Zum Inhalt der Seite

Nichts als Reichtum

~*~
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

~Grundschule des Lebens~

Irgendwann verlasse ich meine Suite.

Ich weiß nicht, wie spät es ist, ertappe mich, als ich die Tür hinter mir schließe, sogar dabei, über den Wochentag zu grübeln. Die vergangene Nacht lässt mich glauben, schon eine Ewigkeit an diesem Ort zu verweilen.

Wann kam ich hier an…? Vor zwei Tagen… oder sind es gar drei? Vier?

Mit diesen Gedanken kämpfend, mache ich mich auf den Weg zu dem Fahrstuhl.

Die Verwüstungen meiner Suite habe ich mir kein zweites Mal betrachtet, vielmehr nach dem Telefon gegriffen und danach verlangt, sie wieder herzurichten. Und nun begebe ich mich auf die Suche nach der hauseigenen Apotheke. Ich benötige etwas, das meine Kopfschmerzen mildert und mir, wenn auch nur einen kleinen Teil, meiner Kräfte zurückbringt.

Meine Schritte sind kurz und ungeschickt… ich vermisse die großen zielstrebigen, die mich stets beschäftigt wirken ließen. Matt hält meine Hand die Codekarte meiner Suite, als ich in die Kabine trete, beiläufig eine Taste betätige und mich an die Wand lehne. Abermals werden mir die Lider schwer und ich versuche die Schultern zu straffen.

Der Yukata, den ich trage, ist neu und weißt keinen Makel auf. Ich opferte viel Zeit für den Versuch, ihn perfekt zu binden, den Gürtel korrekt zu straffen… und doch…

Ich senke den Blick und betrachte mir den Stoff missmutig.

Mein Körper ist gesäubert… meine Zähne geputzt, der Geschmack aus meinem Mund vertrieben. Selbst mein Haar wusch ich und ließ mir Zeit, es zu bändigen… und doch…

Ich schließe die Augen; mein Daumen gleitet über die glatte Fläche der Karte.

Mir ist unwohl.

In meiner Haut, meiner Kleidung… ich gefalle mir nicht.

Meine freie Hand hebt sich und rückt mit unnötiger Genauigkeit an dem Saum des Yukata. Ich ziehe ihn höher, streife ihn tiefer und lasse unter einem tiefen Atemzug von diesem Treiben ab. So schüttle ich auch den Kopf und werde auf die Anzeige aufmerksam. Ich bin meinem Ziel nahe. Langsam kehre ich der Wand den Rücken, suche dennoch mit der Hand einen gewissen Halt und werde auf die kleine Linse der Kamera aufmerksam, welche in die oberste Ecke der Kabine eingearbeitet wurde und einem flüchtigen Auge entgeht. Finster ist die kleine Linse auf mich gerichtet und während ich sie anstarre, hält die Kabine im Erdgeschoss des Gebäudes.

Müde verfolgen meine Augen die Bewegungen der Türen, als sie auseinander gleiten und mir den Weg frei geben. So schaue ich auf den Flur, der sich vor der Kabine erstreckt und bleibe doch stehen. Leise Stimmen dringen an meine Ohren, Geräusche… es ist wie jeden Tag. Selbstverständlich befinden sich hier auch andere Menschen… wie immer, doch hinauszugehen, mich ihren Augen auszuliefern und unter ihnen zu sein, ruft am heutigen Tag ein leidiges Gefühl in mir hervor.

Ich bewege mich nicht, verharre auf meinem Punkt und starre auf eines der kunstvollen Bilder, welches direkt vor dem Fahrstuhl seinen Platz fand. Und ich spüre… ja, ich fühle es, wie sich meine Hand fester um die Karte klammert und ich der Unsicherheit verfalle.

Ein abscheuliches Empfinden.

So viele Fragen…

Wie werden sie mir begegnen… werden sie wissen, erahnen, misstrauen, starren?

Bin ich an dem Versuch, mein Äußerliches herzurichten, so kläglich gescheitert?

Oh, es ist eine meiner Leidenschaften, im Mittelpunkt zu stehen. Annähernd ist er für mich in ständiger Reservierung.

Doch heute wünschte ich mir nichts mehr, als ein grauer Schatten zu sein, dem niemand Aufmerksamkeit spendet, der umherschweift und vor einem jedem Auge entrinnt.

>Schwäche stinkt<, denke ich mir und presse die Lippen aufeinander. Vor mir noch immer jene geöffnete Tür, das Bild… und das andere Leben, welches ich fürchte.

Schwäche verdient Hass… und ich habe gehasst.

Schwäche ist das Blut, welches menschliche Haie wittern.

So wie ich selbst die Schwäche suchte, um den Schwachen zu verhöhnen, zu verabscheuen, zu zerstören…

Werde ich, der ehemalige Hai nun selbst zu einem Opfer?

Meine Schultern heben sich unter einem tiefen Atemzug. Der Griff um die Karte entspannt sich und ich lenke etwaige Kontrolle auf meine Mimik, um zumindest diese unter meine Kontrolle zu bringen. Ich schürze die Lippen, straffe meine Haltung und streife mein Haar zurück.

Nicht alles kann meinem Können entronnen sein.

Wenn sich schon meine Gedanken gegen mich richten, werde ich doch zumindest die Macht über meinen Leib an mich reißen!

Gerade setzen sich die Türen wieder in Bewegung, da trete ich zwischen ihnen hindurch, wähle den linken Weg und sehe nicht zum Rechten. Strikt und angespannt ist mein Blick auf meinen Weg gerichtet und ich fühle mich gleich eines jungen Vogels, der aus dem Nest stürzte… hinein in die Welt, in der Gefahren lauern und von ihnen unzählige. Feinde, Fallen… ohne Erbarmen. Überall!

Ich schlucke schwer, biege um eine Ecke und möchte den großen Empfangsraum so sehr erreichen, wie ich ihn meiden will. Doch ich muss…

Ein leises Geräusch reißt mich aus meiner Konzentration. Gleich eines leisen Donnerns erhebt es sich plötzlich und jäh, lässt mich in meinen Schritten innehalten und mich fahrig zur Seite drehen. Ein Stich, welchen ich in der Nähe meines Herzens spüre, mahnt mich der Gefahr, doch erkenne ich, als ich mit schnellem Atem in einen schmalen Quergang starre, lediglich eine junge Angestellte, die sich rasch nach einem hinuntergefallenen Handbesen bückt und ihre Arbeiten fortsetzt. Stockend folgen meine Augen ihren Bewegungen, schneller Atem kommt über meine Lippen und verebbt, als ich diese aufeinander presse.

Ich muss mich beruhigen, denke ich mir… beruhigen… und doch befällt mich schon ein ängstigender Gedanke und lässt mich in alle Richtungen blicken.

Sah man mich?

Irgendjemand?

Flink studiere ich mein Umfeld und sehne mich nach einer gewissen Erleichterung, als ich niemanden erkenne. Doch ich spüre nichts dergleichen, räuspere mich leise, suche nach der alten unbeugsamen Haltung und führe meinen Weg fort.

So schnell verliert man nun die Kontrolle, wenn man sie schon einmal verlor… ein endloser Fluch, der mich alles bereuen lässt.

Ich zahle einen zu hohen Preis… eine Tatsache, die sich nicht verleugnen lässt.

Wenn so das Leben der anderen, der glücklichen Menschen ist, so will ich mein Eigenes zurück und diese abermals verspotten!

Wie eine Reise voller Gefahren liegt der Weg bald hinter mir und ich betrete die große Halle. Aufmerksam und abwägend tasten meine Augen einen jeden ab, der zu sehen ist. Zwei junge Angestellte eilen von einer Tür zur nächsten, ein korpulenter Mann in amerikanischer Tracht trottet entspannt zur Eingangstür und verschwindet durch diese im Licht des Tages. Eine junge Frau streichelt mit einem kleinen Tuch die glänzende Fläche des Empfangstresen und lässt es verschwinden, sobald sie mich erblickt. Ich gehe auf sie zu, sende der vor Sonnenlicht strahlenden Straße vor dem Haus einen knappen Blick und überdenke noch währenddessen, in welcher Haltung meine Hände verweilen. In der einen fühle ich die Karte, die andere hebt sich rasch zum Saum des Yukata und rückt an diesem… zum erneuten Mal nicht minder unsinnig.

„Guten Tag, Herr Kaiba“, begrüßt mich die junge Frau mit einem hellen Lächeln und ich starre auf ihre Lippen, verfolge, wie sich deren Form verändert und achte am Rande darauf, meine Hände in Bewegung zu halten. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

Ich schürze die Lippen, betrachte mir ihre weißen gepflegten Zähne und lasse umgehend von dem Saum des Yukata ab, als ich das Treiben meiner Hände als Zeichen für Nervosität auslege.

Noch immer sieht sie mich an, steht auf der anderen Seite des Tisches und lächelt mit solch einer Unbeschwertheit, dass ich sie allein für diese Geste verabscheue.

„Die Apotheke“, vernehme ich nun endlich meine eigene Stimme und in ihr eine gelangweilte Arroganz, die mir einen jämmerlichen Teil meines Selbstgefühles wiederbringt.

„Benötigen Sie Arznei?“, erkundigt sich die junge Frau und nähert sich dem Computer um einen Schritt. „Diese Einrichtung verfügt selbstverständlich über ein hervorragendes Ärzteteam, welches Ihnen jederzeit zur Verfügung steht.“

Ich schürze die Lippen, wende den Blick ab und bewege die Hände unter einem kalten Zittern, welches diese durchströmt.

Frage ich nach Ärzten…?

„Kostenfrei und natürlich…“

Ich unterbreche sie mit einem bestimmten Räuspern, blicke sie abermals an und tue auch dies einschneidend.

„Ich suche die Apotheke!“, erkläre ich abermals und spüre die brodelnde Ungeduld in mir. Und Zorn… wie ich es hasse. Diese unnötigen Worte, diese vergeudete Zeit, dieses penetrante, mir unerträgliche Gerede!

Herrisch erhob sich meine Stimme in der Halle und die junge Frau verhält sich, als hätte sie mein Anliegen erst jetzt verstanden. Annähernd so, als verstünde ich es nicht, mich auszudrücken!

„Die Apotheke befindet sich in der zweiten Etage, Herr Kaiba“, liefert sie mir endlich die simple Antwort und alles, was ich von ihr verlange. „Im Westflügel. Es ist alles ausgeschildert.“

Somit präsentiert sie abermals ein freundliches Lächeln, welches ich mit einem leisen Schnauben erwidere und damit, mich umzudrehen und zu gehen. Direkt und ohne Umwege kehre ich so zu dem Fahrstuhl zurück und vergeude dabei keine weitere Zeit.

