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Vertrauen ist wirklich alles

von

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Kapitel 1

Titel: Vertrauen ist wirklich alles

Teil: 1/?

Autor: schuchan, Tsugumi

E-Mail: Kamayima@gmx.de, jennyBreidenbach@yahoo.de

Fanfiction: Weiß Kreuz

Disclaimer: Die Jungs von Weiß Kreuz gehören leider nicht uns, auch wenn wir sie gerne

behalten würden ^__^. Die Rechte liegen bei Kyoko Tsuchida und dem Projekt Weiß, und wir

wollen mit der FF keinen Profit machen.

Rating: PG-16

Warnung: bis jetzt noch nichts, wird aber aktuell ergänzt ^___^

Pairing: ist bestimmt nicht schwer, zu erraten *g*

Kommentar: So, lang, lang ist's her *grins* aber wir sind wieder dahaaa *strahl* Diesmal haben wir uns an einem anderen Pairing versucht, aber mein süßer Schu ist natürlich wieder mit von der Partie *ohne Schu nicht sein kann* Dass die Charas ein bisschen OOC sind, ließ sich leider nicht vermeiden, aber wir hoffen, ihr habt trotzdem euren Spaß daran und schickt uns ein paar Kommis *ganz lieb schauen*

Inhalt: Wie verlief wohl das erste Zusammentreffen zwischen Schuldig und Brad? War Brad schon immer so unterkühlt? Und wie kamen sie überhaupt nach Japan? Hier eine eventuelle Antwort darauf...

Zur genauen Erläuterung: Ich, schuchan, spiele mal wieder den allseits beliebten, etwas Durchgeknallten Telepathen *grins* Tsugumi übernimmt den attraktiven, leicht unterkühlten Brad (an dem sie einen Narren gefressen hat) ^______^
 

****
 

Klackend hallten die Schritte auf dem Parkett wider, das in den langen Fluren und verästelten Gängen ausgelegt war. Eine Gruppe von sechs jungen Männern folgte einem schon etwas in die Jahre gegangenen Mann, ohne eine Miene zu verziehen und die Blicke geradeaus gerichtet.

Doch in einem der jungen Männer sah es gar nicht so ruhig aus. Es war nur eine Maske, die ihm schon vor langer Zeit aufgezwungen worden war und ohne die er heute wohl gar nicht mehr leben würde.

Dennoch kotzte es Schuldig wirklich an und das nicht zu knapp. Zwölf Stunden hatte er sich in einem Flieger den Hintern breit gesessen und der Jetleck steckte ihm in den Knochen. Doch hier wurde keine Rücksicht darauf genommen. Sie wurden zu ihrem neuen Boss zitiert und wer nicht untergehen wollte, hatte zu folgen.

Aber das war der orangefarbene Wuschelkopf schon gewöhnt. Sein ganzes Leben war darauf ausgerichtet worden, Befehle zu empfangen und auszuführen. Doch der Traum, dass es auch noch anders sein konnte, hielt sich hartnäckig im Unterbewusstsein des Telepathen.
 

Mit ruhigen Händen ordnete Brad Crawford einige Aktenblätter und legte sie aufeinander, Kante an Kante, ordentlich, perfekt. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und legte die Fingerspitzen aneinander. Sein Blick glitt durch sein Büro. Alles aufgeräumt, der schwarze Schreibtisch leer. Jeden Moment würden die Neuen kommen, man hatte ihn vor einer halben Stunde informiert, dass sie gelandet waren.

Er fragte sich, was diesmal wieder für Typen dabei waren. Zweifellos, in diesem Job lernte man die seltsamsten Menschen kennen. Obwohl man dieses Ganze hier als Job nicht wirklich bezeichnen konnte, wie Brad sich immer wieder klar wurde, auch wenn er versuchte, diese Tatsache zu ignorieren und wenigstens zu tun, als handele es sich um eine normale Arbeit. Aber dem war nicht so und das wusste er genauso wie die armen Vögel, die jetzt gerade zu ihm geführt wurden.

In diesem Moment erklang auch schon ein Klopfen an der Tür und ein Assistent kündigte die Ankunft der Neuzugänge an.
 

Noch immer ohne einen Mucks von sich zu geben, auch wenn den jungen Männern die Müdigkeit teilweise anzusehen war, traten sie ein und stellten sich in einer Reihe vor den großen Schreibtisch, hinter dem sie den Mann erkannten, der ihr weiteres Schicksal fürs erste bestimmen würde.

Schuldig war das erst mal so ziemlich egal. Sein Körper schrie förmlich nach einem Bett und auch, wenn seine Ausbildung schon so lange andauerte, manchmal fiel es ihm noch extrem schwer, sich zusammenzureißen. Vielleicht lag es daran, das er mit seinen neunzehn Jahren noch sehr jung war, vielleicht auch daran, dass er seinen Geist noch nicht so unter Kontrolle hatte, wie es erwünscht wurde.

Im Moment war es ihm einerlei. Nicht nur, dass er einfach nur müde war, auch seine Barrikaden waren nicht mehr die besten, hatte er in den letzten Stunden zu viel und zu lange die Stimmen in seinem Kopf blockieren müssen. Und das rief seine Migräne wieder auf den Plan, der er noch immer nicht Herr werden konnte.

So starrte er den schwarzhaarigen Mann nur ausdruckslos an, hoffte, dass dieser endlich in die Pötte kam und sie entließ.
 

Brad musterte die Neuankömmlinge. Es waren zwei Telekineten dabei, beide noch recht unterentwickelt, ein Geisterseher, ein Typ, der laut Akten Elektrizität beeinflussen konnte, ein Wünschelrutenführer und ein Telepath. Brads Augen blieben kurz an dem Orangehaarigen hängen. Telepathen fand er schon sehr interessant, auch wenn er diese Fähigkeit von allen am meisten fürchtete, weil er damit noch am wenigsten Übung hatte. Diese Fähigkeit war die einzige, die seiner eigenen wirklich gefährlich werden konnte.

Er versicherte sich noch einmal, dass er seine Gedankenwelt verschlossen hielt und hieß die neuen mit ausdruckslosem Blick willkommen.

"Herzlich willkommen in Washington, meine Herren. Ich denke, sie haben alle einen anstrengenden Flug hinter sich und möchten sich gerne ausruhen. Aber glauben sie nicht, dass jemand hier darauf Rücksicht nehmen wird. Sie haben eine Stunde Zeit, ihre Räumlichkeiten zu beziehen, anschließend gibt es eine Führung durch die Anlage und eine erste Besprechung. Ich denke, ich muss es nicht extra erwähnen, aber auch hier legen wir äußersten Wert auf Disziplin und wir erwarten, dass sie sich an die Spielregeln halten."

Er ließ einen bedeutungsvollen Blick durch die Runde wandern.

"Ich denke, sie alle wissen, was sie erwartet, wenn sie einen Regelstoß begehen?"
 

Schuldig konnte das frustrierte Aufstöhnen in seinem Kopf hören, das ihn von seinen Leidensgenossen entgegenschallte und seine Migräne noch mehr verstärkte. Aber er behielt die eiserne Maske oben, auch wenn es ihm immer schwerer fiel. Wenn er nicht aufpasste, würde er wohl die eine Stunde einfach nur in einen komaähnlichen Zustand fallen und den restlichen Tag nicht mehr ansprechbar sein. Und das war ganz übel.

Auch in der anderen Anstalt, wie sie es gern nannten, hatte man darauf keine Rücksicht genommen. Man hatte ihn weiter getriezt, manchmal bis er einfach nur in Ohnmacht fiel und sich gar nicht mehr regte. Und selbst dann hatten ihn die Telepathen, die sie als Trainer gehabt hatten, wieder zurückgeholt und er hatte weiter machen müssen.

So wurden doch knappe Nicken zum Verstehen angedeutet, so sehr sie gedanklich gerade auch schimpften und sie eigentlich nur noch darauf wartenden, erst einmal entlassen zu werden.
 

"Gut, wir verstehen uns. Ich händige ihnen jetzt Pläne des Geländes aus. Ihre Zimmer und andere wichtige Informationen sind dort verzeichnet."

Crawford erhob sich und übergab jedem der Reihe nach einen Zettel, bei dem Telepathen warf er einen kurzen Blick in kalten, grünen Augen, ignorierte ihn dann aber wieder.

Er hatte heute Morgen eine Vision gehabt, in der er den Orangehaarigen mit der kühlen Miene bereits gesehen hatte. Der junge Mann wirkte in der Tat sehr distanziert, aber Brad wusste, dass die wenigsten Menschen hier sich so gaben, wie sie wirklich waren. Und gerade dieser hier strahlte ein beunruhigendes Gefühl aus. Dennoch hoffte er, keine größeren Probleme mit dem Telepathen zu bekommen, denn das würde ihm jetzt gerade noch fehlen.

"Wenn dann keine weiteren Fragen mehr sind, können sie wegtreten."
 

Auch, wenn er es besser wissen sollte, manchmal kam noch immer sein jugendlicher Leichtsinn durch und als ihn die emotionslosen, schwarzen Augen anblickten, streckte Schuldig wie von selbst seine mentalen Fühler aus, versuchte, in den Kopf des Schwarzhaarigen durchzudringen. Aber es war zwecklos, war er doch schon viel zu müde und der andere anscheinend bestens gerüstet, auch wenn er schon stärkere Barrieren erlebt hatte.

So zog sich der Jüngere schnell wieder zurück, griff stattdessen einfach nur den Zettel, bevor er sich mit den anderen umwandte und, ohne noch ein Wort zu verlieren, verließen sie das Büro.

Draußen wartete wieder der ältere Mann und wortlos wurden sie zu ihren Zimmern geführt, in denen ihr Gepäck schon stand, was sie hatten mitnehmen dürfen.

Und auch hier wusste es der Deutsche eigentlich besser und doch war der Ruf zu verlockend, dass er einfach nur in das weiche Bett fiel und keine Sekunde später in einen tiefen Schlaf gefallen war.
 

~~~~
 

Mit hallendem Schritt durchquerte Crawford die einheitlichen Gänge, deren Böden so gewienert waren, dass man sich darin spiegelte. Zielstrebig und entschlossen steuerte er Zimmer 266 an, wo, wie er jetzt schon für sich beschloss, sein zukünftiges Problemkind zu finden war.

Als Teamleiter dieses Abschnitts, der Einheit B 21, hatte er mit einer Chipkarte Zugang zu allen Zimmern der hier hausenden Mitglieder. Somit verschaffte er sich ohne Probleme Zugang zu dem Zimmer des Deutschen und fand diesen schlafend in seinem Bett vor.

Er positionierte sich vor dem Bett und sprach mit normal lauter, aber eindringlicher Stimme: "Ich weiß nicht, ob ich mich richtig ausgedrückt habe, aber ich rate dir dringend, dich hier an die Regeln zu halten."
 

In den dunklen Tiefen der Bewusstlosigkeit gefangen, drang unterbewusst eine Präsenz zu dem Telepathen durch, die er nicht kannte und im ersten Moment Angst machte. Sie war unheimlich... stark und dominierend. Er kannte solche Präsenzen und sie alle hatten ihm immer nur Angst gemacht.

Und sie hatten einen Einfluss auf den Deutschen, die diesem unheimlich war. Sie rissen ihn wieder zurück in die Realität, immer weiter von der Ruhe weg, die er so extrem nötig hatte.

Leise gequält stöhnend, wälzte sich Schuldig auf den Rücken, versuchte, seine bleischweren Lider zu heben, was ihm nur nach und nach gelang und unangenehm stach das grelle Licht in seinen Augen, das das Dröhnen in seinem Kopf noch verstärkte. Und erst nach einer kleinen Ewigkeit drangen die Worte zu ihm durch, die keinen Widerspruch duldeten.

Aber noch immer war der Telepath nicht aufnahmefähig, schloss nur wieder die Augen, auch wenn er versuchte, dem erneuten Drang nachzugeben, wieder abzudriften.
 

Brad Crawford hätte am liebsten geseufzt, aber etwas Derartiges konnte er sich nicht erlauben. Er war Teamleader, er konnte sich keine Zeichen von Schwäche erlauben.

"Schuldig! So heißt du doch?! Ich sage es noch einmal, hier erwarten wir höchste Disziplin und wer sich nicht dran hält, der muss die Konsequenzen tragen können."

Seine Stimme war ein wenig lauter und bestimmter geworden, so, wie es sein musste. Er sah zwar, dass der andere mit sich kämpfte, wusste aus seinen Studien, dass Telepathen extrem sensibel waren und mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, die man nur sehr schwer verstehen und nachvollziehen konnte, wenn man es nicht selbst erlebte, aber er konnte, durfte keine Rücksicht nehmen. Denn auch er hatte die Spielregeln zu befolgen...
 

"Halt die Luft an!" platzte es ungestüm aus dem Telepathen raus, ohne dass er es noch aufhalten konnte. In dem Zustand, in dem er sich jetzt befand, war gar nicht gut Kirschenessen mit ihm und einige seiner früheren Mitbewohner in der Anstalt hatten das auch immer am eigenen Leib erfahren müssen.

Aus Erfahrung wusste der Deutsche, dass er sich eigentlich zurückzuhalten hatte, dass er Respekt zu haben hatte. Aber sein loses Mundwerk hatte ihn schon immer in Schwierigkeiten gebracht und diesmal sah es nicht anders aus. Doch das war ihm im Moment so ziemlich egal.

Sein Schädel dröhnte, wenn er die Augen öffnete, drehte sich ihm alles und schlecht war ihm auch. Nein, das war gar kein guter Zeitpunkt, um sich mit ihm anzulegen und den Starken zu markieren. Und in diesem Zustand gab es noch eine Nebenwirkung, die Schuldig einfach noch nicht unter Kontrolle hatte.

Er konnte seine Fähigkeit nicht mehr vollständig beherrschen und ohne so recht zu merken, was er tat, streckten sich seine Fühler nach der mentalen Präsenz des Amerikaners aus und rüttelten kräftig an dessen Barriere.
 

Brad hielt für einen Moment die Luft an, stieß sie aber geräuschlos wieder aus. Er beobachtete die Gestalt mit den noch immer geschlossenen Augen vor ihm. Schuldigs Stirn zog sich zusammen und eine bewegte Mimik war zu sehen. Mit einem Mal spürte Brad einen seltsamen Druck in seinem Kopf, ein schwer zu beschreibendes Gefühl, das ihn sehr irritierte und mehr als unangenehm war.

Der Telepath versuchte offenbar, seine Gedanken zu lesen und für einen Moment bekam Brad Crawford einen leichten Schreck, den er aber schnell durch rationales Denken verdrängte. Er konzentrierte sich stark, um sich weiterhin abschirmen zu können.

Schnell meinte er: "Ich werde darüber Bericht erstatten müssen."

Mit diesen knappen Worten drehte er sich auf dem Absatz um und verließ den Raum etwas zu hastig. Innerlich verfluchte er sich, dass er noch so wenig Erfahrung mit solchen Situationen und speziell mit Telepathen hatte.
 

Schuldig bekam nur noch mit, wie sich die dominante Präsenz wieder entfernte, die für einen Moment geschwankt und etwas preisgegeben hatte, das er nicht erwartet hatte. Furcht.

Doch lange konnte er nicht darüber nachdenken, schnaubte er nur leise auf die nüchternen Worte, dann wälzte er sich wieder auf die Seite und sein geschundener Geist suchte im Schutz der Ohnmacht nach Ruhe.

Aber lange war ihm dies nicht vergönnt, hatte der Amerikaner seine Drohung, die eigentlich auch keine war, wahr gemacht und jetzt musste der Deutsche die Konsequenzen tragen.

Von mächtigeren Telepathen wurde Schuldig bestürmt, sein Geist gewaltsam wieder in das Hier und Jetzt gezerrt, ohne Rücksicht auf Verluste. Und neben der schweren körperlichen Belastung, die schon fast an Folterung grenzte, wurde sein Geist noch mehr strapaziert, seine Fähigkeit bis ins letzte ausgemerzt, bis er nur noch eine willenlose Puppe war, die sich nicht mehr wehren konnte, egal, was er tat.

Und auch, wenn Schuldig diese Bestrafung schon bekannt genug war und er wusste, dass es sinnlos war, so wünschte er sich doch die ganze Zeit über, dass es einfach nur aufhören sollte.
 

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Zwei Tage waren nun seit der Ankunft der Neuzugänge vergangen und Schuldig hatte bis jetzt an keiner Aktion teilgenommen. Und Brad wusste nur zu gut, warum.

Er wusste genau, was geschah, wenn er einen Regelverstoß meldete, wusste, was mit Insassen geschah, die sich nicht korrekt verhielten. Er selber hatte es auch schon zu spüren bekommen, so wie jeder hier es früher oder später erfuhr, nur unterschied er sich von den anderen in dem Punkt, dass er den Entschluss gefasst hatte, alles daran zu setzen um derartige Erfahrungen in Zukunft zu vermeiden und das war auch der Grund, warum er jetzt auf der Seite hinter dem Schreibtisch stand und die anderen ihm gegenüber. Er war Teamleiter und sie nicht.

Welche Behandlung genau ein Telepath erleiden musste, wusste er nur aus Berichten und dem, was die Höhergestellten manchmal erzählten und er wusste, dass es grausam war. Aber deswegen durfte er kein Mitleid zeigen.

Erneut nahm er an diesem Tag den Weg zu Schuldigs Zimmer auf, öffnete es ohne ein Wort und trat ein.

"Guten Morgen. Ich bin gekommen, weil ich davon ausgehe, dass du wieder einsatzbereit bist oder irre ich mich da?" Diese Frage war nicht wirklich eine, Schuldig hatte nach diesen eingeräumten zwei Tagen einsatzbereit zu sein und das wusste er.
 

Klopfte der Kerl eigentlich nie an?! war Schuldigs erster Gedanke, als er die Präsenz des Amerikaners hinter sich spürte, die er schon besser kannte, als ihm lieb war. Aber diesmal war er so klug, dies nicht laut auszusprechen, saß ihm doch die letzte Strafe noch tief in den Knochen und war noch immer präsent in seinen Gedanken. Aber er wusste, dass er nicht wirklich daraus gelernt hatte. Früher oder später würde sein Mundwerk wieder schneller als sein Gehirn sein.

Aber er war froh, wenigstens die beiden Tage zugesprochen bekommen zu haben, die er in einem Zustand zwischen Wachsein und tiefer Ohnmacht verbracht hatte. Aber es hatte ihm gereicht. Seine Barrieren waren wieder da, die ihm gewaltsam entrissen worden waren.

So griff er noch nach seinem Stirnband, das schon früh zu seinem Markenzeichen geworden war, um seine wilde Mähne etwas zu bändigen, legte es sich um, bevor er sich umdrehte. Diesmal war sein Blick wieder kalt, zeugte nichts von seinen Gedanken und dem, was er hatte ertragen müssen.

Und es folgte auch nur ein stummes Nicken auf die rhetorische Frage.
 

Der Deutsche war offenbar wieder auf dem Damm, dazu musste Crawford nicht einmal in die Augen des anderen sehen, allein seine Haltung sagte schon genug aus. Er fragte sich, was dieser Mann wohl im Kampf zu vollbringen im Stande war.

"Wir haben gleich eine Kampfsimulationsübung im Plan. Im Raum S-872 findet jetzt eine Teambesprechung statt, in 45 Minuten begeben wir uns dann in das Übungsgelände. Ich möchte sehen, was ihr alle drauf habt. Und ich erwarte, dass man sich an die Regeln hält", betonte er noch einmal, drehte sich dann weg und bedeutete Schuldig, ihm zu folgen.

Viel würde er wohl nicht zu sehen bekommen, so wie er den Haufen bis jetzt einschätzte, waren sie genau solche langweiligen Stümper wie alle anderen hier auch. An niemandem von den sechs Neuen hatte er etwas wirklich Außergewöhnliches bemerkt, sie waren alle so mürbe geworden, dass sie sich damit zufrieden gaben, nur ein kleines Rädchen im Getriebe zu sein.

Unter Umständen war es mit diesem Schuldig hier nicht anders, nur, weil er sich gesträubt hatte, hieß das nicht, dass er etwas Besonderes war. Vielleicht war er auch einfach nur dumm oder neigte zu Selbstüberschätzung. Aber das würde sich zeigen.
 

Schuldig konnte es sich nicht verkneifen, mit den Augen zu rollen, doch das sah der verstockte Ami vor ihm ja nicht. Aber es nervte einfach, immer wieder zurechtgewiesen zu werden. Er war ja kein kleines Kind mehr, nur manchmal neigte er eben dazu, erst zu handeln und dann zu denken. Das war schon immer sein Problem gewesen, aber er hatte sich auch damit abgefunden, die Strafen zu ertragen.

Irgendwann würde seine Zeit bestimmt kommen und dann wäre er frei und sein eigener Herr. Diesen Traum hatten ihm auch die anderen Telepathen noch nicht nehmen können.

So folgte der orangehaarige Deutsche Crawford zum Besprechungsraum, die Hände dabei in den Hosentaschen vergraben und alles andere als eine respektvolle Haltung innehabend. Aber das war ihm auch egal. Die konnte ihm alle mal den Buckel runterrutschen!
 

Im Besprechungsraum warteten die anderen Teammitglieder bereits an einem runden Tisch. Brad wies Schuldig an, sich dazu zu setzen und stellte sich ihnen allen gegenüber.

"Heute ist eine Übung für unseren Trupp angesetzt, in dem eure Fähigkeiten im Kampf beobachtete werden. Es wird eine Situation simuliert, in der ihr innerhalb eines Zeitlimits ein Gebäude stürmen und einen Koffer unbeschadet hinausbringen sollt. Dabei ist der Trupp A 21 euer Rivale, zusätzlich befinden sich Fallen und Hindernisse im Gebäude, die es zu überwinden gilt. Seht zu, dass ihr den Koffer zuerst in euren Besitz bringt. Es gibt nur eine Regel zu befolgen: Keiner eurer Gegner darf getötet oder lebensgefährlich verletzt werden. Achtet also darauf, wie ihr eure Kräfte einsetzt, das ist nämlich Teil der Übung."

Dabei warf er für den Bruchteil einer Sekunde einen kurzen Blick zu Schuldig hinüber, sah dann wieder auf seine Akten.

"Wenn es keine Fragen mehr gibt, machen wir uns auf den Weg."
 

Nach außen blieb Schuldig regungslos und verriet damit nicht seine mürrischen Gedanken. Dabei hatte er gehofft, sich mal ein bisschen auslassen zu können. Nein, jetzt musste er sogar Rücksicht nehmen. Wie öde. So ignorierte er auch den Blick des Amerikaners, den er genau auf sich spürte und ließ seinen über die anderen Anwesenden schweifen, die alle hochkonzentriert und verkrampft dasaßen. Na das konnte ja wirklich heiter werden...

So erhoben sie sich alle und mit lässiger Haltung folgte der Deutsche der kleinen Gruppe, die sich zu dem Übungsgelände auf den Weg machte.

Es war nicht mehr als ein altes Haus, das schon recht baufällig wirkte, aber noch immer seine Dienste tat. Was sie zu tun hatten, stand ja fest und so wurde noch schnell ihr Vorgehen koordiniert, wer wo lang zu gehen hatte und wo nach diesem blöden Koffer suchen sollte, damit sie sich nicht in die Quere kamen. Dann stürmten die jungen Männer jeweils in Zweiergruppen das Gebäude und auch Schuldig verdrängte alle Gedanken, die nicht hierher gehörten.

Schließlich war er kein Dummkopf und wusste, was auf dem Spiel stand.
 

Brad befand sich in einer Gruppe mit Schuldig, das war bereits von oben befohlen worden, da man sich einig war, dass dieser Telepath das größte Potential von allen aufwies. Brads eigene Aufgabe bei der ganzen Aktion war weniger die aktive Teilnahme an der Übung, sondern das Beobachten. Zusätzlich waren im ganzen Haus Kameras installiert, durch die die Aktionen der Teilnehmer genau beobachtet wurden.

Schuldig und er waren durch einen scheinbar unbewachten Hintereingang eingedrungen. Brad klopfte sich Staub von der Hose und ging unbeteiligt hinter dem anderen her.

"Lass dich von mir gar nicht stören, mach ruhig, was du für richtig hältst. Ich greife nur ein, wenn ich es für nötig erachte, ich bin quasi gar nicht da."

Damit kamen auch schon zwei Männer aus ihrem Versteck gesprungen und richteten ihre mit Farbpatronen geladenen Gewehre auf Schuldig.
 

Schuldig konnte sich nur mit Mühe und Not ein Schnauben verkneifen. Als wenn er auf den blöden Ami Rücksicht genommen hätte! Hier war schließlich jeder für sich selber zuständig, das musste nicht noch extra betont werden.

So konzentrierte sich der Deutsche nur auf die beiden Gegner vor sich und drang ungeniert in deren Köpfe vor, um sie blitzschnell dazuzubewegen, sich selbst mit der Farbe zu beschießen. Und genauso ungerührt lief er weiter, die dunklen Flure entlang, immer auf der Hut vor den Gegnern und Fallen, die überall angebracht waren.

Es war schon sehr schade, dass er sich hier zurückhalten musste, aber der Telepath hielt sich diesmal lieber dran, denn mit der Bestrafung für so einen Regelbruch wollte er sicher nicht konfrontiert werden. Er hing trotz allem noch sehr an seinem Leben und seinem stillen Traum, einmal sein eigener Herr zu sein.

So dauerte es nicht lange, bis Schuldig und vier der anderen an dem Versteck anlangten und das Zielobjekt in ihr Gewahrsam bringen konnten. Doch damit ging es eigentlich erst richtig los und mit einem vorfreudigen Grinsen stürzte sich der Orangehaarige in das Getümmel.
 

Brad blieb in stillem Abstand und beobachtete Schuldigs Kampfverhalten sehr genau. Er selber wurde nicht angegriffen, hatte also alle Ruhe. Recht schnell wurde Schuldig mit seinen Gegnern fertig, was sein Beobachter zufrieden registrierte. So konnte er den nächsten Übungsschritt einleiten, den er im Übrigen selbst entwickelt hatte.

Er drückte den Knopf einer Fernbedienung und plötzlich öffnete sich eine Tür, aus der drei intelligente Roboter gefahren kamen, die ihre Kanonen auf Schuldig richteten, auch wenn es freilich nur Farbgewehre waren.

"Nun, Schuldig, was tust du jetzt? Deine Gedankenkontrollen wird dir bei diesem Hindernis nicht helfen", rief Brad ihm zu.

Was würde der Telepath machen?
 

Irgendwie hatte Schuldig schon mit so etwas gerechnet, auch wenn eher unbewusst. Aber das war bisher alles zu glatt gegangen. Anscheinend wollte man ihm noch eine Lektion erteilen und ihn demütigen, indem man glaubte, er würde sich nur auf seine Gabe verlassen und selber keine Ahnung vom Kämpfen haben. Aber so leicht gab er sich nicht geschlagen.

Eine Sekunde blieb ihm, um die Lage zu peilen, dann setzten die Roboter zum Angriff an. Der Deutsche konnte den ersten Farbkugeln durch seine Schnelligkeit ausweichen und dem wenigen, akrobatischen Können, das er sich angeeignet hatte und ihn in der Lage sein ließ, ein paar Rückwärtssaltos zu machen, die ihm die Chance gaben, die Blechkameraden etwas zu umgehen und sich hinter einen davon zu schieben, der auch prompt getroffen wurde. Aber noch mal würde das nicht klappen, dessen war sich der Telepath auch sicher.

Und so wandte er sich den übrigen zu, mit denen er vor ein paar Tagen angekommen war, wobei die beiden Telekineten und der Wünschelrutenführer schon außer Gefecht waren. Aber auf die hatte es Schuldig gar nicht abgesehen.

Stattdessen schaffte er es, den beiden Robotern und ihren Angriffen auszuweichen und gleichzeitig den Elektrofutzi, dessen Namen er sich nicht merken konnte, davon in Kenntnis zu setzen, was dieser tun sollte. Schließlich kam es hier auch auf Teamarbeit an und so sehr der Orangehaarige diese nicht mochte, so musste er sich diesmal drauf verlassen.

Und er wurde zum Glück verstanden und mit vereinten Kräften gelang es ihnen zumindest am Ende zu dritt aus dem Gebäude zu entkommen, die Gegner besiegt und den Koffer in ihrem Gewahrsam.
 

Brad musste sich eingestehen, dass diese Situation perfekt gemeistert worden war. In der Tat gegen seine Erwartungen hatte der deutsche Telepath sich tatsächlich als teamfähig erwiesen.

Draußen auf dem Gelände hielten sie inne. "Gut, Gentlemen, scheint so, als hätten sie die Aufgabe mit Bravour bestanden. Ich frage mich, was wohl in dem Koffer ist."

Der dritte in ihrem Bunde kniete sich sofort vor den Koffer und öffnete ihn. Automatisch platzte eine große Farbpatrone auf und besudelte den Mann von oben bis unten. Brad Crawfords Miene blieb ausdruckslos.

"In diesem Moment ist dein Körper in tausend Stücke zerfetzt worden. Regel Nr. 1, in solchen Situationen niemals ohne vorherige Prüfung einen solchen Gegenstand öffnen, zweitens, was noch viel wichtiger ist, SCHNÜFFELE NIEMALS HERUM, OHNE DEN BEFEHL DAFÜR ZU ERHALTEN. Das gibt für heute Minuspunkte."

Damit warf er auch Schuldig einen warnenden Blick zu.

Er erteilte diese Warnung auf eigene Faust hin. Denn er wusste, würde jemand von ihnen durch eine solche Situation auf etwas stoßen, wovon er nichts wissen durfte, wie Dokumente oder ähnliches, würde die Organisation keinen Moment zögern, ihre eigenen Leuten zu eliminieren.

"Ich sage es euch im Guten, stellt niemals unnötige Fragen."

Auch er selber fragte nie. Wenn es einen Auftrag gab, führte er ihn aus. Er wusste nicht, warum die Menschen, die er zu eliminieren hatte, sterben mussten, welche Gründe es gab, ob es überhaupt welche gab. Und nur deshalb war er noch am Leben.
 

Schuldigs erster Impuls war es, den blöden Kerl von Geisterseher zu warnen, kam aber zu spät und musste sich glatt ein gehässiges Grinsen verkneifen. Na der hatte es ja auch nicht anders verdient. Wie konnte man auch so blöd sein?!

Auf die Warnung des Amerikaners aber schnaubte der Orangehaarige leise und verdrehte leicht die Augen. Als wenn er so blöd war, in irgendwelchen Köpfen rumzuschnüffeln! Okay, manchmal waren seine mentalen Fühler schneller als sein Verstand, aber das war schon nicht mehr sehr häufig und meistens kratzten sie auch nur an der Oberfläche. Und die, die wirklich was Interessantes wussten, konnten ihn ja blocken. Und wenn nicht, war es denen ihre eigene Schuld.

So wandte der Deutsche nur beinahe gelangweilt den Blick ab, wartete eigentlich nur darauf, dass sie entlassen wurden und er sich eine erholsame Dusche gönnen konnte.

Ob er keine Fragen mehr stellte, konnte er sich selber zwar auch nicht versprechen, aber das würde sich ja zeigen und seinen Tod heraufzubeschwören, hatte er sicher noch nicht vor. Dafür hatte er einfach zu sehr sein Ziel vor Augen, auch wenn er absolut noch keinen blassen Schimmer hatte, wie er das bewerkstelligen sollte.

Aber kam Zeit, kam Rat.
 

Brad musterte den deutschen Telepathen und meinte kühl: "Das mit dem Augenverdrehen habe ich

gesehen. Ich rate dir, so etwas in Zukunft zu unterlassen, wenn du keine Schwierigkeiten willst."

Dann meinte er ans Team gewandt: "So, für heute seid ihr entlassen, ruht euch aus, morgen steht ein Auftrag an."

Alle setzten sich erleichtert in Bewegung, aber als auch Schuldig Anstalten machte, das Feld zu räumen, hielt Brad ihn zurück. "Oh nein, das gilt nicht für dich. Du und ich haben gleich noch einen speziellen Auftrag zu erledigen. Ich erwarte dich in einer halben Stunde auf dem Parkplatz, die Erlaubnis zum Verlassen des Gebäudes für dich wurde bereits erteilt. Verspätung ist inakzeptabel."
 

Diesmal musste sich Schuldig wirklich beherrschen, nicht noch mal 'gegen die Regeln' zu verstoßen. Er hatte ja gewusst, dass er sich mit dem blöden Ami nicht so schnell grün werden würden, aber jetzt würde das wohl nie was werden. Dafür konnte er den eingebildeten Fatzke absolut nicht leiden. Und noch weniger, als er hörte, dass er nicht mal eine Pause hatte, sondern schon wieder rumgejagt wurde. Das war ja so was von ätzend!

Aber auch diesmal sagte der Telepath nichts, sah nur für einen Moment in die kalten, grauen Augen, bevor er sich dennoch abwandte. Wenigstens etwas ausruhen würde er sich ja können und auch etwas frisch machen. Dafür reichte eine halbe Stunde schon noch.

Insgeheim fragte sich der Deutsche zwar, was das für ein Auftrag war, aber er hatte noch von der letzten 'Maßregelung' genug, dass er jetzt seine Klappe hielt und es nicht auf einen neue Verwarnung ankommen lassen wollte. Er würde es ja noch früh genug erfahren.

So fand sich Schuldig auch wirklich eine halbe Stunde später auf dem Parkplatz ein, wie es Crawford von ihm verlangt hatte. Ja, er konnte auch mal pünktlich sein, wenn er wollte.
 

"Ach, der Herr kann also auch mal pünktlich sein, wenn er will", entschlüpfte es Brad, als der Telepath zur vereinbarten Zeit auftauchte.

Aber sofort straffte er sich und kam zur Sache: "Wir werden jetzt in ein Café fahren. Dort wird im Laufe des Nachmittags unsere Zielperson von morgen auftauchen, ein Mitglied des Senats und sich mit einer jungen Frau, unserem Lockvogel, treffen. Und du wirst in seinem Kopf die Informationen seines morgigen Tagesplan ziehen und wann er in seiner Villa auftauchen wird, wo wir ihm auflauern."

Damit öffnete er die Tür des Wagens, den er zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Ein Cadillac... angewidert rümpfte er die Nase. Wenn er jemals selbst würde bestimmen können, welches Vehikel er fuhr, dann würde es ein BMW sein... in weiß. Oh ja. Fast schon träumerisch setzte er sich hinters Steuer.
 

Schuldigs Miene hatte sich bei den sarkastischen Worten nicht bewegt, die einfach an ihm abprallten. Es war bei weitem nicht die erste Stichelei, die er hören musste und es würde nicht die letzte sein. Das war ihm egal, das hatte nichts zu sagen. Er wusste, was er wert war und das reichte ihm.

So lauschte er ungerührt den Instruktionen, auch wenn er es nicht ausstehen konnte, als Informationsbeschaffer missbraucht zu werden. Das war nun wirklich nicht auf seiner Wellenlänge. Aber natürlich hatte er keine andere Wahl, was ihn innerlich nur leise fluchen ließ.

Um sich etwas abzulenken, streckte der Deutsche dann aber einfach etwas seine mentalen Fühler aus, während sie in den Wagen stiegen und musste sich glatt ein Grinsen verkneifen, auch wenn es um seine Mundwinkel herum zuckte. Na wenn das nicht mal ein Bild war, wie der Ami doch tatsächlich glaubte, mal in seinem BMW über den Highway zu rasen. Da konnte dieser aber noch lange von träumen!

Die ganze Fahrt über sah Schuldig aber aus dem Fenster, hing seinen eigenen Gedanken nach, während er nicht versuchte, einmal seine blöde Gabe zu verfluchen. Sie war ja nicht schlecht, wenn die ganze Anstalt, Organisation und alles andere nicht wären.

In dem Café suchten sie sich dann einen Tisch, der etwas in einer Ecke stand und von wo aus sie dennoch einen guten Überblick über den ganzen Raum hatten und während der Orangehaarige an seinem Kaffee schlürfte, tasteten seine mentalen Fühler etwas im Raum umher.
 

Brad bestellte sich ebenfalls einen Kaffee. Die erwartete Person war noch nicht da und ließ ganz schön auf sich warten.

Nachdem bereits 15 Minuten vergangen waren, meinte Brad: "Es wäre besser, wenn wir uns unterhalten, wenn wir uns hier nur schweigend gegenüber sitzen, sehen wir verdächtig aus."

Er überlegte kurz. Die Situation war ihm nicht besonders angenehm, er war es nicht gewohnt, mit Leuten fröhlich plaudernd im Café zu sitzen, aber das hier war ein Job und ein Job musste perfekt erledigt werden.

"Du kommst also aus Deutschland, nicht wahr?"
 

Nicht wirklich intelligent sah Schuldig zu seinem 'Boss' und war wirklich versucht, ob dessen Frage wieder mit den Augen zu rollen. Schließlich stand das doch in seiner blöden Akte. Aber irgendwo hatte der Ami auch Recht, denn es wäre wirklich etwas seltsam, wenn sie sich bloß anstarren würden, obwohl alle anderen auch quatschten.

Wenn er sich anstrengte, hätte er ihre Person gegenüber den anderen ja verschleiern können, aber das wäre wohl noch auffälliger gewesen. Und das wollten sie ja vermeiden.

So ging der Telepath auf das kleine Gespräch ein, erzählte etwas von seiner Heimat, wenn auch nur uninteressante Dinge, die er sich komischerweise trotzdem noch immer gemerkt hatte. Dabei achtete er aber immer noch auf seine Umgebung und als nach weiteren zehn Minuten endlich ihre Zielperson eintraf, gab der Deutsche Crawford ein kleines Zeichen, während er schon in dem Kopf des Senatsmitgliedes anfing, zu wühlen und sich das Wichtigste raus zu ziehen.
 

Brad trank seinen Kaffee, schaute dabei unauffällig in Richtung ihres Opfers und zu der Frau, die bei ihm war. Sie war eine Agentin und hatte es offenbar geschafft, das Vertrauen des Mannes zu gewinnen.

Als Schuldig mit seiner Arbeit fertig war, was kaum ein paar Minuten gedauert hatte, bezahlte Brad in aller Ruhe. "Gut, dann wäre die Arbeit ja für heute erledigt. Ich denke, wir können uns auf den Weg machen."

Er wies Schuldig an, ihm zu folgen. Zusammen überquerten sie den Parkplatz und Brad machte sich daran, dass Auto aufzuschließen. Wie gerne hätte er doch ein Automatikschloss... Ja, einen BMW, wenn, mit Automatikschloss. In weiß. Das wär was.

"Damit wäre für den Auftrag morgen alles geregelt. Für heute... Argh!"

Mit einem Mal ergriff Crawford seinen Kopf mit einer Hand und stöhnte gequält auf, während er sich mit der anderen auf der Motorhaube abstützte, um nicht in die Knie zu sinken.
 

Mit unbewegter Miene war Schuldig dem Amerikaner gefolgt, nur um seine Langeweile nicht zu zeigen. Er ging zwar nicht davon aus, dass der Auftrag leicht wurde, zumal ja auch scharf geschossen wurde, aber so was hatte er ja schon ein paar Mal erledigt. Eigentlich konnte er sich ja nur freuen, denn so konnte er sich mal wieder richtig austoben. Das war doch was!

Um sich aber etwas davon abzulenken - denn über einen Auftrag nachzudenken, brachte nie was gutes mit sich - horchte er sich wieder etwas mit seiner Gabe um und blieb mal wieder an Crawford und dessen Wunsch von einem neuen Wagen hängen, der den Deutschen grinsen ließ.

Also auf Ideen kam der Typ! Aber lustig war die Vorstellung schon, die sich in dem sonst so unterkühlten Älteren abzog.

Doch mit einem Mal verzog selbst der Telepath das Gesicht, als eine Flut von Bildern ihn regelrecht aus dem Kopf des anderen schmiss, was aber wohl nichts gegen das war, was der andere grad durchmachen musste. Schnell war Schuldig neben den Schwarzhaarigen getreten und stützte diesen leicht, war aber so schlau, um nicht noch mal in dessen Kopf nachzusehen.

Er hatte zwar davon gehört, dass ihr Boss ein Orakel sein sollte, aber dass dessen Visionen diesen so hart trafen, damit hatte er nicht gerechnet.
 

Es dauerte kaum zwei Minuten, aber Brad kam es wieder mal wie eine Ewigkeit vor, als sich sein ganzer Körper verkrampfte und er von seiner Umgebung nichts mehr wahrnahm. Nur schemenhaft registrierte er, wie Schuldig zu ihm kam und ihn stützte.

Verdammt, warum bekam er das nicht besser in den Griff?! Wie erniedrigend, vor seinem Untergebenen!

So schnell, wie der Anfall begonnen hatte, war er auch plötzlich wieder abgeklungen. Er atmete schwer und versuchte langsam, seinen verkrampften Körper wieder zu entspannen, während er die Bilder, die er gesehen hatte, schon interpretierte.

Sie würden sich beeilen müssen und der Zentrale Bescheid sagen. Er entzog Schuldig rasch seinen Arm, richtete seine Haare und versuchte dabei, so gelassen wie möglich zu wirken, obwohl sein Herz noch immer klopfte.

"Entschuldige, das kann schon mal vorkommen, ist nichts dabei."

Da er aber nicht genau wusste, was der Deutsche über seine Fähigkeit wusste, bestand wohl Erklärungsbedarf. "Ich bin ein Orakel, ich bekomme manchmal Visionen. Noch Fragen?"

Wütend über sich selber stieg er ins Auto ein. Hatten die verdammten Ärsche von Wissenschaftlern nicht mal gesagt, es bestünde eine Möglichkeit, die Sache in den Griff zu bekommen, vielleicht sogar irgendwann mal zu steuern?! Wozu übte er denn jeden Tag, wenn ihn diese verdammten Visionen

immer noch attackenartig überkamen?!

Er ließ den Motor aggressiv aufheulen.
 

Mehr, als auf die Frage den Kopf zu schütteln, traute sich Schuldig nicht wirklich, wie er zugeben musste. Eigentlich war es ja richtig ironisch, dass erst so was passieren musste, bis er mal eine andere Reaktion von dem Ami bekam, außer dessen unterkühlten Sarkasmus. Also hatte er doch nicht falsch gelegen mit seiner Erinnerung.

Dennoch stieg er wortlos ein und schnallte sich an, musste doch leicht in sich hineingrinsen, als Crawford gleich so aufs Gas trat. Aber er würde sich einen Kommentar verkneifen, genauso wie die Frage, was der andere denn gesehen hatte.

Der Deutsche wusste, dass das gefährlich für ihn werden könnte, wenn er zu neugierig war, auch wenn der Drang groß war. Aber wenn es etwas war, das sie und die anstehende Mission betraf, würde er es ja noch früh genug erfahren.

So sah er einfach nur weiter aus dem Fenster, während er noch mal die Angaben durchging, die er dem Senatsmitglied entzogen hatte. Auf alle Fälle würde er noch zu seinem Spaß kommen, da war er sich sicher.
 

Der Verkehr war dicht und als sie zum vierten Mal an einer verstopften Kreuzung standen, gab Brad die Aussicht auf, innerhalb einer annehmbaren Zeit im Quartier anzukommen. Also griff er zu seinem Handy, während sie an einer Ampel standen.

Sonst hätte Brad es natürlich nicht getan, denn während des Fahrens war telefonieren zu Recht verboten und er hielt sich an solche Dinge, denn das Gesetz musste man achten. In der Tat wäre Brad Crawford der perfekte, gesetzestreue Bürger gewesen -er überquerte noch nicht einmal nachts eine leere Strasse bei rot. Wenn es nun mal nicht sein Job wäre, Leute zu killen...

Er wählte eine Nummer aus dem Kopf und erreichte sofort den richtigen Gesprächspartner. "Ja, Crawford hier. Einer kleinen Eingebung zufolge wird es wohl ein kleines Problem mit unserer Informantin geben. Wenn ihr nichts unternehmt, wird sie vermutlich in zwei Stunden tot sein. ihre Tarnung wird auffliegen und somit vermutlich die ganze Mission morgen."

Die Stimme am anderen Ende erwiderte nur monoton, dass man sich darum kümmern würde und sofort wurde aufgelegt. Wütend schaltete Brad das Handy aus und warf es auf den Rücksitz.

Natürlich, man würde sich darum kümmern! Man hatte es aber natürlich nicht nötig, ihn mit einzubeziehen oder ihm irgendwas mitzuteilen. Die Sache wurde geregelt und er vor vollendete Tatsachen gestellt. Entweder die Frau starb oder eben nicht, entweder platzte die Mission oder nicht, er hatte keinen Einfluss darauf.

In einem Anflug von Sarkasmus dachte er, dass sie die Frau wahrscheinlich sogar sterben lassen würden, wenn dadurch nicht zufällig der Plan gestört wurde.

"Dieser verdammte Drecksladen!" entfuhr es ihm versehentlich. Immer noch steckten sie im dicksten Stau und kamen nicht vom Fleck. Mit einer Hand rieb er sich gereizt über die brennenden Augen. Verdammte Kontaktlinsen, er vertrug die Dinger einfach nicht, obwohl er diese hier extra und für teures Geld hatte anfertigen lassen. Inzwischen war er derart schlechter Laune, dass es ihm mit einem Mal gar nichts mehr ausmachte, sich lauthals zu mokieren.

"Diesem Saftladen ist doch alles völlig egal, solange sie ihre Projekte durchziehen können! Natürlich, die haben den Staat im Nacken sitzen, aber ist das ein Grund, überhaupt nicht darüber nachzudenken, wie es den Mitarbeitern ergeht? Verdammt, man rackert sich ab und hat am Ende doch nichts erreicht!"
 

Diesmal konnte sich Schuldig nicht zurückhalten und musste doch grinsen, auch wenn er versuchte, es hinter seiner Hand zu verstecken. Aber das er so was mal erleben durfte! Sicher war das nur eine Ausnahme und würde einmalig bleiben. Doch er würde sich immer wieder dran erinnern können und etwas zum Lachen haben. Und das war doch schon mal viel wert.

Dass er diesen Ausfall vielleicht einmal gegen Crawford verwenden würden, daran dachte er eigentlich nicht. Auch, wenn man es dem Telepathen vielleicht nicht ansah, aber er war ziemlich verschwiegen und konnte auch was für sich behalten. Außerdem war ihm der Ami nach diesem Ausbruch sehr viel sympathischer, da er genauso dachte wie dieser. Und das war doch schon mal viel wert.

So war der Jüngere mal richtig wankelmütig und setzte sich auf, drehte sich zu dem Schwarzhaarigen und drehte einfach dessen Kopf etwas zur Seite, bevor er seine Hände an dessen Schläfen legte und einige Punkte gezielt massierte, die auch die Augen entspannten. Das ganze Rumgereibe von dem anderen ging ihm nämlich ziemlich auf den Senkel und noch standen sie ja auch im Stau.

"Reg dich wieder ab. Du kannst es doch eh nicht ändern und beschweren kannst dich ja wohl überhaupt nicht. Bist schließlich kein Kanonenfutter, das man einfach mal so mit einem Fingerschnippen den Haien zum Fraß vorwirft."

Eigentlich klang das gar nicht nach dem Deutschen, aber nüchtern betrachtet, hatte er es ja wohl noch beschissener als Crawford getroffen. Und er war schon immer ein recht Rationaldenkender Mensch gewesen, auch wenn er noch immer seine Schwächen hatte, die besonders aus einer viel zu großen Klappe bestanden. Aber das hieß ja noch lange nicht, dass er nichts in der Birne hatte.
 

"Pfoten weg!" schnappte Brad, als der unverschämte Telepath ihm am Kopf rumfummelte, obwohl

er sagen musste, dass es irgendwie gut getan hatte. Der Typ hatte wohl Ahnung davon. Aber das musste man als Telepath wohl auch, Kopfschmerzen standen hier wahrscheinlich an der Tagesordnung.

Er beruhigte sich langsam wieder und ließ sich in den billigen Kunstledersitz zurückfallen, die Hände ruhig auf dem Steuer ruhen lassend. "Ha, ich sag dir was, im Endeffekt kommt es nur darauf an, was die da oben gerade für Launen haben. Ich bin genauso eine Schachfigur wie du, nur mit dem Unterschied, dass ich so was wie der Läufer bin und du..." er musterte Schuldige einmal kurz, "...ein Bauer."

Fast schon musst er schmunzeln, verkniff es ich aber zum Glück. Humor gehörte zu den Eigenschaften, die er weitestgehend ablehnte. Im Grunde war es hochgefährlich, so über die Leute vom Institut herzuziehen, für so was konnte man schnell sprichwörtlich den Kopf verlieren. Aber dieser Schuldig -warum hieß er eigentlich so?- schien in etwa den gleichen Bahnen zu denken, das ging aus seinem etwas rebellischen Verhalten in den letzten Tagen hervor.

Die Frage war nur, ob er nur ein rebellischer Schwachkopf war oder ob vielleicht mehr dahinter steckte...

"Aber mehr, als das Spielchen mitzuspielen, kann man wohl nicht machen. Zumindest vorerst nicht."
 

Mit einem leisen Schnauben, dass er sich nun doch nicht verkneifen konnte, zog Schuldig seine Hände wieder weg, auch wenn er genau wusste, wie gut diese Behandlung tat. Schließlich brauchte er diese oft genug bei sich selber, da seine Barrieren teilweise noch immer zu schwach waren und besonders, wenn er gestresst oder müde war, ließen sie noch immer nach und bombardierten ihn mit den ganzen Stimmen, die manchmal ein echter Fluch waren. Und das brachte ihm oft genug Kopfschmerzen bis zur Migräne ein.

So lehnte er sich in seinem eigenen Sitz zurück, verschränkte die Arme vor der Brust, während er nach vorn sah und hoffte, dass sich die Autos einfach nur bewegten. Wenigstens ein Stück! Aber das schien ihm ja nicht vergönnt zu sein.

Auf die beinahe abfällige Bemerkung blieb der Telepath aber ruhig, genauso wie auf die Blicke. Er wusste, dass er in den Augen der Organisation nicht sehr viel mehr wert war als eine Fliege, die man ruhig zerquetschen konnte oder dem Feind zum Fraß vorwerfen. Was anderes hatte er auch gar nicht angenommen, auch wenn er nicht vorhatte, sich mit diesem Schicksal abzufinden. Dafür hing er doch etwas zu sehr am Leben, als es sich einfach so leichtfertig klauen zu lassen.

So sah er weiter unbeteiligt nach vorn, grinste aber still in sich hinein. "Hast wohl auch noch Pläne für die Zukunft?" fragte der Deutsche dann aber doch nach, sah kurz zu dem Schwarzhaarigen rüber, bevor sein Blick wieder nach vorn ging, als die Kolonne doch tatsächlich anrollte, wenn auch nicht weit.

Aber, zugegeben, irgendwie war er über das Gespräch froh. Crawford entpuppte sich nicht als so großes Arschloch, wie er noch am Anfang gedacht hatte und das war doch schon mal viel wert. Und wer wusste schon, ob ihm die Erkenntnisse, die er hier errang, nicht doch mal noch von Nutzen sein konnten?!
 

Auch, wenn Crawfords Intuition ihm sagte, dass Schuldig vermutlich keine Gefahr bedeutete, blieb er

vorsichtig. "Na ja, was heißt Pläne. Sagen wir, ich mache mir Gedanke um die Verbesserung meiner Lage."

Dass er im Grunde vorhatte, einen Weg zu finden, diesen Laden zu verlassen, sprach er besser nicht aus, man konnte nie wissen. Aber wenn er ehrlich mit sich war, ertappte er sich manchmal dabei, wie er noch ein Stück über das bloße Verlassen der Organisation hinausdachte...

"Aber was heißt -auch- Pläne für die Zukunft? Hast du etwa welche? Wenn dem so ist, rate ich dir, diese bloß für dich zu behalten. Wenn ich mitbekomme, dass jemand in meinem Team Ausbruchsversuche plant, sehe ich mich gezwungen, so etwas zu melden."

Er sah seinen Nachbarn mit einem durchdringenden Blick an. Dann aber zwinkerte er ihm kurz zu. "Allerdings habe ich gerade nichts gehört, genau so wenig wie du gehört hast, was ich über die Organisation gesagt habe, klar?"
 

"Schon klar", grinste Schuldig in seiner alten Manier, bevor er aber wieder nach vorn sah und sich einmal richtig durchstreckte. Zumindest sah es so aus, als wenn es gleich weiter gehen würde und das war doch schon mal was.

So sackte er wieder auf seinem Sitz zusammen und wünschte sich eine seiner Kippen her, die er aber dummerweise in seinem Zimmer vergessen hatte. Mist aber auch!

Dennoch konnte er sich ein kleines Grinsen auch weiterhin nicht verkneifen. Ja, der Deutsche hatte Pläne für die Zukunft und er hatte sie auch vor, umzusetzen, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen war. Und wenn er richtig annahm, würde Crawford vielleicht dabei ganz nützlich sein können.

Und wenn es nichts wurde, dann hatte sowieso sein letztes Stündchen geschlagen. Aber er wollte auch nicht weiter hier versauern, ohne es zumindest einmal versucht zu haben. Er hatte sich eben noch nie gut als Kanonenfutter geeignet. Und zu verlieren hatte er auch nichts mehr.

So sah Schuldig dabei zu, wie sich die Blechkolonne wieder in Bewegung setzte und sich endlich etwas aufzulösen begann. Es wurde auch Zeit!
 

