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"Wo ist der Unterschied?" Deutschland, Meinung, Persönliches, Schweiz, Vorurteile

Autor:  T3Z

Seit einer Weile schon gibt mir eine polnische Studentin (Ewa) via Skype Nachhilfeunterricht in Polnisch, während ich ihr beim Auffrischen ihrer Deutschkenntnisse helfe. Vor Kurzem hat sich dann eine Schweizerin dazu gesellt, deren Namen ich leider nicht schreiben kann (der ist französisch und damit hab ich es nicht so).

Wie das nun immer oder sagen wir fast immer so ist, wenn Deutsche und Schweizer sich treffen, begannen auch wir nach einer Weile uns gegenseitig ein wenig zu sticheln. Das war nichts Ernstes. Nur das übliche Aufziehen und Stänkern. Schließlich muss man den Käsefressern/den Wurstfressern ja irgendwie verständlich machen, dass alle Sympathie und Freundschaft nichts daran ändern, dass man schlichtweg besser und toller ist. Was wir leider nicht bemerkten war, wie sehr wir Ewa damit auf die Nerven gingen.

Bei unserer letzten Skyperunde platzte ihr dan endgültig der Knoten. Sie hielt uns eine saftige Standpauke darüber, dass wir uns doch gefälligst auf die Vokabeln, die wir schon wieder völlig flasch betont hätten, konzentrieren sollten.  Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, merkte sie an, dass sie dieses ganze "Schweizer vs Deutsche"-Gelaber eh nicht verstehen könne. "Wo ist der Unterschied? Ihr seid doch eh eine Matsche"  (nicht ganz ihre Worte, sondern eine sinngemäße Übersetzung aus dem Polnischen).

Diese Aussage ging natürlich gar nicht. Angestrengt versuchten wir also zu erklären, dass wir total unterschiedlich seien und das man uns doch nicht einfach in einen Topf stecken könne. Sie ließ uns selbstverständlich nicht lange gewähren und erklärte folgendes (wieder eine sinngemäße Übersetzung ihrer auf Polnisch, Deutsch und Englisch gehaltenen Ansprache):

"Die Deutschen sind Arrogant, die Schweizer sind Arrogant. Die Deutschen stehen wie bekloppt auf Hunde, die Schweizer stehen wie bekloppt auf Hunde. Die Deutschen sind immer so scheiße nervig Überpünktlich, die Schweizer auch. Wisst ihr eigentlich, wie das nervt, wenn ihr immer schon zehn Minuten vor der verabredeten Zeit bei Skype on seid? Da bekomme ich immer ein schlechtes Gewissen, dass ihr warten musstet. Seid pünktlich, aber nicht überpünktlich. Das nervt! Dann die Deutschen stehen auf Waffen und die Schweizer stehen auf Waffen. Die Deutschen futtern dauernd Schokolade, die Schweizer futtern dauernd Schokolade [...] [das ging noch etwa fünf Minuten so weiter] [...] Wo also ist der Unterschied?"

Im Übrigen war meine Lieblingsaussage folgende (vor allem weil eine andere schweizer Freundin das vor kurzen auf Twitter zur Sprache brachte): "Die Deutschen wissen nicht, was echte Arbeit ist und rennen bei jeder Scheiße zum Artzt und mimimimi und die Schweizer genauso. Alles Weicheier."

Mir war bereits nach meinem ersten Schweizurlaub aufgefallen, dass sich Schweizer und Deutsche gegenseitig genau das Gleiche vorwerfen. Die Deutschen behaupten, die Schweizer wären arrogant/komisch/arbeitsscheu/etc. et vice versa.  Allerdings wollte mir diese Gemeinsamkeiten kein Schweizer/Deutscher abnehmen. Jetzt wurde meine Beobachtung bestätigt, wobei Ewa im Gegensatz zu mir noch einen Schritt weiter ging und nicht nur gemeinsame Vorwürfe, sondern eine generelle Gemeinsamkeit feststellte. 

Für unsere polnischen Freunde sind wir also eine Matsche. Witzigerweise scheint man die Österreicher nicht in diese Matsche zu packen, denn als ich Ewa danach fragte, verstand sie nicht ganz, was die jetzt damit zu tun hätten. Sie seien gemütlich und unkompliziert, manchmal lahmarschig, aber immer stressfrei und hätten somit nichts mit uns dauermotzenden, arroganten und vom Leben deutlich zu stark verwöhnten Deutschen und Schweizern gemeinsam außer die Sprache.

