Dance in the rain
46. Zorro Dance in the rain
Mir reicht's! Dieser alte Schrottkahn bringt mich um den Verstand, dieses schwimmende Gefängnis! Nicht einmal fünf Minuten hat man hier seine Ruhe, ist ständig neugierigen Blicken ausgesetzt, wie ein Tier in einem Käfig. Also habe ich mich dazu entschlossen, etwas daran zu ändern. Die Hälfte der Crew habe ich durch einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten zum Putzen verdonnert, damit aus der Dirty Eagle auch wieder eine Black Eagle wird, andere führen Reparaturen durch und der Rest sitzt auf der Reling und angelt uns ein Abendessen, denn den Fraß, den uns dieser Hobbykoch in spe zum Mittagessen vorgesetzt hat, würde sogar jedem Seekönig eine Lebensmittelvergiftung bescheren! Ein Wunder, daß hier noch keine Meuterei stattgefunden hat, aber Nami hat ja bekanntlich ihre ganz eigenen Methoden, Männer unter Kontrolle zu halten.
Ronja hat sich derweil an meine Fersen geheftet und verfolgt mich wie ein Hündchen, wohl darauf aus zu verhindern, daß ich eine Dummheit begehe. Nami würde ihr sonst garantiert den Kopf abreißen, beste Freundin hin oder her. Aber das kann mir ja egal sein, schließlich habe ich ganz andere Probleme. Die letzten Nächte waren der absolute Horror, in denen mich permanent Bilder über Robin's Tod heimsuchten. Seid diesem Deal habe ich kein einziges Lebenszeichen meiner Freunde erhalten, folglich kann ich nicht einmal sagen, ob es überhaupt einen Sinn ergibt, daß ich hier bin. Was, wenn Nami uns reingelegt hat und Robin ihrer Verletzung erlegen ist? Nein, soweit darf ich nicht denken! Ich muß fest daran glauben, daß sie gesund und bereits auf der Suche nach mir ist.
Ein lautes Krachen und Donnern holt mich aus meinen Gedanken, ebenso der einsetzende Regen, der sich über unseren Köpfen ergießt. Na toll! Aber wenigstens etwas gutes hat dieser plötzliche Platzregen an sich, kann doch so keiner sehen, daß sich eine kleine Träne aus meinen Augen geschlichen hat. Ich war nie der Typ, der für Sentimentalitäten viel übrig hatte, aber das Leben, oder eher gesagt die Frauen, haben mich eines besseren belehrt. Kuina, Nami und jetzt Robin. Sie alle haben auf ihre ganz eigene Art mich dazu gebracht zu weinen, Tränen für sie zu vergießen.
"Da kommt ein Schiff!" brüllt eine kratzige Stimme aus dem Ausguck über das Deck, so daß sich alle an der Reling versammeln, um Ausschau nach dem unbekannten Besucher zu halten. Ich kann nicht wirklich viel erkennen, ist der Regen doch einfach zu dicht und außerdem versucht Ronja mich permanent am Arm wegzuzerren. Nicht daß ihr das auch nur ansatzweise gelingen würde, aber es nervt! "Hör auf!" "Du mußt unter Deck! Nami-" "Leck mich." Ich schüttle sie wie eine lästige Fliege ab, hab ich doch wirklich besseres zu tun, als mich von ihr herumkommandieren zu lassen.
Vielleicht bietet sich mir gerade eine günstige Gelegenheit zur Flucht, oder aber wenigstens etwas Abwechslung in Form einer handgreiflichen Auseinandersetzung zum abreagieren. Unruhe breitet sich aus, Waffen werden gezückt, die Kanonen geladen, zumindest bemüht man sich darum. "Ronja, wir haben kein Schwarzpulver mehr!" "Was?!" Ob ich ihr verraten soll, daß ich die Fässer nachts klangheimlich ausgeleert und statt dessen mit Meerwasser gefüllt habe? Nein, ich glaube, das behalte ich besser für mich! Selbst schuld, wenn sie mich hier festhalten, aber nicht genügend Kontrolle über mich haben.
Ein immer lauter werdendes: "Juchhuuuu!" durchzieht die Luft, daß ich überrascht den Kopf hebe und genau in das grinsende Gesicht meines Captains blicke, der wie eine Rakete auf mich zugerast kommt. "Ruffy, nein!" Zu spät! Laut polternd reißt er mich mit, daß wir über das Deck kullern, um wenig später völlig verdreht dazuliegen. "Cooler Flug!" Ich grummle nur kurz vor mich hin, überwiegt doch meine Wiedersehensfreude dem Wunsch in mir, ihm eine Kopfnuß zu verpassen, weil er wieder einmal so ungeschickt war. Heute verzeihe ich ihm alles. "Das ist Monkey D. Ruffy!" "Auf den sind Hundertfünfzig Mille ausgesetzt!" Ein respektvolles Raunen zieht durch die Reihen als Ruffy aufsteht und sich umblickt.
