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Hidden Faculty Nalia

von

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l. Chapter: Goodness! - Nalia

Das kleine Dorf Miriton im Lande Umarei war noch nicht ganz wach, als bereits die ersten warmen Sonnenstrahlen durch die große Öffnung vom Dach des alten Hauses auf Nalias Gesicht fielen. Müde umklammerte das Mädchen ihre Decke fester und zog sie sich über den blonden Kopf, wobei trotzdem noch einige ihrer hellen Haarsträhnen wild verteilt herausragten. Für eine Weile hörte sie nur das sanfte Rauschen der Bäume durch das offene Fenster dringen. Es war ein warmer Sommertag und die Grillen zirpten munter vor sich hin und verhinderten so, dass das Mädchen auch nur eine einzige Minute weiter schlafen konnte. Nalia stieß die Decke beiseite und stand schnell auf, bevor sie es sich anders überlegen konnte.

Mit einem leisen Stöhnen hielt sie sich den Kopf und versuchte die tanzenden Punkte vor ihren Augen wegzukriegen, während sie mit der freien Hand nach ihren Sachen zum Anziehen tastete. "Was für ein wundervoller Start in den Tag.", murmelte sie vor sich hin, als sie mit einem dumpfen Geräusch gegen einen Bücherstapel trat und sich auf die Zunge biss. Reglos blieb sie stehen und atmete schnaufend durch die Nase. "Wirklich wundervoll...", zischte sie vor sich hin, schnappte sich ein blaues Kleid mit kleinen, gelben Mustern an den kurzen Ärmeln und zog es sich wütend an. Als sie sich noch einmal kurz auf ihr Bett setzte um sich die Stiefel anzuziehen schaute sie aus dem Fenster.

Draußen war wirklich ein schöner Tag angebrochen. Die Sonne strahlte sie freundlich mit ihren warmen Schein an und Nalia fühlte eine kleine Brise durch das Fenster kommen. Ihr Blick wurde verträumt und sie atmete einmal kräftig ein und streckte sich einmal kurz.

Munter verließ sie ihr Zimmer, ging die Treppe hinunter und in die Küche, wo eine ältere Frau stand und summend Obst einlegte. "Morgen, Mutter!", begrüßte Nalia sie und setzte sich lächelnd an den Tisch, der hinter der Frau stand. "Morgen? Es ist bereits Mittag, Liebes. Wenn du noch länger geschlafen hättest, dann hättest du wiedermal den ganzen Tag verpasst." "Und nicht zu vergessen den großen Jahrmarkt, an dem du deine preisgekrönten Obstkuchen zur Schau stellst.", grinste sie und ihre Mutter drehte sich lachend um. In ihren Händen hielt sie nun einen goldbraunen Kuchen, der einen wunderbaren Duft im ganzen Haus verströmte. Apfelstückchen lagen zur Zierde darauf und weitere befanden sich noch im Inneren.

"Hach, wenn ich auch so wunderbar backen könnte wie du, dann würde ich jeden Tag einen riesigen Kuchen backen und ihn nur für uns behalten!", schwärmte Nalia und schnupperte an dem Apfelkuchen. "Leider bist du im Backen eine absolute Niete, ebenso wie beim Putzen, Abwaschen und Aufräumen.", hörte sie eine Stimme hinter sich sagen und wütend drehte sie sich um. "Jasano! Du bist ein gemeiner Kerl!!", meckerte Nalia, doch ihr großer Bruder ging nur lachend zu ihrer Mutter und sog ebenfalls den Duft ein.

"Das riecht wirklich lecker, Marika.", lobte er sie. Er nannte sie immer bei ihren Namen, obwohl er ihr Sohn war. "Unglaublich, dass du eine Tochter hast, die absolut nichts kann.", sagte er mit einem gewissen Blick zu Nalia. "Du bist fies! Natürlich kann ich etwas!!", rechtfertigte sich das Mädchen. "Ja, und ob du das kannst. Allerdings nützt dir dein endloser Schlaf und deine Ungeschicktheit rein gar nichts bei der Suche nach einem Mann."

'Das ist wieder typisch Jasano! Immer wieder muss er erwähnen was für ein toller Kerl er doch ist, da schließlich schon morgen seine Hochzeit mit Flowy stattfindet!', dachte sich Nalia bitter und sie wandte sich hilfesuchend an ihre Mutter. "Mutter, du bringst mir doch bei, wie man so schön backt wie du, oder?", zerrte sie an ihrem Arm. "Pah, so was nützt bei dir schon lange nicht mehr. Du weißt doch nicht mal, wie man ein Ei richtig aufschlägt.", neckte ihr Bruder sie wieder. "Aber dafür weiß ich, wie man vorlaute Brüder schlägt!" "Ha, versuchs doch, Giftzwerg." "Jasano! Nalia! Jetzt hört endlich auf euch zu streiten.", brachte Ihre Mutter sie zur Ruhe und stellte den Kuchen außerhalb der Gefahrenzone vorsichtig ab. "Aber er hat doch angefangen!", verteidigte sich Nalia. "Ja, ja. Hör mal, Schätzchen. Gehst du bitte für mich schnell zum Buchhändler und fragst ihn, ob schon etwas Neues eingeliefert worden ist?", lenkte sie das Mädchen ab.

"Ja!", strahlte Nalia übers ganze Gesicht. Freudig rannte sie zur Tür. "Ja, Schätzchen. Aber stolper unterwegs nicht wieder über deine eigenen Füße!", rief ihr Bruder ihr noch in einer merkwürdigen Stimmlage nach, die wohl so wie die ihre Mutter klingen sollte. "Du bist ein Idiot!", rief sie und streckte ihm die Zunge aus.

Wütend schloss sie die Tür hinter sich und wandte sich der Straße zu. Nur selten sah man in Miriton so viele Leute auf einmal wie heute. Alle redeten sie unterwegs und erzählten aufgeregt vom Jahrmarkt. Mit einem Seufzen strich sich Nalia ihr blondes Haar hinter die Ohren und senkte den Blick. Sie konnte fremde Menschen nicht leiden. Hier in Miriton wusste jeder über sie bescheid, jedoch Fremde starrten sie immer an. Der Grund für all das waren ihre Augen. Sie waren zwar auf eine Art und Weise wunderschön, jedoch die Farbe glich dem grünen Gras unter ihren Füßen und den Blättern an den Bäumen. Niemand hatte sonst so durchdringende grüne Augen wie sie, sondern die meisten waren noch mit einer anderen gesprenkelten Farbe. Es gab eine Zeit, da hatte man sie sogar beschimpft, da sie auf Grund ihres intensiven Blickes Besucher und Bewohner erschrak, jedoch war ihr Bruder immer zur Stelle und beschützte sie. Nun ja, es ist niemals leicht, anders zu sein.

Eilig suchte Nalia sich jetzt einen Weg durch die Menschen hindurch. Sie überhörte einfach die Grüße ihrer Nachbarn und ihr lautes Magenknurren, bis schließlich ein junger Mann sich vor ihr stellte und sie mit dem Kopf voran gegen ihn rannte. Mit einem stechenden Schmerz landete sie auf den Boden und schaute empor. "Du ... ! Kannst du denn nicht aufpassen?", schimpfte sie, doch die Person vor ihr drehte sich nicht einmal um. Wütend sprang sie auf und sagte wieder: "Hey, hörst du mich nicht? Hast du denn nicht gesehen, dass ich hier lang will?"

Endlich drehte sich die Person um. Nalia bemerkte erst jetzt, dass der Mann vollkommen in einem dunkelbraunen Umhang gehüllt war und eine Kapuze sogar sein Gesicht verdeckte. Da sie nicht einmal die Augen darunter erkennen konnte, kam sie einen Schritt näher und beugte sich leicht, um ihn ins Gesicht sehen zu können. "Ich hab dich ebenso gesehen wie gehört. Dieses Trampeln konnte man ja schlecht ignorieren." Der Fremde sprach das so plötzlich, dass Nalia zurückwich. Dann erst verstand sie die Worte und sie lief rot an. "Na super, du Oberkluger! Und warum hast du dich dann trotzdem in den Weg gestellt?", sie wollte ihn eigentlich anschreien, doch dann hätte sie nur die ganze Aufmerksamkeit der Leute auf sich gezogen und das wollte sie nun wirklich nicht. "Hat dir deine Mutter oder dein Vater nicht beigebracht, höflich zu anderen Menschen zu sein?", fragte er stattdessen uninteressiert. "Meine Mutter hat mir nie beigebracht Rüpel zu achten, und mein Vater...", sie stockte. "Mein Vater ist schon lange tot! Und wie steht es mit deinem Elternhaus?", fragte sie sarkastisch, doch der Fremde antwortete ihr nicht mehr. Er stand nur schweigend da und beobachtete sie hinter seinem Umhang.

Nalia hatte genug und ging ohne ein weiteres Wort weiter. Schnell wischte sie sich eine aufkommende Träne weg und schluckte ihre Wut hinunter. Ihr Vater, wieso musste dieser Kerl auch nur mit diesem Thema aufkommen?! Ihr Vater hatte sie schon lange verlassen. Der Gedanke, dass er tot war gefiel ihr weitaus mehr, als das er sie einfach im Stich ließ, also redete sie sich das immer wieder ein und nun hatte sie es zum ersten Mal ausgesprochen. 'Argh, dieser Idiot von Mann!', schimpfte sie in Gedanken weiter über den Fremden, bis sich plötzlich wieder jemand vor ihr hinstellte und sie erneut in jemanden hineinrannte. "Aua, verdammt! Sind hier denn alle blind?!", fluchte sie und hielt sich den Kopf, der langsam anfing zu schmerzen. Als ein vertrautes Lachen erklang schaute sie hoch.

"Matt.... Was gibt es denn da so blöd zu lachen?", schrie sie ihn an und alle Leute drehten ihr den Kopf zu. Sie stöhnte einmal auf und verbarg ihr Gesicht in den Händen. 'Toll, jetzt starren mich doch alle an!' "Los, komm.", sagte Matt und schnappte sich ihre Hand. Mit einem überraschten Aufschrei stolperte das Mädchen ihm hinterher, bis sie schließlich rennend in einem Geschäft verschwanden. Nalia bemerkte nur das leise Klingeln der Glocke und wusste bereits, dass sie beim Buchhändler waren.

Kannte Matt sie wirklich schon so gut, dass er ihre Gedanken lesen konnte? Er war ein alter Freund aus Kindertagen für Nalia, doch er sah sich selbst eher als ihren Verlobten. In Wirklichkeit war er aber mehr ein aufsässiger Straßenhund, der ihr seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr permanent einen Heiratsantrag machte. Hasenfuß nannte Jasano ihn immer und Nalia stimmte ihm dabei sogar zu. Matt war nett und sah sogar gut aus, aber er war viel zu ängstlich. Als sie noch klein waren, hatte Nalia immer gern versucht kleine Schlangen zu fangen, während Matt schon bei Regenwürmern zurückwich.

Andererseits verbrachte sie die meiste Zeit mit ihm. Ihr Freund war der einzige Sohn des Schmiedes in Miriton und heimlich brachte er ihr die - für Mädchen natürlich verbotene - Schwertkampfkunst bei. Fast jeden Tag trainierten sie auf einem Hügel im Osten außerhalb der Stadt und kamen dann immer erschöpft und halb tot wieder zurück. Diese Zeit war für Nalia die einzige, an der sie sich wirklich frei fühlte. Sie hatte einen klaren Kopf, keine Verpflichtungen für diesen Moment - sie war einfach nur da und atmete die Luft, fühlte die Sonnenstrahlen und gab sich dem Moment hin.

Na ja, natürlich nur solange bis der nächste Regenwurm vorbeikam und Matt sich aus dem Staub machte.

"Warum kicherst du?", fragte er sie plötzlich und riss sie aus ihren Tagträumen. Er lächelte sie an und sein dunkelblondes Haar hing ihm in der Stirn. Nalias Herz setzte kurz aus, dann riss sie sich zusammen. Nein, Matt war nur ein Freund. Ihn zu lieben und zu heiraten würde sie nur endgültig an diese Stadt binden. Dabei wünschte sie sich doch so viel mehr im Leben...

"Nichts, nichts.", sagte Nalia und ging zu einem alten Mann mit einer tief sitzenden Brille im hinteren Teil des Raumes. Ihre Schritte hörte man dumpf auf dem Holzboden und sie schlängelten sich durch die unzähligen Regale voll von Büchern. Matt folgte ihr wieder wie ein Schatten. "Halt, wenn du etwas zweimal sagst, dann lügst du.", sprach er mit misstrauischen Ton, doch Nalia rollte nur genervt mit den Augen. "Nein, nein." "Hey...!"

Sie grinste kurz und sprach dann mit dem alten Mann: "Guten Tag. Ich bin hier, weil ich fragen wollte ob Sie schon etwas Neues bekommen haben?" Der Mann drehte sich ihr zu und lächelte sie an. "Ah, Nalia, du bist es! Und Matt wie ich sehe.", er drehte sich zu Nalias Begleitung und nickte einmal. "Na, hat er dich heute schon gefragt, ob du ihn heiraten willst?" "Nein, bis jetzt noch nicht." "Heeeeyyy, macht ihr euch lustig? Mir ist die Sache ernst!", plusterte er sich auf, doch die beiden hörten ihm kaum zu. "Ja, ja. Also, haben sie schon etwas geliefert bekommen?" Der Mann schüttelte den halbkahlen Kopf. "Nein, tut mir Leid. Aber morgen kommt wahrscheinlich wieder ein anderer Händler. Schau dann doch wieder vorbei." "Gut, dann bis morgen!", sagte Nalia freundlich und bahnte sich wieder den Weg nach draußen.

"Mann, nie wartest du auf mich!", beschwerte sich Matt, als sie wieder auf der Straße waren. "Du verfolgst mich doch eh wie ein obdachloser Hund.", nuschelte Nalia und seufzte erneut. "Nalia, warum willst du mich nicht heiraten?!", jetzt war er es, der langsam wütend wurde. Das Mädchen stellte sich ihm trotzig entgegen. "Wenn du jetzt noch anfängst mich anzuschreien, kannst du dir jegliche Beziehung zu mir sparen!", schrie sie ihn fast an, doch Matts Augen blitzten nur kurz auf. Laut knallte er mit seiner Hand gegen die Wand des Buchhändlerhauses und drängte Nalia dagegen. "Ich liebe dich wirklich!", er schaute sie durchdringend an und kam ihr näher. "Nein, Matt, hör auf damit.", versuchte sie sich von ihm wegzudrängeln, doch er hielt sie fest gegen die Wand gedrückt.

Selten ging Matt so weit und sie fühlte, wie ihr Herz zu rasen begann. Wieder brachte er dieses Gefühl in ihr hervor. Es war dieses unbegreifliche Gefühl aus leichter Freude und... dem enorm großen Wunsch ihm zwischen die Beine zu treten. Ängstlich und wütend zugleich kniff Nalia die Augen zusammen und versuchte wieder ihn wegzustoßen, doch Matt kam ihr immer näher. "Für mich bist du das Wunderschönste auf der Welt.", flüsterte er und setzte zum Kuss an. 'Nein, du Idiot! Lass mich endlich in Ruhe!', hätte sie am liebsten geschrieen, doch stattdessen stieg eine Träne in ihr auf und sie versuchte den Kopf zu drehen. Dann sah sie plötzlich den fremden Mann dastehen. Er war wie ein großer schwarzer Fleck in dem bunten Haufen aus den Bewohnern, die alle ungeachtet an ihnen vorbeigingen.

Sie starrte ihn an und schluckte einmal schwer. Konnte sie erwarten, dass er ihr hilft? Er beobachtete die ganze Szene ziemlich auffällig, doch wird er ihr helfen, wo er doch sieht, dass sie belästigt wird? 'Woher sollte er denn wissen, dass er mir helfen muss?', drängte sich der Gedanke zwischen sie und Matts Kopf und ohne weiter nachzudenken rief sie dem Mann zu: "Hilfe! Bitte hilf mir!"

"Was?", drehte sich Matt verwirrt in die Richtung, in die Nalia rief und sah mit offenem Mund einen großen, dunklen Mann auf sich zukommen. Unter dem verschwommenen Bild der Mittagshitze formten sich seine Konturen zu scharfen Linien und er blieb kurz vor ihnen stehen. Auch Nalia sah ihn nun mit offenem Mund an und bemerkte, dass sich der Fremde ihre Hand genommen hatte und bevor sie auch nur wusste was geschah, hatte er sie in seinen Armen. Mit rasendem Herzen sah sie, wie er mit einer leichten Handbewegung seine Kapuze vom Kopf nahm und sein Gesicht enthüllte.

Der Fremde hatte noch braunere Haut als Jasano und seine Lippen hatten fast diese Farbe mit angenommen. Eine markante Narbe in der Form eines Kreuzes lief an seiner Wange entlang. Seine schwarzen Haare wehten noch kurz in einem Rhythmus mit dem Wind, bis sich selbst der Staub unter ihren Füßen gelegt hatte und Nalia nur noch seinen ruhigen Herzschlag unter ihrer Hand spüren konnte. Vollkommen verdattert schaute Matt den Mann an, dann bekam sein Gesicht einen zornigen Ausdruck. "Hey, du! Was bildest du dir eigentlich ein...?!", wollte er Nalias Retter weiter anschreien, doch schon nach ein paar Silben glänzte ein scharfes Schwert unter seiner Nase, das der Fremde ihm hinhielt. Wie gebannt starrte Matt darauf, bis das raue Wort des Fremden ihn erreichte. "Geh!"

Der vorhin noch so draufgängerische Matt schluckte noch einmal schwer und rannte dann fluchend durch eine verwinkelte Gasse weg. Mit Tränen in den Augen sah Nalia den Mann an, der sich nun auch ihr zum ersten Mal zudrehte. Sie keuchte, als sie seinen finsteren und - wie sie fand - auch traurigen Blick sah. Solche Augen hatte sie noch nie gesehen. Alles um Nalia herum schien für einen Moment vergessen zu sein. Sie verlor sich regelrecht in seinen unendlich dunklen Augen und auch er starrte sie nur an, wenn auch mit einem ausdruckslosen Gesicht.

"Ah ... ich...", versuchte Nalia etwas zu sagen, doch der Fremde entließ sie plötzlich aus seinen Armen und schaute sie nur kühl an. Verwundert schaute Nalia zu Boden. 'Nalia, du bist so peinlich! Du hast eben gestöhnt. GESTÖHNT, Nalia! In den Armen eines wildfremden Mannes!! Aaaargh!'

Sie räusperte sich, sammelte den letzten Funken Stolz in ihren Körper und schaute wieder empor. "Ich ... äh...", kam sie wieder nicht weiter im Satz, sondern schaute nur verdutzt die leere Wand ihr gegenüber an. Schnell schaute sie sich über beide Schultern, doch nirgends war jemand zu sehen. Sie war ganz allein in dieser Gasse! 'So was! Wo ist dieser Fremde nur hin...', fragte sie sich selbst dann noch, als sie schon wieder auf die Menschenbelebte Straße gegangen war und sich noch einmal umschaute. "Vielleicht...", murmelte sie vor sich hin, als sie in ein großes, beigefarbenes Haus ging und wie immer eine Glocke läuten hörte. Im Gegensatz zu der beim Buchhändler war diese jedoch nicht so zart und leise, sonder laut und nervend. Das Mädchen trat ein und begrüßte den Besitzer mit einem Wink. "Hallo, Nalia! Dich hab ich ja so früh noch gar nicht erwartet.", begrüßte sie Val, ein großer, runder Mann mit einer Glatze und einem gewaltiger grauen Schnurrbart, der ihm beim Lachen auf und ab wippte. Sie schenkte ihm jedoch keine Beachtung, sondern schaute sich im Raum um. Als sie keinen Unbekannten entdeckte, seufzte sie einmal und setzte sich dann hin. Müde legte sie den Kopf auf eine Hand und stützte sich mit dem Ellenbogen am Tisch.

Dieser Mann wollte ihr einfach nicht aus den Kopf gehen. Unverhofft hatte er ihr tatsächlich geholfen, und dann... dann hatte er sie auch noch im Arm gehalten! Als Nalia ihr Kichern bemerkte, schüttelte sie mit dem Kopf und suchte den Raum nach etwas ab, dass sie ablenken konnte. Darauf brauchte sie auch nicht lange zu warten, denn soeben trat jemand den sie nur zu gut kannte in die Taverne.

