Joey drehte sich herum und hielt die Augen krampfhaft geschlossen als er sich einige Sekunden später schließlich doch hoch rappelte und verschlafen und leicht genervt zur Tür tapste. Dieses Klopfen war ja nicht auszuhalten!
Er gähnte herzhaft, bevor er die Tür langsam und nur halb öffnete, um einen wie immer adretten Nakanishi davor aufzufinden.
"Guten Morgen, Herr Joey. Entschuldigen sie, wenn ich sie geweckt habe, aber Herr Kaiba ist nicht zu seinem Frühstück erschienen und ich habe keine Anweisung erhalten ihn zu wecken, jedoch auch nicht ihn schlafen zu lassen." Irgendwie sah der oberste Hausdiener recht besorgt aus und Joey blickte auf seine Worte hin zum Bett, als er sich durch die zerzausten blonden Haare fuhr.
Kaiba schlief noch? Tatsächlich! Und dabei war es bereits... sein Blick wanderte zur Uhr... nach neun. War das Absicht? Nein, dann hätte er seinem Butler doch sicher Bescheid gegeben und dieser würde hier jetzt nicht so unsicher und verloren vor ihm stehen.
"Lass gut sein, Naka-san." Joey begann zu grinsen und streckte sich leicht als er dem Hausdiener gleich darauf zuzwinkerte.
"Wir lassen ihn einfach schlafen. Und falls es deswegen Ärger geben sollte, übernehme ich die Verantwort. Also keine Sorge."
Als immer noch unsichere Antwort bekam Joey ein langsames Nicken bevor der Butler die Tür wieder schloss und der Blonde sich zurück zum Bett begab, nur um wieder hineinzukriechen und auf den schlafenden Kaiba herab zu blicken. Sein Grinsen noch immer im Gesicht.
Das war ja wohl nicht zu fassen. Ja, es war Sonntag, was aber für den Geldsack sicher vollkommen egal war. Dies hier war sicher ein kleines Wunder, dass der ach so große Seto Kaiba gerade eben vor seinen Augen seine Arbeit verschlief.
Was er wohl sagen würde, wenn er erwachte? Sicher gab es Ärger, aber den nahm Joey gerade gerne in kauf. Das hier war einfach zu lustig und... irgendwie... niedlich.
Nein, normalerweise war niedlich wirklich kein Wort um Kaiba zu beschreiben, aber bei diesem Anblick wurde aus Joeys Grinsen ein sanftes Lächeln als er den Brünetten stumm und dennoch fasziniert in seinem Bett betrachtete, wo er seelenruhig schlief.
Er lag auf dem Bauch und hatte sein Kissen mit beiden Armen umschlungen, während sein Gesicht halb darin vergraben war und die Decke nur seine nackten Schultern freigab.
Sein braunes Haar war durcheinander und Joey streckte unweigerlich seine Hand aus, um einige Strähnen aus dem Gesicht des Anderen zu entfernen, als er sie auch schon wieder erschrocken zurück zog.
Was tat er hier eigentlich? Mit klopfendem Herzen blickte der Blonde auf Kaibas immer noch seelenruhiges Gesicht und betrachtete dann seine Hand. Das hatte man ja beinah eine ,zärtliche Geste' nennen können! Und das war... furchtbar! Das war so... vertraut. Und DAS wiederum war NICHT richtig!
Eilig kletterte der Kleinere wieder aus dem Bett und blickte noch einmal auf Kaiba herab, bevor er sich hastig zum Bad wandte. Nur nicht denken! Einfach abschalten. Das war das Beste. Denn Gedanken würden ihn nur verwirren und vermutlich würde er dann noch mehr so verrückte Sachen machen.
Wieso musste der Geldsack auch verschlafen?! Das war alles Seine Schuld!
Wütend verschwand der Blonde im Bad. Er brauchte dringend eine kalte Dusche, bevor er Kaiba noch andere unpassende Adjektive zuordnete...
Zwanzig Minuten später stand Joey vor dem übergroßen Spiegel im Wandschrank Kaibas und betrachtete sich grinsend.
Auch wenn die Klamotten etwas groß waren, so gefielen sie ihm doch sehr gut. Außerdem fühlten sie sich unglaublich angenehm auf der Haut an.