~~~~
 

Eine geschlagene halbe Stunde später hatten sie es dann auch endlich geschafft und Schuldig und Brad gingen nach einer kurzen Verabschiedung ihre eigenen Wege.

Erst am Nachmittag des nächsten Tages trafen sie wieder zusammen. Die Raumbesprechung für den

abendlichen Auftrag stand an.

Crawford stand wieder vor den anderen an dem großen Tisch und erläuterte die Vorgehensweise.

"Unser Ziel wird nach einer abendlichen Gala etwa gegen 23 Uhr eintreffen. Wir werden etwa eine Stunde vorher eintreffen und das Gebäude infiltrieren. Der Maulwurf, den wir als Butler eingeschleust haben, wird dafür sorgen, dass die Alarmanlagen ausgeschaltet sein werden, so dass wir unbemerkt auf das Grundstück gelangen können. Innen erledigen wir dann alle Sicherheitskräfte und müssen dann nur noch auf die Ankunft unseres Zieles warten. Unser Butler wird ihm die Tür öffnen und dann..."

Brad machte eine eindeutige Handbewegung.

"Wichtig ist, dass die begleitenden Bodyguards nicht zum Handeln kommen. Es werden sechs sein, konzentriert euch zunächst auf sie."
 

Schuldig war wirklich froh gewesen, den halben Tag Zeit gehabt zu haben. Nicht nur, dass er sich endlich eine Dusche hatte gönnen können, er hatte sich auch noch mal richtig ausgeschlafen. Schließlich war dieser Auftrag wirklich ernst und keine bloße Spielerei mehr wie noch zu ihrem Übungskampf.

So hörte er den Ausführungen mit der nötigen Aufmerksamkeit zu, malte sich aber schon mal etwas aus, wie wohl der Abend verlief. Schließlich hatte er im Kopf ihres Opfers noch etwas mehr rumgeschnüffelt und sich zumindest einen groben Lageplan 'rausziehen' können. Das würde ihm vielleicht nützlich sein können und damit auch den anderen. Schließlich waren sie ein Team, ob er nun wollte oder nicht.

So wurden noch ein paar Einzelheiten besprochen, dann machten sie sich auch schon auf den Weg, wobei der Telepath von allen wohl noch der Entspannteste war, wie er durch einen Blick in die anderen Köpfe feststellte. Aber eigentlich sah man es auch an den Haltungen. Na das konnte ja was geben...
 

Sie fuhren mit einem -ziemlich uncoolen- Einsatzbus zum Zielort. Brad, der vorne neben dem Fahrer saß, blickte nach hinten und sah in die Gesichter der Männer. Sie hatten die Hosen voll, soviel stand fest.

Einzig in Schuldigs Gesicht ließ sich nichts ansehen. Er wirkte entspannt. Aber ob er es wirklich war oder nur vorgab, konnte man nicht sagen, da Brad gemerkt hatte, dass der Telepath sich gut verstellen konnte. Seinem Verhalten nach zu urteilen und aufgrund der Beobachtungen beim Übungskampf gestern, war anzunehmen, dass Schuldig der einzige war, der mit einer solchen Situation umgehen konnte.

Er richtete den Blick wieder nach vorne und schob die leichte Titanbrille auf seinem Nasenrücken ein Stück nach oben. Die Kontaktlinsen benutzte er diesmal nicht. Zu blöd, wenn ihm mitten im Gefecht plötzlich die Augen zu tränen begannen...

Sie erreichten schließlich den Einsatzort und sofort begann die Mission. Die Alarmanlagen waren tatsächlich ausgeschaltet und sie infiltrierten das Gebäude. Da der Senator nicht anwesend war, waren nur wenig Posten stationiert und so hatten sie keine größeren Schwierigkeiten, einzudringen, ohne dass Alarm geschlagen wurde. Es gab ein paar kleinere Verletzungen aus Unachtsamkeit bei den übernervösen Teammitgliedern und einer von ihnen erntete einen Streifschuss, aber im Ganzen verlief alles nach Plan.

Schließlich hatten sie alle Räume abgesichert und Crawford gab das Zeichen, dass sie sich nun in der Eingangshalle versammeln sollten, als man auch schon Autos auf den Parkplatz fahren hörte. Sie alle versteckten sich hinter der Tür und den Säulen und der von ihnen eingeschleuste -Butler- schritt zur Tür, um diese zu öffnen.

Angespannt wartete Crawford im Schatten der Tür und warf einen kurzen Blick in die Runde. Die Nervosität der Truppe war fast physisch zu spüren und Crawford bemerkte, dass der Angeschossene sich den schmerzenden Arm hielt und am ganzen Körper zitterte. Na das konnte heiter werden... und unter Umständen sehr gefährlich für sie alle.

Er warf Schuldig einen Blick zu, der im Schatten einer Säule ausharrte. Ohne zu wissen, ob es klappte, ließ Brad seine, im Übrigen hart antrainierten, Barrieren fallen und dachte, in der Hoffnung, dass der Telepath es lesen würde, dass Schuldig versuchen sollte, den Verwundteen irgendwie ruhig zu stellen, damit er keinen Mist baute.
 

Verwundert ließ Schuldig seinen Blick über die Anwesenden schweifen, als neue Gedanken seinen Kopf fluteten und er darin eine Aufforderung hören konnte und doch überrascht blickte er zu dem Amerikaner, den er bisher als einzigen hatte nicht lesen können.

Sicher, wenn er sich angestrengt hätte, wäre er durch dessen Barrieren auch gekommen, aber der Aufwand hätte nicht gelohnt. Deswegen war er ja so überrascht, dass es der andere von sich aus tat. Die anderen Mitglieder der Truppe konnte er nämlich ohne größere Probleme lesen, da deren Barrieren noch nicht so gut ausgeprägt waren.

Und er hatte schon den Zustand des Wünschelrutenführers selber skeptisch beobachtet, doch ohne den konkreten Befehl durfte er normalerweise in keinen der Köpfe eingreifen, außer, wenn die Situation es nicht anders zuließ.

So nickte der Deutsche Crawford leicht zu, dass er verstanden hatte und konzentrierte sich mehr auf die Gedanken des jungen Begabten, versuchte, dessen Schmerzen aus dem Bewusstsein erst auszublenden, bevor er den Jungen einfach in Ohnmacht fallen ließ. Denn dieser würde keinen Angriff mehr überstehen, so aufgelöst, wie dieser war und da brachte es nichts, bei der knappen Zeit zu versuchen, das zu ändern. So war ein Nickerchen für den anderen genau das richtige.

Und es war keine Minute zu früh, denn schon ging die Tür auf und der Senator und seine Bodyguards betraten das Haus, ohne etwas zu ahnen. Und während sich der -Butler- noch in Richtung Tür zurückzog, stürmte das Kommando nach vorn, erledigte, wie vereinbart, erst die Schränke von Leibwächtern, bevor sie sich um das eigentliche Opfer kümmerten und kurzen Prozess damit machten. Dann war der kurze Kampf auch schon wieder vorbei und Schuldig nutzte die Pause, um sich richtig durchzustrecken.

Dabei fing er jedoch einige Gedanken auf, die ihm gar nicht gefielen und die von den anderen Teammitgliedern kamen, die sich um den Verwundeten kümmerten.

Aber den Telepathen kratzte es nicht weiters. Er war solche Vorurteile gewöhnt, auch wenn er jetzt noch nicht erahnen konnte, was dieser Eingriff für ihn für Folgen haben sollte...
 

Zufrieden stellte Crawford fest, dass der Telepath verstanden hatte und ganz in seinem Sinne handelte. Somit verlief auch die weitere Aktion zufrieden stellend und er konnte ein erleichterndes "Mission beendet" durchgeben.

Die Anspannung fiel mit einem Mal von den anderen ab. Er bemerkte zwar, dass ein paar der Teammitglieder etwas tuschelten, machte sich aber keine weiteren Gedanken darüber.

"So Männer. Rückzug und Feierabend für heute, würde ich sagen."

Damit begaben sich alle zurück zum Wagen und zogen so leise ab, wie sie gekommen waren.

Die Fahrt über war alles totenstill, die Männer waren erschöpft und hingen ihren Gedanken nach. Als sie im Institut ankamen, stürmten alle erleichtert aus dem Auto und wurden bereits von einem Ärzteteam erwartet.

Da Brad, so wie Schuldig eher gelassen den Wagen verließen, blieben sie als einzige zurück.

"Gute Arbeit, Schuldig." Crawford nickte ihm aufmunternd zu und meinte es ehrlich.

Er war froh, dass er wenigstens ein zuverlässiges Mitglied in der Truppe hatte. Aber es war ja auch kein Wunder: Die Männer, die er unterstellt bekam, waren größtenteils normale Bürger, wenn sie nicht diese Fähigkeiten hätten. Einfach irgendwelche im Geiste harmlosen Menschen Kampftraining zu geben und zu glauben, dass sie zu brillanten, hoch strategischen Killermaschinen wurden, war irrsinnig.

Die meisten hier wurden ausschließlich von der Angst vor Bestrafung vorwärts getrieben. Und im Grunde -wie Schuldig es ausgedrückt hatte- waren sie nichts als Kanonenfutter und zum Schutz der wirklich Starken und Mächtigen da. Umso mehr lag Crawford daran, in seinem Team keine Verluste zu verzeichnen, denn im Grunde taten sie ihm nur leid.
 

Schuldig war über das 'Kompliment' doch recht überrascht, wie er zugeben musste, denn damit hatte er sicher nicht gerechnet. So schlich sich auch ein kleines Grinsen auf seine Lippen, was aber nicht wie sonst überheblich war. Er freute sich eher darüber, ganz ehrlich. Zumindest jemand, der seine Arbeit etwas zu würdigen wusste und ihn nicht einfach nur als Lakai ansah, der stur seine Befehle ausführte, auch wenn sie im Grunde genau das waren.

So nickte er dem Amerikaner aber nur noch mal zu, bevor sich der Telepath endlich auf den Weg zu seinem Zimmer machte. Ein bisschen Schlaf brauchte er jetzt wirklich, da er spüren konnte, wie seine Barrieren schon wieder an Kraft verloren. Hoffentlich würde er das irgendwann in den Griff bekommen, denn nichts war schlimmer, als von sinnlosen Gedanken zugedröhnt zu werden, die nicht die eigenen waren.

Dass darunter auch welche waren, die von seinen 'Teammitgliedern' ausgingen und die nicht grad sehr freundlich waren, ignorierte der Deutsche aber, während er sich einfach bis auf seine Shorts auszog und ins Bett fiel und fast sofort eingeschlafen war.

Kapitel 2

Titel: Vertrauen ist wirklich alles

Teil: 2/?

Autor: schuchan, Tsugumi

E-Mail: Kamayima@gmx.de, jennyBreidenbach@yahoo.de

Fanfiction: Weiß Kreuz

Disclaimer: Die Jungs von Weiß Kreuz gehören leider nicht uns, auch wenn wir sie gerne

behalten würden ^__^. Die Rechte liegen bei Kyoko Tsuchida und dem Projekt Weiß, und wir

wollen mit der FF keinen Profit machen.

Rating: PG-16

Warnung: bis jetzt noch nichts, wird aber aktuell ergänzt ^___^

Pairing: ist bestimmt nicht schwer, zu erraten *g*

Kommentar: Endlich der zweite Teil ^___^ Wir hoffen, ihr habt sehnsüchtig darauf gewartet *g* Da wir aber momentan noch immer an der Story schreiben, bitten wir um etwas Geduld, bis die nächsten Teile on kommen ^^' Aber wir hoffen noch immer auf ein paar Kommis *ganz lieb schauen*

Inhalt: Sind Telepathen doch die besseren Kumpels oder nicht? Warum ist Brad nur immer so gemein zu Schu? Und wie verkraftet dieser einen Zusammenbruch? Antworten gibt es vielleicht hier ^___~

Zur genauen Erläuterung: schuchan spielt Schuldig, Tsugumi spielt Brad... zudem ist Schuldig erst 19 Jahre alt und Brad dementsprechend 24... also noch etwas jünger die Süßen *g* ;-)
 

****
 

Zunächst stand für Brad Crawfords Team keine Mission an, die erste Bewährungsprobe war immerhin bestanden und die weitere Aufgabe war nun die Optimierung des Teams.

Was so viel hieß wie: Training, Training, Training.

Für die Gruppe stand Training im Teamwork und Verbesserung der Individualfähigkeiten an, was bedeutete, dass sie nur bei ersterem zusammen waren und ansonsten getrennt ihre Übungen absolvierten.

Die erste Teamübungsstunde erfolgte nach dem Plan, den Brad aufgestellt hatte, am Nachmittag des Tages nach der Mission. Die Gruppe versammelte sich in einer der Übungshallen. Mit Crawford, der wie immer in einem unauffälligen, schwarzen Anzug mit Krawatte steckte, waren noch drei Trainer anwesend.

Allesamt Muskelprotze mit mehr oder minder ausgeprägten, telekinetischen Fähigkeiten. Warum sie jeden Tag im Fitnessraum schwitzten und Muskeln so groß wie Melonen aufbauen mussten, konnte sich Brad nur mit einem Mangel an Selbstwert oder Potenz erklären. Da er selber mit keinem von beiden ein Problem hatte (eheeee), bevorzugte er asiatische Kampfsportarten, in denen nicht nur stupides Draufhauen Sinn und Zweck war, sondern wo man auch Geist und Seele beherrschen musste.

Natürlich würde er das vor diesen Primaten hier nicht aussprechen, sie würden es nicht einmal verstehen. Somit stand er, seine Mitarbeiter ignorierend, in der Halle und wartete auf das Eintreffen seiner Leute.
 

Wie immer im Schlenderschritt folgte Schuldig einem der unzähligen langen Flure, die sich durch die Einrichtung zogen und ignorierte dabei die Blicke und das Getuschel der anderen Kerle, mit denen er im Team war. Auch der verletzte Wünschelrutenführer war dabei, da die Verletzung ja nun nicht so tragisch gewesen war und er zumindest die Trockenübungen mitmachen konnte.

Doch genau wie am Vorabend war bei diesem die Distanz zu dem Telepathen am größten und die vorsichtigen Blicke, die zu dem Orangehaarigen zurückgeworfen wurden, erwiderte dieser mit einem gelangweilten Blick, der den anderen aber dennoch zusammenzucken ließ. Wie die Kleinkinder.

Schuldig konnte darüber nur die Augen verdrehen, während er wieder nach vorn sah und anschließend stehen blieb, als er mitbekam, dass sie ja schon da waren.

Kurz ließ der Deutsche seinen Blick über Crawford und die anwesenden, ihm fremden Männer schweifen, bevor er wieder den Amerikaner ansah und darauf wartete, dass dieser mit der Sprache rausrückte, was sie zu tun hatten.
 

Als die Männer endlich eingetroffen waren, kam Crawford gleich zur Sache.

"Nach der Auswertung der gestrigen Aktion sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass vor allem die Zusammenarbeit unserer Einheit gestärkt werden muss, denn das ist bis jetzt unser größter Schwachpunkt."

Er machte eine kurze Pause und blickte alle der Reihe nach einmal an, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, machte dann nur eine kurze Handbewegung. "Folgt mir."

Er führte die Gruppe in einen strahlend Weißgestrichenen Raum, in dem sich drei Computeranlagen mit diversen anderen technischen Geräten in drei Kabinen aufgeteilt befanden. Brad postierte sich in der Mitte des Raums und fuhr fort.

"Wir werden jetzt eine Übung zum Stärken des Vertrauens durchführen. Ihr werdet euch in Zweierteams zusammentun. Von jedem Paar bliebt einer hier und ist der Lotse, der andere ist die Ratte, wie wir es nennen und begibt sich in einen stockfinsteren, labyrinthartigen Raum. Die Partner werden über Headsets miteinander verbunden sein. Die Lotsen sehen den Weg auf einem Infrarotmonitor vor sich und haben die Aufgabe, die Ratten mit kurzen Befehlen durch das Labyrinth zu führen. Aber das ist nicht alles."

Abermals machte Brad eine kleine Pause und musterte die Truppe.

"Es wird euch ein Zeitlimit gesetzt und zusätzlich werden noch diese Gentlemen", er wies auf Gorilla eins bis drei, "mit Farbpistolen und Nachtsichtgerät bewaffnet, durch die Halle streifen und versuchen, euch zu erwischen. Natürlich ist es euer Ziel, dies möglichst zu umgehen und dennoch das Limit einzuhalten. Bei dieser Sache kommt es auf Vertrauen an, ihr müsst euch sekundengenau aufeinander verlassen können. Gibt es Fragen? Ansonsten bildet eure Teams."
 

Schuldigs erster Gedanke, als er das hörte, war, dass die hier wirklich irre waren. Okay, für Teamwork war das ein gutes Training, aber sie wie Ratten durch ein paar Röhren zu schicken... na du Heimatland! Besonders, wenn er damit in Verbindung brachte, wie die anderen fünf bisher auf ihn reagiert hatten.

Wenn er der Lotse gewesen wäre, wäre das dem Deutschen ja egal gewesen, da er im Team arbeiten konnte, auch wenn er es ungern tat. Aber er wusste genauso gut, dass er ohne dieses Teamwork sehr schnell tot wäre und irgendwie hing er dazu viel zu sehr am Leben.

Aber das Schicksal meinte es anscheinend nicht gut mit ihm, denn es wurde ausgelost, wer die Ratten sein sollten und der Telepath hatte prompt auch das Glück. Dennoch ließ er sich seine Gedanken nicht anmerken, als der Geisterseher ihm das Headset gab, der sein Partner war und nicht nur dessen Blicke Bände sprachen.

So wurden drei von ihnen in das Labyrinth geschickt, während die anderen drei draußen blieben und auch die drei Gorillas machten sich auf den Weg. Und dass es kein Zuckerschlecken wurde, wurde Schuldig nicht erst bewusst, als er von vollkommener Schwärze umgeben war und nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte.
 

Crawford sah dem kompletten Team an, dass keiner allzu sehr begeistert von dieser Übung war, auch wenn keiner wagte, zu murren. Aber es half nichts, da würden sie jetzt nun einmal durchmüssen.

Er selber blieb im Überwachungsraum, um auf einem eigenen Monitor die Positionen der drei Ratten, die ihm als blaue Punkte angezeigt wurden, überwachen zu können und sich ein Bild zu machen, wie das Teamwork ablief.

Die Trainer wurden ihm als rote Punkte angezeigt und als sie ihre Ausgangsposition erreicht hatten, gab er das Kommando zum Start und sofort schaltete sich das Zeitlimit von fünf Minuten ein.
 

