das Blut ihm in die Wangen schoss. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein! Wie konnte ein einziger Satz Narutos ganze Welt nur derart ins Chaos stürzen? Er würde mit Sasuke reden müssen, selbst wenn es vermutlich auf ein sehr unangenehmes Gespräch hinauslief. Denn spätestens morgen früh, wenn ihre Reise nach Sunagakure fortgesetzt werden musste, würden sie einander nicht länger aus dem Weg gehen können. Das Ganze möglichst schnell hinter sich zu bringen, erschien Naruto plötzlich sinnvoller als eine Nacht ohne kostbaren Schlaf aufs Spiel zu setzen und er sprang so schwungvoll auf, dass das Bett unter ihm fast auseinander brach.
 

Er durchquerte das Zimmer in nur drei langen Schritten, schlug donnernd die Tür auf und stürmte den Hotelflur entlang bis zur Treppe, die ihn ins untere Geschoss führte. Von dort aus bog er rechts um die Ecke und konnte auch schon den Tisch im Schankraum sehen, an dem er Sasuke so blindlings zurückgelassen hatte. Zu Narutos Bedauern war der Platz bereits leer, wie alle anderen um ihn herum auch, und selbst die Getränke waren schon abgeräumt worden. Der Wirt, der hinter seiner Theke energisch die Gläser putzte, warf dem Jungen einen missbilligenden Blick zu.

„Ich mach hier gleich dicht“, raunzte er. „Du kannst nichts mehr bestellen.“
 

Naruto schenkte ihm keine Reaktion, machte auf der Türschwelle kehrt und schlurfte unschlüssig wieder die Treppe hinauf. Vielleicht war es gut, dass er Sasuke nicht mehr angetroffen hatte, denn wenn er richtig überlegte, hatte er eigentlich gar nicht vorbereitet, was er sagen wollte. Nun stand ihm also doch eine schlaflose Nacht bevor, in der er aber immerhin genügend Zeit haben würde, darüber nachzudenken, wie er seinem besten Freund gegenübertreten sollte. Vielleicht war es am schlausten, so zu tun, als wäre gar nichts vorgefallen? Nein, das kam ihm heuchlerisch vor. Definitiv würde er Sasuke zur Rede stellen!
 

In Gedanken versunken gelangte Naruto zu seiner Zimmertür, schob die Hand in die Hosentasche und angelte in ihr nach dem Schlüssel. Doch außer klebrigem Bonbonpapier, einem ausgefransten Taschentuch und längst vergessenen Münzen konnten seine Finger nichts ertasten. Ein wenig hektischer durchwühlte er nun auch die restlichen Taschen und merkte schließlich, dass seine Suche vergebens und der Schlüssel unauffindbar blieb. Wahrscheinlich hatte er ihn auf dem Nachttisch liegen lassen, als er übereifrig zurück in die Schankstube gelaufen war. Ein taubes, kribbelndes Gefühl breitete sich über seinen Körper aus, während er hilflos die verschlossene Tür anstarrte. Warum musste es eigentlich immer noch schlimmer kommen, wenn sowieso schon alles fürchterlich war?
 

„Verdammt!“

Wütend schlug Naruto mit der Faust gegen den Türrahmen, doch das einzige, was er davon hatte, war eine schmerzhaft pochende Hand. Einen Moment hielt er ruhig inne und überlegte, wie er sein Problem am Geschicktesten lösen konnte. Die Rezeption war um diese Uhrzeit nicht mehr besetzt und der unfreundliche Wirt – wenn er überhaupt noch an der Theke war – half ihm sicher nicht weiter. Auch die Tür oder das Fenster aufzubrechen würde ihm mehr Schwierigkeiten einhandeln, als vorher abzusehen war. Also blieb da eigentlich nur noch eine Möglichkeit übrig…
 

Naruto schluckte schwer und folgte widerwillig dem ausgestorbenen Flur um eine Biegung, bis er mit klopfendem Herzen vor Zimmer 713 zum stehen kam. Weder Licht noch Geräusche drangen aus dem Raum und eine flüchtige Sekunde hoffte Naruto, dass Sasuke schon schlief oder gar nicht anwesend war. Andererseits würde er dann wohl auf dem Hotelflur übernachten müssen, was sicher keinen guten Eindruck erweckte, wenn die ersten Gäste ihn am nächsten Morgen so zu sehen bekämen.
 

Zaghaft hob Naruto die Hand um anzuklopfen, doch noch bevor sein Handrücken auf das Holz traf, stoppte er und zog sie wieder zurück. Minute um Minute verstrich, während er regungslos dastand und sich selbst für seine Feigheit hasste. Dann wandte er sich schließlich um und ließ sich seufzend an der Tür hinab gleiten. Es war zum verrückt werden! Der Boden war entsetzlich kalt und Narutos Gedanken überschlugen sich bei dem verzweifelten Versuch, eine brauchbare Lösung zu finden, die nicht mit dem Uchiha in Verbindung stand. Er schloss die Augen, lehnte den Kopf zurück und erwartete eigentlich die Tür, als er plötzlich hinten über kippte und mit leisem Ächzen auf dem Rücken liegen blieb.