"Hey, Koimen!", rief er dem kahlen Wirt mit dem riesigen Bart zu, der gerade damit beschäftigt war die Theke zu putzen. "Hallo, Jasano!", grüßte er zurück. "Deine Schwester sitzt gleich da vorn.", deutete er mit einem Wink auf Nalia und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

"Ah!" Mit einem erstaunten Lächeln setzte Jasano sich mit an den kleinen Tisch. "Na?", begrüßte sie ihren braungebrannten Bruder. Wieso war sie eigentlich nicht auch so schön von der Sonne gefärbt? "Wo ist denn Flowy?", fragte Nalia lustlos, denn eigentlich hasste sie dieses Thema. Aber wenn sie jetzt wieder sich selbst überlassen worden wäre, dann weiß der Himmel was dieser Fremde in ihrem Kopf noch angestellt hätte. Jasano kratzte sich am Kopf und blickte sie an. "Sie ist bei sich zu Hause und bereitet alles vor. Ist das nicht toll, dass die Hochzeit und dein Geburtstag schon morgen stattfinden?" Nalia nickte stumm. Natürlich freute sie sich unheimlich auf den großen Tag für Jasano und Flowy, aber warum mussten sie an demselben Tag wie ihren Geburtstag feiern? Er wird bei all dem Aufwand der Hochzeit völlig untergehen...

Jasano starrte sie an und seufzte dann lauthals. Erschrocken schaute Nalia zu ihm. "Sag mal, was ist eigentlich mit dir los?", fragte er sie mitfühlend. Sie stutzte. "Was soll schon los sein?", fragte sie grinsend und verjagte den braungebrannten Retter aus ihren Gedanken. "Hey, ich bin dein großer Bruder. Willst du mir nicht erzählen was mit dir ist? Schon seit Tagen bist du wie eine umherwandelnde Leiche, die ab und zu mal stolpert und dann plärrt - " "Hey!", unterbrach sie ihn, doch er ignorierte sie. " - Du machst dir wiedermal Gedanken wegen deinem, ach so geliebten Matt, richtig?"

'Ah, darum geht es ihm also heute wiedermal.', stellte sich Nalia mit einem verbissenen Grinsen auf den Alltagsstreit ein. Sie und ihr Bruder konnten einfach nicht anders als sich zu ärgern. Matt war leider immer ihr schwacher Punkt und so was wurde von Jasano immer skrupellos ausgenutzt. "Ich liebe ihn nicht!", erklärte Nalia in einem neutralen Ton und biss sich auf die Lippen. 'Nicht wirklich...' "Nein, natürlich nicht!", sagte er spöttisch und konnte nicht aufhören zu grinsen. "Und wieso verschwindet ihr beide dann immer heimlich und man sieht euch erst Stunden später wieder, schweißgebadet, hechelnd und mit roten Gesichtern?" "Heyyy!! Das ist nicht so, wie du denkst!!", schrie sie ihn scharlachrot an. "Nur weil du so...!" "Ja, ja, geht mich ja nichts an was du machst, aber ich sehe doch, dass was mit dir nicht stimmt.", wurde er plötzlich wieder ernst. "Nalia, sei ehrlich.", er packte ihre Hand und faltete seine um diese. Ernsthaft sah er sie mit seinen braunen Augen an. Diese plötzliche Anhänglichkeit seinerseits ließ in Nalia ein ungutes Gefühl hochsteigen. "Sei ehrlich, Nalia, du bist schwanger!"

"ARGH! Du I - D - I - O - T!!!", fauchte sie ihn an und begann ein Armdrücken mit ihm. "Also lieg ich richtig, wenn du so darauf reagierst.", nahm er eine Hand und kratzte sich am Kinn, während er mit der anderen mit ihr weiter drückte. "Ich bin nicht schwanger! Solche Dinge zu tun liegen mir nicht so sehr wie dir, weißt du!", stichelte sie ihn und versuchte weiter seinen Handrücken auf den Tisch zu pressen. Jasano aber war ein starker Gegner und hielt ihr gähnend stand. "Ich kann doch gar nicht schwanger werden.", grinste er sie an, was Nalia nur noch wütender machte. "Das weiß ich, du Idiot! Ich meine die Tätigkeit dazu...!"

"Ja, ja.", grinste ihr Bruder wieder und besiegte sie kurzerhand. Hechelnd saß Nalia da und starrte ihn wütend und mit rotem Gesicht an. "Ich - liebe - ihn - nicht!", keuchte sie, doch Jasano grinste nur wieder. "Ich weiß, ich weiß.", sagte er mit einem gewissen Unterton. "Du wirst ja eh als alte Jungfer sterben!", musste er losprusten und Nalia trommelte wütend mit den Fäusten auf dem Tisch herum. "Argh! Ich hasse dich!!", schrie mit weinerlichem Gesicht und Jasano schüttete sich vor Lachen.

Bevor Nalia ihre Beschimpfungen runterleiern konnte, ging die Tür der Taverne wieder auf und zog die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Herein trat eine vermummte Gestalt, die völlig in einem alten Umhang gehüllt war. Der Fremde blickte sich kurz um und steuerte dann in die Richtung von den Geschwistern. Seine Bewegungen waren so leicht und fliesend, dass Nalia ihn unter ihren verschwommenen Blick dank der Tränen fast für eine Einbildung gehalten hätte. Lautlos setzte er sich auf einen leeren Platz zu ihnen. Jasano schaute ihn unbeeindruckt an und wischte sich stattdessen mit einem Grinsen die letzte Träne aus den Augen. 'Wie kann er nur immer so gelassen bleiben?!', fragte sich seine Schwester fast schon neidisch. Sie wischte sich ebenfalls die Tränen aus dem Gesicht und schaute den jungen Mann von vorhin, der ihr unverhofft wieder nah gekommen ist und ein flüchtiges Herzrasen verursachte, scheu an. 'Warum muss er ausgerechnet jetzt kommen?! Da hatte ich ihn grad vergessen und dann ...!'

Schulterzuckend schaute Jasano jetzt seine Schwester an und stand dann auf. "Tja, ich hab noch was zu tun. Viel Spaß noch!", und schon war er auch verschwunden. Mit offenem Mund blieb Nalia regungslos sitzen. 'Wie kann er mich jetzt nur allein lassen?!', dachte sie und ihr Herz raste immer mehr. Schüchtern wandte sie wieder ihren Blick ihrem Retter zu, der schweigend die Arme vor sich verschränkt hatte. "W - was wollt Ihr?", sprach Nalia so fest sie konnte, denn ihre Stimme klang noch immer recht aufgelöst, nachdem sich Jasano wiedermal über sie lustig gemacht hatte. Keine Reaktion. Nicht mal die anderen im Raum bewegten sich, sondern starrten die beiden nur an. Der Fremde saß weiter da und öffnete gemächlich seine Augen. Sein Blick ruhte wie festgefroren auf ihr. Unsicher begann das Mädchen ein Stück von ihm wegzurutschen. Wenn er diesmal wieder so geheimnisvoll verschwinden würde, wollte sie wenigstens sehen wie.

"Na?", fragte sie und malte sich in Gedanken aus, wie der Unbekannte durch einen Zaubertrick im Rauch verschwinden würde. Vielleicht würde er auch einfach mit dem Finger schnippen und schon wäre er unsichtbar. Egal was, Hauptsache er kann ihr so was auch beibringen!

Als sie sich nach einer ganzen Weile immer noch anschwiegen, wurde Nalia tatsächlich nervös. 'Wieso sagt er nichts? ... Er ist bestimmt überwältigt von meinem Anblick!', dachte sie und fing an zu lachen. Die Menge schaute sie rätselnd an, warum dieses Mädchen plötzlich und ohne Grund anfing, einen Lachanfall zu kriegen. Auch der Fremde schaute sie seltsam an. Nalia konnte sich einfach nicht zurückhalten und fragte lauthals hinaus: "Willst du mich heiraten?"

Stille.

Der Fremde war ein großes Stück von ihr weggerutscht und schaute sie entgeistert an. Auch die anderen Leute gafften sie mit offenem Mund an. Nalia konnte sich kaum noch halten. Kichernd stand sie auf und musste sich am Tisch abstützen, um nicht vor Lachen umzufallen. Hastig versuchte sie aus der Taverne zu verschwinden, stolperte unterwegs noch ein paar Mal und bog schließlich um eine Ecke, die sich als Sackgasse herausstellte. Prustend fiel sie auf den Boden und musste sich den Bauch fassen. "Flucht - und Rettungsplan Nummer Zwölf funktioniert auch immer!", konnte sie nur noch sagen, bevor sie wieder lachend auf dem Boden umherkullerte. "Die geschockten Gesichter waren wirklich göttlich! So hab ich dich Leute zuletzt gesehen, als Flucht - und Rettungsplan Nummer Drei in Einsatz kam!! Damals hatte ich so getan als wären unsichtbare Leute um mich versammelt und...."

"Du bist wirklich seltsam.", unterbrach sie eine raue, aber nicht ganz unbekannte Stimme. Nalia, immer noch auf dem Boden liegend, drehte ihren Kopf in Richtung Himmel und sah den Mann mit dem Umhang über sie gebeugt hocken. Da sie ihn nicht auf dem Kopf herum angucken wollte, setzte sich das Mädchen ordentlich hin. 'Wieso habe ich nur geahnt, dass er mir folgen würde?', fragte sie in sich hinein und strich sich die Haare zurück. "Aber nur halb so seltsam wie Ihr. Was wollt Ihr?", fragte sie und verkniff sich nun wirklich das Lachen. "Habt ihr etwa Gefallen daran, fremde Mädchen zu verfolgen?"

Der Fremde legte den Kopf etwas zu Seite und die Kapuze seines Umhangs legte die narbige Hälfte seines Gesichtes frei. So wie diese Wunde aussah, musste sie schon sehr alt sein, denn feine Haut zeigte nur noch eine leichte Kerbe der rosafarbenen Narbe. In dem Mädchen kam die Frage auf, ob er denn nicht unter dem Umhang schwitzte, als sie wieder wild den Kopf schüttelte. '... Argh, wieso fasziniert mich dieser komische Kauz bloß so?!', bemerkte sie ihren festgenagelten Blick an ihm und schaute schnell weg. Diese Worte in der Taverne waren nicht nur zur Rettung, sie fand diesen Mann wirklich interessant.

Das Mädchen bekam Rosarfarbene Wangen und stand rasch auf. "Verzeiht, aber ich muss....", wollte sie schnell an ihm vorbei, doch der Fremde packte sie plötzlich am Handgelenk und sie blieb stehen. "Du musst mit mir kommen, nur noch diese Nacht und dann müssen wir los.", sprach er in einem so ernsten Ton, den Nalia selbst bei einer Standpauke von ihrem Bruder noch nie gehört hatte. Seine Worte waren streng und duldeten keine Widerrede, aber warum?

Sie schaute ihn verwirrt an und deutete ihm an, er solle ihr Handgelenk loslassen. Nachdem er das getan hatte, fragte sie ihn erstmal nach seinem Namen: "Wie ... heißt du?", kam es schüchtern und misstrauisch von ihr und sie massierte sich die Stelle, an der er sie festgehalten hatte. Er hatte einen wirklich festen Griff gehabt... "Ich bin Nalia van Aurum.", sagte sie noch schnell und machte einen kleinen Knicks, denn bevor man nach den Namen anderer Leute fragt, stellt man sich erstmal selbst vor.

Der Mann streifte seine Kapuze wieder zurück und zeigte sein ganzes Gesicht. Seine dunklen, fast vollkommen schwarzen Augen schauten sie erneut kalt an. Eine Zornesfalte war auf seine Stirn gemeißelt.

Erstaunt betrachtete sie ihn wiedermal. Der Unbekannte schien bei ihrem Anblick jedoch keine schwachen Knie zu bekommen und antwortete herablassend: "Ich heiße Duke."

"Duke?", wiederholte sie diesen seltsamen Namen und er nickte zustimmend. Anscheinend war er recht stolz auf ihn. " ... Ist der aber bescheuert.", gestand Nalia kichernd und die linke Augenbraue von Duke sprang plötzlich vor Wut hin und her. "Was?!", sagte er aufgebracht und sein Blick verfinsterte sich noch mehr.

"Ich bitte dich. Was bedeutet der denn, ist das nicht ein Titel oder so? Für mich klingt das nach einer gebratenen Ente auf einer Speisekarte.", witzelte Nalia, doch der Fremde schien gar nicht begeistert. "Du dumme Kuh! Nalia klingt ja wohl erst recht dämlich!!!", fauchte er sie aufgebracht an und fuhr aus der Haut. Erneut lachte Nalia laut los. "Tut mir wieder Leid, Duke.", sagte sie kichernd. "Aber warum sollen wir gehen?", kam sie wieder auf seine seltsame Aussage zurück.

Wütend schnaufte er einmal und wandte ihr dann den Rücken zu. "Göre! Wir ziehen einfach bei Tagesanbruch los, kapiert?", sprach er jetzt erst recht im herrischen Tonfall und ging langsam die Straße zurück, von der sie gekommen waren. "Ja, ja!", winkte Nalia ihm hinterher und zuckte dann mit den Schultern. "Also einfältig ist er ja gar nicht, wenn er tatsächlich denkt, ich würde einfach so einem Gutaussehenden Fremdling folgen.", sprach sie zu sich selbst und bog in eine andere Straßenecke ein.

"He, Nalia!" Sie hörte schnelle Schritte auf sich zukommen. "Jasano!", drehte sie sich um und sah ihren Bruder hechelnd neben ihr zum Stehen kommen. Mit einem leisen Lächeln kam ein schwarzhaariges Mädchen aus dem Haus, an dem Nalia gerade vorbei ging zum Vorschein und zeigte so den wahren Grund für Jasanos Auftreten. "Flowy." Verwundert schaute sie wieder ihren Bruder an. "Du wolltest eigentlich nur zu ihr, stimmts?", fragte sie ihren Bruder mit einem schiefen Lächeln. "Hey, das stimmt genau. Und willst du nicht auch gleich zu Matt?" Wie konnte ein einziger Mensch sie nur so auf die Palme bringen?!

"Du Idiot! Nur weil du dich mit einer Geliebten triffst, musst du nicht gleich von dir auf andere schließen!!"

Flowy kicherte verlegen, als Jasano und sie eben wie frisch verliebte ihre Hände ergriffen. Selbst als Nalia dies nun schon zum Tausendsten Mal sah, wurde sie doch immer wieder ein Stückchen eifersüchtig auf die Glücklichen. Wie gerne hätte sie auch jemanden, der sie so in den Arm nahm. Aber jemand wie Matt, den Jasano irgendwie immer wieder verschaukelte, konnte sie sich einfach nicht als diesen Mann ihrer Träume anerkennen. Aber den alten Gedanken an Matt vertrieb plötzlich dieser Duke. Schon seltsam, sie machte sich sonst ständig mehr Gedanken um die Geschichte mit Matt als um irgendetwas anderem. Egal ob sie Duke nun wieder sehen würde oder nicht, sie musste die Meinung eines anderen zu dieser durchgedrehten Geschichte hören!

"Du, Jasano.", fragte sie ihren Bruder ernst und erstaunlicherweise wandte er sich sogar zu ihr um. "Ja, was ist?", fragte er besorgt, als er ihre um Hilfe bittenden grünen Augen sah. Nalia deutete ihn mit einem Nicken in Flowys Richtung an, dass sie ihr Gespräch nicht mit anhören sollte. Genervt rollte er mit den Augen und gab Flowy einen langen Kuss. Nalia schaute Flowy wieder beneidend zu, wie sie ihre Hand vorsichtig zu Jasanos braunem Kinn leitete und es sanft berührte. Sie hatte eine Haut, so zart wie Porzellan und so bleich, als wäre sie nie länger als zwei Minuten in der Sonne gewesen. Ihre schwarzen, taillenlangen Haare hatte sie hinter einem braunen Kopftuch zurückgesteckt. Sie duftete immer nach frischem Pfirsich und überhaupt war sie das annähernd perfekteste Wesen, das Nalia jemals gesehen hatte. Sie lächelte immer und war sehr höflich, also kurz gesagt: das genaue Gegenteil von ihr.

Endlich lösten sich ihre Lippen voneinander und Flowy kehrte ihnen beiden den Rücken zu. Jasano seufzte ihr hinterher und drehte sich nun endlich seiner wartenden Schwester zu. Dann grinste er plötzlich. "Aaaahh, du hast wieder diesen neidischen Blick drauf." Erstaunt riss Nalia die Augen auf. "Hä..?", stotterte sie bloß, doch ihr Bruder glaubte wieder sie durchschaut zu haben."Klein Naliaschätzchen musste jetzt bestimmt gaaaanz dolle an ihren heißgeliebten Matt denken, oder?" Mit gespielter Miene äffte er Nalia nach: "Ah, Matt! Bitte nimm mich in deine großen starken Arme!" Dann verstellte er die Stimme tief und machte so Matt nach. "Nein, Nalia, ich kann nicht! Habe ich dich erst einmal in meinen Armen, werde ich dich nicht wieder loslassen." "Das ist mir egal, mein edler Held. Ich werde auf ewig dir gehören! Nimm mich hier und jetzt...", und er endete mit lauten Schmatzgeräuschen und umklammerte sich selbst heftig.

"DUUU RIIEESEEEN IDIOOOOOOT!!", schrie sie ihn an und hämmerte mit kochender Wut gegen seine Brust. "Ich hasse, hasse, hasse dich!! Wieso musste ausgerechnet ich mit einem Trampel wie dir verwandt sein?! Du bist so ein Idiot!!!!", schrie sie ihn immer wieder an und erneut kam Jasano aus dem Lachen nicht mehr raus. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich beruhigt hatte und seine Schwester wieder allmählich runtergekommen war. "Also los, was wolltest du von deinem supertollen Bruder?", scherzte er immer noch, doch Nalia war nun wirklich sauer auf ihn. "Leider habe ich so einen nicht. Ich muss mich mit dem Affenkind hier vor mir abfinden!"

"Och, Nalialein. Ist mein kleiner Bussischatzi etwa doch nicht so erwachsen wie sie immer tut?", legte er seinen Arm um sie und zerzauste mit der anderen Hand ihre Haare. "Mensch!! Nun hör endlich auf mit dem Quatsch! Ich wollte eigentlich etwas Ernstes mit dir bereden!!", fauchte sie vor sich hin und schaute ihren Bruder böse an. "Also, hör zu.", begann sie. "Ich habe da einen Mann kennen gelernt und der wollte etwas ganz komisches von mir, dass kannst du dir gar nicht vorstellen ...!"

Jasanos Gesichtsausdruck änderte sich mit einem Schlag. Wo eben noch das sorglose Lachen lag, entstand nun ein entsetzter offener Mund und er wich einen Schritt von seiner Schwester zurück. "Was?! Ein Mann?!!! Du bist noch viel zu jung für so was! Was wollte er denn? Ah, ich will es gar nicht wissen! Sag mir einfach wie er aussieht! Der bekommt eine Tracht Prügel!! Du bist noch ein Kind, den triffst du nie wieder, kapiert?!!" "Was soll denn das nun wieder?!!", schrie sie ihn an. "Ich versuche hier einmal ernst mit dir zu reden und du nimmst mich wieder auf den Arm!!!" "Ach, das war doch alles nur Spaß! Aber das hier ist ein Mann von dem wir reden!! Ein Mann, der ... irgendwelche Perversionen mit dir ausleben will!!", sprach er mit ernstem und herrschendem Ton. "Hat der Fremde dich auch nur irgendwie berührt?! Den mach ich kalt!" "Hey, nun beruhige dich mal wieder!! Du siehst das ganz falsch." Allmählich stieg in Nalia die Panik hoch. Jasano hatte sich noch nie so aufgeführt und sie war sich sicher, dass er diesmal vollkommen ernst war.

Sogar sehr ernst!

Jedoch verstummten ihre aufgeregten Stimmen und die der anderen des Dorfes augenblicklich, als eine plötzliche Dunkelheit sich über sie warf. Erstaunt schaute Nalia nach oben und rieb sich ungläubig die Augen. Der Himmel füllte sich mit gewittergeladenen Wolken und ein unheimlicher dunkelgrüner Schimmer schlängelte sich um diese, wie eine riesige Schlange. Ihre Augen gewöhnten sich an die plötzliche Finsternis und den grünen Glimmer. Ein Krampf, wie sie ihn noch nie vorher gefühlt hatte, breitete sich in ihrem Magen aus. Ein sehr ungutes Gefühl stieg in ihr hoch und das lag nicht mehr an ihrem Bruder oder irgendetwas anderem menschlichen.

"Was zum Teufel ist das?", stieß Jasano vor ihr flüsternd aus und beobachtete gebannt den Himmel. Der grüne, schlangenartige Nebel in den Wolken bahnte sich langsam aber stetig einen Weg zu ihnen hinab. Er schien in einem unsichtbaren Strudel geraten zu sein und gleitete auf den Boden. Die Luft wurde wärmer, fast schon stickig, und Schweißperlen entstanden auf jedermanns Stirn. War das ein Traum? Dieser grüne Nebel bewegte sich immer näher auf sie zu. Bald würde er über den Häusern von Miriton herabsinken und alles in sich vergraben.