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Datum: 09.06.2015 08:02
>>Witzigerweise scheint man die Österreicher nicht in diese Matsche zu packen
 
Natürlich nicht. Österreicher sind wie Bayern und Bayern sind keine Deutschen. =D
Tyrion: "To the Lannister-Children: the Dwarf, the Cripple and the Mother of Madness!"
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Datum: 09.06.2015 13:15
Also bitte, dass wir Österreicher awesome sind, sollte inzwischen doch wirklich schon jeder mitgekriegt haben 8D (Ich copypaste mir das da unten mal für zukünftige Beweisführung raus, ja?)

PS: Schoki haben wir auch gemeinsam.
2+2=
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Datum: 09.06.2015 16:44
Hm, also ich kenne das mehr mit Deutschen und Österreichern. Allerdings mache ich da selbst keinen wirklichen Unterschied und die meisten Österreicher, die ich kenne, auch nicht (die hassen nur Wien und die Wiener und den Wiener Dialekt und alles, was mit Wien zutun hat...).
Allerdings gibt's da auch immer welche, die sich gegenseitig dieselben Vorwürfe machen. Dass Österreicher arrogant und eigenbrötlerisch seien, genauso wie die Deutschen usw.
Ich hatte mit den Österreichern, die ich kenne, jedenfalls nie Probleme (auch nicht mit den Wienern ;-)) und die auch nie mit mir. Aber gut, wir Kölner sind ja sowieso herzlich, uns liebt jeder :-p
(Ja, ich bin ein Lokalpatriot.)

Schweizer kenne ich nur sehr wenige. Was mich bei denen, die ich kenne, immer gestört hat, war, dass die so darauf abgegangen sind, dass man den Schweizer Dialekt können muss. Andersherum konnten sie ihren Dialekt natürlich auch nicht einfach ausschalten und Hochdeutsch sprechen (oder irgendeinen deutschen Dialekt), sobald sie über der Grenze waren.
Dass das eben gar nicht so leicht ist, auch für die "doofen Deutschen" nicht, wollten sie nicht so recht einsehen (ich lebe mittlerweile in Österreich und verstehe den tiefsten Dialekt. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich ihn sprechen kann. Sicher, gewisse Worte / Floskeln spreche ich schon, damit man mich versteht und aus Höflichkeit, aber voll im Dialekt sprechen kann ich nicht und das hat hier auch noch niemand verlangt und es hat nie jemanden gestört.)

Dass wir Deutschen im Gegensatz zu den Polen arbeitsscheu sein sollen, kommentiere ich mal lieber nicht. :'D
Und ansonsten finde ich es ehrlich gesagt schade, dass es da nur um so lahme Oberflächlichkeiten geht und nicht um eine kulturelle Verbundenheit, die tatsächlich nicht von der Hand zu weisen ist.
Kleine Unterschiede gibt es natürlich, aber um die zu finden, muss man nur von Hamburg nach München oder von Köln nach Berlin schauen. ;-)
Für mich sind die Deutschen, die Österreicher (+ Südtirol), sowie die Deutschschweiz ein Volk, nämlich das deutsche Volk. Ist mir egal, wenn viele darüber jammern und das nicht so sehen, für mich ist es so. ;-)
(Ich ziehe die Ossis auch mal liebevoll auf und finde Schweizerdeutsch furchtbar. Deshalb gehören sie trotzdem zu uns!)
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Datum: 09.06.2015 20:20
Also allein sprachlich liegen zwischen Deutschen und Schweizern Welten. Wenn ein Schweizer nicht betont deutlich redet, versteht das ein Deutscher nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es diese Probleme andersrum nicht gibt. Irgendjemand hier, der dazu eine Aussage treffen kann?
Yes, keep on my Life!
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Datum: 09.06.2015 21:32
> Und ansonsten finde ich es ehrlich gesagt schade, dass es da nur um so lahme Oberflächlichkeiten geht und nicht um eine kulturelle Verbundenheit, die tatsächlich nicht von der Hand zu weisen ist.

