Drawing me - What's your pay?
Drawing me
What's your pay?
Musik.
Techno. Klassik. Blues. Rock 'n' Roll. Swing. Pop.
Alles durcheinander.
Das Markenzeichen der Stammkneipe vieler.
Schüler. Studenten. Jobber. Geschäftsleute. Auch Arbeitssuchende.
Exzentrische Musiker. Mauerblümchen. Machos und Vamps. Spaßsuchende.
Ein bunter Haufen Menschen für einen bunten Haufen Musik.
So fiel er wenigstens nicht auf. Er mit seinem Skizzenblock in den Händen, er, der Nacht für Nacht nichts anderes tat, als die verschiedensten Besucher der Bar zu zeichnen, zu skizzieren.
Immerzu wurde er angesprochen, wurde zum Tanzen aufgefordert oder einfach zu einem Drink eingeladen, war er nicht gerade unattraktiv, doch lehnte er jedes Mal ohne große Umschweife ab. Er war kein Mann vieler Worte. Die Gäste, die schon länger in der Kneipe ein- und ausgingen, wussten, dass sie sich die Zähne an ihm ausbeißen würden, doch die neueren versuchten es immer wieder - erfolglos.
Ihm waren die anderen einfach egal, suchte er lediglich für ihn "hübsche", "anschauliche" Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, die er zeichnen konnte. Hauptsächlich schaute er sich nach den verschiedensten Gesichtsausdrücken und Posen um, hatte er damit schon Bücher voller Zeichnungen und Skizzen von den unterschiedlichsten Menschen zusammen, von Menschen, die er nicht kannte, die er gar nicht kennen lernen wollte. Wozu auch?
Ihm war es nur wichtig, dass er unbemerkt und somit ungestört arbeiten konnte. Das war seine einzige Intension in diese Kneipe zu gehen.
Wozu sollte er sich da mit anderen unterhalten oder gar tanzen? Das tat er wahrlich nie.
*OoO*
Wie jeden Abend saß er an der Bar, in der einen Hand seinen Bleistift haltend, das Buch vor sich auf den Tresen liegend - allerdings geschlossen -, in der anderen Hand ein Glas Gin, eines der Getränke, die er immer zu sich nahm, wenn er hier war. Im Spiegel der Regale vor sich, auf denen Flaschen von Alkohol und Gläser aller Art untergebracht waren, sah er nicht nur sich selbst, durch dieses konnte er auch einen großen Teil der Gäste beobachten. So tat er es immer, bis er den oder die "Richtigen" gefunden hatte.
Doch an diesem Abend war es, wie schon an denen der letzten Tage, anders. Er suchte nach jemand bestimmten, nach einer Person, die er schon mehrmals beobachtet und gezeichnet hatte, nicht wie die anderen, bei denen es bei einer Skizze geblieben war.
Dieser Mensch hatte etwas an sich, was ihn immer wieder aufs Neuste faszinierte, war es das Aussehen, die Ausstrahlung oder beides zusammen - so wirklich wusste er es nicht, machte er sich darüber auch nicht groß Gedanken... Allein das Ergebnis war für ihn bedeutungsvoll - sein ganzes Skizzenbuch, welches er sich erst einige Tage zuvor neu gekauft hatte, war allein mit Zeichnungen dieser Person gefüllt. Und dabei wusste er noch nicht einmal, wie sie hieß oder wie alt sie war...
An dem Glas nippend ließ er seinen Blick immer wieder über die Menge schweifen, suchend. Einen kurzen Moment sah er auf seine Uhr - einige Minuten vor acht Uhr. Bald müsste sie auftauchen. Er hatte schnell erkannt, dass man die Zeit danach stellen konnte, wann sie die Kneipe betreten würde, fast jeden Abend - immer an bestimmten Wochentagen - kam sie mit ihren Freunden zum gleichen Uhrenschlag.
Und wie auf Kommando wurde in diesem Moment die Tür geöffnet.
Sie war da.
Langes schwarzes Haar fiel, in einem Zopf geflochten, über die Schulter der unbekannten Person, schimmerte im gedämmten Licht des Clubs ein wenig lila. Die kürzeren Ponyfransen umrahmten das zierliche Gesicht.
Der schlanke Körper wurde von enganliegenden Sachen umhüllt, zog somit die Blicke vieler wie magisch an.
Goldene Augen strahlten vor Freude und Glück, sahen sich aufmerksam im großen Raum um.