Noch einmal atmete Schuldig tief durch, dann war er nur heilfroh, keine Angst im Dunklen zu haben, auch wenn ihm die engen Gänge mehr als beunruhigten. Man sah eben nicht die Hand vor Augen und es wurde ihm nicht leichter gemacht, da anscheinend sein 'Partner' gar nicht so sehr gewillt war, ihm zu helfen.

Ganz im Gegenteil machte sich dieser eher einen Spaß daraus, ihn immer mal wieder gegen Wände laufen zu lassen, was nur nicht so wehtat, da er wie ein Bekloppter seine Hände nach vorn gestreckt hatte und nur langsam einen Fuß vor den anderen setzte.

Dass es den anderen beiden Ratten auch nicht blendend ging, konnte er in seinem Kopf hören, da er einige von ihren Gedanken aufschnappte. Aber bei weitem waren die Kommentare, die ihm sein Lotse mit Absicht sandte, lauter in seinem Kopf und ließen den Telepathen langsam sauer werden.

Was konnte er denn bitte schön dafür, dass er so eine Gabe hatte und darauf trainiert war, diese einzusetzen?! Immerhin hatte er dem flennenden Baby doch das Leben gerettet!

Doch schnell rief sich der Deutsche wieder zur Ordnung, würde jetzt nicht den Fehler machen, durchzudrehen und damit seine Noten hier ruinieren. Dafür würde dieser blöde Geisterseher noch nachher sein Fett wegkriegen!

Stattdessen konzentrierte sich Schuldig auf die Präsenzen um sich und verließ sich ganz auf seine verhasste Gabe, einen der Trainer vor sich zu umgehen und sein Ziel, nämlich den Ausgang, anzusteuern.
 

Brad beobachtete angestrengt die Bewegungen auf seinem Monitor. Es schien nirgendwo besonders gut zu laufen, aber einer der Punkte fiel ihm ganz besonders auf, da er immer wieder im Kreis rannte und Umwege ging.

Offenbar handelte es sich hier um den deutschen Telepathen. Was war denn los, war sein Lotse am Schlafen? Ein Blick zur Seite verriet ihm, dass dem nicht so war, der Geisterseher saß mit verschlossener Miene und verschränkten Armen vor seinem Monitor und wirkte nicht so, als würde er sich besonders viel Mühe geben.

Crawford seufzte einmal leise. Na, das war ja großartig.

Schließlich schafften es die Ratten und erreichten den Ausgang. Brad erklärte die Übung für beendet und begab sich mit den drei Lotsen zum Ausgang der Übungshalle, wo die anderen drei warteten.

Er baute sich vor dem Team auf und verschränkte die Arme, bevor er ohne Umschweife und mit schneidender Stimme meinte: "So, ich erwarte eine Erklärung, was da eben los war."

Er sah Schuldig und seinen Teampartner mit einem Blick an, der eine Antwort geradezu befahl.

"Was ist, ich höre!"
 

Mit einem missmutigem Blick und in den Hosentaschen vergrabenen Händen sah Schuldig den Geisterseher an, dessen Name er sich immer noch nicht merken konnte, was aber auch völlig nebensächlich war. Am liebsten hätte er diesem ja gleich die Leviten gelesen, aber das schien ja ihr 'Boss' gerade zu tun. Auch nicht schlecht, musste er sich nicht die Finger schmutzig machen und befürchten, sich eine Strafe einzufangen.

"Ich hab nur die Anweisungen ausgeführt, mehr nicht", antwortete der Telepath daher beinahe ungerührt, aber man konnte deutlich erkennen, dass ihm noch etwas ganz anderes auf der Zunge gelegen hatte.

Der Geisterseher zuckte auf den Blick nur leicht zusammen und senkte schnell seinen Kopf, ballte seine Hände zu Fäusten, während er es immer noch nicht unterlassen konnte, dem Deutschen mehr als unschöne Worte in Gedanken zuzuschreien. Hier vor all den Leuten würde dieser ja sicher nicht so dumm sein und ihn angreifen!

"Es ist doch seine Schuld", platzte es dann aber aus dem jungen Begabten raus und sein Kopf ruckte hoch, während er zu dem Amerikaner sah, aber tunlichst vermied, in dessen Augen zu sehen, die ihm irgendwie Angst machten.

"Was hat er sich auch bei der letzten Mission in unsere Köpfe eingemischt?! So was müsste verboten werden! Wenn der mal durchdreht, ist doch keiner von uns vor ihm sicher!" Und anhand der anderen vier Teammitglieder konnte man deutlich erkennen, dass das auch deren Problem war.
 

Brad stieß innerlich einen Seufzer aus, der ihm äußerlich aber nicht anzumerken war. Na großartig,

genau das hatte er gebraucht.

Seine Miene blieb stockfinster, als er in den Redeschwall des anderen einfiel. "Ach, so läuft also der Hase! Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier Kindergärtner spielen müsste, aber das scheint ja wohl unumgänglich zu sein. Also, zum Ersten möchte ich klarstellen, dass Schuldigs Handeln gestern auf meinen Befehl zurückging, ohne den er nicht die geringste Autorität hat, andere aus dem Team zu manipulieren, was ihm auch mit Sicherheit niemals einfallen wird."

Ein warnender Blick traf den Telepathen, dann fuhr Brad mit donnernder Stimme fort: "Jeder von euch weiß, welche Strafen auf falschen Gebrauch der Kräfte ausstehen. Sollte es irgendjemandem einfallen, seine Kräfte gegen andere im Team zu verwenden oder anderen Organisationsmitgliedern schaden, wird diese Person augenblicklich außer Gefecht gesetzt. Ihr wisst, was ich damit meine."

Er ließ seine Worte einige Sekunden lang wirken, damit sich jedem deren Bedeutung einbrannte. Seine bisherigen Worte waren der typische Kanon, den sie runterzubeten hatten in solchen Situationen.

Was Brad allerdings als nächstes sagte, kam von ihm selber und seine Stimme wurde etwas ruhiger, wenn auch nicht minder eindringlich.

"Jeder von euch besitzt Kräfte, die er benutzen kann, um anderen Menschen zu schaden. Und jeder von euch hat bis jetzt schon die Erfahrung gemacht, welche Konsequenzen solche Handlungen nach sich ziehen. Und ihr habt auch die Erfahrung gemacht, wie ihr von den Leuten draußen behandelt werdet. Eigentlich sollte euch das eine Lehre sein, aber stattdessen geht ihr jetzt genauso aufeinander los. An eurer Einstellung kann ich nichts ändern, aber ihr solltet bedenken, dass es am Ende um nichts weiter als euer Leben geht, mit dem ihr spielt."

Ein wenig kam er sich vor wie nach einer Moralpredigt, also setzte er hinzu, wobei er auf den Geisterseher deutete: "Zur Strafe machst du heute Abend eine Runde Sondertraining mit Gruppe C14. Ihr anderen seid entlassen."
 

Bei dem warnenden Blick musste es sich Schuldig wirklich verkneifen, nicht wieder mit den Augen zu rollen. Okay, vielleicht hatte er schon mehrmals eine Strafe abbekommen, weil er sich nicht jedem Befehl unterordnete, aber er wäre sicher nicht so blöd, seine Kräfte gegen ein Teammitglied einzusetzen und damit die Höchststrafe auf sich zu ziehen. Dafür hing er doch etwas zu sehr an seinem Leben.

So hörte der Deutsche auch etwas gelangweilter der Moralpredigt zu. Die Gedanken, die von den anderen noch immer in seinem Kopf widerhallten, ignorierte er dabei, kannte er das doch schon zur Genüge. Ansonsten würde er ja nicht 'Schuldig' heißen.

Und als sie endlich entlassen waren, war der Telepath nur froh und konnte es doch nicht lassen, dem Geisterseher etwas gehässig zuzuzwinkern. Zumindest gab es auch mal gute Regeln und er war nicht der einzige, der sich Strafen einfing.

So ging Schuldig zurück in Richtung ihrer Quartiere, bog dann aber ab, um sich was zu essen einzuschmeißen. Wenigstens war das Essen hier einigermaßen in Ordnung, wo er doch auch schon schlimmeres erlebt hatte. Weitaus schlimmeres...

Aber auch diese Gedanken verbannte er und betrat stattdessen die Kantine, wo er sich ein Tablett schnappte und sich in die Reihe der Hungrigen einreihte, die vor der Essensausgabe standen.
 

Nachdem die Truppe sich entfernt hatte, sah Brad auf seine Uhr und stellte fest, dass er noch eine gute Stunde Zeit bis zu seinem nächsten Termin hatte. So beschloss er, etwas essen zu gehen. Zwar zog er es in der Regel vor, außerhalb zu essen, so oft es ihm möglich war, aber sein Gehalt war so sonderlich gut nun auch nicht bemessen und davon abgesehen konnte er es sich auch nicht rausnehmen, sich allzu oft vom Institut zu entfernen.

Bitter kam dabei die Erinnerung hoch, dass er letztlich nicht freier war als der Trupp, den er befehligte. Er hatte ein paar Privilegien... aber letztendlich waren deswegen sein Leben und seine Gesundheit nicht minder in Gefahr.

Aber in Selbstmitleid zerfließen, half nicht und war nun mal nicht sein Stil, also steuerte Crawford die Kantine an, um die freie Zeit zu nutzen, um das durch Kaffee ersetzte Mittagessen nachzuholen.

Nachdem er sich etwas Essbares geholt hatte, stand er mit dem Tablett mitten in dem riesigen Raum und sondierte ihn aufmerksam. Es gab für Vorgesetzte einen eigenen Bereich, aber ein Blick dorthin verriet ihm, dass nicht nur die drei Muskelpakete von vorhin dort saßen, sondern einige nicht weniger unangenehme Personen, deren Kontakt er nicht unbedingt suchte.

Zu den üblichen Bewohnern dieser Anlage wollte er sich auch nicht setzen, er wusste nur zu genau, dass er als Ausbilder nicht sonderlich erwünscht war, davon abgesehen, würden seine Kollegen schief gucken, wenn er statt zu ihnen zu den 'Schülern' ging.

Als er seinen Blick weiter durch die Gegend schweifen ließ, fiel ihm ein orangefarbener Haarschopf auf, der ihm nur allzu bekannt vorkam. Warum nicht, zu einem Mitglied seines eigenen Teams konnte er sich ja setzen.

Er trat an den Tisch heran, an dem der Telepath allein saß -was hätte man auch anders erwarten sollen, er wurde anscheinend tatsächlich geschnitten- fragte aber höflich: "Kann ich mich setzen?"
 

Leicht überrascht sah Schuldig doch auf, als er auf einmal angesprochen wurde, hatte er doch nicht sehr auf seine Umgebung geachtet. Denn auch, wenn er von allen geschnitten wurde, Gefahr drohte ihm hier sicher nicht. Schließlich wurden Streitereien zwischen den 'Schülern', die vielleicht auch noch in einen Kampf ausarteten, sehr hart bestraft und das wollte sich sicher keiner zumuten.

Aber der Telepath war weniger überrascht, dass sich überhaupt jemand zu ihm setzen wollte, als von der Tatsache, dass es ausgerechnet ihr Boss war, der vor ihm stand. Doch dann schlich sich ein verschmitztes Grinsen auf seine Lippen und auch, wenn er es eigentlich besser wissen müsste, konnte er sich den Spruch nicht verkneifen.

"Weiß nicht, kannst du?"

Autsch, das war Unhöflichkeit im Doppelpack, aber wenn sich Schuldig nicht ganz irrte, wäre der Amerikaner einer der letzten, der ihm gleich einen Strick daraus drehen würde.

So wandte sich der Deutsche wieder seinem Teller zu, denn der Appetit war ihm zum Glück noch nicht vergangen. Umsonst hatte er sich ja nicht so eine harte Schicht über all die Jahre zugelegt.
 

Brad machte ein Geräusch, dass etwa wie "pfft" klang, setzte sich dann aber einfach Schuldig gegenüber. Er konnte Unhöflichkeiten eigentlich nicht ausstehen, aber er wusste, dass das offenbar die Art des Telepaten war, ihn zu bitten, sich zu setzen. Oder so.

Auch er machte sich zunächst schweigend ans Essen, aber nach einiger Zeit meinte er wie nebenbei: "Hast du größere Probleme innerhalb der Gruppe?"
 

Ziemlich deutlich konnte Schuldig das Tuscheln um sie herum wahrnehmen, dass ausgerechnet er mit einem der Teambosse zusammen saß und aß. Nicht so sehr, weil die Worte wirklich gesprochen wurden, sondern eher durch die Gedanken, die durch seine nur halberrichteten Barrieren zu ihm durchdrangen.

Auf die Dauer war es einfach zu anstrengend, in so einem großen Komplex mit so vielen Menschen alle Gedanken zu blocken und so war es für ihn leichter. Auch wenn ihn manchmal die ganzen Stimmen beinahe wahnsinnig machten, wenn sie einfach keine Ruhe gaben...

Doch davon wurde der Deutsche recht schnell abgelenkt, als er die Frage hörte, die nicht recht zu dem kühlen Ami passen wollte. Dennoch zuckte er nur leicht mit den Schultern.

"Nicht mehr als sonst auch."
 

"Verstehe."

Nachdenklich stocherte Crawford in seinem Salat. Vielleicht war es wirklich ein Ding der Unmöglichkeit, aus einem solchen Haufen ein funktionierendes Team zu bilden. Aber deswegen würde er das ganze nicht hinschmeißen, was er im Übrigen auch gar nicht konnte.

Wie gesagt, er war nicht der Typ, der resignierte. Aus jeder Situation den maximalen Nutzen raus zu ziehen, war das Vernünftigste. Er würde also alles tun, was möglich war, um das effektivste Team der ganzen Abteilung zu bilden. Schließlich winkte dann auch eine Beförderung und dann war er auf der Lakaienleiter einen Schritt weiter.

"Ich möchte dich noch einmal daran erinnern, dich in keinem Fall provozieren zu lassen. Dir wird nichts geschehen, solange du dich nicht zu etwas hinreißen lässt."

Es hätte Crawford wirklich sehr Leid getan, würde Schuldig Probleme mit dem Institut bekommen. Er war sich sicher, dass er jemand mit Potential vor sich hatte, zu schade, wenn dieses aufgrund von unvernünftigem Verhalten verschwendet wurde.
 

Die letzten Minuten hatte Schuldig seinen Boss einfach nur angesehen, wie dieser so untypisch gedankenverloren vor ihm saß. Es ärgerte ihn wirklich ein bisschen, dass dabei aber die Barrieren nicht sanken und er nichts davon aufschnappen konnte, denn im Gegensatz zu all den Menschen und Gedanken um ihn herum, war der kühle Ami ein interessanteres Objekt.

Aber der Telepath machte nicht den Fehler, sich groß im Kopf des anderen bemerkbar zu machen, sondern widmete sich auch seinem Essen wieder, bis die Worte an sein Ohr drangen, die ihn wirklich grinsen ließen.

Und genau so sah er auch Crawford an und in seinen grünen Augen blitzte es kurz auf.

"Ist das ein gut gemeinter Rat für meine Sicherheit oder willst du nur verhindern, dass einer aus deinem Team quer schießt und dir in irgendwas damit reinfunkt?"

Er war ja nicht ganz auf den Kopf gefallen und auch, wenn er es eigentlich schon langsam besser wissen musste, manchmal konnte sich der Deutsche eben nicht mehr zurückhalten und rebellierte, manchmal tat er es auch ganz unbewusst. Aber er war ja auch kein Kind mehr und hatte seine Kräfte mittlerweile relativ gut unter Kontrolle.
 

Etwas überraschte Brad diese Gegenfrage. Aber gegen die Ernsthaftigkeit der Situation musste er fast

selbst ein wenig grinsen.

"Tja, wer weiß? Sagen wir mal, ich habe nicht ewig vor, Fußabtreter und Handlanger für die Bosse zu sein. Und deshalb wird in _meinem_ Team niemand Mist bauen, dafür werde ich sorgen. Also nimm es als gut gemeinten Rat."

In der Tat waren Brad Crawfords Ziele groß und sein Ehrgeiz unerschöpflich. Dazu kam seine Vorliebe dafür, selber auf der Seite zu stehen, auf der man anderen in den Arsch trat und nicht andersherum. Auch wenn er dafür in ein paar der eben genannten Objekte kriechen musste.

Kurz glitt bei diesem Gedanken sein Blick zu seinem Gegenüber. "Hast du keine größeren Ambitionen für die Zukunft?"
 

Auf die Antwort hatte Schuldig nur grinsen können, denn irgendwie hatte er damit gerechnet. Wenn er sich an den Nachmittag in der Stadt vor ihrer ersten Mission erinnerte... ja, schon da hatte er bemerkt, dass der Amerikaner mehr erwartete und erreichen wollte. Das war ja nichts verwerfliches, aber in so einer Organisation konnten solche Träume den Tod bedeuten.

So zuckte der Telepath auf die Frage auch nur mit den Schultern.

"Schon... So was hat doch jeder." Aber er wäre sicher nicht so dumm, das hier zu sagen oder auch nur richtig zu denken. Schließlich wusste man ja nicht, wer hier so alles saß und wer sie unter der Lupe hatte.
 

Brad schwieg einen Moment lang. Eigentlich hätte er gerne weiter nachgefragt, aber er wusste, dass sich dieses Gespräch in eine Richtung entwickelte, die nicht ganz ungefährlich war.

In der Tat, im Grunde hatten sie beide seit dem Gespräch an jenem Nachmittag schon genug gesagt, um sich gegenseitig richtig tief reinzureiten. Aber hier, inmitten der vollbesetzten Kantine, war mit Sicherheit nicht der beste Ort für solche Gespräche.

Somit entschloss Brad sich, nicht weiter zu fragen. Stattdessen beendete er seine Mahlzeit und richtete sich auf.

"Nun denn, ich habe noch einen Termin. Sollten weitere Probleme in der Gruppe auftreten, ist darüber Bericht zu erstatten."

Damit nahm er sein Tablett und machte sich auf den Weg.
 

"Klar", hatte Schuldig nur erwidert, sah seinem Boss dann leicht vor sich hergrinsend nach, bevor er selber endlich aufaß und dann sein Geschirr wegbrachte.

Dass er dabei mit manchen Blicken attackiert wurde, ignorierte er, genauso wie die Gedanken in seinem Kopf. Stattdessen war er nur froh, als er endlich in seinem Zimmer war und sich ausruhen konnte.

Für den heutigen Tag stand ja nichts mehr an und erst ab morgen hatten sie das Individualtraining, worauf er schon gespannt war. Schließlich half es dem Telepathen, seine Kräfte besser zu nutzen und nicht mehr so anfällig zu sein. Und das konnte er immer gut gebrauchen.
 

~~~~
 

Die nächsten Tage und Wochen vergingen, ohne dass es zu größeren Ereignissen kam. Es wurden viele Tests und Übungen durchgeführt, deren Ergebnisse Brad regelmäßig prüfte.

Einer fiel ihm dabei ganz besonders ins Auge und das war der deutsche Telepath. Er erreichte bei den Tests immer bessere Ergebnisse und schien sich in einem Tempo weiterzuentwickeln, bei dem er die anderen Begabten schnell abhängte und hervorstach.

Zufrieden verfolgte Brad diese Entwicklung, war seine erste Einschätzung doch gar nicht so falsch gewesen. Dieser Schuldig mochte ein schwieriger Typ sein, aber er hatte definitiv Potential. Leider machte dies seine Position bei weitem nicht einfacher, selbst Brad bekam mit, dass der Telepath komplett geschnitten wurde und nicht im geringsten Anschluss zu anderen fand. Jedoch schien ihn das nicht im Geringsten zu kümmern, manchmal wirkte er gar, als wäre ihm alles egal, als fühle er einfach nichts.

Aber das war der Bereich, der Crawford nichts anging und für seine Aufgabe war es belanglos, auch wenn er sich manchmal die Frage stellte, warum der Deutsche so war. Aber dieser Frage hatte er mit Sicherheit nicht vor, nachzugehen.

So verging die Zeit und schließlich kam es zu dem Tag, der für Brad von enormer Bedeutung werden sollte, wenn auch anders, als er sich dies bereits vorstellte.

Es war zehn Minuten nach elf Uhr morgens und Brad saß wartend in seinem Büro, schaute abermals auf die Uhr. Er hatte Schuldig für elf Uhr in sein Büro bestellt. Mürrisch entfernte er ein Stäubchen von seinem blanken Schreibtisch.

Konnte dieser Idiot denn nicht pünktlich sein?
 

Gähnend zerrte sich Schuldig sein Stirnband zurecht, wobei sein Blick noch mal auf den Wecker fiel, der neben seinem Bett auf dem Nachttisch stand. Er wusste schon jetzt, was für ein Gesicht sein Boss wieder ziehen würde, aber er hatte es ja nicht provoziert, zu verschlafen. Zumindest konnte er noch hoffen, bei Crawford nicht gleich mit einer Strafe zu rechnen, aber nur, wenn er sich wohl nicht noch weiter verspätete.

So machte sich der Telepath auch endlich auf den Weg, die Hände wie immer in den Hosentaschen vergraben. Die Blicke und Sprüche, die ihm unterwegs von den anderen Begabten entgegen flogen, die ihm begegneten, prallten äußerlich total an ihm ab und er verzog nicht eine Miene. Aber zugegeben, das war nur der Schein. In Wahrheit sah es aber ganz anders aus.

Der Deutsche hatte nach wie vor ziemlich daran zu knabbern, als Manipulator, Gehirnwäschenakrobat oder sonst was angesehen zu werden. Es war interessant, was immer für neue Begriffe für ihn gefunden wurden. Daher hatte er heute auch unbeabsichtigt verschlafen, denn einer seiner vielen Träume hatte ihn einfach nicht los gelassen.

Aber Schuldig wusste auch, dass, wenn er jetzt Schwäche zeigen würde, er noch beschissener dran wäre und so tat er einfach so, als wenn ihn das alles einfach nichts anginge.

So verschob er auch jegliche störende Gedanken und klopfte artig, wie er manchmal doch war, an die Bürotür des Amerikaners und betrat nach dessen Aufforderung das Büro und Bingo, der Gesichtsausdruck passte zu seiner Vorstellung.
 

"Eine Einheit extra Sport heute Nachmittag fürs Zuspätkommen", war die Begrüßung, die Crawford Schuldig entgegenschleuderte.

Dann machte er eine einladende Geste. "Setz dich bitte."

Als der andere dieser Aufforderung nachgekommen war, lehnte er sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander.

"Der Grund, warum ich dich hergerufen habe, ist von recht wichtiger Natur. Es ist etwas, was nichts mit dem Team zu tun hat und entsprechend vertraulich zu behandeln ist."

Er machte eine kurze Pause und kam dann zum Punkt.

"Heute Abend steht eine bedeutende Mission für unsere Organisation an. Kein kleiner Fisch, diesmal geht es zur Sache. Also nichts für Trainees, allerdings", Brad zog einige Papiere mit den letzten Testergebnissen Schuldigs hervor, "hat deine Entwicklung die Leute da oben sehr beeindruckt und dein Potential wurde zu Stufe C aufgewertet. Damit erhöht sich dein Status und man hält dich für in der Lage, bei dieser wichtigen Mission von Nutzen zu sein. Ich, als Stufe B'ler (das betonte er nur allzu gerne), bin heute Abend auch aktiv beteiligt. Heute Abend werden wir also im Team zusammenarbeiten. Soweit alles klar?"
 

Nur minimal hatte Schuldig den Mund verzogen, als er doch eine Strafe aufgebrummt bekam, aber mit der kam er klar. So ein bisschen Sport schadete nie, auch wenn sie hier gern an ihre Grenzen getriezt wurden. Aber so blieb er wenigstens in Form und konnte sich von unliebsamen Gedanken befreien. Bei jedem anderen Boss hätte er sicher mit einer höheren Strafe rechnen müssen.

So hörte der Deutsche auch aufmerksam zu und war tatsächlich überrascht, dass er schon um eine Stufe gestiegen war. Okay, er hatte schon bemerkt, dass er besser in den Tests zurechtkam, als die anderen und dass sich seine Fähigkeiten schon weiter entwickelt hatten. Aber mit der Stufe C hätte er sicher nicht gerechnet.

Doch dann grinste er auch schon wieder leicht, denn endlich konnte er wirklich mal sein Potential zeigen. Die 'Missionen', die er und sein Team bisher hatten ausführen müssen, waren wirklich ein Witz für den Telepathen gewesen.

So nickte er auf Crawfords Frage und wartete eigentlich nur darauf, dass dieser endlich fort fuhr und ihm erklärte, um was es überhaupt ging oder was er zu tun hatte.
 

Als er sah, dass Schuldig verstanden hatte, fuhr Brad fort.

"Der heutige Auftrag ist wieder ein Attentat. Das Ziel ist der Direktor eines Großkonzerns. Er residiert momentan mit seiner Familie in seiner Ferienvilla in Florida. Wir fliegen nachher mit den Jets des Instituts rüber. Es wird noch ein anderes Team geben, alles Profis, denn die Villa ist wirklich gut bewacht, kein Vergleich zu der letzten Mission, wenn du verstehst.

Ein Hacker wird sich von außen in das System einklinken und einen Stromausfall herbeiführen, durch den die Alarmanlagen für etwa zehn Minuten ausgeschaltet werden. Das verhindert, dass wir beim Eindringen gleich das gesamte Sicherheitsteam vor uns haben.

Trotzdem wird es nicht leicht, wie gesagt, der Feind ist auf alle Eventualitäten vorbereitet und wir wissen nicht was uns erwartet."

Wie er es hasste, so etwas sagen zu müssen! Er hasste es, wenn er nicht genau wusste, was ihn erwartete! Wenn er selber nur das verdammte Kommando hätte, er würde dafür sorgen, dass er wusste, wohin er und seine Männer da blindlings rein rannten!

"Es ist ein großes Anwesen und wir haben sehr wenig Zeit. Es ist wichtig, dass du so schnell wie möglichst die Position des Mannes ausfindig machst.

Allerdings gibt es da eine Sache, die ich als Haken betrachte: Wie ich bereits sagte, er ist mit seiner Familie dort. Seine Frau und seine siebenjährige Tochter werden dabei sein."

Er machte kurz eine Pause und beobachtete genau Schuldigs Reaktion, fuhr aber sogleich fort.

"Diese beiden stehen nicht auf der Liste und ich habe nicht vor, zum Kindermörder zu werden. Unter keinen Umständen. Verstanden?"
 

Aufmerksam hatte Schuldig der Ausführung zugehört, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Vielleicht freute er sich nicht unbedingt auf diese Mission im eigentlichen Sinne, denn auch, wenn er ein bisschen irre war, morden tat er nicht gern, auch wenn es schon mal Spaß machen konnte. Aber dennoch war er sehr gespannt auf den Abend und wie es war, endlich mal mit richtigen Profis zusammenzuarbeiten und nicht mit solchen Amateuren wie seinem 'Team'.

Die Nachricht, dass vielleicht ein Kind mit in diese Angelegenheit rein gezogen wird, war ihm aber eigentlich egal. Nicht umsonst hatte er gelernt, Befehle auszuführen und es war für ihn auch nichts Neues, mit Kindern in so einer Situation konfrontiert zu werden.

"Wenn sie nicht auf der Liste stehen, werden sie auch nichts zu befürchten haben." Mehr hatte der Deutsche darauf nicht zu sagen.

Er musste abwarten, bis ihm gesagt wurde, welche Kompetenzen er inne hatte und wie eigenständig er vielleicht auf der Mission handeln konnte. Dann konnte er die Mutter und das Kind auch ohne große Probleme außer Gefecht setzen, sodass sie nicht mehr störten.
 

Brad hatte Schuldigs Reaktion sorgfältig beobachtet, aber es war erschreckend, wie emotionslos der Telepath Zeitweilen wirken konnte. Tatsächlich ließ sich in dem kühlen Gesicht kein Hinweis ersehen, was wirklich in ihm vorging.

Brad wusste nicht, ob er das schockierend oder bewundernswert finden sollte. In der Tat trug er selber sein Herz auch nicht gerade auf der Zunge und zog es vor, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, aber bei Schuldig irritierte ihn das sehr. Bei diesem Gedanken überprüfte noch einmal seine Barrieren, dass sie auch wirklich aufrecht waren.

Dann fuhr er fort: "Dann noch eins, was du vielleicht wissen solltest, falls du in den Kopf des Mannes schaust. Er ist kein 'böser Junge', das sage ich dir ganz offen. Er hat keinen besonderen Dreck am Stecken, er ist schlichtweg ein Geschäftsmann, der jemandem ein Dorn im Auge ist.

Warum die von oben den Auftrag angenommen haben, weiß ich nicht und ich werde es nicht in Frage stellen. Ich habe in einer Vision gesehen, wo er sich aufhalten wird und habe deswegen die Verantwortung für diese Mission bekommen. Bei gutem Verlauf werde ich befördert, also werde ich keine Fehler während der Sache erlauben.

Kurz: Wenn du Mist baust, trete ich dir so in den Arsch, dass du die nächsten Wochen stehend schläfst, verstanden?"

Brad räusperte sich.

"Wenn du keine Fragen mehr hast, kannst du gehen. Um 15 Uhr startet der Flieger."
 

Ein flüchtiges Grinsen konnte sich Schuldig doch nicht verkneifen, als er die 'Warnung' hörte, was geschah, wenn er Mist baute. Zumindest sprach sein Boss auch mal Klartext mit ihnen und das war doch schon mal was. Außerdem hatte er ja sowieso nicht vor, sich selber die Chance zu versauen.

Auch, wenn sich vielleicht nichts an seiner Position innerhalb der Organisation änderte, früher oder später würden ihm solche Aufträge helfen, damit die anderen mitbekamen, was er auf dem Kasten hatte.

So erhob sich der Deutsche, als er wieder entlassen wurde und verließ das Büro, um sich noch seine extra Einheit Sport abzuholen, die er ja aufgebrummt bekommen hatte. Er war sicher nicht noch mal so blöd, so was einfach unter den Teppich zu kehren. Schließlich wurde hier einem sehr geholfen, das Gedächtnis auf Vordermann zu halten. Die Methoden waren wirklich einschlagend.

So meldete sich der Telepath bei dem Zuständigen, absolvierte noch seine Strafe, bevor er zurück in sein Zimmer ging und sich duschte und umzog. Dann war es auch schon so weit und er machte sich auf den Weg, damit er nicht noch zu spät kam.
 

~~~~
 

Brad wartete mit den anderen auf dem kleinen Flugplatz draußen auf dem weitläufigen Grundstück hinter dem Institut. Nicht das Schuldig zu spät gekommen wäre (sehr zu seinem Erstaunen), aber er selber war nun mal immer überpünktlich.

Als alle eingetroffen waren, bestiegen sie den kleinen Jet und traten die Mission damit offiziell an. Der Flug dauerte weniger als eine Stunde und schon landeten sie auf einem kleinen Privatflugplatz in der Nähe von Miami. Dort bestiegen sie zivile Fahrzeuge und machten sich auf verschiedenen Routen auf den Weg.

Brad war inzwischen fast ein wenig nervös. Er hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache, was aber nicht nur an der Tatsache lag, dass diese Mission wichtig für seine weitere berufliche Laufbahn werden könnte. Die Mission an sich gefiel ihm nicht besonders.

Er hatte schon viele Morde begangen und er wusste, dass es nur Negatives mit sich brachte, allzu viel über die Opfer nachzudenken. Diesmal allerdings würde ihr Opfer wirklich jemand Unschuldiges sein und das schmeckte ihm nicht besonders.

Die Köpfe da oben nahmen wahrscheinlich alles an, was irgendwie Profit versprach, bzw. war die Organisation in politische Kontexte eingebunden und teilweise selbst nur ein Instrument einflussreicher Politiker, stand also selber unter Druck. Und Brad kam der Gedanke, dass er vermutlich niemals frei würde entscheiden können. Es würde immer jemanden geben, der über ihm stand und das Sagen hatte, egal, wie weit er sich selbst hocharbeitete...

Sie erreichten den vereinbarten Treffpunkt völlig zeitgemäß und warteten nun an der Hinterseite des Grundstücks darauf, dass der Computerspezialist, der mit seinem Laptop neben ihnen am Boden hockte, das System knackte und den erwünschten Stromausfall herbeiführte.
 

Der Flug war eigentlich total langweilig gewesen, wie Schuldig zugeben musste. Nicht einer hatte ein Wort gesagt und obwohl die anderen Kerle alle zur C- und B-Gruppe gehörten, war eine Anspannung zu spüren gewesen, die richtig unangenehm gewesen war. Dagegen war er wohl der einzige gewesen, der nicht einen Gedanken an die anstehende Mission verschwendete. Es war ja alles durchgeplant und wenn doch etwas schief ging, musste man eben das Beste draus machen. Das hatte der Deutsche schon gelernt und danach ging er auch an jeden Auftrag ran.

Jetzt aber war sogar er angespannt und aufmerksam, beobachtete ihren Computerheini, der schon ein paar Minuten einfach nur rumtippte, bevor dieser aber das Signal gab, dass es endlich losgehen konnte.

So drangen sie ohne weitere Schwierigkeiten und wie geplant in das Haus ein und der Telepath machte sich sofort an die Arbeit, die Position ihres Zieles zu ermitteln, das sich im oberen Stockwerk im letzten Zimmer im Flur befand. Genau diese Nachricht gab er auch an die anderen weiter, wie es seine Aufgabe war, bevor aber genau das eintrat, was sie mit eingerechnet hatten.

Ihr Einbruch war nämlich nicht ganz so unbeachtet geblieben, wie sie es sich vielleicht erhofft hatten und die ersten Sicherheitsmänner kamen ihnen entgegen.
 

Als man von weitem schon die Securities auf sich zustürmen sah, seufzte Brad. "Na toll, ich hasse Hektik." Dann zog auch er seinen Revolver und los ging es.

Diesen einzelnen Trupp loszuwerden, war nicht allzu schwierig, das wahre Problem aber stellte sich erst nachher heraus. Mehrere Schwerbewaffnete Gruppen waren aus verschiedenen Richtungen im Anmarsch, wie der Hacker draußen ihnen mitteilte. Man versuchte, sie zu zersplittern und einzeln in die Enge zu treiben. Was ihnen leider auch teilweise gelang.

Immer mehr Mitglieder ihres Trupps wurden in Kämpfe verwickelt und quasi abgetrieben, da sie ja immer weiter versuchten, sich fortzubewegen. Immerhin blieb ein gewisses Zeitlimit einzuhalten, bis der Strom wieder eingeschaltet war und ernsthaft Verstärkung gerufen werden konnte.

Einige von ihnen wurden auch verletzt und plötzlich waren sie nur noch zu fünft, inklusive Brad und Schuldig.

Schnaufend lehnte Brad sich an die Wand, wobei er sich den rechten Arm hielt, der einen leichten Streifschuss abbekommen hatte.

"Schuldig, wo lang?"

Schon wieder näherten sich Schritte hinter ihnen.

"Verdammt, noch ein Sicherheitstrupp! Und die Zeit rennt uns davon!" fluchte Brad.

Man verabredete, dass zwei von ihnen blieben und den anderen den Rücken sichern würden. So ergab es sich, dass Brad und Schuldig mit einem dritten übrig gebliebenen weiterstürmten.

Allerdings hielt Brad mitten im laufen inne, fasste in einem plötzliche Anfall von Schwindel nach dem ersten greifbaren, was in dem Fall Schuldigs Ärmel war und hielt sich keuchend daran fest, währen die andere Hand seine Augen bedeckte.

"Was ist?" fragte der dritte im Bund.

"N-nichts, schon gut, wir müssen uns beeilen!" Gerade war eine Vision über ihn gekommen, die ihm gar nicht gefiel...
 

Für einen Moment kniff auch Schuldig die Augen zu, als seltsame Bilder in seinem Kopf auftauchten, die er nicht einordnen konnte, während er mit seinem anderen Arm den Schwarzhaarigen stützte, bis dieser sich von seiner Vision erholt hatte und sie endlich weiter konnten.

