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Märchenwirrwarr

von

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Von Fischen und Prinzen Teil 2

Märchenkatastrophe

Chapter 3, Teil 2: Von Fischen und Prinzen - und dem Lied des verliebten Mädchens
 

Lang lang ists her, nun endlich soll diese FF ihren Abschluss finden. In diesem Kapitel wird die Geschichte der "kleinen Meerjungfrau" ihr Ende finden. Danach folgt nur noch der Epilog.

Danke an alle, die die Hoffnung nicht aufgegeben haben und nun ein hoffentlich zufriedenstellendes Ende finden werden.

Vorhang auf für unser mutiges Meermädchen, dem nur noch wenige Tage bleiben, um den Kuss des Prinzen zu erlangen und seinem traurigen Schicksal zu entkommen...
 


 

Schwarze Wolkenfetzen verdunkelten den Himmel. Ein kalter Wind wehte und Ranma schlang die Arme eng um den eigenen Körper, als er versuchte einen kurzen Blick auf den Mond zu erhaschen. Und tatsächlich riss die dunkle Wolkenwand für einen Augenblick auf, um den fast vollständig ausgebildeten Vollmond zu offenbaren.

Zitternd stand der Junge im Sturm.

//Noch vier Tage.//
 

~ ~ ~
 

Auf den nächtlichen Sturm folgte ein Tag wie er sonniger kaum sein konnte.

Der Prinz gedachte auszureiten und wollte schon dem Stallburschen auftragen sein Pferd zu satteln, als ihm plötzlich eine Idee kam und er seine Anweisung änderte. Die Kutsche sollte angespannt werden.
 

„Habt ihr schon gehört wen der Prinz zu einer Kutschfahrt eingeladen hat?“

„Was findet der Prinz nur an dieser flachen Person?“

„Ihr Haar sieht aus wie Seetang…“

„Ihre Augen sind total verheult…“

„Ihre Lippen sind ganz reizend-“

„Gesine!“

„Ja, ja, war nur ein Scherz.“

Die Bediensteten, Hausmädchen wie Zofen, gingen weiter ihren Tätigkeiten nach.

„Nun, vielleicht steht unser junger Prinz ja drauf, wenn sie nicht schreien kann.“

Dreckiges Lachen erklang.

„Ja, oder er-“

„Hey, na wenn das nicht unser stummes Prinzesslein ist.“
 

Die Hände zu Fäusten geballt und den Blick starr geradeaus gerichtet ging Ranma durch die Gruppe der Frauen hindurch ohne ihren spöttischen Knicksen und höhnischen Bemerkungen Beachtung zu schenken. Nach beianhe drei Wochen war er es gewohnt. Un heute trauten sie sich nicht ihn durch die Gegend zu schubsen oder sein Kleid zu zerreißen. Schon blöd, dass die Macht des Märchens ihn immer dann in seine Rolle zwang, wenn er Ranma den Kampfsportler brauchen konnte.
 

„So nachdenklich heute?“

Verwundert schaute der Grünschopf auf und direkt in Ryogas lächelndes Gesicht. Ein schwaches Lächeln stahl sich auf seine eigenen Lippen, drang aber nicht bis zu seinen Augen vor. Irgendwie hatte er sich damit abgefunden diesen Idioten nicht bezircen zu können. In drei Tagen würde er also sterben. Ohne, dass er es ihm gesagt hatte.

Besorgt runzelte der Prinz die Stirn. Seine neue Freundin sah heute ungewöhnlich blass aus. Von ihrer fröhlichen Art, der lustig anzusehenden Verzweiflung, wenn sie versuchte ihm etwas verständlich zu machen und dann frustriert aufgab und eine Schnute zog, oder der Energie mit der sie sich jedem neuen Tag stellte war nichts mehr zu spüren. Das Mädchen neben ihm wirkte müde. Nur ein Schatten seiner selbst. Müde und… resigniert? Aber warum?
 

Ranmas Blick wanderte zur Seite und blieb auf der unendlichen, glitzernden Fläche liegen, die das Meer verkörperte. Bis zum Horizont und darüber hinaus nur Wasser. Wasser, das vor buntem Leben nur so wimmelte. Da draußen tanzten die Quallen Reigen und die Delphine spielten Fangen. Wäre er glücklich geworden dort draußen, im Meer? Als Fischmensch mit einer grünen Flosse, die ihn schneller als jeden menschlichen Schwimmer durchs Wasser trug. Wäre er glücklich geworden in der Gesellschaft der anderen Fischmenschen, deren Leben aus Heiterkeit und Sorglosigkeit bestand?

Unbewusst machte er einen Schritt auf das Meer zu und wurde sofort von einer Hand an seinem Arm zurückgehalten.

//Nun, jetzt ist es zu spät sich darüber Gedanken zu machen.//

Langsam drehte er sich wieder zu Ryoga um und schaute diesem tief in die dunklen Augen.
 

Er wusste nicht, warum er plötzlich ihren Arm gegriffen hatte. Als sie so dagestanden hatte, den Blick aufs Meer gerichtet und völlig in dessen Anblick absorbiert, in diesem Augenblick hatte eine eisige Kälte von ihm Besitz ergriffen. Das Gefühl sie für immer zu verlieren überwältigte und verwirrte ihn. Seit wann hatte er so tiefgreifende Gefühle für das junge Mädchen?

