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Darf man in Auschwitz lachen? - Erinnerungskultur Auschwitz, Holocaust, Kultur, NS-Deutschland

Autor:  Ladeniel
Ihr Lieben,

vor einigen Tagen bin ich von meiner zweiten Exkursion nach Auschwitz zurückgekehrt. Das Ganze ging von meiner Hochschule aus und war eine achttägige Reise über Berlin, Krakau, Oswiecim und Oranienburg. Ich habe an dieser Exkursion zum zweiten Mal teilgenommen, sie wird jedes Jahr bei uns angeboten.

Hauptteil der Exkursion ist der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagerkomplexes Auschwitz, also Auschwitz-I-Stammlager, Auschwitz-II-Birkenau und Auschwitz-III-Monowitz. Faktenwissen dazu bitte selbst heraussuchen, denn um die Geschichte dieser Lager soll es in diesem Post nicht primär gehen.

Wir Teilnehmer haben dieses Jahr viel über Erinnerungskultur und das Verhalten in ehemaligen Konzentrationslagern diskutiert. Das Ganze auf eine simple Frage herunterzubrechen ist schwer, aber ich habe es im Titel kurzerhand gemacht: Darf man in Auschwitz lachen?
Im Grunde meine ich damit aber: Was darf man in Auschwitz ohne respektlos zu sein?

Ich werde einige Dinge aufzählen, die in der Gruppe besprochen wurden.

Bei unserem ersten Besuch im Stammlager hatten wir mit unserem Guide kurz vor dem "Arbeit macht frei"-Schild über dem Eingang gehalten, uns am Rand versammelt und sie startete ihre Führung. In der Zeit sahen wir mehrere Besuchergruppen, die sich unter dem Schild versammelten um dort Gruppenfotos zu machen, Gruppenfotos, wie sie auf gemeinsamen Reisen eben nicht unüblich sind, alle rücken dicht zusammen und lächeln für die Kamera, Daumen hoch, Hasenohren werden gezeigt.

Außerdem machten mehrere Besucher Selfies, auf denen sie wahlweise lächelten oder auch traurig schauten.

Während der Führung im Stammlager gab es zwei Orte, an denen auf Schildern (und durch unseren Guide, ob die anderen Guides das auch getan haben, weiß ich nicht) darum gebeten wurde, aus Respekt für die Opfer zu schweigen, das war einmal der Erschießungsplatz zwischen Block 10 und 11 und zum anderen ein Krematorium. Auf dem Erschießungsplatz sprach ein Guide mit seiner Gruppe und erklärte etwas.

Weiterhin sahen wir von Weitem einige junge Leute, die sich fotografierten, während sie so taten, als würden sie in den Stacheldrahtzaun "fallen".

Im Nachlesen fällt mir auf, dass ich dieses Verhalten definitiv so beschrieben habe, dass es durchscheint, dass ich es als negativ bewerte und das stimmt auch. Das hier soll aber kein Rantblog werden, ich weiß zwar, dass ich nicht über meinen Schatten springen kann, aber der hoffentlich-etwas-sachlichere Teil von mir weiß, dass ich die Objektivität nicht gepachtet habe.

Daher meine Frage an euch: Wart ihr schon mal in einem oder mehreren ehemaligen Konzentrationslagern und habt ihr gewisse Vorstellungen und Meinungen davon, was in Ordnung ist und was nicht?

Was bedeutet für euch Respekt gegenüber den Opfern des Holocausts, wie wichtig ist euch das überhaupt? Wart ihr in einem ehemaligen Konzentrationslager und habt geweint/gelacht/gar nichts gespürt?
Darf man in Auschwitz Witze machen und wenn ja, welche und unter welchen Voraussetzungen? Sind zynische Bemerkungen in Ordnung, darf man über die SS oder Hitler sticheln?

WICHTIG: Dieser Eintrag dreht sich bewusst nur um den Holocaust, speziell Auschwitz. Bitte keine generellen Diskussionen um "Schuld der Deutschen" bzw., dass es auch andere Genozide gab. Ja ich weiß, es ist immer blöd, Diskussionsthemen abwürgen zu wollen, aber ich würde gerne bei diesem speziellen Thema bleiben wollen.