Aber lange Zeit, nachzudenken, blieb dem Telepathen auch nicht, denn hinter ihnen war noch immer das Kampfgetümmel zu vernehmen, das ständig lauter zu werden schien. Oder aber, er bildete sich das ein.

Auf jeden Fall war ihm diese Mission nicht mehr ganz koscher, was vielleicht daran lag, dass er es noch nie mit so viel Widerstand zu tun gehabt hatte. Der Deutsche hatte sogar auf seine unbeliebte Knarre zurückgreifen müssen, da es ihm einfach zu riskant war, nur mittels seiner Gabe zu kämpfen. Das Risiko war einfach zu hoch, abgelenkt zu werden und dann vielleicht einen von ihnen umzubringen.

Vielleicht fühlte er sich auch nur so komisch, weil er schon seit geraumer Zeit ein mieses Gefühl hatte. Der Orangehaarige konnte es nicht beschreiben, es war einfach da und eigentlich hatte er sich bisher immer mehr oder weniger auf sein Gefühl verlassen.

Doch auch dazu hatte Schuldig keine Zeit, weiter nachzudenken und stürmte stattdessen mit Crawford und dem anderen den Flur entlang. Ihr Ziel hatte sich kaum bewegt, auch wenn es durchaus unruhig war, beinahe panisch.

Zumindest kamen sie am Ende des Flurs unbehelligt an und noch einmal gab er die Bestätigung, dass sich in dem Zimmer dahinter ihre Zielperson befand, während er seine Pistole nachlud und entsicherte, da auch noch drei Securities dabei waren, froh darüber, die genauen Positionen bestimmen zu können. So war es ein leichtes für sie, die Tür aufzutreten und die Wachen zu beseitigen.
 

Bis hier hin waren sie gekommen, nun schien alles ganz einfach. Das Opfer blickte sie panisch an, während seine Wachen nacheinander zu Boden gingen, befand sich in einer Schreckstarre, die alles sehr einfach machte.

Brad hob seine Pistole, entsicherte sie und richtete sie auf den Kopf des Mannes, doch in dem Moment, als er abdrücken wollte, öffnete sich quietschend eine Tür des Raumes und ein kleines Mädchen erschien im Schlafanzug im Türrahmen.

"Was tust du, du solltest dich verstecken verdammt!" rief der Vater hysterisch und Brad zögerte am Abzug.

"Schuldig, setz das verdammte Mädchen außer Gefecht!"

Doch noch ehe die Worte gesprochen bzw. gedacht waren, ertönten zwei laute Knalle und das Mädchen brach fast gleichzeitig mit dem Mann am anderen Ende des Zimmer zusammen, um in einer roten Blutlache zu versinken.

Crawford wirbelte mit aufgerissenen Augen zu dem dritten bei ihnen herum.

"Was hast du getan!? Dazu hattest du keinen Befehl!"

"Na und, ist doch egal, die Göre hätte angefangen, rumzuplärren und ich hasse Kindergeplärre!" entgegnete dieser kaltblütig, ohne eine Regung im Gesicht.

Daraufhin ertönte ein weiterer Knall. Nur kam er diesmal aus Brads Revolver und der Kerl sank eben so schnell zusammen, wie die beiden vor ihm.

Brads Atem ging keuchend, während er die Waffe langsam sinken ließ und sich mit einer Hand an den Kopf fasste, dabei leise vor sich hinfluchte. "Verdammt, verdammt..."
 

Für einen Moment kam sich Schuldig ein bisschen wie in einem schlechten Film vor, in den er nicht eingreifen konnte, egal wie gern er es wollte. Dabei hatte er gedacht, er würde mit Profis zusammenarbeiten, wobei er sich wohl getäuscht hatte. Aber so daneben er sich manchmal benahm, gegen einen Befehl hätte er sich nicht gestellt und schon gar nicht, wenn die Situation sowieso so durcheinander war.

Nur kurz kam dem Telepathen dabei in den Sinn, dass er diese Szene von eben kannte und sie schon gesehen hatte. Nämlich, als Crawford seine Vision gehabt hatte, was wohl hieß, dass dessen Barrieren zu dieser Zeit gesenkt gewesen waren. Und dummerweise waren seine eigenen Barrieren nicht mehr so stark, dass er alles blocken konnte, was er nicht in seinem Kopf haben wollte. Dass dem Orangehaarigen das zunehmend Probleme bereitete, ließ er aber außen vor.

Er würde sicher nicht auf einmal Schwäche zeigen, wenn er sich selber noch so einschätzen konnte, dass er es auch aus diesem verdammten Haus wieder rausschaffte. Umsonst hatte er nicht in seinem Spezialtraining gelernt, auch bei hoher mentaler Belastung noch weiter zu machen und seinem Auftrag nachzukommen.

So checkte der Deutsche seine Waffen, bevor er zu seinem Boss trat, dabei seine mentalen Fühler wieder nach draußen auf die Flure richtete, um zu sehen, was da los war.

"Wir müssen los. Die Zeit rennt uns davon."

Abwartend sah er den Amerikaner an, den das ganze irgendwie ziemlich mitzunehmen schien. Aber geschehen, war geschehen und darüber konnte man sich noch den Kopf zerbrechen, wenn sie erstmal wieder im Flieger saßen. Jetzt war es einfach nur wichtig, lebend wieder hier raus zu kommen.
 

Brad sog einmal hörbar die Luft ein, steckte dann rasch seine Waffe wieder weg.

Verdammt, warum zitterte seine Hand? Was war denn mit ihm los? In so einem Moment Schwäche zu zeigen, war absolut inakzeptabel. Er hatte bis jetzt schon mehr Leute umgelegt, als er zählen konnte. Es war Routine. Warum also dieses Herzklopfen?

Brads Reaktion war gekommen, bevor er hatte nachdenken können. Wie konnte es sein, dass nach all der Zeit eine Emotion sein Handeln bestimmte? Natürlich hatte dieser Kerl eine Strafe verdient, aber er hätte nicht gleich sterben müssen...

Aber das, was seine Hand zum Zittern brachte, war kein Mitleid, es war der Schock einer bitteren Erkenntnis. So weit war es also schon mit ihm gekommen...

So schnell wie möglich versuchte er, sich wieder zu sammeln. Und Schuldigs Aufforderung holte ihn sofort wieder in die Wirklichkeit zurück. Aber bevor sie losstürmen, packte Brad den Telepathen an der Schulter und sah ihm durchdringend in die Augen.

"Lassen wir die anderen in dem Glauben, die Securities hätten ihn erschossen. Nicht, dass es große Probleme geben würde, immerhin hat er gegen meine Befehle gehandelt, aber ich möchte unnötige Fragen vermeiden. Verstanden?"

Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er los. Der andere hatte verstanden, da war er sich sicher.
 

Und ob Schuldig das verstanden hatte. So folgte er seinem Boss auch ohne weiteres und strich für sich das eben Geschehene aus seinem Gedächtnis. Zumindest vorerst, bis es ihn eben wieder einholen würde. Aber jetzt gab es wirklich Wichtigeres.

So konzentrierte sich der Telepath auf die dunklen Flure, während er wieder seine Waffe gezückt hatte. Reaktionsschnell warnte er Crawford, als sie sich der Treppe näherten, vor den beiden Wachen, die diese gerade hinaufkamen und keine drei Sekunden später mit je einem tödlichen Schuss eben diese Treppe wieder nach unten fielen.

Für einen Moment hielt sich der Deutsche den Kopf, atmete tief durch, während er versuchte, seine mentalen Barrieren wieder zu verstärken, was dummerweise nur minimal gelang. Dafür waren einfach zu viele Stimmen in seiner Nähe, die durch seinen Kopf schwirrten und ihn sich nicht richtig konzentrieren ließen.

Aber es musste einfach reichen und so schweifte Schuldigs Blick kurz auf seine Uhr und die Ahnung wurde zur Gewissheit, dass sie nur noch knapp zwei Minuten hatten, bevor der Alarm ausgelöst wurde und sie wirklich Probleme bekamen.
 

Brad hatte die ganze Zeit über nicht bezweifelt, dass der Telepath dem mentalen Stress dieser Mission würde standhalten können. Allerdings, als er ihn kurz schwanken sah, fragte er sich, ob die Belastung nicht vielleicht doch zu viel war.

Er selber konnte sich trotz der vielen Untersuchungen und Berichte nur vage vorstellen, was in einem Telepathen vorging. Er wusste, dass auch Telepathen Barrieren aufbauten, aber anders als er, nicht, nur um ihre Gedanken nach außen hin zu verdecken, sondern vor allem, um fremdes Gedankengut von sich selber fernzuhalten.

Das Ganze musste ein sehr anstrengender Prozess sein, besonders in Situationen, in denen man unter zusätzlichem Stress stand.

"Schuldig, alles in Ordnung?"

Doch noch bevor Schuldig antworten konnte, hörten sie Schritte hinter sich.

"Mist, nichts wie weg hier!" rief Crawford und sie rannten die Treppe runter.
 

Gedanklich rügte sich Schuldig selber, jetzt so zu schwächeln, wo er doch gedacht hatte, dass er das längst hinter sich hatte. Umsonst hatte er doch nicht so hart seine Fähigkeiten trainiert!

Aber lange blieb ihm auch keine Zeit mehr, denn ein paar Securities saßen ihnen im Nacken und so rannte er hinter Crawford die Treppe nach unten. Zumindest konnte er noch wahrnehmen, dass die paar Männer, die von ihrem Team noch da waren, sich schon in Sicherheit brachten und nur noch sie übrig waren, die ihren Hintern aus diesem beschissenen Haus rausbugsieren mussten.

Doch der Telepath hatte nicht einmal Zeit, das an seinen Boss weiter zu geben, als sie auch schon im Erdgeschoss ankamen und der Wachmann, der ihnen entgegen kam, auch dran glauben musste.

Die kurze Verschnaufpause nutzte der Deutsche dann, um die Umgebung mit seinen mentalen Fühlern abzutasten und was noch auf sie wartete, ignorierte das Tosen, die Schreie und die fremden Bilder in seinem Kopf, so weit es ihm möglich war.

"Drei Wachen von vorn, drei von hinten, dann haben wir freie Bahn", informierte er den Amerikaner, wobei er sich dennoch leicht an der Wand neben sich abstützen musste.
 

"Verdammt, die sind schlimmer wie Bienen, hört das denn gar nicht mehr auf!" fluchte Brad und registrierte, dass die Situation immer komplizierter wurde.

Schnell lud er seinen Revolver nach. Aber wenn es wirklich nur jeweils drei waren, hatten sie noch eine Chance, halbwegs unversehrt hier herauszukommen. Solange sie sich nicht von beiden Gruppen einkesseln ließen...

"Wir rennen nicht geradeaus, da laufen wir ihnen nur in die Arme und die von hinten kriegen uns. Wir nehmen den Weg durch den Flur rechts, dort kommen wir durch den Wintergarten und von da aus raus. Komm!" rief er, nachdem er die Sachlage nüchtern analysiert hatte.

Zwar war der Weg durch den Wintergarten länger, aber vermutlich sicherer. Leider aber traf diese Vermutung nicht zu, denn als sie den rechten Flur durchquert hatten und den Wintergarten anvisierten, stellte sich ihnen eine weitere Gruppe von fünf Wächtern in den Weg.

"Was soll das, du hast gesagt, es sind nur zwei Dreiergruppen?!" fuhr Brad Schuldig an, während er seine Waffe zückte und schoss.

Von hinten waren schon die beiden sie verfolgenden Gruppen zu hören, was ihm nun doch kalten Schweiß auf die Stirn trieb.
 

Nur wie durch einen Nebel hörte Schuldig die Vorwürfe des Amerikaners, der sein einziger Fixpunkt in diesem für ihn unwirklichen Szenario schien und hinter dem er eher hergestolpert, als wirklich gefolgt war.

Und auch, wenn er nichts darauf erwidern konnte, da er sich im Moment nicht dazu in der Lage sah, stieg Wut in dem Deutschen hoch.

Leider war er noch keine Maschine, der die Bilder und Stimmen in ihrem Kopf nichts ausmachten. In einer Endlosschleife schienen sie abzulaufen. Gesichter von Kindern und Frauen, die die von ihnen getöteten Securities zurückließen oder von anderen Menschen, die ihnen am Herzen lagen. Das alles wurde von letzten Gedankenfetzen untermalt, bevor sie endgültig den Tod fanden.

Wieder einmal war der Telepath an der Schwelle angelangt, dass er kaum zwischen Realität und dem, was in seinem Kopf ablief, unterscheiden konnte. Er sah, wie auch andere Menschen starben, die er zwar noch nie gesehen hatte und doch war es ihm so, als wenn er sie selber getötet hätte, wobei es doch nur Erinnerungen ihrer Gegner waren.

Aber Schuldig fühlte nicht nur die Wut auf Crawford, weil dieser ihm Vorwürfe machte, sondern auch auf sich. Schließlich hatte er angenommen, endlich darüber hinaus zu sein, in solchen Stresssituationen so beeinflusst zu werden. Wofür hatte er schließlich so hart trainiert?!

Doch, wie auch schon unzählige Male zuvor, verschlimmerten seine eigenen Gedanken die Situation nur für ihn, anstatt ihm zu helfen, wieder klarer denken zu können.

So ließ ihn auch sein erhöhtes Reaktionsvermögen im Stich, das ihm sonst half, auf brenzlige Situationen beinahe übernatürlich schnell zu reagieren. Denn auch, wenn er kein Orakel war, so hörte er doch fast immer die Gedanken seiner Gegner und damit auch, was sie planten, so dass er noch vor der eigentlichen Ausführung darauf reagieren konnte.

Doch jetzt, mit dem Tosen in seinem Kopf, das ihn beinahe wahnsinnig machte, war der Telepath einfach außer Gefecht gesetzt und musste sich ein weiteres Mal an der Wand im Flur abstützen, um überhaupt aufrecht stehen bleiben zu können.

Und während Crawford schon begonnen hatte, ihnen den Weg zum Wintergarten freizuschießen, war alles, was Schuldig spürte, ein plötzlich stechender Schmerz in seiner linken Schulter und seiner linken Wade. Aber ob er selber schmerzhaft aufschrie oder es die zwei Securities waren, die tödlich getroffen zu Boden gingen, konnte er nicht mehr sagen, als seine Sicht immer mehr verschwamm und er langsam zu Boden sackte.

Kapitel 3

Titel: Vertrauen ist wirklich alles

Teil: 3/?

Autor: schuchan, Tsugumi

E-Mail: Kamayima@gmx.de, jennyBreidenbach@yahoo.de

Fanfiction: Weiß Kreuz

Disclaimer: Die Jungs von Weiß Kreuz gehören leider nicht uns, auch wenn wir sie gerne

behalten würden ^__^. Die Rechte liegen bei Kyoko Tsuchida und dem Projekt Weiß, und wir

wollen mit der FF keinen Profit machen.

Rating: PG-16

Warnung: bis jetzt noch nichts, wird aber aktuell ergänzt ^___^

Pairing: Brad x Schu

Kommentar: So, endlich kommt der dritte Teil *sich Schweiß von der Stirn wischt* dabei denkt man immer, Studenten haben so viel Zeit *schief grinst* aber egal *g* wir hoffen, ihr habt auch an diesem Spaß und würden uns wirklich über ein paar Kommis freuen *ganz, ganz lieb schaut*

Inhalt: Hat Brad doch ein gutes Herz? Wie zeigt er Schuldig seine Aufmerksamkeit? Und wie hat dieser die letzte Mission überhaupt überstanden?
 

Besonderer Dank geht an Agent_Smith für die beiden lieben Kommentare *mal ganz dolle knuddelt* Deine Spekulationen, wie es weiter gehen könnte, haben uns wirklich gefallen *g* aber leider wird es nicht ganz so ablaufen, denn damit lassen wir uns noch etwas Zeit *g*
 

****
 

"Verdammter Idiot, was machst du denn?!" hatte Crawford noch geschrieen, als der Telepath inmitten des Gefechts einfach regungslos verharrte. Nebenbei schien dieser seine Worte gar nicht zu registrieren und keine zwei Sekunden später trafen mit lautem Getöse zwei Kugeln Schuldig, der nicht einmal den Versuch machte, auszuweichen.

Im ersten Moment verstand Brad nicht im Geringsten, was vor sich ging, da Schuldig offenbar bei Bewusstsein war, aber dennoch nicht reagiert hatte. Schnell hatte er auch den letzten der Gegner außer Gefecht gesetzt, wenn auch etwas zu spät. Schuldig war inzwischen in sich zusammengesunken, eine Blutlache ergoss sich aus zwei Wunden an Schulter und Bein.

Schnell stürzte er zu dem Telepathen hin und drehte ihn zu sich.

"Hey, Schuldig! Schuldig, verdammt, was machst du?!" Er ohrfeigte ihn einmal rechts und links, aber es half nichts, er hatte offenbar das Bewusstsein verloren. Langsam doch etwas panisch, hielt Crawford inne, als er hörte, wie die Verfolger immer näher kamen.

Verdammt, jetzt könnte er eine nützliche Vision wirklich mal gebrauchen! Aber nichts kam und so blieb ihm nichts weiter, als so schnell wie möglich zu handeln. Und was er tat, sollte ihn später selbst überraschen, denn er hievte Schuldig hoch, zog ihn mit aller Kraft auf seinen Rücken und rannte, so schnell er konnte, los. Noch während er lief, wurde ihm bewusst, dass er gerade wie ein Verrückter handelte.

Er hätte alleine fliehen müssen, dann hätte er zumindest noch eine Chance gehabt, lebend raus zu kommen, aber durch Schuldig auf seinem Rücken hatte er vermutlich gerade sein eigenes Todesurteil unterschrieben. Und dennoch ließ er ihn nicht fallen, sondern rannte mit aller Kraft weiter.

Ein Verfolgertrupp holte auf. Er schoss ihn nieder und entging mit reichlich Glück den Kugeln der anderen. Ha, er hatte bestimmt nicht vor, hier zu sterben, nicht vor seiner Beförderung! Er hatte noch reichlich vor im Leben...

Und schließlich schaffte er es sogar, erreichte den Wintergarten, zerschoss die Scheiben und machte sich durch das Dunkel der Nacht davon, bis er auf den Einsatzwagen seiner Truppe stieß, die er per Headset dorthin dirigiert hatte.

Er übergab Schuldig den Männern, die ihn in den Laderaum des Wagens zogen und erste Hilfe leisteten, bevor er selbst hineinsprang und sie davonbrausten.

Erschöpft lehnte sich Brad an die Wand des Wagens und gab per Handy ein erschöpftes "Mission Complete" an seine Vorgesetzten durch.
 

All das ging einfach an dem Telepathen vorbei, der in einer tiefen, absoluten Ohnmacht gefangen war. Schon am Anfang hatte dieser gelernt, dass das nur ein Schutzmechanismus seines Körpers war, der nur einsetzte, wenn seine Barrieren vollständig brachen und der Wahnsinn in seinem Kopf nicht mehr anders zu stoppen war. Dann war es einfach nur totenstill und er bekam nichts mehr von seiner Umgebung mit.

So ging auch die erste Hilfe ohne Reaktion an Schuldig vorbei, wie sie abfuhren, dass ausgerechnet sein Boss sein Leben für ihn riskiert hatte, sogar der Flug zurück ging einfach an ihm vorbei.

So verlor der Deutsche auch jedes Zeitgefühl und erst Stunden später löste sich sein Geist wieder aus der rettenden Ohnmacht und kämpfte sich nach oben, bauten sich seine Barrieren bewusst wieder Schritt für Schritt auf, bis er sich im Stande sah, der Außenwelt wieder gegenüber zu treten.

~~~~

Mit dröhnendem Schädel öffnete der 19jährige die Augen, kniff sie aber sofort wieder zu, da das Licht in dem Krankenzimmer unangenehm in den Augen stach. Sein Körper fühlte sich bleiern an, der Schmerz aus den Schusswunden drang immer deutlicher zu ihm durch und ließ ihn unterdrückt aufstöhnen. Und nicht zum ersten Mal fragte sich Schuldig, was zum Teufel nur passiert war und wo er sich befand.

Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war die Treppe, die er hinter Crawford nach unten geeilt war, danach war alles eine einzige wabernde Masse aus Stimmen, Bildern und Tönen, von denen er nicht wusste, welche real gewesen waren und welche nicht. Wie er solche Blackouts hasste!

Das ließ den Orangehaarigen aber wieder zu der Frage zurückkommen, wo er nur war und so startete er einen erneuten Versuch, die Augen wieder zu öffnen, was ein paar Anläufe brauchte, bis er sich an das Neonlicht gewöhnt hatte und leicht verwundert stellte er fest, dass er sich in einem Krankenzimmer in der Einrichtung befand. Wie war er denn hierhin gekommen?
 

Brad saß nachdenklich an seinem Schreibtisch und starrte auf das Blatt Papier, das vor ihm auf der blitzblanken Oberfläche lag. Die schlichte Metalluhr an der Wand gab ein leises Ticken von sich und verursachte somit das einzige Geräusch im Raum. Brad starrte noch immer auf den Zettel. Er hob seine rechte, bandagierte Hand und nahm das Blatt noch einmal auf, überflog es ein weiteres Mal, legte es wieder hin.

Seltsam, endlich hatte er seine Heißersehnte Beförderung, aber irgendwie war er nicht wirklich glücklich darüber. Nach Meinung der Direktion, wie man es dem Schreiben entnehmen konnte, war man außerordentlich zufrieden mit dem Ablauf der Mission, aber Brad war es ganz und gar nicht. Es war nichts wirklich zur Zufriedenheit gelaufen, es waren Dinge schief gelaufen, die nicht hätten schief laufen dürfen.

Während er sinnierte und die ganze Sache noch mal und noch mal geistig durchspielte, schellte sein Interphon und die Sekretärin informierte ihn, dass der Telepath seines Teams aufgewacht sei. Brad gab daraufhin nur die Order, dass man ihn wissen lasse sollte, dass er offenen Genesungsurlaub hatte. Er hatte nicht vor, ihn jetzt aufzusuchen.
 

Mehr oder weniger hielt sich Schuldig munter, wobei er einfach nur vor sich auf die Decke starrte. Die sinnlosen Fragen, auf die er momentan eh noch keine Antwort bekommen würde, hatte er einfach abgestellt und konzentrierte sich lieber darauf, nach und nach seine Barrieren wieder zu verstärken und auszubauen, was erstaunlicherweise auch ganz gut gelang. So sehr er die totale Abschottung auch hasste, aber sie half immer gut, wenn es ums Genesen ging.

Zumindest, was seine Gabe betraf, denn wenn sich der Deutsche so seinen Körper betrachtete, traf das auf diesen nicht zu. Nicht nur, dass seine linke Schulter und die Wade höllisch schmerzten, er konnte auch kaum seinen linken Arm heben, geschweige denn seine Hand so benutzen, wie er es brauchte.

So war der Telepath auch recht froh, als ihm von einer Schwester mitgeteilt wurde, dass er 'Urlaub' hatte. Den würde er auch brauchen, so viel stand fest. Und vielleicht hatte er ja dann irgendwann die Gelegenheit, Crawford zu fragen, was denn noch passiert war.
 

~~~~
 

Erst ein paar Tage später machte Brad sich auf den Weg zur Krankenstation, wie es seine Pflicht war. Er war regelmäßig über Schuldigs Zustand informiert worden und scheinbar ging es mit dessen Gesundheit bergauf.

Um ehrlich zu sein, tat er diesen Gang nicht gerne, hatte ihn nicht umsonst so vor sich her geschoben, aber die Pflicht holte ihn schließlich doch ein.

So betrat er das sterile, unfreundliche Zimmer, in dem sein Teammitglied lag. "Einen schönen guten Tag. Na, wie geht es unserem Patienten? Du erwartest hoffentlich keine Blumen oder Pralinen, ich habe für so etwas kein Händchen."
 

"Schade und ich dachte, endlich mal etwas Farbe hier rein zu bekommen", grinste Schuldig leicht, auch wenn er für einen Moment verwundert war, seinen Boss zu sehen.

In der Einrichtung, in der er in Deutschland gewesen war, waren solche Krankenbesuche nie Teil der Pflicht gewesen, zumindest nicht, dass er sich erinnern konnte. Aber anscheinend wurde das hier anders gehandhabt oder er hatte es damals nur nicht so richtig mitgekriegt.

Aber eigentlich war das irrelevant und der Telepath nur ganz froh, anscheinend in einem speziellen Zimmer zu liegen, in dem sein Kopf nicht so sehr strapaziert wurde. Zumindest waren die Stimmen leiser und er konnte sie eigentlich gut ignorieren, ohne viel Kraft dafür zu brauchen. So konnte er wenigstens ordentlich seine Barrieren wieder auf Fordermann bringen, damit so ein Blackout nicht so schnell wieder passierte.

Andererseits war es auch verdammt öde, hier zu liegen. Durch die Schusswunde am Bein durfte er noch nicht rumlaufen, außer, wenn es nötig war und ansonsten kam nur immer die Schwester vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und ihm das Essen zu bringen. Und für jemanden wie Schuldig, der es gewohnt war, viele Menschen um sich zu haben, war es todsterbenslangweilig!
 

"Beim nächsten Mal bringe ich rote Rosen mit, wenn es dem Gentleman beliebt", meinte Brad sarkastisch, in einem leichten Anflug von Humor, der ihm eigentlich nicht wirklich gelegen kam.

"Ich hoffe, du bist wieder auf dem Damm und willst dich nicht allzu lange vor den Übungen drücken..."
 

"Ach was, mach dir doch mir wegen keine Umstände. Aber wenn du willst, ich bin dem nicht abgeneigt", grinste Schuldig noch immer, wobei es in seinen grünen Augen beinahe lausbubenhaft funkelte.

Jetzt, wo er endlich wieder mit jemand mal ein Wort wechseln konnte, musste das doch ausgenutzt werden, auch wenn er sich vielleicht endlich einen höflicheren Umgangston angewöhnen sollte, denn Ärger konnte er grad gar nicht gebrauchen, geschweige denn eine Bestrafung.

Bei einem anderen Boss hätte sich der Telepath sicher auch zu benehmen gewusst, aber irgendwie hatte er das Gefühl, bei Crawford durfte er sich das erlauben, ohne gleich mit einer dementsprechend hohen Strafe rechnen zu müssen. Und wenn dieser ihm wieder Extrasport aufbrummte, schaden konnte es nicht. Schließlich musste er sowieso erstmal wieder in Form kommen. Allein ein paar Tage ans Bett gefesselt zu sein, reichten ja aus, um diese zu zerstören.

"Ich und mich drücken? Wie kommst du auf die Idee. Wenn es nach mir ginge, könnt ich sofort wieder anfangen, aber ich entscheide ja nicht, wann ich aufstehen darf und wann nicht", erklärte der Orangehaarige gespielt betroffen.

Bittere Wahrheit, denn diesmal hatten die Ärzte hier das Sagen und ohne deren Entlassung durfte er nicht mal das Zimmer verlassen. Deswegen war es ja so öde.

"Gratuliere im Übrigen zur Beförderung", grinste Schuldig dann wieder leicht, denn das Namensschildchen mit dem höheren Dienstgrad war an der Jacke des Amerikaners ja nicht zu übersehen.
 

Brad guckte auf sein Namensschildchen herab. Genau genommen konnte er es nicht oft genug ansehen, trotzdem tat er betont lässig. "Ach das, das ist ja nichts besonderes."

Er war wahrscheinlich der einzige 24 jährige in der ganze Organisation, der einen solch verhältnismäßig hohen Posten bekommen hatte, aber das war von vorneherein sein Ziel gewesen. Besser, schneller und höher als alle anderen!

"Tja, offenbar ist die Mission ganz nach Wunsch von denen da oben verlaufen." Er sagte dies in einem Tonfall, der vermuten ließ, dass er anderer Meinung war. Aber er prüfte nur seine Barrieren und kam unverwandt zum nächsten Thema.

"Darf man fragen, was los war? Du weißt, was ich meine."
 

So bescheiden kannte er den strebsamen Ami gar nicht, aber Schuldig sollte es egal sein. Er war nicht unbedingt bestrebt, in der Organisation besonders weit aufzusteigen. Für ihn zählte allein, dass er es endlich schaffte, seine Gabe richtig zu beherrschen, wenn er schon mit dieser leben musste und seine Schwächen zu beheben. Wie eben auch jene, die ihn erst in dieses Zimmer gebracht hatte. Und vielleicht schaffte er es dann endlich, ein eigenes Leben zu führen und nicht mehr als Kanonenfutter herhalten zu müssen. Denn das ging ihm wirklich gegen den Strich.

Auf die Frage jedoch zuckte der Telepath nur kurz mit den Schultern.

"Überlastung. Wenn meine Barrieren immer mehr in sich zusammenfallen, reagiert mein Körper automatisch und verschließt mein Bewusstsein. Wahrscheinlich hab ich mir deswegen die Kugeln eingefangen, weil ich dann unfähig bin, mich weiter zu bewegen. Wobei ich mich daran nicht mal mehr erinnern kann."

Es war eine Tatsache, so beschissen es auch war, die eigenen Fehler und Schwächen eingestehen zu müssen. Aber viel interessanter war für den Deutschen eigentlich die Frage, warum er trotzdem noch lebte. Irgendjemand musste ihm ja geholfen haben und das konnte, laut seinem Wissen, nur Crawford gewesen sein, da dieser der einzige gewesen war, der in seiner Nähe gewesen war.

So sah Schuldig diesen auch leicht fragend an, vermied es aber wohlweislich, zu versuchen, in dessen Kopf rumzuschnüffeln. Dafür hatte das Orakel sowieso zu starke Barrieren.
 

"Ach so ist das. Hm und ich hatte gedacht, dass du schon weit genug wärst. Aber na gut, die Mission verlief ja auch nicht nach Plan. Wir haben alle Fehler gemacht und fast unser Leben verloren. Ich für meinen Teil habe nicht vor, es noch einmal so weit kommen zu lassen."

Brad seufzte tief.

"Na, vorerst verdanken wir es jedenfalls einem guten Stern oder etwas ähnlichem, dass wir lebend raus gekommen sind, damit müssen wir uns zufrieden geben."

Er würde sich natürlich nicht damit zufrieden geben. Er verließ sich nicht einfach auf sein Glück, er _plante_ die Zukunft! Und er hatte eine ungeheure Wut auf diesen verdammten Laden hier! Er hatte keine Lust, noch öfter in derart schlecht organisierte Missionen zu stolpern und zu hoffen, einfach Glück zu haben!
 

Ruhig hatte Schuldig zugehört und sich nichts von seinen Gedanken anmerken lassen, die ihm grad durch den Kopf schossen. Aber wenn das alles war, dann musste er mehr Schwein gehabt haben, als jemals zuvor. Wobei es wieder eine andere Frage war, ob er darüber froh sein sollte. Obwohl... früher wäre er es wohl nicht gewesen, jetzt sah die Sache etwas anders aus.

Auch, wenn er noch keine Ahnung hatte, wie er es anstellen sollte, so wollte sich der Deutsche irgendwann von der Organisation lossagen und sein eigenes Ding durchziehen. Zumindest war das sein Ziel für die Zukunft und eigentlich hatte er nicht vor, sich das kaputt machen zu lassen, nur weil er ins Gras biss.

"Da sollte ich mich wohl bei meinem guten Stern bedanken, wenn er denn schon mal da ist", grinste der Telepath dann aber schon wieder, auch wenn er eher ins Blaue riet, als es wirklich zu wissen. Aber es gab ja keine andere logische Schlussfolgerung für ihn.
 

Brad verzog keine Miene, nahm nur seine Brille ab, zog ein Putztuch aus seiner Jackentasche und polierte die Gläser.

"Lass dir von diesem Stern eines gesagt sein: Wenn ich rausbekommen sollte, dass du genug bei Bewusstsein warst, um das mitzubekommen, was passiert ist, dich aber hast tragen lassen, statt selber die Beine in die Hand zu nehmen, kannst du davon ausgehen, dass ich dafür sorgen werde, dass du dir wünscht, du wärst dort geblieben."

Er hauchte einmal gegen seine Brille, rieb wieder drüber, hielt sie prüfend ins Licht und setzte sie zufrieden auf.

"Ich hab das lediglich gemacht, weil ich der Vorstellung anhänge, dass man niemanden auf einer Mission zurücklassen sollte. Teamarbeit ist das Wichtigste."

Das Argument war freilich etwas hohl, denn immerhin hatte er eigenhändig einen seiner Männer abgeknallt.
 

Auch, wenn es bei der Warnung vielleicht nicht angebracht war, musste er immer noch grinsen. Schließlich hatte er ja so seine Antwort auf die Frage bekommen, warum er noch lebte, wo er doch eher dem Tode nahe gewesen war. Aber dass ausgerechnet sein Boss ihm den Hintern gerettet hatte... wer hätte das gedacht?

"Die Vorstellung gefällt mir. Aber wenn ich bei Bewusstsein gewesen wäre, wäre ich von mir aus selber gerannt."

Eins stand für Schuldig nämlich fest und zwar, in so einer Situation nie zu simulieren. Er hatte es wohlweislich auch noch nie getan, da es meist den sicheren Tod bedeutete, denn in der Anstalt in Deutschland hatte man es nie allzu sehr mit der Teamarbeit gehalten. Da war es nur wichtig gewesen, die Mission zu erfüllen. Wie man dann raus kam, war jedem sein Ding gewesen.
 

"Gut, dass wir das geklärt haben", meinte Brad ohne den geringsten Anflug von Humor in der Stimme. Schuldig übernahm diesen Part für sie beide nämlich zu Genüge.

Irgendwie schien der Telepath immer ein Grinsen auf den Lippen zu haben. Aber Brad bezweifelte, dass der Deutsche immer so sorglos und locker war, wie es den Anschein hatte.

Aber wer an diesem Ort hatte keine Fassade?

"Dann mache ich mich wieder auf den Weg. Können ja nicht alle den ganzen Tag faul rum liegen. Sobald die Ärzte grünes Licht geben, meldest du dich bei mir im Büro. Bis dahin gute Besserung."

Damit verließ Brad Crawford das Zimmer.
 

Vielleicht war es über all die Jahre zu seiner Maske geworden, dauernd zu grinsen und seine Sprüche zu reißen. Anders überstand man auch selten den Alltag hier nicht. Aber diesmal war er wirklich amüsiert und legte sich entspannt zurück, schloss auch wieder seine Augen, um sich die nötige Ruhe zu gönnen, die ihm der Arzt verordnet hatte.

Aber dass ausgerechnet der emotionslose Ich-weiß-und-seh-alles-vorher-Crawford ihm das Leben gerettet hatte, war einfach zu komisch. Zum Glück hatte er nicht noch einen Knicks vor diesem aus Dankbarkeit machen müssen.

Die Frage, warum der Amerikaner das Risiko eigentlich überhaupt eingegangen war, drängte der Telepath aber weit von sich.