Auf dem leicht gebräunten Gesicht lag ein Lächeln; schwungvoll waren die Mundwinkel nach oben gezogen, weiße Zähne blitzten zwischen den vollen Lippen hervor.
Ein helles Lachen durchzog die penetrante Geräuschkulisse der Kneipe, so dass man augenblicklich das Gefühl hatte, als würde der Lärm für einen Moment geringer werden, während sich gleichzeitig die Blicke vieler auf die gerade angekommene Gruppe wandten.
Er nahm noch einen großen Schluck von seinem Gin und stellte sein nun leeres Glas auf den Tresen ab, als sich sein "Modell" samt dessen Freunden an einen Tisch setzte. Das Skizzenbuch aufgeschlagen und den Bleistift in die rechte Hand genommen fing er sofort an die ersten Striche zu ziehen und nebenbei immer wieder die ihm unbekannte Person durch das verspiegelte Glas hinter der Theke zu beobachten.
Was er nicht sah, war, wie die Blicke der schwarzhaarigen Person des Öfteren ihn selbst streiften - ob nun beabsichtigt oder ohne Hintergedanken...
Nach einigen Minuten kam der Barkeeper bei ihm vorbei, warf einen kurzen Blick auf die Zeichnung und musste still vor sich hinlächeln. Er war der Einzige, der von der heimlichen Tat und Leidenschaft des anderen wusste und sie im Inneren auch beneidete. "Schon wieder er, Kai?", fragte er mit amüsiertem Unterton.
Angesprochener nickte nur kurz, warf noch einmal einen Blick in das verspiegelte Glas und zeichnete weiter. Der Barmann sprach unterdessen weiter, während er Kai ein neues Glas Gin auf den Tresen stellte. "Du scheinst von ihm wirklich angetan zu sein, wenn du nur noch ihn skizzierst. Du solltest ihn einmal ansprechen, vielleicht steht er auch so für dich Modell", meinte er nebenbei, gab einer Kellnerin einige Gläser zum Austeilen.
Ein Blick Kais gab dem Mann jedoch zu verstehen, dass diese Idee nicht das war, was sich der Zeichner vorstellte. Dieser strich sich einmal kurz durch das blaugraue kurze Haar, bevor er weiter an seiner Skizze arbeitete und die letzten Striche zog ohne dabei noch einmal aufzuschauen. Dadurch bemerkte er jedoch auch nicht, wie sich jemand anderer neben ihn stellte und mit dem Barkeeper redete. Das Einzige, was Kai intuitiv tat, war, dass er seinen Arm etwas über die Zeichnung legte, so dass der Unbekannte nicht sehen konnte, was er tat.
Doch half das nicht wirklich...
Der andere erhaschte einen kurzen Blick auf die Skizze das Blaugrauhaarigen, streifte mit seinen Augen flüchtig die des Barmannes, bevor ein sanftes Lächeln auf seine Lippen glitt und er sich auf den Hocker neben Kai setzte, diesen herausfordernd und abwartend ansah.
Es dauerte nicht lange und der Zeichner wurde sich dessen bewusst, legte tief durchatmend seinen Bleistift beiseite und wollte dem neben ihm Sitzenden schon eine mehr oder weniger freundliche Abfuhr erteilen, als er im nächsten Moment überrascht in goldene Opale blickte, welche ihn freundlich ansahen.
Doch schenkte er sich nur einen sehr kurzen Augenblick der Verblüffung, schloss Kai in der nächsten Sekunde sein Skizzenbuch wie beiläufig und sah seinen Gegenüber mit aufgesetzter, harter Mimik entgegen. Er wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als der Schwarzhaarige vor ihm das Wort ergriff. "Hallo", meinte er mit einem süßen Lächeln auf den Lippen; er hatte den Kopf auf der rechten Hand abgestützt und schaute ihn somit mit nun schief gelegtem Haupt an.
Kai erwiderte rein gar nichts, wandte seinen Blick sofort wieder ab und sah nun in das verspiegelte Glas vor sich, konnte er dort nicht nur sich selbst beobachten...
Der Barkeeper gab dem schwarzhaarigen Unbekannten sein Getränk und flüsterte ihm etwas so leise zu, dass Kai die Worte zwar nicht vollständig verstand, aber aus einzelnen Fetzen dennoch wusste, was er sagte. "Du musst entschuldigen, er ist nicht gerade ein sehr redseliger und umgänglicher Typ." Doch störte sich der Angesprochene an dem Inhalt der Worte nicht, legte das Lächeln auf seinen Lippen nicht ab.