Es scheint mir so, als wäre die erste Hürde überstanden… doch auf den Schein folgt die Tatsache und die höfliche Frau vom Empfang entmummt sich in meinem Denken als Schauspielerin, die Respekt zeigt, doch hinter ihrem Lächeln meine Schwäche sieht und diese verlacht.

Doch… ruppig bediene ich die Taste des Fahrstuhles und verschränke die Arme vor dem Bauch. Ganz sicher hat sie mich verlacht… durchschaut und verachtet.

Ein Zittern meiner Stimme…

Das Aufbegehren meiner stets so kontrollierten Wut…

Irgendetwas muss mich verraten haben.

>Sie alle spielen ein Spiel<, denke ich und steige in die Kabine, während mein Kopfschmerz wieder auflebt. Ich wähle die ‚2’, wende mich den sich schließenden Türen zu und hebe die Hände zu meinen Schläfen, um diese vorsichtig zu massieren. Und während ich reibe und die Augen geschlossen halte, sehne ich mich nach einer Zigarette. Ich weiß nicht, wann ich die Letzte rauchte… aber nun ist mir danach.

Nun und zu welcher Zeit auch immer. Ob es nun Morgen oder Mittag ist – ich will eine Zigarette rauchen und starre auf meine Hände, die nur die Karte halten. Lange betrachte ich mir meine Haut, die Karte und lasse die Hände nach wenigen Augenblicken sinken.

>Vergessen… vergessen…>, dröhnt das Wort in meinem Kopf und ich schürze die Lippen abermals, rümpfe die Nase und schöpfe tiefen Atem.

Ja, ich habe die Schachtel vergessen und verlache mich innerlich selbst… den tiefen Abstieg, den ich nahm und den Punkt, an welchem ich nun angelangt bin.

Jämmerlich, nicht wahr…?

Ich reibe meinen Mund; er fühlt sich trocken an und mir fällt ein, dass ich weder getrunken noch gegessen habe. Mein Magen fühlt sich jedoch nicht an, als würde er sich danach sehnen. Erneut verschränke ich die Arme vor der Brust und bearbeite meine Unterlippe mit den Zähnen. Bis mir ein Einfall kommt und ich stocke.

Wäre es nicht möglich, die Zigaretten im Anschluss aus der Suite zu holen, anstatt mich nun zu verdammen, da ich sie dort liegen ließ? Was wären fünf Minuten, die ich bräuchte, um noch einmal zurückzukehren? Nahm ich mir denn für den Tag etwas Wichtiges vor, so dass ich keine Zeit verlieren dürfte?

Dieses leichtfertige Denken ist mir unangenehm, doch bald komme ich zu der Einsicht, dass sich die Idee, das Vergessene einfach nachzuholen annähernd perfekt mit der Effizienz einer Sache verträgt.

So ist es auch sinnvoll, nicht in Panik auszubrechen ob einer solchen Banalität.

Wo ist mein fester Tagesplan… wo ist meine Routine… all das findet hier keine Existenz und diese zum Leben zu erwecken, wäre unmöglich.

An einer solchen Lappalie darf ich nicht zerbrechen.

Wie jämmerlich wäre dies erst?

Ich atme tief durch, nicke in mich hinein und sehe schon die Türen, wie sie sich öffnen. So verlasse ich den Fahrstuhl und begebe mich auf die Suche nach dem Westflügel. Nach rechts… den Gang hinunter, bis auch schon die erste Ausschilderung erspähe und meinem Ziel nicht mehr fern sein kann. Zielstrebig folge ich den Anzeigen, erblicke bald schon eine gläserne Tür und hinter ihr eine Apotheke, die den herkömmlichen Läden gleicht, in ihrer Art nur kunstvoller und größer ist. Ich trete ein und sogleich erhebt sich ein junger Mann, der hinter einem kleinen Tisch saß. Ich betrachte ihn mir flüchtig, werfe Blicke nach allen Seiten und in die Regale.
 

Nur wenige Minuten, bis ich die Mittel gegen Kopf- und Gliederschmerzen mein Eigen nenne und die Apotheke verlasse. Nur wenige Worte, konkrete Ansagen und geringes Gerede aus Höflichkeit. Der Mann war beileibe eine kleinere Last für die Nerven, als die junge Dame, mit welcher ich mich zuvor auseinandersetzte. Ich vertiefe mich etwas in die kleine Packung und deren Aufschrift, während ich mich nun auf den Weg zu meiner Suite mache. Zurück zum Fahrstuhl, zurück in meine Etage und ein kurzer Weg, bis ich vor der Tür stehe, die Karte durch das automatische Schloss ziehe und die Klinke hinabdrücke. Und als ich einen Schritt in meine Suite setze, vernehme ich Geräusche und halte kurz inne. Leise klirren Scherben aneinander, das Metall der Barhocker schabt über den marmornen Boden, als diese aufgehoben und hingestellt werden.

Ich trete durch den schmalen Gang und erblicke einen jungen Mann, der neben der kunstvollen Bar kniet, nun die Hocker zurechtrückt und sich flüchtig umschaut. So greift er nach einem kleinen Handfeger und wird auf mich aufmerksam.

„Oh.“ Überrascht hebt er die Augenbrauen, scheint nicht mit mir gerechnet zu haben und kommt flink auf die Beine, während ich ihn anstarre. „Herr Kaiba.“ Er grinst andeutungsweise und wischt sich flüchtig die Hose sauber, während ich ihn schon als unwichtig abstemple und mich nach meinen Zigaretten umschaue.

„Ähm…“, dringt da ein unbeholfenes Murmeln an meine Ohren und als ich widerwillig zu dem jungen Angestellten zurückblicke, sieht dieser mich erwartungsvoll an.

„Was“, entgegne ich und tue dies in übertrieben abweisendem Ton.

Eilig sammelt er seine Gedanken.

„Haben Sie etwas dagegen, dass ich die Suite jetzt weiterhin reinige?“

Ich verziehe die Miene, schüttle innerlich über diese erbärmliche Frage den Kopf und schicke ihm einen scharfen Blick, bevor ich mich abwende und in meinem Schlafzimmer verschwinde. Ich vernehme keine Antwort, als ich vor meinen Koffer knie, eine der Taschen öffne und eine neue Schachtel hervorhole.

Wenn ich angeordnet habe, dass meine Suite gereinigt wird, so werde ich meine Meinung wohl nicht binnen einer viertel Stunde ändern!

Doch bald schon wundere ich mich nicht mehr über den Unverstand des jungen Mannes. Was soll man schon von einem Menschen erwarten, der putzt und auf Böden kriecht? Eine untergeordnete und unwichtige Arbeit… nicht mit der meinen zu vergleichen!

Ich lasse die Schachtel mitsamt dem Feuerzeug in einer Falte des Yukata verschwinden, komme wieder auf die Beine und kehre in die Suite zurück. Der junge Mann kauert nun erneut auf dem Boden und lässt die verstreute Erde mithilfe eines kleinen Handstaubsaugers verschwinden. Ich beachte ihn nicht, spüre jedoch seine kurze Aufmerksamkeit und fühle mich in dieser Rolle sehr wohl. Stolz ziehe ich an ihm vorbei, trete hinter die Bar und öffne den kleinen Kühlschrank, aus welchem ich eine kleine Wasserflasche ziehe. Neben mir verstummen die Geräusche des Staubsaugers und werden von einem leisen Knistern ersetzt, als ich ungeduldig die kleinen Packungen öffne und die Tablettenstreifen hinausziehe. Neben mir kommt der junge Mann auf die Beine, zückt einen feuchten Lappen und beginnt das andere Ende der Bar abzuwischen. Wieder fühle ich seinen Blick, drücke mir drei Tabletten heraus und öffne mühsam den Schraubverschluss der Flasche, um sie sogleich zu mir zu nehmen.

Ich möchte sicher gehen, dass die Kopfschmerzen rasch abklingen und mir nicht mehr einen wichtigen Teil meiner Konzentration nehmen. Zischend löst sich endlich der Deckel, wird achtlos bei Seite gelegt und sogleich taste ich nach den drei Tabletten…

„Ähm… Herr Kaiba?“

… und halte inne.

Die Hand über den Tabletten, die Augen auf diese gerichtet, rege ich mich nicht und auch der junge Mann unterbrach seine Arbeiten, um mich nun direkt und offensichtlich anzusehen. Langsam schließe ich die Augen… beiße die Zähne zusammen und klammere mich an die Ruhe.

„Ich würde nicht drei auf einmal zu mir nehmen“, folgt seine ruhige Erklärung und ich richte mich unter einem tiefen Atemzug auf. „Nehmen Sie drei auf einmal, wird Ihnen bestimmt schwindelig und sicher nicht besser zumute. Diese Tabletten haben eine sehr starke Wirk…“

„Fragte ich dich nach deiner Meinung?“, unterbreche ich ihn finster, wende mich ihm zu und fixiere ihn vernichtend. „Gedenkst du, mir sagen zu wollen, was ich zu tun und zu lassen habe? Du?“

Er wirkt überaus verblüfft, hebt unentschlossen die Hände und findet keine weiteren Worte. In verächtlicher Darstellung greife ich nach den Tabletten, wende unterdessen nicht den Blick ab und verenge die Augen.

„Glaubst du wirklich, ich richte mich nach dem beschränkten Gerede von minderen Reinigungskräften?“ Und ich schlucke die Tabletten, trinke sie mithilfe des Wassers hinter und stelle die Flasche mit verächtlicher Verhöhnung auf die Bar zurück. Noch immer starrt er mich an, tut dies mit seltsamer Mimik und sieht mir nach, als ich mich langsam abwende, ihm den Rücken kehre und mit einem gehässigen Anflug von Spontanität die Flasche mit der Hand streife. Ich vernehme das Geräusch, als sie umkippt, das Knistern der Kohlensäure, als sich das Wasser über die Bar und den Boden ergießt und letztendlich das laute Klirren, als die Flasche auf diesem aufschlägt und zerspringt. Die Freude über jene Genugtuung zieht als Grinsen an meinem Mundwinkel, als ich leger die Suite verlasse.
 

Nun, da ich meine Zigaretten bei mir trage, nehme ich mir vor, das Gebäude zu verlassen, mir frische Luft zu Gemüte zu führen, bis mein Leib daran Erholung findet.