Darauf würde er sicher nie eine Antwort bekommen und eigentlich wollte er auch keine. Er war froh, noch zu leben und mit recht geringem Schaden davon gekommen zu sein. Mehr konnte er doch gar nicht verlangen.
 

~~~~
 

Die nächsten Tage und Wochen vergingen ereignislos, das Training der Teams wurde normal weitergeführt und es kam zu keinen Missionen.

Auch Schuldig trat wieder unter die Lebenden und Brad nutzte dies auch ausgiebig, um dem Telepathen immer mal wieder eine extra Runde Training aufzubrummen und -was ihm in letzter Zeit besonders viel Spaß machte- ließ ihn immer wieder irgendwelche Arbeiten verrichten.

Am liebsten Putzdienst und Büroarbeiten. Er hatte eben seine eigene Art, sich Wiedergutmachung für den Stress zu verschaffen.

Und so zitierte Crawford etwa drei Wochen nach besagter Mission Schuldig mal wieder in sein Büro.
 

Dieser hingegen hatte sich schon überlegt, warum er nicht doch einfach erschossen worden war. Er hasste solche Extraarbeiten und besonders putzen war nie seine Stärke gewesen. Allein in seinem kleinen Zimmer sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen und er räumte auch nur auf, wenn irgendwelche Quartierskontrollen anstanden. Aber jetzt wusste er, dass er seinem Boss so schnell nichts mehr schuldig werden wollte, denn dieser war einfach nur ein mieser Sadist. Da machte er ja noch die Extratrainingsstunden lieber!

So war der Telepath auch nicht grad in der besten Stimmung und ging wie immer mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen zu Crawfords Büro, legte aber anstatt des mürrischen Gesichtsausdrucks einen neutralen auf. Schließlich wollte er dem Kerl nicht noch einen Grund geben, sich doch mal zu amüsieren.

Höflich, wie es Vorschrift war, klopfte er an und betrat dann das Büro nach der Aufforderung.
 

Crawford hatte am Fenster gestanden und ein Schreiben überflogen, dass er aber zur Seite legte, als der Telepath eintrat.

"Ah, pünktlich wie immer. Oder eher, wie nicht immer", meinte er und fand das eigentlich witzig. Aber mit seiner Art Humor war er schon immer irgendwie allein gewesen.

Er deutete auf einige Pappkartons, die sich in der hinteren Ecke seines Büros sauber stapelten.

"Da sind alte Akten drin, würdest du sie bitte zum Papiershredder bringen und dort vernichten?"

Das war eine lästige Arbeit von mindestens einer Stunde, wie Brad zufrieden feststellte. Eines hatte er mittlerweile festgestellt: Leute herum zu scheuchen, machte tatsächlich Spaß!

Ohne Schuldigs Antwort abzuwarten, die sowieso nichts anderes als eine Zustimmung sein konnte -der Telepath wusste, dass er nicht zu widersprechen hatte- setzte er hinzu: "Und die Pläne für die nächste Woche habe ich auch fertig, verteile sie bitte an die anderen. Ach ja und heute ist freier Ausgang für alle. Das heißt, jeder darf hingehen, wo er will, solange er bis morgen wieder da ist."
 

Wenn Crawford nicht solch beschissen starken Barrieren gehabt hätte, hätte er diesen einsuggeriert, ein fünfjähriges Mädchen zu sein, das gern Ballett tanzte! Dafür hätte er alles auf sich genommen! Aber leider war das Schuldig ja nicht möglich und so grummelte er jetzt doch vor sich hin und zog auch dementsprechend ein Gesicht.

Nicht mal er konnte immer seine Maske aufbehalten. Da wünschte er sich lieber wieder die öde Langeweile des Krankenzimmers zurück.

"Überschüttest du mich deswegen so mit Arbeit, damit ich auch ja da bleibe und nicht mit einem anderen durchbrennen kann?" übertrieb es der Deutsche dann aber, in dem er besonders lieblich nachfragte und auch mit seinen Wimpern klimperte.

Okay, wenn es nicht half, sich darüber zu ärgern, musste man es von der lustigen Seite nehmen und hey, vielleicht standen ja interessante Sachen in den alten Akten, wer wusste das schon?! Zum Glück war er ja noch nie ein Kind von Trübsinnigkeit gewesen.
 

"Nein, das tue ich, um meine uneingeschränkte Zuneigung auszudrücken. Ich mag Leute, die sich zu Tode arbeiten", erwiderte Brad ohne mit der Wimper zu zucken.

"Ach und bevor ich's vergesse: In den Akten stehen alte Rechnungsbilanzen der Kantine. Wenn du also nicht heiß darauf bist, zu wissen, wer uns mit Friteusenfett beliefert, spar dir die Arbeit, hineinzuschauen. Ich weiß nämlich, dass du es tun wirst."

Tatsächlich hatte er in einer Vision gesehen, wie Schuldig im Kopierraum in den Kartons wühlen und enttäuscht langweilige Abrechnungen vorfinden würde.

"Und pass auf den linken Bücherstapel auf, der dort steht. Er könnte dir auf die Füße fallen."

Genau genommen war es der rechte, der umkippen würde, aber den Spaß wollte Crawford sich nicht entgehen lassen. Hey, er hatte nicht viel zu lachen, da musste man sich an das halten, was man kriegen konnte!

Es war ja schließlich nicht so, dass er gar keinen Humor hatte, nur eben für die meisten Leute einen schwer verständlichen. Und dieser Schuldig eignete sich in der Tat bestens dafür.
 

Aber sein Boss konnte ihm auch alles vermiesen. Nicht nur, dass er sich heute eigentlich auf ein bisschen Spaß draußen gefreut hatte, nein, jetzt durfte er noch mindestens eine Stunde hier bleiben und arbeiten. Allein, wenn er das ganze Papier sah, würde er es jetzt schon am liebsten in der Luft zerreißen. Warum musste er eigentlich so ne beschissene Arbeit machen? Konnte das nicht jemand anderes übernehmen, der nichts Besseres zu tun hatte?!

Am meisten aber ärgerte sich der Deutsche jetzt schon darüber, dass er wusste, dass er in die Akten gucken würde, um raus zu finden, ob ihn Crawford nur auf den Arm nahm. Das war ja richtig frustrierend!

So grummelte Schuldig noch immer in seinen nicht vorhandenen Bart, während er vor den Stapel mit den Kartons trat und überlegte, ob er die alle auf einmal wegbekam oder doch lieber zweimal laufen sollte. Nur nebenbei vernahm er so die 'Warnung' seines Bosses, die ihm aber im Moment erstmal am Arsch vorbei ging. So lange er nicht unter all den Büchern einfach zusammenbrach, war es ihm egal, wo die hinfielen.

So schnappte sich der Telepath die drei Kartons, auch wenn er sich selber damit die Sicht versperrte, aber leider kannte er das Büro ja schon wie seine Westentasche. Er konnte gar nicht mehr zählen, wie oft er schon hier gewesen war. Dass er dabei aber an besagten Bücherstapeln vorbeikam und zwar auf der linken Seite, beachtete er gar nicht, sah nur aus den Augenwinkeln, dass sich neben ihm was bewegte und tatsächlich der rechte zusammenpurzelte und ihm zwei Bücher auf den Fuß fielen. Doch das konnte er locker verkraften und grinste sich nun doch wieder eins.

"Tja, war wohl nix, Bradley", feixte sich Schuldig eins, bevor er die Tür ansteuerte und vorsorglich die Kartons abstellte, um diese zu öffnen, damit er nicht noch komische Verrenkungen machen musste.

Dann aber fiel ihm noch was ein und schnell trat er zum Schreibtisch, grabschte sich die Pläne für die nächste Woche, wobei er dem Amerikaner noch mal zuzwinkerte. Erst dann trat er wieder zur Tür, hob die Kartons auf und verließ das Büro. Umso schneller er die Arbeit hinter sich brachte, desto eher würde er endlich seinen freien Tag genießen können.
 

Eigentlich hatte Brad ein wenig schadenfroh grinsen wollen, es machte ihm immer Spaß, wenn seine Visionen eintrafen -und er nicht das Opfer war. Schade nur, das Schuldig cooler reagierte, als erwartet.

Und dann stieß ihm da etwas noch sauer auf...

"Wah, hör mir gut zu, nenn mich nie wieder Bradley oder ich schwöre dir, du machst für den Rest deines Aufenthalts hier nichts anderes mehr als Klos putzen!"

Als Schuldig schließlich mit den letzten Kartons verschwunden war, verließ Crawford sein Büro; für heute war er fertig mit seiner Arbeit. Außerdem hatte auch er vor, den Abend heute etwas zu nutzen. Er ging auf sein Zimmer und duschte, wählte einen etwas salopperen, grauen Anzug ohne Krawatte aus und zog sich um, wobei er sich bei allem viel Zeit ließ.

Doch während er vor dem Spiegel stand, merkte er schon wieder dieses altbekannte Gefühl in sich aufsteigen. Schon fast automatisch stützte er sich mit der Hand an der Wand ab und vergrub das Gesicht in der anderen. Verdammt, er musste dieses Schwindelgefühl in den Griff bekommen!

Dunkelheit überkam ihn und schirmte ihn wie immer von allen äußerlichen Reizen ab. Bilder formten sich in seinem Kopf, doch noch ehe er sich genau auf die Details konzentrieren konnte, war es plötzlich auch schon vorbei und Licht und Geräusche drangen wieder zu ihm durch.

Er sah wieder sein Spiegelbild an.

"Aha..." murmelte er.
 

****
 

Fortsetzung folgt...

Kapitel 4

Titel: Vertrauen ist wirklich alles

Teil: 4/?

Autor: schuchan, Tsugumi

E-Mail: Kamayima@gmx.de, jennyBreidenbach@yahoo.de

Fanfiction: Weiß Kreuz

Disclaimer: Die Jungs von Weiß Kreuz gehören leider nicht uns, auch wenn wir sie gerne

behalten würden ^__^. Die Rechte liegen bei Kyoko Tsuchida und dem Projekt Weiß, und wir

wollen mit der FF keinen Profit machen.

Rating: PG-16

Warnung: bis jetzt noch nichts, wird aber aktuell ergänzt ^___^

Pairing: Brad x Schu

Kommentar: Als erstes möchte ich mich entschuldigen, dass es so lange gedauert hat mit dem neuen Teil *sich ganz klein macht* Aber Tsugumi ist gerade außer Landes, nämlich in Japan *höhö* und da dauert es immer etwas, bis wir wieder genügend Stoff für einen neuen Teil zusammen haben. Aber wir werden uns bemühen, dass es nicht wieder so lange dauert *versprech* Hoffentlich gefällt euch dieser Teil aber ^^ Viel Spaß beim Lesen!

Inhalt: Dinner for two? Ein Fluchtplan? Oder wie schafft man es, störrische Orakel aus der Reserve zu locken?
 

****
 

Genüsslich den Rauch ausstoßend, sah Schuldig diesem nach, wie er vom Wind etwas davon getragen wurde, um dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Dabei ließ er es zu, etwas seinen Gedanken nachzuhängen, wobei es recht selten war, dass er sich das gestattete.

Es tat irgendwie immer noch weh, an früher zu denken. Besonders an seine Kindheit, die eigentlich gar keine gewesen war. Vielleicht hatte er deswegen diesen seltsamen Drang zum Spielen und dauernd irgendwelche Späße zu machen. Eben weil er es damals nicht gekonnt hatte.

Doch recht schnell schüttelte der Deutsche diese Gedanken wieder ab, da er sich seine eigentlich ganz passable Stimmung nicht vermiesen wollte.

Im Moment hatte er ja keinen Grund, sich zu beklagen. Seine Arbeit war erledigt, er hatte einen Weg gefunden, auch seinen unterkühlten Boss zu ärgern und die Tatsache, dass die blöde Vision von diesem doch eingetreten war, ließ ihn jetzt im Nachhinein doch grinsen.

Wieder zog er an seiner Kippe und überblickte den Parkplatz etwas, der leerer war als sonst und kremte sich nur etwas, dass der Tag schon so weit vorangeschritten war. Aber immerhin würde er noch ein paar Stunden frei haben und die würde er auch nutzen.
 

In diesem Moment trat Crawford durch die gläserne Automatiktür, die einen viel zu noblen Eindruck für diesen Laden erweckte und erreichte den Parkplatz, den die untergehende Sonne in grelles Orange tauchte.

Er überquerte diesen auf dem Weg zu seinem Wagen - wieder ein Dienstwagen der Organisation, auf den eigenen sparte er noch - und passierte auch Schuldig, meinte dabei ohne ihn überhaupt nur anzusehen: „Rauchen auf dem Gelände hier ist verboten. Das gibt Strafarbeiten. Hast du zufällig etwas vor heute Abend?“

Er hatte den Wagen schon aufgeschlossen und lehnte sich nun auf das Dach, wobei er Schuldig fragend, aber in keiner Weise erwartungsvoll ansah.
 

Sonderlich überrascht, seinen Boss zu sehen, war Schuldig eigentlich nicht, auch wenn er sich fragte, warum er diesem nur ständig über den Weg lief. Also entweder hatte er wirklich einen bleibenden Eindruck bei diesem hinterlassen oder er hatte das zweifelhafte Glück, dass es der Ami mochte, ihn ordentlich zu schikanieren.

Aber davon würde er sich schon nicht unterkriegen lassen. Er hatte schon so manches Arschloch überstanden, dagegen war Crawford richtig nett.

So zuckte er auch nur gelassen auf die Zurechtweisung die Schultern und zog noch einmal an seiner Kippe, stieß den Rauch aus, während er diese dann austrat. Zumindest würde ihm bei den ganzen Arbeiten nicht langweilig werden. Denn das war das Schlimmste, was sich der Telepath vorstellen konnte. Langeweile!

„Erstmal in die Stadt rein und dann weiter sehen. Und selber?“ Warum wollte der andere das eigentlich wissen? Konnte dem doch egal sein. Aber hey, wenn er eine Mitfahrgelegenheit bekam, Schuldig würde sich das sicher nicht verbauen.
 

„Das habe ich mir gedacht, dass du nicht wirklich was vor hast... Nein, genau genommen habe ich es gewusst. Die anderen sind alle ohne dich abgehauen, nicht wahr?“

Brad sah ein wenig selbstgefällig aus, da er immer zufrieden war, wenn seine Visionen ihm dieses Gefühl von Überlegenheit gaben. Zwar fand er die Tatsache durchaus ein wenig bitter, wenn er daran dachte, dass selbst Schuldigs ’Kameraden’ kein gutes Haar an ihm ließen, nur weil er Telepath war. Natürlich wusste er um das Gerede und die Abneigung der anderen, aber das war nichts, was man verhindern oder bestrafen konnte und außerdem war er keine Kindergartentante.

Ihm selber ging es auch nicht viel anders mit den anderen, aber er war ja auch der Vorgesetzte und damit von vorneherein kein großartiger Sympathieträger. Was auch nicht allzu schlimm war, er hielt von den meisten seiner Mitmenschen ohnehin nicht besonders viel und suchte nicht gerade den privaten Kontakt.

Und dieser Schuldig schien trotz seiner lockeren Art auch nicht gerade der Partylöwe schlechthin zu sein und auch eher der Eigenbrödler.

Dennoch fragte Brad, ohne genau zu wissen, warum: „Ich gehe in die Stadt, was essen. Sol ich dich ein Stück mitnehmen?“
 

Schuldig ließ sich von der selbstgefälligen Art des Älteren nicht aus der Ruhe bringen. Er wusste, dass er keinen guten Ruf hatte und alle ihn schnitten, nur weil sie Angst vor ihm hatten. Sogar von den Telepathen wurde er ausgegrenzt, was wohl aber an seiner Art lag, dass er nicht richtig einzuschätzen war.

Er wusste zwar, dass er keine Erlaubnis hatte, in den Köpfen der anderen rumzuschnüffeln, aber anscheinend trauten diese es ihm wirklich zu. Vielleicht, weil er manchmal ein wenig selbst zerstörerisch wirkte, da er dauernd gegen Regeln verstieß, auch wenn es keine gravierenden waren...?

Aber eigentlich war das dem Deutschen auch egal, denn er war es gewohnt und er würde auch nicht so etwas wie Mitgefühl verlangen. Schließlich war er kein Schwächling und kam allein doch ganz gut klar. Jeder hatte eben sein Kreuz zu tragen und seins war eben das.

„Wenn du dich so freiwillig als Chauffeur anbietest, werd ich sicher nicht nein sagen“, grinste Schuldig daher einfach, die Hände wieder in die Hosentasche vergraben.
 

Crawford deutete nur mit einem Kopfnicken auf die Beifahrertür. Er hatte gesehen, dass Schuldig bei ihm im Auto sitzen würde, wie es allerdings weiterging, war offen.

Ohne viel zu sagen, fuhr er in die Stadt hinunter, bis er schließlich das kleine, aber recht noble Restaurant erreichte, in dem er sich ganz gerne aufhielt. Er parkte den Wagen und zog den Schlüssel ab.

„Ich werde was essen gehen“, teilte er mit.
 

Die Fahrt über hatte Schuldig aus dem Fenster und in den Rotgefärbten Himmel gesehen, der beinahe wie Blut aussah. Es wirkte richtig unheimlich, auch wenn es ein wissenschaftlich zu beweisendes Phänomen war, vor dem man sich nicht fürchten brauchte. Das machte schließlich alles der Smok.

Aber der Deutsche fand es sowieso nicht beängstigend. Eher faszinierte es ihn. Früher war er stundenlang draußen gewesen und hatte in den Himmel gestarrt, als würde dieser ihm die Antworten geben können, die er manchmal suchte.

Doch schnell verbannte er diese Gedanken, als sie hielten und betrachtete sich stattdessen das Restaurant, das ganz zu seinem Boss passte. Crawford war eben nicht der Billige-Absteigen-Typ.

„Lädst du mich ein?“ probierte Schuldig dann aber einfach mal grinsend sein Glück und wenn nicht, dann musste er eben selber in seine Tasche greifen.

Dafür, dass sie nur Kanonenfutter waren, wurden sie recht gut entlohnt, was wohl auch den Reiz erhöhen sollte, der Organisation weiter ’treu’ zu bleiben.
 

„Nein, ich werde dich nicht einladen“, meinte Brad nur knapp, fügte dann aber hinzu: „Aber du kannst mitkommen, wenn du nicht doch noch etwas Besseres weißt.“

Damit öffnete er die Tür zum Restaurant und ließ Schuldig eintreten. Man kannte ihn hier bereits und sofort führte man ihn zu seinem Lieblingstisch hinten in der Ecke am Fenster.

„Ich hoffe, du kannst dich benehmen, dass hier ist, wie du siehst, ein etwas besserer Laden“, meinte er leicht grinsend zu Schuldig.

Es machte wirklich Spaß, ihn ein wenig zu ärgern. Um ehrlich zu sein, könnte das stundenlang machen!
 

Na ja, ein Versuch war es gewesen, aber so grinste Schuldig nur vor sich hin, während er sich in dem Laden etwas umsah, nachdem er seine Barrieren noch einmal verstärkt hatte.

Sicher, er hätte auch woanders hingehen können, wo mehr los war und die Post abging. Irgendjemanden hätte er schon gefunden, mit dem er sich die Zeit hätte vertreiben können.

Aber auch, wenn man es glaubte, so zogen ihn Clubs oder Diskotheken überhaupt nicht an. Dort fand man zwar am schnellsten jemanden, den es sich aufzureißen lohnte, aber seine Gabe verhinderte es, dass er daran würde Spaß haben können. Durch die laute Musik und die vielen Menschen wäre er einfach nur hoffnungslos überlastet und das musste er sich nun wirklich nicht geben.

„Ich werd versuchen, meinen wenigen Anstand wieder zu finden“, grinste der Telepath nur auf die Worte, denn so leicht würde er sich sicher nicht von Crawford reizen lassen. Da würde dieser schon andere Mittel auffahren müssen und wenn, hatte er seine ganz eigene Art, sich dagegen zu wehren.
 

Brad lächelte ein wenig amüsiert und bestellte für sie beide einen guten Wein. Er war entspannt. Er konnte endlich mal Zeit außerhalb des Instituts verbringen, an einem Ort, an dem er sich wohl fühlte und in, wie er fand, zumindest amüsanter Gesellschaft.

Gelassen lehnte er sich zurück.

„Sag mal, eigentlich dürfte es doch gar kein Problem für dich sein, jemand zu finden. Außerhalb des Instituts darfst du deine Fähigkeit doch einsetzen. Eine nette Gesellschaft lässt sich so doch bestimmt immer finden oder?“ fragte er ernsthaft interessiert.

Er machte sich durchaus Gedanken darüber, wie das Leben als Telepath aussah.
 

„Meinst du ne nette Gesellschaft oder ne Marionette?“ erwiderte Schuldig leicht schmunzelnd, bevor er aber leicht den Kopf schüttelte, die Arme dabei auf dem Tisch abgestützt.

Sicher, Überredungskunst hatte er zur Genüge, denn eigentlich brauchte er nur das Hirn des Menschen zu manipulieren, auf den er es vielleicht abgesehen hatte und dieser würde sowieso einfach das machen, was er wollte. Aber das war nicht sein Stil, zumindest nicht, wenn er in ’zivil’ war. Auf Missionen rettete er so ja meistens seinen Hals.

„Ich reiß mir nicht gern jemanden mit meinen Fähigkeiten auf. Das wäre das totale Armutszeugnis und so tief bin ich nun doch noch nicht gesunken. Das Interesse muss schon echt sein, egal, auf was es letztendlich raus läuft. Wie steht’s denn mit dir? Muss doch langweilig sein, alles vorher zu sehen“, fragte der Deutsche dann aber auch interessiert nach.
 

„Interessant, dass du es so siehst. Eine Menge Leute würden das anders sehen, denke ich“, bemerkte Brad, meinte dann auf Schuldigs Frage: „Na, alles vorher sehen, kann ich ja nun nicht. Die Visionen sind unzuverlässig und selten, ich kann sie im Grunde nicht kontrollieren. Wenn ich sehr lange meditiere und mich konzentriere, kann ich manchmal eine heraufbeschwören, aber im Grunde kommt und geht es, wie es will. Langweilig wird es dadurch bestimmt nicht.“

Er sprach eigentlich nicht gerne über diese Schwächen, aber irgendwie war er im Moment in einer Stimmung, in der es in Ordnung war, so etwas zu erzählen. Aber wenn er daran dachte, dass er Dinge oft nicht verhindern konnte, obwohl er sie voraussah, frustrierte es ihn.

„Wenn ich alles vorher sehen könnte, wie ich möchte und die Ereignisse besser kontrollieren, wäre einiges anders...“
 

Schuldig wusste, dass er teilweise totale Widersprüche in sich trug, die andere irritierten. Er war ein Telepath und nutzte seine Fähigkeiten auch weitestgehend aus, insofern es ihm möglich war. Aber dennoch widerstrebte es ihm, einfach Menschen zu kontrollieren, wenn es nicht sein musste. Er verstieß einerseits so sehr gegen die Regeln, dass man ihn schon für selbst zerstörerisch halten konnte, andererseits hing er sehr an seinem Leben.

Aber der Deutsche wollte auch in keine Schublade passen, denn das war nun ganz und gar nicht sein Stil.

So lauschte er auch neugierig den Erklärungen des Älteren, die recht interessant waren und so einiges preisgaben, was andere sicher nie erfahren würden. Sowieso schien er zu dem unterkühlten Amerikaner einen guten Draht entwickelt zu haben, auch wenn das wohl eher unbewusst geschehen war. Aber es gab sicher keinen anderen Unterstellten Crawfords, der so viel Zeit mit diesem verbracht hatte, wie er bisher und sich auch ’privat’ mit diesem abgab.

Aber dem Telepathen war diese Gesellschaft doch recht angenehm, zumal der andere auch der einzige war, der sich mit ihm abgab und anscheinend keine Probleme damit hatte.

„Was wäre denn anders?“
 

„Hm, na ja... gewisse Fehlkalkulationen würden nicht mehr auftreten. Wie zum Beispiel neulich bei der Mission“, sagte Crawford nachdenklich und führte den Rotwein an die Lippen.

Die Sache beschäftigte ihn noch immer. Er hatte das Mädchen nicht sterben lassen wollen, aber er hatte ihren Tod schließlich nicht verhindern können und das, obwohl er es vorhergesehen hatte. Und das war ja bei weitem nicht das einzige, was schief gelaufen war.

„Aber das war ohnehin ein Desaster, von vorneherein, da wirst du mir doch zustimmen oder?“
 

Okay, das war wirklich ein gutes Beispiel, denn bei dieser Mission war wohl mehr schief gelaufen, als man es sich gewünscht hätte. Dennoch musste Schuldig leicht schmunzeln.

„Ein komplettes Desaster war es nicht, ansonsten hätten wir die Mission völlig vergeigt. Aber das war ja nicht der Fall.“ Denn dann hätten sie sicher Probleme bekommen und Crawford nicht seine Beförderung, auf die dieser ja so stolz war.

Doch dann griff auch der Deutsche nach seinem Weinglas, roch kurz an diesem, bevor er selber einen Schluck nahm. Es war schon länger her, dass er mal Alkohol getrunken hatte und dementsprechend vorsichtig würde er auch sein, aber ein Gläschen von so einem guten Tröpfchen ließ er sich nicht entgehen.

„Warum reißt du dir eigentlich niemanden für die Nacht auf? Dürftest doch damit auch keine Probleme haben“, kam Schuldig dann aber grinsend auf ihr eigentliches Thema zurück, während er das Glas wieder abstellte.

Wenn er schon mal frei hatte, wollte er nicht unbedingt über die ’Arbeit’ sprechen.
 

Brad schwieg nachdenklich auf Schuldigs Bemerkung bezüglich der Mission. Im Grunde hatte er ja Recht, vergeigt hatten sie die Mission nicht. Aber das war auch nicht der Punkt, der Crawford zu schaffen machte. Nein, das Problem lag woanders...

Aber Schuldigs Frage riss ihn schnell wieder aus diesen Gedanken. Für einen Moment tat sich ihm die Frage auf, ob der andere ihn wirklich für jemanden hielt, der sich problemlos etwas Passendes aufreißen konnte oder ob er es nur sagte, um ihm Honig ums Maul zu schmieren, weil er sein Vorgesetzter war. Wie der Schleimer vom Dienst wirkte Schuldig zwar nicht, aber wirklich kennen, tat er ihn auch nicht. Er nahm es jedenfalls erstmal nur als Retourkutsche auf seine eigene Frage von vorhin auf.

In der Tat wusste er, dass es ein paar einfacher Tricks bedurfte, um das Interesse der Menschen auf sich zu ziehen, dazu musste man weder Telepath noch ein Orakel sein. Wenn er das Bedürfnis nach körperlicher Nähe hatte, konnte er dieses normalerweise problemlos befriedigen, jedoch... „Oberflächliche Gesellschaft habe ich Tag ein, Tag aus im Institut, da muss ich nicht auch noch meine Freizeit mit irgendwelchen geistlosen Gestalten verbringen. Ich bevorzuge es, meine Zeit in gediegener Ruhe zu verbringen“, meinte er nur gleichgültig, nachdem sie das Essen bestellt hatten.
 

Jetzt konnte sich Schuldig sein Grinsen wirklich nicht mehr von den Lippen wischen. Da hatte er eigentlich angenommen, dass sein Boss ihn zu jenen Typen der oberflächlichen Gesellschaft zählte und dann das. Na anscheinend hatte er doch mal einen anderen Eindruck erweckt, wobei ihn das bei dem Älteren gar nicht störte.

Andere konnten von ihm halten, was sie wollten, meist förderte er ihre Antipathie sogar noch extra, aber bisher hatte er sich durchaus auch ganz gut mit Crawford unterhalten können und sie schienen in gleichen Bahnen zu denken, was er durchaus begrüßte.

„Aber die geistlosen Gestalten können auch mal ganz unterhaltsam sein.“
 

Ein wenig schmunzelte nun auch Brad. „Das ist wohl wahr.“

Natürlich, kurzzeitiges Vergnügen war eine nette Sache. Aber es änderte nichts an der Tatsache, dass ihn hier alles anödete.

„Trotzdem hat man hier manchmal das Gefühl, nur unter hirnlosen Idioten zu leben. Seien wir doch mal ehrlich, was ist von diesen Pappnasen im Institut schon zu erwarten? Was von deinen Teamkollegen? Statt mal nachzudenken und vernünftig zu handeln, misstrauen sie sich gegenseitig bis aufs Blut. Nicht, dass ich ihnen das allzu sehr anlasten würde, sie werden darauf gedrillt und haben alle reichlich Erfahrung gemacht, aber du bist doch das beste Beispiel. Sie haben alle Angst vor dir, zum einen aus den gleichen sinnlosen Vorurteilen heraus, die die ganze Gesellschaft hat und zum anderen, weil sie wissen, dass sie nichts dagegen tun könnten, würdest du dich in ihre Gedanken einklinken. Sie sind alles Schwächlinge und taugen nicht wirklich zu etwas.“

Er wusste, dass er das unter gar keinen Umständen am falschen Ort, zur falschen Zeit sagen durfte, aber hier war es gleichgültig. Und es war seine klare Meinung: Bis jetzt war er auf nichts als Stümper getroffen in diesem Institut. Selbst die Chefetage war alles Idioten, sonst wäre diese letzte Mission nicht so miserabel verlaufen.
 

Oh ja, die Vorurteile, Schuldig konnte darüber ein Lied singen. Aber wenn es sie nicht geben würde, wäre auch irgendwas nicht richtig und er war ja selber so, dass er auch diese förderte, nur um niemanden zu nah an sich ran kommen zu lassen. Er hatte das schon ein paar Mal bitter bereuen müssen, weswegen er eigentlich überhaupt erst seinen Beinamen bekommen hatte, den er letztendlich komplett übernommen hatte.

„Ohne diese Schwächlinge würde das Institut gar nicht bestehen. Sie sind der Grund, warum es das Ding überhaupt gibt. Mir persönlich ist es eigentlich reichlich egal, was sie von mir halten. Ich bin’s gewohnt, geschnitten zu werden. Wenn sie keine Angst hätten, wären sie noch größere Idioten.“

Der Telepath wusste, dass seine Fähigkeit bei weitem noch nicht komplett ausgebildet war und er sie noch nicht richtig unter Kontrolle hatte und dass es weit stärkere Telepathen als ihn gab, die selbst er zu fürchten gelernt hatte.

Aber all jene, die noch nicht einmal eine einfache Barriere aufbauen konnten und sich dann dennoch vielleicht dachten, gegen ihn bestehen zu können, waren wirklich dumm. Denn von ungefähr kamen diese Vorurteile ja nicht.

„Ich find’s nur reichlich erbärmlich, wie sehr sich meine ’Teamkollegen’ anscheinend bemühen, schnell den Löffel abzugeben. Es sind Schwächlinge.“

Das war das einzige, was der Deutsche niemals getan hatte. Er wollte nicht sterben und er ließ sich nicht einfach unterbuttern. Manchmal war sein Wille das einzige gewesen, das ihn hatte überleben lassen, aber genau deswegen war er auch so ausgeprägt. Schuldig wollte einfach niemanden gönnen, ihn abnibbeln zu sehen. Denen würde er es allen zeigen!

„Wobei du dich am wenigsten darüber beklagen solltest. Bist doch auf der Karriereleiter schon ordentlich weit hoch gekommen“, grinste er dann aber schon wieder.
 

„Es ist nicht mal ein Bruchteil der Strecke, die ich hinter mir zu legen gedenke.“

Brad machte ein geheimnisvolles Gesicht. Oh ja, er hatte noch so einiges vor... Aber bevor sein Gegenüber Gelegenheit zum Nachfragen hatte, kam er zu einem Punkt zurück, der ihn durchaus interessierte.

„Aber sag mal, was hast du eigentlich in der Zeit vor dem Institut in Deutschland gemacht? Wie haben sie dich gekriegt?“
 

Die Andeutung des Älteren machte Schuldig wirklich neugierig, aber dieser fädelte es ja geschickt ein, dass er gar nicht zum Nachfragen kam. Stattdessen verzog er auf die Frage nur leicht den Mund, denn das war eine jener Stunden, an die man sich nicht wirklich zurückerinnern wollte, die Erinnerungen aber auch nicht los bekam.

Wobei, wenn er es genau nahm, war sein Leben bis dahin auch nicht mehr grad das Wahre gewesen und zumindest annähernd hatte es einige Verbesserungen gegeben. Das Beste an sich war wohl noch, dass er endlich lernte, richtig mit der Telepathie umzugehen, weswegen es ihm auch egal war, wenn er Extratrainingsstunden zu absolvieren hatte. Die konnten ihn nur besser machen.

„Das war nicht schwer, ich hab ihnen quasi den Weg zu mir mit Leichen gepflastert. Okay, so schlimm war es nicht, aber ich war noch klein und meine Fähigkeit machte, was sie wollte, ohne dass ich darauf hätte Einfluss nehmen können.“
 

„Das geht den meisten so“, bestätigte Crawford.

„Es stimmt in der Tat, dass man in diesem Institut wenigstens lernt, mit seinen Fähigkeiten umzugehen. Die Frage aber ist, was man damit letztendlich anfängt.“

Im Unterschied zu den meisten anderen, war Crawford freiwillig dazu gestoßen. Auch wenn ihm das Ganze nicht sonderlich gefiel, war es die einzige Möglichkeit im Moment für ihn gewesen, gut gefördert zu werden.
 

„Was soll man schon damit anfangen können? Einmal im Institut, immer im Institut. Außer, man hat den Mumm, seine eigenen Pläne zu verfolgen“, erwiderte Schuldig etwas ernster, wobei er genaustens auf die Reaktion des Amerikaners achtete.

Er konnte diesen zwar nicht lesen, da die Barrieren einfach zu stark waren, aber ein wenig gesunden Menschenverstand hatte er schon noch und Crawford schien ihm einfach nicht der Typ zu sein, der bis an sein Lebensende nach der Pfeife anderer tanzen wollte.

Das hatte er ja auch nicht vor, aber es war gefährlich, wenn man zur falschen Zeit und in der falschen Umgebung so eine Äußerung vielleicht machen würde.
 

Für einen Moment überlegt Brad, ob der andere seine Gedanken gelesen hatte, aber das konnte nicht sein. Dennoch überprüfte er noch einmal seine Barrieren. Besonders stark waren sie nicht einmal, wahrscheinlich würde Schuldig keine besonderen Schwierigkeiten haben, sie zu knacken, wenn er sich nur anstrengte. Aber das würde er in jedem Fall merken. Und er arbeitete täglich daran, sich noch besser abschirmen zu können.

Vermutlich hatte Schuldig nur getippt, war ja auch nicht allzu abwegig, immerhin hatte er einige Andeutungen gemacht. Er überlegte, ob er nicht besser ausweichen sollte, dann aber entschied er, einfach mal ein wenig auf Risiko zu gehen.

„Hättest du denn den Mumm, deine eigenen Pläne zu verfolgen?“
 

Auch, wenn er die Gedanken Crawfords nicht lesen konnte, konnte Schuldig sehen, wie es in diesem arbeitete. Dabei verspürte er noch nicht einmal die Lust, zu versuchen, in dessen Kopf zu kommen. Nicht nur, dass er sich damit erheblich in die Scheiße reiten konnte, er respektierte den anderen auch und empfand es als positiv, wenn dieser von sich aus sagte, auf was das ganze Gespräch denn nun hinaus laufen sollte.

Denn vielleicht bekam er so seine Chance, auf die er schon so lange wartete und für die er ziemlich viel riskiert hatte und riskieren würde.

„Wenn ich nicht den Mumm haben würde, wäre ich genauso eine willenlose Marionette wie meine Teamkollegen.“
 

„Dann bist du unter Umständen ein sehr dummer Mensch. Für diese Einstellung kannst du unter Umständen sterben... Aber wenn man nichts riskiert, erreicht man auch nichts.“

Brad beugte sich nun über den Tisch etwas nach vorne und begann instinktiv zu flüstern.

„Wenn es eine Möglichkeit gäbe, unabhängig von diesen Leuten hier zu werden, wenn es die Möglichkeit gäbe, ein eigenes Ding durchzuziehen, was würdest du darüber denken?“
 

Ein wenig hatte Schuldig doch wieder grinsen müssen, denn Crawford war nicht der erste, der ihn als dumm bezeichnete oder leichtsinnig. Es hatte schon mal einen Menschen gegeben, dem er genau das anvertraut hatte, nur war der Preis wirklich hoch gewesen. Aber das war Vergangenheit und der Wille, irgendwann mal sein eigener Herr zu sein, hatte ihm bisher immer wieder auf die Beine geholfen, wenn er am Boden gewesen war.

Doch dann wurde der Deutsche wieder etwas ernster und automatisch beugte er sich dem anderen etwas entgegen, hörte diesem ruhig zu, während er eine undeutbare Miene zeigte, die nichts von seinen Gedanken verriet. Innerlich grinste er sich nämlich eins, mit seiner Vermutung richtig gelegen zu haben und dass sein Boss ihn anscheinend für vertrauenswürdig hielt, ihn in seine Pläne mit einzuweihen.

Sicher, dass das vielleicht auch eine Falle sein könnte und das Institut so nur nachprüfen wollte, wie loyal sie waren, der Gedanke war ihm schon gekommen, aber genauso schnell hatte Schuldig diesen auch wieder verworfen. Dazu war der Ältere einfach nicht der Typ und wenn, hätten sie sicher jemand anderen vorgezogen, der ihn unauffällig aushorchen sollte.

„Ich würde darüber nachdenken, wie ich gerade das am besten bewerkstelligt bekomme und wer mir dabei helfen könnte“, antwortete der Telepath daher genauso im Flüsterton, aber durchaus ernst.
 

„Ja, es ist nicht einfach, nicht wahr? Wir alle können uns kaum wirklich frei bewegen, das Institut verplant unsere ganze Zeit, wir dürfen es nur selten und nur unter Genehmigung verlassen. Viele sehr begabte Leute befinden sich dort, die Telepathen können einen aufspüren und gegen die Telekineten kann man mit reiner Gewalt nichts ausrichten. Es ist nahezu unmöglich, die Organisation zu hintergehen und sich ungestraft aus dem Staub zu machen. Aber es ist eben nicht ganz unmöglich, nicht. wenn man nicht allein ist...“ meinte Brad verheißungsvoll und in seinen schwarzen Augen blitzte es kurz auf.

Dann aber lehnte er sich wieder zurück und nahm das Glas erneut in die Hand.

„Aber die Frage ist, wen man da finden könnte. Wem kann man vertrauen? Kann man sich darauf verlassen, dass der andere einen nicht im letzten Moment verpfeift oder kalte Füße kriegt? Bei so einer Aktion könnte man schnell den Kopf verlieren.“

Er fixierte Schuldig genau und beobachtete jede seiner Bewegungen.
 

Was Crawford da sagte, machte durchaus Sinn, denn einfach war es sicher nicht, der Organisation zu entfliehen. Genau genommen wusste Schuldig nicht einmal, ob es überhaupt jemals einer versucht hatte. Schließlich baute das Institut gerade auf die mächtigen Begabten unter ihnen, dass sie sie im Zaum hielten und durch die Bestrafungen, die angedroht wurden, eine gewisse Portion Angst in jedem hervorriefen, um sie von solchen Gedanken abzuhalten.

Der Deutsche hingegen war sich sicher, nicht sein ganzes Leben in dieser Anstalt fristen zu wollen, nur um am Ende durch eine Unachtsamkeit auf einer Mission vielleicht hinterrücks abgeknallt zu werden. Nein, er würde so ziemlich alles auf sich nehmen, um endlich von diesem beschissenen Ort wegzukommen und frei zu sein.

So lehnte sich Schuldig ebenfalls in seinem Stuhl zurück, erwiderte aber gelassen den Blick aus den dunklen Augen, wobei in seinen auch Entschlossenheit zu finden war.

„Das ist sogar eine sehr gute Frage, denn schließlich will man nicht auf den letzten Metern zu Fall gebracht werden.“
 

„Nicht wahr?“

Brad glaubte, in Schuldigs Augen das ablesen zu können, was er suchte. Und das bewegte ihn dazu, etwas zu tun, was er für gewöhnlich unter allen Umständen zu vermeiden suchte: Er setzte alles auf eine Karte und legte sie offen auf den Tisch.

Er sah sich noch einmal völlig unsinnigerweise in dem Lokal um und meinte dann: „Ich habe Pläne. Ich bin nicht aus einem Karrierewillen in der Position, in der ich bin. Ich habe die Möglichkeit, alles zu beobachten und selber nicht allzu sehr überwacht zu werden.

Es gibt immer Schwachstellen, auch in diesem Institut. Sie versuchen, den Anschein zu erwecken, dass man sie nicht hintergehen könnte und sie lassen euch Neue in dem Glauben, dass sie euch ständig kontrollieren können, aber das ist nicht so. Eure Zimmer sind verwanzt, das ist wahr. Aber das Institut hat im Moment eine Anzahl von über 300 Leuten, die dort ein- und ausgehen, es ist fast nicht möglich, sie alle vollständig zu überwachen.

Und in der Hierarchie gibt es mehrere Schwachstellen. Auch unter den A-Klässlern. Ein paar der A-Telepathen, mit denen du schon Bekanntschaft geschlossen haben dürftest, sind ziemlich egozentrisch und nicht so pflichtbewusst, wie es Zeitweilen scheint. Und auch sie können nicht ständig alles im Blick haben.

Verstehst du, was ich sagen will? Das Entfliehen selber ist gar nicht die Schwierigkeit. Genau genommen könnten wir jetzt einfach das Auto nehmen und losfahren. Das eigentliche Problem ist, wenn sie einen wieder einfangen wollen, denn dann gehen sie organisiert vor. Das Wichtigste ist also, zu planen, wohin man flieht.“
 

Schon, als der Amerikaner wieder zu sprechen angefangen hatte, war sich Schuldig ganz sicher gewesen, auf was das alles hinauslaufen sollte und dass es sich garantiert nicht um eine Verhöraktion von oben handelte. Dazu war der andere viel zu sehr beim Thema.

Aber endlich schien er jemanden gefunden zu haben oder besser gesagt, dieser hatte ihn gefunden und vielleicht waren ihre Chancen nicht groß, aber durchaus größer als allein, dass sie die Aktion auch überlebten und die Organisation abhängen konnten, sollte sich der geeignete Zeitpunkt zur Flucht ergeben. Denn eins durfte man auch nicht tun: kopflos handeln.

So nickte der Telepath überlegend auf die Worte, wobei er inständig hoffte, noch etwas mehr dazuzulernen, denn im Moment war er einem A-Telepathen noch hoffnungslos unterlegen, so sehr ihn diese Tatsache auch wurmte.

„Vielleicht ist das Wohin noch nicht mal ausschlaggebend, denn solche Spuren lassen sich immer leicht verfolgen. Aber man muss die richtigen Leute kennen, die einem dann weiter helfen können. Zu zweit und ohne Hilfe würde es nur eine Frage der Zeit sein, bis man ertappt wird“, warf der Deutsche mit ein, wobei es in seinem Kopf schon arbeitete.
 

Für einen Moment schwieg Crawford nachdenklich. Schuldig meinte also, dass man sie so oder so finden würde. Vermutlich hatte er sogar Recht. Vielleicht ging es also gar nicht darum, der Organisation zu entkommen, sondern, mit ihr fertig zu werden, wenn sie einen fand. Denn finden, würden sie sie früher oder später.

„Du hast vermutlich Recht. Nun ja, ich habe im Laufe der Zeit viele Informationen gesammelt und ein paar Kontakte geknüpft. Es sind Leute, die mir Gefallen schulden oder gegen die ich was in der Hand habe. Wir müssten eigentlich in der Lage sein, zumindest außer Landes zu gelangen. In Amerika dürfen wir auf gar keinen Fall bleiben. Auch, wenn die Arme der Organisation bis in die ganze Welt reichen, hier ist es am gefährlichsten.“

Brad wurde plötzlich richtig aufgeregt. Sie sprachen gerade wirklich über einen Fluchtplan! Eine Flucht aus dem selbst gewählten Gefängnis, in das das Schicksal ihn getrieben hatte. Und mit einem Mal schien ihm die Freiheit so nahe, dabei hätte er vor einer Stunde niemals damit gerechnet.

Dennoch mahnte er sich selber, die Euphorie nicht das logische Denken überdecken zu lassen. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass seine Barrieren unmerklich ein wenig sanken.

„Du meinst aber, wir brauchen mehr Unterstützung als nur das, nicht wahr? Aber solche Leute zu finden, ist nicht einfach. In der Tat bist du der erste Verrückte, der zu solche einer Sache bereit wäre -und vermutlich in der Lage, das durchzuziehen. Wo finden wir Unterstützung?“
 

Schuldig merkte dafür umso mehr das Schwanken in den Barrieren des Schwarzhaarigen, denn sofort richteten sich seine mentalen Fühler auf sie, auch wenn er es eigentlich nicht darauf anlegte. Es schien beinahe, als würde er einfach wie magisch davon angezogen werden, ohne es wirklich zu wollen und das war etwas, das ihm noch nie passiert war. Aber er kratzte auch nur an der Oberfläche, wagte es nicht, tiefer zu gehen, auch wenn er jetzt vielleicht die Chance gehabt hätte.

Doch allein das, was der Telepath ’sah’ und ’hörte’, reichte ihm, um zu wissen, dass es Crawford sehr ernst meinte und ebenfalls wie wild plante und überlegte. Aber von etwas anderem wäre er auch gar nicht ausgegangen. In seinem Kopf jagten sich ja auch schon die Gedanken und besonders die Frage, woher sie die benötigte Unterstützung noch bezogen, um der Organisation entfliehen zu können, beschäftigte ihn.

„Ich wüsste schon, wo…“ meinte der Deutsche dann aber auf einmal leise, mehr zu sich selber, wobei sich ein kleines Grinsen wieder über seine Lippen zog.

Dieser Tag damals war zwar nicht grad eine Sternstunde gewesen, vielmehr ein einziges Desaster, aber es war vielleicht die Chance. Bloß, ob er noch da war? Das mussten sie unbedingt raus finden, ansonsten hätten sie dann wirklich ein Problem.
 

Brad merkte plötzlich, wie jemand, der aus einem Sekundenschlaf hervorschreckt, dass er einen Moment lang unachtsam gewesen war. Schnell konzentrierte er sich wieder und kam zu dem Schluss, dass er glücklicherweise nichts Verfängliches gedacht hatte.

„Äh, du hast nicht gerade in meine Gedanken geschaut oder?“ fragte er trotzdem geradeheraus und dann: „Und wer wäre das, der dir da vorschwebt?“
 

Das Grinsen auf Schuldigs Lippen wurde noch etwas breiter, als er die erste Frage vernahm, schüttelte dann aber leicht den Kopf. So richtig geschaut, hatte er ja nicht, nur etwas an der Oberfläche gehorcht, auch wenn es ihn schon interessiert hätte, noch etwas tiefer zu gehen. Aber da die Barrieren jetzt wieder fest waren, wäre er wohl nur unsanft zurückgestoßen wurden und darauf konnte er wirklich verzichten.

So wandte er sich lieber wieder dem Thema zu: „Wir müssten nach Irland, zumindest hab ich ihn das letzte Mal dort getroffen. Allerdings liegt das nun auch schon wieder drei Jahre zurück. Aber wenn er noch dort ist, haben wir Glück. Nicht einmal die Organisation traut sich an ihn ran.“

Oh ja, der verrückte Ire war wirklich ein Irrer, wie er im Buche stand, aber wenn man erstmal wusste, wie er zu packen war, kam man doch recht gut mit ihm aus.
 

„Irland?“

Hm, zumindest eine gute Möglichkeit, unterzutauchen.

„Und was ist das für einer? Hat er auch etwas mit der Organisation zu tun?“

Jemand, an den die Organisation sich nicht heran traute? Wer sollte denn das sein? Zweifellos was Besonderes, wenn Schuldig Recht mit dem hatte, was er sagte.
 

Leise lachte Schuldig, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf.

„Nein, der hat sicher nichts mit der Organisation zu tun. Was genau mit ihm los ist, weiß eigentlich keiner, bestimmt nicht mal er. Als wir die Order hatten, ihn einzufangen, wurde er kurzerhand Farfarello getauft und er ist ein Irrer. Anders kann man ihn nicht beschreiben.“

Für einen Moment unterbrach sich der Deutsche, als endlich ihr Essen kam und sah hungrig darauf, denn schließlich hatte er seit dem Mittag nichts mehr zwischen die Beißerchen bekommen, da er für Crawford ja hatte Sklave spielen dürfen. So machte er sich auch gleich darüber her, hatte aber noch so viel Anstand, nicht mit ganz vollem Mund weiter zu reden.

„Damals wurde unser Trupp aus zehn Mann beinahe von ihm auseinander genommen. Drei hat er, ohne mit der Wimper zu zucken, sofort abgestochen, fünf weitere wurden schwer verletzt, wobei einer die Rückreise nicht überlebt hat. Ich und einer der Telekineten hatten etwas mehr Glück, wurden zwar auch verletzt, aber ich hatte die Chance, einen kleineren Plausch mit ihm zu halten. Wenn man weiß, wie man ihn anpacken muss, ist er sogar recht umgänglich.“

Dabei grinste der Telepath wieder breit, denn man musste schon ein paar sehr gute Argumente haben, um die Zerstörungswut des Iren von einem abzulenken.

„Seit diesem Desaster hab ich nur von einem weiteren Trupp gehört, der ihn fangen sollte, aber der hat es auch nicht überlebt, obwohl es stärkere Begabte waren.“
 

Brad zog eine Augenbraue hoch. Ein Irrer? Schuldig erhoffte sich Hilfe von einem Irren? Und er hatte mit ihm einen Plausch gehalten? Brads Blick wurde immer skeptischer.

„Du willst, dass wir auf einen Irren vertrauen?“

Irre Personen waren unangenehm, weil man sie nicht berechnen konnte, darum hatte Brad ein gewisses Problem damit. Davon abgesehen, dass sie Schuldigs Beschreibung nach vermutlich tot waren, bevor sie überhaupt mit ihm gesprochen hatten.

Klar, wenn man so einen Typen auf seiner Seite hatte, war das ein entscheidender Vorteil, aber wie sollte man so etwas bewerkstelligen? Allerdings erinnerte Schuldigs Grinsen Brad daran, dass dieser ja auch nicht ganz normal war. Vielleicht passten die zwei ja gut zusammen...
 

„Du scheinst doch auch mir zu vertrauen“, konnte Schuldig nur grinsen, auch wenn er vielleicht nicht ganz so irre wie Farfarello war. Eigentlich hatte er bisher niemanden kennen gelernt, der sogar an diesen ranreichen würde, da es auf ihn den Eindruck gemacht hatte, als würde der Ire meist unkontrolliert und je nach Laune reagieren.

Aber schließlich war er nicht gestorben, was schon mal dafür sprach, dass man jeden Irren irgendwie kontrollieren konnte. Und dafür hatte der orangehaarige Wuschelkopf schon ein Händchen, zumindest war er fest davon überzeugt.

„Zerbrich dir nicht den Kopf wegen Farf, im Grunde ist er recht harmlos, man darf ihn nur nicht auf dem falschen Fuß erwischen. Außerdem müssen wir erst raus finden, ob er überhaupt noch in Irland ist.“

Ob er noch lebte, das fragte sich Schuldig nicht. Was das anging, war der Ire ein perfekter Überlebenskünstler, der sich schon zu helfen wusste.
 

„Nein, da hast du mich falsch verstanden, ich vertraue dir nicht. Ich glaube, dass unsere beiden Interessen sich lediglich kreuzen und ich, bis wir die Sache durchgezogen haben, auf dich zählen kann. Das heißt aber nicht, dass ich dir später Gelegenheit geben werde, mir nachts eins über den Schädel zu ziehen, während ich schlafe“, erklärte er mit ernster und eindringlicher Stimme, während seine dunklen Augen Schuldig eine umrissverständliche Botschaft sandten.

Dann aber fuhr er wieder entspannt fort.

„Gut, wenn du wirklich glaubst, dass er uns eine Hilfe sein kann, können wir es gerne versuchen, zumal ich keinen besseren Anhaltspunkt habe. Aber ich denke, wir haben noch jeder Menge Zeit, uns alles genau zu überlegen. Überstürztes Handeln wäre das Dümmste, was wir machen könnten. Wir müssen geduldig sein und auf den rechten Zeitpunkt warten.“
 

Schuldig verstand die Botschaft hinter den Worten sehr gut, da hätte es nicht einmal des eindringlichen Blickes bedurft. Aber er hatte auch gar nicht vor, sich mit dem Orakel anzulegen und blieb dennoch bei seiner Meinung, dass der andere ihm zumindest etwas trauen musste. Ansonsten hätte dieser ihm nie von seinen Plänen erzählt, denn eigentlich durfte man in der Organisation niemand trauen. Und doch tat man es in gewisser Weise doch und wenn es nur war, um am Leben zu bleiben.

Aber das Thema begrub der Deutsche, hätte es doch keinen Sinn, weiter darüber zu diskutieren. Stattdessen nickte er auf die nächsten Worte, dass er verstanden hatte, während er sich weiter an seinem Essen verging.

Aber so dumm, jetzt alles übers Knie zu brechen, wäre er sicher nicht. Schließlich konnte es ihm nur helfen, noch etwas länger in der Organisation zu bleiben und seine telepathischen Fähigkeiten zu trainieren. Er wusste, dass er noch viel Potential hatte und das wollte er auch, so gut es ging, aus sich raus holen.
 

Sie beendeten das Essen, ohne das noch etwas Wichtigeres zwischen ihnen gefallen wäre. Brad übernahm die Rechnung schließlich für sie beide ohne ein Wort und dann standen sie in der klaren Nachtluft auf dem Parkplatz.

Brad zündete sich eine der seltenen Zigaretten an, die er hin und wieder zu rauchen pflegte. Der Qualm kräuselte sich in der kühlen Luft und trat deutlich hervor.

„So, wie sieht’s aus, soll ich dich noch irgendwo absetzen?“ fragte er an Schuldig gewandt.
 

Auch Schuldig hatte sich eine seiner Kippen angesteckt, die er eigentlich mehr zum Zeitvertreib rauchte. Dabei schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, der ihn schmunzeln ließ. Denn es konnte nur ein Vorteil sein, dass Crawford auch rauchte, dann müsste er nicht damit rechnen, dass dieser ihn anmaulte, weil er ihm die Luft verpestete, während sie auf der Flucht waren. Aber es war eigentlich eine witzige Vorstellung, wie ihm sein Boss einen Vortrag hielt, während sie von der Organisation gejagt wurden.

„Was? Ich dachte, wir verbringen den Abend gemeinsam… wo wir doch mal etwas Zeit für zusammen haben“, antwortete der Telepath dann aber gespielt betroffen und sah auch so den anderen an, wobei er sich zur Krönung noch eine Hand auf seine Brust legte, wo sein Herz schlug.
 

Brad musterte bei diesen Worten Schuldig einmal überdeutlich von oben bis unten.

„Na ja, ich habe dich quasi mit dem Auto chauffiert, dich zum Abend essen eingeladen... wenn du jetzt noch eine rote Rose willst, ist das auch noch drin, aber erwarte nicht, dass ich dir meine Briefmarkensammlung zeige. Ich halte mich für etwas am Rande stehend, aber nicht für völlig verrückt“, erwiderte er den kleinen Gag.

Dabei hatte er allerdings das dumme Gefühl, dass sie eventuell noch mehr Zeit miteinander verbringen würden, als ihm eigentlich lieb war. Eine Ahnung oder eine Vision?
 

„Och, deine Briefmarkensammlung will ich auch gar nicht sehen. Da hätte ich dann doch an was anderes gedacht“, grinste Schuldig leicht, wobei er durch die Fransen seines Ponys, die das Stirnband nicht fasste, zu Crawford schaute und es auch leicht in seinen grünen Augen blitzte.

Dabei zog er auch an seiner Zigarette und stieß den Rauch wieder aus, um dem ganzen noch mehr das Flair eines unmoralischen Angebots zu verpassen. Aber von Moral hatte der Deutsche ja noch nie viel gehalten.
 

Brad musste schon wieder leicht grinsen. Das wievielte Mal war das jetzt an diesem Abend?

„So, so, dann kenn ich ja deine Absichten. Willst du dich durch mich hoch schlafen?“

Die Vorstellung war eigentlich gar nicht mal so übel. Der Deutsche war verdammt attraktiv, bestimmt nicht ohne Reiz. Aber Crawford wusste, würde er ihn zu einer seiner Bettgeschichten machen, würde dieser nur automatisch in eine Gruppe grauer Leute geschoben, die in Crawfords Leben keine Rolle spielten. Das wäre doch fast zu schade....

„So was hab ich nicht nötig“, grinste Schuldig selbstbewusst, denn schließlich hegte er keinerlei Ambitionen, in der Organisation weiter nach oben zu kommen.

Für ihn kam es nur auf das Training an, damit er endlich lernte, seine Telepathie voll und ganz zu beherrschen. Nur deswegen würde er sich mit ihrer Flucht in Geduld üben.

„Aber wenn das dein erster Gedanke ist, dann hat dir wohl noch niemand gesagt, wie interessant es allein wäre, dich aus deinem steifen Anzug zu schälen“, stellte der Deutsche dann grinsend fest, bevor er wieder an seiner Kippe zog und den Rauch ausstieß.

Dass Crawford durchtrainiert sein musste, war klar, denn körperliche Fitness wurde ziemlich hoch bewertet, aber dennoch wäre es wirklich interessant, das auch mal zu sehen.
 

Brad zog eine Augenbraue hoch. Flirtete der andere gerade etwa ernsthaft mit ihm?

Er warf seine Kippe auf den Boden und trat sie aus.

„Du bist scheinbar eine richtige Spielernatur, was? Aber sei besser vorsichtig. Schnell hat man sich die Finger verbrannt, wenn man nicht aufpasst“, meinte er warnend und schloss das Auto auf, stieg hinein und ließ den Motor an, ohne eine Miene zu verziehen.
 

Grinsend folgte Schuldig mit seinem Blick dem Älteren, bevor er einen letzten Zug seiner Zigarette nahm und diese dann auch austrat.

Warnung hin oder her, ihm war es egal, denn eine Spielernatur war er durchaus. Und bis jetzt hatte noch jeder Preis das dabei entstandene Risiko gelohnt. Das würde sicher auch hier nicht anders sein, zumal es interessant mit Crawford war. Dieser war immerhin keiner, der ihm einfach so nachgab. Und das gefiel dem Telepathen durchaus gut.

So trat er um den Wagen rum und ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder, grinste aber noch immer leicht vor sich her.

„Mit verbrannten Fingern kann ich umgehen, so lange es sich lohnt.“
 

Crawford warf ihm noch einen Blick von der Seite zu, bevor er losfuhr.

„Hmm, das glaube ich dir sogar. Würde ich dich nicht so einschätzen, hätte ich dich wohl kaum in diese Sache eingeweiht.“

Damit steuerte er den Wagen geschickt aus der Parklücke.

Während sie durch die dunklen Strassen fuhren und die Lichter über sie hinweghuschten, dachte Brad über die Person neben ihm nach, wobei seine nichts aussagende Haltung und sein Blick konzentriert auf die Strasse gerichtet waren.

Er sollte sich immer vor Augen führen, dass er gerade vermutlich genau den Kern getroffen hatte und sein Nebenmann ein Spieler war. Er hatte eine recht gute Menschenkenntnis, aber woher sollte man wissen, was sich hinter der Maske und den blitzenden grünen Augen wirklich verbarg?
 

Den Blick selber nach draußen gerichtet, unterhielt sich Schuldig auf seine Weise, indem er seine Barrieren etwas öffnete und einige Gedanken durchließ, die sich interessant anhörten. Es war schon erstaunlich, über was die Menschen alles nachdachten, wie gehässig und gemein sie sein konnten, während aus ihrem Mund scheinheilige Worte kamen, nur weil sie zu feige waren, die Wahrheit zu sagen.

Umso mehr Spaß machte es aber auch, gerade diese aus seinen Opfern rauszukitzeln. Dass dabei wahrscheinlich grad eine Ehe zu Bruch ging, war dem Telepathen egal. Wozu sollte denn seine Fähigkeit noch gut sein, außer ständig irgendwelche Idioten zu töten, die zu dusselig waren, sich mit der Organisation anzulegen?!

So grinste der Deutsche noch immer vor sich hin und konnte sich auch ein kleines, belustigtes Kichern nicht verkneifen. Wie ein kleiner Junge, der grad ein ganz tolles, neues Spielzeug gefunden hatte.
 

Ein leichtes Kichern riss Brad aus seinen Gedanken. Er wandte den Blick kurz von der Strasse ab, um Schuldig fragend anzusehen.

„Was gibt’s? Habe ich was verpasst?“ fragte er verwirrt.

Er hatte nur nebenbei registriert, dass der andere die ganze Zeit gegrinst hatte, aber er hatte es auf ihr kleines Wortgefecht von vorhin bezogen.
 

Durch die Frage abgelenkt, sah Schuldig zu dem Schwarzhaarigen, wobei er aber noch immer lausbubenhaft grinste.

„Ich find’s immer wieder erheiternd, wie dumm die Menschen doch sein können. Da merkt eine Frau erst nach zwei Jahren, dass ihr Mann sie betrügt, beschwert sich lauthals, wobei sie auch nicht besser ist und auch dauernd neue Kerle abschleppt. Aber natürlich sagt sie das nicht, sondern denkt es nur und dann kommt so ein böser, böser Telepath und lässt es sie ausplaudern.“

Oh ja, so was konnte wirklich verdammt belustigend sein, besonders, wenn man noch so nette Erinnerungsfetzen gratis dazu bekam, die wirklich heiß waren. Da konnte man sich glatt noch Anregungen holen.
 

„Tja, wenn die Verantwortung für das, was sie tun, nicht tragen können, dann haben sie es wahrscheinlich verdient, dass der böse Telepath sich einmischt. Aber der böse Telepath sollte bedenken, dass er es akzeptieren sollte, wenn die Menschen sich entscheiden, eine solche Lüge der Wahrheit vorzuziehen und damit zu Leben.“

Er machte eine kurze Pause, bevor er meinte: „Mein Vater hatte andauernd andere Frauen, meine Mutter hatte es allerdings für sich akzeptiert und zog es vor, dieses Detail einfach aus ihrer Realität auszuklammern. Das ist auch eine Art, damit zu leben.“

Brads Miene war steinern und sein Blick konzentriert auf die Strasse gerichtet.
 

Verwundert legte Schuldig etwas seinen Kopf schief, als er das hörte, wobei er sich von der Moralpredigt nicht beeinflussen ließ. Was das anging, hatte er kein schlechtes Gewissen. Eher überraschte es ihn, dass sein Boss tatsächlich über seine Familie zu plaudern begann, was eindeutig in die Abteilung ’Privat’ gehörte und nicht gerade Gesprächsthema Nummer eins war.

„Hat sie sich wenigstens auch amüsiert?“ fragte der Deutsche dann aber doch mit einem leichten Grinsen nach, denn für ihn waren solche Verdrängungsmechanismen einfach nur idiotisch, wenn man nicht selber auch was davon hatte.
 

„Nein, sie hat sich umgebracht“, erwiderte Brad tonlos.

Die Zeit, in der er noch irgendetwas Besonderes an seiner Stimme gewesen wäre, wenn er darüber sprach, war längst vorbei. Es war eine Tatsache die man akzeptieren musste, das war alles. Seine Mutter hatte sich nun mal entschieden, den reichen Mann an ihrer Seite nicht zu verlassen, egal zu welchem Preis.

Das war eine klare Entscheidung gewesen, wie sie ein erwachsener Mensch treffen konnte. Nur bei dem Preis, den dieser Entscheidung forderte, hatte sie sich verkalkuliert. Das war alles.
 

Auch in Schuldigs Gesicht regte sich nichts, denn dafür würde er sicher kein Mitleid haben. Wenn sich jemand gern selbst umbringen wollte, sollte es dieser jemand auch tun und die Mühe, diesen davon abzuhalten, war dann sowieso vergebens.

„Dumm gelaufen, würd ich sagen.“ Das war der einzige Kommentar, den er dafür übrig hatte. Wenn man für das Leben zu schwach war, blieb einem eben einfach nur der Tod.

So sah der Telepath wieder nach draußen in die Nacht hinaus und ließ es sich nicht nehmen, wieder nach dem streitenden Ehepaar zu suchen, was sich doch tatsächlich noch immer zoffte.
 

„Ja, kann man so sagen.“

Fast schon war Brad ein wenig erleichtert, nicht eine der üblichen Beileidsfloskeln zu hören, die die Leute sonst von sich gaben, wenn sie solch eine Geschichte hörten. Allerdings wurde ihm bei diesem Gedanken umso schmerzlicher bewusst, dass sie nicht normal waren.

Sie waren nicht wie die anderen Menschen. Im Grunde baute Brads ganzes Leben auf dieser Tatsache auf, mit voller Wucht bewusst wurde sie ihm aber tatsächlich erst in letzter Zeit, in Momenten wie diesem.

Diesen Gedanken hatte er nun schon zum zweiten Mal in Schuldigs Gegenwart. Verrückt irgendwie, aber ihm kam der Gedanke, dass diese Begegnung vielleicht so was wie Schicksal war. Und das, obwohl er es nicht vorausgesehen hatte. Aber das machte die Sache in der Tat spannend.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, steuerte er den Wagen zu ihrem ’Zuhause’. Er parkte ihn auf dem dunklen Parkplatz und stieg aus.

„Nun, ich danke ihnen für den Abend. Eine angenehme Nacht und tanzen sie morgen pünktlich an, sonst gibt’s Strafarbeiten.“

Mit Extra-Sport drohte er nicht mehr, er hatte das Gefühl, dass es dem anderen sogar noch Spaß machte.
 

„Was, ich krieg keinen Gute-Nacht-Kuss?“ fragte Schuldig gespielt schockiert nach, bevor er ebenso gespielt einen Schmollmund zog und mit großen Augen zu Crawford sah.

Ein bisschen Spaß war ja schließlich erlaubt, auch wenn er glaubte, dass ihn der andere gerne Strafarbeiten aufgab. Zumindest nutzte sein Boss jede Gelegenheit dazu, selbst wenn er sich nur um zwei Minuten verspätete.

Aber so musste er zumindest nicht damit rechnen, sich irgendwann zu langweilen, was genauso schlimm sein konnte.
 

Für einen Moment kam Brad der Gedanke, was für ein Gesicht der Telepath jetzt machen würde, wenn er es tatsächlich tun würde. Aber für die Art von Scherzen war er nicht der Typ.

„Ich fürchte, den musst du dir woanders suchen. Aber ich kann dich noch zu einem entsprechenden Etablissement fahren, wenn du einen Nachtkuss oder mehr willst...“

Allerdings drehte Brad sich schon um und ging auch auf das Gebäude zu, da er nicht damit rechnete, dass der andere jetzt doch noch weg wollte.
 

„Würd ich glatt machen, wenn du mitkommst, Bradley“, grinste Schuldig breit, während er dem Größeren einfach nachsah.

Mit Absicht hatte er den ungeliebten Namen benutzt, bei dem Crawford am Nachmittag schon so schön an die Decke gegangen war. Dementsprechend gespannt war er auch jetzt auf die Reaktion, wobei er betont lässig am Wagen lehnte.
 

Brad blieb schlagartig stehen und drehte sich drohend um. Entschlossen ging er auf Schuldig zu und stierte ihn böse an.

„Du bist wirklich eine Spielernatur, was? Aber ich warne dich, nenn mich noch einmal Bradley und du leckst die Latrinen sauber!“

Oh, wie er diesen Namen hasste!
 

„Was anderes würde ich lieber lecken“, grinste Schuldig noch immer, denn so schnell würde er sich nicht einschüchtern lassen. Er hatte schon ganz andere Strafen überstanden.

Stattdessen legte er einfach dreist seine Arme locker um den Nacken des Amerikaners, während seine Augen diesen amüsiert anfunkelten. Und dann zog er diesen einfach noch etwas mehr zu sich und leckte mit seiner Zunge leicht über dessen Lippen, bevor er sich aber schon wieder vollständig löste und einfach an dem anderen vorbei ging.

„Danke“, flötete der Telepath dabei noch mit lieblicher Stimme, wobei er sich wirklich ein Lachen verkneifen musste. Anscheinend sah das Orakel doch nicht alles.
 

Tatsächlich stand Brad mit leicht geöffnetem Mund wie vom Donner gerührt da. Nein, das hatte er gerade nicht wirklich getan, dieser...

Sprachlos drehte er sich um und sah dem Telepath nach, wie er lässig im Eingang verschwand. Das hatte in der Tat seit langem keiner mehr geschafft! Er war wirklich perplex für einen Moment.

Aber wie es seine Art war, sammelte er sich schnell wieder, knirschte aber ein wenig mit den Zähnen. Was dachte dieser Kerl sich eigentlich, wen er hier vor sich hatte? Was erlaubte der sich? Niemand tanzte ihm auf der Nase rum oder spielte Spielchen mit ihm. Nicht mit ihm!

Finster auf den Punkt starrend, an dem er Schuldig zuletzt gesehen hatte, blieb er noch einige Minuten auf dem Parkplatz stehen. Dann aber setzte er sich in Bewegung, eine Hand unbewusst zur Faust geballt und betrat das Gebäude.

Noch an diesem Abend gab er vor Aufsuchen seines Zimmers den Befehl durch, Schuldig die Toilettensäuberung für den kompletten nächsten Monat aufzubrummen.
 

Dieser hatte es sich in seinem Zimmer auf dem Bett bequem gemacht, nachdem er sich geduscht hatte. So lag er nur mit Shorts bekleidet und die Arme unter dem Kopf verschränkt da und starrte an seine Zimmerdecke, während er den Abend noch einmal Revue passieren ließ.

Zumindest hatte er jetzt sein Ziel wieder sehr viel klarer vor Augen, wenn nicht sogar besser als jemals zuvor. Auch, wenn er es nicht abkonnte, dass Crawford immer gleich den Eingeschnappten spielte und ihm solche miesen Strafarbeiten aufdonnerte, so war doch auf diesen Verlass und vielleicht waren sie gar kein so schlechtes Team bei ihrem Plan.

Auf jeden Fall würde er dem Ami diese blöde Kloputzaktion noch heimzahlen, das stand fest und in seinem Kopf erschienen auch schon ein paar Bilder, wie er das am besten konnte.

So grinste der Telepath dann doch wieder breit, als er das Licht löschte und sich unter seine Decke verkrümelte.

Das letzte Wort war zwischen ihnen noch nicht gesprochen!
 

