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Hundeyoukai jenseits des Meeres

Die dritte Staffel
von

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Izanagis Tempel

Da ihr was von Shiro hören wolltet, kommt hier ein kurzer Blick auf sie. Ansonsten sollte natürlich die Kavallerie wissen, mit was sie es hier zu tun bekommen, nicht wahr?
 

8. Izanagis Tempel
 

In dem düsteren Licht des Kellerverlieses lehnte Shiro an der Wand. Sie hielt die Augen geschlossen und bewegte sich nicht. Nur das leichte Heben und Senken ihrer Brust verriet, dass sie atmete, noch am Leben war.

Ihre Gedanken waren allerdings nicht sehr angenehm. Wenn sie die Tageszeiten richtig berechnet hatte, waren es schon vier Tage, in denen sie hier gefangen saß. Dies war genug Zeit, damit Dai Oya seine Berechnungen vollenden konnte. Vielleicht mochte er noch auf eine gewisse Sternkonstellation warten, aber ihr war klar, dass ihre Zeit hier ablief. Die Stunde näherte sich unaufhaltsam, an der man sie aus diesem Kerker abholen und hinauf in die Halle führen würde, dort an dieses Brett fesseln würde. Dies wäre der Anfang ihres Sterbens. Sie entsann sich nur zu gut, wie die Überreste des Youkai ausgesehen hatten, der vor ihr dieses Schicksal erlitten hatte. Ihre Vorstellungskraft reichte aus, um sich jede einzelne Empfindung ausmalen zu können, die sie dann dort fühlen würde, stundenlang, tagelang, wochenlang. Sie würden nur zu gut aufpassen, dass sie nicht rasch sterben würde. Sie setzte sich auf, mit geweiteten Augen und rasendem Puls. Etwas drang aus ihrer Kehle, das ein Winseln war und sie bohrte ihre Fangzähne in ihre Hand, um es zu unterdrücken.

Bewusst atmete sie tief durch, versuchte, sich zu entspannen. Aber sie fühlte sich gar nicht mehr wie eine kriegerische Youkaiprinzessin, eher wie ein Menschenkind, das im dunklen Wald des Nachts um sich Monster lauern sah. "Aite..." flüsterte sie. Das war noch ihre einzige Hoffnung. Ihr Gefährte.
 

Sesshoumaru blieb auf einem Hügel stehen. Yuri trat neben ihn. Vor ihnen fiel die Anhöhe steil ab. Von hier aus hatten sie einen guten Überblick über den Dschungel vor ihnen, der sich scheinbar in endlose Fernen erstreckte. Diese wilde Insel war sicher größer, als die, auf der sie zuerst gewesen waren. Die Gerüche und Geräusche des fremden Urwaldes waren faszinierend, aber beide Hundeyoukai blickten nach Westen, versuchten dort zu erkennen, wo das Meer sei. Wie sie dann von dieser Insel nach Duen Kor kommen sollten, war im Augenblick beiden noch ein Rätsel, aber das hatte Zeit. Wichtiger war, herauszufinden, ob sich hier vielleicht der alte Tempel befand, den sie auf Izanagis Befehl hin besuchen sollten. Der Schöpfergott hatte ihnen versprochen, dort Rat zu geben, und sie wussten, dass sie auf diese Hilfe nur zu angewiesen waren.

Yuri nahm den Blick nicht vom Horizont: "Wir müssen jemanden fragen, ob sich ein Tempel oder Tempelruinen hier befinden."

Der Hundefürst schwieg zu so einer Selbstverständlichkeit.

Daher fuhr sein Cousin langsam fort: "Ich denke, dir ist klar, Taishou, dass das ein erneuter Zeitverlust ist. Es mag gut sein, dass, wenn wir Dai Oya finden, Shiro bereits unter der Erde liegt, unerreichbar selbst für Tensaiga."

Sesshoumaru sah geradeaus. Seiner Meinung nach sollte sie nirgendwo liegen, außer in seinem Arm. "Ich weiß."

