Kapitel11: Wenn man seinen Teller nicht leer ist
Es ist Montag. Drei Tage sind nun vergangen seit Zoe mir gesagt hat, dass sie nichts mehr mit
mir zu tun haben will. Jetzt sitze ich in der Schule und ärgere mich grün und blau. Denn jetzt
weiß ich, warum mir ihre Nähe immer so angenehm gewesen war und jede ihrer Berührungen
mich so kribbelig gemacht haben. Ja... Jetzt weiß ich es. Ich liebe sie! Aber diese Erkenntins
kommt leider zu spät gekommen. Der Unterricht zieht einfach an mir vorbei und ich lasse die
schönsten Momente meines Lebens nocheinmal Revue passieren. Das schöne Kribbeln kehrt
zurück, wenn ich daran denke, wie wir im Krankenzimmer sind und ich sie tröste. Es ist
wundervoll und doch zugleich schmerzhaft. >>Vielleicht sollte ich ihr sagen was ich fühle... Aber
was soll das bringen? Immerhin hasst sie mich! Nein, das wäre nur unnötiger Schmerz.<< Ich
seufze und lasse meinen Blick durch's Klassenzimmer schweifen. Anscheinend sind alle von
unserem Deutschlehrer angeödet und schlafen fast ein. Nur hinter mir höre ich das endlose
Kratzen eines Kullis. Zoe schreibt anscheinend jedes einzelne Wort mit. Mein Blick bleibt bei Mia
hängen, die wohl bemerkt hat, dass ich mich ebenfalls langweile. Sie winkt mir kurz zu und
lächelt. Irgendwie sieht sie total süß aus, wenn sie lächelt... Aber Zoe sieht tausendmal süßer
aus, selbst wenn sie nicht lächelt! Ich lächle zurück. Dann wird mir ganz plötzlich schwindelig.
Der ganze Raum fängt sich an zu drehen und mir wird teilweiße schwarz vor Augen. >>Was ist
das?<< Mein Magen schmerzt plötzich stärker als zuvor und ich rolle mich zusammen. Er hat
mir schon das ganze Wochenende Probleme bereitet. Aber das ist normal! Ich weiß das ich zu
wenig esse und deswegen bekomme ich öfters Magenkrämpfe, oder mir wird übel. Doch
schwindelig war mir noch nie, zumindest nicht so extrem. Mia hat anscheinend bemerkt, dass es
mir nicht sonderlich gut geht, denn sie ist aufgesprungen. Plötzlich starren mich alle an. Wie ich
das hasse! Ich spüre die Blicke, sehen kann ich sie nicht. Aber ich spüre regelrecht wie sie
mich durchbohren. Mir dreht sich immer noch alles. >>Warum dauert das so lange? Mir müsste
es längst wieder besser gehen!<< Doch anstatt das es besser wird spürte ich plötzlich einen
komischen Geschmack auf der Zunge und wie mir etwas aus dem Mund läuft. Ich blinzle kurz
und sehe für den Bruchteil einer Sekunde das Blut, was auf meinen Tisch tropft. Anscheinend
ist es doch schlimmer als gedacht. Denn das Nächste was ich mitbekomme, ist wie ich zu Boden
falle und dort verkrampft liegen bleibe. Meine Magenschmerzen werden immer schlimmer und
immer mehr Blut fließt aus meinem Mund. Dann wird alles dunkel und stumm um mich herum.
Als ich wieder zu mir komme, befinde ich mich in einem Zimmer. Die Wände sind weiß, die
Schränke grau, die Betten ebenfalls und der Boden aus Beton. Ich seufze. >>Nur ein Ort kann
so scheußlich langweilig und öde sein... Das Krankenhaus!<< Mein Blick wandert zu der
schlichten Uhr die an der Wand hängt. Ihre Zeiger stehen auf 3.45Uhr. >>Ob es wohl morgens
oder mittags ist? Und was für einen Tag haben wir überhaupt?<< Langsam stehe ich auf und
gehe zur Tür. Ich will ein Lebenszeichen von mir geben, doch die Tür ist verschlossen! >>Was
soll das?<< Ich rüttle kräftig an der Klinke. >>Mist!<< Hoffnungslos, wie es mir scheint, gehe ich
zum Fenster. Als ich die Vorhänge beiseite ziehe, fallen mir grelle Sonnenstrahlen ins Gesicht.
