Act IV: Beraubtest
mich all meiner Liebe
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"I hold your hand in mine
I hold your hand and you're so lonely
Oh so lonely
Your eyes have lost their light
Your eyes have lost their light and you're empty
Oh my God you're so empty
(I'm in love with you)
You are my heaven tonight x2
Trying to find the heart you hide
Trying to find the heart you hide in vain
Oh in vain
And you're my haven in life
And you're my haven in death, Baby
Life and Death my Darling
(I'm in love with you)
You are my heaven tonight x4
(I'm in love with you)
That's right x4" [1]
~ "Heaven tonight" von Ville Valo/HIM (Album: "Razorblade
Romance")
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Fingernägel, schimmernd und zerbrechlich wie Glas, streichelten mit
sanftem Druck die weiche Haut, die sich unter seinem Kiefer bis
über den Hals spannte, als er sich Tränen schreiend wand unter
dem unsäglichen Schmerz, den ihm die rabenfederschwarze Nacht
mit ihrer einsamen Dunkelheit bereitete.
Er glaubte, auf qualvoll süße Weise sterben zu müssen.
"Shinju", seufzte Hisui leise und zog ihn rücklings auf seinen Schoß,
hielt den Jüngeren fest und streichelte beruhigend über dessen
glatte Bauchhaut.
Shinju jedoch versteifte sich, krallte seine Finger in Hisuis Hände,
wissend, dass er ihm weh tat, und vielleicht... vielleicht _wollte_ er
ihm ja auch weh tun, ihm zeigen, wie sehr Hisui _ihm_ weh getan
hatte. Und der Ältere ließ es schweigend geschehen, blieb still und
zuckte nicht zusammen, protestierte nicht gegen die Schmerzen,
die ihm zugefügt wurden, intensivierte im Gegenteil noch die
Berührungen seiner streichelnden Finger.
"Wo warst du?", fragte Shinju mit einer teilnahmslosen Kälte, die ihn
selbst schreckte. Doch er würde ihn nicht anschreien, nicht noch
größere Schwäche vor dem anderen zeigen.
Er erzitterte leicht, als er einen Kuss in seinen Nacken gehaucht
spürte.
"Weißt du es nicht?", fragte Hisui leise zurück, zupfte mit seinen
Lippen an der schlaffweichen Haut in Shinjus Genick.
Bebend presste Shinju die Lider zusammen. Er wollte Hisui jetzt und
hier, an Ort und Stelle das Herz aus der Brust reißen, es mit seinen
eigenen Händen zerquetschen, er wollte schreien, wollte die ganze
Welt ertauben lassen.
Stattdessen schluchzte er nur erstickt, bis ihm seine eigenen
Tränen die Kehle hinabliefen und versuchten ihn zu ersticken.
"Ich habe auf dich gewartet... Und du bist _nicht_ gekommen!",
warf er ihm immer lauterwerdend vor. "WO WARST DU?"
Er riss sich aus Hisuis Umarmung los, schlug mit seinen Fäusten
verzweifelt und wütend auf dessen Brust ein, die sich weiterhin nur
ruhig hob und senkte, ohne dass der Größere einen Versuch
machte, Shinju davon abzuhalten.
"Wo warst du?", hauchte er aufgelöst, blickte in ein Gesicht, das
nicht nur so blass und glatt wie weißer Marmor war, sondern auch
so erstarrt und undeutbar.
Wortlos zog ihn der Andere wieder in seine Arme, so fest, dass
Shinju, sein Gesicht in Hisuis Halsbeuge vergraben, fast keine Luft
mehr bekam.
"Ich habe dich gesucht", sagte er statt eine Antwort zu geben,
versuchte mit keinem Wort sich zu entschuldigen, geschweige denn
sich zu rechtfertigen.
"Aber du warst nicht da...", schluchzte Shinju hilflos. Er wollte,
dass es aufhörte. Wollte nicht innerlich zerreißen, weil sein Geliebter
einerseits sein Versprechen gebrochen hatte, aber andererseits...
andererseits _jetzt_ da war und ihm mit seinen stillen Gesten
zeigte, dass er ihm trotz allem nicht gleichgültig war.