Der Youkaiprinz warf ihm einen raschen Blick zu, ehe er ebenfalls wieder in den Westen schaute. Jeder, der den Ausdruck in den Augen des Herrn der Hunde gesehen hatte und noch ein Wort zu diesem Thema verlor, hätte verdient, dass auf seinem Grabstein stünde: er war zu dumm zum Leben. Nicht nur um abzulenken sagte er: "Diese Witterung..."

Auch Sesshoumaru hatte den Geruch in der Nase. Und das war endlich einmal eine positive Überraschung. Er setzte sich in Bewegung.
 

Sein Name war Yusaku. Die rüsselartige Nase und die verlängerten, gebogenen Eckzähne machten jedem klar, dass es sich um einen Wildschweinverwandten handelte. Seine spitzen Ohren und die klauenartigen Hände verrieten den Youkai. Er war einer der klügsten Youkai der gesamten wilden Insel, was allein durch die Tatsache bestätigt wurde, dass er hier noch immer lebte. Seit vor gut zehn Jahren plötzlich und unerwartet irgendetwas geschehen war, das den Einsatz von Youki verhinderte, war er der einzige seiner Familie gewesen, der die Konsequenz daraus gezogen hatte, sich in den tiefen Dschungel zurückgezogen hatte. Wie er nun wusste, war das die beste Entscheidung seines Lebens gewesen. Menschen waren über das Meer gekommen, hatten seine Familie mitgenommen. Ohne Dämonenenergie war die Überzahl selbst solch einfacher Geschöpfe wie Menschen, zuviel gewesen. Yusaku hatte auch nur zu gut mitbekommen, wie die Menschen auch auf andere Youkai Jagd gemacht hatten. Soweit er wusste, lebten hier nur noch wenige Dämonen, die meisten sehr primitive. An denen hatten die Menschen keinerlei Interesse gehabt. Seine eigene Gattung schien bis auf ihn selbst erloschen zu sein.

Er bückte sich ein wenig, suchte in dem abgestorbenen Baumriesen nach leckeren Maden, als er plötzlich erstarrte. Ein Geruch hatte seine Nase getroffen, den er schon seit Ewigkeiten nicht mehr gewittert hatte. Langsam richtete er sich auf, während er angespannt lauschte, schnupperte. Dann fuhr er nach rechts herum.

An einem Baum dort lehnte ein fremder Youkai. Er hatte noch nie einen solchen gesehen, mit weißen Haaren, aber der Unbekannte trug in jedem Fall Rüstung und Schwert. Und der Geruch verriet, dass er ein Fleischfresserverwandter war, ja, das musste ein Hundeyoukai sein. Yusaku brauchte nicht weiter nachdenken. Raubtier hieß für ihn instinktiv Alarmstufe Eins. Und auch, wenn er sein Youki noch immer nicht einsetzen konnte, der ungebetene Gast dies wohl auch nicht könnte - er selbst war unbewaffnet und der andere trug zwei Schwerter.

"Guten Tag", sagte Yuri: " Eine Frage."

"Ja....ah?" dehnte Yusaku, wich instinktiv zurück, ehe ihm bewusst wurde, dass der gleiche Geruch ebenso von hinter ihm kam. Er fuhr herum. Auch dort stand ein bewaffneter Hundeyoukai. Sie hatten ihn eingekreist. Und er hatte, verdammt, nicht das Geringste bemerkt. Hektisch überlegte er. Sie waren Fleischfresser - aber sie schienen nicht auf der Jagd zu sein. Und sie waren bewaffnet. Flucht? Wie und wohin? Immerhin hatte der da was von einer Frage gesagt. So fuhr Yusaku fort: "Was willst du wissen?"

"Gibt es auf dieser Insel einen alten Tempel, der einst Izanagi, dem Schöpfergott geweiht war?"