Die Masse des Nebels schien sich nicht nur zu ihnen herunter, sondern auch in sich selbst zu bewegen. Erst bildete sich ein kleiner, kaum erkennbarer Punkt im Kern dieser seltsamen Erscheinung. Der Nebel verdichtete sich immer mehr um diesen kaum erkennbaren Fleck am Himmel und bald formte sich aus dem winzigen Punkt ein menschengroßes Etwas. Doch es wollte nicht aufhören zu wachsen. Es kam näher und näher und immer genauer konnte man etwas erkennen.

Ein schrilles Sirren ließ jeden Bewohner stöhnend die Hände vor die Ohren schlagen, doch man konnte den Blick einfach nicht vor dem entstehenden Monster abwenden. Ja, ein Monster. Nalia konnte es kaum glauben und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Was konnte es anderes sein, was da vor ihren Augen entstand?! Die dichte grüne Masse blitzte mit einem Mal auf und der sirrenden Melodie folgend, tanzten plötzlich viele kleine, bunte Punkte vor Nalias Augen. Ihr Magen verkrampfte sich immer mehr. Waren die anderen genauso geblendet wie sie?

"Ein Drache!", riefen die Leute und sie hörte die schweren Schritte der Männer, die panisch zu ihren Waffen wollten. Panik brach aus. Ein erneuter Blitz brach über die kreischende Menge hinein. "Komm, Nalia!! Wir müssen weg von hier!", hörte das Mädchen ihren Bruder rufen, doch ihre Füße konnten sich kein Stückchen bewegen. Wie betäubt klammerte sie sich einfach nur an den Arm ihres Bruders und hielt ihn so ebenfalls auf fortzugehen. 'Ich bin blind...!', dachte sie panisch und knickte immer wieder mit ihren Füßen ein. 'Ich bin blind!!!'

Hektisch blickte Jasano sich um, als sich Nalias Gesicht entgegen der strömenden Menge an Menschen zuwandte. Das Mädchen spürte nicht einmal, dass sie ihren Kopf bewegt hatte und stand nur weiter mit weit aufgerissenen, aber nichts sehenden Augen dar.

Sie konnte nur fühlen, wie für einen Augenblick die ganze Welt still stand. Diese grauenvolle Sekunde war erfüllt von Funken, die blau und grün glitzernd auf die Menschen niederfielen und erneuter Donner ließ die Erde beben. Ein mächtiges Gebrüll, noch lauter als alles, was man je gehört hatte, durchlief die Ohren jedes Einzelnen. Vor ihnen zog der Nebel ab und offenbarte plötzlich eine fast unerkennbare Kreatur, bestehend aus Millionen knisternder Blitzen, die jedes Auge mit Licht fluteten und unsagbare Angst im Knochenmark aufstiegen ließen. Die Kreatur breitete seine gigantischen Flügel aus, die ohne Rücksicht krachend Häuser in Trümmer legten und blies ihnen den immer noch anwesenden grünen Dunst entgegen.

Schreie von Frauen und Kindern gingen unter einem erneuten Laut von dem riesigen Drachen vor ihnen unter. "Zu den Waffen!", hörte sie einen Mann den Befehl brüllen und noch mehr Schreie kamen hoch. Wieder hörte sie schwere Schritte von den Letzten, die erst jetzt aus ihrer Trance erwacht waren. Einer der Männer rempelte das Mädchen an und sie fiel kreischend zu Boden, nichts als viele bunte Punkte sehend.

'Das kann nicht wahr sein! Wieso taucht jetzt ein Drache auf?', kreisten ihre unnützen Gedanken umher, während sie sich unsicher am Boden entlang tastete und verbittert weinte. Da spürte sie plötzlich einen starken Griff an ihrer Schulter, der sie hochzog und wieder auf die Beine richtete. "Heute scheint absolut nicht dein Tag zu sein.", hörte sie eine bekannte Stimme in ihr Ohr flüstern und plötzlich verschwanden die vielen tanzenden Punkte vor ihrem Auge und sie blickte in das finstere Gesicht von Duke. Er hatte seinen Umhang abgelegt und Nalia sah nur noch kurz seine vollkommen schwarzen Sachen und ein Schwert in seiner Hand, als sie starr seinem ernsten Blick folgte.

Gigantisch große, weißgelbe Augen von der monströsen Blitzkreatur schauten zu ihnen hinab. Noch nie im Leben hatte Nalia auch nur etwas Ähnliches gesehen! Es war, als wären Blitze auf der Erde geblieben und hätten sich zu einem riesigen Monster vereint. Ein Schrei aus der Kehle des Blitztieres ließ erneut die Zeit kurz stillstehen und erst jetzt sah Nalia die ganzen verwundeten Bauern am Boden liegen. Einige schienen sich wieder aufzurichten, doch die meisten blieben reglos liegen. Nalia suchte rasch den Boden nach einer ungebrauchten Waffe ab, um ebenfalls gegen dieses Monster zu kämpfen, jedoch wurde ihr suchender Blick von dem Wesen auf sich gelenkt.

Das Monster warf plötzlich sein riesiges funkenbestücktes Maul in die graue Luft und ein Gurgeln gemischt mit den Knacken seiner Blitze ertönte aus seiner Richtung. "Alle in Deckung!", rief Duke und warf sich dann selbst in die Ecke eines Hauses, welches noch nicht in sich zusammengefallen war. Nalia sprang in die entgegengesetzte Richtung und dies im letzten Moment wie ihr schien, denn eine Sekunde später schlug ihr eine enorme donnernde Druckwelle entgegen.

Kreischend kniff sie die Augen zusammen und wartete, was noch geschehen würde. Da nahm sie den würzigen Geruch von verbranntem Holz wahr und öffnete wieder die Augen. Sie blickte die halbvernebelte Straße entlang. Ihr stockte der Atem. Wie in ein Flammenmeer verwandelt lag jetzt ihr Heimatort vor ihren Füßen. Schwarze Holzstückchen fielen von den halbzerstörten Dächern und weitere unzählige Stücken würden ihnen noch folgen, wenn man nicht handeln würde. Das wehleidige Geschrei der Bewohner erfüllte die Luft und Nalia stiegen weitere Tränen in die Augen. Sie schluckte ihren Hass hinunter und richtete sich wieder dem Drachen entgegen.

Sie sah eine verrostete Eisenstange im Flammenschein neben ihr aufleuchten und griff noch immer zitternd ruckartig danach. Besser als Nichts. "Na los!", rannte sie auf die verkohlte Straße und blieb dem Drachen gegenüber stehen. "Komm, du verdammtes Vieh!" 'Du wirst nicht noch mehr Unheil hier anrichten!', schwor sie sich und umklammerte ihre Waffe etwas fester. Als ob der Drache sie hören könne, öffnete er sein blitzendes Maul und der Klang seines Gebrülls blies ihr den üblen Gestank des Wesens hin. Zitternd hielt sie ihm trotzdem weiter ihre schwächliche Waffe entgegen. Ihre Hände wurden rutschig und mit einem fürchterlichen Schmerz am ganzen Körpern von den Flammen um sie herum stand sie wie paralysiert vor ihrem übermächtigen Gegner. "Verdammt!", hörte sie Duke aus der Entfernung fluchen. So schnell wie ein Blitz, der seine Anwesenheit angekündigt hatte und aus dem er auch zu bestehen schien, kam das gefährliche Maul des Drachens in Nalias Richtung. Sie schrie auf.

Dann sah sie nur das gnadenlose Aufflackern seiner Augen, als ihr plötzlich eine seltsame Flüssigkeit entgegenschlug. Eine Gänsehaut und Ekel breiteten sich bei diesem Anblick aus und Übelkeit stieg in ihr hoch. Das Auge des Drachen zerplatzte regelrecht von einem Schwerthieb von Duke, der Nalia zur Hilfe gekommen war. Sein Hieb zog sich immer näher zu dem Mädchen hin, das nun mit dem grünen Blut des Drachens bespritzt wurde. Angsterfüllt schrie sie in den immer währenden wabernden Rauch um sie herum, als sich plötzlich sein Arm um sie legte und hinweg trug. Schluchzend hörte sie dicht neben sich das Maul des Untiers zuschnappen und wieder wütend aufbrüllen, bis sie endlich ihre rot angelaufenen Augen aufmachte.

"Duke!", stieß sie schluchzend hervor. 'Er ... er hat mich gerettet!', dachte sie überglücklich und ließ die rostige Stange fallen. Mit einem Klirren landete sie auf den Boden, auf dem auch Duke sie kurze Zeit später eher schlecht als recht absetzte. Nalia spürte eine Freudenträne an ihrer Wange langlaufen. 'Gott, danke! Ich lebe noch!'

Überglücklich wollte sie Duke für seine Heldentat danken, da fühlte sie auf einmal einen seltsamen Druck auf ihrer rechten Brust und sah aufgelöst hin. "Ahhh!", schrie sie erneut, doch diesmal aus einem anderen Grund. "Du Schwein! Grabsch mich nicht an!!", schrie sie wieder weinend und kratzte ihm ins Gesicht. "Argh!", fluchte er auf. Als er dennoch nicht die Hand von ihr nahm, biss sie in seinen Arm und endlich stieß er sie erneut fluchend von sich. Stolpernd landete Nalia auf dem Boden und schaute Duke mit funkelnden Augen an. Er erwiderte ihren Blick nicht minder freundlicher. "Verdammt, willst du mich verstümmeln?!", schrie er sie aufgebracht an. "Du Perverser!", brachte sie nur weiter hervor. "Ich habe dir zufällig das Leben gerettet, wie wäre es mit einem Dankeschön?!", fuhr er sie wieder an und schaute wütend auf sie hinab.

"Vorsicht, pass auf!", rief Nalia stattdessen und sah das sprühende Maul des Drachens auf Duke zuschnellen. Er rührte sich nicht. "Duke!!" Ihr Herz stand still, bis er plötzlich mit einem perfekten Sprung auf dem offenen Maul landete und mit gesenktem Schwert weiter in Richtung der Augen rannte. Der Drache änderte seine Angriffsrichtung nach oben, während Duke von glitzernden grünen Funken in den immer noch gewittergrauen Himmel aufstieg. Schon nach wenigen Augenblicken verschwanden beide darin, dann nur Stille. Gebannt starrte Nalia hinauf. 'Mein Gott, wie soll Duke aus dieser Höhe nur wieder lebend auf die Erde gelangen? Er darf nicht sterben!!', flehte sie den Himmel an. Dieser Duke war zwar bei weitem kein wirklich guter und netter Mensch, aber ... aber wie sollte sie jemals erfahren, warum dies hier alles auf einmal passierte, wenn keiner anscheinend eine Antwort wusste außer er? Außerdem empfand sie trotz seiner Ignoranz und Eitelkeit eine gewisse Sympathie für ihn.

Ehrfürchtig starrte sie weiter in den Himmel, immer noch suchend nach einem kleinen funkelnden Punkt an ihm, der bewies, dass sie noch da waren. Wie in Trance faltete sie ihre beiden Hände vor der Brust und fing an zu beten. Sie konnte den Blick einfach nicht abwenden und die Sekunden wurden fast zur Ewigkeit. Dann schreckte Nalia auf. Das Raunen der Dorfbewohner, die angeschlagen versuchten sich wieder zu sammeln, verstummte und sie alle folgten ihrem Blick zu den Wolken.

Alles geschah in Bruchteil von einem Wimpernschlag. Die dichte graugrüne Masse am Himmel zog sich wieder auf einen Punkt zusammen. Es war, als wäre jedes Geräusch der Luft entzogen worden und selbst der Atem stockte jedem. Dann, wie eine große Explosion am Horizont, schlug der sprühende Körper des Monsters im gebildeten Kreis von Menschen nieder und sein gewaltiger Aufprall schlug mit einer Druckwelle alle näher stehenden zurück und ließ ihre betäubten Körper kraftlos zusammensacken. Schreiend hielt Nalia schützend ihre Arme vor ihr Gesicht, als sie ebenfalls einige Meter auf dem Boden weggeschleudert wurde und dann keuchend liegen blieb.

Panisch riss sie ihre Augen wieder auf und rappelte sich in einer neuen Staubwolke hoch. Stöhnend hielt sie sich die Hand an den Kopf und blickte sich verwirrt um, als sie den reglosen Körper des Drachens entdeckte. Sein Blitzpanzer gleißte immer noch funkensprühend, doch irgendeine Veränderung fand zusehends mit diesem Schauspiel statt. Nalia ging wankend und aufgelöst zu den Drachen hin. Ob Duke noch am Leben war? War das Monster überhaupt tot, oder ging sie gerade selbst auf ihr Verderben zu? Allmählich lichtete sich die Staubwolke und langsam kam das Mädchen zum Stillstand. "Unglaublich...", brachte sie nur murmelnd heraus, als sie ängstlich und staunend vor dem leblosen Körper des grässlichen Drachens stand. Seine leuchtenden Schuppen glitzerten immer schwächer und erloschen jäh. Fasziniert starrte sie darauf. Ohne all diese Funkenpracht schien das Monster immer mehr einer Echse zu ähneln. Er hatte normale grüne Schuppen, die leicht vom Körper abstanden und nun einen beißenden, verbrannten Geruch absonderten.

Endlich riss Nalia sich von dem starren Körper los und suchte hektisch nach Duke. Er konnte doch nicht ... er war doch nicht ... tot? Immer panischer schoss ihr Blick durch die Gegend und flehend rief sie seinen Namen. Plötzlich hörte sie das unverkennbare klirrende Geräusch eines Schwertes, das in seine Scheide gesteckt wurde und sie drehte sich erschrocken um. Da stand er, leicht angekratzt aber mit einem gewohnt eitlen Blick vor ihr und sah finster auf sie herab. Nalia wusste nicht, ob sie ihm erleichtert um den Hals fallen sollte, oder lieber wie ein kleines Kind beschämt zu Boden blicken sollte.

Sie entschied sich für das Erstere und fasste ihm lachend an die Hand. "Mein Gott, du lebst Wie ...? Wie konntest du ...?", sie wusste vor lauter Aufregung gar nicht mehr die richtigen Worte. Duke allerdings schien die Beherrschung selbst zu sein und nahm langsam seine Hand von ihrer weg, ohne sie auch nur ein bisschen freundlicher anzusehen.

"Du dummes Gör! Habe ich dir nicht gesagt du sollst wegbleiben?! Ein Kampfplatz ist kein Ort für ein einfältiges Kleinkind wie dich!", beschimpfte er sie und ließ noch einige Flüche von sich hören.

Komplett verwirrt schaute sie ihn an. War er denn gar nicht erleichtert, dass der Drache besiegt war, oder das fast alle aus dem Dorf noch lebten? Freute er sich denn gar nicht sie wieder zu sehen?! Dabei hatte sie selbst doch so inständig dafür gebetet, dass er heil wieder auf den Boden kommen sollte!!

Wütend schrie sie ihn an: "Du verfluchter Idiot! Hast mir das Leben gerettet und beleidigst mich trotzdem noch weiter!? Und ich habe mir Sorgen um dich gemacht!!! Du bist...!", ohne die letzten Worte auch nur in den Sinn zu bekommen, knickte Nalia plötzlich ein. Alles schien in ihrem Kopf explodieren zu wollen und drehte sich unaufhörlich, bis dann alles um sie herum schwarz wurde und sie nur noch mitbekam, wie sie hart zu Boden fiel.

"Nalia!", hörte sie noch seine überraschte Stimme wie aus der Ferne rufen. Diese plötzliche Schwärze brach über sie ein wie der Drache zuvor. Eine schwere Trägheit überkam sie und sie spürte nur noch eine eiskalte Hand an ihrer Schulter rütteln.

ll. Chapter: Vast Night - Wie ein einsamer Stern am Firmament

Warme Sonnenstrahlen und das Zirpen der Grillen weckten das blonde Mädchen heute nun schon zum zweiten Mal und mit einem kleinen Schock öffnete sie ruckartig die Augen. Nalia befand sich in ihrem Haus, sogar in ihrem Bett, und starrte mit verschwommenem Blick die Decke an. Tträge und begann sich langsam aufzurichten. Dabei fiel ihr auf, dass sie einen albernen Verband um den Kopf gewickelt hatte, der ihr nun vor die Augen rutschte. Ihr Herz raste so schnell, das es schon weh tat und ein Schwindelgefühl stieg in ihr auf. Allmählich versuchte sie ihre zitternde Hand unter der wohlig warmen Bettdecke hervor zu bekommen. Mit dröhnendem Kopf richtete sie sich vollends auf und schob den Verband zurecht.

Völlig verwirrt schaute das Mädchen sich um. Alles lag unverändert vor ihr; die verstreuten Bücher, die sie am Anfang des Tages umgestoßen hatte, lagen noch immer wild verteilt im Raum umher. Ein paar ihrer achtlos beiseite geworfenen Kleider leisteten ihnen dabei sogar Gesellschaft. Ihr Blick wanderte den Boden entlang, hin zu den großen und mächtigen Balken, die das Dach über ihren Kopf stützten. Aus dem Augenwinkel erkannte sie noch die Kerben in den beiden Balken, an denen jeweils ihre und Jasanos Größe gemessen wurde. Ihr war nie aufgefallen, dass ihr Bruder fast um einen ganzen Kopf größer war als sie...

Dann sah sie etwas derartig fremdes in ihrem Zimmer, dass sie es schon früher hätte bemerken müssen. Sie war nicht allein in im Raum! In der am weitesten von ihr entfernten und dunkelsten Ecke stand ein fremder, schwarz gekleideter Mann. Mit einem leeren Gesichtsausdruck starrte Duke zu ihr hinüber. Er trug noch immer seine mit grünem Blut durchtränkten Sachen, die im warmen Licht der untergehenden Sonne an manchen Stellen so wie der Blitzpanzer des Drachen funkelten und glitzerten. Seine muskulösen Oberarme hatte er verschränkt vor sich. Mit dem Gesicht zu ihr gerichtet, lehnte er an der Steinwand und schien nicht einmal zu blinzeln oder gar zu atmen. Dukes finsterer Blick fixierte irgendeinen Punkt neben ihrem Kopf, als er sich plötzlich durch die Haare fuhr und somit das erste Zeichen gab, dass er nicht zur Salzsäule erstarrt war. Er blinzelte ein paar Mal müde, als hätte er die ganze Zeit über so Wache gestanden, dann ging er zu ihr hin. Ein paar Schritte vor ihrem Bett blieb er stehen und blickte herablassend wie immer zu ihr. Nalias Herz begann zu rasen, als er sich einen Stuhl griff und sich so hinsetzte, dass sie beide jetzt auf einer Augenhöhe waren.

Sie konnte fühlen wie ihr Gesicht glühend rot wurde. Rasch schaute sie den Stapel an Büchern zu ihrer rechten an und versuchte sich zu beruhigen und ihren dämlichen Verband wieder ordentlich hin zu rücken. Sie konnte ganz deutlich spüren, dass er sie nicht für eine Sekunde unbeobachtet ließ und schluckte einmal schwer. Verstohlen blickte sie aus den Augenwinkeln so unauffällig es ging zu ihm. Tatsächlich saß er wie ein Wachhund vor ihr und verfolgte jede ihrer Bewegungen mit seinen schwarzen Augen. Nalia schluckte noch einmal schwer und nahm dann den Mut zusammen, ihn direkt anzuschauen.

"Wo ... ?", setzte sie an, doch er unterbrach sie schon mit seiner rauen Stimme: "Vor der Tür, sie warten auf dich.", antwortete er kurz und knapp, als ob er ihre Gedanken lesen könnte. Von dem plötzlichen Gespräch aufgeschreckt, öffnete sich die Tür schwungvoll und einige Sekunden später fielen ihr Marika und Jasano in die Arme. "Du lebst! Mein Gott, ich hatte schon gedacht ... !", weinte ihre Mutter ihr ins Ohr und drückte das Mädchen fest an sich, so dass sie fast keine Luft mehr bekam. "A ... u ... a!", stöhnte Nalia kurz unter Schmerzen auf und erschrocken lockerte ihre Mutter die Umarmung, ließ sie aber dennoch nicht ganz aus den Armen. "Wie geht es dir?", fragte Jasano. Er setzte sich direkt neben Marika und unterbrach so den endlosen Blickkontakt zwischen ihr und Duke. Erwartungsvoll starrte ihre Familie sie an und Nalia musste erstmal ihre verwirrten Gedanken ordnen.