Kein Wunder. Die waren für ihn selbst sicher unbezahlbar. Er kannte ja teils nicht einmal die Marken, die fett darauf gedruckt worden waren.
Warum er Kaibas Sachen trug? Ganz einfach. Seine lagen sicher noch im Videozimmer, wenn der fleißige Nakanishi sie nicht noch schon irgendwo hingeräumt hatte. Hier jedenfalls waren sie nicht und er konnte schlecht in Unterwäsche durch dieses Haus hier laufen.
Ja... Wie er hierher ins Zimmer gekommen war, daran erinnerte sich Joey kaum. An die Ereignisse im Videozimmer jedoch umso genauer.
Nachdenklich fuhren die Finger des Blonden über seine Lippen, als er weiterhin in den Spiegel blickte. Hatte Kaiba ihn wirklich mit einem Kuss geweckt?
Er war sich so unsicher. Vielleicht hatte er es doch nur geträumt? Aber die Berührung war doch eindeutig da gewesen und man spürte in Träumen doch nichts körperliches...
Der Blonde seufzte. Gestern war auch wirklich alles eine Ausnahme gewesen. Er sollte dieses Wochenende einfach als ,ungewöhnlich' abhacken und damit zufrieden sein.
Als Joey wieder aus dem Schrank trat war Kaiba gerade dabei zu erwachen. Er hatte sich aufgerichtet und fuhr sich durch das Haar, als sein Blick auch schon auf den Blonden fiel, der ans Bett getreten war.
Augenblicklich wich der verschlafene Ausdruck in seinem Gesicht seinem Pokerface, als er den Blonden musterte.
Er sah gut aus. Die schwarze Hose, die zwar etwas zu lang schien und daher hochgekrempelt worden war, glänzte matt und das ebenso schwarze, eindeutige Georgio Armani T-Shirt fiel leicht über eine Schulter, da es wohl etwas zu groß war. Und das weiße Tanktop darüber erhellte das Ganze, ebenso sein glänzendes blondes Haar. Wieso trug er nur nicht öfter solche...
Der Brünette hielt in seinem Gedankengang inne als er auch schon mit wütendem Blick auffuhr.
"Wieso trägst du meine Sachen, Köter?!" Setos Finger verkrampften sich um die Bettdecke. Wie konnte es dieser Wheeler wagen einfach Sachen aus seinem Kleiderschrank zu nehmen?!
Er bekam erst einmal ein breiteres Grinsen als Antwort, bevor sich der Blonde mit einem Bein auf das Bett kniete und sein Gesicht vor das Seine brachte.
"Sie stehen mir gut, nicht wahr?" Er lachte leise als Kaiba sogleich auffahren wollte, doch Joey fuhr einfach fort.
"Doch anstatt dir über mein Aussehen Gedanken zu machen solltest du dir lieber überlegen, wieso ich vor dir wach bin und doch noch immer in deinem Bett liegst." Immer noch grinsend wandte sich Joey wieder ab und erhob sich, um an die Tür zu treten.
"Ich bin dann mal meine Aufgabe erfüllen." Und schon war er aus dem Zimmer verschwunden und die Tür fiel ins Schloss, als Kaibas Kopf auch schon herumfuhr und auf die Uhr blickte.
"Verdammt!" Ein Fluch erklang als der Brünette die Decke von sich warf und sich erhob. Er hatte verschlafen. Wie hatte das nur passieren können? Kein Wunder, dass der Streuneer vor ihm wach war! Was allerdings noch immer nicht erklärte warum er seine Sachen trug. Und warum hatten ihn Nakanishi oder Roland nicht geweckt?
Gut, es war Sonntag, aber das war keine Entschuldigung!
Kaiba hielt kurz inne und blickte noch einmal auf die Uhr. Wenn er gleich in die Firma fuhr... Nein, das hatte heute keinen Sinn mehr. Er würde einfach von hier aus arbeiten, das ging schneller. Wozu gab es sein Arbeitszimmer? Er musste erst einmal abchecken wie das hier alles hatte passieren können und dann sofort Erkundigungen einziehen was während seiner Abwesenheit alles in der Firma passiert war.
Gedacht, getan.