"Izanagi...dem Schöpfergott..." Der Wildschweinyoukai versuchte, Zeit zu gewinnen. Was wollten die denn da? Und was sollte das? Aber er bemerkte durchaus, wie diese beiden weißhaarigen Youkai fast gleichzeitig die Hand an ein Schwert legten - eine eindeutige Drohung. "Ja...nun, ich weiß von Tempelruinen, " erklärte er daher hastig: "Aber ich weiß nicht, ob das das ist, was ihr sucht."

"Gibt es nur diese auf der Insel?"

"Ich denke.....also, ich kenne nur diese. In den Bergen." Yusaku deutete nach Norden. "Dort..."

"Zeig sie uns." Der andere Hundeyoukai sprach zum ersten Mal.

Yusaku begriff plötzlich. Sie wollten ihm nichts tun, würden ihm nichts tun, solange er ihnen nur diesen Tempel zeigte. Nun, das war ein geringer Preis zum Überleben. Denn er bezweifelte nicht, dass er bei einer Weigerung teuer dafür bezahlen würde. Was sie nur bei diesen Ruinen wollten? Aber er sagte: "Dann...schließen wir einen Vertrag?"

"Hm", machte Yuri.

"Ich...ich zeige euch die Ruinen. Und ihr versprecht, mich nicht zu fressen."

"Einverstanden." Der Youkaiprinz wartete das Nicken des Herrn der Hunde gar nicht ab. Was sich dieses Wildschwein nur vorstellte. Ihm graute davor, so etwas essen zu sollen.

"Gut." Yusaku verschwendete einen kurzen Gedanken daran, ob sich diese Fleischfresser auch an den Vertrag halten würden. Aber er beschloss, ja. Soweit er je gehört hatte, hatten schwerttragende Youkai ihren eigenen Stolz, egal, um welche Sorte es sich handelte. Dann würden sie kaum ihr Wort brechen. Und dieser Tempel schien ihnen wichtig zu sein, wichtiger zumindest als ein Wildschweinbraten zum Abendessen. So sagte er: "Kommt." Und wandte sich Richtung Norden. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass die beiden Hundeyoukai ihm folgten. Er konnte sie nur zu deutlich wittern. Und er konnte nicht verhindern, dass sich seine Haare im Nacken aufstellten.
 

Schweigend führte Yusaku seine Begleiter nach Norden. Er hatte ein wenig das Tempo erhöht, lief mehr durch den Urwald, auf den Pfaden, die er hier nur zu gut kannte. Wie er erwartet hatte, hatten die fremden Youkai keine Schwierigkeiten, mit ihm mitzuhalten. Die Nacht brach herein und es begann zu dunkeln. Ob er es riskieren sollte, mit einigen weiten Sprüngen seitlich in dem undurchdringlichen Wald zu verschwinden? Aber sie würden gewiss seine Spur finden. Er versuchte sich an alles zu erinnern, was er je über Hundeyoukai gehört hatte, aber das war nicht sehr viel gewesen. In dieser Gegend der Welt gab es keine, so dass Zusammenstösse für gewöhnlich auszuschließen waren. Aber er entsann sich, dass sie mit zu den stärksten Youkai zählen konnten. Und selbst hier, ohne Youki, waren sie noch immer stark und gut genug, mit ihm locker mitzuhalten.

Erschreckt zuckte er zusammen, als sie plötzlich rechts und links von ihm waren. So blieb er stehen: "Äh...was...?" brachte er hervor.

"Denk nicht einmal dran", empfahl Yuri. Sie hatten gewittert, dass sein Adrenalinspiegel angestiegen war, und vermutet, er plane eine Flucht.

"Wir haben einen Vertrag", verteidigte sich Yusaku, der nur zu gut verstanden hatte. Also hatte er keine Chance.

"Ja."

Da er weiterging, schlossen sie sich ihm wieder an.
 

Sie wanderten die gesamte Nach hindurch, den folgenden Tag, ehe sie am späten Nachmittag die Ausläufer der Berge erreichten.