"Ähm ... gut! Denke ich zumindest...", stotterte sie vor sich hin, während sie wieder mit dem Kopfverband zu kämpfen hatte. "Was ... ist passiert?", fragte sie. "Einer der Solvans hätte dich beinahe mit ins Grab genommen.", hörte sie Dukes tiefe Stimme hinter Jasano sagen und sie wandte sich ihm zu. Nur widerwillig schenkte Jasano ihm auch seine Aufmerksamkeit und musterte seine blutverschmierte Erscheinung mit einer unverhohlenen Abscheu. Ohne ihrem Bruder weiter Beachtung zu schenken, legte sie fragend die Stirn in Falten. "Ein Tsolfahn ... ?", sie grübelte kurz, so weit das mit ihrem dröhnenden Schädel überhaupt ging, "Du meinst ... diesen Drachen?" Mit einem Stich ins Herz erinnerte sie sich wieder an dieses schreckliche Ereignis. 'Dann war es also doch kein Traum...'

"Nalia. Es gibt da etwas, über das wir mit dir reden müssen.", hörte sie ihre Mutter sagen und das Mädchen wandte sich überrascht zu ihr um. Der rothaarigen Frau liefen nun Tränen an der Wange entlang und selbst Jasano senkte niedergeschlagen den Blick. Ein ziemlich mulmiges Gefühl entstand in Nalias Magen und wieder begann ihr Herz wie wild zu rasen. "Was ... was habt ihr denn?", fragte sie mit staubtrockener Stimme ihre Mutter und ihren Bruder. "Wir...", fing Marika an, doch sie wandte rasch den Blick ab und hielt sich eine Hand vor den Mund. Tränen liefen weiter an ihrem Gesicht hinab und sie unterdrückte ein Schluchzen. Besänftigend legte Jasano ihr seine Hand auf die Schulter und sprach für sie weiter: "Wir haben miteinander geredet.", sagte er mit einem nicht unbedeutenden Augenrollen zu Duke hin. "Jaah, scheint ja nicht sehr erfreulich gewesen zu sein das Gespräch.", sagte seine Schwester langsam, ohne auf das hinaus zu kommen, was er meinte. "Kein Grillabend mehr für ein paar Wochen ... ?" "Nalia! Wir haben darüber gesprochen, ob du mit ihm mitgehen sollst!!"

Die Worte trafen Nalia wie ein schwerer Schlag ins Gesicht. Für einen Moment hätte sie schwören können, dass ihr Herz aufgehört hatte zu schlagen. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund starrte sie ihren Bruder an, der wütend und verzweifelt aufgesprungen war und sie von oben anblickte. Sein Brustkorb hob und senkte sich fast genauso schnell wie ihr Herz nun schlug und plötzlich fiel ihr wieder ihre Mutter in die Arme und drückte sie wild schluchzend an sich. Jasano fiel vor ihr auf die Knie und umarmte das blonde Mädchen und ihre Mutter ebenfalls.

"Bitte, geh nicht!"

Umhüllt von ihren zerzausten langen Haaren und den Wärme spendenden Körpern ihrer Familie schloss Nalia die Augen. Sie war wie gelähmt. Kein einziger richtiger Gedanke wollte ihr kommen. Sie wusste nicht, ob das Warme, das sie an ihrem Gesicht fühlte, ihre Tränen waren oder die ihrer Mutter. Stumm saß sie da und hörte das eindringliche Beten Marikas und ihre schnellen Herzschläge. War es ihr eigener Körper, der so bebte? Zitterte sie selbst? Allmählich begannen die Gedanken in ihrem Kopf Gestalt anzunehmen. 'Nein ... was ... was soll das alles nur? Was soll ich tun? Ich ... will nicht weg! Ich...'

" ... und er stand dar mit ausgebreiteten Armen und rief: Jeder der Euren, der sein Leben das eines Sohnes meines Königreiches verdankt, soll von nun an auf Erden mit ihm wandeln und ihm dienen, sofern der Retter sich seiner Hilfe zu Nutze machen gedenkt und braucht.", sprach Duke plötzlich in die Stille hinein und Nalia schaute ihn unter einem Arm ihrer Mutter hinweg an. Er saß nicht mehr wachsam vor ihr, sondern hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt und das linke Bein verwegen auf das andere gelegt und bewegte seinen Fuß in einem langsamen Takt hin und her. Seine Arme waren wie immer verschränkt und mit einem dämonischen Lächeln sah er zur Familie hinüber, die ihn erstaunt anblickte. Nalia brauchte nicht lange zu überlegen, was er eben zitiert hatte. "Die Alten Gesetze...", flüsterte Jasano wütend vor sich hin und über die Köpfe der Frauen hinweg sah er finster zu ihm. "Aber... !", schaltete sich Marika, nachdem sie ihre Tränen weggewischt hatte, ein. "Sie ist doch meine einzige Tochter! Bitte, nehmt sie mir nicht weg!", sprach sie mit zittriger und schwacher Stimme, während sie Nalias Kopf unaufhörlich streichelte und erneutes Schluchzen unterdrückte. Sie sah ihn mit flehenden Augen an und redete in ihrer wohlklingenden Stimme, doch dieses Flehen ließ Dukes Lächeln nur größer werden. Er zeigte seine weißen Zähne und neigte den Kopf nach unten, ohne sie aus den Augen zu lassen: "Nein, sie ist nicht mehr deine Tochter.", sagte er in einer ungewöhnlich belustigten Tonlage, die trotz allem noch seine Kälte zum Ausdruck brachte. "Ab dem heutigen Tag ist sie mein Eigentum."

Entsetzt und geschockt starrte die Familie den kaltblütigen Mann vor ihnen an. Keiner konnte seinen Ohren trauen. "Du ... elender Bastard!! Sie wird nicht mit dir fortziehen!", sprang Jasano auf einmal auf. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und sein Gesicht war feuerrot. Mit bester Laune stand Duke ebenfalls auf und musterte ihren Bruder von oben bis unten. "Es war zu erwarten, dass Herr Hase einmal im Leben zumindest aggressiv wird.", spottete Duke. "Komisch nur, dass er dem Solvan nicht so die Zähne zeigte." "Halt dein Maul!!", rief Jasano in purer Raserei und wollte sich auf ihn stürzen, wäre da nicht seine Mutter dazwischen gesprungen und hätte ihm am Arm gepackt. "Jasano! Beruhige dich!", flehte sie ihn mit Tränen in den Augen an. Sie musste ihre ganze Kraft aufbringen, ihn in Zaum zu halten. Kochend vor Wut senkte der Mann nur langsam seine Hand und fixierte Duke weiter grimmig. Sein Nicken war kaum wahr zu nehmen, so wie sein Körper bebte.

"Wenigstens einer hat hier Verstand.", zuckte Duke mit den Schultern. Sein Lächeln war wie weggewischt und fast schon enttäuscht stand er nun da. "Nun gut, wir brechen auf!", sagte er an Nalia gewandt und öffnete schon die Tür. Völlig aufgelöst schaute Marika zu ihm. Immer noch liefen Tränen an ihrer Wange entlang und sie gab einen kleinen Schrei von sich. "Nein! Nicht jetzt!", sagte sie völlig aufgelöst und machte Schritte auf ihn zu. Mit gerümpfter Nase wich Duke kurz zurück und sah sie dann mit seinen kalten Augen und berechnenden Blick an. "Sie gehört jetzt zu mir - und ich sage, wir gehen." Weinend sank Marika zusammen und zitterte am ganzen Leib. "Neiii~n ... !", schluchzte sie erneut. Wieder musste Jasano schützend seine Arme um sie legen und schaute zu Duke hinauf, als hätte er selbst ihre Mutter zu Boden gestoßen.

"Und mich fragt hier keiner?", meldete sich Nalia plötzlich zu Wort. Die ganze Zeit über hatte sie stumm die Szene beobachtet und ihre Hände fest um die Bettdecke geschlossen, so dass schon das Weiß der Knöchel hervor trat. "Du hast nichts...", setzte Duke an, doch sie unterbrach ihn Kopfschüttelnd, "...zu sagen, ich weiß. Aber doch bitte nur für eine Nacht!" Ihre grasgrünen Augen schauten ihn weder flehend noch fordernd an. Sie mied bewusst den Blickkontakt zu ihrer Mutter oder ihrem Bruder und wollte einfach nur alles zu Ende bringen. Sie konnte ihre Mutter nicht noch länger weinen sehen. Es zerriss ihr beides das Herz; Marikas Tränen, Dukes Wunsch... Es war so oder so aussichtslos...

Schweigend schaute Duke zu ihr hinüber und dann zum Fenster. Die Nacht senkte sich langsam nieder und ein kühlerer Wind zog auf, der sich in kleinen Böen durch das offene Fenster schlich. Das Orange der Sonne färbte nur noch schwach den Himmel und selbst die Grillen wurden immer leiser. Dafür jedoch war ein unentwegtes Lärmen der Menschen jenseits dieses Hauses zu hören. Er hörte sie klagen und jammern; keiner von ihnen war froh, dass er sich selbst die Haut retten konnte. Sie waren tot unglücklich, obwohl sie selbst doch noch am Leben waren. Duke schloss kurz die Augen und drehte sich dann wieder Nalia zu. "Einverstanden.", sagte er und Marika schluchzte noch ein letztes Mal, doch diesmal vor Freude. "Aber ich werde hier oben bei dir übernachten.", sprach er dann und Jasano schoss schon wieder in die Höhe. "Nie im Leben wirst du das tun!!" "Damit sie dann heimlich von hier verschwinden kann? Nein, ich bleibe hier."

Trotz allen Jammern und Fluchens kam es dann so, dass nach dem großen Abendmahl - Marika hatte so viel gekocht, dass Nalia sich nur ächzend die Treppe wieder hoch schleifen konnte - Duke mit hinauf in ihr Zimmer ging und Nalia ihn nun keinen Augenblick außer Acht ließ. Misstrauisch beobachtete sie ihn, wie er sich an der Stelle direkt vor der Tür niederließ und sie ebenfalls nicht aus den Augen ließ. Schweigend betrachteten sie einander und dem Mädchen wollten einfach nicht die Wangen aufhören rot zu glühen. 'Ich bin mit einem Fremden allein in einem Zimmer! Bei Nacht!! Mit ... Duke!!!'

"Was starrst du mich eigentlich so blöd an?", raunte er plötzlich mit seiner tiefen Stimme, die Nalia aufschrecken ließ. Das Blut schoss ihr nur noch mehr in den Kopf und verlegen räusperte sie sich. "Warum? Du starrst mich doch auch an!" Er schnaubte genervt auf und bohrte sich mit seinem Blick weiter an ihr fest. "Du hast doch nicht etwa Angst, dass ich über dich herfalle?" Er stellte die Frage in so einer Tonlage, dass Nalia sich selbst bei dem Gedanken dumm vorkam. "Natürlich nicht!", sagte sie prompt und verjagte jede aufkommende Vorstellung daran. Schnell versteckte sie ihr Gesicht hinter ihren ran gezogenen Beinen und guckte ihn wütend an. "Und selbst wenn du es auch nur versuchen würdest...", fügte sie schnippisch hinzu, "...kommt mein Bruder rein und schmeißt dich raus. Dann kannst du sehen wo du bleibst." Sie hörte ein heiseres Lachen aus seiner Ecke kommen und sah ihn wieder dämonisch grinsen. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie versteckte sich noch ein wenig mehr hinter ihren Beinen. "Du meinst diesen Feigling, der sich hinter uns auf dem Flur versteckt? Oh, ja. Natürlich würde er mich achtkantig rauswerfen." "Hör gefälligst auf, so über ihn zu reden!!", schrie Nalia ihn nun an und sein Grinsen wurde wieder breiter, je mehr man sich aufregte. "Für dich ist das alles natürlich nur urkomisch!!", brüllte sie und schleuderte ihm ihr Kissen ins Gesicht, welches er jedoch geschickt auffing. "Du bist wirklich widerwärtig ... !"

Duke schien ihr jedoch gar nicht zuzuhören und legte sich das Kissen auf dem Boden zu Recht. "Was immer du meinst, ich werde jetzt schlafen." Mit großem Erstaunen sah sie ihn aus seinem Schneidersitz aufstehen und das Schwert abschnallen. Es war in einer langen ledernden Scheide und mit großer Sorgfalt lehnte Duke es gegen ihren Bücherschrank. Das Schwert hatte einen wunderschönen bearbeiteten silbernen Griff. Viele kleine Verzierungen wanden sich an ihm und an seinem Ende funkelte sie ein kleiner schwarzer Stein an. Im flackernden Licht der Kerzen um sie rum schien er wie eine dunkle lebende Flüssigkeit auf dem Schwert umherzuwandern. Fasziniert von dem Stein beachtete Nalia Duke nicht mehr und war umso erstaunter, als sie ihn plötzlich nur noch in einer Hose bekleidet vor sich sah.

"Kyaaaaaaa~!! Oh mein Gott!!! Zieh dir gefälligst wieder was aaaaa~n!!!", kreischte sie hysterisch und hätte ihm am liebsten ein weiteres Kissen entgegengeschleudert, wenn sie noch eines gehabt hätte. Verwundert und mit einer Augenbraue fragend in die Höhe gerichtet, sah er zu ihr, wie sie verzweifelt versuchte ihn nicht angucken zu müssen, aber trotzdem immer wieder ihre Augen auf ihn warf. Er kam provozierend näher und blieb neben ihr stehen, die Hände in die Hüfte gestützt. "Noch nie einen göttlichen Körper gesehen?", fragte er sie und sein Blick glitt an ihr hinunter in der festen Überzeugung, dass sie mit ihrem Körper sicher noch nie so jemanden vor sich hat stehen sehen. Wütend funkelte sie ihn an und wandte dann rasch den Blick. Sie hoffte inständig, ihr Bruder würde einfach so reinplatzen. Auch wenn es nur zum Überbrücken dieser überaus peinlichen Szene war, jemand sollte ihr jetzt schnellstens helfen!! Mit pochendem Herzen starrte sie die Tür an, doch nichts regte sich.

Plötzlich fühlte sie Fingerspitzen an ihrem Kinn und merkte, wie sie leicht mit dem Kopf wieder zu ihm gedreht wurde. Mit ernstem Blick schaute Duke zu ihr hinab. Nalia wollte zwar nicht, aber dennoch guckte sie an seinem Oberkörper hinunter. Ihr Mund öffnete sich vor Erstaunen und sie kräuselte die Stirn. Sie wusste, dass es sich überhaupt nicht gehörte, aber sie fasziniert von seiner Erscheinung. Unzählige Narben bahnten sich ihren Weg auf seinem trainierten Körper entlang und waren Schuld, dass sie ihren Blick nun nicht mehr abwenden konnte. Als er noch weiter weg stand, hatte Nalia diese Wunden im Kerzenschein gar nicht wahrgenommen. Ohne erkennbares Muster zogen sie sich über seinen gesamten Körper. Einige waren sogar oberhalb seiner Arme oder gefährlich nahe an der Kehle. Erstaunt folgte sie jeder einzelnen Narbe bis zum Ende und wunderte sich, wie um alles in der Welt er so was nur an seinem Körper sammeln konnte?

Sie hörte Duke wieder aufschnauben und schaute ihm dann erschrocken in die Augen. "Gefällt dir etwa, was du sieht?", fragte er wieder mit einer sonderbar tiefen Stimme, die so gar nicht hier hin passte. Nalia schluckte einmal schwer und wandte dann beschämt den Blick ab. Sie konnte wieder die Hitze in ihrem Gesicht fühlen und noch immer lagen da seine Finger an ihrem Kinn... Dann hörte sie wie das Bett leise knarrte und plötzlich war sein zweiter Arm neben ihr gestützt. Sie traute sich gar nicht sich ihm wieder zu zuwenden und anzusehen. Als sie aber seinen warmen Atem an ihrer Wange spürte, konnte sie nicht anders, als sich ihm zu zudrehen. Er war nur einige Zentimeter vor ihrem eigenen Gesicht und schaute ihr direkt in die Augen. So still wie es im Raum war, hätte man in diesem Moment eigentlich ihr Herz bis zum Hals schlagen hören müssen. Noch nie war ihr jemand so nahe gekommen! Matt zählte hier natürlich nicht, denn schließlich hatte er sich noch nie so vor ihr entblößt ... !

Nalia wusste nicht, ob er ernsthaft eine Antwort auf diese Frage verlangte, aber auf jeden Fall passte ihr diese Anmache seinerseits gar nicht! Das erinnerte sie tatsächlich viel zu stark an Matt und sie hasste sich für dieses Herzklopfen. "Ich dachte, der hochverehrte Herr mir - gehört - jetzt - dein - Leben wollte schlafen gehen?", fragte sie und versuchte dabei möglichst gleichgültig zu klingen. Dieses Prickeln in ihr verwirrte sie so sehr, dass sie ganz unbewusst ihren Körper versteifte. Leider ließ sich Duke aber nicht so leicht abwimmeln. "Und was ist, wenn ich mich nun doch entschlossen habe hier zu schlafen?", fragte er in einer ganz anderen Tonlage, die Nalia einen Schauer über den Rücken jagte. Obwohl sich ihre Augen erschrocken weiteten, wandte sie trotzdem nicht den Blick von ihm ab. "Ich bin nicht des Herren kleiner Beischlaf!", sagte sie scharf. Sie sah nur noch kurz aus den Augenwinkeln ein kleines Aufblitzen eines Grinsens in seinem Gesicht. "Nein, das nicht.", sprach Duke nun leise zu ihr, so dass Jasano, falls er wirklich noch auf dem Flur war, nichts mehr hören konnte. "Aber du bist mein Eigentum.", erinnerte er sie und verhinderte noch im letzten Moment eine Ohrfeige von ihr. Mit festem Griff hielt er ihre Hand in der Luft, die noch vor ein paar Sekunden an ihrem Kinn lag. "Tse tse tse.", schüttelte er den Kopf. "Wer rebelliert denn da gleich? Du hattest doch vorher nichts dagegen gesagt." Wütend starrte Nalia ihn weiter an und versuchte ihre Hand aus seinem festen Griff zu bekommen.

"Belieb ganz ruhig..." Er ließ ihre Hand frei, doch klangen seine Worte eher wie eine dahingehauchte Drohung. Mit wildem Herzrasen spürte sie nun seine Hand an ihrer rechten Schulter und wie er sie vorsichtig und mit einer unerwartet sachten Geste zurückdrückte. Völlig verwirrt starrte Nalia zu ihrer Schulter hin. Sie bemerkte kaum, dass ihre Beine sich ungewollt ein wenig streckten und nicht mehr eine schützende Grenze zwischen ihr und Duke bildeten. Ihrer ganzen Unschuld bewusst hielt sie den Atem an. Mit zitterndem Körper schwor sie sich, nie mehr den Mund aufzumachen oder auch nur einen weiteren Atemzug im Leben zu tun. Sie biss sich auf die Lippen, um das Gefühl seiner nur auf sie gerichteten Augen zu verdrängen. Duke drückte mit seiner schweren Hand leicht zu und sie konnte nicht anders, als doch wieder Luft zu holen. Sie schaute auf, um ihren Peiniger eine Verwünschung entgegenzuschleudern, als er bereits seine Lippen auf ihre legte. Rein instinktiv wich Nalia mit dem Kopf zurück, landete dann aber auf dem Kissen. Als sie unter dem unheimlichen Kribbeln überall in ihr merkte, was gerade wirklich passierte, versuchte sie sich zu wehren. Verzweifelt versuchte sie unter einem Ansturm von jeglichen Gefühlen ihn zu fassen und von sich zu stoßen. Duke zwang sich ihr jedoch noch mehr auf, so dass sie nun seinen ganzen heißen Oberkörper auf ihren spüren konnte. Verzweifelt stiegen in ihr die Tränen auf, aber sich zu wehren hatte gegen ihn keinen Sinn. Sie konnte seine unglaubliche Wärme auf sich spüren...seinen feinen Duft wahrnehmen...seinen Kuss... Sekunden dehnten sich zu kleinen Ewigkeiten, verstrichen in erdrückender Stille.

Duke küsste sie, während Nalia vom Schock noch immer nicht recht wusste, was zu tun war. An seiner Brust konnte er ihren schnellen Herzschlag spüren, wo sein eigenes so ebenmäßig wie immer schlug. Er versteifte seine Hand fester um ihre Schulter, um sich ihr nicht vollkommen aufzudrängen. 'Das hat Zeit.', musste er in sich hineingrinsen, wo er das unwissende - und nun auch gefügige, wie er dachte - Frauenzimmer unter sich spürte. Er hob seine Hand von ihrer Schulter und schmiegte seine Handfläche an ihren Hals, während er zart mit seinen Daumen an ihrer Kehle hinauf strich. Als er ein unverkennbares Beben in ihr spürte, hätte er am liebsten aufgelacht. Er hatte es geschafft; ab jetzt an würde das Mädchen nicht mehr so einfach von ihm loskommen, wie es gerne möchte.