das war ja jetzt auch nur eine einfache ereignisschilderung ohne tiefere hintergedanken. ^^ ich fand, was ewa da von sich gegeben hat einfach amüsant und wollte es teilen.
allerdings wäre ein blog über die gemeinsamen wurzeln und allgemein über die kultur und die gemeinsamkeiten der deutschsprachigen länder wirklich eine interessante sache. vielleicht, wenn ich nach der bachelorarbeit entsprechend zeit finde. idee ist auf jeden fall schon mal notiert.
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Datum: 09.06.2015 22:12
Earu

Naja, das Schweizerdeutsch ist eben ein Dialekt. Wenn in Deutschland wer richtig mit seinem Dialekt loslegt, dann versteht ein Schweizer das vermutlich auch nicht mehr (und ein Deutscher je nachdem auch nicht xD).
Ich habe in Österreich auch erst nur wenig verstanden, aber man gewöhnt sich an alles. :-)
Dass das Welten zwischen den Sprachen liegen, finde ich aber nicht. Ganz im Gegenteil. Letztendlich ist es doch eine Sprache.

T3Z

Ja, das verstehe ich, war von mir auch eher spaßig gemeint. :-)
Ich finde es nur schade, dass viele Deutsche, Schweizer und Österreicher oft selbst so tun, als hätten wir keine Kultur (bis auf Schoki und Wurst).
Viel Glück für deine Bachelorarbeit! :-)

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Datum: 09.06.2015 22:24
Ich kenne dieses Gestichel von deutscher Seite aus überhaupt nicht. In meiner Umgebung spricht NIE jemand schlecht über unsere Nachbarn aus anderen deutschsprachigen Ländern (auch wenn wir die Alpenbewohner manchmal liebevoll als "Schluchtenscheißer" bezeichnen... hach ja).
Eine Kommilitonin von mir stammt aus Österreich; die hat auch einmal verblüfft angemerkt, wie freundlich sie alle in Deutschland behandeln, während in ihrer Heimat alle gegen die Deutschen hetzen.
Die Österreicher und Schweizer, die ich bisher getroffen habe, haben auf die eine oder andere Art auch alle extrem auf die angeblichen Unterschiede zwischen ihrem Land und Deutschland bestanden - ich kann das aber auch irgendwo nachvollziehen.
Deutschland ist weltpolitisch viel präsenter und allgemein "wichtiger" als das kleinere Österreich/die kleinere Schweiz - und dann heißt die Sprache, die uns verbindet, auch noch blöderweise "Deutsch"; da gehen Österreich und die Schweiz durchaus einmal unter bzw. werden von außerhalb gern mal mit den Deutschen zusammengeworfen. Das würde mich als (Regional-)Patriotin sicherlich auch sehr nerven! Von daher habe ich meist Verständnis, wenn die Kollegen aus dem Süden auf jedem noch so kleinen (für Deutsche meist nicht mal wahrnehmbaren) Unterschied herumreiten.

>Was mich bei denen, die ich kenne, immer gestört hat, war, dass die so darauf abgegangen sind, dass man den Schweizer Dialekt können muss. Andersherum konnten sie ihren Dialekt natürlich auch nicht >einfach ausschalten und Hochdeutsch sprechen (oder irgendeinen deutschen Dialekt), sobald sie über der Grenze waren.

DAS muss ich leider völlig bestätigen! Und das fand ich dann auch ganz ab von allem Patriotismus einfach nur daneben und unhöflich. Man kann doch nicht verlangen, dass andere Leute verdammte Dialekte lernen (zumal die auch von Dorf zu Dorf variieren) - wie soll das denn bitte funktionieren? ^^'
"Look at my Mähdrescher, it dreschs the Mäh!" - Swenni Swenko

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Datum: 09.06.2015 23:06
Earu
> Also allein sprachlich liegen zwischen Deutschen und Schweizern Welten. Wenn ein Schweizer nicht betont deutlich redet, versteht das ein Deutscher nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es diese Probleme andersrum nicht gibt. Irgendjemand hier, der dazu eine Aussage treffen kann?