Ich würde mich freuen, wenn es zu diesem Thema einige Gedanken gäbe, und bitte darum, sachlich zu bleiben.

Ladeniel
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Datum: 29.11.2017 10:19
Ich war noch nicht in einem Konzentrationslager, wir haben damals in der Schule nur sehr viele Filme gesehen. Dokus oder Sachen wie Das Leben ist schön oder Aus dem Westen nichts neues.

Ich finde es irgendwie respektlos dort Fotos zu machen oder zu posieren. Damals haben mich die Filme verstört und heute kommen mir immer noch die Tränen bei den Film Das Leben ist schön.
Ich kann also nur mutmaßen wie ich mich fühlen würde, wenn ich KZ betreten würde, aber ich glaube ich würde mich, unbehaglich fühlen, wenn ich daran denke, wie man die Menschen dort behandelt hat und was sie erleiden mussten
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Datum: 29.11.2017 12:13
Ich war in Auschwitz und muss sagen, dass ich persönlich nicht verstehe, warum man dort überhaupt solche "typischen Reisefotos" machen möchte.
Ich habe dort nichts fotografiert. Nicht, weil es nicht interessant gewesen wäre, sondern weil ich nicht wüsste, was ich mit den Fotos tun sollte.
Bei Facebook posten? In mein Fotoalbum kleben? Und was für Fotos überhaupt? Für mich sind, wenn überhaupt, nur solche Fotos verständlich, die einfach das abbilden, was man dort sieht.
Fotos, wo Menschen bewusst drauf sind, finde ich immer schwierig.
Denn klar: Wie gibt man sich? Lächelt man, weil "auf Fotos lächelt man eben" oder schaut man bewusst traurig, um zu zeigen, wie betroffen man ist? Selbst wenn man es wirklich ist, finde ich, dass es doch oft sehr heuchlerisch rüberkommt (was es, wie gesagt, gar nicht sein muss. Aber für mich ist es problematisch).
"Lustige" Bilder, auf denen man so tut, als würde man fliehen, erschossen werden, was auch immer, finde ich immer extrem unpassend und frage mich auch hier, was man damit erreichen möchte, außer einer bewussten Provokation (aber wer bewusst provoziert, sollte sich dann eben nicht über entsprechende Reaktionen wundern).
Jedenfalls würde ich mich dort nicht fotografieren lassen und habe dazu auch gar keinen Drang (allerdings ist es heute tatsächlich ein Problem, dass viele Leute meinen, sie müssten ALLES fotografieren. Überall ein Selfie, überall ein Video, am besten alles gleich live in die sozialen Medien streuen... ich glaube, dass viele das schon automatisch tun und gar nicht mehr hinterfragen).

zum Thema "Lachen": Ich kann verstehen, dass viele Schulklassen, die dort "hingeschleppt" werden, einfach keinen Bezug und kein Interesse an der Thematik haben. Dann tratscht man lieber über was anderes, lacht, kichert... Respektlos ist das meiner Ansicht nach in jedem Fall, aber das ist eben immer das Problem, wenn Leute an solche Orte kommen, weil sie es müssen und nicht, weil sie es wollen.
Ich war bewusst und freiwillig in Auschwitz. Deshalb habe ich es bewusst auf mich wirken lassen.
Und wieso sollte ich dann lachen, über irgendwas quasseln, Witze reißen...?
Ich finde, man kann durchaus Witze ÜBER Auschwitz machen. Aber muss man das IN Auschwitz machen? Wozu?
Ich bin auch nicht die ganze Zeit mit einer Trauermiene durch Auschwitz gegangen, aber ich habe mich leise und respektvoll verhalten, wie ich es auch in Kirchen, Tempeln, Museen usw. tun würde.