Der Wildschweinyoukai drehte sich um: "Ich...es ist einige Zeit her, dass ich hier war. Diese Ruinen liegen in einem Talkessel. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke, wir müssen nun nach rechts gehen. Seht ihr, dort, wo diese beiden Bergspitzen sind." Täuschte er sich, oder schien ein Schwert an der Hüfte des wohl mächtigeren der beiden Hunde zu pulsieren?

Sesshoumaru legte die Hand an Tensaiga, um zu zeigen, dass er den Hinweis verstanden hatte. Das musste die Richtung sein - und dort musste sich der Tempel des Schöpfergottes befinden, der älteste Tempel der Welt: "Führe uns dorthin."

"Ja, natürlich." Yusaku ging weiter. Was blieb ihm schon anderes übrig. Immerhin hatten sie ihm bislang nichts getan. Wobei er nicht einschätzen konnte, ab wann diese Raubtiere Hunger bekommen würden. Oder waren sie so hochrangig, dass sie auf Nahrung wie ihn verzichten konnten? Das hoffte er. Aber ohne die Stärke des Youki zu spüren, war eine solche Einordnung mehr als schwierig.

Er blieb erst wieder stehen, als sich vor ihnen ein Talkessel öffnete. An dessen anderen Ende war in die steil aufragenden Felsen ein terrassenartiger Tempel gebaut worden. Noch heute erkannte man die Stufen der einzelnen Stockwerke. Aber alles war nur mehr wie eine Ruine. Umgestürzte Säulen, eingefallene Mauern zeugten von Erdbeben und Verfall.

Yusaku wandte leicht den Kopf: "Ist es das?"

"Ja." Yuri warf kurz einen Blick zu dem Hundefürsten, ehe er sagte: "Du kannst gehen."

Der Wildschweinyoukai ließ sich das nicht zweimal sagen. Noch während er eilig davonlief, überlege er, was diese beiden verrückten Youkai wohl in den Ruinen eines Tempels wollten, den einst vermutlich Menschen errichtet hatten. Aber letztendlich ging es ihn nichts an und er war froh, mit heiler Haut davongekommen zu sein.
 

Sesshoumaru ging langsam näher. Izanagi hatte ihnen ausrichten lassen, sie sollten hierher kommen. Wenn der Schöpfergott dies wünschte, so hatte das gewiss einen guten Grund. Und ein Zusammentreffen mit ihm war sicher nur im Allerheiligsten möglich. Der Bote der Sonnengöttin hatte da etwas von einem dunklen Spiegel erwähnt, durch den Izanagi einst mit den Priestern hier Kontakt hatte aufnehmen können. Dieser Bereich würde sich vermutlich im obersten Stockwerk befinden.

Yuri kam an seine linke Seite, bewahrte allerdings den höfischen Respektsabstand von einem Meter, teils aus zeremoniellen, teils aus praktischen Gründen. So konnte er einen Angriff von hinten oder von links abfangen, ohne dass er dem Inu no Taishou beim Ziehen von dessen Schwert in die Quere kam, sie sich gegenseitig behinderten, als sie sich langsam dem verfallenen Tempel näherten.

Obwohl sie sorgfältig witterten, schien es hier keinerlei Leben zu geben. Aber das stimmte sicher nicht. Sie entdeckten Ameisenstrassen, Spuren von kleinen Füssen mit Krallen an sandigen Stellen. Dennoch schien hier irgendetwas zu verhindern, dass sie ihre volle Sinnenkraft einsetzen konnten. Ohne Youki, und nun auch noch in der Wahrnehmung beschränkt - Sesshoumaru fühlte sich sehr an die unglücksselige Zeit erinnert, als er für zwei Tage nichts als ein Mensch war. Aber er schwieg selbstverständlich zu diesem Thema. Nie hätte er sich so weit selbst gedemütigt, davon Yuri ein Wort zu erzählen.