Der Brünette wusch sich eilig, kleidete sich dann in eine weißes Hemd mit schwarzem Pullunder, frisierte sein Haar zurecht und begab sich dann sogleich in sein Arbeitszimmer ohne auch nur an Frühstück oder ähnliches zu denken.
Kaum hatte er sich an seinem großen Schreibtisch niedergelassen und seinen Laptop geöffnet als auch schon ein leises Klopfen erklang und Nakanishi eintrat.
"Ihr habt mich rufen lassen, Herr Kaiba."
Der Brünette blickte auf und Nakanishi verbeugte sich hastig, als Seto auch schon sofort zur Sache kam.
"Wieso hast du mich nicht geweckt?" Gut, er hatte keine Anweisung dazu gegeben, aber normal hätte der Hausdiener wenigstens vorbeischauen sollen.
"Das hatte ich vor, Herr Kaiba. Aber Herr Joey meinte zu mir, als ich euer Zimmer aufsuchte, dass ich euch schlafen lassen solle, er würde die Verantwortung übernehmen." Sofort horchte Kaiba auf und musste drauf achten dass er sein Pokerface behielt.
Mit einer Handbewegung bedeutete er dem Diener, dass er entlassen war, er hatte seine Antwort erhalten und als Nakanishi das Zimmer stumm verließ, lehnte sich der Brünette in seinem Stuhl zurück und blickte nachdenklich auf den Bildschirm.
So war das also gewesen. Hatte er das Klopfen des Dieners wirklich überhört? Und wieso hatte Wheeler das getan?
Eigentlich hätte er sauer auf ihn sein sollen, weil er sich so etwas herausgenommen hatte, aber irgendwie... Er fragte sich gerade immer noch wieso er selbst überhaupt verschlafen hatte. Und das vor allem neben dem Blonden! Immerhin... na ja... er konnte doch nicht wirklich neben Fremden schlafen und dann schlief er wie ein Stein? Das war seltsam. Aber war das nicht alles seit gestern? Immer wieder kam etwas Neues auf.
All zu weit kam Seto mit seinen Gedanken nicht als seine Tür leise knackte, jemand in sein Zimmer schlüpfte, sich an die Wand neben der Tür drückte und wieder hinausspähte, nur um die Tür leise wieder zu schließen und erleichtert aufzuatmen als er auch schon den Kopf wandte und ihn anblickte.
"Kaiba?" Joey schien ebenso überrascht wie der junge Firmenchef selbst, der den Blonden nur anstarrte.
Was wohl daran lag, dass dieser, neben SEINER Kleidung ein Maschinengewehr und ein Headset mit Visier über einem Auge trug.
"Was soll das und was willst du hier?" Das war ja wohl die Höhe, dass Wheeler hier einfach so hereinspazierte! Und dann noch in diesem lächerlichen Aufzug!
Joey lachte nur auf und trat zu Kaibas Schreibtisch um sein Spielzeuggewehr darauf abzulegen und sich daneben nieder zu lassen.
"Ich verstecke mich vor Mokuba." Er grinste breit.
"Hätte ich gewusst, dass das dein Zimmer ist, hätte ich mir natürlich ein anderes Versteck gesucht. Arbeitest du schon wieder?" Er blickte auf den geöffneten Laptop während Kaiba seinen Blick nicht von dem Blonden nahm.
Er spielte also mit Mokuba. Was der Kleine alles besaß... Er wusste es längst nicht mehr. Aber anscheinend hielt Wheeler ihr Abkommen immerhin ein. Wieso sollte er sonst mit diesen Sachen herumlaufen?
"Ich muss wohl, nachdem du verhindert hast, dass ich es am Morgen tue." Sein Blick wurde durchdringender. Er wusste nicht, ob er es mochte oder wirklich hasste, dass der Streuneer seine Sachen trug. Ständig musste er ihn darin wieder ansehen.
Joey lachte auf. Also hatte er es herausgefunden.
"Tu nicht so als würdest du jetzt nicht arbeiten, wenn du es heute Morgen auch getan hättest! Sei mir lieber dankbar, dass du mal ein paar Stunden mehr Schlaf bekommen hast. Ich glaube das war dringend nötig. Außerdem ist Mokuba sicher glücklich, wenn du mal wenigstens hier im Haus bist." Er rutschte näher zu Kaiba und grinste ihn weiter an.