"Wer von euch heißt Ronja?" "Ich." "Ein Mädchen?" Zum Glück ändern sich manche Dinge nie. Ich werfe einen kurzen sehnsüchtigen Blick auf das Meer zur Lamb, die in einiger Entfernung wartet. Sie ist umgeben von einem dichten Vorhang aus Regentropfen, ist es doch, als hätte der Himmel seine Schleusen geöffnet, so stark regnet es. Ich kann nur ein paar Schatten erkennen, den Umriß des Großsegels, mehr aber auch nicht. "Ich werde Zorro mitnehmen, das ist alles, was ich zu sagen habe." "So einfach geht das nicht! Nami würde dem nie zustimmen!" "Ihr blieb gar nichts anderes übrig. Also, was ist? Läßt du ihn freiwillig gehen oder muß ich nachhelfen?" Ohne wirklich ihre Antwort abzuwarten kramt er einen Eternal Port aus seiner Hosentasche hervor und wirft ihn ihr zu. "Das ist der Eternal Port für dieses Schiff hier. Nami gab ihn uns unter der Bedingung, daß wir ihn an dich zurückgeben und dir ausrichten, daß sie bei Moon Beach auf dich wartet." "Ich werde das nicht...!" Doch ihre Worte werden immer leiser, denn Ruffy hat mich ohne Vorwarnung gepackt, seine Arme gedehnt, und so rasen wir im Steilflug auf das Deck der Flying Lamb zu.
"Ich hab meinen Zoooooorooooooo wiiiiiieeeeedeeeeeeeeeeeeer!!!!!!!!" Krach!! Bruchlandung die zweite, aber wesentlich bessere! Ich bin wieder Zuhause! Voller Euphorie umarme ich meinen Captain, der es sich nicht nehmen läßt, meine Wange mit Küßchen zu bedecken. Wie gesagt, heute verzeihe ich ihm alles. "Papa!" Wie vom Blitz getroffen springe ich auf, befreie mich dabei aus Ruffy's Umklammerung und renne über die nassen Holzplanken der Lamb, die leicht unter meinen Schritten quietschen. Maßlose Freude durchströmt mich, läßt mich all den Schmerz und das Leid der vergangenen Tage vergessen. Ich falle auf die Knie, strecke meine Arme aus, um meinen Sohn endlich wieder umarmen zu können, der mir so sehr gefehlt hat. Seine kleinen Finger krallen sich an mir fest, spüre sein Zittern, höre sein Weinen. Wie sehr habe ich ihn doch vermißt, sein Lachen, seine kindliche Freude, mit der er mein Herz erfüllt. Stumme Tränen laufen über mein Gesicht, Tränen der Freude und Erleichterung. Ich streiche mit der Hand durch sein weiches Haar, kann mein Glück kaum fassen. Langsam stehe ich wieder auf, hebe ihn dabei hoch, klammert er sich doch wie ein Äffchen an mich und auch ich bin nicht gewillt ihn loszulassen.
Mein Blick schweift umher auf der Suche nach Robin und kaum daß sich unsere Blicke treffen, eilen wir aufeinander zu, umarmen uns. So stehen wir im Regen, halte meine Familie dabei im Arm, während unaufhörlich dicke Freudentränen über meine Wangen rollen. Weitere Arme schließen sich um uns, der Kreis wird größer. Lysop, Ruffy und Sanji, sowie Chopper, der es vorgezogen hat, mein linkes Bein zu umklammern. Unsagbares Glück durchzieht meinen Körper, das ich nie wieder missen möchte. Der Spuk ist endlich vorbei, ich bin wieder Zuhause! Erst als der Donner lauter wird, lösen wir unsere Umarmung und verschwinden in die Kombüse, bevor wir gänzlich durchgeweicht sind.
Nun kann ich die Gesichter meiner Freunde im Schein der Küchenlampe deutlich erkennen, die wie ich Tränen in den Augen haben, mich aber dennoch fröhlich anlachen. "Das muß gefeiert werden!" brüllt Ruffy in gewohnter Lautstärke und wir anderen können nur zustimmend nicken. Ich wende mich der Sitzbank zu, um Diego darauf abzusetzen, aber er schüttelt nur den Kopf. "Ich will nur mein Oberteil ausziehen, ich bin doch ganz naß." Er überlegt einen Moment, dann läßt er mich los. Ich ziehe mir das Shirt über den Kopf, aber kaum daß ich meine Arme wieder senken will, umfaßt mich jemand von hinten, schmiegt sich regelrecht an meinen nackten Rücken. "Du bist dünn geworden, weißt du das? Am besten wird es sein, wenn ich uns ein leckeres Essen zubereite, zum feiern benötigt man schließlich eine gute Grundlage." Ehe sich die Hand auf meinem Bauch wieder zurückzieht halte ich sie kurz fest und entgegne Sanji: "Danke, daß du dich um Diego und Robin gekümmert hast." "Ich sagte doch, dafür sind Freunde da." Er läßt mich wieder los und wendet sich dem Kühlschrank zu. Ich kann froh sein, solche Freunde wie ihn zu haben, auf die ich mich in jeder Situation verlassen kann.
Mein Blick wandert zu Robin, die sich neben Diego gesetzt hat und ihn mit einem Lächeln im Gesicht an sich drückt. Versteckt sie sich vor mir? "Einmal neue Hemden für alle!" Mit diesen Worten reißt Lysop die Küchentür auf und betritt mit einer großen Tüte unter dem Arm den Raum. Mir war gar nicht aufgefallen, daß er kurz unter Deck gewesen sein mußte. Wir wechseln unsere Shirts, zumindest wir Jungs, ehe wir mit der Party beginnen.