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Dritter Teil: Das Licht der Welt

Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich" und "Gift in Körper und Seele"
von

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Ein Tropfen auf den heißen Stein

Zaudernd hob Joey die Hand, ertastete den Rand des Tellers und griff nach einer Pommes. Langsam hob er sie zum Mund und obgleich er drei Tage lang so gut wie nichts zu essen bekommen hatte, hatte er keinen Appettit, würgte es vielmehr hinunter und ließ es sich auch ansehen. Etwas geduckt saß er an dem Tisch des Restaurants, bald suchte seine Hand nach dem Glas Wasser und während er auch dieses hob, drohten seine Augen beinahe zuzufallen. Er war so furchtbar müde...

und Kaiba bot keinen besseren Anblick. Sterbensblass und zusammengesunken saß er Joey gegenüber, hatte den Ellbogen auf den Tisch, und die Stirn in die Handfläche gestützt. Er blinzelte erschöpft, während er seine Tasse Kaffee immer und immer wieder drehte.

Joey hustete leise, schluckte schwer und rieb sich den Mund. Seine Bewegungen wirkten unsicher, das Gesicht hielt er gesenkt, als wolle er unter allen Umständen vermeiden, in Kaibas Richtung zu schauen. Während er erneut vorsichtig nach seinem Teller tastete, blickte Kaiba auf und begann ihn, wie in letzter Zeit so oft, zu beobachten. Er verfolgte die Bewegungen des Blonden lang, trank einen Schluck und unterdrückte ein Gähnen.

"Und... du kommst wirklich damit klar?" Fragte er leise.

"Womit." Nuschelte Joey kaum hörbar.

"Mit der Blindheit."

Kurz hielt Joey in jeglichen Bewegungen inne. Die Augen waren auf den Teller gerichtet, seine Finger zogen eine weitere Pommes hervor.

"Geht schon." Er räusperte sich leise und aß.

Kaiba antwortete mit einem lahmen Nicken, rieb sich die Stirn und kämpfte sich in eine aufrechte Haltung. Er hatte sich mit einem Kaffee begnügt und warf nun einen Blick auf die Uhr.

"Der Jet wird gleich hier sein."

Daraufhin ließ Joey die Hand sinken; beinahe unberührt stand der Teller vor ihm.

Sein Körper hatte sich an wenig gewöhnt, mehr bekam er in diesem Augenblick nicht hinunter. Kaiba wartete kurz.

"Wollen wir?"

Ein stummes Nicken genügte als Antwort und so legte Kaiba einen Schein auf dem Tisch ab und kam auf die Beine. Auch Joey stand auf, tastete sich an dem Stuhl entlang und spürte kurz darauf, wie Kaiba vor ihm stehen blieb.

"Komm."

Zögerlich hob Joey die Hand, ertastete den Arm und hakte sich ein. Somit verließen sie das Restaurant und durchquerten die große Halle. Kaiba konzentrierte sich auf das Personal, schenkte Joey somit keine Beachtung und sah nicht, wie der Blonde die Lippen aufeinander presste. Hinzukommend hielt er stets den Kopf gesenkt, um kein Auffallen zu erregen. Kaiba wollte nur zu dem Jet, wollte nur nach Domino und so begann die Reise nach einer kurzen Wartezeit. Flink wurde das Gepäck in der kleinen Luke des Flugzeuges verstaut, langsam traten die beiden Passagiere ein und ohne Verzögerung, hob der Jet ab. Es war ein befreiendes Gefühl, den deutschen Boden nicht mehr zu berühren, zu wissen, japanische Luft atmen zu können, wenn der Jet landete.

Joey und Kaiba waren die einzigen in der luxuriösen Kabine. In einer großen Sitzecke bereitete Kaiba ein Lager für seinen Freund vor. Schnell waren einige Sitze zurückgeklappt, schnell ein gemütliches Bett kreiert. Auch warme Decken waren problemlos aufzutreiben und Joey legte sich hin, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Kraftlos rollte er sich zur Seite und wurde kurz darauf zugedeckt. Behutsam zog Kaiba die Decke über seine Beine, zog ihm sogar die Schuhe aus und kontrollierte kurz, ob alles beim rechten war. Es schien so.

Sobald Joey gelegen hatte, hatten sich seine Augen geschlossen und wenige Sekunden später, schien es, als würde er bereits tief und fest schlafen. Völlig entkräftet und müde, war nicht nur er dringend auf Erholung angewiesen. Auch Kaiba sah aus, als könne er kaum noch stehen. Dennoch hielt er sich aufrecht, stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete sich den Blonden, der in diesen Sekunden so friedlich und unbesorgt dort lag. Nach wenigen Minuten, kauerte er sich vor den Sitzen auf den Boden, verschränkte die Arme auf dem weichen Polster und bettete das Kinn auf den Unterarmen. So saß er entspannt und konnte Joeys Gesicht ohne Anstrengungen ansehen.

Beinahe abwesend schweiften seine Augen über die blasse Haut, die geschlossenen Lider, die Schrammen, die dunkel hervorstachen und die rauhen Lippen...

Zu lange hatte er diesen Anblick missen müssen. Nun jedoch hatte er Zeit und dennoch übermannte ihn alsbald die Müdigkeit. Sein Gesicht sank hinab, verbarg sich zwischen den Armen und nahe bei Joey, schlief er ein.

Doch während des gesamten Fluges blieb es nur bei einem Schlafenden.
 

Es war tief in der Nacht, als der Jet auf Dominos Flughafen landete. Im Gegensatz zu Deutschland, war dieser zu dieser späten Stunde noch viel begangen. Überall saßen Menschen in den Cafes, überall gingen sie ihrer Wege und so fielen die beiden jungen Männer, die in müden Schritten auf den Ausgang zusteuerten, nicht auf. Auf dem Parkplatz stand bereits die Limousine und so konnten sie den Rest des Weges ohne langes Warten oder sonstige Anstrengungen bewältigen. Die Fahrt verlief ruhig, keine Worte wurden gewechselt. Auf der Fahrt, direkt in das Krankenhaus.

Es war beinahe elf Uhr, als die Limousine auf dem beleuchteten Parkplatz hielt, als sich eine Tür öffnete und sich Kaiba ins Freie schob. Auch der Chauffeur stieg aus, doch seine Hilfe wurde nicht benötigt.