Ihre Schritte wurden ein wenig mühsamer, als sie die ersten Stufen erreichten, die empor auf die zweite Terrasse führten. Zum Teil waren die abgebröckelt, obwohl sie aus massivem Fels bestanden, zum Teil lagen Steine oder gar herabgestürzte Säulen im Weg. Sie mussten an manchen Stellen die Hände zu Hilfe nehmen, eher wie Menschen klettern. Und sie vermissten beide ihre Dämonenenergie. Es wurde wirklich Zeit, dass man das Sternjuwel wieder aus dieser Welt entfernte. Hoffentlich konnte Izanagi ihnen da einen guten Rat geben.
 

Auf der ersten Terrasse öffnete sich eine weite Säulenhalle, die weiter in den Berg hinein führte. Vermutlich hatten hier einst Zeremonien mit vielen Beteiligten stattgefunden. Jetzt war die Halle hinten eingestürzt, von der Felswand wieder verschlungen worden. Aber rechts und links führen noch immer erkennbare Treppen auf die nächste Ebene. So wandten sich die Hundeyoukai nach rechts, da diese Stufen noch besser erhalten schienen.

Auf der zweiten Ebene des Stufenbaus entdeckten sie, das hier wohl einst die Priester gelebt hatten. Soweit man aus den Ruinen noch etwas entziffern konnte, handelte es sich um viele kleine Kammern, die sich wohl ebenfalls in den Berg hinein gezogen hatten. Hier führte eine breite Treppe hinauf auf die dritte Terrasse, wieder in der Mitte der Tempelfront. Und ab jetzt benötigten sie dauernd eine Hand. Die Stufen waren kaum zu erkennen, wohl abgeschliffen durch Wind und Wetter oder die von der Felswand oberhalb des Tempels herabgestürzten Steine. Es war eine etwas gewagte Kletterpartie und Yuri fragte sich kurz ein wenig besorgt, wie sie hier wieder hinab kommen könnten. Mit Youki wäre das kein Problem, aber so? Das konnte peinlich werden.
 

Der führende Sesshoumaru blieb auf der mit kleineren und grösseren Geröllbrocken angefüllten obersten Etage des Tempels stehen. Vor ihm war eine Art kleine Halle, die in die Felsen führte. Das musste das Allerheiligste sein. Langsam ging er näher. Tensaiga begann erneut zu pulsieren, für ihn das sichere Zeichen, dass das Schwert die Nähe eines Wesens der anderen Welt spüren konnte. Er legte die Hand an den Griff, um die Klinge zur Ruhe zu bringen. Yuri war wieder schräg hinter ihm, blickte sich um. Aber nichts verriet, dass es hier Leben gab, etwas Verdächtiges.

Nach dem offenen Tor, das seltsamerweise vom Steinschlag verschont geblieben war, öffnete sich ein dunkler Gang. Sie hatten keine Wahl und so betraten sie ihn ohne Zögern. Zu ihrer gewissen Verwunderung erreichten sie bereits nach zwanzig Schritten eine Kammer, die beleuchtet wurde. Sie blickten empor. Hinter ihnen war einst ein Fenster in die Felswand geschlagen worden, durch das noch immer Licht in das Allerheiligste fiel. Genau gegenüber diesem Fenster lag ein alter Altar. Und hinter dem....

Beide hielten unwillkürlich den Atem an.

An der Wand dort war etwas, das man am ehesten als mannshohen Spiegel bezeichnen konnte. Ein goldener, mit Edelsteinen besetzter Rahmen verriet, wie wertvoll er seinen Eigentümern einst gewesen sein musste. Aber dort, wo gewöhnlich Bronze oder Glas war, war in diesem Spiegel nichts. Nur eine Schwärze, die allerdings absolut war. Als sie genauer hinsahen, erkannten sie, dass sich dieses Dunkel bewegte, wie Nebelschleier in dem Spiegel hin und her zu ziehen schien. Und keiner der beiden bezweifelte, dass sie Izanagis Spiegel gerade gefunden hatten, den Weg, auf dem der Schöpfergott einst hier mit seinen Priestern gesprochen hatte. Und wohl auch der Weg, auf dem Dai Oya das Sternjuwel stehlen konnte.