Für mich stellt sich daher weniger die Frage, ob man es "darf", sondern warum man es "will" oder meint, es tun zu müssen.
Viele Leute haben da so eine "Ich darf nicht??? Jetzt erstrecht!"-Haltung.
Da sollte man sich meiner Ansicht nach fragen, welchem Zweck dieser "Protest" dient, wen er trifft und was man damit aussagen will.
Dann wird man sich bestimmt recht schnell bewusst, ob man sich so verhalten will oder nicht.
~sleep all day, party all night,
never grow old, never die,
it`s fun to be a vampire~
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Datum: 29.11.2017 12:57
Ich kann nur sagen, wie respektvoll man mit der Sache vor Ort umgeht, bzw. wie man überhaupt mit der Sache umgeht muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich dienen die KZs als Gedenk- und Mahnmale. Sie sollen helfen den Opfern zu gedenken und gleichzeitig daran erinnern, dass sowas nicht nochmal passiert. Gleichzeitig kann man dort auch über Teile der Deutschen Geschichte lernen. Im Prinzip ist mir egal was die Leute dort machen (wie sie mit so viel Leid persönlich umgehen) solange sie am Ende des Tages etwas für sich persönlich mitgenommen haben.

Ich bin Jude und Teile meiner Verwandtschaft wurden damals u.a. nach Dachau und Auschwitz deportiert. Der andere Teil hat es erfolgreich geschafft in die USA zu fliehen. Gibt Geschichten, da kommen einem echt die Tränen. Mir persönlich würde nicht einfallen dort groß Witze zu reißen oder n Selfie zu machen. Was meiner Meinung nach hilft besser zu verstehen sind Zeitzeugenberichte. Wer wie ich damit aufgewachsen ist und immer wieder zuhören durfte, der hat weniger Schwierigkeiten mit dem Respekt.
I quit. Everything.
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Datum: 29.11.2017 15:35
Ich schließe mich den anderen mal an.
Ich war selbst auch einmal in Auschwitz, auch von der Schule aus und zwar auf freiwilliger Basis. Für mich war der Besuch sehr eindrücklich, ich denke heute noch oft daran. Es hat mich tatsächlich einfach bewegt dort zu sein und auch, wenn es albern klingen mag, so habe ich es doch so empfunden, dass von diesem Ort etwas "bedrohliches"/"trauriges" ausgeht.
Von daher kann auch ich nicht nachvollziehen, wie man sich an einem solchen Ort respektlos verhalten kann und tatsächlich finde auch ich alles, was du genannt hast, respektlos. Klar, manches mehr (z.B. bewusst lustige Fotos nachstellen), manches weniger, aber alles bleibt doch respektlos und sollte nicht sein.
Daher finde ich es auch ganz schwierig, Klassen dazu zu zwingen Auschwitz zu besuchen. Das bringt niemandem etwas. Die Lehrkräfte und die anderen Menschen vor Ort ärgern sich im schlimmsten Fall über die Schüler und die Schüler langweilen sich und kommen im schlimmsten Fall auf dumme Ideen (wie solche Fotos zu machen.)
Hinzu kommt, dass gerade Jugendliche es heutzutage SO gewohnt sind ALLES zu fotografieren, dass es heute noch leichtfertiger zu solchen Respektlosigkeiten kommen kann. Ich persönlich würde Schülern für den Besuch konsequent das Handy verbieten, damit so etwas nicht passieren kann. Es ist einfach unnötig von Auschwitz Fotos zu machen und noch unnötiger sind diese Fotos, wenn man selbst drauf ist.
Zum lachen möchte ich aber noch einen anderen Aspekt einbringen: Gerade junge Menschen lachen auch oft, wenn sie unsicher oder mit der Situation überfordert sind. Daher würde ich es nicht zwangsläufig als Respektlosigkeit auslegen. Es kommt hier tatsächlich auf die Umstände an. Gerade, wenn man als Schüler dazu gezwungen wird, sich Auschwitz anzuschauen, kann es passieren, dass man so reagiert oder meint, lachen zu müssen, um vor Mitschülern als "cool" o.ä. dazustehen.
Gib mir, Herr, mein Gott, einen Verstand, der dich erkennt, einen Eifer, der dich sucht, eine Weisheit, die dich findet, ein Leben, das dir gefällt, eine Ausdauer, die dich mit Vertrauen erwartet, und eine Zuversicht, die dich endgültig erkennt. (Thomas von Aquin)