Stumm bettete Hisui ihn auf das bereits ausgebreitete Futon,
öffnete bedächtig das Hemd des Kleineren und zog es von dessen
Schultern, rieb etwas Schmutz von seinem Hals und betrachtete
eine Weile lang nur stillschweigend die blauen Flecke an Shinjus
Handgelenk.
Der Blauäugige schloss seine Lider und drehte das Gesicht weg, ließ
es wehrlos geschehen, dass der andere ihn auszog, bis er nackt auf
dem Schlaflager lag.
"Mach schon", flüsterte Shinju mit bebenden, enganliegenden
Nüstern, während Tränen unter seinen dichten Wimpern
hervorquollen. Dazu war er also noch immer gut genug... "Tu es!"
Doch Hisui strich nur zärtlich seine nackte Haut, schien jeden
Zentimeter berühren zu wollen. "Es tut weh, nicht wahr?", wisperte
er plötzlich in sein Ohr, drückte seine Lippen kurz und sanft auf sein
Ohrläppchen.
Shinju lachte bitter. "Nein."
Hisui ließ sich nicht beirren, fuhr fort, ihn am ganzen Körper zu
streicheln und antwortete schließlich leise und seltsam gefasst:
"Wenn es schmerzt, warum schmerzt dann dein ganzer Körper?"
Verunsichert öffnete er die Augen, vergaß für einen Moment alles
andere.
"Solange wir leben, liegt im Blut unsere Seele geborgen, Shinju.
Deswegen schmerzt es überall in deinem wunderschönen Körper -
denn dein Blut ist überall in dir und in ihm deine Seele. Und mit ihr all
deine Erinnerungen, deine Gedanken, dein... ganzes Leben - und...
deine Liebe. Du schenktest mir deine Liebe und so möchte auch ich
dir etwas geben, damit du glücklich wirst, wenn ich anders kein
Lächeln mehr in deinen Augen entfachen kann...", antwortete er
sich selbst, ruhig und ohne in seinen Berührungen innezuhalten,
malte Kreise und geschwungene Linien auf Shinjus Haut, als wolle er
seine Worte so noch unterstreichen.
Der Jüngere starrte ihn aus geweiteten Augen an. "Hi...sui?"
"Ich bin nicht das, was du von mir glauben magst, das ich bin. Auch
in meinen Adern pulsiert Blut, doch es ist nicht... mein eigenes Blut.
Ich bin ein Vampir, Shinju." Die letzten Worte waren leiser als ein
leichter Windhauch, doch ihm kam es vor, als hätte der... der
_Vampir_ sie geschrieen.
"Was... was meinst du damit?", fragte er hilflos, klammerte sich
plötzlich an Hisui. Er hatte noch immer Angst, doch seine Angst
hatte sich gewandelt. Er hatte Angst, doch nicht mehr um sich
selbst, nein... er hatte Angst um die tiefschwarzen Augen, das
rabenfederweiche, nachtfarbene Haar, das blutrote Herz, das
gemächlich in Hisuis Brust pulsierte.
"Es ist ein Traum, Shinju", erwiderte der andere mit geschlossenen
Augen, verstärkte leicht den Druck auf seiner Haut, um den
Jüngeren noch intensiver zu fühlen. "Ein schöner, ewig währender
Traum. Und ich kann ihn dir geben, wenn das dein Wunsch ist... Nie
wieder wirst du in dieser schmerzhaften Realität erwachen - du
wirst stattdessen glücklich sein und nichts wird dein Glück fortan
noch zerstören können... Das... das ist mein Geschenk an dich, weil
du mir ohne zu zögern dein ganzes Herz geöffnet hast, weil du...
mich geliebt hast..."
"Hi-Hisui, was... wovon redest du?", fragte Shinju ängstlich.
Der Angesprochene öffnete die Augen und sah ihn lange
schweigend an. Dann beugte er sich über ihn und küsste ihn sanft
und zärtlich. Und dieser Kuss, er... schmeckte nach Abschied.