"Warten Sie hier." Murmelte Kaiba nur, bevor er sich Joeys Arm über die Schulter zog und mit ihm auf den Eingang des Krankenhauses zutrottete. Vorsichtig und dennoch sicher, hatte er den Arm um seinen Rücken gelegt und stützte ihn, während sie das Gebäude betraten. Sogleich blickte sich Kaiba suchend um. Hier und da eilten Ärzte von einer Tür zur anderen und erst als Kaiba einen von ihnen rief, blieb er stehen und eilte näher. Schnell war das Anliegen geäußert und nach einem kurzen Überlegen, bot der Arzt an, Joey erst einmal zu stationieren. Es war nicht schwer, dessen Zustand zu erahnen und so sollten die Untersuchungen bis zum nächsten Tag warten. Während sich Kaiba mit dem Arzt unterhielt, schwieg Joey, tat annähernd so, als ginge es nicht um ihn. Doch in seinem Kopf rasten die Gedanken. Er wollte nicht wieder in dieses Krankenhaus... er verabscheute es, verband schreckliche Erinnerungen mit diesem Ort. Er wollte nach Hause, wollte schlafen. Doch bevor er sich versah, stand er mit Kaiba und dem Arzt im Fahrtstuhl.

"Wie geht es dir?" Hörte er Kaibas Stimme und hob etwas den Kopf.

Was sollte er denn sagen? Dass er Schmerzen hatte? Dass es ihm abscheulich ging?

Nach einem langen Schweigen antwortete er mit einem knappen: "Geht schon."

Nach kurzer Zeit erreichten sie so ein freies Zimmer und Kaiba war ihm dabei behilflich, sich auf eines der Betten zu setzen. Der Brünette selbst, legte die Hände auf seinen Knien ab und musterte ihn ein weiteres mal tiefgründig und besorgt.

"Leg dich hin und schlaf noch ein bisschen." Bat er leise und Joey nickte langsam.

"Morgen früh werden die Untersuchungen beginnen. Und bis spätestens Morgen Mittag werde ich einen Augenspezialisten gefunden haben, der dir weiterhelfen wird."

Die Augen waren in diesen Sekunden das kleinste Problem. Nein, Joeys Gedanken richteten sich nun vielmehr auf eine andere Sache und so nahm er Kaibas Worte kaum wahr. Abwesend starrte er nach unten, seine Schultern hoben und senkten sich unter einem schwermütigen Atemzug und Kaiba rieb seine Schulter.

"Mach dir keine Sorgen, ja? Wir bekommen das hin."

Somit wandte sich Kaiba langsam ab.

"Ich vertraue in Ihnen an." Sagte er zum Arzt und dieser nickte sofort beschwichtigend.

"Wir werden uns um ihn kümmern."

"Gut." Kurz rückte sich Kaiba den Mantel zurecht, schickte Joey einen letzten abschätzenden Blick. "Ich werde deinem Vater noch heute Bescheid geben." Versprach er. "Und ich komme Morgen früh sofort zu dir."

Joey reagierte nicht und so presste er die Lippen aufeinander, holte tief Atem und steuerte in schlürfenden Schritten auf die Tür zu. Im Rahmen blieb er erneut stehen, drehte sich und machte den Anschein, als wolle er noch etwas loswerden. Kurz stand er da, suchte scheinbar nach Worten und schüttelte letzten Endes nur den Kopf. Mit geschlossenen Augen verharrte Joey in der Haltung, lauschte den Schritten im Gang und begann sich erst zu regen, als er die Stimme des Arztes hörte.

"Du siehst sehr erschöpft aus. Ich bringe dir noch ein sauberes Hemd und dann kannst du etwas schlafen."

Somit wollte auch er gehen, doch Joey blickte auf.

"Doktor?"

"Ja?" Der Angesprochene blieb stehen.

Unauffällig rutschten die Hände des Blonden unter die Decke, die Finger vergruben sich in dem Laken und erst nach einem schweren Schlucken, fuhr er fort.

"Könnten Sie... Doktor Johnson zu mir schicken?"

"Johnson?"

Joey nickte und der Arzt grübelte kurz.

"Ja, natürlich. Er dürfte noch da sein."

Mit diesen Worten ging er und Joey hockte allein in dem sterilen kahlen Raum. Zusammengesunken verblieb er einige Sekunden reglos. Erst dann schlüpfte er aus den Schuhen, schob sich stockend nach hinten und tastete nach der Decke. Er wirkte etwas nervös, als er wieder sitzen blieb, die Decke gegen den Leib presste und sie mit seinen Armen umschloss. Unruhig schweiften seine Pupillen von einer Seite zur anderen und außer seinem Atem herrschte völlige Ruhe. Die anderen Patienten schienen bereits zu schlafen und nur wenige Ärzte waren in dieser Etage unterwegs.

>Warum läuft alles immer so verdammt beschissen.< Er ließ das Gesicht sinken, vergrub es etwas in der Decke und schloss die Augen.

Bald hörte er wieder Schritte und richtete sich auf. Die Geräusche näherten sich schnell, wirkten etwas hektisch. Wer, außer Dr. Johnson könnte es sein?

Angespannt starrte Joey in die Richtung der Tür, durch die ein etwas älterer Mann das Zimmer betrat.

"Joey?" Ertönte sogleich die bekannte Stimme und das Gesicht des Blonden schien sich etwas zu entspannen.

"Doktor?"

"Mein Gott." In seiner hastigen Art, trat Johnson an das Bett heran und musterte seinen Patienten mit geschultem Blick. "Habe ich dir nicht gesagt, dass ich dich hier nicht noch einmal sehen will?"

"Mm... sorry."

"Du bist erblindet?" Johnson weitete entsetzt die Augen, zog kurz darauf eine kleine Lampe hervor und beugte sich zum Blonden. "Lass mich mal sehen. Woran liegt es? Hast du schon einen Verdacht? Das kann doch nicht sein."

"Doktor." Joey zog eine Grimasse, neigte sich etwas in die andere Richtung und hob die Hand, um den tatfreudigen Mann zurückzuhalten. Johnson ließ die Lampe sinken und Joey räusperte sich leise.

"Es geht um etwas völlig anderes."

"Noch etwas?" Johnson hörte sich empört an. "Was hast du wieder gemacht?"

"Das will ich Ihnen ja erklären." Nuschelte Joey müde und presste die Decke wieder an sich.