Und ich fühle mich besser… bestätigt in meinem Charakter, in meinem alten Können, Menschen zu verhöhnen. Meine Schritte drücken dies wohl ebenso aus, wie meine Miene, mit deren Hilfe ich mich annähernd unangreifbar fühle. Den Weg hinab in die Halle und hin zur Tür bringe ich ohne spürbare Ängste hinter mich und blinzle dem hellen Sonnenlicht entgegen, als ich die verzierte Tür öffne und sogleich die Wärme spüre, die mir entgegenströmt. Anders als in dem klimatisierten Gebäude schöpfe ich tiefen Atem, nehme die Geräusche meiner Umwelt wahr.

Das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Palmen, das Säuseln des sanften Windes in meinen Ohren. Zwischen den Portiers bleibe ich stehen, blicke auf und beschatte meine Augen doch bald mit der Hand. Es ist so hell, dass meine Augen schmerzen. So senke ich den Kopf, ziehe die Zigaretten hervor und klemme eine zwischen meine Lippen. Entspannt entzünde ich sie anschließend, lasse das Feuerzeug sinken und trübe die reine Luft der Natur mit dem Rauch eines tiefen Zuges. Derzeit ziehe ich diese Art der Erholung der anderen vor. Blinzelnd nehme ich die Zigarette aus dem Mund, beschatte die Augen abermals und blicke um mich. An einem solchen Ort erwartet man nicht viele Menschen. Nur einen der Kururlauber erblicke ich in weiter Ferne, als ich mich zur linken Seite wende. Es ist jener korpulente Mann, den ich an diesem Tag bereits sah. Es scheint, als unternähme er einen Spaziergang. Ohne Hast schlendert er über die saubere Straße, hält bald inne und tastet nach den grazilen Blättern eines Strauches. Er löst eines von ihnen von dem Ast, nimmt es sich mit sich und führt seinen Weg fort. Abermals hebe ich die Zigarette zum Mund, ertaste sie mit den Lippen und drehe mich zur anderen Seite. Und sogleich bleiben meine Augen an einer Stelle hängen. Den Filter an den Lippen, die Hand über den Augen, rege ich mich nicht.

Dort auf dem säuberlichen Gehweg, der die Straße dicht begleitet, liegen zwei lose Pantoffeln. Doch nicht auf sie achte ich, nein, vielmehr auf den jungen Mann, der mit nackten Füßen durch das Gras steigt, den unteren Saum des Mantels mit beiden Händen hält und den Blick stetig nach unten richtet. Annähernd schwelgend bewegt er sich fort, ziellos und genießerisch. Kitzelnd streift die Asche meiner Zigarette mein Handgelenk, als sie sich löst und ich ihr trotz alledem keine Beachtung zugestehe. Starr blicke ich in jene Richtung.

Das blonde Haar verbirgt sich teilweise unter einem dünnen Tuch, welches er sich um den Kopf band. Lose Strähnen ragen aus kleinen Lücken des Stoffes hervor, bieten ein Bild des heillosen Durcheinanders. Nun dreht er sich, hebt den Fuß, durchstreift mit den Zehen die dünnen Halme, geht noch einen Schritt und lässt sich unterdessen keine Regung des Grases entgehen, wie mir scheint.

Stumm bewege ich die Lippen, erhasche mit ihnen die Zigarette und lasse die Hand sinken. Verstohlen beobachtete ich ihn aus der Ferne und sehe in der großen Distanz, die zwischen uns liegt, eine gewisse Sicherheit. So scheint er mich auch noch nicht erspäht zu haben. Zu sehr ist er in sein unsinniges Unterfangen vertieft. Langsam atme ich den Rauch durch die Nase aus, blicke zur anderen Seite, blicke zurück und verharre.

Jonnouchi…

Ich sauge an meinen Zähnen, wende die Zigarette zwischen den Fingern.

Er ist gefährlich…

Sein Wissen… ist gefährlich. Sein Wissen über mich.

Das Wissen, welches mich ihm ausliefert, mir etwaigen Schutz nimmt. Eine jede Lüge der Welt würde mich nicht retten… nichts könnte ich tun, um mein Gesicht vor ihm zu wahren. Ich verlor es durch meinen Entschluss… verlor mein Gesicht durch meine Torheit, in welcher ich ihm gestattete, mit mir zu kommen.

Oh, wie war ich der Starke, als wir uns auf dem Dach trafen!

Wie verzweifelt war er, wie stolz ich selbst?

Er flehte und ich bereue in diesen Momenten, dem nicht mit Genuss begegnet zu sein.

Nie wieder wird sich mir diese Möglichkeit darbieten… nie wieder werde ich ihn so erblicken. Eher noch fürchte ich mich vor dem Glauben, wir hätten die Rollen getauscht.

Wie könnte er mich quälen mit seiner Kenntnis über meine Schwäche!

Wie könnte er mich verhöhnen!

Welch Rache könnte er für meine unaufhörliche Missachtung nehmen!

Abermals nehme ich einen tiefen Zug; der Rauch der Zigarette trübt meinen Blick für wenige Augenblicke, als ich ausatme. Und sogleich sehe ich ihn wieder, sehe seinen Rücken.

Ich möchte mich ihm nicht nähern… ich…

Ein stummer Fluch kommt über meine Lippen, als mich mein Stolz ermahnt, nicht vor ihm zu flüchten.

Wie war es einst?

Ich suchte den Konflikt und errang den Sieg. Ich schlug seine Entschlossenheit nieder, besiegte seinen Stolz. Ich herrschte über ihn! Eine Flucht hätte mich zerstört… würde mich zerstören.

Doch… es ist nicht Katsuya!

Katsuya war unwürdig, er war ein Nichts! Er beugte sich meinem Hass und fristete sein Dasein.

Doch Brown… er… ja, er ist gefährlich.

Unbeugsam… überlegen?

So war Katsuya mein Opfer und Brown reift zu meinem Feind heran.

Ein ernstzunehmender Feind, dem ich mich auslieferte. Ein Feind, den ich hätte dem Tod überlassen können, noch lange bevor er mir gefährlich wird,

Ich fühle, wie sich meine Miene verfinstert, spüre die Kraft, mit welcher ich den Filter zwischen den Fingern zerdrücke. Und gleichsam, da ich ihn verfluche, dreht er sich um. Mit seltsamer Zielstrebigkeit wendet er sich mir zu, erspäht mich und lässt sich keine sonderbare Verblüffung ansehen. Annähernd nur knapp sieht er zu mir, rafft den Mantel höher und wendet sich wieder dem Gras zu. Und ich setze mich in Bewegung.

Nun, da er mich bemerkte, darf ich kein weiteres Zögern offenbaren, muss alles versuchen, damit er sich mir nicht überlegen fühlt. So nähere ich mich ihm in zielstrebigen Schritten, werfe meine Zigarette fort und zücke eine Neue. Er schenkt mir auf meinem Weg kein weiteres Interesse, orientierungslos bahnt er sich einen Weg durch das Gras und hält erst in seinem Treiben inne, als ich vor ihm stehen bleibe. Ich selbst bevorzuge den säuberlichen Gehweg und finde genau dort meinen Punkt, in sicherer Entfernung zu seinen Schuhen, die er bei solch einer Albernheit nicht zu benötigen scheint. Mich in dem Versuch verstrickend, ihm dieselbe Gleichgültigkeit entgegenzubringen, vertiefe ich mich entspannt in das Entzünden des Tabaks, gebe mich recht unbeteiligt und bin es keinesfalls.

Anspannung… selbst der leise Hauch des Zorns lebt in mir auf und das Sehnen, ihn abermals zu verspotten. Aggressionen, die er mir brachte und die ich so an ihm ausleben will. Jonouchi senkt den Kopf; wirsche Strähnen fallen in seine Stirn, als er eines seiner unverhüllten Beine hebt und sich interessiert seinen nackten Fuß betrachtet. Ich runzle die Stirn, strecke den Rücken durch und hake den Daumen meiner freien Hand in den Gürtel des Yukata. So muss ich wahrhaftig ungetrübt wirken.

„Was soll das?“, verlange ich kritisch zu wissen und betrachte ihn mir missbilligend.

Der Kopf des Blonden bleibt gesenkt. Selbst nachdem ich die Frage stellte, mustert er noch seinen Fuß und verfällt nicht der Hast, als er eine Hand von dem dünnen Mantel löst und einen Grashalm zwischen seinen Zehen hervorzieht. Hinter meiner Fassade der Gleichgültigkeit brodelt die Wut, als ich ausharre und ein Grashalm als wichtiger erachtet wird.

„Dir auch einen guten Morgen“, höre ich ihn leise murmeln und entfliehe flüchtig seinem Anblick. Ziellos durchschweifen meine Augen die Umgebung und Jonouchi richtet sich auf. Den Grashalm zwischen den Fingern drehend, nimmt er kurz an meinen sinnlosen Beobachtungen teil, blinzelt dann unter der Sonne und sieht mich an. Nun, ich muss mich zwingen, doch ich suche sogleich die Begegnung mit seinen Augen und studiere seine Mimik, während ich die eigene verschlossen zu halten versuche. Und auch er mustert mich, betrachtet sich mein Gesicht, ohne dies versteckt zu tun und verfällt einem stummen Nicken, als würde er sich oder zumindest seine Gedanken bestätigt sehen. Und ich halte meine Lippen verschlossen, lenke nun die Flüche gegen mich selbst… und gegen meine Neugierde, da ich erfahren will, weshalb er auf solch eine Weise reagiert. Doch er tastet nur nach seinem Kopftuch, kratzt sich eine Stelle und greift wieder nach seinem Mantel. Und ich fühle mich erniedrigt, als er den Stoff abermals anhebt, einen kleinen Schritt zur Seite macht und das Gras beobachtet.

„Was tust du da!“, entrinnt mir ein Fragment meiner Wut, bevor ich dieses zurückhalten kann. Und noch nicht genug. „Ich sah noch nie etwas Lächerlicheres! Komm unverzüglich aus dem Gras heraus!“

Und abermals unterbricht er sein Treiben, bleibt dort inmitten der Halme stehen und richtet sich auf, um mich mit einem Anflug von verblüffter Belustigung anzusehen.

„Ähm…“, mit geheuchelter Nachdenklichkeit verziehen sich seine Brauen, bis er kurz die Lippen aufeinander presst, die Augen kreisen lässt und letztendlich mit einem deutlichen Kopfschütteln antwortet. „Nein.“

Und ich entfliehe seinem Blick, sauge fieberhaft an der Zigarette und ringe mit mir und meiner Wut.

„Kaiba“, vernehme ich da sein lustloses Seufzen und hebe die Zigarette abermals zum Mund; die Augen unterdessen stur auf die grüne Idylle gerichtet. „Bist du nicht der Meinung, wir sollten uns nicht wie unreife Kinder verhalten?“

Wie…

Ich wage es kaum, meinen Ohren Glauben zu schenken!

