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Förmchen Schule

Autor:  Tjulan
Als ich noch klein war zeigten sie in einer Zeichentrickserie einen Beitrag, den ich damals nicht wirklich verstanden habe- eine Szene jedoch blieb mir im Gedächtnis.
Menschen standen in einer Reihe und wurden in eine Form gejagt, die aus ihnen dann einheitliche Wesen gemacht hat. Es gab keine Individuen mehr.
Das ganze hat nachhaltig EIndruck hinterlassen und irgendwie eine tiefsitzende Angst in mich gepflanzt. Mittlerweile kann ich sagen, daß ich an dieser Form vorbei gegangen bin. Ich bin ein Individuum.
Und das wünscht sich die Gesellschaft doch. Oder?

Mein Sohn Nathanael besucht die 5. Klasse einer Realschule und wir versuchen momentan Händeringend, die Schule zu Wechseln. Nathanael hat irgendwie immer Pech mit den Schulen- doch bei dieser gab es leider letztes Jahr keine Wahl- und dieses Jahr sträuben sich die Schulen.
Heute hatte ich mal wieder eine heftige Diskussion mit meiner Schwiegermutter ins spe- ehemalige Lehrerin- bei der ich das Gefühl habe, sie fühlt sich von allem persönlich angegriffen.
Nathanael hatte immer eine 2 oder 3 in Deutsch. Seid er auf der Realschule ist, schreibt er nur sechser. Letztlich wollt ich dann doch mal wissen, wo es hapert und ich habe den Text mit ihm geübt. Nach einem nervösen zusammenbruch bekamen wir den Text mit 22 Fehlern in 25 Minuten hin. Danach wurde es besser. Mittlerweile hat er eine 1 und eine 2 geschrieben.
Ich weiß, das Üben hilft.... aber so viel? Als ich in der Realschule war hat meine beste Freundin geübt, die hatte Wochen vor jeder ARbeit keine Freizeit mehr. Klar, sie hatte immer einser. Ich hatte ohne üben eine 2. Daher finde ich einen Sprung von der schlechtesten zur besten Note seltsam. Zumal auf dem Arbeitsblatt steht, daß dies eine Gruppenaufgabe für die Schule sei- die sie aber pro Text wohl nur ein einziges mal machen.
Sie meinte, daß Nathanael jetzt auch sicher ruhiger sei, weil er jetzt länger da ist und am Anfang hätte er sich ja nicht so wohl gefühlt und ob es besser geworden sei. Ja, etwas... aber die Deutschlehrerin ginge gar nicht.
Auf die Frage warum habe ich dann versucht, es ihr aufzuzählen.
Nathanael hat eine genetische Schwäche mit der Merkfähigkeit. WUrde in zwei psychologischen Test festgestellt und es wurde dort gesagt, die Schule soll drauf eingehen.
Renate meint nun aber, daß man das auf jeden Fall lernen kann und sie will es mit ihm üben. Wenn man ihr sagt, sie soll es lassen, die Psychologin weiß schon, was sie sagt, die hat ihren Titel auch nicht aus dem Kaugummiautomaten ignoriert sie das gern.
Nathanael vergisst also gern, sich die Hausaufgaben aufzuschreiben. Beim Elternsprechtag keifte und die Deutschlehrerin deswegen an und wir meinten, wir sind ja nicht vor Ort, wir können daran nichts ändern- da muß sie hinter sein. Nach langem hin und her meinte sie, sie würd ihm dann die Hausaufgaben am Ende der Stunde abzeichnen und wir sollten dann dafür sorgen, daß sie da sind.
Jetzt gab es letztlich einen Eintrag, daß die Aufgaben fehlen. So what? Was soll ich dran ändern? Ich sitze noch immer zuhause und soll jetzt zur Kenntnis nehmen, daß sie es nicht schafft am Ende der Stunde zu sagen "Nathanael komm mal nach vorn"? Sie könnt es sich ja auch leicht machen und ALLE noch bevor sie in die PAuse gehen ihr Heft rausholen und die Aufgaben aufschreiben lassen- als Ritual.
Das kann man ja von den Lehrern nicht erwarten- die Lehrer haben 30 Schüler.

Ich erwarte aber etwas.
zB erwarte ich, daß eine Schule, die ein Siegel hat für individuelle Förderung diese auch bietet. Im Internet brüstet sich die Realschule nämlich damit- am Elternsprechtag darauf angesprochen meinte die Deutschlehrerin sowas können sie nicht anbieten- da wäre Nathanael an der Realschule falsch aufgehoben und müßte zu einer speziellen Schule.
Mein Freund war zwei Tage später beim Rektor wegen dieser Bemerkung. Das geht ja gar nicht. Aber genauso geht es nicht, etwas zu bewerben, was man nicht hat.
Die Diskuddion mit Renate ist da sehr müßig, denn sie fühlt sich immer angegriffen, bevor ich zum Punkt kommen kann.
Ich sehe durchaus, daß die Schulen überfordert sind- insbesondere, da durch die Bildungspolitik der FDP hier die letzten Jahre kein freies Schulwahlrecht war- so daß auf die Realschülen sicher viel mehr Schüler kamen, als eigentlich Kapazität da war. ICh weiß, daß das etwas ist, was weder auf die Kappe der Schulen noch auf die der Lehrer geht.
Aber wenn eine Schule aufgrund einer solchen Situation die angegebene Förderung nicht mehr bieten kann, soll sie nicht mehr angeboten werden.
Wenn ich mir eine Nusschokolade kaufe mit ganzen Nüssen und es sind nur Splitter drin, kann mir der Hersteller auch nicht sagen "Ganze Nüsse waren aus". Dann ändert man das Etikett- alles andere ist Betrug.

Natürlich sehe ich, daß die Schulen überlastet sind und ich weiß, daß unser Bildungssystem krankt. Anstatt auf die miese Pisa-Studie zu reagieren mit mehr Förderung und einer Änderung des Systems ändern wir die Rechtschreibung und passen diese den döfsten Schülern an.
Was will man da noch erwarten?
Kommt ein geburtenschwacher Jahrgang, werden Kindergärten und Schulen geschlossen, kommen wieder mehr Kinder, haben diese das Nachsehen.
Wir leben in einer Zeit, in der in der Berufswelt individualität gefordert wird- doch die Schulen sind noch nicht so weit.
Immer wieder bringt Nathanael Aufgaben mit, bei denen die geringste Abweichung von dem, was der Lehrer fordert direkt falsch ist. Ich weiß, daß das bei mir damals nicht so war- wurde die Aufgabe anders gelöst als erwartet, gab es dazu einen Vermerk, vielleicht einen kleinen Abzug- meist aber nicht, aufgrund dessen, daß die Lehrer beeinduckt waren von der Eigeninitiative.

Die Lehrer haben 30 Schüler- da müssen die das alle einheitlich machen! hör ich Renate tönen und habe wieder den Zeichentrickfilm mit der Form im Kopf.
Wie soll ein Kind heute anständig auf die Berufswelt vorbereitet sein, wenn man ihm jede Individualität raubt? Jedes freie, kreative Denken.

Nathanael wird die Schule wechseln. Wir wissen noch nicht wohin, da dies ein ganz eigener Kampf ist, doch wir wissen, er wird.
Denn das kann es doch wirklich nicht sein.
Ich hätte mir einen einfacheren Weg gewünscht...
Doch darüber kotz ich mich ein andermal aus...


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