"Hab keine Angst. Es wird nicht weh tun... Wenn du dich nicht
dagegen wehrst, ist es sehr schön... Ich werde dir den schönsten
Traum schenken, den je ein Mensch geträumt hat... Und in diesem
Traum... werden wir glücklich sein. Ich werde dich nie mehr
enttäuschen und alles tun was du willst. Und ich... ich werde dich
ein letztes Mal lächeln sehen."
Shinju schluckte, sah ihn völlig verunsichert an. Doch plötzlich
erschien Fukusawa vor seinem geistigen Auge, hörte er wieder diese
kalte Stimme. Er blinzelte heftig, um die quälenden Bilder zu
vertreiben, sah dann erst in Hisuis Augen.
Tatsächlich. Er meinte es ernst.
Langsam nickte er. "Das... das wäre schön", flüsterte er zaghaft.
Für immer mit Hisui glücklich sein, und wenn auch nur in einem
Traum... ja, das war besser als sich jahrelang zu quälen und immer
neuen Mut zu schöpfen, nur um wieder enttäuscht zu werden.
Hisui lächelte traurig, strich ihm sanft über die Wange, küsste ihn
ein letztes Mal, dann hauchte er sanft: "Schließ die Augen, Shinju.
Ich möchte, dass du mich als "Mensch" in Erinnerung behältst -
Vampire haben nichts in deinem Träumen zu suchen..."
Er tat wie geheißen und auf einmal spürte er, wie sich etwas
veränderte. Die Atmosphäre im Raum wandelte sich. Sie wurde
sonderbar... _dunkler_, aber es war eine Geborgenheit und Wärme
ausstrahlende Dunkelheit. Gleichzeitig aber wurde er auch erregter.
Die Luft schien auf seiner Haut zu prickeln und er musste leise
seufzen, als er Hisuis warme Lippen an seinem Hals spüren konnte.
,Wenn du dich nicht dagegen wehrst, ist es sehr schön...' - Shinju
verstand nicht, wieso man sich gegen solch wunderbare Gefühle
wehren sollen wollte? Und wenn das erst der Anfang war, wie war
dann erst der "Traum"?
Völlig entspannt zog er Hisui in seine Arme, strich gedankenverloren
durch seine Haare, wollte ein letztes Mal in seinem Leben die
angenehme Schwere auf sich spüren, bevor er für immer schlief.
Ein Windhauch trug die letzten Worte, die er hören sollte, an sein
Ohr, kitzelten es zärtlich, geradeso wie Hisuis schlanke Finger.
"Vergiss mich nicht..."
Es war, als würde man ihn an einen fremden Ort entführen, als
würde er ganz allmählich und doch plötzlich im Paradies selbst
erwachen. Er konnte spüren, wie die Sonne warm auf ihn nieder
schien und merkte, dass er rücklings von starken aber sehr
behutsamen Armen gehalten wurde, während eine schlanke Hand
beständig und sehr zärtlich durch sein Haar fuhr, ihm liebevoll über
den Kopf streichelte.
Shinju lächelte warm. Hisui konnte einfach nicht die Finger von
seinem Haar lassen. Und das, obwohl sie nun schon seit zwei Jahren
zusammen waren. Aber wenn er ehrlich war, dann wollte er auch
nicht, dass das Gegenteil eintrat - dafür genoss er diese
Streicheleinheiten einfach zu sehr und Shinju wusste ganz ernsthaft
nicht mehr, was er ohne seinen Liebling getan hätte.
Er hörte, wie ihm Hisui ein inniges Liebesgeständnis in sein Ohr
hauchte, das Ohrläppchen dann zärtlich mit seiner Zunge und ganz
leicht auch mit seinen Zähnen malträtierte, bis Shinju nur noch
abwechselnd seufzen und leise stöhnen konnte.
"Ich liebe dich auch", flüsterte er leise und drehte sich mit
genüsslich geschlossenen Augen um. "Mehr als das."
Langsam öffnete er die Augen, um seinem Geliebten
entgegenzublinzeln.
Und erstarrte scharf zischend mitten in der Bewegung.
"Schatz?", machte Hisui besorgt und wollte ihm über die Wange
streichen, doch da war Shinju auch schon wie vom Blitz getroffen
zurückgewichen. "Schatz, was hast du? Ich bin es doch - Hisui."