Unreif?

Es ähnelt einem Witz, dass er dieses Wort mit mir in Verbindung bringt!

Er, der mich mit albernem Gebaren provozierte?

Er, dem es niemals gelang, still auf dem Stuhl zu verharren?

Über dessen Lippen permanent und unerträglich unsinnige Bemerkungen kamen?

ER nennt MICH kindisch?!

Ich spüre das leichte Zucken meiner Augenwinkel, während er dort vor mir steht, sich den Mantel richtet und von mir in die Hölle gewünscht wird.

„Du wirfst mir Unreife vor?“, fauche ich feindselig und hebe den Kopf, um mir meine Position abermals vor Augen zu führen. Jonouchi schürzt die Lippen, blickt mir lediglich stumm entgegen und legt scheinbar keinen Wert darauf, mich zu unterbrechen. „Was ist es denn, was du tust!“, fahre ich fort und weise mit einer rohen Geste auf das Gras. „Trampelst durch die Wiese, führst dich auf wie ein schwachköpfiger Knabe und besudelst dich mit dem Schmutz des Bodens!“

Und noch bevor ich ihn vorerst hinreichend beschimpft habe, zeigt seine Miene Regung. Seine schmalen Brauen verziehen sich unter einer knappen Grübelei und heben sich, als ihm anscheinend ein Gedanke kommt. Flüchtig verharrt er reglos, senkt daraufhin den Kopf und betrachtet sich mit stiller Besinnlichkeit den Boden. Die blonden Strähnen seines Haares wiegen sich unter einer milden Brise und nach wenigen Augenblicken des Schweigens erhascht er mit den Zähnen die Unterlippe und nickt. Zugegeben, in den ersten Momenten seiner seltsamen Reaktion bin ich zu perplex, um fortzufahren, zu irritiert, hätte ich doch mit einer gewissen Selbstverteidigung gerechnet, gar einer erbosten Erwiderung. Doch nichts dergleichen… ihn zu provozieren, gestaltet sich schwerer, als am vorherigen Tag.

Wie leicht war es doch, mit einem zynischen Grinsen seine Ruhe zu vernichten?

Und nun tut er es mit der meinen und auf einem Weg, der gleichsam wirkungsvoll und doch dezenter ist. Die Antwort entrinnt mir… ich kann nicht deuten, nicht vermuten… in diesen Augenblicken nur schweigen und auch stumm verfolgen, wie er in die Knie geht.

Spielt er sein Spiel…?

Ich versuche Fassung vorzutäuschen. Zumindest dies, wenn ich sie schon nicht besitze.

Der Gedanke, ihm abermals unwissend zu verfallen, lässt mich pure Abneigung spüren.

Vorsicht…

Angst…

Er ist gefährlich!

„Kaiba.“

Das hastige Ringen nach Atem rauscht in meinen Ohren, als ich mich blinzelnd von meinen tückischen Gedanken losreiße und erkenne, dass Jonouchi bereits wieder auf die Beine gekommen ist. Seine braunen Augen…

Still sehen sie mich an. Mit einer Gründlichkeit, als wolle er meinen Leib gleich eines Speers durchbohren.

Ich traue diesen Augen nicht!

Sie sehen mehr, als ich mir wage, preiszugeben!

„Was erkennst du?“

Und die Regung seiner erhobenen Hand zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich spüre die Anspannung meines Gesichtes, jedoch auch ihr Verfliegen, als ich das erblicke, was er gedenkt, mir zu präsentieren. Argwöhnisch beschaue ich mir das Gras, welches er erhoben hält. Auch Erde bedeckt seine Haut und ich ahne, das Opfer eines perfiden Streiches zu sein.

Nein, ich werde nicht antworten!

Reglos verharrt Jonouchi in jener Haltung, präsentiert mir das Gras und neben den einen Blick, dem ich nur ungern eine Begegnung bin. Erschreckend sind die ausdruckslosen Augen inmitten des entspannten Gesichtes.

„Kaiba?“

Skepsis in seiner ruhigen Stimme… annähernd scheint er mich zu imitieren!

Aufkeimende Unruhe verrät mein wirres Denken. Es fällt mir schwer, still auf meinen Beinen zu stehen, starre von seiner Hand zu seinen Augen, tue dies aber- und abermals und schweige stur. Jonouchis Kopf neigt sich leicht zur Seite.

„Kann ich deinem Schweigen entnehmen, dass dir das Lösen dieser Aufgabe zu komplex ist?“

„Es ist Gras!“, entgegne ich ihm sogleich und gebe mich der spöttischen Betonung des letzten Wortes hin. Mit Hohn will ich ihm vor Augen führen, mit welcher Unsinnigkeit er Schaden an sich selbst anrichtet! Wie er sich zum Mittelpunkt meines Gespöttes macht!

Einmal mehr…

Er senkt die Lider, senkt den Kopf und aus dem Nichts seiner Ernsthaftigkeit ersteht ein Grinsen, welches in heiterer Belustigung seine Lippen formt.

„Gras, ja.“ Seine gepflegten Zähne kommen zum Vorschein, als sich das Grinsen erheitert vertieft. „Und dabei erwartete ich biologische Fachbegriffe, die Schergen der Ungebildeten. Kein Bodenwuchs in Form von einkeimblättrigen Samenpflanzen? Keine Art des Süßgrases? Wie nannte es man es noch? Poaceae?“

Und ich sehe ihn noch vor mir… wie er sich vornüber auf den Tisch sinken ließ, sobald der Biologie-Unterricht begann. Höre es noch… sein Schnarchen, das der schüchternen Lehrerin stets entging.

Und ich balle die Hände zu Fäusten.

„Nein.“ Grinsend schüttelt er den Kopf, hebt die Hand, bis ich sie genau vor mir sehe und währenddessen noch mit mir ringe, mich nicht augenblicklich umzudrehen und ihn seinem Gras zu überlassen. „Es ist Leben.“

Und ohne gespannt meine Reaktion abzuwarten, lässt er die Hand sinken, kehrt mir den Rücken und beginnt abermals durch das Gras zu streifen.

Leben…

Aus den Augenwinkeln verfolge ich eine jede seiner Bewegungen, der Genuss, mit welchem seine Hand durch die Halme gleitet, manche von ihnen fasst und ihrem Verlauf folgt.

Leben!

Scharf haften meine Pupillen an seinem Rücken und kribbelnd sehnen sich meine Hände ein Messer herbei, um es in diesen zu rammen. Er formuliert Worte, als würden sie Wissen zum Ausdruck bringen, über welches ich nicht verfüge!

„Hast du es schon einmal getan?“, fragt er und ich senke den Kopf tiefer. „Die feuchte Erde unter deinen Füßen gefühlt? Die Sanftheit der fragilen Halme gespürt? Sie durch deine Finger gleiten lassen? Das Leben dieser Geschöpfe in dir aufgenommen?“

Verbissen bleiben meine Lippen geschlossen und mit einem Anflug von Trägheit lässt er die Hände sinken, schöpft tiefen Atem und wendet sich mir abermals zu, um meine Mimik zu studieren. Und ich schweige… wieder und abermals und ich verabscheue diese Rolle, für die ich nicht geschaffen bin. Zuweilen schwieg ich, um mein Desinteresse zum Ausdruck zu bringen, die Tatsache, dass diverse Themen meiner Grübeleien nicht würdig waren. Doch nun ist es wohl schiere Irritation und er deutet sie, noch bevor ich dazu imstande bin, sie zu verbergen. Nur ein Blick… meine zusammengepressten Lippen, meine Mimik, die eine Verbissene sein muss… und er nickt abermals. Keine meiner Reaktionen schien ihn bislang in Verblüffung zu versetzen. Knisternd durchströmt mich Zorn. Wut, mit der ich mich selbst belaste, die Unfähigkeit, sein scheinbar törichtes Geschwätz unschädlich zu machen. Doch will mir dies gelingen. Eine schwere Blockade, die mir nahe bringt, kein Argument hervorzubringen, da sie den Inhalt, gar die Bedeutung der Worte nicht begriff. Wie könnte ich kontern…?

„Hast du schon einmal in der Sonne gelegen?“, erkundigt sich Jonouchi in diesem Augenblick und ich starre zu Boden, während er entspannt dort steht und die feuchte Erde in der Hand bewegt. „Ihre Wärme gespürt und dich durch sie lebendiger gefühlt, als je zuvor?“

Ich spüre einen stechenden Schmerz an meinen Fingern und sogleich lasse ich die Zigarette zu Boden fallen, da die Hitze bereits den Filter verschmorte und nichts von alledem in meine Wahrnehmung drang. So gelingt es mir, meine Ratlosigkeit flüchtig hinter Bewegungen zu verbergen, mit welchen ich mir die schmerzenden Finger reibe. Und ich blicke ihn nicht an.

„Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn warmer Sommerregen auf dein Gesicht prasselt? Wie beruhigend das Rauschen der Wellen sein kann? Sie sind beständig… so ganz anders als der Mensch und diesem doch gern nützlich.“

Und stur versuche ich mich zu verschließen, doch sehe ein Bild vor geistigem Auge, welches sich mir nur allzu oft bot und nun als Erinnerung zurückfindet.

Ein Mann… dunkel und trist. Reglos steht er vor dem Fenster, hält sich in dem Schatten der Gardinen verborgen und blickt zwischen einem Spalt des Stoffes hindurch. Er beobachtet mit absenter Miene den Jungen, der dort draußen im Sonnenlicht spielt. In der Welt, die ihm verschlossen ist… in welcher er nur Gefahren kennt. Er verfolgt die Bewegungen, in welchen der Junge mit dem Gras spielt, die Handflächen von den Halmen kitzeln lässt, als er mit diesen über das Gras hinweg gleitet. Er verfolgt das Lächeln, die die jungen Lippen formen, das genießerische Blinzeln, in welchem er den Kopf hebt und der Sonne eine Begegnung ist.

Und… er begreift es nicht.

Begreift nicht die Freude des Jungen. Sonnenstrahlen werden in seiner Welt physisch erklärt, Gras erläutert er biologisch und all das, was die Natur ihr Eigen nennt, lässt sich in Formeln wieder finden, die die Seiten seiner wissenschaftlichen Bücher füllen.

Nur dieses Lächeln… eine Geste, die ihm unbegreiflich ist… keine Formeln, keine Erklärung. Nichts.