"Gut." Somit schien sich Johnson etwas zu beurhigen. Er ließ die Hände in den Taschen seines weißen Kittels verschwinden, konnte es jedoch nicht unterlassen, Joeys Augen anzuschauen und bereits nach Ergebnissen zu suchen.

Der Blonde schwieg, rutschte etwas umher und und runzelte die Stirn. Unterdessen zog Johnson einen kleinen Block hervor und machte sich einige Notizen. Und Joey suchte nach Worten, schien seine Schwierigkeiten zu haben und faltete letzten Endes nervös die Hände ineinander.

"Kann ich mich auf Ihre ärztliche Schweigepflicht verlassen?"

"Natürlich." Johnson grübelte kurz, fügte den Notizen noch etwas hinzu und ließ kurz von dem Block ab, um den Patienten erneut zu beobachten. Dieser leckte sich kurz über die Lippen, senkte die Lider und atmete tief durch.

"Ich will... dass Sie mich auf Aids untersuchen."

"Mm." Johnson nickte beschäftigt und schrieb weiteres auf den Block. Er schrieb zwei Wörter, dann wurde seine Hand langsamer und er machte den Anschein, zu Eis erstarrt zu sein. Nur stockend richtete er sich auf und starrte den Blonden entgeistert an.

"Wie bitte...?"

"Sie haben richtig gehört." Joey schloss die Augen und Johnson verlor auch das letzte Interesse an dem Block. Beiläufig warf er ihn auf den kleinen Nachttisch und neigte sich langsam zu Joey.

"Aids...?" Hauchte er entrüstet. "Wie kommst du darauf... Joey?"

"Darum geht es." Hauchte Joey beinahe lautlos. "Darüber müssen Sie schweigen."

Als wäre er benommen, hockte sich Johnson auf die Kante des Bettes. Ihm gelang nur ein zögerliches Nicken.

"Alles, was zwischen Arzt und Patient besprochen wird, bleibt geheim." Meinte er etwas heiser.

"Der Mensch, der es am wenigsten erfahren darf, ist Seto." Fuhr Joey leise fort. "Sie müssen unter allen Umständen Stillschweigen wahren. So sehr er auch stochert und fragt. Nicht einmal Andeutungen, um mehr bitte ich nicht. Ebenso wenig darf der Test in den Krankenakten auftauchen."

"Joey." Johnson kratzte sich nervös am Hals. "Was ist passiert...?"

Der Blonde kroch etwas in sich zusammen, verschränkte de Arme fester und zog die Nase hoch.

"Ich wurde vergewaltigt." Flüsterte er. "Und Sie sind der Einzige, der es weiß und je wissen wird."

"Was...?" Johnsons Augen weiteten sich. "Wie... wie konnte das passieren?"

Joey schüttelte matt den Kopf.

"Ich weiß es selbst nicht... es ging alles zu schnell."

"Und es wurde nicht verhütet?" Das Gesicht des Arztes verlor an Farbe und ein knappes Kopfschütteln brachte die Antwort.

"Wie zur Hölle konnte es zu so etwas kommen?!" Johnson wiederholte das Kopfschütteln ungläubig und die Miene des Blonden verzog sich leidend.

"Bitte stellen Sie keine Fragen, ja? Es ist passiert und ich kann nichts mehr daran ändern. Führen Sie nur den Test durch und bringen Sie mir Gewissheit."

"Joey...", Johnson räusperte sich, "das geht nicht."

"Was?"

"Adis ist frühestens sechs bis acht Wochen nach der Infektion durch Blutuntersuchungen nachzuweisen."

"Wie bitte...?" Stockend richtete sich Joey auf, entsetzt suchten die Pupillen nach dem Doktor. "Heißt das... ich muss zwei Monate warten, bis ich Bescheid weiß??"

Johnson seufzte, beugte sich nach vorn und rieb sich die Stirn.

"Kurz nach der Infektion kommt es zur HIV-Erkrankung, die ähnlich einer Grippe verläuft und von selbst abklingt. Es folgt ein krankheitsfreies Intervall von mehreren Jahren bis Jahrzehnten. Trotzdem vermehrt sich das Virus in dieser Zeit weiter und zerstört die Immunzellen. Somit beginnt die Krankheit zu wirken. Der Test, den wir jedoch nach knapp zwei Monaten durchführen können, wird entweder keine Auffälligkeiten, oder eine deutliche Abnahme dieser Immunzellen im Blut zeigen. Erst dann haben wir Gewissheit."

Er rieb sich die Stirn weiter, ächzte erschöpft und schüttelte den Kopf. Joey hatte sich kaum bewegt, starrte noch immer in seine Richtung.

"Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Ungewissheit, Joey."

Der Blonde schnappte nach Luft.

>Das überlebe ich nicht!<
 

"Es ist alles in Ordnung." Erschöpft ließ sich Kaiba in den gemütlichen Sessel fallen und streckte die Beine von sich. Neben ihm, an der Kante des Schreibtsiches, lehnte Pikotto.

"Es geht ihm also gut?"

Kaiba nickte und griff nach einem kleinen Kästchen, um sich eine Zigarette zu gönnen. Entspannt zog er sich einen Klimmstengel, klemmte ihn zwischen die Lippen und bekam sofort Feuer.

"Ich habe mir sinnlos den Kopf zermartert." Kaiba schloss die Augen, genoss diese Erleichterung, die sorglosen Sekunden, in denen er sich endlich wieder zurücklehnen konnte. "Ich habe wohl eine zu ausgeprägte Fantasie, dachte an Entführungen und Gefangenschaft. Dabei hat er sich im Wald verwirrt." Ein sarkastisches Grinsen zog an den hellen Lippen des Geschäftsmannes und ein amüsiertes, jedoch erleichtertes Kopfschütteln folgte, Pikotto verdrehte die Augen.

"Schon etwas ungewohnt, dass alles so ein glimpfliches Ende nimmt, hm?"

"Mm." Kaiba fuhr sich entspannt durch den Schopf. "Er ist noch etwas schweigsam und unruhig. Sicher leidet er sehr unter der Blindheit." Ein kurzes Schweigen. "Ich wäre am liebsten bei ihm geblieben und hätte ihm Gesellschaft geleistet, doch ich muss noch einige Telefonate führen. Außerdem wartet ein kleiner Junge auf mich." Er lächelte, nahm einen langen Zug und blies den Rauch durch die Nase. Pikotto brannte sich eine Zigarette an und so verblieben die beiden erneut schweigend. Pikotto rauchte, Kaiba grübelte und nach wenigen Sekunden, richtete sich der Brünette auf.