Kein Zweifel, er hörte sich nicht nur so an, _er sah auch aus_ wie
Hisui. Und einmal ganz davon abgesehen, dass er sich beim besten
Willen nicht erinnern konnte, wer der "echte" Hisui überhaupt sein
sollte, war dies hier nur eine perfekte Kopie. So perfekt, dass sie
ihm Angst machte.
Shinju schien es, als sprängen ihn all seine gesammelten Ängste
seines vergangenen Lebens mit einem Mal an. Er taumelte unter der
Last, glaubte einen Moment lang auf der Stelle sterben zu müssen,
und wusste doch nicht einmal, woher diese Ängste kamen. Seit er
sich erinnern konnte war er _immer_ glücklich gewesen, genau
genommen hatte er bis eben noch nicht einmal _gewusst_, dass es
das Wort "Unglück" überhaupt _gab_!!
In Shinju begann sich alles zu drehen. Nein, das war doch absurd.
Niemand konnte glücklich sein, wenn er nicht auch das Unglück
kannte. Woher sollte man wissen, dass man "glücklich" war, wenn
man doch gar nicht wusste, dass es noch einen anderen Zustand
gab? Das war ja genauso, als wolle man einem von Geburt an
Blinden beschreiben, wie die Farbe rot aussah!
Blitze aus reinem Schmerz schlugen überall in und auf seinem Körper
ein, ließen ihn sofort zusammenbrechen.
"Shinju! Hör auf damit! Du darfst dich nicht erinnern! Willst du etwa
alles kaputt machen, was wir haben? Ich liebe dich und du liebst
mich! Das kannst du nicht machen!", schrie "Hisui" und wollte Shinju
packen und durchschütteln, doch er prallte wie gegen eine
unsichtbare Mauer gerannt von ihm ab, ohne ihn nur auch berührt
zu haben und im nächsten Moment begann er so laut zu kreischen,
dass Shinju einen Schock bekam.
Völlig erstarrt, nicht einmal mehr die Schmerzen wahrnehmend
wurde er Zeuge, wie Hisuis Haut überall aufplatzte wie eine
überreife Frucht, wurde mit dunkelrotem Blut bespritzt, während der
andere schreiend von innen her zerrissen wurde.
Dann fiel Shinju in eine gnädige Ohnmacht.
Hisui weinte bitterlich und konnte nicht mehr aufhören, _wollte_
nicht aufhören, wollte sich in seinen eigenen Tränen auflösen und
für immer ausgelöscht werden, ohne jegliches Bewusstsein, wollte
zum völligen Nichts werden.
Es tat so weh, Gott, es tat so weh! Warum konnte er nicht
sterben, jetzt auf der Stelle?
Schluchzend wiegte er den leblosen Shinju in seinen Armen,
während er trank bis der unnatürlich blasse Junge in seinen Armen
endgültig gestorben war und gurgelnd ließ er von dem schlanken
Hals ab, musste würgen, konnte es nur verhindern, indem er sich
auf die Unterlippe biss und dabei ungewollt seine Fangzähne in sie
grub.
Im nächsten Moment küsste er Shinju leidenschaftlich, versuchte
alles mögliche, damit die Lippen ihn zurück küssen würden, doch die
nun kalten und fahlen Lippen ließen nur geschehen und bewegten
sich nicht von selbst.
"Shinju", schluchzte er. "Shinju, bitte... ich kann nicht... ich kann
dich nicht umbringen."
Im nächsten Moment riss er sich mit seinen Zähnen brutal die
Pulsader auf und presste sie an Shinjus Mund. "Wach auf!!", schrie
er, half nach, damit Shinjus toter Körper das Blut schluckte.
Stunden vergingen... erst zwei, dann drei, auf die vierte folgte die
fünfte...
Nichts geschah.
"Das kannst du mir nicht antun, Shinju, ich liebe dich doch, ich
wollte nur dich, mehr nicht, bitte, lass mich nicht allein, Shinju,
wach auf, bitte, Shinju....", stammelte er immer wieder, wagte es
nicht mehr den leblosen Körper zu berühren, aus Angst die Kälte zu
spüren. Die Kälte des Todes.