Dinge von natürlicher Art halten sich seiner Erkenntnis fern, sträuben sich, erlernt zu werden, während sich Formeln in seinem Kopf festsetzen und seit dem ersten Augenblick beherrscht werden…

„Weshalb?“, vernehme ich meine Stimme, die die Anstrengung vermeidet, Neugierde zu verhüllen. Und ich sehe Jonouchi an. „Weshalb tut der Mensch derartiges?“

Seine Mimik ähnelt der eines Menschen, der ein Ziel erreichte, als ich meine Frage an ihn richte. Ein nahezu stilles Seufzen entrinnt ihm und mit einer entspannten Bewegung streckt er mir die Hand entgegen, die, in welcher noch immer die Erde und das Gras liegen.

„Finde es heraus“, sagt er nur.

Sogleich bin ich gewillt, danach zu greifen, doch ich halte inne, sobald sich meine Hand regt. Zaudernd balle ich sie zu einer Faust und blicke zur Seite.

>Es ist lächerlich… all das, was du tust, was du denkst… ist lächerlich<, straft mich mein Verstand meiner Torheit. >Dich mit Erde zu besudeln… selbst die Worte, die du mit Jonouchi wechselst… ist das nicht gänzlich absurd?<

Und ich ringe mit diesem Denken, ringe damit, es abzustreifen und zu beenden, was ich selbst begann. Die Vorstellung, jene Erde in der Hand zu halten, ist ein Kontrahent meiner strikten Logik, die ich gleich eines Heiligtums verehre. Weshalb? Wieso? Warum und mit welchem Ziel? Alles bedarf Erklärungen, Sicherheiten, um durch etwaiges Handeln keine Zeit zu verschwenden.

„Kaiba“, dringt ein leises Murren an meine Ohren. „Ist es so schwer, danach zu greifen?“

Und ich starre auf jene Hand, noch immer erhoben und allmählich der Ruhelosigkeit verfallend. Erwartungsvoll mustern mich die braunen Augen und ich hebe die Hand nochmals.

Ohne Denken, ohne Angst… nichts kann passieren.

Und ich bette die Fingerkuppen auf der Erde. Zögernd und voller Bedenken und ich stelle mir die Frage, ob ich Derartiges schon jemals berührt, auf meiner Haut gespürt habe. Ich wage es nicht, die Augen von der eigenen Hand zu lösen, sehe sie und spüre doch viel mehr, als das Auge zu erfassen imstande ist. Kühl… eine gewisse Frische geht von der Erde aus, legt sich wohlig auf meine Haut, welche unter ihr frohlockt. Wie nur, kann sie sich eine solche Frische bewahren, obgleich die Sonne am heutigen Tag so intensiv herab scheint?

Ich verlagere mehr Druck auf die Erde, fühle die in ihr lebende Feuchtigkeit und nachdem ich diesen Moment still durchdacht habe, löse ich die Finger von ihr und lasse sie zu den Halmen gleiten. Kitzelnd treffen sie auf meine Haut, annähernd ist es unangenehm, da ich ein solches Empfinden nicht kenne. Wie glatt diese schmale Oberfläche ist… ich betaste die Halme und nach wenigen Augenblicken umgreife ich sie mitsamt der Erde. So lässt Jonnouchi die Hand sinken und schüttelt den Rest der Erde von ihr, dennoch fortwährend verfolgend, wie ich mir den Inhalt meiner Hand mit Nachdenklichkeit betrachte.

Es ist seltsam… und ich vermag es nicht mit einem anderen Wort zu titulieren. Seltsam.

Wie ein solch winziger Bestandteil der Welt von einer solchen Bedeutung sein kann. Wirklich, ich empfinde es als angenehm, die Erde auf der Fläche meiner Hand zu spüren und beginne sie zu wenden, hebe sie gar zu meiner Nase und nehme ihren aparten Geruch in mich auf. Alles, was mir fremd war… allgegenwärtig und doch ein Bestandteil einer anderen Welt, die ich nie betrat. Ich schließe die Augen, schwelge abermals in dem Duft der Erde und betrachte sie mir wohl durchaus beirrt.

Eine Kunst, all dies wahrzunehmen… nur einer von den beiden Brüdern trieb diese zu Perfektion und völligen Beherrschung. Der Jüngere, weniger der Ältere, der ‚Perfektion’ nur zu gern in den Mund nimmt und nichts dergleichen in dieser Kunst zu erspähen imstande war.

Der Genuss, mit welchem Mokuba das Gras durchstreifte, selbst auf diesem Platz nahm und all das als Gemütlichkeit ansah, während ich auf teuren Polstern saß und dies viel zu verspannt.

Diese Klarheit… eine reiche Anzahl meiner Abneigungen scheint dem Schmerz erlegen zu sein, den ich mir in dieser Nacht selbst zufügte. Verstorben, wie ein Teil meines Selbst, um welchen ich noch nicht entschlossen bin, zu trauern.

Perplex blinzle ich, lasse die Erde sinken und treffe auf Jonouchis Blick, der besonnen an mir haftet. Eine seltsame Mimik, die vergänglich sein Gesicht streift, bevor er dieses in einem stillen Nicken senkt und die Lippen aufeinander presst.

„Du hast es begriffen?“, fragt er mich leise und ich weiß nicht zu antworten. Unstet findet mein Blick erneut zu jener Erde und ich strecke die Hand über die Wiese, um sie zurückfallen zu lassen. Ein dünner Film aus Feuchtigkeit und kleinen Beständen verbleibt auf meiner Haut und schweigend wische ihn mit der anderen Hand hinfort.

„Es gibt soviel, was Freude bringt“, fährt Jonouchi fort und steigt aus dem Gras. Noch immer ist sein Kopf gesenkt und er betrachtet sich die Bewegungen seiner Füße, die wieder in die Pantoffeln zurückfinden. „Mehr Freude, als man mit Geld erringen kann. Und das ist es doch, was für uns von Bedeutung sein sollte.“

Ich selbst käme mir wohl verräterisch vor, seinen Worten beizupflichten. Und wenn auch nur mit Nicken und damit verbundenem Schweigen. Doch ist mir nach dem stummen Sinnieren und ich reibe mir den Mund, während Jonouchi flüchtig den Halt seines Mantels korrigiert. Er scheint keine Störung daran zu finden, dass ich schweige, bedenkt dies lediglich mit einem fliehenden Blick und lässt diesen an mir vorbeischweifen, bis er einen direkten Punkt ins Auge zu fassen scheint. „Diese beiden Portiers…“, vernehme ich seine Stimme und erblicke eine Geste, mit welcher er meine Aufmerksamkeit lenkt. So wende ich mich um und erspähe die, die zu beiden Seiten des Einganges ausharren. Und eine alte Missgunst erwacht in mir zu neuem Leben, frohlockt und lässt das soeben Erlebte als schwache Erinnerung zurück. Gemeinsam blicken wir zu ihnen hinüber und führen wohl beide eigene Gedanken.

„Sie widern mich an.“

„Mm.“ Sinnierend verschränkt Jonouchi die Arme vor dem Bauch und sobald ich das letzte Wort ausgesprochen habe, nehme ich die Distanz zwischen uns wahr und die Tatsache, dass ihre Größe zu wünschen übrig lässt. Zu nahe… er ist mir zu nahe… und ich entferne mich um einen Schritt und kleide die Bewegung in pure Spontanität, der keine Bedeutung anzudichten ist. Und ich strebe Gewissheit an, doch Jonouchi zeigt mit keiner Regung, dass er meine wahrnahm. Vielmehr vertieft er sich in jene Beobachtung und bringt bald ein leichtes Nicken hervor.

„Sie sind fester Bestandteil dieser Einrichtung“, murmelt er und verengt sinnierend die Augen. „Des Gebäudes, welches wir nun bewohnen… und an dessen nobler Genauigkeit ich mich stets und in recht hohem Maß stören lasse.“

„Ihr Empfang ist kühl und routiniert“, füge ich hinzu und erinnere mich an jene Nacht, in welcher ich dieses Gebäude zum ersten Mal erblickte.

„So wie alles hier.“ Jonouchi runzelt die Stirn. Eine jede Regung seiner Miene vermag ich zu verfolgen, denn meine Augen sind argwöhnisch auf ihn gerichtet. „Aber es sind doch trotz alledem Menschen. Menschen, wie du und ich, Kaiba. Einjeder hat Aufgaben zu verrichten, zu arbeiten, sich anzupassen und in Rollen zu schlüpfen, sie sich gar bald anzueignen. Dies drängt sie weder in eine untertänige Position, noch sind sie gering zu schätzen für das, was sie tun.“ Er bedenkt mich mit wachsamem Blick. „Würdest du deine Verachtung auf einen Arzt lenken, der ein verunglücktes Tier mit der letzten Spritze von unserer Welt schickt? Der etwas tut, was seine Stellung ihn zwingt, zu tun?“

Ich wende mich ab und versuche mich nicht als der Angesprochene zu fühlen, der ich bin.

Gegen alle von mir bevorzugten Ansichten spricht er… ich spüre bislang noch mattes Missfallen bezüglich seiner Worte, die er für richtig und meiner Worte, die er für falsch erachtet. Mit welcher Flinkheit er all dies in Kategorien einteilt und nach seiner Wahrheit abwägt...!

Ich bin nicht gewillt, Menschen, die unter mir arbeiten oder Niederes verrichten, Respekt zu zollen. Mein Respekt ist zu teuer, als dass sie sich ihn leisten könnten! Ich presse die Lippen aufeinander und meine Hände werden unruhig.

„Es ist oberflächlich“, fährt Jonouchi leise fort, „… und nicht gerecht… und ein Vorurteil. Niemanden kann man ob seiner Fassade ächten, nur weil man in sich selbst zuviel Wert sieht, um diese Fassade zu durchschauen.“

Er mustert mich nachdrücklich und lang, als würde er einzig und allein über meine Person sprechen… von der Qual, die ich verspürte, als er meine Fassade zerstörte… und noch so vieles mehr. Ich balle die Hände zu Fäusten und weiche seinen Augen unzugänglich aus.

„Bevor du kamst, heute Morgen… degradierte ich meinen Wert zu einer Nichtigkeit und sah den Menschen, der sich unter der strengen Uniform verborgen hält.“ Seine Stimme weist den Hauch einer Entspannung auf, ein scheinbares Lächeln hallt in seinen Worten wieder und ich starre auf jene Portiers. „Der Größere von Beiden… er ist beileibe jünger, als er wirkt. Und sein Stolz…“, ich meine, Jonouchi leise lachen zu hören, „… gehört nicht ihm, sondern den drei bildschönen Töchtern, die ihn Tagein Tagaus Zuhause erwarten. Er zeigte mir sogar ein Bild, welches er stets bei sich trägt. Und beileibe sieht er seinen Beruf nicht als den Traum an, den er erreichte. Vielmehr ist es eine Notwendigkeit, um seine Familie zu ernähren.“

Ich wage es nicht, meinen Ohren Glauben zu schenken. Mit solch einem Gerede wendet er sich an den Gast einer Kureinrichtung? Welch ein Tölpel kann man sein, solche Worte preiszugeben, die ihm die Kündigung schneller bringen können, als er denkt!