"Außerdem muss ich einen erfahrenen Augenspezialisten aufsuchen." Murmelte er grüberlisch und zog einen Notizblock zu sich. "Die Ärzte im Krankenhaus sind gut, aber sie kennen sich nur im Allgemeinen aus. Und bevor Joseph etwas hört, das nicht stimmt, kümmere ich mich lieber selbst darum."

Pikotto nickte verständnisvoll, ließ die Zigarette sinken und sah durch die Fensterfront in die tiefe Nacht hinaus. Auch er grübelte kurz.

"Joseph hat mir erzählt, auch seine Schwester hätte unter der Erbkrankheit gelitten."

"Mm." Kaiba nickte beschäftigt.

"Weshalb wendest du dich nicht gleich an den Arzt, der sie behandelt hat?"

Kaiba hielt inne, runzelte die Stirn und blickte auf.

"Du hast recht, das werde ich machen." Flink tippten seine Finger über das Notizblatt. "Welches Krankenhaus war das noch?"

"Das kann ich ebenso gut herausfinden, wie du." Pikotto löste sich von dem Tisch, schlug seinem Chef kurz auf die Schulter und grinste. "Du solltest dich erst einmal um Mokuba kümmern. Er hat sich große Sorgen gemacht."
 

>Zwei Monate??< Joey kroch in sich zusammen, winkelte die Beine an und umschlang die Knie mit den Armen. Auch das Gesicht ließ er hinabsinken und ein erschöpftes Ächzen ertönte. >Ich soll zwei Monate warten?? Zwei Monate voller Ungewissheit und Schweigen gegenüber Seto?? Ich soll ihm nicht nur verheimlichen, was binnen der drei Tage wirklich passiert ist... sondern auch, dass ich vielleicht Aids habe??< Verkrampft schoben sich die Hände in den blonden Schopf, wo sie sich zu zitternden Fäusten ballten. >Spätestens wenn die Ergebnisse positiv sind, muss ich es ihm sagen! Und wenn sie negativ ausfallen...? Soll ich trotzdem weiterschweigen??< Die Zähne begannen die Unterlippe zu bearbeiten, bissen zu, bis es schmerzte. >Falls ich wirklich infiziert bin... was bringt es mir dann, wieder sehen zu können?! Ich will das nicht! Ich will nicht in die Gesichter derer blicken, die sich sorgen und dennoch belogen werden! Ich will mich einschließen, will niemanden bei mir haben!!<
 

Langsam legte sich Kaibas Hand auf die Klinke, langsam drückte er sie hinab und öffnete die Tür. Er betrat ein großes Zimmer, welches beinahe in der völligen Dunkelheit lag. Nur eine kleine Nachtlampe brannte in einer Ecke und vermittelte dem Raum einen angenehmen Schein. Sogleich richteten sich die blauen Augen auf ein großes Bett, in dem, von Decken umschlungen, einen hellblauen Schlafanzug tragend, ein kleiner Junge lag und laut scharchte.

Den Blick fest auf ihn fixiert, trat Kaiba in leisen Schritten näher, betrachtete sich seinen kleinen Bruder und ließ sich vorsichtig neben ihm auf der Bettkante nieder.

Ein weiches Lächeln umspielte süß seine Mundwinkel, als der kleine Junge leise grunzte und sich wie ein Igel zusammenrollte. Und sobald Mokuba wieder still lag, hob Kaiba die Hand, streifte ein paar lange Haarsträhnen zurück und besah sich das kleine Gesicht, das so sorglos und entspannt wirkte, das kleine Gesicht, das er ebenso vermisst hatte. Vorsichtig streifte die Hand die Stirn des Jungen und nachdem er kurz seinen Schopf getätschelt hatte, neigte er sich über ihn, griff nach der verwurschtelten Decke und zog sie wärmend über den Jungen. Fürsorglich zog er sie bis über die Schultern, griff auch nach einem Plüschbären und setzte ihn neben dem Kissen hin. Anschließend erhob er sich, berührte kurz Mokubas Schulter und drehte sich um. Leise verließ er den Raum, trat in den breiten Flur hinaus und steuerte auf sein Arbeitszimmer zu.
 

>Wenn ich doch wenigstens wüsste, was mit Lee ist!!< Joey presste die Lippen aufeinander. >Wäre Daniel Ray doch nicht ohne die geringste Erklärung gegangen! Lee... wie geht es dir? Was tust du in diesem Augenblick...? Hast du wieder Schmerzen? Du musst es gewesen sein, der mich befreit hat! Ich bin mir sicher, wie könnte es anders sein? Verdanke ich dir meine zurückgewonnene Freiheit? Hast du mich vor dem gerettet, das du seit drei Jahren durchmachst? Hast du mich vor der Hölle bewahrt? Bist du noch tiefer in ihr versunken, indem du es getan hast...?

Weshalb?? Anfangs wirktest du so unbeteiligt, so gleichgültig meiner Situation gegenüber. Und doch hast du alles getan, um mich zu verteidigen. Doch um welchen Preis??< Der junge Körper erzitterte unter einem verkrampften Schluchzen. >Lee... wo bist du?!<
 

Entspannt ließ sich Kaiba in den gemütlichen Stuhl fallen, atmete tief kurz durch und griff kurz darauf nach einem Telefon. Nachdem er kurz in einem Notizbuch geblättert hatte, wählte er eine Nummer, hob den Hörer zum Ohr und räusperte sich leise. Anschließend lauschte er dem Rufsignal und alsbald wurde abgenommen.

