I/20a,b,c
Kommentar: Zum Abschluss des Ersten Buchs ein Kapitel, das noch mal unterteilt
ist in Teil A, B und C. Ich hoffe es gefällt euch, ich mag es jedenfalls ^^
Und nun wird es auch nicht mehr lange dauern bis die beiden unvermeidlichen
Sachen geschehen, auf die nicht nur die beiden, sondern wohl auch jeder Leser
von Rêve wartet...
Aber Achtung: Kapitel noch ungebetat!
Have fun ^__^ Und her mit Kommis *große Augen mach*
~~~ I / 20a ~~~
"Wann müssen wir eigentlich auf diese Party?", fiel es Shay nach einer Weile
plötzlich ein.
Grummelnd und etwas mürrisch über die Unterbrechung zuckte Rei mit den
Schultern, rückte schmollend von ihm ab. "Weiß nich. Ich glaub es war von acht
Uhr die Rede..."
Erstaunt blinzelte der Blauhaarige ihn an. Zwar war es nicht dasselbe auf VIP-
Parties und in eine stinknormale Disco zu gehen, da erstere meist früher
begannen, während es sich bei ihren bevorzugten Läden normalerweise erst um
Zwölf Uhr lohnte anzutanzen, weil dann die ganzen Teens rausmussten, die ihnen
wie eine zweite Haut an der Pelle klebten, wenn sie ihre Lieblinge erst einmal
entdeckt hatten. Aber dennoch war _acht_ Uhr genauso gut Mittags um Zwölf. "So
früh schon?"
"Hm... is'n Geburtstag", erklärte Nereis noch immer beleidigt, während sich der
Blauhaarige vorsichtig wieder an ihn heranpirschte. "Ich schätze Haruomi will
ausnahmsweise vermeiden, dass seine Gäste schon stockbesoffen sind, wenn sie
ankommen."
Rasch zog er die schmale Gestalt des Jüngeren in seine Arme, drückte seine
Lippen liebevoll auf die weiche Haut zwischen den zarten Linien der beiden
Schulterblätter, rieb auch mit dem Nasenrücken leicht über sie. /Mh, das fühlt
sich gut an/, dachte er zufrieden, arbeitete sich an Nereis' Hals hinauf, um mit
seiner heiß-feuchten Zunge die empfindliche Ohrmuschel nachzufahren und das
überraschte Keuchen in ein leises aber wohliges Aufseufzen zu verwandeln. Sanft
zog er den teuren Stoff von der noch viel kostbareren Haut, die so weich
schimmerte wie edelstes Perlmutt. Nach all den Jahren noch immer von ihrer
Zartheit fasziniert liebkoste er sie mit den Fingerspitzen, streichelte sie so
sanft er nur konnte, aus der irrationalen aber ununterdrückbaren Furcht heraus,
sie könne zerspringen wie feines Porzellan, wenn er Nereis zu grob berührte.
"Nereis?", flüsterte er leise, küsste die in rosenen Farben erblühende Wange,
erhielt jedoch nur ein gedankenverlorenes "Mh-h?" zur Antwort. "Bitte...", fing
er an, stockte kurz, nicht sicher, wie er ausdrücken sollte, was er fühlte, "sag
nicht mehr, dass du hässlich bist! Du bist es nicht... Nein, wirklich nicht..."
Der Rothaarige erstarrte, verharrte steif wie leblos in seinen Armen. "Du bist
so wundervoll... stattlich, stark und schön... wie könnte ich dagegen etwas
anderes sein als hä-"
"Sh!", hastig verschloss er seinem Füchslein den Mund mit einem Finger. "Sag es
nicht!", wiederholte er seine Bitte und Rei nickte nur resigniert, aber ganz
offensichtlich kein bisschen überzeugt. "Ohne dich, Rei, wäre ich nicht auch nur
halb so stark, verstehst du? Du gibst mir so oft die Kraft weiterzumachen, wenn
ich denke, ich hätte längst aufgegeben und jeden Mut verloren... So jemand...
_kann_ nur schön sein. Und für mich bist du der schönste von allen..."
Mit einem traurigen Lächeln drehte sich der Kleinere in seinen Armen, schmiegte
das Gesicht in die rechte Halsbeuge hinein, während die feingliedrigen Finger
seine Haut berührten und Halt an ihr suchten. "Das sagst du jetzt und vielleicht
stimmt es sogar für den Augenblick... aber irgendwann wirst du jemanden -"
"Nein! Nie!" Sehr bestimmt sprach er diese zwei Worte, dass Rei keine Widerrede
mehr wagte. Vielleicht - so hoffte Ayumi zumindest - hatte er endlich begriffen,
wie ernst sein blauhaariger Freund es mit seinen Worten meinte. Weil Shay zwar
noch immer nicht die magischen drei Wort über die Lippen bekam, aus Angst vor
etwas, von dem er selbst nicht mehr wusste, was es war, er aber dennoch soviel
Nachdruck in all seine Worte legte, als würde er insgeheim hoffen, dass Nereis
ihn auch so verstand.
"Eigentlich hab ich gar keine richtige Lust auf Party. Müssen wir wirklich?",
murmelte Shay nach einer Weile, um die Stille zu brechen. Er war sowieso nie der
große Partygänger gewesen. Ab und zu ging zwar auch er gerne aus, aber das
Partytier von ihnen beiden war eindeutig der kleine Rotschopf, der es wirklich
liebte, hier und da ein wenig zu tratschen, wenn es die Lautstärke der Musik mal
ausnahmsweise zuließ und sich ansonsten die Seele aus dem Leib zu tanzen wie Tod
und Teufel persönlich.