Hier Österreicherin aus dem Grenzgebiet zur Schweiz - uns versteht 100 Kilometer weiter keine Sau mehr, wenn wir Dialekt reden. Und zwar in Deutschland UND Österreich XD Da können die lieben Schwaben und Sachsen und was es noch so gibt auffahren was sie wollen, aber nicht schlägt einsame Bergtäler, Moorlandschaften und allgemein den Popo der Welt, wenn es darum geht, unverständliche Sprachinseln zu bilden.
Deswegen, ja, ist es dämlich, sich als Sprachinselbewohner im Ausland nicht anzupassen - aber das Gezicke bezüglich der sich nicht-anpassenden Deutschen geht zumindest in meiner Gegend nicht in die Richtung "die sollen das sprechen lernen" (geht ja gar nicht), sondern in die "die sollen sich nicht mokieren, dass wir zuhause Dialekt reden". Das schaffen nämlich tatsächlich einige, so nach dem Motto "Deutsch ist eure Muttersprache, also macht das gefälligst auch richtig damit normale Menschen wie ich euch verstehen".
Aber keine Ahnung wie die Schweizer das halten - ICH versteh sie ja XD


-Izumi-
Die Sache ist die... wir ziehen zwar wahnsinnig gerne und sehr oft über euch her - aber zu 95% nur hinter eurem Rücken. Nem deutschen Touri ins Gesicht geworfen wird auch hier nur sehr wenig, ergo sind auch wir lieb zu Ausländern. Von daher ist "nett behandelt werden" nur bedingt ein Indikator.
2+2=
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Datum: 09.06.2015 23:11
Kore

... also davon gehe ich aus. Dass man mir direkt ins Gesicht gesagt hätte, Deutsche seien scheiße, ist mir in der Form auch noch nicht untergekommen - ist wohl auch besser so für jeden, der so denken mag, ='D
Ich bezog mich eher darauf, dass mir bereits einige Österreicher/Schweizer "gestanden" haben, dass sie sehr leidenschaftlich über uns Deutsche lästern und teilweise sehr verblüfft sind, wenn sie dann mal nach Deutschland kommen und es hier dann doch gar nicht mal so scheiße ist, wie gedacht. Direkt angegriffen von Schweizern/Österreichern wegen meiner Herkunft wurde ich bisher wenn überhaupt nur im Internet, aber da nimmt man es mit Beleidigungen ja allgemein etwas lockerer.
Ich selbst kann für mich und meine Umgebung hier bloß sagen, dass wir tatsächlich nie über Österreicher oder Schweizer lästern.
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Datum: 16.06.2015 00:36
bzgl der Sprache: Hab 10 Monate im hintersten Dörfchen der Schweiz gearbeitet und musste versuchen mit der älteren Generation Schweizerisch zu reden oder eben sehr, seeeeehr langsam im Hochdeutsch, weil sie das sonst kein bisschen verstanden haben und es ordentlich schimpfe am Stammtisch gab. ^^° ... Es ist also nicht nur in eine Richtung, kommt aber vermutlich auf die Region an (in Zürich finde ich beispielsweise, dass die Leute fast Deutsch quatschen .. nur eben so wie die, mit Dialekt). :)
 
Davon ab ist es aber ziemlich einfach Schweizerisch zu verstehen, schwieriger wirds erst, wenn man in der Schweiz irgendwo auf einem Berghang lebt, aber das dauert auch nur 2-3 Tage mehr (gut.. Mama sagte immer, ich hab ein gutes Ohr für Dialekte, vielleicht ist es deswegen für mich nur einfacher als für alle anderen? @_@..).. und ich finde es nicht verkehrt, wenn ein Schweizer oder ein Österreicher sagt: Lernt unsere Sprache.
Wenn man das will, dann kann man das Wenigstens die "Grundform". :)
Lyrael_White könnte euch davon ein Lied singen. :)
 
Davon ab.. Seit wann zoffen sich denn bitte die Schweizer und die Deutschen wer besser und wer oller ist? Das kenn ich ja gar nicht. Normalerweise geht's doch immer um Österreich vs. Deutschland (und die Schweiz schimpft gerne zusammen mit den Deutschen über die Ösis. :´D)
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Datum: 16.06.2015 11:22
Hm, ich finde, das kommt darauf an, was "Grundform" bedeutet. ;-)
Ich benutze hier in Österreich natürlich auch andere Ausdrücke und Floskeln. Zum Beispiel sage ich "Grüß Gott" oder "Servus" oder statt auf mein "Brötchen" und mein "Gehacktes" zu beharren, sage ich im Supermarkt natürlich "Semmel" oder "Faschiertes", damit man mich versteht.
Dennoch kann ich nicht im Dialekt sprechen. Ich kann es einfach nicht.
Wie -Izumi- bereits schrieb, gibt es Leute, die sehr leicht in einen Dialekt reinkommen, aber das trifft nicht auf alle Menschen zu.
Bei mir ist es nicht so. Versuche ich den Dialekt hier nachzumachen, dann klingt es extrem gekünstelt und ist sowohl für mich, als auch für mein Gegenüber anstrengend.
Man wird mir immer anhören, dass ich Deutsche bin und daran ist, meiner Ansicht nach, auch nichts verkehrt.
(Wobei meine deutschen Freunde durchaus meinen, dass ich etwas anders spreche als vorher. Aber eben nicht wirklich im österreichischen Dialekt.)