'Ah!', schnell halte ich mir schützend die Hand vor meine Augen. Als meine Augen sich an die
Helligkeit gewöhnt haben, lasse ich den Blick über's Gelände streifen. Meine Augen weiten sich
und ich starre ungläubig auf das Gebäude gegenüber. >>Wie kann das sein?<< Gegenüber steht
das Krankenhaus. >>Aber wo bin ich dann?<< Mit einem Mal wird mir alles bewusst und trifft
mich wie ein Blitz. Die verschlossene, das Gebäude gegenüber, die öden Wände und die
Tatsache ein Einzelzimmer zu haben. Ich befinde mich gar nicht im Krankenhaus... Die haben
mich in die stationäre Anstalt gesteckt! >>Aber wieso das? Ich bin doch kein Psychopath!<<
Langsam setzte ich mich in mein Bett. Den Schock muss ich ersteinmal verdauen! Als ich
gründlich darüber nachdenke, fällt mir etwas ein. >>Vielleicht ist es, weil ich so abgemagert
bin...<< Ich seufze schwer. Bevor ich hier für Monate eingesperrt wäre und nichts tuen könnte,
würde ich lieber wieder richtig essen! Plötzlich geht die Türe auf. Eine Frau tritt ein, schließt
die Türe aber gleich wieder ab. Sie kommt zu mir und stellt sich an mein Bett. 'Warum bin ich
hier?', schießt es promt aus mir heraus. Sie lächelt und erklärt mir alles. Die Ärzte glauben,
dass ich magersüchtig bin. Was für ein Schwachsinn! Sie haben mich deswegen gleich nach
meiner OP hier her gebracht. 'OP?', frage ich ungläubig. In meinem Magen hatte sich eine
Menge Blut angesammelt, was mir die Schmerzen bereitet hat und mich umkippen ließ.
Deswegen musste ich operiert werden. Und als mein Magen überfüllt war mit Blut, ist es mir
eben aus dem Mund gelaufen. 'Und was genau hatte ich jetzt?', es interessiert mich
brennend. Denn ich bin mir sicher, dass das alles wegen Freitag war wo Ray mich getreten hat.
'Dein Magen war verletzt, eine ziemlich große Wunde, wo das Blut eingetreten ist.', erklärt mir
meine Gegenüber. 'Okay...', sage ich zögernd. >>Das ist alles wegen diesem Arsch!<< Ich
seufze und schaue der Frau nun in die Augen. Es ist nichts besonderes dabei. Ihre Augen
wirken zwar einfühlsam, erwecken jedoch keinerlei Gefühle in mir wie bei denen von Zoe. 'Wann
darf ich hier raus?' Sie lächelt. 'Sobald wir hier deine Magersucht bekämpft haben...' Ich
schaue sie verständnisslos an. 'Ich bin nicht magersüchtig!', meine Stimme klingt gereizt und ich
bin etwas laut geworden. 'Das kann ich dir leider nicht glauben... Für deine Größe wiegst du viel
zu wenig! Das Normalgewicht würde bei mindestens 60kg bis höchsten 75kg liegen. Aber du... Du
wiegst gerade mal 40kg. Wenn du nicht aufpasst, dann stirbst da wegen Unterernährung! Und
bis sich das normalisiert hat bleibst du hier.', mit diesen Worten erhob sich die Frau. 'Bitte...
Ich will hier raus! Mein ganzes Leben geht sonst den Bach runter.', flehend schaute ich ihr
hinterher. Doch sie verlässt nur stumm das Zimmer. Eine unbändige Wut steigt in mir auf , doch
es gibt nichts, was ich hätte zerstören können um meiner Wut Luft zu machen. >>Vielleicht hat
sie vergessen die Türe ab zu schließen...<<, schießt es mir durch den Kopf. Sofort springe ich
aus dem Bett. Doch falsch gedacht! >>Elektronische Türen... Die öffnen sich nur im Notfall
oder mit einer Chipkarte!<< Ich seufze. Mein Blick fällt zum Fenster. >>Vielleicht kann ich da
raus...<< Schnell gehe ich zum Fenster und schaue nach draußen. Ich befinde mich im vierten
Stock, nirgends eine Regenrinne in Sicht. Allerdings bin ich schon oft von Fenster zu Fenster
geklettert. 'Hm... Müsst machbar sein!', murmle ich mir selbst zu. Ich nehme den Griff des
Fensters in die Hand, drehe ihn und ziehe. Doch es tut sich nichts. Erst jetzt bemerkte ich das
ebenfalls elektronische Sicherheitsschloss. Das Fenster lässt sich nur kippen und zum
aufbrechen, oder zertrümmen ist auch nichts da. Geknickt lasse ich mich auf's Bett fallen.