~~~~
 

Fortsetzung folgt...

Kapitel 5

Titel: Vertrauen ist wirklich alles

Teil: 5/?

Autor: schuchan, Tsugumi

E-Mail: Kamayima@gmx.de, jennyBreidenbach@yahoo.de

Fanfiction: Weiß Kreuz

Disclaimer: Die Jungs von Weiß Kreuz gehören leider nicht uns, auch wenn wir sie gerne

behalten würden ^__^. Die Rechte liegen bei Kyoko Tsuchida und dem Projekt Weiß, und wir

wollen mit der FF keinen Profit machen.

Rating: PG-16

Warnung: bis jetzt noch nichts, wird aber aktuell ergänzt ^___^

Pairing: Brad x Schu

Kommentar: *drop* *sich rein schleicht* Hallo ^^’ Ja, es gibt mal wieder einen neuen Teil, nach ewigen Zeiten *seufz* Ich hoffe, er wird auch gelesen ^^’ Dummerweise hatte ich in letzter Zeit so viel um die Ohren, dass ich nicht dazu gekommen bin, Beta zu lesen und ein neues Kapitel hochzustellen... aber ich hoffe, das ist jetzt vorbei und ich schaffe es, wieder regelmäßiger die Kapitel nachrücken zu lassen ^^ Auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen von uns beiden *knuff*

Inhalt: Gibt es eine Beschäftigungstherapie für gelangweilte Telepathen? Wie lange kann man die Luft in einem Abwasserkanal anhalten? Und was hat es eigentlich mit dieser Bombe auf sich?
 

****
 

Mehrere Wochen vergingen, ohne das Brad und Schuldig auch nur ein Wort über ihre geplante Aktion verloren. Beiden war von vorneherein klar, dass innerhalb des Instituts kein Wort, ja möglichst nicht mal ein Gedanke darüber fallen durfte. Nach wie vor nutzte Brad seine Stellung, um den deutschen Telepathen ordentlich zu beschäftigen, gewiss spielte auch ein gewisses Bedürfnis, sich für die Spielerei des anderen zu rächen, eine Rolle. Im Institut und vor allem im Team verbreitete sich immer mehr die Meinung, dass er und Schuldig sogar regelrecht auf Kriegsfuss standen, was Brad nur allzu gelegen kam. So gerieten sie am wenigsten unter Verdacht...