Ein verächtliches Grinsen zieht an meinen Lippen und Jonouchi registriert es sofort, ohne erstaunt zu wirken.

„Wäre er dein Angestellter und dir käme derartiges zu Ohren…“

„Ich würde ihm keine weitere Gelegenheit bieten, Worte wie diese loszuwerden“, erwidere ich, da ich erahne, was Jonouchi hören will.

„So verurteilst du also ehrliche Meinungen und freundliche Offenheit“, schlussfolgert er und stößt ein annähernd lautloses Seufzen aus. „Wie kompliziert ist nur die Welt, in der du lebst? Doch ich bemerke, wir verlieren das Thema, welches ich anstreben wollte.“

„Dann sag, was du zu sagen hast!“, murre ich und fühle schwindende Geduld, die mich in meiner Unruhe steigert.

„Eine Unterhaltung“, meint Jonouchi und betont die Worte, als wären sie von einer Bedeutung, die ich nicht in ihnen sehe. „Auch sie kann Freude bereiten. Mit einem jeden Menschen, denn so wie du sprichst, so antwortet man dir. Weshalb wohl in deinem Leben weniger gelockerte Konversationen zu Stande kommen, da schon allein deine Stimme vor Missachtung, Hohn und Apathie strotzt, dass sich keine Seele dazu bereit erklären würde, milde Antwort zu liefern. Und täte sie es, täte sie es mit Kleinmut und Untertänigkeit. Ist dies nicht eine recht entspannende Grundlage für eine Unterhaltung?“

Mein Schweigen hält an… wie bedauerlich es nur ist. Doch ebenso ein leises Gefühl der Sicherheit, da ich nicht offenbaren muss, wie ertappt und schuldig ich mich fühle… gleichermaßen, wie aufgewühlt mein Inneres ist und alles, worin ich Glauben gesetzt hatte.

Es ist bizarr… welch eine Perfektion, in der man es noch nicht einmal beherrscht, Gespräche zu führen.

Ich presse die Lippen aufeinander und auch neben mir herrscht Stille.

Worte, und ihrer weiß ich viele, je komplizierter desto besser und wie gleichgültig fasse ich es auf, ob man sie versteht. Knapp waren sie alle… kurz und oberflächlich, sachlich… die Gespräche mit Angestellten. Kurz angebunden und strikt sagte ich ihnen, was ich zu sagen hatte und verjagte sie mit bitterer Miene, bevor sie unnötige Worte an mich richteten. All das war Zeit und die Zeit fristete ich einsam und meist apathisch. Auch Mokuba… ich betrachte mir die beiden Männer und spüre eine Regung meiner Miene. Nur das Nötigste… die Logik verbot es mir stets, Sätze zu strecken, auszuschmücken, ihm und seiner Sensibilität anzupassen.

„Weißt du“, erhebt Jonouchi abrupt die Stimme und ich senke die Lider. Nach einem leisen Seufzen hebt er die Hand, betrachtet sich seine Armbanduhr. „Das Mittagessen wartet auf mich und ich möchte es nicht warten lassen, weil mir bereits der Magen knurrt.“

Sein Blick trifft mich erwartungsvoll und mir ist bewusst, was er hören möchte.

Dass ich ihn begleite… denselben Hunger verspüre… doch verspüre ich weder ihn noch die Lust, mit ihm zu gehen. So wende ich den Kopf ab und beschaue mir die Fassade des Gebäudes. Soll er gehen… er ist beileibe kein Verlust und in diesen Augenblicken viel mehr noch als das Gegenteil.

„In Ordnung.“ Er begreift und richtet sich den Mantel. „Ich mache mich auf den Weg… so oder so… möglicherweise treffen wir später abermals aufeinander. Nutze die Zeit, um sie mit Gedanken zu füllen.“

Die letzten Worte kommen in einem leisen Raunen über seine Lippen und somit setzt er sich in Bewegung und ich vernehme das leise Schlürfen seiner Pantoffeln, als er auf den Eingang zusteuert. Aus den Augenwinkeln, gar verstohlen, richten sich meine Augen auf ihn und erhaschen die freundliche Geste, in der er die Hand hebt, beide Portiers grüßt und diese mit einem höflichen Nicken antworten. So offen… so ganz ohne Trug und Routine. Dies mag wahre Freude sein. Und so verschwindet Jonouchi und ich starre auf die gläserne Tür.

Wohl durchaus verdrießlich und finster.

Er will beherrschen, was er meinem Können verweigert…?

Ich schöpfe tiefen Atem. Anders gesehen, und dies ist mir wahrhaftig lieber, beherrsche ich die Kunst des Gespräches in einer andere Methode. Ich gestalte sie profitabel, zweckmäßig und kurz. In der heutigen Gesellschaft haben Menschen mit einem jeden Tag weniger Zeit zur Verfügung. Nicht viele, doch waren sie unter meinen Gesprächspartnern, die zumeist selbst von hohem Status waren. Sie dankten es mir stets. Was brachte es mir, mich auf ihr Privatleben oder gar ihr persönliches Befinden zu beziehen?

Wie sehr, frage ich mich… wie sehr muss sich dieses Denken, dieses Handeln in mir festgefressen haben?

Routine… hat sie es mir bald versagt, Worte an Menschen zu richten, mit denen sich keine finanziellen oder lukrativen Themen finden ließen?

Ich schüttle den Kopf, versuche lästige Gedanken zu jagen, aus meinem Kopf zu verbannen und setze mich selbst in Bewegung. Den Blick auf den Boden genagelt, schweigend und mürrisch ziehe ich auch an den Portiers vorbei, betrete die Eingangshalle und mache mich auf den direkten Weg zu meiner Suite.
 

Inmitten des Eaumes bleibe ich stehen und blicke mich suchend um.

Das Telefon…?

Ich finde es in der neugewonnenen Ordnung wieder und lasse es sinken, während ich die Lippen aneinander reibe, kurz die Augen schließe und mich in den Gedanken vertiefe, der mir soeben kam. Ich habe Sehnsucht… Sehnsucht nach einer Stimme, die beherrscht, was ich zu erlernen gewillt bin. Wenn auch nur für ihn… für Mokuba, welchem ich meine Stimme gegenüber sanft hielt und doch nicht die Gefühllosigkeit bemerkte, mit der sie sich erhob.

>Wie muss es ihm damit gehen?<, denke ich und senke die Lider. Das Mittagessen kann getrost warten… ebenso Jonnouchi, der im Gegensatz zu einem kleinen Jungen keinerlei Bedeutung für mich hat. Ich denke, ja… ich möchte seine Stimme hören. Keinem weiteren Zögern verfallend komme ich auf die Beine, blicke ein letztes Mal um mich und mache mich auf den Weg zu meinem Schlafzimmer. Ich schließe die Tür hinter mir, strecke meine verspannten Arme und lasse mich auf dem Bett nieder, welches in der vergangenen Nacht unberührt blieb und dennoch zwischendurch umso mehr geordnet wurde.

Ich schicke der Tür einen kurzen Blick, senke ihn dann zu dem Telefon und wähle jene Nummer. Und während meine Finger die Tasten betätigen, steigt eine Unruhe in mir auf, die allgemach zu meinem stetigen Begleiter heranzuwachsen scheint.

Wie senkt man die Stimme, von welchem Gelingen ist es abhängig, ihr die Schärfe zu entnehmen, stattdessen mehr Gefühl zu geben? Was ist Gefühl? Doch da hebe ich schon das Telefon zu meinem Ohr und auch das Rufsignal erhebt sich, als mahne es mich meines Zögerns. Als wäre dieses nicht von Nöten?

Zeit, all dies abermals zu durchdenken…?

Nein, nichts von alledem entspricht meiner Art… ich tue es, so oder so steht mein Erfolg hinter fünfzig Protzentiger Sicherheit. Meine Zähne erhaschen die Unterlippe, bearbeiten diese nachdenklich und strikt halte ich meinen Verstand davon ab, mir Worte zuzuflüstern, um diese bereitzulegen.

„Ja, hallo?“

Und ich blicke auf…

Diese Heiterkeit, eine Reinheit, die man mir nicht abnehmen würde, so gut ich mich auch verstellte. Wie viel habe ich noch zu erreichen? Und ich hole tiefen Atem, während ich dem Seinen lausche, der in der Leitung rauscht.

Wie oft sagte ich ihm schon, dass er den Mund nicht an den Lautsprecher drücken soll…? Mindestens zwanzig Mal, bis ich das Durchhaltevermögen ob einer solchen Lappalie verlor.

Ich schmunzle.

„Hallo.“

Noch nie zuvor achtete ich in einer solchen Weise auf meine Stimme. Ich halte sie ruhig, nehme mir ein Vorbild an einem Menschen, der fast zehn Jahre jünger ist, als ich.

„Seto?“ Sogleich lacht er auf und niemand vermag Freude so deutlich zum Ausdruck zu bringen, wie er. „Das ist ja toll, dass du mich nun wieder anrufst! Rufst du mich ab jetzt jeden Tag an?“

Und er wünscht es sich, obgleich es bestimmt Dinge gibt, die weitaus erheiternder sind, als Telefonate mit mir.

„Vielleicht.“ Ich schiebe mich auf dem Bett zurück. „Wie geht es dir?“

„Oh!“ Und wieder… sein Lachen. Wie beneidenswert ist es nur, dass er keinen Wert darauf legt, die Freude an einer einzigen Frage zu vertuschen. Weshalb sollte man es auch tun? Ist es nicht verlogen und des Weiteren gänzlich sinnlos, ja, annähernd albern?

„Mir geht es sehr gut! Yasojiro und ich haben wirklich sehr viel Spaß und tagsüber fast das Haus ganz für uns alleine, da seine Eltern sehr lange arbeiten. Es ist wirklich schön… aber“, er brummt trotzig in den Hörer, „… irgendwie vermisse ich dich auch.“

Flüchtig befeuchte ich die Lippen mit der Zunge, meine Schultern heben und senken sich unter einem tiefen Atemzug.

Was vermisst er nur…?

Die kalten Augen?

Die Lippen, die so selten lächeln?

Das Gesicht… das nie wahre Freude offenbart?

Nach einem kurzen Schweigen nicke ich in mich hinein.