"Charles? Hier ist Kaiba." Meldete er sich und lauschte kurz. "Ja, es tut mir leid, dass ich dich noch so spät anrufe... es geht um Joseph." Wieder schwieg er kurz, hörte zu und nickte. "Ja, es ist etwas passiert... was? Nein, er wurde nicht angeschossen. Nein, auch nicht entführt. Es geht um die Erbkrankheit, unter der auch Serenity zu leiden hatte. Ja...", er nickte langsam, "ja genau, auch er ist erkrankt. Mm... Vorkehrungen...? Nun, er... er ist bereits erblindet." Er schien unterbrochen zu werden, biss sich auf die Unterlippe und verzog anteilnehmend das Gesicht. "Beruhige dich... Charles. Es ist so, es scheint sich nur um eine abgeschwächte Form dieser Krankheit zu handeln. Es trat binnen kürzerer Zeit ein und... nein, er ist jetzt im Krankenhaus. Ja, genau in dem. Aber ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen machen sollten. Was? Nein, es ist eine Ahnung, deren ich mir sicher bin. Sag mal, kennst du den Namen des Arztes, der Serenity behandelt hat? Ja genau, ich werde mich mit ihm in Verbindung setzen. Er scheint sich auszukennen." Kaiba griff nach einem Notizblatt, ebenso nach einem Stift. "Doktor Newcallen, aha. Ja, das Krankenhaus kenne ich. Ich werde ihn sicher für Joseph gewinnen können und dafür sorgen, dass er gleich morgen mit den Untersuchungen beginnt. Charles, ich denke, nein, ich weiß, dass er ihn heilen kann. Ja." Er sprach weiterhin mit Joeys aufgebrachtem Vater und versuchte ihn zu beruhigen, was nur schwerlich gelang. Nach knapp fünf Minuten, erkundigte sich Cahrles nach dem Befinden seines Sohnes, doch da konnte Kaiba ihn erneut beruhigen. "Es geht ihm gut." Sagte er. "Er ist noch etwas verunsichert, aber das wird sich legen. Ja, natürlich, ich kümmere mich um ihn." Wieder schwieg er kurz. "Wenn du kannst, kannst du natürlich nach Domino zurückkommen. Joseph freut sich sicher über Besuch."
 

>Am liebsten würde ich mich irgendwo verkriechen!!< Stockend richtete sich Joey auf, sein Gesicht war gerötet, seine Augen glasig. >Ich will niemanden sehen! Nur so halte ich dieses Schweigen durch!<
 

So verging die Nacht.

Einige konnten sie genießen. Wie zum Beispiel ein junger Geschäftsmann, der endlich seit langem einen ruhigen Schlaf finden konnte. Nachdem er Pikotto angerufen, und ihm den Namen des Arztes gesagt hatte, hatte er sich sofort hingelegt und war binnen der kürzesten Zeit eingeschlafen.

Andere jedoch, taten kein Auge zu und quälten sich durch die finsteren Stunden. Die Nacht schien kein Ende zu nehmen, ebenso die Dunkelheit.

So kauerte Joey während der gesamten Nacht auf seinem Bett, kämpfte mit Ängsten und grausamen Fantasien und konnte sich nicht von ihnen lösen. Müde und erschöpft wie er war, nahmen diese Fantasien und Ängste unbeschreibliche Ausmaße an und Stunde um Stunde kroch er in sich zusammen, versuchte zu verdrängen, sich selbst zu belügen. Doch niemand wusste besser als er, wie die Dinge standen. Niemand wusste besser, was zu tun, und was zu verhindern war.

Niemand litt unter solch einer Verzweiflung, wie er...

Es glich einer Ewigkeit, bis Geräusche im Flur dem Blonden verrieten, dass die Nacht vorbei war. Für ihn war es immer finster, das Licht des Tages konnte er nicht sehen, die warmen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, spürte er nicht. Sein Körper fühlte sich taub an, seine Augen brannten und sein Gesicht wirkte leichenfahl. Mit den Kräften war er am Ende und als sich die Tür öffnete, reagierte er kaum darauf. Langsam trat Johnson an das Bett heran und räusperte sich leise, um Joey auf sich aufmerksam zu machen. Nur stockend drehte dieser das Gesicht zu ihm und murmelte etwas Verworrenes.

"Guten Morgen." Johnson lächelte etwas kraftlos. "Hast du etwas Schlaf gefunden?"

Matt schüttelte Joey den Kopf und Johnson reichte ihm einen Becher mit Saft, den er ihm mitgebracht hatte.

"Wie spät ist es." Nuschelte Joey, als er nach dem Becher tastete.

"Um neun." Somit hockte sich Johnson zu ihm auf die Bettkante, besah sich kurz die braunen Augen und wartete, bis Joey einige Schlucke genommen hatte. "Es ist so." Sagte er dann. "Heute Morgen um sechs Uhr erhielten wir einen Anruf von einem Augenspezialisten namens Newcallen, der uns seine Hilfe angeboten hat."

"Newcallen?" Joey hielt in den Bewegungen inne.

"Ja, kennst du ihn?"

"Weiß nich..." Joey zuckte mit den Schultern und ließ den Becher sinken.

"Jedenfalls wird er in einer Stunde hier sein, um deine Augen zu untersuchen. Wir sind über seine Unterstützung sehr erfreut, er soll der Beste in ganz Domino sein."

"Ach." Abwesend kratzte sich Joey am Arm.

"Wir erhielten auch drei andere Anrufe." Erzählte Johnson weiter. "Zuerst rief Kaiba an und meinte, dass er erst gegen Mittag hier sein, und dich besuchen kann. Anschließend erhielten wir einen Anruf von deinem Vater, der sich nach deinem Wohlergehen erkundigte. Ebenso soll ich dir von ihm ausrichten, dass er seine Arbeit unterbricht und morgen wieder in Domino ist, um nach dir zu schauen."

Joeys Miene zeigte keine Regung, es wirkte sogar so, als wäre er über diese Nachrichten alles andere als erfreut. Trübe starrte er vor sich auf die Decke.

"Und." Johnson hob den Zeigefinger. "Ebenso hat ein gewisser Devlin angerufen und sich einfach so erkundigt, ob du zufällig wieder hier im Krankenhaus bist."

"Mm...?" Joey blinzelte.

"Du wirst in der nächsten Zeit also viel Besuch bekommen." Somit tätschelte Johnson vorsichtig seine Schulter und kam auf die Beine. "Bis Doktor Newcallen hier ist, würde ich gern eine andere Untersuchung durchführen. Es geht um die gewisse Sache. Du bist sicher verletzt. Hast du Schmerzen?"

Joeys Schultern hoben und senkten sich unter einem tiefem Atemzug und nach einem langen Schweigen, nickte er.

"Gut, wir wollen nur kurz schauen, wie du davongekommen bist. Es wird nicht wehtun. Du musst keine Angst haben."

>Angst...?< Träge begann sich Joey zu regen, zog die Decke bei Seite und schob sich zur Kante des Bettes. >Von der habe ich langsam genug.<
 

"Warum liegt Joey wieder im Krankenhaus?" Erkundigte sich Yugi besorgt, als er neben Tristan, Tea und Bakura durch die Straßen schlenderte. Tea seufzte, sie hatte einen Blumenstrauß gepflückt.

