Besuch
Besuch
Am darauf folgendem Sonntag verkündete Dumbledore tatsächlich das sämtliche Hogsmeadwochenenden vorerst gestrichen würden.
Der Novemberwind fegte tosend über die Ländereien, kräuselte das eiskalte Wasser des Sees und riss die letzten Blätter von den Bäumen.
Betrübt schlenderten James und Sirius durch die Hogwartsländereien, ohne ihre geliebten Ausflüge in das Dorf würde das Leben hier nur halb so aufregend sein. Sie vermissten jetzt schon Zonkos Scherzartikel, die große Auswahl an Süßigkeiten im Honigtopf, die merkwürdigen Gestalten im Eberkopf und Madam Rosmertas warmes Butterbier. In den Drei Besen konnte man so wunderbar neue Pläne schmieden und nebenbei mit der jungen hübschen Wirtin flirten (Peter hatte schon seit langem ein Auge auf sie geworfen). Aber nun war das Alles in weite Ferne gerückt...
Die tristen Gedanken der beiden Jungen verflogen urplötzlich, als sie eine seltsame Gestalt entdeckten, die völlig orientierungslos durch die Landschaft lief. Es war ein schlacksiger junger Mann mit einer Flickenjacke und einer ulkigen Pudelmütze auf dem Kopf. Verwirrt schaute er sich um, doch als er die Tunichtgute entdeckte atmete er erleichtert aus und lief freudestrahlend auf sie zu.
"Ihr seid doch bestimmt Schüler aus Hogwarts, aye?!" seine Stimme war ungewöhnlich sanft, jedoch mit breitem schottischen Dialekt. "Ich bin nämlich auf der Suche nach dem Schloss!"
"Das Schloss ist gleich hinter dem Hügel da!" grinste James belustigt und deutete darauf.
"Oh, wirklich?!" der Fremde schaute verdrießlich drein. "Und ich such hier schon seit Stunden!" dann begann er über sich selbst zu lachen. "Ihr müsst wissen, die Leute aus dem Dorf haben mir den Weg hier her eigentlich genau erklärt, aber ich hab wirklich null Orientierungssinn! Also, ich mach mich dann mal los, vielleicht sehen wir uns ja noch, bis dann und vielen Dank!" mit diesen Worten machte er sich beschwingt auf den Weg in Richtung Schloss.
"Kein Problem!" rief James ihm hinterher, dann grinste er Sirius zufrieden an. "Normalerweise hätte ich ihn in die falsche Richtung geschickt, aber der war mir irgendwie sympathisch!"
"Ja du hast recht!" stimmte Sirius zu. "Das war schon ein komischer Kauz, aber irgendwie kam er mir bekannt vor..."
Als die beiden wenig später im Schloss eintrafen um Mittag zu essen, herrschte großer Betrieb in der großen Halle. Die meisten spekulierten angeregt über das kommende Spiel von Ravenclaw und Slytherin, nur Brianna saß verloren zwischen den plaudernden Gryffindorschülern und stocherte missmutig in ihren Bratkartoffeln herum. James und Sirius setzten sich hungrig neben Peter, von Remus fehlte jede Spur, wahrscheinlich hing er schon wieder in der Bibliothek herum. Auch Briannas Freundin Jenna war nirgends zu sehen.
Plötzlich ging die Tür zur großen Halle auf und der junge Mann, den die Tunichtgute kurz zuvor getroffen hatten, trat ein. Suchend starrte er in den Raum, bis sein Blick auf die verzauberte Decke traf.
Ohne Vorwarnung ließ Brianna klirrend ihre Gabel fallen, rief: "Mo brathair!" stürzte Hals über Kopf auf den merkwürdigen Besucher zu. Der bemerkte sie erst im letzten Moment, seine hellblauen Augen begannen zu leuchten, Brianna warf sich mit wehendem Haar um seinen Hals, er fing sie auf und wirbelte sie lachend in der Luft herum.
Leicht schwankend setzte er sie wieder ab, drückte sie an sich und fragte sanft: "Ciamar a tha thu, mo cridhe?"
Mit tränenerstickter Stimme antwortete Brianna: " Tha mi gle math, brathair."
"Schön zu wissen!" lächelte der Fremde, obwohl ihm klar war, dass Brianna log, dann schaute er wieder verwirrt drein und deutete mit dem Finger auf die Decke der Halle. "Ich glaube, ihr habt ein ziemlich großes Loch in eurem Schloss, bestimmt wird es bald rein regnen!"
Brianna lachte laut auf, ihr Lachen schien durch das ganze Schloss zu schallen und Sirius konnte sich nicht erinnern, je ein schöneres Lachen gehört zu haben. Plötzlich erfüllte ihn eine unerklärliche Wut. Bisher hatte er sich damit zufrieden gegeben, Briannas Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, in dem er sie wütend machte. Er liebte ihr zorniges Gesicht und ihre gälischen Flüche über alles, aber nun wurde ihm klar, das eine lachende Brianna noch viel entzückender war als eine Zornige. Aber sie lachte nicht für ihn, sie lachte für diesen dämlichen Kerl. Sirius hatte ihn wieder erkannt, weil er seine bescheuerte Mütze nicht mehr trug. Es war dieser Blondschopf der Brianna damals, zusammen mit den anderen seltsamen Gestalten, zum Bahnhof gebracht hatte.
"Die Decke ist verzaubert, Gabriel, sie zeigt den Himmel von draußen, es ist nur eine Illusion." kicherte Brianna.
"Wenn du das sagst, Ruadh!"
Plötzlich wurde ihr Gespräch durch ein Räuspern hinter ihnen unterbrochen. Sirius starrte sie mit zornfunkelndem Blick an. "Hey Rotschopf, wer ist der Kerl?"
"Ah du und dein junger Freund habt mir doch den Weg zum Schloss gezeigt, Aye? Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt, wie unhöflich von mir, verzeih mir bitte!" die entwaffnende Freundlichkeit dieses Menschen war für Sirius kaum zum aushalten.
"Du musst diesem Sassenach gar nichts erklären!" fauchte Brianna ihren Begleiter an. Dann packte sie ihn am Arm und ohne Sirius eines weiteren Blickes zu würdigen, zerrte sie Gabriel mit hinaus.
"Bitte entschuldige!" rief er den überrumpelten Sirius noch zu. "Ruadh ist nicht immer so musst du wissen!"
Erst als die Beiden verschwunden waren, bemerkte Sirius, das sämtliche Augenpaare der speisenden Schülerschaft auf ihn gerichtet waren.