Sesshoumaru trat näher, blieb kurz vor dem Spiegel stehen. Tensaiga pulsierte fast hektisch. Yuri hielt sich höflich abseits. Soweit er wusste, wollte Izanagi nur mit dem Träger von Tensaiga sprechen. Sprechen? Hm.

Die Nebel in der Schwärze schienen aufzuwallen, als eine dunkle Stimme sagte: "Wie schön, dich einmal zu sehen, mein Junge."

Während der Herr der westlichen Gebiete kurz überlegte, wer ihn zuletzt "mein Junge" genannt hatte, sagte er höflich: "Ihr wolltet mich sprechen, Izanagi-sama?"

"Ja. Du trägst Tensaiga. Seine Magie ist ebenfalls aus der anderen Welt, meiner Welt. Und es ist die einzige Möglichkeit, die es gibt, das Sternjuwel zu zerstören. - Zu meinem Bedauern ist es mein Fehler gewesen. Ich werde es dir, euch, kurz erzählen. Wie der Bote Amaterasus schon berichtet hatte, war Dai Oya einst hier in diesem Tempel. Er strebte nach Erleuchtung, wie so viele. Und er war einer der brillantesten Magier, die je existiert haben, wenn nicht der allerbeste. Mein bester Schüler, mein größter Fehlschlag. Denn ich war einfach zu eitel."

Es tat fast weh, den Schöpfer allen Lebens sich selbst als eitel bezeichnen zu hören. Aber Sesshoumaru schwieg. Es ziemte sich sicher nicht, ihn zu unterbrechen.

"Vor Begeisterung über seine Erfolge förderte ich ihn, wo ich konnte. Und übersah dabei, dass er doch nur ein Sterblicher war. Und dass er mit all seinem Wissen, seiner erworbenen Macht darüber nicht hinwegkam. Er strebte nach mehr Macht und schließlich dem ewigen Leben. Zu dieser Zeit war die Magie, die heute im Sternjuwel ist, noch in mir. Sie ermöglichte es mir, zwischen den Welten zu reisen, auch den anderen Göttern, meinen Kindern und anderen, zwischen eurer und meiner Welt zu wechseln, auch in das Totenreich zu gelangen. Dai Oya überredete mich, diese Magie in einen festen Gegenstand zu bannen, so eine Art Portal zu erschaffen, damit es auch ihm möglich würde, mich zu besuchen. Blind vor Stolz und Freude tat ich ihm den Gefallen. Und er stahl das Sternjuwel. Seit dieser Zeit bin ich nun hier in der anderen Welt gefangen und kann nicht mehr in die eure, ebenso, wie die Götter nicht mehr zu mir gelangen können. und niemand von uns kann mehr in das Totenreich."

Darum waren auch alle Götter so daran interessiert, das Sternjuwel zurückzubekommen, begriffen die Hundeyoukai. Mit dem Diebstahl hatte Dai Oya vor fünftausend Jahren die gesamten Welten getrennt. Kein Wunder, dass ihn da einige Leute auf ihrer Liste sehr weit oben hatten.

Izanagi fuhr ruhig fort: "Nun hat er den Fehler begangen, aus seinem Versteck wieder aufzutauchen, das Sternjuwel einzusetzen. Wie ihr gewiss bemerkt habt, verhindert es die Aufbietung von Magie eurer Welt. Allein Tensaiga kann daher gegen das Sternjuwel eingesetzt werden. Aber dies für sich reicht nicht aus. Nimm Tensaiga, Sesshoumaru, und stoße es in meinen Spiegel. Damit wird eine Verbindung geschaffen. Ich werde die Klinge mit meiner Energie aufladen. So wirst du fähig sein, mein Juwel zu zerstören. Aber seid gewarnt. Yuri, du wirst dieses Schwert dann nicht berühren können."

Der wollte schon sagen, dass er daran nicht einmal im Traum gedacht hatte, sparte es sich aber.

"Sesshoumaru. Wenn du das Sternjuwel zerstört hast, wird die Energie darin auch in Tensaiga übergehen. Das mag hart für dich werden. Danach kommt auf dem kürzesten Weg zurück. Ihr werdet gewiss Portale erschaffen können. Und gib mir meine Energie und die Energie des Sternjuwels zurück."