:)
Datum: 29.11.2017 15:44
Ich habe in einer Gedenkstätte gearbeitet und sehe das durchaus ambivalent, aber ich habe durchaus auch Probleme mit dem Thema Erinnerungskultur in Bezug darauf, wie das heute in Schulen (auch, als ich noch Schülerin war) praktiziert wird.
In dem Hinblick nehme ich Schüler_Innen nicht übel, wenn sie sich nicht der Schwere des Ortes angemessen benehmen, einfach, weil ich aus Gesprächen den Eindruck hab, dass das für viele halt nicht greifbar ist, WAS der Holocaust eigentlich genau bedeutet hat.
Allerdings kann man in "meiner" Gedenkstätte da auch nicht viel von sehen, weil die baulichen Strukturen von damals nicht mehr existieren und man sich damit wirklich darauf einlassen muss, um zu verstehen.
Außerdem glaube ich, dass viel Gekicher und viel Witze machen einfach ein verzweifelter Versuch sind, irgendwie nicht zu zeigen, wenn man betroffen ist- gerade in Schulklassen oft, weils uncool wirkt oder so.

Bei den Fotos: Ich halte das mit abgemeldet, ich wüsste nicht, wozu man da Fotos machen sollte. Von den Strukturen gibt es Bilder ohne Ende, wenn man n Vortrag dazu vorbereitet, findet man alles mögliche im Netz, und ob ich ein Bild "ich in Auschwitz" brauche, kann ich zumindest für mich verneinen. Für mich ist das aber auch kein klassischer Tourismusort, wo ich eine Erinnerung dran bräuchte, um nicht zu vergessen, dagewesen zu sein, und ich finde es auch für mich falsch, durch Selfies mit betroffenem Hashtag meine Betroffenheit zu signalisieren, um dann im nächsten Post ein Bild von mir beim Eisessen zu haben. Ich finde, da gibt es sinnvollere Weisen des Umgangs.

Wir haben viele Zeitzeug_Innen dagehabt, immer mal wieder. Für richtige Treffen war die Anlage für Besucher_Innen gesperrt, um zu vermeiden, dass diese durch respektloses Verhalten in ihrer Erinnerung gestört oder verletzt werden.
Esther Bejarano zum Beispiel war eine, die sagte, dass es für sie absurd ist, diese Orte als Tourismusziele zu begreifen, aber auch, weil sie für sie nicht nur Orte der Vernichtung waren, sondern auch solche, die für die tiefste menschliche Niedertracht und dafür stehen, was aus Hass werden kann. Sie will diese Orte als Mahnung verstanden wissen, dass so etwas nicht noch einmal passieren darf- und deswegen nicht nur als Orte der Trauer und der Betroffenheit, sondern auch als Orte, die Verständnis dafür schaffen, dass das real war, dass es Ergebnis von Propaganda war und dass es- letztlich- nicht vorbei ist. Dass sowas wieder passiert bzw. wieder passieren kann.

Grundsätzlich stört mich so ein Verhalten, wenn ich "für mich" da bin, weil ich das Gefühl habe, das genau diese zum Ausdruck gebrachte Respektlosigkeit uns jetzt im erweiterten Sinne auf die Füße fällt. Außerdem habe ich das Gefühl, dass das Witzeln und Sticheln eine ernsthafte Auseinandersetzung vermeidet, und das finde ich arg kontraproduktiv.
Ich finde auch nicht, dass man da Witze drüber machen sollte. Es war nicht witzig, es wird nie witzig sein, und es normalisiert das viel zu sehr (in meinen Augen).