Stattdessen warf er noch einmal einen Blick auf das zugeschlagene Skizzenbuch Kais, zeigte zudem mit einer Kopfbewegung darauf. "Darf ich mir die Zeichnungen einmal ansehen?" Der Blaugrauhaarige wusste sofort, was der andere mit dieser Frage meinte, sah diesen ungläubig an und schob das Buch noch ein wenig weiter weg, aus der Reichweite des Schwarzhaarigen. "Wozu?", war die schroffe Antwort Kais.
Spielerisch schob der angesprochene Junge seine Unterlippe über die Oberlippe, schmollte wie ein kleines Kind. "Komm schon, immerhin bin ich es, den du in den letzten Tagen immer wieder gezeichnet hast. Da werde ich doch wohl einmal einen Blick auf die Werke werfen dürfen!", meinte er mit leicht empörtem Unterton in seiner Stimme. Für einen kurzen Augenblick verengte Kai seine Augen zu Schlitzen, gefiel ihm diese Situation ganz und gar nicht, hatte er immer gedacht, niemandem würde sein heimliches Getue auffallen.
Doch nach weiteren Momenten seufzte er leise auf, sah von dem Schwarzhaarigen zu dem vor sich hinlächelnden Barmann, dann zu seinem Skizzenbuch und wieder zurück zu dem Jungen, bevor er diesem seine Zeichnungen entgegenschob. Langsam wurden die Seiten umgeblättert, jedes einzelne Bild genaustens analysiert; der Mund des Schwarzhaarigen hatte sich zu einem bewundernden stummen Laut geformt. Immer wieder glitten Worte wie "Wow" oder "Herrlich" über die vollen Lippen, häufig wurde der Blick gehoben und goldene Augen sahen Kai anerkennend an.
Als sich der schwarzhaarige Junge die letzte Skizze, die vom Tage, genaustens angesehen hatte, gab er dem anderen das kleine Buch wieder. "Die sind wirklich schön. Machst du das beruflich oder nur als Hobby?", fragte er, dieses Mal mit einem bewundernden Ton in seiner Stimme. Doch Angesprochener antwortete ihm nicht, nippte an seinem Getränk und starrte auf die verspiegelte Fläche vor sich. Einen Augenblick lang herrschte zwischen den Jungen eine Stille, in der jeder der beiden nachzudenken schien. Dann schlich sich wie schon so oft an diesem Abend ein Lächeln auf die Lippen des Schwarzhaarigen und er legte seinen Kopf leicht schief.
"Würdest du mich noch einmal zeichnen und mir das Bild dann schenken?", fragte er leise und hoffnungsvoll. Er hatte dem Drang, diese Frage zu stellen, nicht widerstehen können, auch wenn er sich anhand der vorherigen, abweisenden Reaktionen des anderen jene auf diese Frage hatte vorstellen können. Und er sollte Recht behalten...
Mit einem Mal verschluckte sich Kai an seinem Gin und sah den Schwarzhaarigen mit großen Augen an. "Was...?!", brachte er unter großer Mühe hervor, hoffte sich verhört zu haben und versuchte sich so schnell wie möglich wieder zu fassen. Doch das Lächeln des Angesprochenen wurde damit nur noch breiter. "Bitte! Du hast mich nun schon so oft gezeichnet, da kannst du es doch noch einmal tun. Es muss ja auch nicht solch ein großes Bild sein...", versuchte er zu erklären, setzte dazu noch einen bittenden Blick auf.
Wieder vergingen Augenblicke des Schweigens. Der Graublauhaarige blickte flüchtig zu dem Barkeeper, welcher anscheinend Gefallen an dem Gespräch beider Jungen gefunden hatte und Kai nun mit einer unauffälligen Geste zu verstehen geben versuchte, der Bitte des anderen nachzukommen. »Sieh' es als Chance!«, sagte die stille Aufforderung noch zusätzlich.
Letztendlich gab Kai nach, fragte beim Barmann nach einem leeren Blatt Papier nach, da er aus seinem Buch schlecht eine Seite herausreißen konnte oder wollte. Er drehte sich ein wenig mit dem Körper zu dem Schwarzhaarigen, welcher ihn abwartend entgegenblickte.
"Lege deine beiden Hände überkreuz auf den Tresen, stütze deinen Kopf auf sie und sieh mich an", forderte er den Jungen auf. Dieser tat, wie ihm geheißen, und lächelte den Graublauhaarigen sanft an.