„Sa- Sasuke?!“
 

Schwarze Augen blickten wie vom Donner gerührt auf Naruto hinab, dessen Blut schlagartig in dreifacher Geschwindigkeit zu pulsieren begann. Fast erwartete er, Sasuke würde ihn auslachen, wie er als Häufchen Elend vor ihm auf dem Boden lag, doch stattdessen fragte er nur leise: „Was machst du da unten?“

„Ich- Ich hab mich ausgesperrt“, antwortete Naruto wahrheitsgemäß und rappelte sich schnell zu einer würdevolleren Position auf. Sasuke musterte ihn überrascht, schien aber keineswegs belustigt, sondern erweckte eher den Eindruck, als sei er über etwas betrübt oder enttäuscht.

„Dann komm rein“, fuhr er fort, trat ein Stück zur Seite und ließ Naruto an sich vorbei ins Zimmer.
 

Mit steifen Gliedern und gesenktem Blick steuerte Naruto auf einen Hocker neben der Garderobe zu und vermied es dabei gründlich, seinem Teamkollegen ins Gesicht zu sehen. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Sasuke die Tür schloss und sich ihm gegenüber aufs Bett setzte. Er lächelte nicht, genauso wie er auch im Schankraum nicht gelächelt hatte. Wartete er darauf, dass Naruto jetzt den ersten Schritt machte? Das wäre nur allzu verständlich gewesen…

„Ich-“, setzte der Blondschopf an, doch die Worte wollten ihm einfach nicht über die Lippen gehen, obwohl sie ihm so sehr auf der Seele brannten, dass es schon wehtat. Er sog scharf die Luft ein und fragte dann schnell: „Hast du das vorhin ernst gemeint?“
 

Sasuke zeigte keinerlei Regung und schaute Naruto bloß aus durchdringenden Augen an.

„Sehe ich aus, als ob ich scherze?“, fragte er in bemüht lässigem Ton. „Denkst du vielleicht, es ist mir leicht gefallen, dir zu sagen, dass ich mich in dich verliebt habe?“

Naruto wäre vom Stuhl gestürzt, hätte er nicht die Wand im Rücken gehabt und schon wieder durchlief ihn der starke Impuls, einfach davonzurennen. Sasuke hatte es erneut gesagt und abermals war er dabei todernst geblieben. Was sollte das bitte heißen?
 

„Es tut mir leid… also, ich… es ist nur so“, stammelte Naruto und sein Gesicht begann zu glühen, „dass ich einfach nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.“

„Ich denke, dass hast du mir bereits sehr deutlich gezeigt“, entgegnete Sasuke mit einer Spur Bitterkeit in der Stimme und seine verletzte Miene erschütterte Naruto so stark, dass es in ihm tiefes Mitgefühl hervorrief.

„Nein!“, entfuhr es ihm rasch. „Ich war nur so überrumpelt. Das ist alles. Gib- Gib mir einfach ein bisschen mehr Zeit, ja?“
 

Sasuke erhob sich vom Bett und kam ein paar Schritte auf seinen Kameraden zu. „Ich will aber nicht länger warten“, wisperte er und sein Gesicht kam dem Narutos gefährlich nah. „Vielleicht überdenkst du deine Entscheidung hiernach ja etwas schneller.“

Und noch bevor der Blonde etwas sagen, noch bevor er irgendwie reagieren konnte, lagen die Lippen der beiden Jungen aufeinander und hatten sich zu einem unerwarteten Kuss vereint. Naruto spürte den heißen Atem und die weiche Haut seines Freundes und stellte mit Erstaunen fest, dass sie ihm nicht unangenehm waren. Vielmehr kam es ihm vor, als hätte er sich schon viel zu lange nach dieser Person gesehnt.
 

Der Moment ging so schnell vorbei, wie er gekommen war und Naruto und Sasuke lösten sich von einander und sahen den jeweils anderen beinahe beschämt an. Die Stille im Raum drückte schmerzhaft auf ihre Ohren und erst als draußen auf dem Flur eine Tür zugeschlagen wurde, bewegten sich die beiden langsam auseinander und Sasuke sank wieder zurück aufs Bett. Nach seinem unsicheren Blick zu urteilen, schien er zu bereuen, sich nicht genug am Riemen gerissen zu haben. Naruto konnte ihm das nicht verübeln und doch kam er nicht umhin, den Anblick der Angst zu genießen, den er in Sasuke auslöste, indem er ihm keine Reaktion schenkte.
 

„Wenn du jetzt lieber gehen willst-“, setzte der Uchiha schließlich an und die Anspannung in seiner Stimme war deutlich zu vernehmen. „Ich meine, ich würde dir keinen Vorwurf machen.“

Schweigend trafen kristallblaue Augen auf pechschwarze und nach schier endloser Zeit sagte Naruto leise, aber deutlich vernehmbar: „Und ich dachte, ich könnte heute Nacht bei dir schlafen?“



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