>>So ein Mist! Verdammt nochmal! Nur wegen Ray diesem Arsch!<< Irgendwann schlafe ich vor
Wut und Verzweiflung ein.
Irgendwann mitten in der Nacht wache ich wieder auf. Es ist stockdunkel, aber ich höre
panische Schritte. >>Vielleicht brennt's?<<, denke ich hoffnungsvoll. Ich gehe zur Tür und
lausche. 'All unsere Computer sind von dem Virus betroffen... Und das obwohl wir nicht ans
Netz angeschlossen sind!' Ich grüble. Letztens hatte ich etwas von einem Virus gehört der sich
verbreitet. 'Erst war es nur an einem PC und sah aus wie ein Ei. Dann ist irgendwas daraus
geschlüpft. Es hat angefangen die Daten zu vernichten und hat sich dadurch vermehrt.' Mir
stockt der Atem. 'Und jetzt sind alle PCs befallen... Die ganze Welt scheint davon betroffen
zu sein!' Ich höre eillige Schritte und plötzlich ist alles still. 'Lasst mich raus!' Mit einem Mal
hämmere ich wie blöd gegen die Tür. >>Das ist ein Digimon... Es vernichtet die Daten nicht, es
frisst sie!<< Ich verzweifle. 'Verdammt lasst mich raus!' Doch niemand öffnet. Nach einer
geschlagenen halben Stunde gebe ich es auf. Meine Hände sind bereits blutig, vom vielen gegen
die Tür hämmern. >>Ob die Anderen es auch schon bemerkt haben?<< Mit einem Mal fällt mir
das Leuchten in meinem Nachtschränckchen auf. >>Mein Handy!<< Das hatte ich völlig
vergessen. Als ich es aus der Schublade nehme, halte ich meinen D-Tector in der Hand. >>Wie
geht das? Ich bin doch nicht in der DigiWelt.<< Plötzlich springt die Tür auf. So schnell ich kann
renne ich nach draußen. Alle PCs sind abgestürtz, alle elektrischen Sachen sind im Eimer,
genau wie meine Tür und die Türen aller Anderen. Bevor mich irgendwer aufhalten kann,
sprinte ich los. Raus aus diesem Irrenhaus. Ich warte gar nicht erst auf eine Bahn, weil ich so
oder so kein Geld dabei habe, sondern renne die vier Kilometer einfach Heim. >>Was soll ich
jetzt nur machen?<< Mir fällt Zoe ein, doch ich traue mich nicht zu ihr zu gehen. Statt dessen
renne ich nach Hause. Als ich den PC in meinem Zimmer hochfahre, wird mir das Datum und die
Uhrzeit angezeigt. >>Was? Es ist Freitag? Ich lag vier Tage bewusstlos im Krankenhaus? Das
kann nicht sein!<< Doch auch mein Radiowecker mit Datum-Funktion zeigt mir das an. Ich seufze
und rolle mit meinem Stuhl wieder zum PC. >>Komisch... Wieso ist mein PC nicht von dem Virus
betroffen!<< Auf dem Weg hierher hatte ich gerade überall Zettel gesehen, dass fast jeder
PC und jede Elektronik im Ort betroffen sind. >>Vielleicht weil ich ein DigiRitter bin...?<< Ich
gebe das Passwort ein. Bevor ich irgendetwas tun kann leuchtet mein Monitor hell auf, schützend
halte ich eine Hand vor die Augen. Plötzlich habe ich das Gefühl zu fliegen! Als ich blinzle sehe
ich, wie ich durch eine Art Wurmloch falle. Unsanft lande ich im drei Meter hohen Gras und
bleibe erstmal liegen. Wenig später öffnet sich über mir im Himmel ein Loch. >>Das muss wieder
so ein Wurmloch sein...<< Als ich genauer hinschaue erkenne ich eindeutig zwei Menschen die
direkt auf mich zufliegen.