(A/N: FA von GK - http://animexx.onlinewelten.com/fanarts/output/?fa=370609&sort=zeichner )
Sogleich fing Kai an zu zeichnen, ging dabei sehr schnell und doch detailgetreu voran. Als er mit der groben Skizze fertig war, überkam ihn eine Idee - fast schon befehlend verlangte er beim Barkeeper nach einem schwarzen Kugelschreiber ohne dabei den Blick von seinem Modell zu nehmen. Mit Hilfe des neuen Zeichenwerkzeuges vollendete er sein Werk, signierte es zum Schluss, übergab es ohne Worte an den Schwarzhaarigen und starrte wieder auf die gläserne Fläche vor sich.
Der andere bestaunte es lange, konnte seinen Blick nicht von der Zeichnung wenden. Im Endeffekt blieb er an einer Kleinigkeit hängen. "Was bedeuten die Initialen ,H. K.'?", fragte er, schaute gleichzeitig auf. Die Antwort kam erst nach langem Zögern. "Hiwatari Kai." Nun streckte der Schwarzhaarige seine Hand aus und wartete auf eine Gegenreaktion. "Danke, Kai. Das Bild ist wirklich wunderschön." Als Angesprochener, abermals zögerlich, den Händedruck erwiderte, fügte der andere noch hinzu: "Ich heiße übrigens Rei, Kon Rei." Und wieder schlich sich ein sanftes Lächeln auf die Lippen Kais Gegenüber.
Ohne auf eine Antwort zu warten, redete Rei unaufhaltsam weiter. "Wie kann ich dir für diese Zeichnung danken, Kai? Und sage jetzt bitte nichts von einem Drink oder so, das wäre mir zu unpersönlich." Der Schwarzhaarige schien nach kurzer Zeit des Wartens, dass Kai einen Vorschlag machte, selbst zu überlegen. Dabei glitt sein Blick auch durch die Menge der anderen sich in der Kneipe befindlichen Gäste, blieb an der Tanzfläche hängen. Sein Mund verformte sich nun zu einem leichten Grinsen. "Wie wäre es mit einem Tanz?"
"Vergiss es! Ich tanze nicht", kam augenblicklich die Antwort des Graublauhaarigen, während dieser wieder sein Glas zu seinen Lippen führte und einen Schluck trank. "Du brauchst mir nichts zu geben oder was auch immer zu machen, ich möchte nichts~" ,~außer dass du mich in Ruhe lässt...', fügte er noch in Gedanken an. Damit sah er die Sache für abgeschlossen. Doch Rei wollte sich nicht einfach so abschieben lassen. "Dann sieh es als Ausgleich, dass du mich Abend für Abend ohne mein Einverständnis gezeichnet hast", konterte er, noch immer mit dem Grinsen auf den Lippen. "Ein bisschen Tanzen wird dir schon nicht schaden!"
Innerlich seufzte Kai gequält auf, konnte er sich sehr gut vorstellen, dass der Schwarzhaarige nicht locker lassen würde. Doch gleichzeitig gefiel ihm der Gedanke an einen gemeinsamen Tanz auch außerordentlich gut... Das war etwas, was er seit langem nicht mehr gespürt hatte.
Im gleichen Augenblick kam eines seiner Lieblingslieder, als hätte es der DJ nur darauf angelegt, es in diesem Moment zu spielen. Entschlossen stellte er sein Glas auf den Tresen ab, nahm das zuletzt gezeichnete Bild an sich, somit aus den Händen des Schwarzhaarigen, und übergab es zusammen mit seinem Zeichenbuch und Bleistift an den Barmann. Er forderte diesen still auf, auf die Sachen aufzupassen und die beiden Tresenplätze freizuhalten.
In der nächsten Sekunde schnappte er sich eine Hand Reis, welcher nun mehr als verdutzt dreinschaute, und zog ihn auf die Tanzfläche. "Nun gut, aber nur ein Tanz", meinte er über seine Schulter hinweg, drehte sich darauf zu dem Schwarzhaarigen um und hielt ihm seine Hand hin.
Mit einem freudigen Lächeln ergriff Rei diese und ließ sich führen. "Wirklich nur ein Tanz?", fragte er noch einmal nach, den neckischen Ton in seiner Stimme nicht versteckend und sich hauchzart an den Graublauhaarigen anschmiegend.
Die einzige Antwort, die er von Kai erhielt, war ein Grinsen und ein leichtes, kaum hörbares Lachen...
*~owari~*
13/05/2005 - 0:25