"Hoffentlich ist es nichts Ernstes."

"Was wusste Duke, was wir nicht wussten." Grübelte Tristan. "Plötzlich ruft er an und sagt, dass Joey im Krankenhaus liegt. Woher wusste er das?"

Bakura kratzte sich am Bauch und Yugi seufzte noch trauriger als Tea.

"Hoffentlich geht es ihm gut."

"Wo wir gerade von Duke sprechen." Sagte Tea. "Warum kommt er nicht gleich mit?"

Tristan blähte die Wangen auf.

"Er meinte, er hätte noch etwas zu erledigen."
 

Über den Schreibtisch gebeugt, saß Kaiba in seinem Büro, überflog einige Unterlagen und warf immer wieder Blicke zur Uhr. Newcallen war jetzt seit einer Stunde im Krankenhaus bei Joey. Sicher würden die Untersuchungen nicht mehr lange dauern und er war nervös, hoffte inständig, dass seine Ahnung zutraf.

In wenigen Minuten würde er sich auf den Weg machen, um sich nach den Ergebnissen zu erkundigen, vorrausgesetzt, die Tests waren bereits ausgewertet.

Er biss sich auf die Unterlippe, drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und lehnte sich zurück.

Heute Morgen hatte er gemeinsam mit Mokuba gefrühstückt und ihn anschließend zur Schule gefahren. All das fühlte sich nach einem normalen Alltag an und wenn die Untersuchungen positiv ausgingen und es hieß, dass Joey bald wieder sehen könnte, dann gab es nichts mehr, worum sich Kaiba sorgen musste.

Ja, dann wäre alles wieder beim Besten.

Er atmete tief durch, schloss kurz die Augen und rieb sich das Gesicht. Und nach einem weiteren Blick zur Uhr, beschloss er, aufzubrechen. Er war aufgeregt, hielt es nicht länger aus. Er wollte Ergebnisse, er wollte Gewissheit! Somit erhob er sich, schlüpfte in seinen Mantel und steuerte in gemächligen Schritten auf die Tür zu. Draußen war es ein herrliches Wetter. Die Sonne strahlte warm und es rief geradezu nach einem Spaziergang. Er griff nach der Klinke und öffnete die Tür, völling in Gedanken versunken, trat er durch den Türrahmen.

Vielleicht könnte er Joey für einen Spaziergang begeis...

Als er aufblickte, erkannte er plötzlich eine geballte Faust, die auf sein Gesicht zuraste, ihn traf und zurückschmetterte. Er stolperte nach hinten, verlor kurz das Gleichgewicht und richtete sich sofort auf, sobald er halbwegs sicher stand. Doch bevor er sich besinnen konnte, schlugen sich zwei Hände in den Kragen seines Mantels und er wurde von einem rasenden jungen Mann zurückgedrängt.

"Du gottverdammtes Arschloch!!" Duke war außer sich, als er Kaiba zurückstieß. Dieser war zu perplex, um sich gegen den festen Griff zu wehren, kam nicht einmal dazu, etwas zu sagen. "Treibst du wieder dein beschissenes Spiel mit uns?!! Ich habe es geahnt!!" Sie erreichten den Schreibtisch. Wutentbrannt rammte Duke den Brünetten gegen dessen Kante, trat an ihn heran und verengte die Augen. Sein Atem raste, während Kaiba ihn nur konfus anstarrte. "Da fährt die Klasse in aller Seelenruhe nach Hause und hat keinen Grund, sich Sorgen zu machen! Neeein!" Duke schüttelte aufgebracht den Kopf. "Die kleine harmlose Migräne geht bald vorbei und Joey ist längst im Krankenhaus, nicht wahr?? Aber merkwürdigerweise wusste das Krankenhaus nichts von so einem Patienten, als ich am Tag unserer Rückkehr angerufen habe!!"

Kaiba wollte antworten, doch über seine Lippen kam kein Ton und er setzte sich noch immer nicht zur Wehr. Duke klammerte sich an ihn, biss die Zähne zusammen und keuchte.

"Und plötzlich erblindet er?? Durch eine Migräne??? Du verfluchter Scheißkerl hältst es wohl nicht für nötig, irgend ein Wort zu sagen, uns aufzuklären!! Was soll der Mist??! Wir haben ebenso ein Recht, uns Sorgen um Joey zu machen, wie du!! Hör auf, ihn für dich allein zu beanspruchen, seine Angelegenheiten nur als deine Angelegenheiten anzusehen!!" Kurz lockerte Duke die Fäuste, seine grünen Augen musterten die Blauen brennend und scharf. "Ich dachte, du hättest es gelernt, aber das hat mir das Gegenteil bewiesen!! Was zur Hölle denkst du dir, kannst du mir das mal verraten?!!" Somit ließ er Kaiba los, entfernte sich einen Schritt von ihm und holte zitternd Atem. "Was geht nur in deinem Kopf vor?!" Er zog eine verächtliche Grimasse. "Ich sollte mich in Zukunft nicht mehr auf dich verlassen und mich selbst um Joey kümmern, falls etwas passiert!! Wenn du es tust, geht wieder irgend etwas hinter meinem Rücken ab und ich erfahre die Wahrheit erst durch einen Zufall!! Was denkst du, wie ich mich dabei fühle?!" Duke war völlig aufgelöst. Er schrie und gestikulierte mit den Händen. Und Kaiba schwieg. "Hast du auch nur die geringste Ahnung, was du uns damit antust??"

Somit verstummte er, ballte die Hände zu Fäusten und fixierte Kaiba mit funkelnden Augen. Sein Atem raste noch immer, seine Zähne bissen aufeinander und in dem Büro herrschte Stille... bis er nach wenigen Sekunden langsam den Kopf schüttelte.

"Ich gehe jetzt zu ihm und frage ihn selbst, was wirklich passiert ist!" Fauchte er leise und wischte sich hastig über die Stirn. "Von dir erfahre ich nichts als Lügen!" Daraufhin schien er in Kaibas Augen nach einer Antwort zu suchen. Er fand sie nicht, sah auch nichts entsprechendes. Und so wandte er sich langsam ab. Seine Miene war befallen von bloßer Wut und Verachtung, als er erneut den Kopf schüttelte.