"Was immer noch nicht erklärt wieso du meine Sachen trägst und nicht deine Eigenen." Kaiba hatte sich nach vorne gebeugt und seine Ellbogen auf dem Tisch abgestützt als er Joeys Augen nicht gehen ließ.
Diese Frage war immerhin noch nicht geklärt worden.
Joey grinste erneut breiter als er sich dicht zu Kaibas Gesicht hinabbeugte ohne den Blickkontakt zu verlieren und er leiser als zuvor sprach.
"Ich brauchte etwas zum Anziehen nach dem Herr Kaiba gestern Abend beschlossen hatte erst danach ins Schlafzimmer zu wechseln. Denn ich glaube, die Leute hier hätten sehr komisch dreingeblickt, wenn ich nackt durch die Gänge gelaufen wäre, um meine Sachen aus dem Videozimmer zu holen. Aber..." Er hielt kurz inne, bevor er mit aufreizender Stimme fortfuhr.
"... vielleicht hätte es dir ja gefallen. Falls ja... Ich kann dir deine Sachen gerne hier lassen und dann Meine suchen gehen." Mit diesen Worten fuhr Joeys Finger langsam über die Brust des Anderen.
Kaiba spürte, wie er eine wohlige Gänsehaut bei Joeys Worten und Taten bekam. Er wusste genau, wie er ihn heiß machen konnte. Denn allein der Gedanke...
Dennoch behielt der Firmenchef sein Pokerface bei als er sich Joeys Handgelenk schnappte und so dessen Hand von sich entfernte, nur um mit seinem Gesicht noch näher zu dem seines Gegenübers zu gelangen.
Seine Lippen waren so unglaublich nah und im selben Augenblick als Kaiba dies wahrnahm, erinnerte er sich an den süßen Geschmack von gestern Abend als er sie kurz berührt hatte. Er wollte dies wiederholen. Nur kurz... Einfach nur, um Joey zum Schweigen zu bringen. Ihm zu zeigen, dass er gegen ihn nicht gewinnen konnte! Denn er wusste genau dass der Blonde es nicht mochte.
"Lass dich nur nicht davon..." Kaibas Worte waren so dicht an Joeys Lippen gesprochen worden, dass er diese beinah spüren konnte, als sich auch schon von einem lauten Knall unterbrochen wurden, als die Zimmertür an die Wand klatschte und Mokuba hereinstürmte.
"HA! Hab ich dich endlich gefunden, Joey Wheeler! Das ist dein Ende!" Und schon begann der Kleine mit seinem Maschinengewehr auf Joey zu zielen, der sich bei dem Knall ruckartig von Kaiba abgewandt hatte und nun überrascht zur Tür blickte, wo Mokuba bereits zu feuern begann.
"Oh, nein! Ich bin getroffen!" Der Blonde brauchte nicht lange, um sich wieder zu fangen und Mokubas Spiel mitzuspielen. Er fasste sich an die Brust und sank rücklings auf den großen Schreibtisch zurück, über dem er sich verteilte. Den Kopf auf der anderen Seite zu Kaibas Rechten hinabhängend, die Augen geschlossen.
Mokuba lachte auf und lief eilig zum Schreibtisch um Joey mit seinem Gewehr in die Seite zu pieken, als dieser ein Auge öffnete und zu Kaiba schielte, der die Szene mit ausdrucksloser Miene beobachtet hatte.
"Du könntest wenigstens etwas Mitleid mit mir haben, wenn ich schon direkt vor deinen Augen sterbe." Joeys Stimme war ein Flüstern als Kaiba auf ihn herabblickte und immer noch gleichgültig aus seinem Stuhl aufstand.
"Nicht bei so schlechten Schauspielkünsten. Abgesehen davon würde ich Geld sparen, wenn es dich jetzt nicht mehr gäbe." Mit diesen Worten trat der junge Firmenchef hinter seinem Schreibtisch hervor und verließ den Raum, als sich Joey auch schon aufrichtete und ihm eine Grimasse schnitt, die Mokuba erneut zum Lachen brachte.
Was wäre wohl passiert, wenn sein kleiner Bruder nicht den Raum betreten hätte?