"Ich hab's versprochen", erklärte der Blauäugige bedauernd, stockte kurz, bevor
er kleinlaut hinzufügte: "Aber _du_ musst nicht, wenn du keine Lust hast... Ich
meine, heute war ein ziemlich nervenaufreibender Tag und ich kann es verstehen,
wenn du-"
"Blödsinn!", entgegnete er, wuschelte lächelnd durch das fein duftende Haar und
rieb seine Nase verschmust an der des anderen. "Ich hab gesagt, ich komm mit und
wenn _du_ gehen willst, werde _ich_ das auch tun! Du glaubst doch nicht
ernsthaft, ich lass dich allein gehen, nachdem ich wegen einer
Gehirnerschütterung sogar den Spaziergang abgeblasen habe? Die kann schließlich
noch Tage nachwirken - und ich will mir gar nicht ausmalen, was wäre, wenn du da
einfach umkippst! Schlimmstenfalls würde mich das Krankenhaus nicht mal
benachrichtigen, weil wir nicht verwandt sind!"
"Aber sie würden Yasu anrufen, weil der mein Vormund ist und der würde dich ganz
bestimmt auf schnellstem Wege zu mir fahren!", wandte Nereis ein und Shay kam
nicht umhin ihm Recht zu geben: Da Yokomitsu die Vormundschaft für sie
übernommen hatte, weil er sich sowieso die ganze Zeit wie eine Mischung aus
großem Bruder und Vater um sie kümmerte, würde man ihn auf jeden Fall
benachrichtigen. Und Shin-Ayumi war sehr dankbar für diesen Umstand, denn es war
nur einer von vielen beruhigenden Vorteilen, die diese Vormundschaft - nicht zu
verwechseln mit einer Adoption - mit sich gebracht hatte, besonders da Yokomitsu
so zwar nicht mehr nur ihr Manager war, sie deswegen aber noch lange nicht
BEvormundete.
"Hey! Mach dir nicht schon wieder so viele Gedanken!", bat Nereis und küsste ihn
vorsichtig auf den Mund, nippte leicht an seiner Oberlippe.
"Hnn", seufzte der Blauhaarige. "Tut mir Leid... Aber wenn ich nur daran denke,
dass ich dir das eigentlich verbieten müsste und vor allem _könnte_..."
Langsam und ernst schüttelte der Violinist den Kopf. "Nein, könntest du nicht.
So leid es mir auch tut, das sagen zu müssen, aber du bist nun einmal-"
"...weder dein Vater noch dein großer Bruder noch irgendein anderer Verwandter,
ich weiß", beendete Shay die alte Leier, blickte intensiv in die blauen Tiefen.
"Aber eines bin ich ja wohl: Dein bester Freund! ...oder?"
Unsicher schluckend starrte der Jüngere ihn an, öffnete leicht den Mund, doch es
kam kein Laut heraus. Und schließlich gab er den Widerstand auf und nickte nur
leicht...
~~~ I / 20b ~~~
"Natürlich bist du das", flüsterte Nereis ganz leise, weil seine Stimme drohte
zu versagen. /Das und noch viel, viel mehr.../
Plötzlich sah Ayumi ihn sehr genau, prüfend, fast scharf an.
"Was?", machte er erschrocken, sich keines Fehlers bewusst und klammerte sich
unwillkürlich leicht an Shay fest.
"_Wie viel_ mehr?", wollte der Blauhaarige leise wissen und der Rothaarige
erschrak.
"Ha-hab ich das...", hauchte er fassungslos, spürte wie unnatürlich schnell sein
Herz schlug aus Angst, sich endgültig verraten zu haben - aber auch aus der
Hoffnung heraus, dass Ayumi es verstehen und vielleicht sogar erwidern würde.
"Ja, hast du", sagte der Schwarzäugige nur ruhig, nahm Reis Gesicht in beide
Hände und sah ihn abwartend und zugleich auch seltsam fordernd, fast drängend
an, als wünschte er sich eine ganz bestimmte Antwort.
/Was soll ich denn jetzt machen?/, dachte Rei hilflos. Er hatte Angst. Angst vor
dem, was passieren, oder besser, _nicht_ passieren könnte.
Wie sollte er Shay den Grund dafür nennen, dass er sich "hässlich" fühlte - wie
sollte er ihm sagen, dass sein Herz es einfach nicht über sich brachte, es Shay
zu gönnen, wenn er sich in einen anderen Menschen verliebte als in Nereis? Und
das obwohl er als sein bester Freund doch geradezu die PFLICHT hatte, ihm sein
Glück zu gönnen...
Dann aber gab er sich einen Ruck, schlang seine Arme um den gut vertrauten,
starken Nacken, flüsterte ein "_so_ viel mehr" und legte seine Lippen ein wenig
zaghaft, aber sanft und liebevoll auf den so schmerzlich geliebten, nun leicht
offenstehenden Mund und hoffte einfach das Beste - für sie beide.
~~~ I / 20c ~~~
Shay wurde schwindelig. Er wusste einfach nicht mehr, was richtig und falsch, wo
Himmel und Hölle waren.
Was war das gewesen? Ein Liebesgeständnis? Aber falls Nereis ihn tatsächlich
liebte - warum sollte er dann so undurchsichtige zweideutige Worte benutzen
anstatt eines klarverständlichen "Ich liebe dich"?
/Vielleicht aus demselben Grund, aus dem du jahrelang geschwiegen hast?/,
wisperte eine leise Stimme in seinem Kopf.
Doch er wusste die Antwort nicht und so war das einzige, was er tat, sich in
einem weiteren so unschuldigen und doch so verzweifelten Kuss zu verlieren.