"Ich hoffe, dass du eines Tages dasselbe erlebst." Flüsterte er leise und wandte Kaiba den Rücken zu. "Hoffentlich wird man dir auch etwas verschweigen. Und hoffentlich schmerzt es schön, wenn du es herausfindest."

Somit kehrte er in langsamen Schritten zur Tür zurück, tastete träge nach der Klinke und verließ so das Büro. Reglos lehnte Kaiba an dem Schreibtisch. Mit geweiteten Augen und geöffnetem Mund stand er da, als wäre er zu Eis erstarrt. Auch sein Gesicht hatte an Farbe verloren und nachdem Duke hinter einer Ecke verschwunden war, bewegte er sich noch immer nicht. Stumm formte er die Lippen, blinzelte perplex und würgte ein schweres Schlucken hinunter. Erst nach langer Zeit kehrte die Bewegungsfähigkeit zurück. So hob er langsam die Hand, ließ das Gesicht sinken und stieß ein gepeinigtes Keuchen aus.

"Scheiße..." Ächzte er und wischte das Blut fort, welches aus seiner Nase lief.
 

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand, saß Joey auf einer Liege in einem der Untersuchungszimmer. Vor knapp einer Stunde hatte er Doktor Newcallen kennengelernt und sich einer tiefgründigen Untersuchung hingegeben. Vor knapp einer halben Stunde war sie beendet worden und seitdem saß er hier und wartete. Die Tasse hielt er zwischen beiden Händen auf seinem Schoß, die Schultern waren gesenkt und er war müde.

Bevor Newcallen eingetroffen war, hatte Johnson ihn wie besagt untersucht und verarztet, was sehr unangenehm gewesen war. Doch wenigstens litt er in diesen Minuten unter keinen Schmerzen.

Seine Augen waren verbunden, damit er sie nicht zusätzlich anstrenge, hatte Newcallen gemeint, bevor er den Raum verlassen hatte, um sich der Auswertung zu widmen.

Langsam holte Joey Atem, stieß die Luft unter einem tiefen Seufzen aus und nippte an der Tasse. Zugegeben, er war nervös und aufgeregt, denn auch, wenn er durch die Blindheit vor einigen Anblicken verschohnt blieb... ein Leben ohne sehen zu können...?

Alles ging irgendwann vorbei. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er alles hinter sich gelassen hätte, bis Gras über die Sache gewachsen war und er seinem normalen Leben nachgehen könnte. Und wenn diese Zeit gekommen war, dann wollte er Kaibas Gesicht sehen, er wollte die Gesichter seiner Freunde sehen, sich an der hellen Sonne ergötzen und nicht in allen Tätigkeiten eingeschränkt sein.

In den nächsten Minuten würde er Gewissheit haben. Wie würde es mit der Erbkrankheit weitergehen? Nervös rückte er zur Seite, rutschte zurück und rollte mit den Schultern.

Es dauerte beinahe weitere fünfzehn Minuten...

Dann hörte Joey, wie sich die Tür öffnete. Augenblicklich klammerten sich seine Hände fester um die leere Tasse und etwas zögerlich drehte er das Gesicht zur Seite. Mit einigen Unterlagen betrat Newcallen den Raum, kam gemächlich auf ihn zu und griff nach einem Stuhl, den er mit sich zog und vor Joey hinstellte. Er war ein älterer Mann mit grauem Haar, wirkte erfahren und professionell. Seine Miene jedoch, verriet nichts, sie wirkte nahezu ausdruckslos, was Joey in einem anderen Fall sowieso nichts genutzt hätte.

Als sich Newcallen vor ihm niederließ, spürte Joey einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend und nach dem schweren Schlucken, hielt er die Luft an.

"Also, Herr Wheeler." Newcallen rückte sich kurz zurecht, bettete die Unterlagen auf dem Schoß und sah den Blonden ernst an. "Durch die Untersuchungen bin ich auf ein klares Ergebnis gekommen."

Wieder schluckte Joey, bevor er angespannt nickte. Er bekam kein Wort heraus, seine Hände klammerten sich noch fester um das Porzellan.

>Bitte!< Flehte er unterdessen. >Bitte lass mich wieder sehen!<

Unterdessen räusperte sich Newcallen. Und dann sprach er es aus.

"Es handelt sich bei Ihnen nicht um die Erbkrankheit."

Völlig konfus, öffnete Joey den Mund.

"Was...?" Hauchte er beinahe lautlos.

"Die Symptome sind leicht mit ihr zu verwechseln, doch ich habe bei Ihnen eine Art der Xerophthalmie festgestellt."

"Xerowas?" Joeys Herz begann zu rasen.

"Xerophthalmie ist eine Augenkrankheit, die durch Vitamin-A-Mangel entsteht."

"War... warten Sie." Heftig schüttelte Joey den Kopf und stellte hektisch die Tasse neben sich ab. "Es hatte nie etwas mit der Erbkrankheit zu tun?"

"Nein." Bestätigte Newcallen und wollte fortfahren, doch Joey unterbrach ihn aufgeregt.

"Und... und ist diese Xerodingsda schlimmer als die Erbkrankheit?"

Newcallen runzelte die Stirn, biss sich auf die Unterlippe und ließ Joey kurz warten, was diesen beinahe um den Verstand brachte.

"Doktor!" Ächzte er. "Werde ich wieder sehen können!"

"Beruhigen Sie sich erst einmal, ja?"

"Nein!" Wieder schüttelte Joey den Kopf. "Sagen Sie es einfach! Ich werde es schon überleben!"

Newcallen atmete tief durch.

"Sie werden das Augenlicht zurückerhalten, ja."

"Wiederholen Sie das!" Joey schnappte nach Luft.

"Sie werden wieder sehen können."

Langsam krallten sich Joeys Finger um die Kante der Liege und er lehnte sich zurück, legte den Hinterkopf in den Nacken und stieß ein erleichtertes Stöhnen aus. Unterdessen fuhr Newcallen fort.

"Sie müssen sich eine lange Zeit falsch ernährt haben. Das wichtige Vitamin-A kommt in einigen Gemüsesorten vor. Diese Xerophthalmie ist nur mit der Tatsache zu erklären, dass Sie nichts von alledem gegessen haben und das über einen langen Zeitraum hinweg. Vitamin-A ist lebenswichtig für die Bildung des Epithelgewebes und unentbehrlich für die Funktion der Netzhaut."