"Shinju..."
Starr blickte er auf Shinjus wortwörtlich leichenblassen Körper
hinab. Selbst jetzt, nach zwei unendlichen Monaten, wusste er
noch nicht, was schief gelaufen war.
Shinju war tot. Und doch wieder nicht. Er war weder Vampir, noch
Mensch und sein Zustand war am ehesten mit einer Art Koma zu
vergleichen, das gleichzeitig die Zeit für diesen Körper stillstehen
ließ. Denn noch immer sah Shinju aus wie an seinem letzten
Lebenstag, noch immer nicht hatte die Verwesung eingesetzt, ja
nicht einmal die Leichenstarre! Nichts! Rein gar nichts! Hätte Shinju
noch geatmet, man hätte vermutet, er schliefe nur.
"Hisui", flüsterte Akamatsu-san hinter ihm leise. Der zweite Vampir
im Bunde. Ja, tatsächlich. Ihre unschuldige Lehrerin war ein Vampir
und nebenbei schon unzählige Jahrhunderte alt. Sie war es auch,
die einige Beschwörungen vorgenommen hatte, damit den Menschen
um sie herum nichts auffiel.
Er drehte sich nicht zu ihr um.
"Hisui, du musst etwas trinken! Du hast schon wieder tagelang kein
Blut zu dir genommen. Bitte, tu es für Shinju! Wie willst du ihn
beschützen, wenn du stirbst - _endgültig_ stirbst??"
Ohne den Blick von Shinju zu lassen, schlug er alles andere als sanft
seine Zähne in das angebotene Handgelenk und trank gerade soviel
Blut wie nötig. Gleichgültig. Ihm war alles gleichgültig, außer Shinju
- seine Umwelt interessierte ihn nicht mehr.
Jede Sekunde seines Lebens flehte er darum, dass Shinjus Körper
sein Blut aufgenommen haben mochte und somit zum Körper eines
Vampirs wurde. Dass schon zwei Monate vergangen waren,
kümmerte ihn nicht, verzweifelt klammerte er sich daran, dass er
selbst fünfeinhalb lange Monate im wortwörtlichen Todeskampf
verbracht hatte, weil er _nicht_ zum Vampir hatte werden wollen,
sein Vampirvater ihn jedoch nicht sterben ließ und Hisui schließlich
zu geschwächt gewesen war, um sich noch zu wehren.
Nur wenige überlebten die Wandlung zum Vampir, das wusste er,
doch bei Shinju _musste_ es klappen. Nach zwei Monaten ohne
Schlaf, auf einen Schlag völlig erschöpft, sank er über Shinju
zusammen, vergrub sein Gesicht in dem flachen, so schönen und
doch eiskalten Bauch.
Blutige Tränen hinterließen ihre schwarzroten Spuren auf der
blassen Haut, bildeten einen unmöglich anmutenden Kontrast.
Warum? Warum konnte er Shinju nicht zum Vampir machen? Warum
weigerte sich Shinju ganz offensichtlich dagegen? Er wollte seinen
Geliebten wieder, wollte wieder das schüchterne Lächeln sehen,
erregte Laute aus seinem Mund dringen hören.
/Gott, wenn es dich gibt, dann... erhör mich nur dieses eine Mal...
BITTE!!!/, dachte er verzweifelt, nein eigentlich schon längst
wahnsinnig.
Und dann verlor er endlich die Besinnung.
"Wo bin ich...", stöhnte Shinju leise. Nur noch vage konnte er sich
an diesen Alptraum erinnern.
"In einem Traum, du bist in einem Traum", wisperte eine seltsam
körperlose Stimme.
Erschrocken fuhr Shinju auf. "Wer spricht da?"
"Ein Geist. Der Geist des Traumes", kam die gewisperte Antwort,
schien sich mitten aus dem leichten Wind herauszulösen.
"Tra-Traum?", wiederholte Shinju ängstlich.
"Ein endloser Traum, geschaffen von einem Vampir für sein Opfer,
geschaffen für die Ewigkeit..."