Und andersherum ist es doch ebenso:
Ein durchschnittlicher Schweizer und ein durchschnittlicher Österreicher, werden ihren Dialekt auch niemals vollkommen los.
Ja, auch da gibt es solche Fälle, die das drauf haben. Die meisten, die ich kenne, haben es nicht drauf. Wenn mein Freund hochdeutsch spricht, dann hört man, dass er aus Österreich ist (oder zumindest verortet man ihn nach Bayern ;-)).
Ganz ablegen kann er den Dialekt nicht und wenn ich jetzt noch von ihm verlangen würde, dass er Kölsch sprechen muss, wenn er in Köln ist, wäre es ganz vorbei.
Er passt sich eben genauso an wie ich, benutzt andere Begriffe ("Brötchen" statt "Semmel" usw.) und das reicht vollkommen.

Klar, wenn man im kleinsten Bergdörfchen lebt, muss man sich irgendwie arrangieren - das müssen Österreicher / Schweizer, die aus der Stadt kommen, aber in der Regel auch. Die verstehen in solchen Bergdörfchen doch meistens auch erstmal gar nichts.
Das Problem hatte ich aber Gott sei Dank nie wirklich. Nur die Omi von meinem Freund (stolze 95 Jahre alt) spricht einen sehr eigenen Dialekt, den nichtmal er ganz versteht. Und ja, am Anfang habe ich sie nicht verstanden und sie mich auch nicht. Aber mittlerweile klappt es wunderbar. :-)

Letztendlich finde ich es da etwas vorschnell, wenn die Schweizer und Österreicher so darauf bestehen (wobei ich das nur von Schweizern kenne, aber ist eben Erfahrungssache), dass die Deutschen im Dialekt sprechen müssen. Denn die meisten von denen können auch kein "richtiges Hochdeutsch" und werden ihren Dialekt selbst nie wirklich los.
Eine Annährung ist natürlich immer wünschenswert. Ich musste mich hier auch anpassen und konnte nicht auf alle meine kölschen Begriffe beharren, klar.
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Datum: 16.06.2015 11:59
Ich hab noch nie erlebt, dass ein Schweizer oder Österreicher nicht anerkennt, wenn man versucht die Sprache zu lernen. Und ich finde, dass man sich dem Land, in dem man einkehrt, ruhig mal ein bisschen anpassen kann - wozu die Grundform gehört. Nicht nur ein zwei Wörter sondern schon ein bisschen mehr. Wenn ich in die USA ziehe muss ich immerhin auch Englisch sprechen, wenn ich nach Italien gehe Italienisch etc. ... Und Die Schweiz sowie Österreich auf die "Grundform Deutsch" zu reduzieren, find ich daneben.
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Datum: 16.06.2015 13:21
>Und Die Schweiz sowie Österreich auf die "Grundform Deutsch" zu reduzieren, find ich daneben.

Es ist aber einfach eine Tatsache, dass die Amtssprache dort (unter anderem) Deutsch ist. o.O
Dass man sich einzelne Wörter aneignet, wie abgemeldet es auch beschrieben hat, ist denke ich mehr oder minder selbstverständlich - ich kann nicht erwarten, dass ein österreichischer Bäcker weiß, was ich will, wenn ich mir 'nen Weck verlange und tatsächlich unterscheiden sich die österreichische, schweizer und deutsche Standardsprache in einigen Wörtern bzw. deren Bedeutungen - das ist meines Wissens nach auch im Duden festgehalten. Logisch, DAS sollte man natürlich beherzigen.
Letztendlich wird aber in allen drei Ländern nun einmal Deutsch gesprochen, das ist absolut nicht vergleichbar mit den sprachlichen Differenzen zwischen Deutschen und Amerikaner oder Italienern.
Wenn ein Schweizer das offiziell anerkannte schweizer Hochdeutsch beherrscht, dann wird es kaum Probleme dabei geben mit Deutschen zu kommunizieren. Und dass man bis zu einem gewissen Grad Hochsprache beherrscht, sollte selbstverständlich sein - man schreibt ja auch nicht im Dialekt, ein bisschen was sollte da aus der Schule durchaus hängen geblieben sein.