Mittlerweile wurde Schuldig fast jeden zweiten Tag in Brads Büro zitiert, um Drecksarbeit zu erledigen. So auch an einem sonnigen Morgen, etwa vier Wochen nach ihrem letzten freien Ausgehtag. Crawford ließ Schuldig Akten ordnen, als ein Fax rein kam. Brad nahm es und überflog den Inhalt. „Oha, sieht ganz so aus, als gäbe es Arbeit für dich. Richtige Arbeit meine ich.“
 

Eher gelangweilt als wirklich begeistert sah Schuldig zu seinem Boss, denn bei diesem war er sich nicht mehr so sicher, ob das nun eine gute Nachricht sein sollte oder ob dieser ihn bloß wieder verarschen wollte. Immerhin hatte dieser Mistkerl das bisher sehr gern gemacht und er hatte noch immer keine Chance auf eine Revanche gehabt.

Aber die würde er schon noch irgendwann bekommen, ganz sicher!

Doch jetzt drehte sich der Orangehaarige erstmal wieder um und stellte ein paar Aktenordner nach oben ins Regal, die unten nichts verloren hatten, wobei er mit gelassener Stimme fragte: „Ach ja? Sag bloß, so was gibt’s auch mal wieder?!“
 

„Ja, kaum zu glauben, aber man hat Verwendung für dich. Du sollst eine Person überprüfen. Derjenige hat ein Geschäft in der 28. Strasse. Du sollst raus finden, ob er neben Bonbons und Lutschern auch Waffen verkauft, wo er sie lagert und wer liefert. Man, sind wir die Polizei oder was?“ Damit nahm Brad seine Jacke und zog sie sich über. „Ich lasse schon mal den Wagen an, also beeil dich mit den Akten, ja? Du weist, für Unpünktlichkeit gibt es Punkteabzug, also trödle nicht.“ Damit stolzierte er aus dem Büro.
 

Na toll, jetzt durfte er schon wieder bei so nem Idioten in den Kopf gucken und Informationen raussaugen. Was war er, ein Staubsauger?! Aber alles war besser, als weiter irgendwelche Drecksarbeit zu machen, auch wenn er wusste, dass die nächste nicht lange auf sich warten lassen würde. Na ja, zumindest musste er keine Klos mehr schrubben.

Allein bei dem Gedanken daran schüttelte sich der Telepath wieder, auch wenn er wenigstens ein paar Jungs hatte ordentlich einbläuen können, dass diese bloß nicht mehr wagen sollten, daneben zu schießen.

So räumte er aber noch die restlichen Akten dahin, wo sie hingehörten, betrachtete sich doch für einen Moment zufrieden das Regal, bevor er das Büro verließ und auf den Parkplatz ging, wo Crawford schon im laufenden Wagen saß.

Eilig, zu diesem zu kommen, hatte es Schuldig dabei nicht sehr, denn wahrscheinlich war er so und so zu spät dran.
 

„Zu spät“, meinte Brad nur tonlos, als Schuldig einstieg. Er startete den Wagen und fuhr los. „Wir gehen nicht zusammen in den Laden, das wäre zu auffällig. Geh du einfach hinein und kauf irgendetwas, ziehe dabei die Infos unbemerkt aus seinem Kopf und geh, ohne dass er dich verdächtigen könnte. Ich habe keine Ahnung, wozu wir die Infos brauchen, ich habe nur diese Anweisungen bekommen.“
 

Er hätte drauf wetten sollen, wahrscheinlich wäre er dann schon reich, wenn er auch nur einen Dollar ein jedes Mal gewettet hätte. Ganz sicher sogar.

So verzog Schuldig nicht eine Miene, bevor er aber doch mit den Augen rollen musste. „Ich bin kein Anfänger mehr, klar!“ War ja nicht auszuhalten, wie der Ami ihn behandelte. Als wenn er das nicht schon unzählige Male gemacht hatte. Er war doch nicht einer der Idioten, denen man alles zweimal erklären musste!
 

Brad warf ihm einen Blick von der Seite zu und grinste ganz leicht. „Schon klar, aber ich bin auch kein Anfänger und als solcher weiß ich, dass ich die Pflicht habe, jede einzelne Mission genau und präzise zu formulieren, damit niemand mir hinterher die Schuld in die Schuhe schiebt, wenn etwas schief läuft.“

Nach einer ca. halbstündigen Fahrt hatten sie die Strasse erreicht und Brad parkte den Wagen. „Ich sehe mir dir Schaufenster an und warte auf dich.“
 

Schuldig hatte darauf nichts mehr zu sagen, musste dann aber doch grinsen, als sie ausgestiegen waren. „Aber wehe, du machst nen Bummel ohne mich“, zwinkerte er Crawford zu, bevor er seine Hände wieder in seine Hosentaschen schob und lässig den Block entlang ging, bis er vor dem richtigen Laden stand.

Diesmal konnte er sich ja Zeit lassen, schließlich sollte er unauffällig wirken.

So betrat er nach einigen Minuten den Laden und sah sich ebenso unauffällig um, auch wenn ihm irgendetwas sagte, dass hier etwas nicht ganz richtig war. Aber der Telepath ließ sich nichts anmerken, sondern suchte stattdessen nach der Präsenz des Verkäufers, den er anzapfen sollte.
 

Brad bummelte völlig gelassen die Strasse entlang und sah sich die Schaufenster an, obwohl ihn das nicht wirklich interessierte. Andererseits war sogar er froh, mal wieder aus dem Institut raus sein zu können und genoss es in dieser Hinsicht schon. Gerade, als er einen Krawattenladen betreten wollte, überkam es ihn aber plötzlich wieder wie ein Blitz. Er zuckte zusammen und hielt sich den Kopf, während es vor seinen geschlossenen Augen flimmerte. Die Leute, die sich besorgt nach ihm umsahen, beachtete er nicht.
 

So richtig war sich Schuldig nicht sicher, was er mit Hilfe seiner Telepathie fand, denn den Geist als verwirrt zu bezeichnen, war noch stark untertrieben. Aber es half ihm, sich zumindest auf alles gefasst zu machen, auch wenn er es als übertrieben ansah, als der Verkäufer auf einmal aus dem hinteren Teil des Ladens raus kam und ihm eine Schrotflinte unter die Nase hielt.

Sofort reagierte der Deutsche, hielt sich aber diesmal zurück, da er ja schließlich einen Auftrag zu erfüllen hatte. So fing er einfach ein lockeres Gespräch mit dem älteren Mann an, der eindeutig was eingeworfen hatte und unter paranoiden Wahnvorstellungen litt.

Gleichzeitig hielt er dessen Motorik aber unter seiner Kontrolle, damit dessen Zeigefinger nicht aus Versehen den Abzug betätigte und ihm den Kopf wegschoss, während sich der Orangehaarige andererseits die Informationen zusammen sammelte, die er brauchte.
 

Schnell hatte Brad den kleinen, heruntergekommen Laden erreicht, in dem sich genau die Szene abspielte, die er eben noch gesehen hatte. Im ersten Moment verfluchte er zwar, dass er Schuldig nicht rechtzeitig hatte warnen können, auf der anderen Seite schien der Telepath jedoch alles im Griff zu haben. Im Grunde machte sein Erscheinen den paranoiden Ladenbesitzer noch nervöser.

„Ah, noch einer von eurer Sorte! Ich weiß, was ihr wollt, haha, ihr schnüffelt doch schon seit langem bei mir rum, häh? Ihr wollt mich alle umbringen, aber vorher bringe ich euch um, ha!“

Das Gewehr zitterte ebenso wie die verkrampften Finger des Mannes. Ganz klar, er hatte irgendwas genommen, aber das war nicht alles. Offenbar mussten vor ihnen schon welche von ihrer Organisation hier gewesen sein, sonst wäre der Kerl nicht so misstrauisch. Na großartig, wer hatte das denn schon wieder verbockt?! Beschwichtigend hob Brad die Hände. Sie durften den Typ nicht umbringen, das erschwerte die Situation in der Tat um einiges.

„Wir wollen ihnen mit Sicherheit nichts Böses, guter Mann, wir wollten lediglich einkaufen.“ Gleichzeitig warf er Schuldig einen Blick zu, der zum einen die stumme Frage schickte, ob er ihn in Schach halten konnten und weiterhin ließ Brad seine Barrieren fallen und stellte mental die Frage, woher der Kerl Wind von ihnen bekommen hatte.
 

Schuldig würde sich erst später über diesen Schlamassel aufregen, dass die Organisation entweder zu blöd war, ihnen die Informationen über eventuelle Gefahren zu geben oder es einfach beabsichtigt taten und sie vielleicht ins offene Messer laufen lassen wollte. Viel zu sehr war er von Crawford abgelenkt, denn eigentlich hätte dieser auch ruhig draußen bleiben können.

Das wandelnde Drogendepot vor ihm hatte er ja ordentlich im Griff, auch wenn er spürte, wie sich der Geist wehren wollte. Aber das kratzte den Telepathen nicht, hatte er doch immerhin, seit er hier war, ordentlich was dazu gelernt.

So deutete er auch nur ein Nicken auf die unausgesprochene Frage hin an, während er noch immer im Kopf des Verkäufers kramte, um endlich die benötigten Informationen zu finden. Gleichzeitig erstaunte es den Deutschen aber auch, als er spürte, wie sich sein Boss ihm etwas öffnete und er dann dessen Stimme in seinem Kopf hörte.

°Ich hab keine Ahnung, aber nimm das Gequatschte bloß nicht zu ernst. Der Kerl leidet unter Wahnvorstellungen.° erwiderte Schuldig aber mit einem kleinen Grinsen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem älteren Mann vor sich zuwandte und das unverfängliche Gespräch einfach weiter führte.

Erst, als er alles hatte, was sie brauchten, sagte er dem Schwarzhaarigen neben sich Bescheid, behielt aber noch so lange die Kontrolle über den Verkäufer, bis sie den Laden verlassen und ein ganzes Stück weit gegangen waren.
 

„Ich glaub das nicht, laufen wir irgend so nem Junkie in die Arme, der am helllichten Tag ne Schrotflinte zieht! Und das Ding war so alt, der hätte sich womöglich noch selbst in die Luft gesprengt, hätte er den Abzug getätigt!“ regte sich Brad leicht gestikulierend auf. „Ich frage mich, ob der Typ mit uns gerechnet hat. Was hast du denn in seinem Kopf gefunden?“
 

Schuldig musste sich ob des Gezeters wirklich das Grinsen verkneifen, war es doch selten, dass sich sein Boss wegen so etwas aufregte. Er selber fand das eher schon wieder amüsant, zumal man bei ihm wirklich früher aufstehen musste, um ihn mit so einer Aktion aus der Fassung zu bringen. Umsonst hatte er ja nicht gelernt, blitzschnell auf bestimmte Situationen zu reagieren.

Doch anstatt sich darüber auszulassen, was vielleicht alles hätte schief gehen können, teilte der Deutsche Crawford lieber mit, was er gefunden hatte, was nicht besonders viel war.

„Er schmuggelt nur wenige Waffen, die lagern alle bei ihm zu Hause im Keller. Hauptsächlich bunkern da aber Drogen, die er von örtlichen Händlern bezieht. Nichts großes, zumindest hab ich nichts finden können.“

Es war wirklich unspektakulär, ein kleiner Schieber, wie es sie zuhauf gab. Aber zumindest hatte er für eine Weile von den staubigen Akten weg gekonnt, was der Telepath schon wieder als positiv ansah.

„Warum regst du dich eigentlich so auf? Hast du dir Sorgen um mich gemacht?“ konnte er es dann aber doch nicht lassen und grinste den Älteren von der Seite her an.
 

Für Brad war die Sache damit keineswegs abgetan. Er mochte es nicht, nicht zu wissen, warum sie was taten. Gewiss war diese Sache hier Teil irgendeines Auftrags, aber vermutlich würden sie nie erfahren, warum und wofür sie das jetzt getan hatten. Vermutlich wurde der Auftrag von einer anderen Gruppe übernommen und sie würden nie erfahren, wofür sie beinahe mit einer Schrotflinte erschossen worden wären.

Nicht, dass die Situation wirklich ernst gewesen wäre, das nicht, aber es ging Crawford ums Prinzip. Er hatte kein großes Ziel im Leben, keine heldenhafte Vision von einer Sache, für die es sich zu sterben lohnte. Das einzige, was er wollte, war Unabhängigkeit und ein Leben nach seinen Vorstellungen zu führen, bis ihm eines Tages jemand das Lebenslicht ausblies. Das war alles.

Auf Schuldigs Kommentar hin verdrehte er leicht die Augen. „Natürlich, ich wäre fast gestorben vor Angst.. weißt du, wie schusselig Stephen und die anderen sind, wenn es um solche Dinge wie Aktenordnen geht? Ich frage mich, ob die jemals das Alphabet richtig gelernt haben“, meinte er nur trocken.
 

Leise kicherte Schuldig, als er das hörte, hatte er doch insgeheim mit so einer Antwort gerechnet. Aber beleidigt wäre er jetzt sicher nicht. „Na zumindest weißt du meine Arbeit zu schätzen. Ich hatte schon angenommen, du würdest mich dauernd zu dir zitieren, weil dir mein Hintern so gut gefällt“, grinste er ungeniert weiter.

Ganz blöd war er ja auch nicht und die herrliche Eigenschaft von Fenstern bestand darin, dass man bei richtigem Licht auch das sehen konnte, was hinter einem geschah, weil es gespiegelt wurde. Zwar hatte er so nur ein paar Mal einen Blick von Crawford erhaschen können, aber die waren seiner Meinung nach dafür auch deutlich ausgefallen.
 

Brad schüttelte leicht den Kopf. „Mir gefallen nur Hintern, in die ich ordentlich treten kann.“

Eigentlich war es ihm fast ein wenig peinlich, wie er so in den Laden gestürmt war und die Lage eigentlich völlig unnütz verschlimmert hatte. Er hatte Schuldig eben unbedingt warnen wollen. Dabei hätte er eigentlich wissen müssen, dass der andere mit so einer Situation auch alleine fertig wurde.

Aber auch er war nicht völlig gefeit vor dummen Taten... auch wenn er sich immer bemühte, deren Zahl auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.

Sie waren inzwischen beim Wagen angekommen und Brad schloss auf. „Ich kann dich nur noch einmal warnen, Rotschopf, treib es nicht zu weit.“
 

„Na dann müsste dir doch meiner am besten gefallen“, grinste Schuldig nur immer noch, was sogar noch etwas breiter wurde, als er die ’Warnung’ hörte.

Aber anstatt was darauf zu erwidern, stieg er einfach ein und schnallte sich an, bevor er sich zurücklehnte und die Arme hinter dem Kopf verschränkte.

Warum er immer so sehr darauf versessen war, Crawford aus der Fassung zu bringen, konnte er sich selber nicht ganz genau erklären. Schließlich machte er sich das Leben dadurch nicht leichter, eben weil dieser sein Vorgesetzter war und ihm damit auch die miesesten Aufgaben aufbrummen konnte und es auch tat. Aber wahrscheinlich lag es einfach an dessen kühler, beherrschter Art, die er zumindest ab und an einreißen wollte.
 

Dieser Kerl machte sich definitiv einen Spaß daraus, ihn zu ärgern! Was sollte das, wollte er die Grenze testen, an die er mit seinen Frechheiten gehen konnte? Aber Crawford stimmte es nicht ernsthaft böse. Wenigsten wurden die Unterhaltungen mit dem Deutschen nie wirklich langweilig.

„Du bist’n komischer Kauz, das muss ich dir mal sagen. Bring deinen Hintern lieber in Sicherheit, bevor ihn dir einer versohlt“, meinte Brad wie immer völlig tonlos, als er den Motor startete.

Dann aber fiel ihm noch etwas ein. „Ich habe mich übrigens weiter umgehört, wegen der Sache, du weißt schon. Es scheint, als müssten wir uns noch eine Weile gedulden, aber ich hab schon eine Möglichkeit im Auge, wie wir das Land am besten verlassen.“
 

„Uh, war das grad ein Angebot?“ grinste Schuldig ungeniert weiter, auch wenn er ja nicht so sehr auf Prügel stand. Davon hatte er schon genug kassiert, dass es sein ganzes Leben reichen würde. Aber gegen die härtere Gangart hatte er noch nie etwas gehabt, zumal es sicher ein Erlebnis wäre, Crawford im Bett zu haben oder besser gesagt, bei diesem im Bett zu landen.

„Weihst du mich ein oder lässt du mich schmoren?“ sprang der Deutsche dann aber auf den Themenwechsel an, denn immerhin war das eine Sache, die wirklich wichtig war. Ihr kleines Spielchen konnte dafür gut und gerne mal ein bisschen warten.
 

„Na, hatte ich eigentlich nicht vor, aber aufgrund deines Benehmens bin ich tatsächlich versucht, dich schmoren zu lassen. Aber da ich dafür etwas über deine Vorlieben gelernt habe, drücke ich noch mal ein Auge zu. Also, ich hab da jemanden aufgetan, der uns einen Flieger bereitstellen würde, eine Nichtregistrierte Maschine, mit der wir es zumindest bis Westeuropa schaffen dürften. Er ist ein alter Bekannter meines, äh, Vaters und er schuldet mir noch etwas.“

Genau genommen hatte er diesen ’Bekannten’, der eigentlich ein Geldwäscher seines Vaters gewesen war, in der Hand, da er Informationen besaß, die er an die Polizei weiterzugeben drohte, sollte dieser ihm nicht helfen. Erpressung war nichts Stilvolles… aber Stil konnte er sich im Moment nicht leisten. Nicht, solange er diesen BMW nicht hatte!

„Und Papiere habe ich auch. Für jeden von uns zwei verschiedene Identitäten, wir werden sie unterwegs vermutlich noch mehrere Male wechseln müssen. Aber die genaue Planung beansprucht noch etwas Zeit.“
 

Auch, wenn er sich ganz gut denken konnte, dass dieser ’Bekannte’ ihnen sicherlich nicht freiwillig half, hielt Schuldig erstmal seine Klappe und hörte weiter zu. Schließlich wurde ihnen ja eigentlich abtrainiert, zu viel Rücksicht walten zu lassen, konnte diese doch immer den schnelleren Tod bedeuten.

„Hast du etwas über Farfarello raus gefunden?“ fragte er stattdessen weiter, denn ohne Hilfe brachte es ihnen nicht viel, wenn sie bis Europa kamen. Sie brauchten auch dort einen Unterschlupf und zumindest einen, auf den sie sich verlassen konnten.
 

„Hmm“, machte Crawford. „Also um ehrlich zu sein, ist mir diese Sache noch immer nicht wirklich geheuer. Ich habe nichts Handfestes herausgefunden, schließlich ist sein Aufenthaltsort selbst der Organisation verborgen. Alles, was ich weiß, stammt aus Gerüchten und ein paar Zeitungsartikeln der letzen Jahre in Irland. Da ist von einem Verrückten die Rede, auf den deiner Beschreibung von Farfarello passt, der aber aus Notwehr von der Polizei erschossen wurde und dabei aber in einen Fluss fiel... sein Leichnam wurde nicht gefunden, dennoch wurde er offiziell für tot erklärt.

Dann allerdings habe ich mir Berichte von Todesfällen angesehen und interessanterweise gab es mehrere Fälle, in denen Menschen auf recht ungewöhnliche Weise getötet wurden, die sich aber überall ähnelte. Wenn man sich die Orte dieser Morde -angeblich teilweise Unfälle- ansieht, fällt einem auf, dass sie sich alle an der Ostküste Irlands zugetragen haben. Wie soll ich sagen, wenn man annimmt, dass dieser Farfarello noch lebt und er diese Menschen getötet hat, kann man es quasi wie eine Spur lesen. Demnach bewegt er sich die Ostküste aufwärts.“
 

Auch, wenn es vielleicht unangebracht war, grinste Schuldig wieder breit und musste sich sogar ein Lachen verkneifen. „Lass mich raten, die meisten Morde wurden in Kirchen oder an Gläubigen begangen“, tippte er dann aber einfach mal und wie er nicht anders erwartet hatte, bekam er auch prompt die Bestätigung.

„Das ist Farfarello. Den hält so schnell sicher keine Kugel auf. Wahrscheinlich hat er sie sich einfach raus genommen, nachdem er wieder an Land war“, grinste der Telepath noch immer, denn er konnte sich das sehr gut vorstellen. Der Junge war ja kein Dummkopf und das einzige, was man nicht tun durfte, war, diesen zu unterschätzen.

„Auf jeden Fall brauchen wir dann seinen letzten Aufenthaltsort, wenn wir hier abhauen.“
 

Crawford gefiel die Sache nicht.

„Also ich weiß nicht... ich zweifle immer noch, ob das so eine gute Idee ist. Er nimmt eine Kugel einfach ’raus’? Überlebt einen Absturz in einen Fluss? Und dieser Kirchenfaible... was ist los mit dem Kerl?“

Brad hätte nie gedacht, dass ihm einmal etwas nicht geheuer sein würde, aber er hatte immerhin einen guten Grund, besorgt zu sein. „Bist du immer noch sicher, dass das eine gute Idee ist?“
 

„Jupp, sehr sicher sogar“, grinste Schuldig noch immer, denn auch, wenn Farf einfach durchgeknallt war, er mochte den Kerl, zumal dieser auch wirklich was in der Birne hatte und gar nicht so kopflos reagierte, wie man im ersten Moment annehmen könnte.

„Ich weiß zwar nicht ganz genau Bescheid, was ihn so hat werden lassen, aber wenn man ihn auf Gott und die Kirche anspricht, tickt er eben etwas aus. Dann braucht man gute Argumente, damit man nicht selber den Kopf herhalten muss. Aber wenn man das einmal raus hat, ist es leicht.“

Prüfend, was seine Erzählung vielleicht in seinem Boss ausgelöst hatte, sah er diesen an, wobei sein Grinsen wieder etwas breiter wurde. Anscheinend war dieser wirklich nicht begeistert, aber es war nun mal ihre einzige Chance, die sie bisher hatten.

„Außerdem ist er ein klasse Kämpfer und sehr robust. Er kann angeblich keinen Schmerz spüren und sieht immer etwas gerupft aus.“
 

„Gerupft? Nicht auf Kirche oder Gott ansprechen? Aha...“ meinte Brad und seine Skepsis wuchs noch mehr. „Na dann habe ich ja Glück, dass ich kein Gottesmann bin.“

Er warf Schuldig aber plötzlich einen scharfen Seitenblick zu. „Ich sage es dir noch einmal, auch wenn du meine Warnungen immer so einfach abzutun scheinst, wenn du vorhast, mich zu linken oder irgendwo reinzureiten, mache ich kurzen Prozess, verstanden? Glaub nicht, dass ich Gnade walten lassen würde, nur weil wir im Moment so was wie Partner sind!“

Seine Stimme war klar und drohend. Aber es war eine interessante Frage, wer von ihnen beiden den Kürzeren ziehen würde. Unter Umständen war Schuldigs Telepathie seinen Barrieren überlegen, wenn es hart auf hart kam, aber immerhin hatte er seine Visionen, die ihn zum Glück am ehesten kamen, wenn er selbst in akuter Gefahr war. Das würde seinen Nachteil unter Umständen ausgleichen. Vielleicht kam es bei ihnen letzten Endes nur darauf an, wer schneller an der Waffe war...
 

Genau, wie Crawford vorhergesagt hatte, tat Schuldig auch diese Warnung nur mit einem Schulterzucken ab und sah wieder nach vorn. „Was würde es mir bringen, dich irgendwo reinzureiten? Schließlich brauch ich dich, um endlich von hier abzuhauen. Und keine Sorge wegen Farf, so mir nichts dir nichts wird er uns schon nicht umlegen.“

Es war nun mal eine Tatsache, dass er ohne den Schwarzhaarigen aufgeschmissen wäre und im Moment quasi abhängig von diesem war. Zudem aber war ihm dieser doch schon irgendwie sympathisch, ansonsten würde er ihm selber nicht mal eine Nasenlänge weit trauen.

Daher machte er sich der Deutsche auch keine Gedanken darum, was war, wenn er Crawford vielleicht als Feind gegenüber stehen würde. Wenn, dann lag das noch in ferner Zukunft und an der war er sowieso noch nicht interessiert.
 

Ein wenig machte Schuldigs Reaktion Brad wütend, aber er wusste nicht so recht, warum eigentlich. Seine Worte machten zwar Sinn, aber diese Haltung...

„Wenn ich nicht wüsste, dass du zu einer Elitetruppe von Profikillern gehörst, ich würde dich für einen dummen Jungen halten. Ich frage mich, ob für dich wirklich alles so easy ist, wie du immer tust.“

Brad hatte mehr gedankenverloren gesprochen, aber diese Frage stellte er sich nicht zum ersten Mal, seitdem er den anderen kannte.
 

Schuldig sah nicht zu dem Älteren, auch wenn er schon wieder grinste. „Warum sollte es nicht so easy sein?“

In Wirklichkeit war das Leben doch immer ein Spiel. Und entweder gehörte man zu den Gewinnern oder zu den Verlierern. Der Deutsche hatte sich schon sehr früh vorgenommen, zu Ersteren zu gehören, egal, was es ihn kostete. Und dazu gehörte auch, Kompromisse einzugehen, wie er es mit Crawford getan hatte. Er konnte daraus nur Vorteile ziehen, auch wenn das im Moment vielleicht noch nicht so offensichtlich war.
 

Brad machte es noch wütender.

„Da, und schon wieder dieses Grinsen, also ob alles...“

In diesem Moment gab es einen lauten Knall und sie beide wurden in ihren Sitzen nach vorne geschleudert. Brad rummste mit der Stirn ordentlich gegen das Lenkrad und sah den großen Wagen an sich vorbei fahren, gefolgt von Orion und Andromeda, die vom Löwen gejagt wurden.

Als er wieder zu sich kam und die Sterne sich entfernten, erkannte er die Lage: Er war direkt in das Auto vor ihnen gerast! Wie von der Tarantel gestochen und die Platzwunde an der Stirn völlig ignorierend, stieß Brad die Fahrertür auf und raste wie eine Dampfwalze auf den Typen zu, der vor ihm aus dem Auto krabbelte und eine hitzige Diskussion entstand, weil der Typ an der grünen Ampel einfach getrödelt hatte, loszufahren, dieser aber tatsächlich der Meinung wäre, dass das noch lange kein Grund wäre, ihm hinten rein zu fahren.
 

Schuldig war mindestens genauso überrascht und wurde hart in seinem Gurt nach vorn gepresst, der es aber nicht aufhalten konnte, dass er mit seinen Kopf leicht gegen das Armaturenbrett stieß, nur um im nächsten Augenblick wieder in seinen Sitz gedrückt zu werden.

Das erste Mal war er wirklich dankbar für diese Erfindung, auch wenn der Gurt sicher einen unschönen Abdruck erzeugt hatte, so, wie es wehtat. Aber ohne diesen wäre er hochkant durch die Scheibe geflogen, das stand auch fest.

Einen Moment aber schloss der Telepath seine Augen, versuchte, den kleinen Schwindel loszuwerden, der ihn erfasst hatte, bevor er die Augen wieder aufschlug und das Dilemma sah. Und Crawford hatte nichts Besseres zu tun, als seine Aggressionen raus zu lassen. Na wenn das kein vorbildliches Verhalten war…

Der Deutsche konnte darüber nur mal wieder grinsen, denn zumindest bekam er so nicht die Breitseite ab, sondern der Trottel, dem sie drauf gefahren waren. Aber als dieser mit der Polizei drohte, griff er dann doch ein und verdrehte einfach ein paar Fakten in den Erinnerungen des Fahrers an den Unfall. Und auf einmal war es dieser, der sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigte, was Schuldig zufrieden nicken ließ.

Schließlich war das erste Gebot der Organisation, Aufsehen zu vermeiden.
 

Es dauerte eine Weile, bis Crawford überhaupt checkte, was los war. Erst hatte er gedacht, der Mann hätte von sich aus klein bei gegeben, aber als er Schuldigs Grinsen sah, als der Kerl sich plötzlich tausendfach entschuldigte und anbot, die Sache schnell und unbürokratisch zu regeln, indem er sofort einen Scheck ausfüllte und ihn Crawford in die Hand drückte, bevor er mit seinem zerbeulten Kofferraum davon preschte, war die Sache klar.

Völlig frustriert kehrte Brad zum Auto zurück, wobei er den Scheck in einen Mülleimer warf. Was fiel dem Typ eigentlich ein, einfach abzuhauen, wenn er noch gar nicht fertig mit ihm war! Herrje, wäre das *sein* Auto und nicht irgendein gestellter Wagen der Organisation gewesen, er hätte den Mann auf offener Strasse kalt gemacht!

Als er wieder auf dem Fahrersitz saß, lehnte er sich stöhnend nach hinten und presste sich ein Taschentuch auf die blutende Stirn, das Hupen der Autos hinter ihnen, die sich nur langsam an dem stehenden Wagen vorbeischlängeln konnten, ignorierte er.

„Toll, was fällt dir eigentlich ein, häh? Ich weiß doch, dass du es warst! Ich war noch nicht fertig mit dem, musstest du dich einmischen!?“

Irgendwen musste er ja anschnauzen. Aber es half auch sofort und so konnte er etwas ruhiger fragen: „Hast du dir eigentlich was getan?“
 

„Das nächste Mal warte ich, bis du ihn massakriert hast und ergreife erst dann mit dir die Flucht“, gab Schuldig nur trocken von sich, auch wenn er sich eigentlich nicht viel daraus machte, angeschnauzt zu werden. Diesmal war er nämlich im Recht gewesen, so zu handeln. Aber er ließ ja bekannter Weise keine Möglichkeit aus, Crawford etwas zu ärgern.

Auf dessen Frage schüttelte er dann aber den Kopf, auch wenn er spürte, dass seine Stirn was abbekommen hatte. Aber das würde sicher nicht mal ne Beule werden, ganz im Gegensatz zu dem, was der andere sich da zugezogen hatte.

„Das muss genäht werden. Lass mich lieber fahren“, meinte der Deutsche dann aber sehr viel ernster, denn mit einer Platzwunde am Kopf und verschwommener Sicht fuhr es sich sicher nicht gut, auch wenn er nicht glaubte, dass der Schwarzhaarige einfach so das Steuer räumen würde.
 

Auf Schuldigs Kommentar hin traf ihn ein böser Blick Crawfords. Und als er dann noch ans Steuer wollte, kam ein gereiztes „Nein!“ von diesem.

„Das ist nur eine kleine Beule, mehr nicht. Ich kann noch fahren.“ Er steckte das Taschentuch weg und tastete etwas fahrig nach dem Schlüssel. Leider hatte seine Brille einen Sprung, was er erst jetzt bemerkte.

„Scheiße“, fluchte er leise.
 

Er hätte mal wieder wetten können, doch diesmal rollte Schuldig nur genervt mit den Augen. „Stell dich nicht so an und lass mich fahren. Ich will hier nicht übernachten!“

Dabei war es ihm so ziemlich egal, wie er gerade klang. Aber es sah ja wohl wirklich ein Blinder, dass der Ältere nicht mehr dazu in der Lage war, auch wenn es dieser nicht zugeben wollte. Aber noch einen Unfall wollte der Deutsche sicher nicht bauen, weswegen er sich einfach rüberlehnte, den Schlüssel aus dem Zündschloss zog und ausstieg.

Schnell war er um den Wagen rund rum gegangen und öffnete die Fahrertür, passte aber auf, dass nicht grad ein Wagen kam, der ihn ungefragt mitnahm. „Rutsch rüber.“
 

„Hey du...“

Während Schuldig aus dem Auto ausstieg, hatte Brad nur etwas Unverständliches vor sich hin gemurmelt. Aber schließlich gab er sich geschlagen und rutschte rüber, lehnte wieder den Kopf nach hinten und presste ein Taschentuch darauf.

„Das ist ohnehin alles nur deine Schuld, du hast mich vollkommen abgelenkt!“ zeterte er weiter. „Ich fass es nicht, so was ist mir seit Jahren nicht passiert!“
 

„Dann wurde es mal wieder Zeit“, grinste Schuldig einfach, froh darüber, dass sein Boss aber endlich nachgab. Dass er natürlich wieder mal die Schuld zugeschoben bekam, war ihm nichts Neues, weshalb er darauf auch nichts sagte.

Stattdessen stieg der Orangehaarige schnell ein, bevor er den Schlüssel wieder ins Zündschloss schob und den Motor startete. Schnell noch einen Blick in den Rückspiegel und zu der Ampel, dann fuhr er auch schon los und reihte sich in den fließenden Verkehr wieder ein.
 

„Ach, halt doch’s Maul!“ zeterte Brad weiter.

Herrgott, hätte er denn das nicht voraussehen können?! Es war ihm alles mehr als peinlich, dass er diesen dummen Unfall gebaut hatte und sich dazu auch noch so hatte gehen lassen. Der pochende Schmerz an seine Stirn machte es auch nicht gerade besser und schließlich hatte er es satt und schwieg einfach.
 

Schuldig hatte sich wirklich nur schwer einen weiteren Kommentar verkneifen können, nämlich dass er ja nicht derjenige war, der angeblich in die Zukunft blicken konnte und dass er auch eigentlich nicht Schuld dran war, wenn sich der Ältere so sehr von ihm ablenken ließ.

Aber als dieser dann das eiserne Schweigen einläutete, blieb auch der Telepath ruhig und fuhr stattdessen problemlos und recht entspannt zurück zum Institut, wobei sie die kleinen, üblichen Verkehrsstaus etwas aufhielten.
 

Die ganze Zeit hatte Brad das Schweigen nicht gebrochen, hatte vielmehr die Augen geschlossen, weil die Wunde jetzt, wo seine Aufregung sich gelegt hatte, anfing, wirklich Kopfschmerzen zu verursachen.

Als sie endlich angekommen waren, stieg Brad aus und machte sich auf der Stelle auf den Weg zur Krankenstation.

„Lass den Wagen einfach stehen. Ich werde Bericht erstatten. Aber halt bloß deine Klappe darüber, wessen Schuld das war, kapiert?“ Man würde ohnehin nicht viel fragen. Eine alte Schrottkarre mehr oder weniger würde das Institut nicht interessieren, da war er sich sicher.
 

„Kapiert“, grinste Schuldig leicht, bevor er sich selber auf den Weg in sein Zimmer machte.

Zum Glück stand erstmal nichts weiter an, so dass er etwas Zeit für sich hatte. Der nächste Tag würde mit den Teamübungen und dem Einzeltraining wieder schwer genug werden. Da hatte er sich etwas Entspannung ja wohl verdient, besonders, nachdem er so von Crawford rumgescheucht worden war den ganzen Tag.

So verzog sich der Deutsche in sein Zimmer, froh, dass er sich nicht so hart den Kopf gestoßen hatte.
 

Natürlich musste Crawford ausführlich Bericht erstatten, woher er diese Verletzung hatte. Aber tatsächlich interessierte man sich weniger für den Unfall, als für den Vorfall in dem Geschäft. Man glaubte sogar zunächst, er hätte sich die Verletzung durch die Konfrontation mit dem verrückten Kerl zugezogen, was Brad wiederum sagte, dass sie also geahnt hatten, dass der Typ irgendetwas wusste. Auf Anfrage erheilt er lediglich die Information, dass der Kerl bereits einen von ihren Leuten, der schon einmal dort gewesen war, angeschossen hatte und das man deswegen einen Telepathen losgeschickt habe, weil sie keinen weiteren Kampf riskieren konnten, bei dem der Mann getötet würde. Offenbar brauchte man ihn noch, aber wofür, erfuhr Crawford nicht und es ging ihn auch nichts an.

Gefrustet darüber und vor allem über diesen dämlichen Unfall, zog er sich auf Befehl schließlich mit der frisch genähten Wunde in sein Bett zurück und schlief dank der Schmerztabletten bald ein.
 