"Ja, Izanagi-sama." Der Fürst der westlichen Gebiete sagte es ruhig, aber der Schöpfergott wusste in diesem Moment, dass das ein Versprechen war. Sesshoumaru zog das Schwert, das noch immer lebhaft pulsierte und stieß es in die Schwärze des Spiegels vor ihm. Es war, als berühre er eine weiche Masse. Und dann hätte er fast aufgestöhnt, als er eine ungeheure Energie mitbekam. Das war kein Youki, das war kein Genki, das war alles zugleich und noch darüber. Er begriff, dass er gerade über die Klinge die Macht Izanagis spürte. Er konnte förmlich fühlen, wie sich das Schwert mit der Energie anfüllte.

"Gut", meinte der Gott schließlich: "Das sollte reichen. - Wenn ihr meinen Tempel nun verlasst, haltet euch rechts am Gebirge. Da werdet ihr die Reste einer alten Strasse finden, die euch an das Ufer dieser Insel geleiten wird. Von dort aus ist es nicht sehr weit über das Meer nach Duen Kor, der Insel, auf der die Hauptstadt heute liegt."

Der Hundefürst zog sein Schwert zurück, schob es fast hastig in die Scheide. Er konnte die unbekannte Dynamik, die ungeheure Energie in der Klinge spüren. Ganz sicher würde er Izanagi das zurückgeben, so schnell wie möglich. Dies war keine Macht, die einem auch noch so starken Youkai ziemte.

"Ich danke Euch..." sagte er nur, ehe er sich abwendete und ging. Yuri schloss sich hastig an.

Izanagi sah ihnen nach, solange es ihm durch den Spiegel möglich war. Wenn ihm je zuvor jemand gesagt hätte, seine Hoffnung gründe sich auf zwei starken, stolzen und sturen Hundeyoukai...Nein, drei. Er durfte Shiro nicht vergessen.
 

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Stimmt. Man sollte Shiro nie vergessen.Aber ihr gehört erst wieder das übernächste Kapitel.
 

Das nächste Kapitel heisst "Menschen, Hanyou und Youkai". Ihr erfahrt, was Inyuasha in seiner Freizeit treibt und wie zwei Youkai lernen, wie man sein Schwert kaputtmachen kann...
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, dem schicke ich wie gewohnt eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet ist.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (32)
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Von:  Haasilein
2006-01-14T09:43:50+00:00 14.01.2006 10:43
Da hatten die beiden aber Glück, einen Führer gefunden zu haben, aber ich denke, notfalls hättensie den Tempel auch so gefunden ^^.

Mich hat eigentlich gewundert, dass Yuri den Tempel auch so einfach hat betreten können. Das mit Tensaiga wird sicher noch spannend.

Bis bald
Haasilein
Von:  Hrafna
2006-01-14T08:51:03+00:00 14.01.2006 09:51
Morgen! ^.^
Da ich heute schon so früh auf bin, nutze ich gleich mal meine Zeit, um hier meinen Kommie abzuliefern.
Das arme Wildschwein hatte bestimmt Todesangst, als Yuri und Sess ihn so eingekesselt hatten, dass er nicht mehr flüchten konnte. Sind Wildschweine nicht trotzdem recht gefährlich?
Also ich will keinem begegnen, aber das in diesem Kap schien ja ganz nett zu sein (ob das nun so war, weil er um sein Leben fürchten musste, oder er einfach so ist, sei mal dahingestellt). ^.^
Was kann denn eigentlich noch schief gehen, wenn der Schöpfergott Izanagi-sama persönlich eingreift und Sesshoumaru einen teil seiner Macht zur Verfügung steht?
Im Grunde nichts, allerdings habe ich so eine Ahnung, dass Sess sich beeilen muss, und das nicht nur, um Shiro noch rechtzeitig zu befreien. Irgendwie hab ich kein gutes Gefühl bei der Sache, warum weiß ich nicht so genau...
Und Tenseiga ist ja wohl alles andere als nutzlos, das sollte er endlich mal zugeben! Hat ihm schon mehr als einmal (das Leben) gerettet!
Scheinbar fängt auch Shiro langsam an, ihre Fassung zu verlieren... hoffentlich braucht Dai Oya noch ein wenig, um seine Berechnungen durchzuführen...
So, bin ja mal neugierig, was Inu Yasha so treibt, während sein Bruder nicht zugegen ist. Das kann ja nix Gutes sein...