Und ich bleibe auch dabei: Dialekte kann man nicht erlernen, wenn man nicht gerade unheimlich sprachbegabt ist. Man könnte mich zwanzig Jahre in irgendein Bergdörfchen schicken, ich würde am Ende immer noch völlig anders klingen als die Leute um mich herum, weil ich eben einfach zu der (erfahrungsgemäß sehr großen) Gruppe an Menschen gehöre, die durch bloßes Zuhören keinen Dialekt erlernen kann.
Davon ab bleibt dann auch die Frage, welchen Dialekt man sich da aneignen soll - jedes Dorf redet irgendwie anders, wie soll man sich denn da einfinden? Einfach irgendeine Mischung zusammenbasteln, weil man Kontakt mit Leuten aus verschiedenen Orten hat und man selbst eh nicht unterscheiden kann, woher Wort A und woher Wort B nun stammt? Ob das im Sinne der Sprecher ist, wage ich zu bezweifeln.

Mal nebenbei - und um noch einmal auf mein Beispiel von eben zurückzukommen: Bei einem österreichischen Bäcker würde ich mir keinen Weck verlangen, weil der vermutlich nicht wüsste, was das ist. Aber: Bei einem berliner Bäcker hätten wir exakt das gleiche Spiel. Da muss ich also meinen Dialekt zurückschrauben, obwohl ich nicht einmal mein Heimatland verlasse - und das ist weder für mich, noch für irgendeinen Deutschen, den ich kenne, irgendwie ein Problem. Verlässt man den Heimatort, muss man auf Hochdeutsch wechseln. Bekommen wir Gäste von außerhalb, müssen wir ebenso auf Hochdeutsch wechseln. Allein innerhalb Deutschlands gibt es bereits so viele Dialekte, da ist das völlig selbstverständlich und wird überhaupt nicht hinterfragt. Sprachgrenzen sind ungleich Landesgrenzen, rein logisch betrachtet sollte das, was in Deutschland üblich ist, im gesamten deutschsprachigen Raum gelten. Alles andere ist in meinen Augen rücksichtslos und um ehrlich zu sein ziemlich arrogant. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass man von der Mehrheit der Deutschsprecher durchaus erwarten kann, dass sie Hochdeutsch beherrschen, während jedem klar ist, dass Dialekte nur sehr regional sind. Es existiert doch eine gemeinsame Sprache, die alle auf irgendeine Art sprechen, mir erschließt sich dann nicht, warum einige sich dann dazu erdreisten, von anderen zu verlangen, aus Prinzip eine andere Sprache zu lernen, weil man die bei ihnen zu Hause ansonsten auch spricht.
Ich habe eine Freundin, die ist 2002 aus Sachsen hierher gezogen. Die spricht zu Hause sächsisch und in der Öffentlichkeit Hochdeutsch. Sie wohnt jetzt seit dreizehn Jahren im Westen, in einem Bundesland, in dem über 90% der Bevölkerung Dialektsprecher sind - soll ich mal zu der gehen und sie fragen, was sie sich eigentlich erlaubt, nach so langer Zeit und einer so intensiven Dauerbeschallung noch immer keinen fränkischen Dialekt zu sprechen? Die würde mir den Vogel zeigen und das völlig zu Recht. Jeder versteht sie und dass sie unseren Dialekt nicht spricht, hat nichts damit zu tun, dass sie unsere Kultur nicht achtet oder nicht auf uns zugehen will, sondern ergibt sich einfach so, weil es von vorn herein eine gemeinsame Sprache gab, die alle halbwegs beherrschten und man ihr die Mühe, sich in unsere Dialekte einzufinden, somit ersparen konnte. Wobei mich das dann auch wieder zu der Frage führt, wie zur Hölle man einen Dialekt überhaupt erlernen soll...


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