„Ich vermisse dich auch… Mokuba“, sage ich und es fällt mir leichter, als ich es mir je vorgestellt hätte. Ja, ich sagte es einfach und in der Leitung folgt Stille, keine übertrieben geschwätzige Antwort und so betrachte ich mir die Decke des Zimmers, mich auf eine weitere Herausforderung einstellend. Wie kurz waren bisher alle Telefonate, die wir geführt haben…?

„Diese Kureinrichtung“, beginne ich meine erste Erzählung über das Telefon, „ist wahrhaftig sehr ansehnlich. Sie ist gepflegt, ordentlich…“, ich grüble, „… das Personal… ist freundlich und das Wetter stets warm und sonnig.“

Und nie fehlten mir die Worte… bis zu jenem Zeitpunkt. Wie schwer ist es nur für mich, der stets kompliziert denkt und umso komplizierter handelt, simple Eindrücke wiederzugeben?

„Ja…?“, ertönt ein ungläubiges Hauchen und sogleich nicke ich.

„In nicht allzu weiter Entfernung zu diesem Gebäude erstreckt sich ein Strand und ich habe noch nie ein so klares Wasser gesehen.“

„Und warst du schon baden?“, erkundigt sich Mokuba, scheinbar übereifrig darauf aus, ein wirkliches Gespräch auf die Beine zu stellen.

„Noch nicht am Strand“, verneine ich und verfange mich abermals im Sinnieren, „… doch in der hauseigenen Schwimmhalle tat ich es bereits.“

„Und war es schön?“

„Ja.“

„Du solltest dir trotzdem Zeit nehmen, an den Strand zu gehen, Seto“, belehrt mich der Junge und ich kriege den dünnen Seidenbezug der Decke zu fassen, ihn sogleich mit den Fingern bearbeitend. „Ich würde es sofort tun und ohne zu zögern, wenn ich die Gelegenheit hätte, die ich nun einmal nicht habe. Der Strand ist doch viel schöner, als in einer Halle zu schwimmen. Das ist Natur und meistens riecht es dort auch noch ganz toll.“

Der Geruch…?

Ich halte in meinen Bewegungen inne, erinnere mich nicht, derartiges wahrgenommen zu haben.

„Yasojiros Eltern versprachen, morgen einen Freizeitpark mit uns zu besuchen“, erzählt er mir lachend und erfüllt von Vorfreude. „Und gestern haben wir sogar gelernt.“

Gelernt…?

Ich befeuchte meine Lippen mit der Zunge und suche nach Worten, die daraufhin folgen sollten.

„Das freut mich zu hören“, sage ich also und wohl durchaus unbeholfen. „Es ist…“, ich grüble, „… schön, dass ich mich auf dich verlassen kann.“

Und er lacht… solch ein Glück, solch ein Stolz…

„Natürlich kannst du das!“, bezeugt er begeistert. „Oder hast du je daran gezweifelt?“

Durchaus… immer und an jedem Tag, da ich der kindlichen Art misstraue. Ihr sind Ziele beileibe weniger wichtig, als Freuden.

Eine Lüge müsste ich aussprechen… dies im falschen Moment und nicht akzeptabel. Wie würde ich mich wieder selbst darstellen? Als verbissen und überängstlich, was seinen schulischen Erfolg anbelangt, obgleich es, was seine Noten anbelangt, doch keinen Grund zur Sorge gibt.

Glücklicherweise schien Mokuba nie eine Antwort erwartet zu haben. Im Hintergrund raschelt eine Tüte und ich möchte ihn darauf aufmerksam machen, dass er zuviel nascht. Ob in unserem Haus oder bei anderen… seine Vorliebe für Süßigkeiten ist ebenso ungesund wie groß.

„Und du hast dich schon etwas erholt?“, fährt er fort, bevor ich Tadel an ihn richten kann. „Also ich bin der Meinung, dass das der Fall ist. Deine Stimme hört sich anders an und…“

„Mokuba?“ Ich hauche dieses Wort und sehe erst später meinen Entschluss, auszusprechen, was mich belastet.

„Ja?“

Ich zupfe an der Decke, ziellos durchforsten meine Augen den Raum.

„Was denn, Seto?“, erkundigt sich Mokuba, da ich zu lange zögere.

Ja, wie schwer fällt es mir, selbst eine simple Frage zu stellen!

Ich beiße die Zähne zusammen und schließe die Decke in meiner Hand ein, als ich diese zu einer Faust balle. Welche Beweise habe ich vor ihm denn zu erbringen? Was sollte ich neben der Rolle des Bruders darstellen?

Was weiß dieser junge Mensch mit einem perfekten Geschäftsmann anzufangen...?

„Bei den Gesprächen, die wir führten…“, hauche ich also und schließe die Augen, „… vermisstest du je etwas?“

„Wie meinst du das?“, stellt er eine Gegenfrage, ohne Grübeleien anzustellen.

So einfach… eine simple Frage, da er den Inhalt nicht begriff.

So viel gewandter, als verbissen darüber zu sinnieren und es sich nicht einzugestehen.

„Vermisstest du… Interesse? Mein… Interesse? Erschien dir die Länge der Gespräche als nicht ausreichend?“

„Das mag wohl stimmen“, erhalte ich sogleich meine Antwort und starre auf einen der Kleiderschränke. Mein Herz verliert sich aus dem monotonen Rhythmus und ich fühle mich von der dumpfen Last einer Schuld niedergerungen. Eine Enge… in meinem Hals. Stockend löse ich die Hand aus der dünnen Seide des Bettbezuges.

„Ich denke, wir haben immer etwas zu wenig gesprochen“, meint er weiterhin und ich bearbeite die Unterlippe mit den Zähnen. „Aber das ist deine Art, Seto. Und ich mag mich angepasst haben.“

Und dies bestimmt nicht mit Leichtigkeit…

War ich selbst ihm gegenüber schweigsam?

Wie viele Worte hätten es denn sein müssen…?

„Und manchmal…“, er senkt die Stimme und mich befällt die Angst, ihn mit jener Frage betrübt zu haben, dass es ihm gar schwer fallen könnte, darüber zu sprechen. Doch tut er es…

„… habe ich das Gefühl, dass du nur Interesse an einem Gespräch hast, wenn es sich um meine schulischen Leistungen handelt. Sofort bist du Ohr, sofort lässt du alles stehen und liegen, wenn ich dir die Ergebnisse verschiedener Arbeiten und Referate zeigen möchte. Und ich mag es, wenn du mich bei Erfolgen lobst und…“

Und…?

Ich winkle die Beine an, ziehe die Knie zu mir und lege den freien Arm um sie.

„… wenn ich krank bin oder mir nicht gut ist, zeigst du auch Fürsorge und Aufmerksamkeit.“

Selbstverständlich… niemals möchte ich, dass ihm Schlechtes widerfährt…

Keine Krankheit soll unbemerkt bleiben, um ihn zu quälen.

Es soll ihm gut gehen…

„Aber, Seto…“

Meine Finger vergraben sich in dem Stoff des Yukata und meine Lippen formen stumme Worte.

Es schmerzt…

„… du bist teilnahmslos, wenn ich von meinen Hobbys erzähle, von lustigen Sachen, die sich in meiner Schule oder Freundeskreis zugetragen haben. Oder wenn ich dir sage, was ich gemacht habe, während du in der Firma warst. Womit ich Spaß oder welche Filme ich gesehen habe.“

Stockend senke ich den Kopf, starre auf meine Knie und spüre, wie das Herz in meiner Brust rast.

Vielleicht… weil ich es nicht ertrage, seine Freude zu erleben…?

Weil sie mir rätselhaft ist…?

Ein Mysterium, hinter welches ich nie zu kommen glaube?

„Und du möchtest nichts mit mir unternehmen. Du sträubst dich regelrecht davor, mit mir wegzugehen und da denke ich manchmal…“, abermals ein Schweigen, doch dieses ertrage ich weniger, „… manchmal denke ich, dass du mich… gar nicht richtig… lieb hast.“

Jäh blättert eine jede Mimik von meinem Gesicht… sogleich öffnen sich meine Lippen, doch ich bringe keinen Ton hervor, vergesse es gar, zu atmen. Mit geweiteten Augen presse ich das Telefon in der Hand.

Wie bitte…?

Er befürchtet, ich würde ihn nicht lieben…?

Stockend beginne ich zu blinzeln, zitternd presse ich die Lippen aufeinander und schlucke gegen den Druck an, der in meinen Hals aufsteigt.

‚Du bist das Einzige, was ich habe!’, schreit es in meinem Inneren, ‚Wie nur, könnte ich dich nicht lieben?!’

Und ich spreche es nicht aus…

„Naja…“, Mokuba räuspert sich, auch er wirkt verlegen, „… also, das habe ich aber nur selten gedacht und… Seto? Bist du noch da?“

Ja, bin ich es…?

Abermals blinzle ich, spüre, wie sich der Druck in meinem Hals zu einem dumpfen Schmerz entwickelt und erkenne ihn als den Gefährten wieder, der mir in vergangener Nacht Gesellschaft leistete. Hörbar atme ich ein, hebe die Hand zu meinem Gesicht und fahre mir annähernd beiläufig über die Augen, wische die Nässe hinfort und bin ihrer nicht überrascht. Kein Entsetzen… mein Herz krampft, ich beiße mir auf die Unterlippe, streife mein Haar zurück und schließe die Augen.

Wieder weine ich…?

Ein scharfes Kribbeln durchfährt meine Nase und ich spüre das Zucken meines Gesichtes, als ich dieses kurz sinken lasse und auch das Telefon etwas von meinem Ohr entferne.

Ist es ein Bestandteil des Perfektionismus, seinem Bruder unbeabsichtigt glauben zu machen, man würde ihn nicht lieben…?

Wie fehlerhaft kann man nur sein, um dies zu bewerkstelligen…?

Kitzelnd bahnt sich eine Träne ihren Weg über meine Nase und ich beiße die Zähne zusammen.

Scham… Schuldgefühle… sie drücken mich nieder und taten es noch nie zuvor.

„Seto…?“, erreicht mich seine Stimme.

Warum…?

Wie konnte es mir entgehen, wie ich Mokuba behandelte…?

Wie sich mein krankes Verhalten auf ihn auswirkte, obgleich ich mir schon Mühe gab?

Ich ziehe die Nase hoch, öffne die Augen und spüre das Kitzeln, als die Träne meine Lippen erreicht.

„Ja“, hauche ich und ringe um Fassung. „Mokuba…“, und ich suche verzweifelt nach Worten, die meine Schuld wenn auch nur annähernd bereinigen können. „… es… tut mir leid.“

Nie hätte ich geglaubt, diese Worte je auszusprechen und dies auch noch mit Ernsthaftigkeit und aus der Tiefe meines Herzen, mit dem Wunsch um Vergebung. Mokuba schweigt und ich zügle meinen Atem, damit er kein Schluchzen preisgibt. Meine Stimme zittert und in der Leitung herrscht Stille.