Shinju starrte einfach nur in die Leere, war schlicht und einfach
gelähmt. Er befand sich in einer düsteren Welt voller
Nebelschwaden und unangenehmer Gerüche, alles war in
geisterhaftes Zwielicht getaucht.
Erneut drang die Stimme zu ihm. "Er wollte dir einen wunderschönen
Traum schenken, aber du hast dich gewehrt. Du hast dich gewehrt,
weil es nicht dein wahrer Wunsch war zu sterben."
Shinjus Kopf ruckte herum. Jemand hatte seinen Namen gerufen.
Jemand, den er kannte, jemand der...
"Geh und finde heraus, was dein wahrer Wunsch ist. Nur wenn du
deinen wahren Wunsch kennst, kommst du zurück", drängte ihn die
Stimme und ein heftige Windböe ließ Shinju die ersten Schritte
vorwärts taumeln.
Es war, als höre er einen Ruf, der seinen Geist durch die
Nebelschwaden dieser endlosen Finsternis geleitete. Doch
gleichzeitig war es, als wäre das Ding, von dem der Ruf ausging, tief
in ihm drin und er konnte spüren, wie es glühend heiß wurde und
das Wasser, von dem es umschlossen war, begann zu pulsieren,
schließlich zu kochen.
Wasser?
Ja, Wasser...
Und mit einem Mal stand er an einem kleinen schmalen Bächlein,
dass sich geschmeidig einen Hang hinunterwand. Er kannte ihn, es
war der Bach vor dem kleinen Haus indem er zusammen mit Hisui
(Hisui??) wohnte. Er ließ sich auf die Knie nieder und griff nach dem
schlecht erkennbaren Gegenstand. Obwohl das Wasser kochte,
verletzte es ihn doch nicht, nein, es war nur angenehm warm, aber
nicht so heiß, dass es ihn verbrüht hätte. Seine Finger schlossen
sich fast liebkosend darum und er holte es hervor.
Nach einiger Zeit in der er nur schweigend diese Wärme, die sich
immer schneller in ihm auszubreiten begann, genoss, öffnete er
langsam die Hand und betrachtete stumm die kleine,
glattgeschliffene Perle aus grünem Jadestein.
Er... er kannte sie. Shinju wusste es genau. Und nur das war es,
was seinen Geist unruhig umher wandern und keine Ruhe finden ließ.
Sie war der einzig vorhandene und gleichzeitig einzig nötige Hinweis
auf seinen wahren Wunsch.
Doch zu was (oder zu... wem?) gehörte diese Perle, was bedeutete
ihm selbst jetzt noch soviel, dass es ihm diese Rastlosigkeit
bescherte?? Irgendetwas war noch da draußen, das er nicht
verlassen konnte...
Er hatte geglaubt, jemand, auch wenn er nicht mehr wusste wer
(der Vampir??), hätte ihm seinen größten und letzten Wunsch erfüllt
- oder es zumindest versucht. Aber... war es wirklich sein _wahrer_
Wunsch gewesen? War es wirklich das gewesen, was sein Herz und
seine Seele, seinen Geist und seinen Körper völlig erfüllte?
Nein... nein, da draußen war noch etwas - nein jemand!, der auf ihn
wartete, den er nicht verlassen konnte, nicht verlassen wollte...
"Hisui", flüsterte er leise und eine blutige Träne stahl sich über
seine Wange als er die Augen aufschlug und das wunderschöne
Antlitz seines geliebten Gefährten erblickte.
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[1]
"Ich halte deine Hand in meiner
Ich halte deine Hand und du bist so allein
Oh so allein
Deine Augen haben ihr Licht verloren
Deine Augen haben ihr Licht verloren und du bist leer
Oh mein Gott du bist so leer
(Ich bin in dich verliebt)
(Du bist mein Himmel heute Nacht)
Versuche das Herz zu finden, das du versteckst
Versuche das Herz zu finden, dass du vergeblich versteckst
Oh vergeblich
Und du bist mein Himmel im Leben
Und du bist mein Himmel im Tod, Baby
Leben und Tod, mein Liebling
(Ich bin in dich verliebt)
Du bist mein Himmel heute Nacht
(Ich bin in dich verliebt)
Das ist richtig"