Einzig allein der volle Mond war Zeuge, als sich ihre Lippen nach schier endloser Zeit wieder voneinander lösten. Es hatte alles genauso plötzlich aufgehört, wie es begann. Wortlos blickte Duke auf sie hinab, dann wandte er langsam und mit ernstem Gesichtsausdruck seine Augen zum Fenster, als ob auf etwas lauern würde. Die Tatsache, dass dem Mädchen die Tränen in den Augen standen, kümmerte ihn wenig. Angestrengt lauschte er in die Nacht hinein und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich zusehends. Nur allmählich merkte Nalia selbst mit nebelhaften Gedanken, dass draußen inzwischen ein starker Regen eingesetzt hatte. Wie in einem Kugelhagel prasselte er laut gegen das Fenster und vereinzelte Blitze erhellten für Sekunden das in schwaches Kerzenlicht gehüllte Zimmer. Als auch sie ihren verweinten Blick Richtung Fenster wandte, sah sie die Bäume unheimlich im Licht der aufzuckenden Blitze glänzen und mit ihren Ästen gegen die Wände klopfen.

Schweigend stand Duke auf einmal auf, lauschte noch ein letztes Mal dem Regen und ging dann raschen Schrittes zu seinem Platz vor der Tür und ließ das blonde Mädchen verwirrt da liegen. Nalias Atem ging so rasch, dass ihr die Lunge schon weh tat und sie wieder das Gefühl hatte, als würde ihr das Herz aus der Brust davonlaufen wollen. Was hatte er da nur getan? Ein Schwall unglaublicher Reue und Scham suchte sie heim und bestürzt senkte sie den Blick. Wie konnte sie so etwas nur zulassen? Wie konnte sie sich von ihm nur so behandeln lassen?! Zornig vergrub sie ihre Finger in der Decke.

"Nutzt du Frauen immer gleich so aus?", fragte sie im scharfen Tonfall und richtete sich auf. Sorgsam, doch mit viel zu zittrigen und aufgebrachten Händen, strich sie sich ihr grünes Kleid zu Recht. Mit ganzer Abscheu sah sie ihn nun genauso an, wie es ihr Bruder schon vor ihr tat und sogar noch viele weitere Personen vor ihnen. Duke jedoch ignorierte sie und zog sich ein gefüttertes Wams aus dunkelgrün gefärbten Leder an und gurtete sein Schwert fest. "Keine Zeit, wir müssen los." "Was?! Aber du hattest doch zugestimmt noch..." "...hier zu übernachten, ja. Aber wir müssen jetzt verdammt noch mal los!!", fuhr er aus der Haut drehte sich kurz noch mal zum Fenster. Der Regen schien noch mehr an Intensität zugenommen zu haben und nun platschte er regelrecht gegen das Haus. Er murmelte noch irgendeinen Fluch und machte dann die Tür auf. Zu Nalias Überraschung stand da kein Jasano.

'Wahrscheinlich ist er schon längst Schlafen gegangen.', grübelte sie kurz mit verletztem Stolz, denn Duke hätte hier sonst was mit ihr anstellen können und niemand hätte es bei diesem Gewitter bemerkt! "Los, nun komm schon!", zischte er ihr aufgebracht zu, doch Nalia rührte sich nicht vom Fleck. "Was ist? Wird's bald?!" Doch Nalia machte noch immer keine Anstalten zu ihm zu kommen und schaute ihn mit ihren strafenden grünen Augen an. Duke fluchte wieder auf. "Hast du jetzt etwa Angst, mit mir allein zu sein?!", fragte er mit seinem rauen Tonfall und dem kalten Blick, wie es für ihn üblich war. Dieser normale Wesenszug an ihm machte das Mädchen wieder etwas entspannter und sie nickte nur, während sie ihn weiter mit ihrem Blick durchbohrte. Wütend sah man wieder seine Augenbraue hin und her springen, doch er versuchte sich zurückzuhalten und dieses Mädchen nicht gleich K.O. zu schlagen, um sie dann hinter sich herschleifen zu können. Das wäre ihm dann doch ein wenig zu anstrengend gewesen. "Also gut...", seufzte er angespannt und hob die Hand wie zum Eid, "...ich werde so was in absehbarer Zeit nicht mehr mit dir machen."

Trotz einem enormen Anschwall von bösen Augengefunkel ihrerseits, fragte sie noch kleinlaut nach: "Versprochen?" "Jaah, versprochen!", sagte er rasch und wunderte sich über die Einfältigkeit und Naivität des Mädchens. "So lange du es nicht auch willst ...", fügte er für sich selbst hinzu, doch glücklicherweise hatte sie seine letzten Worte nicht mehr verstanden oder gehört und stand endlich auf. Er ignorierte gekonnt eine weitere Reihe von misstrauischen und wütenden Augengefunkel von ihr und sie traten in den Flur.

"Was machst du da?!", zischte er plötzlich, als Nalia in die entgegengesetzte Richtung der Treppe ging. Mit ihren Fingerspitzen berührte sie schon die Klinke einer Tür und wollte sie runterdrücken, als sie innehielt. "Mich verabschieden, was sonst!", zischte sie ebenso zornig zurück, doch Duke kam schnellen Schrittes zu ihr und packte sie grob am Handgelenk. "Spinnst du?! Dafür haben wir nun wirklich keine Zeit! Die werden dich schon nicht vermissen!!" Mit diesen Worten schleifte er sie ungehobelt zur Treppe und stieß sie hinunter. Mit einem leisen Aufschrei, der in einem plötzlichen Donner unterging, konnte sich das Mädchen gerade noch so aufrecht halten, stolperte aber bis zum Ende der Stufen. Keuchend kam sie zum Stehen und schaute zu ihm hinauf. "Was fällt dir... !?", wollte sie ihn anschreien, doch rasch war er schon zu ihr gegangen und zerrte sie weiter mit zur großen Tür.

Grob schubste er sie hinaus ins Freie und Nalia fühlte den eisigen Windhauch der Nacht, jedoch war ihr Kopf weiter glühend heiß. Der Regen schlug ihr unbarmherzig ins Gesicht und eine Gänsehaut breitete sich auf ihrer Haut aus. "Was geht denn bitte schön in dir vor!?", schrie sie jetzt in die Nacht hinein. Sie bebte vor Zorn und wäre ihm am liebsten an die Kehle gesprungen. 'Er lässt mich nicht einmal ordentlich Abschied nehmen von meiner Familie!!' Duke jedoch schenkte ihr nicht einmal einen Blick und schaute sich suchend im Dorf um.

'Aaaaaaaaaaaaaaaa~rgh!!!! Was soll das alles denn bitte?!', fragte sie aufgebracht in sich hinein und noch mehr Blut schoss ihr in den Kopf, während sie quälende Gedanken heimsuchten. Unbewusst fasste sie sich an ihren Hals, wo vor kurzem noch seine warme Hand lag. 'Wie kann er eigentlich nur so etwas Unanständiges mit mir machen?! In meinem Haus! Gegen meinen Willen!! ICH HASSE IHN!!!!', stiegen erneut die Tränen in ihr hoch, während sie eine Richtung einschlugen und im Dorf umher schlichen. Der durchnässte Boden patschte lauthals unter ihren wütenden Stampfschritten, während Duke neben ihr kaum einen Laut von sich gab und sie wütend anzischte. 'Tssssssch dich doch selber an!!', schrie sie wieder aufgebracht in Gedanken zurück und patschte lauter als zuvor in den Pfützen umher. "Wenn du nicht sofort ruhig bist, schlag ich dich doch noch K.O. und schleif dich im Dreck hinter mir her!", raunte Duke sie wieder an. Er hatte sich im Regen wieder seinen dunklen Umhang übergezogen und die Kapuze verdeckte sein wütendes Gesicht samt der kreuzförmigen Narbe. Während er so vor dem restlichen kleinen Schauer geschützt wurde, durchweichte Nalias Kleid immer mehr und sie fing an, auf dem Boden umher zu schlingern.

"Ich bin leise wann ich will, du perverser Frauenverachter!!!", schrie sie nun plötzlich in die Nacht hinein und Dukes Gesicht nahm Staunen und Entsetzen zugleich an. Doch am Überragensten war wieder diese Wut in ihm. "Du gottverdammtes kleines Gör!", konnte er sie nur noch anschreien, als er sie auch schon auf den Arm nehmen musste, um vor den aufgeschreckten Wachmann dicht hinter ihnen flüchten zu können. "Etwas Besseres fiel dir wohl nicht ein, als direkt vor dem bissigen Hund mit einem Knochen anzutanzen!?", keuchte er unter ihrem Gewicht und dem enormen Tempo, dass er hatte. "Lass lieber endlich deine sinnfreien Redewendungen und bieg dort vorne rechts ab!", wies sie ihn wütend an, "Das ist eine Abkürzung zu ... !"

Doch bevor das Mädchen ausreden konnte, war Duke plötzlich schon hoch in die Luft gesprungen, so wie er es auch bei dem Drachen getan hatte, und sie konnte unter ihren Füßen die Stadt von oben immer kleiner werdend sehen. "Kyaaa~!!!", schrie sie aufgebracht und krallte sich an Dukes angespannten Armen fest. "Lass mich jetzt bitte bloß nicht fallen ... !", flehte sie unter einem starken Schwindelgefühl Duke an, während dieser zur Landung hinter der Stadtmauer ansetzte. "Nur, wenn du liebenswürdigerweise die Freundlichkeit hättest, deine Fingernägel aus meinem Arm zu entfernen!", gab er wieder ruppig von sich und schon hatten sie auch wieder festen Boden unter den Füßen. Keuchend setzte Duke sie erneut mehr schlecht als recht ab und stützte sich in die Hüfte. "Gott ... ! Du musst dringend ein paar Kilo loswerden!" "Waaa~s?! Erst grabscht du, dann vergewaltigst du mich fast, entführst mich von zu Hause und nun ziehst du auch noch über mich her???!!! Du bist wirklich unausstehlich!!!!" "Das Kompliment kann ich nur zurückgeben!" "Ekel!" Dukes scharfe Erwiderung ging in einem lauten Donner unter und wütend und außer Atem schauten sie sich gegenseitig feindselig an.

Sie waren in einem modrigen Gebiet des Mabela Garden gelandet und der Geruch von nasser Erde und verrotteten Bäumen stieg ihnen in die Nase. Nalia wandte sich von Duke ab und sah sich um. Überall dicht um sie verteilt standen mannshohe dünne Bäume, die allesamt schwarze Blätter hatten. Dies war kein Trick der Dunkelheit, die den Augen so oft einen Streich spielt. Die Bäume um Miriton herum hatten wirklich alle schwarze Blätter, die nun unheimlich im schwachen Mondlicht nass glänzten. Dies war schon immer eine besondere Eigenart des Mabela Garden; er erstreckt sich über den gesamten Kontinent, aber in jedem Gebiet sind die Farben der Blätter anders. Laut einer Legende war der gesamte Wald einmal der Garten der Götter gewesen, bevor die Monster und Menschen diese Erde beherrschten und anfingen sich zu bekriegen. Da flohen die Götter und versteckten sich auf dem heiligen Berg Eros, bis die Zeit gekommen war und sie den Frieden auf der Welt einleiten konnten. Alte Geschichten über alte Zeiten. Sie waren alle längst ein Mythos. Genauso wie die Alten Gesetze, die aber trotzdem noch jeder befolgte, wie das Paradebeispiel zeigt.

"Los, gehen wir hier entlang.", schreckte Duke sie aus ihren Gedanken hoch. "A - aber mir ist so kalt! Und ganz durchnässt bin ich auch! Ich habe Hunger ... !" Dukes Augenbraue sprang wieder wütend hin und her und er musste alle Kraft aufbringen, jetzt nicht wieder umher zu brüllen. "Guuuu~t...", flüsterte er mit pochender Braue so ruhig es ging und deutete mit der Hand Richtung Westen. "Dort hinten habe ich vorhin von oben aus eine kleine Lichtung gesehen. Ein kleiner Fußmarsch und wir können rasten."

Unter Stöhnen bemerkte Nalia erst zu spät, dass dieser kleine Fußmarsch zwei Stunden in Anspruch nahm, bis sie endlich einen geeigneten Platz erreichten. "Ich ... kann nicht mehr!", keuchte sie und fiel auf die Knie. Sofort benetzte das Moos ihr gerade getrocknetes grünes Kleid mit Wasser und färbte es an der Stelle wieder dunkel. Ihre Kehle brannte und sie spürte ein erneutes leichtes Schwindelgefühl aufkommen. "Warum um alles in der Welt mussten wir denn jetzt bitte so plötzlich weg?!", giftete sie ihn erschöpft an und strich sich ihr zerzaustes Haar zurück.

"Das verstehst du sowieso nicht.", gab er eine seiner knappen Antworten und sammelte etwas Kleinholz zusammen. "Zum Glück versuchst du es ja nicht einmal!", gab sie wieder eine beißende Antwort und wieder funkelten sie sich kurz an. Duke fluchte halblaut vor sich hin, wie schön es doch noch war ohne eine Göre am Hals zu haben und Nalia konterte damit, dass ja nicht jede Frau den Charme eines Chauvinisten erliegen kann. Wieder ein böses Augengefunkel. "Ich hasse dich.", beendete das Mädchen schlicht ihre Konversation und verbarg dann ihr Gesicht auf den Knien.

Leise knisterte inzwischen das kleine Feuer zwischen ihnen - Nalia fragte ihn gar nicht erst, wie er denn nasses Holz entzünden konnte - während die unzähligen Sterne am Firmament langsam zum Vorschein kamen. Ein kalter Wind zog auf und Nalia begann zu frösteln. Sie hasste diesen Ort, sie hasste diesen Mann, sie hasste diese ganze Situation!! 'Wäre ich doch bloß zu Hause geblieben ...'

"Bitte ...", flüsterte sie kaum hörbar in die Nacht hinein. "Was?", drehte sich Duke ihr zu. "Bitte, erzähl mir den Grund für all das!", sagte sie fordernd und richtete ihren Blick wieder fest auf den schwarzen Krieger. Einige Vögel flogen aufgeschreckt fort, doch er blickte sie unbewegt an. Sie glaubte erst, er wolle ihr nicht antworten, doch dann kramte er in seinem zerlumpten Umhang und holte einen Fetzen Papier hervor. Offen blickte er sie an und hielt ihr ein Pergamentpapier hin. Zögernd nahm sie es an und betrachtete ihn ehrfürchtig. Der Brief war zerknittert und an einigen Stellen auch schon zerrissen; anscheinend hatte sein Besitzer nicht gut auf es Acht gegeben. Man konnte kleine Schriftzeichen erkennen, die besagten, dass es an Nalia van Aurum im Dorf Miriton gesandt war. Beim Lesen ihres Familiennamens stockte sie. 'Aurum ... wie ich diesen Namen auch hasse ... !' Jeder der so genannten Chemiker, die in ihrem Dorf kurz Rast machten, machten sich lustig über sie, weil Aurum auf Latein Gold hieß und sie dann mit ihrer Haarfarbe aufzogen.

"Du heißt Aurum?", Dukes Aussage war mehr eine Feststellung als eine richtige Frage. 'Er hatte scheinbar das Pergament vorher ständig angeguckt gehabt, dass er den Namen weiß.' "Jetzt mach dich auch noch lustig! Los!! Ich hab' schon jeden Spruch gehört!", sprach Nalia wütend und erinnerte sich wieder zurück an all die klugen Sprüche, von denen ihr Bruder auch noch die meisten erfunden hatte. 'Tse, von wegen Blut ist dicker als Wasser!', schlich es ihr durch den Kopf. Duke schaute sie kurz verdutzt an und stocherte ein wenig im Feuer umher, das leise vor sich hin knisterte. "Wieso? Ich finde der Name passt doch ... Goldlöckchen.", grinste er vor sich hin über seinen eigenen Witz. "Ekel!"

Nalia wandte sich ärgerlich von ihm ab und sah weiter das Pergamentpapier an. Ein kleines rotes Siegel aus Wachs bedeckte die Öffnung und sie war schon dabei es vorsichtig aufzumachen, als Dukes Stimme plötzlich wieder dazwischen kam.

"Warte noch!", hielt er sie im herrischen Tonfall von ihrer Tat ab und entnervt schaute sie zu ihm. "Was gibt es denn sonst noch so zu sagen ... Struwwelpeter?" Als seine Augenbraue wieder vor Wut hin und her tanzte und er auch noch den passenden Gesichtzug dazu machte, fiel Nalia in schallendes Gelächter. "Jetzt lach mich nicht aus, verdammt!!", schrie er sie aufgebracht an, doch das Mädchen hörte wieder nicht auf ihn. Unentwegt kugelte sie sich am Boden umher. Als Nalia kurz aufblickte, sah sie ihn mit wilder Miene aufstehen und zu ihr rüberkommen. "Nein! Bleib da, du Perverser!", bekam sie plötzlich Panik von ihrem Trauma, das ihr noch allzu deutlich vor den Augen lag. "Jetzt stell dich nicht so an!" "Tu ich aber!" Und mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn neben sich hinsetzen und wieder dichter rücken. "Nein!!", wimmerte sie und krabbelte langsam zurück. "Verdammt, jetzt bleib doch mal hier!", sagte er wütend und beugte sich zu der schreckhaften Nalia hinab. Ungehobelt nahm er ihre linke Hand. "Neeiiiin!!!", schrie sie wie am Spieß. "Ich will nicht! Ich bin noch nicht ganz 17 und kann so was doch nicht einem Fremden machen! Auch wenn ich dir was schulde ... ! Ich will nicht!!!!"

"Was redest du da für wirres Zeug?!", fragte Duke völlig durcheinander. "Verdammt, ich will doch Nichts von einem Gör wie dir!" "Das sah vor wenigen Stunden aber noch ganz anders aus...! Was machst du da bitte schön mit meiner Hand?!", fragte sie ihn empört, als sie plötzlich wollenen Stoff und festes Leder auf ihren Fingern fühlte. "Ahhh, verdammt! Lass mich!!" Hilflos versuchte sie ihm ins Gesicht zu kratzen, doch er ergriff auch diese Hand und legte sie auf die Stelle, an der auch schon Nalias Linke lag.

Schniefend sah sie nun, dass er ihre beiden Hände gegen seinen rechten Brustkorb gedrückt hielt. Das Mädchen war viel zu geschockt um zu Schreien und blickte ihn nur verdutzt an. So schnell er ihre Hand auch ergriffen hatte, ließ er sie auch wieder los und setzte sich ein paar Schritte entfernt wieder ans Feuer. "Was ... was zum ... ?", stammelte sie mit kleinen Tränen in den Augen. "Jetzt sind wir quitt. Ich habe deine Brust berührt und du nun meine.", sagte er gleichgültig und schaute in den Himmel, an dem schon die Sterne blinkten. "Wie?", fragte sie sich und erinnerte sich dann, nach sehr, seeehr langem Grübeln an den Grabscher beim Drachen. "Du verdammter Idiot! Bei dir ist das ja wohl etwas völlig anderes!!!", schrie sie ihn wütend an, doch er ignorierte ihren Protest gekonnt.

Schnaufend rappelte sich Nalia wieder hoch. 'Wieso nur ... rast mein Herz so? Für so einen ekligen Typen möchte ich keinerlei Gefühle hegen!!' Irgendwo im Wald schuhute eine Eule und die zarten Blätter der Bäume raschelten unheimlich im Wind. 'Lenk dich einfach ab, Nalia!', schallte sie sich selbst und bemerkte das neben ihr kullernde Pergament. Es kullerte und kullerte und ...

"Kyaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa~!!!", schrie sie auf einmal den Wald zusammen. "Ich hab doch gar nichts getan!", fuhr Duke sie an, der bis eben noch in die Sterne geguckt hatte und nun aufgeschreckt war. "Das Pergament ... es ist ins Feuer gerollt!!!" Bei diesen Worten schien Dukes Braue ihm schier aus dem Gesicht springen zu wollen: "Es ist ... was?!?!?! Warum hast du es nicht aufgehalten?!" "Ich hatte schon immer Reflexe wie eine Holzkatze ... ! Hack jetzt bloß nicht darauf herum!" Mit aufgescheuchter Erregung trampelten beide nun wie wild auf das Feuer ein, bis Duke schließlich mit einem überaus geschickten Griff das kleine Stückchen verbrannten Elends hervorholte, das einst ein Brief gewesen war. Mit geschockter Miene starrte er darauf, bis Nalia es vorsichtig in die Hand nahm. Sie begutachtete es von oben bis unten, doch man konnte es nicht mehr retten. Mit einem Seufzer schmiss sie das Pergament wieder ins Feuer. Eine kleine, leuchtend rote Flamme entstand noch kurz, dann prasselte das Feuer wieder friedlich vor sich hin.