„Verzeih mir… dass ich dir nicht der Bruder bin, den du dir wünschst.“ Und ich presse die Hand auf mein Gesicht, während mein Leib ein Zittern durchfährt.

Ich möchte nicht, dass er es weiß… noch nicht… lieber behalte ich die Tränen für mich, um ihn nicht zu beunruhigen. Wie sähe es nur aus? Für ihn, da ich mich stets unantastbar gab und fest daran glaubte, es zu sein…?

„Seto!“ Mokuba hört sich erschrocken an. „Das stimmt doch gar nicht! So meinte ich das nicht! Du bist ein ganz toller Bruder und ich verstehe, dass du in der Firma immer sehr viele Arbeiten zu verrichten hast! Ich bin so froh, dass es dich gibt und wäre so totunglücklich, wenn ich alleine wäre!“

Ist er es nicht…?

Trotz meiner Anwesenheit?

Meine Finger durchkämmen mein Haar, klammern sich krampfhaft hinein.

Ich kann nicht antworten…

Bin ich seiner Sorge und seiner Liebe eigentlich würdig…?

„Ich wünsche mir nur…“, fährt Mokuba fort, „… dass wir mehr gemeinsam unternehmen. Selbst du hast doch Freizeit, oder etwa nicht? Wir könnten spazieren gehen oder mal ein Eis essen. Seto, ich habe noch nie gesehen, wie du Eis isst. Hast du es schon jemals getan? Weißt du, wie lecker das ist?“ Die Stimme meines Bruders wirkt in diesen Momenten bei weitem heller und befreiter als zuvor. Ich kämpfe abermals um Fassung, schließe die Augen und lausche ihr.

„Es gibt so vieles, was wir miteinander machen könnten. Das ist das Einzige, was ich mir wünsche. Und Setooo…“, ein empfindsames Raunen folgt, „… ich habe wirklich nie behauptet, dass du mir kein guter Bruder bist.“

Allmählich… ja, sollte ich allmählich nicht wieder antworten…?

Doch was…?

Ich bin so hilflos, wie noch nie zuvor… und dies einem Dreizehnjährigen gegenüber.

Er nahm mir etwaige Kontrolle… ich so verletzlich durch seine Worte und ich war es seit jeher.

Ist dies Perfektion…?

Was war nur mein Glauben?

Woraus bestand er?
 

~*to be continued*~



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-04-20T09:57:13+00:00 20.04.2010 11:57
Das Telefonat mit Moki Q_________________________________Q Das ist mir echt an die Materie gegangen wie der Kleine püber Kaiba denkt und Kaiba hat das ja auch ziemlich aus der Reserve gelockt. Ich bin sooo gespannt, wie es weitergeht!!!
Von: abgemeldet
2010-04-13T12:14:34+00:00 13.04.2010 14:14
'Grundschule des Lebens' ist ein so genialer Titel und der zeigt auch richtig gut, worum es in dem Kapitel geht. Nämlich dass Kaiba ganz viele Sachen neu lernen muss. Ich bin auf das nächste Kapitel sehr gespannt! Bitte sachreib weiter!
Von: abgemeldet
2009-11-02T12:13:33+00:00 02.11.2009 13:13
Ach das klingt gut.Kaiba is wies aussieht endlich dazu bereit,ein wenig offener zu sein und das an sich ranzulassen. Er zeigt ja interesse an dem,was Kazuya so vom Stapel lässt. Kann man hoffen oder wirst du rückfällig und machst alle fertig? X/ bin richtig gespannt.
Von:  Umi
2009-08-11T04:45:13+00:00 11.08.2009 06:45
Duh, es geht weiter? O.O
Wie hab ich DAS denn verpasst? >.< *wirklich dachte, hier ab und an mal wieder reingeschaut zu haben* Nun ja, so hab ichs beim zufälligen Stalken gefunden... ist ja auch was...
Wie auch immer, da es schon ein Weilchen her ist, seit ich das letzte Mal hier war, musste ich natürlich die zurückliegenden Ereignisse kurz überfliegen, um wieder einen Einstieg zu finden, und bin dabei im Kapitel "Abhängigkeit" über das hier gestolpert:
>>Oh, auch das kenne ich zur genüge.<<
--> Genüge wird, glaube(!) ich, groß geschrieben o_o
und
>>So schweige ich und Jonouchi stößt ein gedrungenes Stöhnen aus, bevor sich die Hand Gen Boden senkt<<
--> gen Boden

Übrigens, mir ist früher, glaube ich, nie aufgefallen, wie sehr deine FF von der Schreibweise her, den Formulierungen, dem ganzen Stil eher an ein klassisches Theaterstück als an eine typische Fanfiction oder auch nur einen Roman erinnert :)
Eigentlich bevorzuge ich beim Lesen eher Umgangssprache, heute sogar noch mehr als damals, aber hier stört mich das teilweise etwas Hochgestochene nicht. Im Gegenteil. Es passt einfach und verpasst dem Ganzen in meinen Augen noch eine zusätzliche individuelle Note ^^

In Kapitel 9 ist mir nachträglich noch folgendes aufgefallen:
>>Etwaige Farbe ist in den Gesichtszügen verblasst…
Drastisch stechen die blauen Pupillen neben den geröteten Augen hervor…<<
--> uhm... die Pupillen sind schwarz. Die Iris ist (jedenfalls in Setos Fall) blau

So, und dann, schließlich und endlich und vor allem um eine Uhrzeit, zu der ich eigentlich längst schlafen wollte und zu der andere bereits wieder aufstehen... zum letzten Kapitel, sprich, der Nummer 10, bei der es mich mehr als irritiert, dass da vorher noch niemand Feedback hinterlassen hat o.o ...:

>>Wann kam ich hier an…? Vor zwei Tagen… oder sind es gar drei? Vier?<<
--> Okay, das erinnert mich nur daran, dass ich immer noch vorhabe, das ganze Schmuckstück noch einmal am Stück zu lesen - allein schon, um diese Frage klären zu können. Aber wirklich verrückt, wie viel in so kurzer Zeit passieren kann. Ich meine, es ist doch wirklich so, oder nicht? Die größten Veränderungen passieren innerhalb kurzer Zeit, es ist meist ein einzelner Gedankengang, der sie wirklich real werden lässt. Das, was die meiste Zeit in Anspruch nimmt, ist der Versuch, sich an diese Veränderung zu gewöhnen, sie irgendwie in sein Weltbild und sein Leben einzubauen... oder eben auch, sein Leben neu um sie herum anzuordnen. Und ich bin ja mal gespannt, wie sich dieser Vorgang bei Seto gestaltet :)

>>Der Yukata, den ich trage, ist neu und weißt keinen Makel auf.<<
--> weist

Ich finde es übrigens sehr gelungen, wie du Setos reichlich durcheinander gebrachtes Körpergefühl/seine ins Wanken gebrachte Selbstwahrnehmung bebilderst :) Allein schon das nervöse Zurechtrücken des Yukatas im Fahrstuhl, die Paranoia, als er sich plötzlich unter anderen Menschen wiederfindet... die ungewohnte Schreckhaftigkeit... herrlich :D

>>Jonnouchi…
Ich sauge an meinen Zähnen, wende die Zigarette zwischen den Fingern.
Er ist gefährlich…
Sein Wissen… ist gefährlich. Sein Wissen über mich.<<
--> Und trotz aller Veränderungen: Seto ist und bleibt eben Seto... XD

>>„Ähm…“, mit geheuchelter Nachdenklichkeit verziehen sich seine Brauen, bis er kurz die Lippen aufeinander presst, die Augen kreisen lässt und letztendlich mit einem deutlichen Kopfschütteln antwortet. „Nein.“<<
--> und Jou... bleibt weiterhin Jou... Find ich schön und auch sehr wichtig, dass das InCharacter weiterhin gewahrt bleibt, soweit es im Rahmen dieser Story möglich ist :)
Die meisten anderen Autoren hätten die Entwicklung der beiden, speziell Seto, nach einem derartigen Zusammenbruch wie dem Zurückliegenden vermutlich überstürzt (sofern sie es bis dahin überhaupt geschafft hätten, das Ganze logisch aufzubauen) aber du lässt die beiden an diesem fremden Ort und nach all dem wieder in die ihnen vertrauten Verhaltensformen zurückfallen - von Jous nun doch recht neuem Bemühen, Setos Gekläffe, uhm, ich meinte, seine Fragen ernsthaft zu beantworten mal abgesehen. Gefällt mir und macht das Ganze realistischer :)

>>Inmitten des Eaumes bleibe ich stehen und blicke mich suchend um.
Das Telefon…?<<
--> Raumes ... schätz ich mal ;)

Aaah, Ein Telefonat zwischen Seto und Mokuba, genau das, worauf ich gehofft/gewartet habe :D
Und GOTT, ist das... ja, wie soll ich sagen... einfach nur unsagbar niedlich. Nicht bloß Mokubas Art, die ja nun den Kontrast schlecht hin zu all den ernsten Gesprächen in den vergangenen Kapitel, den trüben Gedanken bildet... vor allem, wie Seto sich ungeschickt an "belangloser" Konversation versucht... einfach nur süß XD *nie dachte, dieses Wort in nächster Zukunft(?!?) mal in Bezug mit dieser Fanfiction zu bringen, aber es einfach als das passendste erscheint*
Und ich finde den Umschwung zwischen dieser "Niedlichkeit" und dem darauffolgenden Ernst gut umgesetzt. Logisch, dass Mokuba der erste ist, den Seto zu fragen wagt, ob Jounouchis Einschätzungen bezüglich seiner Konversations(un)fähigkeiten und die damit verbundenen Gedanken, die er selbst sich darüber gemacht hat, wahr sind... und ich finde es einfach nur schön und vor allem nachvollziehbar, wie sehr ihn dann Mokubas ehrliche und vor allem schnelle Antwort trifft... wieder Tränen, aber diesmal aus einem anderen Grund.
Er hat gerade erst angefangen zu lernen, was alles weh tun kann, wenn man sich nicht vor der Wahrheit verschließt :) Allein schon deshalb, aber natürlich auch aufgrund der kleinen Theoriestunde draußen mit Jou zuvor, ist der Kapiteltitel perfekt gewählt ^^

Tja, was soll ich groß sagen?
Nach all der Zeit kann ich wieder nur damit abschließen, dass ich neugierig bin, ob/wie es weitergeht :D

MfG
die Umi^^


Zurück