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Fluchend warf Schuldig seine schwarze Jacke und das Pistolenhalfter von sich und ließ sich auf seinem Bett nieder, während er noch immer leise vor sich hergrummelte.

Seit dem Zwischenfall mit dem Durchgeknallten Verkäufer waren weitere zwei Wochen ins Land gezogen und heute Nacht hatten sie mal wieder eine Mission gehabt. Eigentlich war auch alles ganz gut verlaufen, zumindest am Anfang. Doch allmählich hatte der Telepath das Gefühl, als wenn es alle auf ihn abgesehen hätten.

Okay, er war eigentlich noch ganz gut davon gekommen, als ihnen auf einmal die Kugeln um die Ohren geflogen waren. Nur sein rechter Unterarm hatte etwas abbekommen, wofür er mal wieder auf der Krankenstation geflickt werden musste.

Aber eigentlich war er davon ausgegangen, dass er es mit Profis zu tun hatte, denn schließlich waren es alles C’lers, mit denen er seit neustem zusammenarbeitete. Doch da hatte er sich getäuscht oder aber, die Organisation war einfach zu blöd, ihnen alle Informationen zu geben… oder sie hatte es einfach darauf abgesehen, sie in solch brenzligen Situationen zu testen, wobei sie von Glück reden konnten, dass niemand drauf gegangen war.

Zumindest etwas Positives aber hatte die ganze Aktion gehabt, denn mehr als Kopfschmerzen hatte der Deutsche nicht mehr, auch wenn die mentale Belastung recht heftig gewesen war. Zwar freute er sich nicht wirklich darüber, denn es pochte erheblich zwischen seinen Schläfen, aber es zeigte ihm auch, wie sehr sich das harte Training allmählich bezahlt machte.
 

Gelassen schlenderte Brad durch die Gänge in Richtung von Schuldigs Unterkunft. Unter dem Arm hatte er die Papiere, die Schuldig unterschreiben musste. Der Trupp, mit dem sein ’Schützling’ unterwegs gewesen war, war vor etwa einer Stunde angekommen und offenbar war Schuldig leicht verletzt worden und hatte auf die Krankenstation gemusst. Und er nutze die Gelegenheit, ihn nun die Papiere für die Medikamente unterschreiben zu lassen, die er innerhalb der letzten drei Monate bezogen hatte. Schließlich musste alles seine Ordnung haben und davon abgesehen, dass Brad solchen Papierkram immer so schnell wie möglich erledigte, wollte er die Gelegenheit auch dazu nutzen, sich über den Verlauf der Mission zu erkundigen.

Er kam an Schuldigs Zimmer an und klopfte an. „Schuldig? Kann ich rein kommen?“
 

Tief seufzte Schuldig, als er das Klopfen vernahm, das irgendwie unnatürlich laut in seinem Kopf widerklang. Aber mit seiner momentanen Migräne war das auch kein Wunder. So bequemte er sich auch lieber auf, um die Tür selber zu öffnen, anstatt zu rufen, dass Crawford reinkommen konnte, auch wenn er sich gleichzeitig fragte, was dieser nun schon wieder von ihm wollte.

„Was gibt’s denn?“ fragte der Telepath daher auch gleich nach, während er sich aber wieder auf seinem Bett niederließ.

Hoffentlich war man so gnädig, ihn am nächsten Morgen nicht so früh rauszujagen. Er brauchte einfach etwas Schlaf, um sich wieder zu erholen.
 

„Oh Mann, siehst ja ganz schön fertig aus.“ Dieser Kommentar war mehr eine Feststellung, als das er mitleidig klang.

„Ich wollte dich noch bitten, diese Papiere hier zu unterschreiben, die beziehen sich auf deine Medikamente, auch von der Behandlung eben. Reine Formsache.“

Er war eingetreten und hielt Schuldig die Papiere unter die Nase. Zwar war mitten in der Nacht vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für so etwas, aber schließlich war er auch aus anderen Gründen hier.

„Bei der Abrechnung ist mir übrigens aufgefallen, dass du weitaus weniger Kopfschmerztabletten konsumierst als zuvor. Hast dich ganz schön gesteigert, möchte ich sagen. Wie war denn die Mission?“
 

Auch, wenn er eigentlich total fertig war, hatte Schuldig auf den trockenen Kommentar hin leicht grinsen müssen. Wobei er sich die Frage ersparte, wie sich denn der Ältere fühlen würde, wenn sich dessen Kopf mit einer Vision nach der nächsten füllen würde. Immerhin hatte er bisher ein paar Mal mitkriegen können, wie heftig es den anderen doch immer wieder erwischte.

So grabschte sich der Telepath aber nur die Papiere und den Stift, den Crawford ihm gnädigerweise auch gleich gab, denn in seinem Durcheinander, das zwar nicht offensichtlich aber dafür umso mehr in den paar Schränken herrschte, die er hatte, hätte er ewig nach einem Stift suchen können.

„Ich bin überhaupt froh, ne Steigerung zu spüren, ansonsten hätte ich es doch auf mich bezogen, dass die Mission beinahe schief gegangen wäre. Ich frag mich echt, was die da oben nur verzapfen“, grummelte Schuldig dann aber doch leicht, während er seine Unterschrift unten auf das Papier kritzelte und diese wieder an seinen Boss zurückgab.
 

„Da bist du nicht der Einzige. Aber wir würden unsere erfahrenen Vorgesetzten doch nicht ernsthaft kritisieren, oder?“

Er warf Schuldig einen warnenden Blick zu. Er wusste nicht warum, aber seit sie konkrete Pläne für ihre Flucht geschmiedet hatten, war er umso vorsichtiger. Er nahm die Papiere zurück.

Dann aber ließ er doch etwas fallen: „An der Ostküste von Irland sind zwei Mönche nahe eines Klosters im Wald ermordet worden. Aber vom Täter fehlt jede Spur. Den Opfern sind mit schmalen, spitzen Gegenständen Wunden zugeführt worden.“ Er sah Schuldig fragend an.
 

Auf den warnenden Kommentar musste Schuldig nun aber wirklich grinsen. „Aber nein, das wollen wird nicht“, meinte er dann aber in einem total glaubwürdigen Ton, wobei er nicht glaubte, dass ihm irgendjemand wegen so einer harmlosen Bemerkung gleich die Hölle heiß machte. Schließlich gab es immer wieder genug von solchen Situationen, in denen man einfach mal seinen Frust über den Laden etwas raus lassen musste, das war auch der Organisation nichts Neues.

Doch dann spitzen sich seine Lauscher und er nickte auf den fragenden Blick des Älteren, wobei ein recht zufriedenes Grinsen seinen Platz auf den Lippen des Deutschen fand. Immerhin war das einwandfrei Farfs Handschrift. „Das kann nur ein Irrer sein, der sich an solchen Leuten vergreift.“
 

Das war die Bestätigung, nach der Brad gesucht hatte. Dann war dieser Typ also keineswegs tot oder verschwunden... er war noch immer überaus aktiv.

„Ja, ein Irrer.“ Dabei warf er Schuldig einen skeptischen Blick zu, meinte aber dann: „Morgen hast du erst mal frei - vormittags. Nachmittags habe ich eine Aufgabe für uns beide, die sehr interessant sein dürfte. Also komm in mein Büro um 16 Uhr.“ Damit drehte er sich um und ging auf die Tür zu.
 

„Alles klar, Brad“, grinste Schuldig breit, auch wenn er froh war, wenn er endlich in sein Bett kriechen konnte. Dabei hatte er sich schon zurückhalten müssen, nicht noch ein ~ley anzuhängen, denn noch mehr Kopfschmerzen wollte er dann doch nicht haben.

Aber zumindest konnte er in Ruhe ausschlafen, denn bis 16h sollte er es schon schaffen, wieder munter zu sein, zumindest hoffte der Telepath das.
 

~~~~
 

Wieder glitten Brads Augen zu der schlichten Metalluhr, die ihm verriet, dass es nun eine Minute nach 16 Uhr war. Natürlich, als ob er pünktlich kommen würde... Er fuhr fort, wie wild auf seiner Tastatur herumzuhacken, er fing immerhin pünktlich mit seiner Arbeit an. Kurz sah er dabei auf und blickte auf den zweiten PC, der neben der Tür in der Ecke seines Büros stand. Heute würden sie vielleicht wieder ein Stückchen weiterkommen.
 

Man, warum kamen eigentlich immer dann die beschissenen Alpträume wieder, wenn man sie überhaupt nicht brauchen konnte?! Grummelnd zerrte sich Schuldig sein Stirnband zurecht, um wenigstens etwas Sicht bei seinem Wust aus Haaren zu bekommen, die ihm aber dennoch irgendwie heilig waren. Dann warf er sich noch sein Shirt über, bevor er sein Zimmer verließ und sich auf den schnellsten Weg zu Crawfords Büro machte.

Na immerhin war es nur fünf nach vier, das ging noch. Er hatte sich auch schon schlimmer verspätete. So trat der Telepath nach einem kurzen Klopfen ein, wobei er sich gleichzeitig auf alles gefasst machte.
 

„Z-U S-P-Ä-T!“ hallte es Schuldig aus den unendlich Weiten des dreimal drei Quadratmeter großen Büros entgegen. Dann kam Brad aber zur Sache: „Guten Morgen Schuldig - Man, siehst du übel aus, schlecht geträumt? - Also ich habe einen interessanten Auftrag erhalten, bei dem du mir assistieren sollst. Es geht darum, ein bestimmtes Privatflugzeug in Westeuropa ausfindig zu machen. Frag mich nicht, wofür, man hat es mir auch nicht mitgeteilt, vermutlich ist es die Maschine des nächsten Ziels, aber dieser Auftrag kommt uns doch eigentlich sehr gelegen, wenn du weißt, was ich meine.“

Dieser Auftrag bot die perfekte Gelegenheit, gezielt nach möglichen versteckten Landeplätzen für ihre Flucht zu suchen, ohne dass es irgendjemanden auffiel. Er deutet auf den PC in der Ecke des Büros.

„Du arbeitest dort drüben, die Daten der Maschine habe ich dir rübergeschickt.“ Damit klappte er seinen eigenen Labtop auf.
 

Leise grummelte Schuldig in seinen nicht vorhandenen Bart, denn der Ältere war heute ja mal wieder ganz nett. Aber dessen Laune war wie immer, hätte ihn auch gewundert, wenn nicht. Das musste an dem vielen Kaffee liegen, den dieser immer in sich hineinschüttete. Vielleicht sollte er Crawford mal raten, auf Tee umzusteigen, der wirkte doch angeblich beruhigend.

Aber da er selber nicht grad gute Laune hatte, setzte sich der Deutsche ohne ein Widerwort an den Rechner, fragte sich dann aber einen Moment lang, wie er dieses blöde Flugzeug denn finden sollte. Schließlich war Westeuropa verdammt groß!

Zum Glück fielen dem Orangehaarigen dann aber einige Möglichkeiten ein, während er aber versuchte, den ’versteckten’ Hinweis seines Chefs auch zu folgen, denn so eine Chance musste ja genutzt werden.
 

Brad wunderte sich etwas, dass der andere heute so wortkarg war. Offenbar hatte er wirklich schlechte Laune. Nun ja, aber so konnten sie wenigstens konzentriert arbeiten.

Mehrere Stunden lang war Brads kleines Büro nur vom Klappern der Tasten erfüllt, während nur das nötigste zwischen ihnen gesprochen wurde. Dann schließlich rutschte der Zeiger der Uhr über der Tür auf acht Uhr und Brad sah auf und legte seinen Kopf einmal auf die rechte, dann auf die linke Seite, um den starren Nacken etwas zu lockern.

„Kommst du mit was essen?“ fragte er nüchtern.
 

Einmal tief durchatmend, lehnte sich Schuldig in seinem Stuhl zurück und streckte sich ein wenig. Er wusste schon, warum er solche Arbeit hasste. Lieber schleppte er sich an irgendwelchen Ordnern zu Tode, als die ganze Zeit vor einem flimmernden Bildschirm zu sitzen!

So war er angenehm überrascht über die Frage von Crawford und bejahte diese auch augenblicklich. Immerhin hatte er noch nichts gegessen, da er ja das Frühstück und Mittagessen verpasst hatte und außerdem kam er zu einer Zigarette, die er wirklich dringend nötig hatte. Er wusste schon, warum er diese mitgenommen hatte.
 

Daraufhin begaben sie sich beide in den Speisesaal. Nachdem sich beide mit ihren Tabletts an einen etwas abgelegenen Tisch gesetzt hatten, fragte Crawford: „Und, hast du etwas interessantes gefunden? Der Maschine bin ich noch nicht viel näher, aber zumindest in Irland ist sie nicht“, meinte er völlig unverfänglich, so dass es auch für mögliche Zuhörer unverdächtig klang.

„Aber es gibt dort viele kleine Flugplätze, die in Frage kommen würden“, fügte er doppeldeutig hinzu.
 

„Nein, leider hab ich auch noch keine Spur von der Maschine“, antwortete Schuldig eher nebenbei, bevor er sich über sein Essen hermachte.

Wenn einer der stärkeren Telepathen auf die Idee kam, mal in ihre Köpfe zu gucken, hätten sie sowieso ein Problem, auch wenn ihre Barrieren stark genug waren. Aber so lange sie so taten, als würden sie sich wirklich nur über die Arbeit unterhalten, würde sicher keiner Verdacht schöpfen.
 

Brad bemerkte, dass mit Schuldig heute wirklich nicht viel anzufangen war. Oder, vielleicht war er einfach nur am Verhungern... so wie dieser sich übers Essen hermachte.

„Sag mal, hab ich dir in den letzten Tagen irgendwie Essensentzug als Strafe verordnet?“

Er überlegte, aber nein, er hatte Schuldig so einiges aufgebrummt, aber Nahrungsentzug war nicht dabei gewesen, nein.

„Ich hätte eigentlich erwartet, dass du bessere Laune hast, immerhin rückt der Tag X immer näher.“
 

„Wenn du das wagen solltest, dann kriegst du von mir einen Tritt in den Hintern“, erwiderte Schuldig so leise, dass es nur Crawford hören konnte, aber an seinem Blick sah man ihm an, dass er das ernst meinte. Wenn es ums Essen ging, war er eben sehr eigen, genauso wie bei seinen Zigaretten!

„Hast du denn schon ne Ahnung, wann genau Tag X ist?“ wich der Deutsche dann aber der Frage des Älteren aus und sah diesen neugierig an. Zwar freute es ihn schon mal, dass es anscheinend doch bald losging, dass er heute nicht die beste Laune hatte, konnte er aber dennoch nicht ändern. Es waren einfach seine Träume, die ihm zu schaffen machten und die konnte leider auch keiner abstellen.
 

„Oh, dann habe ich deine große Schwachstelle ja gefunden“, meinte Brad mit einem angedeuteten Grinsen. Er nämlich war aller bester Dinge. Aber dem anderen ging es wohl absolut nicht so und Brad fragte sich, woran es liegen mochte, würde aber auch nicht weiter fragen, schließlich ging es ihn nichts an.

„Bald“, meinte er nur kurz auf die Frage des anderen hin. „Sehr bald, denke ich. Es fehlt nur noch der passende Augenblick. Und der kommt bald. Es ist keine Vision, aber nenn es die Intuition eines Orakels. Ich hoffe nur, du hast nicht die Hosen voll.“

Er musterte sein Gegenüber mit dem mürrischen Gesichtsausdruck. Möglich war schließlich alles...
 

„Du enttäuschst mich. Schätzt du mich wirklich so ein?“ fragte Schuldig nun doch mit einem kleinen Grinsen nach, was ihm half, die dunklen Wolken in seinem Geist etwas beiseite zu drängen.

Schiss hatte er auf jeden Fall nicht, das stand fest. Viel zu lange hatte er darauf warten müssen, endlich eine Gelegenheit zur Flucht zu bekommen und diese auch zu überleben. Jetzt würde er sicher nicht den Schwanz einziehen!

Und wenn er es schaffte, die nächsten Nächte wieder richtig durchzuschlafen, wäre der Orangehaarige auch wieder auf dem Posten. Es wurmte ihn ja selber, dass er noch immer so verdammt anfällig war. Aber irgendwann würde er auch das Problem in den Griff kriegen, dessen war er sich sicher.
 

„Und warum machst du dann so ein Gesicht?“ fragte Brad plötzlich nach, ohne es eigentlich zu wollen.

Er war wirklich der Ansicht, dass es ihn nichts anging, aber aus irgendeinem Grund war er doch etwas neugierig. Na, immerhin war Schuldig die Person, der er - wenn auch nur für kurze Zeit - sein Leben anvertrauen musste. Vielleicht kümmerte es ihn deswegen, was mit ihm los war.
 

„Schwer zu erklären“, meinte Schuldig nur knapp, bevor er sich wieder eine Gabel voll in den Mund schob. Es war ja nicht gelogen, aber jemand das zu erklären, der kein Telepath war, war wirklich nicht leicht.

Doch dann ließ er seine Gabel sinken und sah Crawford aufmerksam an. „Träumst du manchmal davon, wen du alles umgebracht hast?“
 

Brad hielt in seiner Bewegung inne und ließ die Gabel in seiner Hand somit kurz vor seinem Gesicht schweben, während er Schuldig überrascht ansah. Dann ließ er die Gabel sinken, tat so, als würde er kurz nachdenken, wobei er die Antwort natürlich sofort wusste und meinte dann: „Nein, eigentlich nicht. Du?“ Fragend sah er sein Gegenüber an.
 

Na klasse, jetzt wurde es noch schwerer, dem Älteren zu erklären, was mit ihm los war. Aber jetzt zu lügen, um vielleicht ’stark’ dazustehen, wäre auch Quatsch gewesen. So nickte Schuldig leicht auf die Frage.

„Ich weiß nicht, ob du dir das vorstellen kannst. Aber wenn ein Telepath einen Menschen tötet, ist das nicht einfach so abgetan. Manchmal seh ich dann nur verschwommene Bilder in meinem Kopf, manchmal höre ich aber noch konkrete Gedanken oder es spielen sich regelrechte Filmchen in meinem Kopf ab. Irgendwann staut sich das so sehr an, dass es einem den Schlaf raubt. Es ist wie ein Alptraum, der nicht enden will und aus dem man sich nicht befreien kann. Ich muss immer warten, bis ich von allein aufwache... so wie heute.“

Der Deutsche wusste wirklich nicht, ob Crawford verstand, was er sagte, eigentlich spielte das ja auch keine Rolle. Dieser hatte es ja nur wissen wollen.
 

Crawford hörte sehr aufmerksam zu und versuchte, dem anderen zu folgen. Und er konnte sich durchaus vorstellen, was der andere meinte, wenn auch nicht nachempfinden. Es war für ihn ein Beweis mehr, dass Telepathen sich ein ganzes Stück von anderen ESP-lern unterschieden, die Fähigkeit, anderer Leute Gedanken zu lesen, war einfach zu speziell. Aber seine eigene Fähigkeit machte es ihm durchaus auch nicht immer leicht und hatte auch ihn schon beinahe in den Wahnsinn getrieben, somit konnte er zumindest nachvollziehen, wie es war, wenn die Fähigkeit einen selber beherrschte, statt umgekehrt.

„Hm ja, das ist der Nebeneffekt, der entsteht wenn ihr Telepathen euch in ein Gehirn einklinkt. Eurer Training zielt zwar darauf ab, dass ihr die größtmögliche Kontrolle darüber bekommt, aber diese Albträume, wie du sie nennst, werden vielleicht nie wirklich aufhören. So zumindest heißt es in den bisherigen Berichten.“

Er sah Schuldig weiterhin an. „Aber lass dich davon nicht beeinflussen. Wie weit man wirklich gehen kann und wo die Grenzen wirklich liegen, ist auch heute noch nicht bekannt. Vielleicht kommt für dich doch irgendwann der Tag, an dem du damit fertig wirst. Ich denke, du hast deine Grenzen noch lange nicht erreicht.“

Es war Crawfords Art, jemandem Mut zuzusprechen, auch wenn er das nur sehr selten tat.
 

Auch, wenn es ein ernstes Thema war, musste Schuldig einfach grinsen. „Das nehm ich mal als Kompliment.“

Immerhin war es selten genug, dass er solche Worte von seinem Chef hörte und dieser sie auch noch ehrlich meinte und nicht sarkastisch runterrasselte. Das war schon sehr viel wert.

„Ich gedenke sowieso, mich nicht durch irgendwelche Berichte beeinflussen zu lassen. Ansonsten hätte ich schon zwei Stufen eher mit meiner Entwicklung aufhören sollen. Aber dafür bin ich dann doch etwas zu ehrgeizig.“

Vielleicht würde er während ihrer Flucht nicht so viel Zeit haben, seine Kräfte weiter zu testen, aber das war nicht schlimm. Er hatte schon so sehr gute Fortschritte gemacht, die der Telepath selber in diesem kurzen Zeitraum sich nicht zugetraut hätte. Aber das bestärkte ihn nur darin, weiter zu machen und seine Fähigkeit endlich richtig kontrollieren zu können.
 

„Das ist sehr erfreulich zu hören“, meinte Brad darauf nur, widmete sich dann aber wieder seinem Essen.

Zwar gab ihm die Sache durchaus zu denken, er dachte darüber nach, wie es wohl sein musste, solche Filme immer wieder im Kopf ablaufen zu haben. In seinen Visionen sah er immer nur Handlungen, aber nie irgendwelche Gedanken oder Gefühle. Manchmal überraschte ihn auch nachts im Schlaf eine Vision, die ihn aufweckte, aber deswegen schlug er sich keine Nächte um die Ohren. Zumindest nicht mehr...

„Na also, dann gebe ich dir mal für den Rest des Abends frei. Den Rest schaffe ich auch alleine, das, was ich raus finden wollte, habe ich ja.“ Er nickte Schuldig zu.
 

Ein wenig überraschte es Schuldig schon, wie ’gnädig’ der Schwarzhaarige heute zu ihm war, wo dieser ihn doch gern schuften ließ. Aber beschweren würde er sich sicher nicht. „Danke“, grinste er daher schon wieder leicht, machte sich dann aber wieder über seinen Teller her, der ja noch geleert werden wollte.

Doch während er dabei seinen Gedanken etwas nachhing, fiel dem Telepathen etwas ein, das er die ganze Zeit hatte recherchieren wollen. So sah er Crawford wieder an und tat dann etwas, was sicher nie wieder vorkommen würde!

„Kann ich nachher noch mal an den Rechner? Ich müsste noch was nachsehen...“
 

„Ährumpf!“ Brad fiel die Gabel klirrend auf den Teller und er starrte Schuldig verwirrt an.

„Äh... natürlich kannst du...“

Was war denn in den anderen gefahren? Da war er ein einziges Mal gnädig zu seinem privaten Haussklaven, schenkte ihm die Freihit eines Abends und dann verschmähte er sie?

„Was hast du denn vor?“
 

„Ich muss nur was nachsehen“, antwortete Schuldig, musste sich aber wirklich ein Lachen verkneifen und schob sich stattdessen schnell wieder eine Gabel voll von seinem Essen in den Mund. Aber dass er Crawford damit hatte so überraschen können, hätte er auch nicht gedacht. Das musste er sich unbedingt merken, auch wenn es wohl nicht mehr sehr oft vorkommen würde, dass er mal freiwillig so was tat. Aber das hob seine Laune doch ungemein.
 

Crawford ließ es dabei bewenden und so forschten sie an diesem Abend jeder für sich weiter, auch wenn Brad nie erfuhr, wonach sein Partner eigentlich suchte.
 

~~~~
 

Auch die nächsten Wochen verbrachte Brad mit ähnlichen Anstrengungen, um ihrem Ziel näher zu kommen und schließlich hieß es nur noch warten.

Und endlich kam der Tag. Crawford hatte das Fax bereit am frühen Morgen in seine Büro geschickt bekommen. Hastig überflog er den Text, obwohl er ihn eigentlich schon kannte, hatte er ihn doch in der Nacht zuvor bereits in einer Vision gesehen, die ihm angekündigt hatte, dass es nun so weit war.

Das war definitiv ihre Chance! Er ließ Schuldig eine Nachricht zukommen, dass heute eine Gruppenversammlung wegen einer neuen Mission anstünde, allerdings enthielt der Brief auch noch ein paar weitere Informationen, natürlich mit der dringenden Empfehlung, das Papier sofort zu verbrennen...
 

Je weiter sich der Telepath das Schreiben durchlas, desto größer wurde das Grinsen auf seinen Lippen. Na endlich ging es los! Er konnte es kaum erwarten, auch wenn er die letzte Zeit nicht auf der faulen Haut gelegen hatte. Er hatte sogar aufpassen müssen, sich mit seinen Kräften nicht zu überanstrengen, weil er unbedingt versucht hatte, noch mehr Fortschritte zu machen.

Doch dann tat er genau das, was als letztes und ziemlich groß auf dem Zettel stand und zerknüllte diesen, bevor er sich seinen Aschenbecher nahm und diesen darin verbrannte. So würden keine Spuren zurückbleiben und genau das würde ihnen hoffentlich genug Zeit verschaffen.

Erst dann stand Schuldig auf und zog sich sein Shirt über, um zu der Versammlung zu gehen, denn so weit er dem Brief hatte entnehmen können, kamen sie nicht um die Mission rum und mussten an dieser teilnehmen.
 

Als Crawfords Team komplett war, baute er sich vor der Mannschaft auf, um die Mission zu erklären. Niemand wäre etwas an seinem Verhalten aufgefallen, außer, dass er etwas euphorischer als sonst wirkte vielleicht. Schuldig warf er nur einen ganz kurzen Blick zu, bevor er begann.

„Nun, unsere Mission führt uns diesmal wieder etwas weiter weg. Gut 300 Kilometer von hier befindet sich ein Waffenschmugglerlager einer Untergrundbande, die einen ziemlich Umfang erreicht hat inzwischen. Dank der Nachforschungen, die Schuldig vor ein paar Wochen angestellt hat“, Brad erinnerte sich nur ungern an den Fall mit dem Junkie in dem runtergekommenen Kiosk, „konnten wir ihr Lager lokalisieren. Wir werden die Waffen in unseren Besitz bringen, um sie der Regierung auszuliefern. Mit den Schmugglern lässt man uns freie Hand, ihr wisst, was das bedeutet.“

Natürlich war die Regierung nur scharf auf die Waffen, um sie selber weiter zu verkaufen, aber das war nicht länger von Crawfords Interesse.

Er fuhr mit den Erklärungen fort: „Das Lager ist extrem groß, es handelt sich nicht nur um eine Halle, sondern um ein unterirdisches Geflecht von Tunneln, in denen sie sich wie Ratten verstecken. Deshalb werden wir mit mehrere Teams auffahren, darum ist äußerste Kooperationsbereitschaft gefragt. Verstanden?“
 

Neugierig hörte Schuldig zu, denn das versprach, richtig spaßig zu werden. Aber er war ja auch kein Narr und wusste, dass es ebenso gefährlich werden konnte, wenn die Zusammenarbeit nicht gut klappte. Andererseits war das gar nicht mal so sehr in seinem Interesse, verstand er doch jetzt, warum Crawford genau auf diesen Zeitpunkt gewartete hatte. Denn so ein unterirdisches System bot nicht nur den Schmugglern gute Versteckmöglichkeiten und die Tatsache, dass sie mindestens zwei Tage für die Mission brauchten, hieß auch, dass sie es sogar schafften, ein paar Klamotten unauffällig mitzunehmen.

So nickte der Deutsche, wie auch alle anderen, auf die eher rhetorische Frage, wobei er sich diesmal doch etwas mehr anstrengen musste, richtig ernst zu bleiben.
 

Bald war die Mission erklärt und schon brachen sie auf. Sie hatten keine Möglichkeit, mit einem Flugzeug unbemerkt auch nur in die weitere Umgebung des Lagers zu gelangen, also rückten sie mit unauffälligen Pkws an. Brad hatte keine Gelegenheit mehr, mit Schuldig allein zu sprechen, denn von nun an waren sie andauernd von anderen Personen umgeben. Es war ein regelrechter Grosseinsatz und auch die Anspannung war entsprechend groß, denn je mehr Leute gebraucht wurden, desto klarer war, dass vermutlich auch viele von ihnen vielleicht nicht zurückkommen würden.

In dem Kleinbus, in dem Crawford und Schuldig saßen, herrschte eine Spannung, die fast unerträglich war und ständig wurde Brad mit Fragen bombardiert, auf die er immer nur die gleichen Antworten hatte. Er bedauerte es, dass er sich mit Schuldig nicht weiter besprechen konnte, hoffte aber, dass sie sich auch so verstehen würden, wenn es darauf ankam.

Seine Barrieren zu senken, traute Brad sich nicht, denn dann bestünde die Gefahr, dass ein unerwünschter Zuhörer sich einmischte, wenn er versuchen würde, Schuldig mental etwas mitzuteilen.
 

Dieser fand es selber etwas blöd, denn er hätte schon ganz gern gewusst, wie genau Crawford es denn nun anstellen wollte, dass sie unbemerkt die Fliege machen konnten. Aber er würde sich in Geduld üben müssen, vielleicht ergab sich später noch eine Gelegenheit, dem auf den Grund zu gehen.

So sah Schuldig die Fahrt über aus dem Fenster und betrachtete sich die vorbeiziehende Landschaft, die er, mit viel Glück, schon bald hinter sich lassen konnte. Zumindest wünschte er es sich, denn so würde er endlich das Versprechen wahr machen können, dass er sich selber vor langer Zeit gegeben hatte. Und er hatte nicht vor, das nicht zu tun!

Bei diesem Gedanken ging sein Blick zu dem Orakel, den er nur kurz ansah, bevor er sich einfach entspannt in seinem Sitz zurücklehnte und leicht die Augen schloss. Schlafen wollte der Deutsche nicht, nur ein bisschen Ausruhen. Die Fahrt würde ja schließlich noch etwas länger dauern.
 

Endlich waren sie am Ziel angekommen. Die Operation verlief nur anfangs nach Plan. Einzelne Trupps wurden gebildet und man infiltrierte das Gebäude. Allerdings waren die Schmuggler nicht ganz unvorbereitet und sie wussten, ihr Tunnelsystem mehr als gut zu nutzen. Trotz der Pläne, die sie alle hatten, tauchten immer wieder Abzweigungen und Gänge auf, von denen sie nichts wussten und es erforderte die komplette Kraft aller, sich nicht zu verlaufen oder in einen der vielen Hinterhalte zu geraten, die hier auf sie lauerten.

Es war dunkel und feucht überall. Die langen Gänge waren uralt und wurden von Getier bevölkert, von dem Brad nicht einmal den Namen wusste.

Viel zu schnell verloren sie Funkkontakt zu den anderen und waren als Trupp von einem Dutzend Mann auf sich allein gestellt. Doch durch die ständigen Verwirrungen und die Verletzten, die umkehren mussten, wurden sie immer mehr auseinander gesprengt, je tiefer sie vordrangen. Normalerweise eine Katastrophe, aber für Crawford und Schuldig hätte es optimaler nicht laufen können.

Jedoch bestand auch die Gefahr, dass sie es alleine nicht mehr hinaus schafften und das trieb Brad den Schweiß auf die Stirn, während sie sich durch die stickige Luft kämpften. Schließlich waren sie nur noch zu viert, ihre beiden Begleiter waren erschöpft und stolperten mehr, als dass sie gingen. Brad warf Schuldig einen fragenden Blick zu.
 

Diesem machte es nicht so viel Sorge, wie sie hier wieder rauskommen sollten, denn irgendwo fand sich immer ein Weg. Eher sorgte es ihn, dass die Luft so dermaßen stickig war, dass sie es, selbst wenn sie einen Ausgang fanden, doch nicht zu diesem schafften, weil sie vorher zusammenbrachen. Aber noch ging es ihm besser, als den anderen beiden, die sich immer wieder an den Wänden abstützten, um nicht einfach umzufallen.

So nickte er auch leicht auf Crawfords Blick, auch wenn der Telepath nicht genau wusste, auf was sich dieser nun konkret bezog. Darauf, ob er noch konnte, auch wenn ihm der Schweiß über die Stirn rann oder ob er bereit für die Flucht war. Aber egal was, es traf auf beides zu. Eigentlich wartete er schon die ganze Zeit nur auf eine günstige Gelegenheit und hoffte, diese endlich gefunden zu haben.
 

Damit hatte Brad das Zeichen, dass es einen besseren Zeitpunkt nicht mehr geben würde. Schuldig war offenbar auch bereit. Damit drehte er sich blitzschnell um und noch bevor ihre beiden erschöpften Mitstreiter verstanden, was geschah, zückte er seinen Revolver und zwei Schüsse hallten durch die schwarzen Gänge. Schwer atmend, steckte Brad die Waffe weg.

„Hätte ich sie nur niedergeschlagen, hätten sie später geredet.“ Mehr sagte er dazu nicht.

„Komm, laut Plan müssten wir durch diesen Gang hier zu einem Abwassertunnel kommen. Die Öffnung ist etwa zwei Kilometer von dem Tunnelgelände entfernt. Durch irgendeinen Kanaldeckel müssen wir versuchen, hinaus zu kommen. Aber keine Sorgen, ich hab an alles gedacht.“

Somit zeigte er Schuldig die Innentasche seines Jacketts, in der sich tatsächlich eine kleine Bombe befand. „Entschuldige dass ich dir das nicht gesagt hab, aber vielleicht wärst du nervös geworden, wenn du gewusst hättest, dass, wenn ich von einer Kugel getroffen werde, wir alle in die Luft fliegen.“

Das war wohl waschechter Galgenhumor, dachte Crawford noch bei sich, während er loslief und Schuldig bedeutete, ihm zu folgen.
 

~~~~
 

Fortsetzung folgt...



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von: abgemeldet
2007-04-08T10:34:14+00:00 08.04.2007 12:34
Wha sorry, hab beim Durchblättern meiner Favos grade gemerkt, dass ich hier noch kein Kommentar hinterlassen habe >< Tut mir leid~
Ich stimme meinen Mitlesern zu, die Geschichte ist so toll und so spannend, ich bin total verliebt xD
Zudem du die beiden einfach wundervoll darstellst!
Informierst du mich, wenn es weitergeht?
Von:  Anuri
2007-01-09T21:06:28+00:00 09.01.2007 22:06
ich unwürdige...ich hab das Kapitel erst jetzt gesehen...

Es ist mal wieder total genial!! Bitte ihr müsst einfach schnell weiter schreiben!! dann auch noch an so einer Stelle auf zu hören...total gemein! *g* Macht weiter so!!
Von:  Egnirys
2006-12-04T01:40:44+00:00 04.12.2006 02:40
*_*
omfg...deine FF is ja total spannend 8(><)8
*hibbel*
schreib bald weiter, ja? *_*
<3
^-^V
Von: abgemeldet
2006-07-13T22:07:34+00:00 14.07.2006 00:07
ich find die story voll süß^^
ich würde mich riesig freuen wenn sie fortgesetzt werden würde^^
ich werd ein auge drauf werfen^^

ciao^^
Von:  Anuri
2006-06-26T10:57:26+00:00 26.06.2006 12:57
Die Geschichte ist ja mal richtig genial!!
ein nettes pläuschen mit Farf *g*
Schu ist richtig genial!!
Was für nette Bilder hat Schu denn gesehen?
Ich möchte wissen wie es weiter geht!! Bitte schreibt schnell weiter!!
Von: abgemeldet
2005-10-31T01:04:44+00:00 31.10.2005 02:04
die geschichte fängt gut an*
+wirklich*
*ich würde gerne mehr davon lesen*
+und wissen wies weitergeht mit schu und braddy*
*einige szeen fand ich richtig niedlich*
*die wo schu brad anfaucht*
*oder immer wenn brad über seinenw agen nachdenkt*
+oder wo sie die ersten gemeinsamkeiten entdecken*
*oder die ganz zum schluss*
*hach*
*weiter so^^*


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