Entgeistert schaute Duke sie an, dann verfinsterte sich sein Blick so sehr, dass es selbst Nalia das Blut zum Gefrieren brachte. "Was - hast - du - getan ... ?!", zischte er bedrohlich vor sich hin, ohne auch nur einmal den Blick von ihr abzuwenden. Entsetzt wich Nalia einen Schritt zurück und stotterte vor sich hin: "Es ... es war doch nicht mehr lesbar! Es war unnütz ..." "UNNÜTZ?! Das war ein gottverdammter Brief von deinem Vater, du kleine ... !", schluckte er wütend das unsittliche Wort hinunter und setzte sich fluchend auf den Boden.

Nalia blieb reglos stehen. 'Von ... meinem Vater ... Vater' Unbewusst füllte sich ihr Herz mit Wut und sie starrte auf das Feuer hinunter. Ihr Vater... Zum Glück hatte sie das Pergament verbrannt!! Sie hasste ihren Vater noch mehr als jede Situation, in die sie hätte geraten können. 'Vater' Dieses Wort kreiste in ihrem Kopf umher, ohne jegliche Erinnerung daran zu verknüpfen. Sie hatte ihn nie gesehen ... sie wusste nichts von ihm. Wenn er etwas mit dieser Sache hier zu tun hat - und das hat er, schließlich gab Duke ihr den Brief auf ihre Frage nach einem Grund für all das - war es eindeutig gut, dass sie den Brief verbrannt hatte!!

Mit schüchterner Miene blickte sie Duke an. Sie machte den Mund auf, doch fielen ihr keine passenden Worte ein. Sie hatte so eben etwas aus ihrer beider Vergangenheit ausgelöscht. War das überhaupt zu entschuldigen ... ? Der Inhalt des Briefes war nun für immer verloren gegangen... Beschämt wandte sie wieder den Blick zu Boden und setzte sich auch hin. Für einen langen Moment schwiegen sie sich an und starrten in die halbherzig scheinende Glut des ausgehenden Feuers. Als Nalia die Augen gen Himmel richtete, bemerkte sie den langsam angrauenden Tag und nur ein einziger kleiner Stern beobachtete sie noch von oben herab.

"Es wird gleich hell.", stellte Duke zeitgleich mit ihr fest, ohne in den Himmel schauen zu müssen. "Ruh dich aus. Wir müssen bald weiter.", wies er sie zurecht und wandte ihr den Rücken zu. Mit einer beklemmenden Kälte um sich blieb Nalia jedoch reglos sitzen und schaute den Stern am Himmel an, der nun genauso einsam war wie sie und verloren dort oben am Himmel funkelte.

Kapitel 3:
 

lll. Chapter: Bring it on! - Alle guten Dinge sind Drei

Müde beobachtete Nalia den Himmel.

Es war ein wunderschöner Tag mit strahlend blauem Himmel, an dem ein Schwarm Vögel munter hin und her flog. Sie hörte das Zwitschern von hoch oben und wie der Wind durch die Blätter der Bäume streifte. Sanft strich ihr die Böe über die Haut und ließ ihren Pony kurz tanzen. Das Gras stimmte in das Gespräch mit den Blättern ein und gemeinsam säuselten sie vor sich her.

Nalia sog die Luft tief ein und seufzte. Es war wirklich ein wunderschöner Tag, aber sie blickte trotzdem traurig drein. Ihr kam der ganze gestrige Wochentag wie ein einziger böser Alptraum vor. Hatte sie wirklich Miriton verlassen, weil erst ein Fremder und dann ein Drache aufgetaucht waren, die ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatten? Leider konnte es kein Alptraum sein, denn sie hatte seit ihrer Reise kein Auge zu gemacht. Zwar hatte sie sich hingelegt und müde war sie ganz ohne Zweifel, aber …

Ein Knacksen kündigte ihr an, dass Duke wieder da war. Er konnte so lautlos sein wie ein Schatten, aber früh morgens machte er sich nicht die Mühe leise, geschweige denn gut gelaunt zu sein. „Hier.“, murrte er sie an und warf Nalia einen Kanten Brot zu. Das Mädchen machte sich nicht die Mühe es aufzufangen (das Brot flog ihr gegen den Arm und blieb im taufrischen Gras liegen), was Duke wieder wütend mit den Zähnen knirschen ließ. „Wenn du hier noch länger liegen bleibst, schleif ich dich persönlich an den Haaren hinter mir her, also hoch jetzt!“ „Ja ja.“, kam die müde Antwort, doch Nalia blieb trotzdem liegen. Als sie aber Schritte aus seiner Richtung hörte, richtete sie sich ruckartig auf, griff nach dem durchweichten Stück Brot und stapfte in den Wald hinein, ohne Duke auch nur eines Blickes zu würdigen. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag stiegen ihr wieder Tränen in die Augen.

„Ich hasse ihn…“, murmelte sie und biss in ihr mageres Frühstück. Sie begann zu frösteln. Der Tau hatte sich auch auf ihrem Kleid breit gemacht und nun fror sie erbärmlich, während sie weiter kauend durch den Mabela Garden marschierte. Selbst am helllichten Tage war es hier dunkel. Die Bäume standen dicht und schwarz beieinander und Nalias Gänsehaut war jetzt nicht nur aufgrund der Kälte da. Gerade als sie die Hälfte des Kantens hinuntergeschluckt hatte, erreichte sie ihr Ziel; den kleinen Fluss, den sie alle Schwester Whyra im Dorf nannten. Es gab natürlich auch einen Bruder Whyro, aber der floss auf der anderen Seite von Miriton entlang. Nalia machte sich nicht die Mühe sich hinzuknien, sondern ließ sich einfach ins weiche Gras plumpsen und betrachtete zaghaft ihr Spiegelbild. Wie erwartet stand ihr sonst so schönes glattes Haar in alle Richtungen ab und Schmutz zeichnete sich nicht nur auf ihrem Gesicht, sondern ihrem ganzen Körper ab.

Wieder seufzend tat sie das einzig Nützliche: sie wusch sich ihr Gesicht, kämmte notdürftig die Haare mit den Fingern und ging zu Duke zurück. Ungeduldig stand er schon reisebereit und schaute sie grimmig an. Wird auch Zeit!, schien sein Blick zu sagen. Nalia schaute demonstrativ in eine andere Richtung und endlich gingen sie weiter.

Mühselig schleppte das Mädchen sich den sandigen Weg entlang, der das Gras allmählich ersetzte. Mit jedem Schritt stob sie jetzt eine große Staubwolke auf, während die Sonne immer höher stieg und brutzelnd auf sie hinunter schien. Kein einziges Lüftchen regte sich mehr und sie konnte fühlen, wie ihr der Schweiß den Rücken lang lief. Spätestens am Ende des Tages würde sie entweder tot zusammenbrechen, oder … tot zusammenbrechen. Müde kicherte sie bei diesem Gedanken. ’O Mann, wie weit ist es schon mit mir gekommen?’ Mit einem schleppenden Blick - alles schien bei ihr nur noch schleppend zu funktionieren - guckte sie in den Wald hinein, der schon seit Anbeginn der Zeit ruhig darlag. Wie gut er es doch hatte! Seine dunklen Baumkronen schirmten die Hitze ab und spendeten ihren Wurzeln und dem grünen Gras erholsamen Schatten. ’Und was hab ich?’, dachte sie mürrisch, ’Seitenstechen, ein total verschwitztes Kleid und einen Begleiter, der nicht einmal mehr mit mir reden will!’

Während sie so schweigsam umherwanderten und Nalia an nichts dachte - nun gut, als sie schleppend dachte - da fiel ihr unerwartet ihr Traum wieder ein. Natürlich der Traum den sie hatte, bevor alles den Bach runter lief und sie noch schlafen konnte. Obwohl das Ewigkeiten her zu sein schien, erinnerte sie sich wieder. Wahrscheinlich deswegen, weil der Traum genauso still war wie ihre Umgebung gerade.

Es war dunkel gewesen, eine unangenehme Finsternis. Und jemand hatte zu ihr gesprochen. Erst war es eine tiefe und laute Männerstimme, deren Worte sie nicht verstand. Auch wenn sie sich versuchte darauf zu konzentrieren (das war in ihren Träumen immer so schwer gewesen, als würde man versuchen ein Meer auszulöffeln), verstand sie nur irgendein Kauderwelsch ohne erkennbaren Sinn - wie es bei Träumen so üblich ist. Aber dann wurde die feste Männerstimme plötzlich von einer weicheren weiblichen Stimme abgelöst, der Stimme eines Mädchens. Und deren Worte verstand sie ausgezeichnet, auch wenn es immer nur ein einziges war, das ständig wiederholt wurde: Nalia. Wie ein Singsang in ihrem Kopf: Nalia, Nalia, Nalia… Sie wollte antworten, konnte aber nicht. Und ehe sie recht wusste was geschah, war sie im schwachen Morgenlicht aufgewacht, eine Hand von sich gestreckt, als hätte sie etwas greifen wollen.

Müde kickte sie einen Stein mit der Fußspitze weg und schaute zu Duke hinüber, der immer noch in einem raschen Schritttempo vor ihr herging. Eine Zeit lang spielte sie mit dem (schleppenden) Gedanken, ihm von ihren Traum zu erzählen, aber was würde das schon bringen? Seit der Sache mit dem Brief schaute er sie ja nicht mal mehr an und auch wenn er ihr zuhören würde, bekäme sie wahrscheinlich nur seinen arroganten Blick zu Gesicht und irgendeine höhnende Bemerkung dazu. „Albern“, würde er sagen. Entweder das, oder eine noch schlimmere Bemerkung. Er kannte wirklich erstaunlich viele schlechte Wörter.

Verstohlen warf sie ihm einen Blick zu.

Wenn es noch eine Sekunde weiter so bedrückend still blieb, würde sie augenblicklich dem Wahnsinn verfallen! Also machte sie langsam den Mund auf und sprach die ersten Sätze an diesem Tag: „Wann sind wir endlich da? Und wo müssen wir eigentlich hin?“, fragte sie und stützte dabei ihre Hand in die Seite, wo ein furchtbares Stechen sie heimsuchte. Erst kam gar nichts von ihm, dann blickte er sie über seine Schulter hinweg an. Er behielt immer noch das gleiche Tempo wie am Anfang und bewegte sich auf seine eigene Weise elegant vorwärts, während sie wie ein Sack Kartoffeln hinterher rannte (und sie musste oft rennen, um den Abstand zwischen ihnen möglichst gering zu halten).

„Machst du etwa schon schlapp?“, fragte ihr zynischer Begleiter zurück, während er sich wieder von ihr abwandte. ’Groah! Ich hab’s doch geahnt!!’, regte sich ihre innere Stimme auf. ’Ich wusste, dass er mich nur wieder schräg angucken und dann anmachen würde! Dieses Ekel!’ Ganz von allein hatte sie in Gedanken angefangen, ihn ständig so zu nennen. „Ja, ich mache schon schlapp!“, sagte sie stattdessen nur. Sie zischte diese Worte praktisch hinter seinem Rücken. ’Dieser Idiot versteht aber auch gar nichts von Frauen!! Dieses Ekel!’, dachte sie weiterhin wütend, doch dann kam ihr eine Erkenntnis, die ihr wieder die Wangen rot werden ließ. ’Ganz vergessen. Wahrscheinlich wird der Herr Ekel erst nett, wenn er auch nur einen gewisses Bedürfnis von einer Frau zu befriedigen gewünscht.’

„Na, irgendwelche schmutzigen Gedanken bekommen?“ Ohne dass sie es bemerkte, hatte er sich wieder mit einem Blick über die Schulter zu ihr gewandt und anscheinend ihr schräges Lächeln bemerkt. Ihre Gesichtsfarbe wich von rot zu weiß, dann wieder rot. Selbst ihre Ohren wurden glühend heiß. „Du kamst in diesem Gedanken garantiert nicht vor!“, log sie sie ihn mit einem bösen Blick an und - auch wenn sie es nicht wollte - stieg ihre Erinnerung von jener Nacht wieder hoch und ihr Kopf fing noch mehr an zu glühen. „Gott, bin ich froh.“, sagte er mit seiner monotonen Stimme desinteressiert. Nalia blieb mit einem letzten schleppenden Schritt stehen und wirbelte wieder eine große Staubwolke auf. Ihr Kopf war gesenkt und ihre blonden Haare hingen ihr strähnchenweise über der Schulter. Sie unterdrückte ein Zittern. „Wieso machst du mich ständig so an?!“, fauchte sie plötzlich los. „Nach allem was geschehen ist, nach all diesem schlimmen Sachen, wieso kannst du da nicht einfach nett zu mir sein?!!“, brach sie plötzlich in Tränen aus, überrannt von all den Gefühlen, die sie in so kurzer Zeit auf einmal wahrgenommen hatte. Sie konnte ihren Hass schon gar nicht mehr mit der Verzweiflung auseinander halten, die sie beide so stark in sich fühlte. Den großen Wunsch, wieder bei ihrer Familie zu sein. Schluchzend klammerte sich an ihr Kleid und weinte weiter stumm vor sich hin. ’Dieser miese Kerl ... ich brauche doch nur ein paar aufmunternde Worte! Nur ein paar wenigstens ...’

Duke blieb wieder stumm und ließ das Mädchen ausweinen. Ohne jegliches Gefühl sah er eine Träne nach der anderen an ihrer Wange hinunterlaufen und wie sie sich verzweifelt an sich selbst klammerte, da niemand sonst ihr Schutz hätte bieten können. Es gab keine Worte die sie aufmuntern könnten.

Außerdem bezweifelte er, dass er überhaupt irgendetwas zu ihr sagen wollte. ’Sie hat den Brief verbrannt!’, ging es wieder und wieder durch seinen Kopf. ’Nicht nur, dass sie unentwegt nervt und jammert, nein! Sie hat den Brief verbrannt!’

Schniefend schritt das Mädchen endlich weiter und als sich die Sonne allmählich hinter den Bäumen zu verschwinden drohte, sahen sie am nahen Horizont die Stadtmauern von Dukes vorzeitigem Ziel; Auromalie. Nalia, die noch nie weiter als bis zu einem Hügel westlich der Stadtmauern von Miriton von ihrer Heimat entfernt war, schaute mit großen Augen den neuen Ort an. Tränen und Verzweiflung waren schon fast wieder vergessen. Das erste was sie von der Stadt erkennen konnte, waren die Dächer Auromalies, die wie pures Gold im Sonnenlicht funkelten. Mit ehrfürchtigen Schritten kam sie zur Stadtmauer gegangen und blieb unter dem gewaltigen Torbogen stehen. Fröhliche Menschen gingen an ihnen vorbei und Tauben flogen aufgescheucht über ihren Köpfen davon. Es war wie ein Traumland, so wunderschön, freundlich und friedlich. Ganz anders als Miriton, das nun in Trümmern lag… Wie konnten diese Menschen hier nichts von dem Drachen - ’…Zollwahn, was für ein lächerlicher Name…’ - bemerkt oder gar von seiner Wut etwas abgekriegt haben? Wieso wurden sie verschont, während ihr Heimatdorf…?!

Nalia schüttelte traurig den Kopf. ’Mache ich diesen Menschen wirklich gerade Vorwürfe, dass sie weiterhin unbeschwert leben?’ Sie seufzte und sah zu Duke hinüber. Völlig unbeeindruckt ließ er seinen unbeteiligten Blick durch die Menschenmassen wandern. Anscheinend konnten ihn weder ein Drache noch mit Gold verzierte Dächer beeindrucken. Nun ja, vielleicht fühlte er sich einfach auch nur genauso fehl am Platz wie Nalia.

Als sein Blick plötzlich zu ihr wanderte, schreckte sie hoch. „Los, suchen wir ein Zimmer.“, scheuchte er sie auf einmal los und war auch schon zwischen all den umherwandernden Menschen verschwunden. Überrascht schaute sie ihm nach. Erst jagte er sie regelrecht wie ein Vieh durch den Mabela Garden, als wäre der Teufel persönlich hinter ihnen her und nun wollte er sich ein Zimmer zum Ausruhen suchen?! Was war mit diesem Kerl nur nicht in Ordnung? Schnaubend schaute sich Nalia noch einmal um. Auromalie war wirklich schön und unter anderen Umständen wäre sie gerne noch ein bisschen länger hier geblieben. Doch alles war hier so laut und aufdringlich, dass es ihr wieder im Kopf wehtat. Sie hätte diesmal wirklich lieber im Wald fern ab von jedem Menschen geschlafen, selbst wenn sich ihre so schon schmerzende Hüfte dabei verabschiedet hätte.

Großer Gott, wie oft hatte sie früher geträumt, mal in eine andere Stadt gehen zu können, fern ab von zu Hause. Nie hätte sie gedacht, dass sie sich so was wirklich mal wagen würde und ihr trautes Heim verließ… Aber eigentlich hatte sie ja gar keine andere Wahl gehabt, als mit Duke mitzugehen. Trotzdem sehnte sie sich nach allem Vertrauten; den Menschen im Dorf, nach Mutter und Bruder, sogar nach Matt ...

Mit schnellen Schritten drängte sie sich jetzt auch durch die Menschenmassen, denn sie konnte Duke beim besten Willen nicht mehr ausmachen. In Miriton sah man so viele Leute manchmal nur dann, wenn etwas wie ein Jahrmarkt stattfand, so wie es auch gestern - ’Erst gestern … ?’ - der Fall gewesen war. Aber selbst dann war nur ein Bruchteil von den Menschen da, durch die sich jetzt quetschte. Schnaufend versuchte sie Duke zu finden, der sich schon längst ungehindert seinen Weg durch sie gebahnt hatte. ’Anstatt sich auch mal nach mir umzudrehen! Ich könnte hier wirklich verschollen gehen!’

Dann blieb das Mädchen wie angewurzelt stehen. Wie vom Donner gerührt starrte sie vor sich hin. ’Ich…kann tatsächlich verschwinden!’, kam ihr der Gedanke. Seit sie Duke in Miriton begegnet war, hatte er sich nicht mehr aus den Augen gelassen, ja selbst in ihrem Zimmer übernachten wollte er! Doch nun stand sie hier ganz allein auf der Straße, umgeben von einem Haufen Fremden, die sie gar nicht zu beachten schienen. Das erste Mal seit langem fing ihr Herz freudig an zu hüpfen. Unentschlossen stand sie noch kurz da, hin und her gerissen zwischen der Möglichkeit die sich ihr bot und ihrem normalen Menschenverstand. Wenn sie jetzt ging, wäre sie frei! Sollte Duke doch bleiben wo er wollte, sie könnte nach Miriton gehen! Andererseits waren da noch so viele Fragen, die eine Antwort verlangten. Warum hatte Duke einen Brief von ihrem Vater? Was steckte hinter dieser ganzen Geschichte? WARUM SIE?

Mit einem Kopfschütteln entschloss sie sich jedoch zu gehen, auch wenn ein seltsames Gefühl tief in ihr rebellierte. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte dabei prompt in jemanden hinein. ’Bei diesem Gedränge musste das ja früher oder später passieren!’, hielt sie sich den Kopf und schaute zu der Person hoch, die sie angerempelt hatte. Vor ihr sah sie ein nur all zu vertrautes Gesicht und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Ungläubig blinzelte sie einmal, dann fiel sie ihm kreischend in die Arme.

„Matt!!“, rief sie überglücklich und warf ihre Arme um seinen Hals. Weinend legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und schluchzte glücklich vor sich hin, während sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um ihn zu erreichen. „Matt … ich hab dich so vermisst!“, sagte sie aufgelöst in sein Hemd hinein und lächelte. Überglücklich sprang ihr Herz hin und her und sie umarmte ihn enger. „Wie hast du mich nur gefunden, Matt?“, wollte sie wissen, doch dann legte ihr alter Sandkastenfreund plötzlich auf eine Art und Weise seine Arme um ihre Hüfte, die ganz und gar nicht zu ihm passte.

„Hätte ich dich denn suchen sollen?“, fragte sie eine fremde Stimme, die von der Person vor ihr, aber nicht von Matt kam. Ihr Blick schoss in die Höhe und sie starrte den Fremden an. Für den ersten Augenblick sah er wirklich wie ihr Freund aus, doch als Nalia ihn länger betrachtete, erkannte sie diesen Mann gar nicht! Hektisch wollte sie sich von ihm losreißen, doch der junge Kerl hielt sie lachend weiter an der Hüfte fest. „Entschuldige!“, sagte er mit einem unwerfenden Lächeln, dass Nalia die Röte erneut in die Wangen trieb. „Ich wollte dich nicht so überrumpeln, aber da schmeißt sich mir schon mal eine Frau an den Hals…“, sprach er ohne seinen Griff zu lösen. „La-lassen Sie mich bitte los!“, forderte das Mädchen verzweifelt, doch der Fremde grinste nur wieder. „Wieso flehen Frauen in meinen Armen eigentlich nie um die richtigen Dinge?“ Er seufzte und ließ das Mädchen schließlich frei.