Wenn ich mit Klassen da war, bin ich immer unterschiedlich damit umgegangen, je nachdem, wie ich die Klasse "gekriegt" habe und je nachdem, ob Zeitzeug_Innen auf dem Gelände waren oder nicht. Ich hab grundsätzlich immer vor dem Betreten kurz rumgefragt, was jede_r mit dem Thema verbindet, um ins Bewusstsein zu rufen, worums gleich gehen wird.
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Datum: 29.11.2017 17:00
Ich war zwar noch nie in Auschwitz, aber im EL DE Haus in Köln.
Da gibts auch unten nen Keller in denen sich sechzig Gefangene die engsten Zellen teilen mussten, überall in den Wänden war etwas eingeritzt, alles war so belassen worden wie es war.

Und ja - ich habe ein gewaltiges Problem - ich muss an den ungünstigsten Stellen manchmal hysterisch kichern, anfallartig.
Nicht aus Respektlosigkeit, sondern weil manches irgendwie über mein Fassungsvermögen hinausgeht und ich bekanntermaßen mit allen Mitteln gegen Panikattacken kämpfen muss. Beerdigungen, Taufen, Hochzeiten, öffentliche Reden - hatte ich alles hinter mir.
Inklusive vernichtender Blicke, aber glücklicherweise auch verständnisvolle Menschen.

Und vor dem Besuch des El-DE-Hauses habe ich mir nächtelang deswegen den Kopf zerbrochen, was ich tun sollte, wenn ich da drin einen "Anfall" haben sollte.
Ob ich dann schnellstens die Flucht ergreifen konnte?

Kurz und knapp:
Ich bekam dort keinen "Anfall", da ich mental zu sehr mit dem Thema beschäftigt war.
Wir hatten auch jemanden, der uns alles sehr gut erklärt hat, so war ich mit der Aufnahme der Informationen beschäftigt und bekam keine Panik.

Darum denke ich, wenn jemand an einem solchen Ort krampfartig lachen muss, kann das vielleicht auch andere Gründe haben.

Wenn man sich dort jedoch absichtlich amüsiert und Witze reißt, dann stellt sich die Frage, ob die Leute überhaupt erfasst haben, was dort geschehen ist.
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Datum: 29.11.2017 22:16
@ ElCidIV

>Ich war zwar noch nie in Auschwitz, aber im EL DE Haus in Köln.

Oh ja, das ist auch sehr bedrückend! Ich fand die Eindrücke da sehr stark, vor allem die ganzen an die Wände geschriebenen / geritzten Aussagen. Da musste ich teilweise sehr meine Tränen unterdrücken.
Gib mir, Herr, mein Gott, einen Verstand, der dich erkennt, einen Eifer, der dich sucht, eine Weisheit, die dich findet, ein Leben, das dir gefällt, eine Ausdauer, die dich mit Vertrauen erwartet, und eine Zuversicht, die dich endgültig erkennt. (Thomas von Aquin)