Mach schön weiter,
bless,
Hrafna
Von:  SeiyaDarkside
2006-01-14T04:20:08+00:00 14.01.2006 05:20
Hallöchen,
Oder sollte ich besser sagen Guten Morgen.

Das Kapitel hat mir mal wieder ganz toll gefallen, spannend wie immer. Und ich freu mich schon darauf wie es weiter geht.

kisu

Seiya (^^)V *wink*
Von:  Grinsolt
2006-01-13T23:53:01+00:00 14.01.2006 00:53
Sei gegrüßt

Der Tempel war wirklich gut beschierben und das kleine "Intermezzo" mit dem Schöpfergott kam gut rüber. bleibt noch zu hoffen Das Die zwei gefährten rechzeitig kommen werden und das es Shiro es bis dahin aushält,
Körperlich und Geistig.

Ps: ich freue mich schon auf dei erte Konfrontation mit den Männern von Dai Oya^^

Hochachtungsvoll
Grinsolt
Von:  -tooru
2006-01-13T23:03:14+00:00 14.01.2006 00:03
ich bin ebenfalls gespannt was mit shiro ist...
hm... das nächste kapitel klingt jedenfalls schonmal sehr interessant ^^
schreib bald weiter,
yoe
Von: abgemeldet
2006-01-13T22:26:01+00:00 13.01.2006 23:26
Hallo,

zu so einem schönen Kapitel gibt es natürlich gleich ein Review :-)
Da sprichst Sess mal mit dem Schöpfergott und er sagt "meine Junge" süß :-) Aber als sein Großvater hat er ja auch das Recht...
Und hoffentlich erreichen sie Shiro noch rechtzeitig!... Und das er so an ihr hängt ist gut, er hat mit ihr ja eine sehr gute Entscheidung getroffen und die beiden Berater wollten vorschlagen, das er sich ne neue Frau sucht!...
Und was stand nochmal in der Vorschau? Zwei Youkai merken wie man sein Schwert kaputt machen kann? Das klingt doch interessant :-)
Also bis bald!

Lieben Gruß Reeks
Von: abgemeldet
2006-01-13T22:00:55+00:00 13.01.2006 23:00
Klasse Kapitel
Ich hoffe, dass Shiro noch nichts passiert ist, wenn die Zwei bei ihr ankommen! Ich bin echt gespannt wie man sein Schwert kaputt macht.
Babsy
Von:  Xell
2006-01-13T21:09:05+00:00 13.01.2006 22:09
Tolles Kapitel. ^^ Besonders die Stelle mit Izanagi hat mir gefallen. Auf das nächste Kapitel bin ich wirklich gespannt! Ich befürchte dass Tensaiga zerbricht. ^^" Und was unser Lieblings-Hanyo treibt würde ich auch gerne wissen. ;)
Von: abgemeldet
2006-01-13T20:56:28+00:00 13.01.2006 21:56
den teil mit shiro fand ich wirklich total schön *.* das ganze kapitel war sehr schön aber am besten hat mir der teil mit shiro und der mit Izanagi gefallen^^
na ich bin ja schon mal gespannt was InuYasha anstellen wird, und welches Schwert kaputt wird *g*
jaa nee utaki
P.S.: nummer 4 ^^
Von: abgemeldet
2006-01-13T20:50:27+00:00 13.01.2006 21:50
wie man sein schwert kaputmachen kann?
XXXXDDDDDDD
mach bloß schnell weiter!!!!!!!!!


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