"Ich bin nur erblindet, weil ich kein Gemüse gegessen habe...?" Joey hörte sich mehr als ungläubig an, doch Newcallen bestätigte diese Tatsache mit einem zustimmenden Murmeln.

"Sehen Sie, jeder Mensch ist anders. Der eine ist weniger auf das Vitamin-A angewiesen, während andere bei dem kleinsten Vitamin-A-Mangel erkranken. Zu diesen Menschen scheinen Sie zu zählen."

"Und...", Joey kratzte sich am Hals, "wie lange werde ich noch blind bleiben?"

"Nun, in der nächsten Zeit müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass sich Ihre Netzhaut wieder regeneriert. Sie müssen viel essen, was Vitamin-A enthält, ebenso werde ich Augentropfen verordnen, die bei der Regeneration behilflich sein werden."

"Wie lange noch."

"Das kann man nicht direkt sagen." Kam die Antwort. "Vielleicht zwei Wochen, vielleicht ein Monat, vielleicht zwei Monate. Es kommt ganz darauf an, wie schnell sich Ihre Netzhaut erholt."
 

~*To be continued*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von: abgemeldet
2010-04-20T10:18:50+00:00 20.04.2010 12:18
Oh mein Gott! Ich weiß nicht was ich sagen soll! Q_________Q Tolles Kapitel! Armer Kaiba, böser Joey.
Von:  naboru
2005-09-05T14:49:27+00:00 05.09.2005 16:49
ich weiß noch, dass du ganz am anfang des ersten teils (also bei du kennst mich nicht....) geschrieben hast, dass du keine ahnung von medizin hast...
also, das kapitel läßt mich irgendwie daran zweifeln *lol*
erst das mit aids, jetztdas mit der augenkrankheit... wow...
bin ja echt gespannt... das duke so ausgerastet ist is schon irgendwie hart... armer kaiba...
und dukes satz: <<
"Hoffentlich wird man dir auch etwas verschweigen. Und hoffentlich schmerzt es schön, wenn du es herausfindest." >> das wird wohl eher eintreffen als geplant, denk ich...

aber das du angedeutet hast, dass in dem 4. teil nicht mehr so gelitten wird, hat mich doch irgedwie gefreut ^__^
jetzt kann ich den hier viel besser genießen und freu mich schon auf den nächsten ^^
Von: abgemeldet
2005-07-18T20:36:08+00:00 18.07.2005 22:36
Kaum ist man eine Woche weg, hänge ich stunden am Computer um mit dem Lesen hinter her zu kommen,aber deine GEschichte finde ich am besten und sie ist so schön spannend und Dramatisch, war ganz schön alleichtert das Joey bald wieder sehen kann. Schätzte aber mal das das Dramatische aber noch kommt und ich freue mich schon drauf,

Also schreibe schnell weiter bin schon sehr gespannt.^^
Von:  Jono
2005-07-18T20:02:13+00:00 18.07.2005 22:02
und wann ist das? ^^
also, ich finde, dass joey zimelich ungerecht ist aber vorallem du *fg*
aber das liebe ich an deinen ff's...obwohl sie so dramatisch sind, kannst du das voll cool ^^
bis dann

baba vaia *knuddelknutsch*
Von:  Yukarri
2005-07-18T19:59:05+00:00 18.07.2005 21:59
Puh also da hat Joey noch mal Glück gehabt das du ihn mit der Blindheit nicht weiter bestrafst^^.
Gibs diese Krankheit wirklich? Dann muss ich ab jetzt auch mehr Gemüse essen^^. Damit ich keinen Vitamin A Mangel bekomme.

Also ich glaube ich wäre genauso ausgerarstet wie Duke. Ich mags auch nicht wenn Leute mich verarschen.

Ich finds voll klasse das so oft jetzt ein neues Kapitel kommt.

Ich bin mal gespannt wie lange Joey sein "Geheimnis" für sich bewahren kann. Der Arme.
Der muss ja von Alpträumen nur so geplagt werden.

Also jetzt bin ich echt froh das ich nicht in Urlaub fahre und somit Zeit habe deine Fanfic zu lesen^^.
bye
Von:  Nightprincess
2005-07-18T06:26:46+00:00 18.07.2005 08:26
Wahnsinn! Ich hätte fast geflennt, als Joey erfahren hat, dass er nicht blind bleibt *schnief* Armer Joey!
Ach und Kaiba tut mir auch irgendwie leid, obwohl er ja selbst Schuld ist, er hätte das Problem mit Joey ja nicht verschweigen müssen *smile*
Ich hätte mich vielleicht genauso hintergangen gefühlt, wie Duke *seufz*
Na ja, hoffen wir mal, dass Alles ein gutes Ende nimmt *daumendrück*

~Carola~
Von:  VegMac
2005-07-18T00:29:58+00:00 18.07.2005 02:29
Wow! Schon is der nächste Teil draußen...da kommt man ja fast nicht mit dem Lesen nach!!! XD *juchz*

Ferien sind wirklich wirklich toll!!! Leider werde ich bald für ne Woche wegfahren...uiuiui wie werde ich das nur ohne diese tollen Stories überleben... ^__^'

Weist du eigentlich, dass su schon wieder so einen berühmberüchtigten Satz losgeworden bist? oO
>>> "Ich hoffe, dass du eines Tages dasselbe erlebst." Flüsterte er leise und wandte Kaiba den Rücken zu. "Hoffentlich wird man dir auch etwas verschweigen. Und hoffentlich schmerzt es schön, wenn du es herausfindest." <<<
;.; *schluchz* an der Stelle war ich endgültig banane... @.@

Dieser Wechsel von Setos und Josephs Gedanken und Handlungen ist echt ein krasser Gegenteil zueinander gewesen... aiaiai aber wenigstens hat das kleine Hündchen seine Sehkraft bald wieder... *freu* und dann wird sich schon wieder alles einränken, ne?... ^^' oder nicht! oO Aber da du bereits meintest, es hätte sich bald "ausgelitten" werde ich positiv denken... ;.; chuu...
Ich werde demnächst mal versuchen Joseph x Seto-FanArts zu zeichnen..haha und dabei einige Szenen aus deinen Stories benutzen hehe *an dieser Stelle bitte ein Teufelchen-Smiley vostell* ...welche weis nich noch nicht genau...aber es werden schööne sein... *.*

Greez Ann-Chan


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