Unbeholfen stolperte Nalia einige Schritte zurück und rein reflexartig griff der junge Mann nach ihrer Hand um sie fest zu halten. Auch als Nalia sich wieder gefangen hatte, ließen weder er noch sie los und verwundert sah sie sich den Fremden an. Er hatte dieselben strahlend blauen Augen wie Matt, die an einen weiten blauen Ozean mit seinen rauschenden Wellen und den warmen feinen Strand um ihn herum erinnerte. Seine Haut war nur um eine Ecke gebräunter als ihre eigene, doch was am markantesten an ihm war, war seine ungeheure Mähne an goldbraunem Haar, dass durch ein rotes Stirnband aus seinem Gesicht ferngehalten wurde. Sie waren nicht sonderlich lang, doch standen sie ihm vom Kopf ab, als hätte er in einem Windsturm übernachtet. Aber trotz seines unpassenden Verhaltens musste Nalia ihn anlächeln - wer sein Grinsen je gesehen hat, musste einfach mitgrinsen.

Der Fremde räusperte sich einmal und schaute sie dann voller Neugier an. „Wer ist eigentlich dieser Matt?“, wollte er gerade heraus wissen. Seine großen Augen schauten sie freundlich und neugierig an. „Ein alter Sandkastenfreund.“, sagte sie schließlich nach kleinem Zögern. Der Mann nickte einmal kurz und musste dann wieder grinsen. „Und wer bist du?“ „Nalia! Nalia van Aurum aus Miriton. …Und du?“, wollte sie ebenso interessiert von ihm wissen, doch er schüttelte nur lächelnd den Kopf. „Das ist ein Geheimnis, Chérie.“, flüsterte er, nahm ihre Hand an den Mund und gab ihr einen flüchtigen Handkuss. Überaus erstaunt sah sie ihn mit offenem Mund an, doch der junge Mann mit dem umwerfenden Grinsen wendete sich zwinkernd ab und war auch schon zwischen der Menschenmasse verschwunden.

Unschlüssig wie zuvor stand Nalia da und wusste nicht, was zu tun war. Der Gedanke einer Flucht war schon längst vergessen und verträumt begab sich das Mädchen auf die Suche nach ihrem dunklen Begleiter. Schneller als erwartet fand sie ihn vor einem großen Gebäude. Seine grimmige und schwarze Silhouette war das genaue Gegenteil desjenigen, den sie eben getroffen hatte und niedergeschlagen machte sie kleine Schritte auf Duke zu. Ohne Worte zu verlieren trat sie neben ihn und betrachtete stirnrunzelnd die Tür, von der die rote Farbe schon abblätterte und der Geruch von Alkohol drang neben dem Gejohle von Männern zu ihr. „Ich hoffe doch nur, dass wir nicht hier schlafen wollen?“, fragte sie mit verheißungsvollem Augenrollen zur übel riechenden Taverne hin.

Ignorierend schwang Duke die Tür auf und Nalia bekam einen Schauer. Angeekelt schwebte ihr ein noch intensiverer Geruch von Bier und unangenehmem Männerschweiß in die Nase und sie schüttelte zögernd den Kopf. „Ich will da nicht rein!“, stammelte sie wie ein Kleinkind, das sich weigerte bittere Medizin zu schlucken. „Dann übernachte eben hier draußen.“, hörte sie Duke nur sagen und schon ging auch langsam die Tür vor ihr zu. „He-hey!!“ Bevor die Tür zugehen konnte, hielt sie ihre Hand dazwischen und ängstlich schaute Nalia mit dem Kopf durch den Spalt. Auch wenn es draußen langsam dunkel wurde, so war es in dieser heruntergekommenen Spelunke, die so gar nicht mit den goldenen Dächern der Stadt zusammen passen wollte, recht düsterl. Die Anwesenheit dieser vielen Männer, die scheinbar nichts besseres mit ihrem Leben anfangen konnten als sich zu betrinken, ließ die Luft ungewöhnlich schwül werden und vermischt mit den ganzen unangenehmen Gerüchen wurde einem fast schon übel. Nalia beobachtete mit wachsendem Unbehagen die torkelnden Männer, die ein Trinklied anstimmten und dabei mit purpurrotem Gesicht die Krüge schwangen und auf dem mit Sägespänen bestreuten Boden laut mit den Füßen schürften.

’Wovor habe ich eigentlich Angst?’, ging es ihr durch den Kopf. ’Ich tu ja gerade so, als hätte ich noch nie betrunkene Menschen gesehen! Nur Mut, Nalia!!’, feuerte sie sich an und trat mit entschlossener Miene ein.

Mit sicherem Gang steuerte sie zu Duke, der gerade an der Theke bei einem spindeldürren Wirt ein Zimmer bestellte. Zaghaft trat sie neben ihn und wich einem stolpernden Mann aus. „Ah!“, tönte es auf einmal aus der Richtung des Wirtes und mit zitternden Knien drehte sich Nalia ihm zu. Diese vielen Leute machten sie sichtlich nervös. „Gehört Sie zu Euch?“, fragte der Wirt an Duke gewandt und nickte ihr zu. „Ja.“, knurrte Duke zurück. Er war wohl nicht erfreut, dass Nalia sich erschrocken an ihn klammerte und sich immer wieder ängstlich umschaute. „Dann wollt Ihr bestimmt lieber ein gemeinsames Zimmer haben?“, fragte der dürre Mann mit einem viel sagenden Grinsen. „Nein!!“, schrie Nalia und ließ Duke endlich los. „Auf keinen Fall will ich mir noch einmal ein Zimmer mit ihm teilen!“

Die johlende Menge hinter ihr verstummte plötzlich und drehte sich neugierig zu der Fremden hin, die da ein Riesentheater machte. Glasige Augen starrten sie an und wieder wünschte sie sich nichts sehnlicher, als einfach zu verschwinden. „Hey, Kleine! Mein Bett ist groß genug für uns beide.“, dröhnte es plötzlich von einem abgefüllten dicken Mann, der neben ihr stand. Die Masse lachte und einige rückten sogar näher zu ihr heran. „Ne - nein, danke...“, stotterte sie verwirrt, doch die nächste Anmache ließ nicht lange auf sich warten: „Stell dich nicht so an, Süße. Ich bezahl auch gut für dich.“ „Was denken Sie sich?!“, schrie sie den unverschämten Mann an, der sie hinter seinem schwarzen Bart dämlich angrinste. „Ich will hier raus!!“, wandte sie sich jetzt endlich an Duke, der alles wiedermal uninteressiert beobachtete. „Wenn du bei ihm schläfst, sparen wir Geld.“, gab er nur gelangweilt von sich und tosendes Gelächter brach aus.

Nalia ballte die Fäuste und kämpfte gegen die Tränen an. Wie gerne hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst –wieder einmal! ’Das kann einfach nicht sein Ernst sein!!’, betete sie vor sich hin und fühlte den widerlichen Geruch von Betrunkenen näher kommen. ’Das ist einfach nicht dein Ernst, oder Duke?!’

„Ruhe!“, herrschte plötzlich eine laute Stimme alle an und mit einem wütenden Blick drehte sich Nalia um. Ein kleiner Kreis hatte sich um einen jungen Mann gebildet, der zu dem Mädchen zuschritt. Stille senkte sich wieder in der Taverne nieder. Mit einem Herzflattern erkannte sie den Jungen von vorhin wieder und atmete erleichtert auf. Er blieb kurz vor ihr stehen und sah zu Duke hinüber. Nalia folgte seinem Blick, doch der Fremde zog die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Keine Angst.“, sprach er in wohlklingender Tonlage und lächelte ihr aufmunternd zu, „Die Angeber würden nicht mal dein Haar berühren, ohne dass dein Begleiter hier ihnen die Hand abtrennen würde.“, sagte er lässig und schaute wieder zu Duke, welcher ihn jedoch nur einen vernichtenden Blick zuwarf und sich dann wieder dem Wirt zuwandte.

„Also“, sagte er und sein übliches Grinsen wurde breiter. „Soll ich dir dein Zimmer zeigen?“ „Was?“, fragte sie ungläubig und wandte sich wieder an Duke, doch der kümmerte sich wiedermal nur um sich und beachtete die beiden weiter gar nicht. Unwillig knirschte sie mit den Zähnen und nickte kurz. Enttäuschtes Gemurmel war von den Männern zu hören, als sie schweigend an ihnen vorbei durch eine Tür direkt neben der Theke gingen. Ein schäbiger schmaler Gang aus Backstein lag vor ihnen und zu ihrer linken eine große Treppe.

Nalia ließ die Tür ins Schloss fallen und drehte sich zu dem Fremden um. „Was soll das eigentlich?!“, fragte sie unwirsch und er schaute sie lächelnd an. „Was denn? Ich zeig dir nur dein Zimmer.“, gab er ruhig von sich. „Tu bloß nicht so unschuldig! Ihr beide kennt euch doch, nicht wahr?!“, fuhr sie ihn gröber an, als sie es vorhatte. Jegliche Sympathie für ihn war wie weggeblasen, als sie merkte, dass er und Duke irgendwie unter einer Decke steckten. „Was genau geht hier eigentlich vor?“

Ihr Gegenüber lehnte sich bei ihren Worten gegen die kahle Wand und richtete eine Augenbraue fragend in die Höhe. Sein Blick zeigte aufrichtige Betroffenheit, so dass Nalias Worte ihr fast schon wieder Leid taten. Schweigend schauten sie sich an, der Mann mit den wohl größten Hosentaschen der Welt und das Mädchen mit dem wohl schmutzigsten grünem Kleid der Welt. „Du weißt es nicht?“, fragte er schließlich betrübt und musterte sie mit seinen Augen. Sie schaute ihn misstrauisch an und schüttelte dann den Kopf. „Mein Name ist Hase…“, flüsterte sie vor sich hin, was den Fremden zum Lachen brachte. Laut schallte seine fröhliche Stimme den Gang entlang und rief bei Nalia wieder unverhofft ein Lächeln ins Gesicht. „Na ja, scheinbar hatte er wohl noch keine Zeit dafür.“, sprach er mehr zu sich selbst und wischte sich eine Lachträne aus den Augen. Seine schmalen Schultern bebten noch einmal kurz auf, dann lächelte er ihr wieder zu. „Keine Panik, das wird schon alles.“, versuchte er sie zu trösten und ging die Treppe hinauf.

Verwundert folgte das Mädchen ihm. „Ähm, aber du…“ ’...kannst es mir doch sagen!’, wollte sie sagen, doch der Mann drehte sich auf der Stufe zu ihr um und machte große Augen. „Ja! Natürlich!“, sprach er mit ausholender Geste und ergriff erneut ihre Hand. In der Befürchtung – oder Hoffnung? - einen weiteren Handkuss zu bekommen, hielt sie die Luft an, doch der Junge redete einfach weiter: „Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt!“ Nalia setzte ein schiefes Lächeln auf und atmete aus: „Äh … ja.“ „Also!“, räusperte er sich und machte eine tiefe Verbeugung vor ihr, wobei er ihr auf der Treppe fast mit seinem Kopf gegen ihre Stirn schlug. „Mein Name ist Xell! Einfach nur Xell.“, richtete er sich wieder auf und lachte sie an. Wild schüttelte er nun ihre Hand. „Seher ehrfreuheut.“, konnte Nalia nur hervorbringen, bis er sich wieder von ihr abwandte und die Treppen weiter hinauf ging. „Nun, Nalia, dann zeig ich dir mal dein Zimmer! Keine Panik, meins ist nur nebenan, aber wenn du es dir doch noch anders überlegst; für dich ist immer Platz!“, redete er wie ein Wasserfall und lachte zwischendurch vor sich hin.

Unschlüssig schaute das Mädchen ihm mit offenem Mund nach. ’So ein seltsamer Kerl!’ Nachdem sie sich nun langsam an Dukes Schweigsamkeit gewöhnt hatte, war dieser Xell wirklich das totale Gegenteil von ihrem groben Begleiter. Sie konnte kaum glauben, dass diese beiden sich wirklich kennen sollten. Und zwar gut kennen. War Xell etwa Dukes Begleiter? Und wenn, würde er sie auch jetzt begleiten? Nalias Herz machte einen unverhofften Sprung vor Freude und aufgeregt folgte sie ihrem neuen Begleiter die Treppen hoch und betrat hinter ihm ein kleines, enges Zimmer.

„Da wären wir, Prinzessin Goldhaar.“, sprach er. „Eure Gemächer sind bereit und warten nur darauf, dass Euer holdes Haupt sich auf ihnen niederlegt.“ Er machte eine weitere Verbeugung, die Nalia an die eines Hofnarren erinnerte. Unweigerlich musste sie wieder lächeln. „Danke ...“, sagte sie. ’Wenn man bedenkt wie ich ihn vorhin grundlos angeschrieen habe, hat er eigentlich mehr als einen Dank verdient.’, schlich sich das schlechte Gewissen bei ihr - diesmal nicht mit Dukes griesgrämiger Stimme - hoch. Schüchtern blickte sie den immer noch lächelnden Kerl an und räusperte sich verlegen. „Vielen Dank!“, lachte sie ihn jetzt auch an und man sah Xells Wangen leicht rosa anlaufen. „Ach … gern geschehen.“, sagte er und fuhr sich durch seine Löwenmähne. „Duke wird sicher gleich noch kommen und dir etwas zu Essen bringen. Also dann, angenehmen Aufenthalt!“, sagte er und schloss auch schon die Tür hinter sich.

Nalia hörte noch kurz seine schweren Schritte die Treppe hinuntergehen, als sie ihrerseits müde zum Fenster ging. Ächzend ließ es sich öffnen und klare Luft strömte ihr ins Gesicht. „Was für ein Tag.“, seufzte sie und stützte sich am Fensterrahmen ab. Vor ihr lag eine schmutzige Gasse, deren Steinpflaster grau und schwammig waren und auf denen ein kleiner Vogel umherhuschte auf der Suche nach Brotkrumen. Noch immer dröhnte es unter ihr von den sehr angeheiterten Männern, doch der seichte Wind trieb ihre Stimmen langsam fort. Nalia sog die Luft ein und drehte sich dann um. Es hatte geklopft und ohne eine Antwort abzuwarten trat Duke hinein. Er hatte eine kleine Platte mit Essen in den Händen und machte die Tür hinter sich zu. „Hier, iss etwas.“, sagte er wieder in einem Ton, der keine Widerrede duldete und stellte alles auf einem schmutzigem Tisch neben dem morschen Bett ab. Außerdem schmiss er noch die Reisetasche auf ihr Bett, die er bisher schleppen musste. „Warum hast du mir nicht erzählt, dass noch jemand uns begleiten wird?“, fragte sie ihn gröber als gewollt. „Du weißt es doch jetzt, oder?“, sagte er ungerührt und schaute kurz mit wachsamen Blick aus dem Fenster. „Hast du denn überhaupt keine Ahnung wie sehr du mich verletzt hattest, als du mich diesen heruntergekommenen und betrunkenen Leuten ausgeliefert hast?!“ Sie war gar nicht mehr zu bremsen. Scheinbar wollte nun jeder Groll gegen Duke hinaus. Duke wandte seinen Blick vom Fenster auf das blonde Mädchen. „Was ist dein Problem? Sag mir doch einfach, dass du mich nicht leiden kannst! Dann kann ich mir das Vertrauen in dich sparen!!“, sagte sie und senkte zitternd den Kopf. ’Ich hasse dich! Doch…’

Stille erfüllte den Raum und nur das leise Johlen drang an ihre Ohren. Einige Augenblicke vergingen und Nalia drehte sich wieder zum Fenster um. „Willst du denn gar nichts dazu sagen?“, fragte sie leise und sie beruhigte ihr rasendes Herz. Schweigen, dann: „Nein.“ Blitzartig drehte sie sich um. Unverwandt schaute er sie immer noch mit seinen halb teilnahmslosen, halb wachsamen Blick an. ’Was um alles in der Welt hat seine Gefühle nur so verkümmern lassen?!’ „Ekel!“, brachte sie nur wieder vor Wut kochend hervor. „Interessierst du dich überhaupt für etwas anderes als für dich selbst?!“ Mit verfinsterter Miene wandte Duke den Blick von ihr ab und drehte sich der Tür zu. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, war er auch schon aus ihrem Zimmer verschwunden und ließ sie mit ihrer Wut alleine.

Ohne das Essen zu beachten (oder die Aussicht auf ein saubres Kleid, wo doch die Tasche jetzt da war) drehte sie sich wieder zum offenen Fenster und schaute die silbrigen Wolken am verblassenden Abendhimmel an. Wieder verfolgten die ewigen drei Gedanken sie; Warum passierte das alles? Warum um alles in der Welt war Duke ein großes, wandelndes Paradoxon und warum traf das alles sie, ausgerechnet sie? Schweigend betrachtete sie die Wolken, die sich langsam am Himmel entlang zogen und wie ab und an eine aufgeschreckte Taube davonflog. Trotz ihres neuen Gefährten bekam sie nur mehr Fragen als Antworten und das trieb sie in den Wahnsinn! Mürrisch ließ sie den Kopf hängen und ließ ihren aufgebrachten Gedanken freien Lauf. Dabei fiel ihr unerwartet ein altes Kinderlied ein, das ihre Mutter ihr immer vorgesummt hatte, wenn sie wütend war und wie Espenlaub zitterte oder wenn sie nachts weinend in ihr Zimmer gerannt kam, weil sie einen bösen Traum hatte. Als Nalia älter wurde, hatte sie sich einen Text dazu ausgedacht, aber es war irgendein Kauderwelsch ohne jegliche Bedeutung. Wie so vieles kam er ihr einfach in den Sinn und sie fand ihn recht passend, auch wenn sie ich nicht verstand.

Sie rief sich den Rhythmus zurück ins Gedächtnis und begann nach kurzer Zeit zu summen. Eine zaghafte Melodie füllte nicht nur den Raum, Nalia konnte die Töne mit ihrer Wärme förmlich in ihrem Körper fühlen. Eine süße Melodie mit der sie eins wurde. Sie begann zu singen. Auch wenn sie die Worte selbst nicht verstand, so wusste sie, dass das Lied von glücklichen Tagen handelte. Sie hob ihre Stimme etwas an und sang über die leichte Brise des Windes an einem heißen Sommertag, über den Regen der einen melancholisch stimmte und all die Sachen, die einen Moment verzauberten. Dann senkte sie die Stimme zu einem Flüstern, dass zu einer lauten und klaren Harmonie wuchs. Nun ging es um das Verstreichen der Zeit, die so unaufhaltsam durch unsere Finger rinnt. Das kostbarste der Welt, das man nicht zu ersetzen vermag, heilsam und unglücksbringend wie der Tod. Leben gedieh und zerfiel in ihrer Hand. Alles war ihr unterworfen, ein Kreislauf, der niemals enden wird. Nalias Tonlage veränderte sich auf eine feine Art und wuchs beständig an. Sie warnte nun vor jener Zeit, an denen die Elemente zu einer verkörperten Gefahr wurden. An der betörende Unschuld starb und in einer neuen Hülle auferstand, die zusammen mit der Dunkelheit den Tod einläutete. Die Melodie verwandelte sich jetzt in den schwachen Herzschlag eines kranken Menschens. Langsamer und immer langsamer wurde sie, bis ihre Stimme kurz erlosch. Unsichtbar hallte sie durch den Raum. Dann, kurz vor dem endgültigen Ersterben, flüsterte sie nun fast weiter. Ihre Kehle beschrieb nun die Einsamkeit, Verluste von Leben, zerschmetterte Hoffnung zwischen ausgestorbenen Tälern, umgeben von grausamer Finsternis. Und dann, mit einem letzten Atemzug und einer Stimme fest und klar, schien sie sich selbst mit dem letzten Wort trösten zu wollen, dass aus den Tiefen ihrer Seele drang: Liebe.

Dann war es vorbei und sie öffnete ihre geschlossenen Augen. Nun erst bemerkte sie die vollkommene Stille um sie herum. Selbst das immerwährende Getrappel der ungeheuren Menschenmassen war erloschen. Plötzlich begann ein klatschendes Geräusch von unten zu ihr hochzukommen und es wurde wild auf den Boden gestampft und freudig gelallt. Schon entstand ein ganzes Getose und sie hörte den Beifall der Menschen, die unten in der Taverne gesessen und das Lied anscheinend gehört hatten. Schüchtern und überrascht machte sie einen Knicks vor der unsichtbaren Menge und wandte sich mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihrem Essen.