:)
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Datum: 30.11.2017 04:17
In Auschwitz war ich nicht, aber in Bergen-Belsen schon zwei Mal.
Ich hab mich so mit 10, 12 Jahren sehr für Anne Franks Tagebuch und ihr Leben interessiert und da Bergen-Belsen, wo sie ja gestorben ist, tatsächlich relativ in meiner Nähe liegt, bin ich da dann mit meiner Ma zusammen hin gefahren.
Vielleicht macht es nen Unterschied, dass dort im Gegensatz zu Auschwitz einfach nichts mehr ist, man sieht nur noch die Grabhügel, da stehen keine Häuser oder Baracken mehr, da das Lager ja gleich nach Kriegsende von den Engländern aus Infektionsschutzgründen abgebrannt worden ist. Jedenfalls hatte ich da kaum wirklich traurige Gefühle, es ist einfach eine Wald- und Heidelandschaft und vorne steht das große Ausstellungsgebäude, weiter hinten sind noch Gedenkplätze.
Ich bin, nachdem ich in der Ausstellung war, auch zu Annes Gedenkstein hin, hab kurz ein Foto gemacht, nur von dem Stein, ohne mich selbst drauf, und hab einen kleinen, mitgebrachten Stein hingelegt, wie das ja auch im Judentum üblich ist.
Meine Ma und ich sind dann über das ganze Gelände gelaufen, haben auch die weiter entfernten Gräber für die Kriegsgefangenen noch angeschaut, und wahrscheinlich hab ich, weil wir zwischendurch einfach normal Gespräche geführt haben, während es durch Wald und Heide ging, auch mal kurz gelacht.
Was ich da in Bergen-Belsen, anstelle von der "geforderten Bedrückung und Traurigkeit", viel mehr gefühlt habe, war der Gedanke, dass es einfach Menschen waren, die dort ermordet wurden, viele viele Menschen. Menschen wie wir und alle anderen auf der Welt. Und dass man so ein Geschehen für die Zukunft nur verhindern kann, indem man allen Menschen, egal ob Jude, Christ, Moslem usw, mit Menschlichkeit begegnet. Nur "traurig sein über die Geschichte" hilft ihnen nicht, man muss tatsächlich aus dieser Geschichte lernen und sagen: "Mit mir nicht, wenn so was auch im Kleinen passiert, ich mach da nicht mit!"
Wir haben grad wieder die Gefahr, es werden in Europa wieder Stimmen laut, die Menschlichkeit und Toleranz mit Hass und unmenschlichen Ideen zu überdecken versuchen. Genau so fängt es an, auch wenn es vielleicht nicht direkt in den Gaskammern enden wird, irgendwas wird passieren.
Ich habe da in der Gedenkstätte genau dieses Gefühl gehabt. Wir sind den Opfern nicht schuldig, in der Gedenkstätte nicht zu lachen. Wir sind es dem heutigen Israel nicht schuldig, dass sie von uns nicht kritisiert werden dürfen für Dinge, die sie heute verbocken. Wir sind ihnen einzig und allein schuldig, dass wir als die Jetzt-Lebenden drauf achten, menschlich zu sein, und verhindern müssen, dass der fast gleiche Dreck noch mal losgeht.
Ich habe mal ein Buch gelesen von einer Frau, die als 13-15-jähriges Mädchen im "Kinderhaus" von Bergen-Belsen war, ein beeindruckendes, gutes Buch, und es schließt mit dem Satz: "... als wollten die Gräber sagen: Wir haben jetzt unseren Frieden."
Es ist siebzig Jahre her. Die, die damals Kinder waren, sind heute alt, die damals Älteren leben nicht mehr. Es liegt jetzt an uns, die wir heute jung sind, dafür zu sorgen, dass es sich in keiner Form wiederholt.
Visual Kei is not dead!!
I'll be Sliver forever. MEJIBRAY are Life!
Love is Love.
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Datum: 05.02.2018 01:31
Nach Ewigkeiten eine Antwort von mir:
Ich bedanke mich für die vielen Antworten, in vielfacher Hinsicht spiegeln sie meine Einstellung wieder.

Fotos im Lager finde ich an sich nicht schlimm, außer an Stellen, an denen eben explizit darum gebeten wird, nicht zu fotografieren.
Zu diesem Thema habe ich letztes Jahr auch einen Zeitzeugen gefragt, einen ehem. politischen Häftling aus Polen, dem ich die Frage stellte, wie er es fände, wenn Besucher Fotos machen, auf denen sie lachen.

Er antwortete (Gedächtnisprotokoll): “Sie sollen Bilder machen, aber sie sollen nicht lachen, dafür ist es zu ernst.“.

Wer es interessant findet: Der Film “Uploading Holocaust“ ist ein Zusammenschnitt an Youtubevideos, die israelische Schüler gemacht haben, als sie nach Polen gereist sind. Die eine oder andere “Szene“ mag auf viele Deutsche befremdlich wirken.

Natürlich können wir keinen allgemeingültigen Konsens finden, aber ich finde es gut, dass sich soviele geäußert haben.

Alles Liebe, Ladeniel



Mortal Instruments als Shonen-AI-Manga?! Fail.


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