*

„Das war unglaublich...!“, flüsterte Xell Duke zu. Sie standen beide mit den Rücken an die Wand gelehnt, hinter der sich Nalias Zimmer befand. Mit angehaltenem Atem hatte er ihrem Lied gelauscht, dessen Sprache er nur zu gut kannte. Bewundernd drehte er sich seinem schweigsamen Begleiter zu, doch dieser schien in Gedanken versunken zu sein. „Es ist eine Ewigkeit her, seit ich dieses Lied zuletzt gehört habe.“ schweifte auch er in Gedanken ab. Diese Unschuld und der Klang ihrer wunderschönen Stimme versenkten ihn wieder in die Zeit, in der er noch nichts von seinem Fluch gespürt hatte. Am liebsten wäre er ins Zimmer hinein gegangen und hätte sie gebeten noch einmal zu singen.

Wortlos setzte sich Duke in Bewegung und ging den Gang entlang in sein Zimmer hinein, aber nicht ohne Xell noch einen warnenden Blick zuzuwerfen, dass er nicht mal daran denken sollte in Nalias Zimmer zu gehen. Dieser hatte schon die Hand auf den Türknauf gelegt, ließ dann aber aufgrund der Warnung wieder los. Er zuckte entschuldigend und enttäuscht mit den Schultern und ging dann auch in sein Zimmer.

Duke machte seine Tür zu und legte sich in sein Bett, machte jedoch kein Auge zu. Dazu war er viel zu aufgebracht. ’Dieses Lied...’, ging es ihm immer wieder im Kopf umher. Er hasste es, sich an Vergangenes zurück zu erinnern. Es rief Geschehnisse wach, die er für immer hatte verbannen wollen. Doch dieses dämliche Gör musste natürlich wieder nerven und…

Noch während er in Gedanken vor sich hergrummelte, fiel er in einen leichten Schlaf. Wie üblich befand er sich dabei wieder an diesem dunklen Ort, von unsichtbaren Flammen umgeben. ‚’Immer wieder dasselbe mit IHR…’, konnte er noch ungestört denken, bevor er SIE spürte. Es war wie ein leichter Stromschlag und kribbelte unangenehm in seinem Kopf. Er nahm es schon gar nicht mehr war. Wie gesagt, es war immer und immer wieder dasselbe mit IHR und diesem gottverdammten Traum.

Feuer und Wald .... gefunden? Die Stimme fragte ihn wie ein unschuldiges Kleinkind, das nicht so recht wusste, ob es sprechen oder lieber schweigen sollte. „Nein“, sprach er, „Genauso wenig wie du die deutsche Sprache.“ Er knirschte mit den Zähnen. Jedes Wort schien ihm unendliche Energie abzuknöpfen. Die unsichtbaren Flammen wurden heißer und heißer und nahmen ihm den Atem. Die schallende Stimme in seinem Kopf kicherte und schien näher gekommen zu sein. Direkt neben seinem Ohr begann sie nun wieder zu sprechen. Du bist aber wieder in Höchststimmung, kicherte sie erneut und ein feuriger Hauch umspielte seine Wange, als ob ein Blitz ihn persönlich liebkosen wollte. Was ist mit dem Mädchen? Du hast sie geküsst. Diese Stelle war neu. Er zeigte jedoch nicht seine Verwunderung, sondern setzte wieder sein boshaftes Lächeln auf und schaute düster in die ihn umgebene Finsternis. „Was meinst du? Im Gegensatz zu ihr war das nicht mein erster Kuss.“, erinnerte er sich. „Ich hätte ihr einen Dolch in den Magen stechen können, das hätte denselben Effekt auf sie gehabt.“, gab er nun gereizt von sich. Eine eifersüchtige Stimme in seinem Kopf konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Schließlich wurde es hier immer schlimmer. „Findest du nicht, dass es langsam reicht? Man hält mich noch für schizophren, wenn du mir weiter deine Stimme in den gottverdammten Schädel überträgst.“, gab er gepresst von sich und fühlte wieder ein stechendes Brennen. Diesmal kam es nicht von seiner Umgebung – es war in ihm. Er ballte die Hände zu Fäusten und presste die Zähne zusammen. „Dieser…verdammte…Schmerz“, keuchte er angestrengt. Kurz kicherte die Stimme noch einmal, dann wachte er auf.

Inzwischen war schon die Sonne schon fast wieder an den Himmel getreten und er hörte dieses nervige Gezwitscher von den Vögeln am frühen Morgen. Mit Schweiß auf der Stirn blieb er weiter keuchend liegen. Sein Mund war staubtrocken und seine Gedanken noch immer bei dem dunklen Abgrund, während das falsche Gekicher der Stimme erklang. Unbewusst fasste er sich an die markante Narbe in seinem Gesicht. Er zuckte nicht zusammen als erneutes Feuer seine Haut an dieser Stelle durchlief. Diese verdammte Hitze in ihm… Und diese Nacht war wiedermal vergeudet. Er fühlte sich so erholt wie ein Fisch in der Pfanne und ein weiterer Tag mit diesem singenden Gör und dem dämlich grinsenden Idioten lag vor ihm.

Seufzend schwang er sich aus seinem knarrenden Bett und schritt zu einer Karaffe, die neben einem welken Blumenstrauß auf dem kleinen Tisch stand, und goss sich das Wasser in die Schüssel. Er tauchte die Hände hinein und wusch sich das Gesicht. Obwohl er vermutete, dass das Wasser recht kalt sein musste, fühlte er kaum etwas. Da drang begeisterndes Lachen von Kindern an sein Ohr und er wandte sich kurz zu seinem eigenen, kleinen Fenster im Raum um, dass nur einige Schritte entfernt lag. Mürrisch schaute er zu dem störenden Gelächter und stand einen Moment wie versteinert da, dann sprintete er mit einem wütenden Gesicht aus dem Zimmer.
 

„Erzähl uns mehr!!“, baten die kleinen Kinder das blonde Mädchen mit den strahlend grünen Augen. Alle standen sie versammelt um sie und dem Brunnen herum, auf dessen Rand sie saß. Lachend willigte sie ein und begann wieder ihre Geschichte mit den Händen zu verdeutlichen. „Wo war ich noch gleich?“, fragte sie über die zausligen Köpfe hinweg in den Himmel. „Ach, ja! Also, die Nymphe und der edle Ritter sahen gemeinsam zu dem dreiköpfigen Drachen empor, der bedrohlich mit seinen gewaltigen Schwingen über ihre Häupter flog und versuchte, sie aus ihrem Versteck im Wasser zu locken.“ „Aaaah, so ein böser Drache!“, quiekte ein rothaariges Mädchen. „Aber der Drache erwischt sie doch nicht, oder?“ „Werden der Ritter und die Nymphe dann ein Paar?“ „Bitte, erzähl weiter!“, redeten auf einmal alle Kinder los und kamen näher heran, um ja kein einziges Wort zu verpassen. „Ihr müsst schon noch bis zum Ende warten.“, lächelte das Mädchen, bis sie plötzlich grob an der Schulter gepackt wurde und schreiend fast in den Brunnen gefallen wäre.

„Aua!“, konnte sie nur noch erschreckt von sich geben, als sie auch schon jemand von den verängstigten Kindern weg um die nächste Ecke gezerrt wurde und dort gegen eine Häuserwand drängte. „Hast du denn völlig den Verstand verloren?!!“, raunte eine vertraute Stimme aufgebracht und ließ endlich ihre schmerzende Schulter los. „Was…?“, fragte Nalia verdattert und sah in Dukes wütendes Gesicht. Wasser lief an seinen Wangen und der Stirn entlang und tropfte nun auf sein schwarzes Hemd. Nalia fasste sich an die stechende Schulter und rieb sie vorsichtig. „Das gleiche könnt ich dich auch fragen! Was ist los? Ich wollte nur ein bisschen spazieren gehen und als ich da am Brunnen saß kamen die Kinder an und behaupteten, ich sähe aus wie eine Waldnymphe, wegen meinen Augen, weißt du.“, sagte Nalia und kicherte vor sich hin. „Dann habe ich ihnen eine Geschichte einer Nymphe erzählt, die mir selbst mal meine Mutter erzählt hatte.“, erklärte sie weiter, während Duke sie zornig in die Taverne zurückschleifte. Sie war ungewöhnlich leer, nur ein paar Betrunkene waren anscheinend in der Nacht nicht nach Hause gegangen und schliefen mit dem Kopf auf dem Tisch. Der Wirt wischte die Theke und sah die Gäste leicht verwirrt an.

Duke ließ sich auf einen der Stühle fallen und wischte sich sein nasses Gesicht mit dem Ärmel ab. „Du kommst wohl auch nicht auf die Idee, dass die Monster bis zu dieser Stadt kommen, oder?!“, pöbelte er sie wieder an und winkte den dürren Mann zu sich heran, um zu bestellen. „Tut mir Leid ... ich hab nicht daran gedacht.“, entschuldigte sich Nalia kleinlaut und setzte sich auch an den Tisch. „Was du nicht sagst.“, meckerte Duke immer noch herum, bis Xell in den Raum trat. Er gähnte einmal herzhaft, kratzte sich unter seinem Hemd und setzte sich dann neben Duke.

„Einen wunderschönen guten Morgen wünsch ich! Wie geht’s euch?“, fragte er fröhlich, unbeachtet der Tatsache, dass Duke mit einem wütenden Ausdruck im Gesicht in den Raum starrte. „Bist du gleich am Morgen getadelt worden?“, fragte er Nalia und schaute in ihre bedrückte Miene. Sie nickte stumm und er klopfte ihr auf die Schultern. „Nimm’s nicht ernst, Duke ist einfach nur ein Morgenmuffel.“

Im hellen Licht des Tages schaute Nalia Xell erstmal genauer an. Er hatte sein immerwährendes Lächeln wieder aufgesetzt und nun im hellen Licht erkannte sie, dass er kaum ein paar Jahre älter sein konnte als sie! Sein blondbraunes Haar stand ihm noch verstrubbelter als sonst zu Berge und fiel ihm ohne das Stirnband auch noch vor die wunderschönen Augen. Sie bewunderte den feinen Strich seiner Augenbraue und den kurzen Wimpern, als er sie plötzlich anschaute. Mit einem Zwinkern lächelte er ihr wieder zu. "Na, gefall ich dir?" Nalia schoss die Röte ins Gesicht und sie versteifte sich. "Äh...ent - entschuldige bitte!" Sie verbeugte sich so tief sie konnte am Tisch und behielt ihren Blick am Boden. 'Er ist wirklich ein seltsamer Kerl...!', dachte sie aufgeregt mit wildem Herzklopfen.

Gerade stellte der Wirt ihr Essen auf den Tisch, was zum Glück alle von der Situation ablenkte. Verunsichert und mit roten Wangen strich sie sich etwas süßen Honig auf ihr Brot, während die Jungs sich nicht mir solchem Schnickschnack abgaben und gleich Marmelade-, Salami- und Käsebrote in sich schaufelten, während sie nur kurz anhielten, um etwas zu trinken. Scheinbar hatten sie vor sich damit abzufüllen. Unaufhaltsam stopften sie sich den Hals voll, bis nur noch ein paar kleine Krümel auf ihren Tellern lagen. Sie rülpsten einmal glücklich, lehnten sich zurück und schauten Nalia verwundert an. „Mann, du brauchst aber lange zum Essen.“, bemerkte Xell immer noch kauend und klaute ihr die zweite Hälfte der Honigstulle. „Ihr esst ja auch wie ein paar Scheunendrescher!!“, rief Nalia empört und klaute sich ihr Frühstück wieder von Xell zurück. Er hatte zwar schon abgebissen, aber nun machte sie die Jungs nach und verschlang auch alles mit einem Mal.

„Das sieht echt nicht schön aus, wie sie sich vollstopft.“, flüsterte Xell so laut an Duke gewandt, dass Nalia es auch hören konnte. „Hey, ich hab cha auch gechtern abcholut kaum wach gegechen!“, rechtfertigte sie sich wütend und bei ihren Worten flogen einige Stückchen des angekauten Essens in ihre Gesichter. Nalia schwieg kurz und die beiden Jungs schauten sie überrascht an. Dann brach sie bei diesem Anblick in schallendes Gelächter aus und musste sich am Tisch abstützten, um nicht auf den Boden zu fallen. „Hahahaha, seht ihr dämlich aus!“, prustete sie und musste sich vor Lachen den Bauch halten. „Das find ich gar nicht witzig!“, kam es von den beiden wie aus einem Mund und sie standen ihre Gesichter reibend auf.

„Während wir uns von deinem Frühstück befreien, kannst du deine Sachen packen und draußen auf uns warten, in Ordnung?“, sagte Xell und drehte sich wieder Nalia zu. Er hatte ein kleines Stückchen auf seiner Nase übersehen und vor Überraschung verlor Nalia das Gleichgewicht und fiel doch lachend auf den Boden. Mit einem leisen Aua und weiterem Gelächter verfolgt, verließen Duke und sein hochroter Freund das Mädchen.

Einige Sekunden lang lag Nalia noch weiter kichernd auf den Boden, bis sie sich endlich aufgerafft hatte und weiter den Bauch haltend auf ihr Zimmer ging. Das Fenster stand immer noch offen und sie schaute den strahlend blauen Himmel mit einem Lächeln an. Sie war dem Himmel dankbar, dass Xell jetzt bei ihnen war. Mit ihm würde ihr selbst Dukes grobes Verhalten und seine Wortkargheit nicht mehr viel ausmachen. Und zudem hatte sie das Gefühl, dass er sie wirklich mochte. Und sie mochte ihn auch. Auch wenn er den Gedanken an Matt wachrief… Sie seufzte und griff nach dem kleinen Beutel.

„Irgendwie hab ich das Gefühl, dass mit dir alles viel lustiger wird, Xell!“, lachte sie ihn an, als sie endlich unten bei den Jungs angekommen war. „Solange du mir nicht jeden Morgen so eine Gesichtsdusche verpasst, könntest du sogar Recht haben.“, sagte er ebenfalls grinsend. Duke äußerte sich jedoch wie immer desinteressiert daran: „Wir müssen uns noch kurz die Pferde besorgen und dann zusehen, dass wir innerhalb von drei Tagen in Fenchua ankommen.“

„Du meinst, wir überspringen einfach Extram?“, sagte Xell anscheinend entrüstet, das freudige Weiten seiner Augen war jedoch nicht zu übersehen. „Mann, da befinden sich unsere größten und begeistertesten Anhänger!“ Er schien sich ein Lachen verkneifen zu müssen, während Duke hingegen irgendwie angeekelt zu sein schien. Fragend musterte Nalia die beiden und hakte nach, wer denn in Extram ist.

Xell wandte sich wieder mit einem Lächeln zu ihr, dass Nalia immer mehr zu gefallen schien. „An diesem wirklich seltsamen Ort gibt es Männer.“ „Na ja, die gibt es doch überall.“, antwortete Nalia mit gerunzelter Stirn, „Was soll daran besonderes sein?“ Xell schüttelte den Kopf. „Es gibt da Männer, und zwar ausschließlich nur Männer!“ Er verzog das Gesicht, als ob ihn diese Vorstellung überhaupt nicht gefallen würde. Plötzlich setzte er eine furchtbar ernste Miene auf und begann mit einer gruseligen Stimme zu erzählen: "Die Vorfahren dieses unschuldigen kleinen Dörfchens waren vor langer, langer Zeit brutale Mörder, die plünderten und wehrlose Frauen verschleppten. Das Land erhob sich in Klage und weinte bittere Tränen, bis der weiseste und klügste –„ „Das ist ein und dasselbe“, murmelte Duke. „-der weiseste eben nur. Also der weiseste Magier sich erhob und mit einem einzigsten-“ „Das heißt einzigem“ „Alter, versau mir nicht die düstere Stimmung! Also der Typ begehrte auf und SCHWUPPS!", er klatschte in die Hände, "Wurden alle mit dem Bann belegt, dass sie auf Lebzeiten nicht mehr mit einer Frau Kontakt kriegen durften, da sie sonst eines erbärmlichen Todes sterben würden.", beendete er rasch und etwas mürrisch seine Geschichte.

„Aber wenn sie keinen Kontakt mehr mit Frauen haben durften, wieso gibt es sie dann noch?“, fragte Nalia grübelnd. Xell schaute sie rätselnd an. „Na ich meine, dass wenn wirklich vor langer, LANGER Zeit einer kam der sie verfluchte, dann hätten sie doch gar keinen Nachwuchs mehr kriegen können und wären schon längst alle tot, oder?“ Xell guckte sie weiter an, dann schüttelte er den Kopf. „Verdamm mich, du hast Recht!“ Duke schnaubte einmal und drehte ihnen dann kurz das Gesicht zu. „Natürlich hat sie Recht. In Extram gibt es keinen Fluch, einfach nur ein paar abnormale Männer mit einem Geschlechterproblem.“ „Geschlechterproblem...?“, kam es wieder fragend von Nalia. „Für die Erklärung dieses Wortes bist du noch zu klein.“, grinste Xell sie an und drängte sie weiter zu gehen. "Was soll das heißen?!", schimpfte sie, doch er lachte nur vor sich hin und war scheinbar wieder in seiner fröhlichen Stimmung. „Das erklär ich dir irgendwann mal unter vier Augen.“

Als sie schon die Pferde angebunden am Stadtrand sahen, kam von Nalia die nächste Frage. „Wenn wir wirklich schon in drei Tagen in Fenchua sein wollen, dann .... du hast doch nicht wirklich vor durch den Wald zu reiten?“, wandte sie sich an Duke. Sie kamen langsam zum Stehen und die Jungs banden die drei Pferde los. Nalia sah ihn ängstlich an, doch er würdigte sie keines Blickes. „Wir nehmen nur den direkten Weg.“, gab er mürrisch zur Antwort. „Das heißt, wir reiten durch den Mabela Garden!“, pfiff Xell glücklich vor sich hin. Nalia verstand seine Freude nicht. „Seid ihr denn wahnsinnig?! In diesem Wald leben Monster, Gespenster und wer weiß was noch!!!“, sagte das Mädchen schrill, doch Duke drückte ihr nur die Zügel eines kastanienbraunen Pferdes in die Hände. Er selbst nahm sich das schwarze Ross, welches ihn zaghaft an den Haaren knabberte. Gedankenversunken streichelte er ihm den Kopf und schaute in den schwarzen Wald hinein.

„Also, dann wollen wir mal los!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Ringotan
2007-01-10T12:49:19+00:00 10.01.2007 13:49
OMG! >////<
vielen lieben dank, leutz! xD
das das tatsächlich noch wer liest...aber es geht weiter! °w° muss nur noch ändern und schreiben und ändern und schreiben...
Von: abgemeldet
2007-01-09T20:12:56+00:00 09.01.2007 21:12
WOOOOOWWWW!!! >///////<
wie cooooolll!!!!
die ff is echt super!!!!Nalia is endz geil!!!!!!!
bitte schreib ganz schnell weiter, ja??*hundeblick aufsetzt*
ach und köntest du mir villeicht bitte ne ENS schicke, wenns weiter geht???????óò

Lg Yume4 \^.^/
Von:  Nalia
2006-10-10T13:21:47+00:00 10.10.2006 15:21
So, da hab ichs doch glatt mal durchgelesen =3
Wie kamst du eigentlich auf den Namen Nalia, wenn ich mal fragen darf?! ^^

Auf jeden Fall gefällt mir die Geschichte! Irgendwie echt amüsant... diese Wortgefechte xDDD, ich könnt mich wegschmeissen.....°xD
Und das 2.Kapitel ~awwww x3
Aber man weiss echt nicht, was man von Duke halten soll
*ihn muster* *unauffällig rüber schiel*
<____________<°
*schnell wieder weg schau* xD

Achja, genau, machst du mal Bilder zu den Charas oder hast du schon welche?! x3
Von:  Ryoko-san
2006-01-16T12:34:38+00:00 16.01.2006 13:34
*___________________* Ich kann ROLE-MODEL nur zustimmen, Marone!!! x3 Diese FF ist überhammer!! Bis Inni mir letztens erzählt hast, dass du eine FF hier hast, wusste ich garnix...OxO Oder hab ich was überlesen in deinen Briefen??o_o' Nya, schreib gaaaaaaaaaaaaanz schnelle weiter!!x3 Moment... hattestu nicht irgendwo diese Charas gezeichnet?? *nachguckengeh*
Jaaa, ein Pic mit Nalia&Duke für Inni ^^ *hehe*
Du musst auf jeden Fall weiterschreiben, k???? wah, i komm zum Praktikum zu spät!!>.<' Bis denne!! ^^
Von:  ROLE-MODEL
2005-09-02T16:25:22+00:00 02.09.2005 18:25
....Diese Fanfic ist total cool ....Ich lese zwar lieber andere sachen aber diese geschichte finde ich einfach nur geil!!!!!!!!!!!!!!!:D
....Schreib bitte bitte bbbbbbbbbbbbiiiiiiiiiitttttttttteeeee ganz schnell weiter sonst lauf ich hier noch kirre......Ich muss unbedingt wissen wie es weiter geht........also noch ein großes bittttttttttttttttttteeeeeeeeeeeeeeeeeeeee und ciao


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