Ihr klarer Blick ruhte auf ihm, sah direkt bis auf den Grund seiner Seele. Forschend, fragend. Aber es lag auch eine unendliche Trauer in diesem Blick, der sein Herz zum Klingen brachte. Als er seinerseits die hellen Seelenspiegel seines Gegenübers erforschte entdeckte er darin wie schon so oft zuvor dieses vage Gefühl des Vertrauten. Sein Herz sehnte sich danach. Nach diesem Gefühl. Der Bedeutung, die dahinter steckte. Aber der Prinz verstand nicht. Und mit einem Zucken seines Körpers unterbrach er ihren Blickkontakt und schaute zur Seite.

„Komm, der Ausflug wird dir gefallen.“

Sanft führte er die Stille am Arm zurück zur Kutsche. Diese Gefühle, was das Liebe? Aber warum sollte er Liebe für eine Person empfinden, die er kaum kannte und über die er nichts wusste?

Gesprenkeltes Sonnenlicht fiel auf die beiden Insassen der offenen Kutsche, als sie durch Alleen grüner Bäume fuhren. Ranma saß entspannt auf dem weichen Polster und genoss die Fahrt. Seine Augen nahmen die Farben und Formen der Natur um ihn herum tief in sich auf. Vielleicht wäre er im Meer glücklich geworden, aber er hätte das satte Grün des Landes vermisst. Den Geruch anch Sonne, Blumen und Leben. Den Wind der lebhaft sein Gesicht umwehte und mit den Strähnen seines offenen Haares spielte. Das Zwitschern und Piepsen der Vögel in den Bäumen und Sträuchern, die vielen geschäftigen kleinen Insekten , die durch die Luft schwirrten, das Schlagen einer Turmuhr in weiter Ferne… Heute würde er das alles wahrscheinlich zum letzten Mal wahrnehmen. Und er war dankbar für diesen schönen Tag. Dankbar dafür, dass er dies alles noch einmal erleben durfte.
 

Still saß währenddessen der Prinz neben seiner Begleiterin und konnte den Blick nicht von ihrem friedlichen Profil nehmen. Was war es, das er für dieses Mädchen mit dem grünen Haar und den unnatürlich hellen Augen empfand? Wie sie so dasaß und die Natur betrachtete wirkte sie ungemein zerbrechlich und schutzbedürftig. Ryoga musste gegen den inneren Drang ankämpfen sie einfach in die Arme zu schließen und vor der Welt abzuschirmen. Aber… konnte man das allein wirklich als Liebe bezeichnen? War es nicht eher der natürliche Instinkt eines Mannes das zarte Geschlecht zu beschützen?

Liebe… seit er von den Klosterschülerinnen aus dem Meer gefischt worden war hatte ihn das gefühl etwas wichtiges vergessen zu haben nicht mehr losgelassen. Es schien als sei ein Platz in seinem Herzen mit dichtem Nebel verhüllt. Ein großer Platz. Ein besonderer Platz. Ein Platz, den er mit Gefühlen von Liebe und Zärtlichkeit assoziierte. Hieß das er hatte früher schon einmal geliebt? Aber wieso sollte er das vergessen haben? Und wer war die Person gewesen? Was war aus ihr geworden? War sie vielleicht damals auch auf diesem Schiff gewesen? War sie von den mörderischen Wellen in ihr kaltes Grab gerissen worden?... hatte er sie nicht retten können?

Nein, sein Hofmarschall hatte ihm berichtet, dass auf dem Schiff nur Matrosen gewesen waren. Aber wo war sie dann, seine große Liebe?

Für einen Moment verschwand die Sonne komplett hinter dem dichten Blätterdach eines alten Baumes und in dem dämmrigen Halbschatten sah Ryoga nicht mehr das grünhaarige Mädchen neben sich, sondern einen Jungen in seinem Alter, mit schwarzem Haar und feurigen Augen, deren Blick ihm durch Mark und Bein ging.

„Ranma…“
 

Sie fuhren unter dem Baum hervor und das unbekannte Mädchen zuckte leicht zusammen. Verschwunden war die Illusion und nur in den Augen der Fremden fand er noch etwas von diesen anderen Augen. Dieser anderen, vertrauten Person. Aber wie war das möglich?

„Wer-?“

Die Kutsche fuhr über einen starken Ast und ein Ruck ging durch den Wagen. Das überraschte Mädchen wurde nach vorne geschleudert. Instinktiv fing Ryoga es auf und zog es zu sich.
 

Ranma hielt den Atem an. Was war das? Erst nannte ihn Ryoga bei seinem Namen und nun lag er in dessen Armen. Ihre Gesichter trennten nur wenige Zentimeter und er spürte den beschleunigten Atem des anderen warm auf seiner Haut. Reglos wartete er ab, zu verwirrt von der schnellen Wandlung des Geschehens. Atemlos. Hoffnungsvoll. Innerlich flehend, dass dies der Moment war auf den er all die Wochen gewartet hatte. Das Ende dieses Alptraums. Der Beginn eines Märchens mit Happy End.
 

Nur schwer konnte der Prinz seine Atmung wieder beruhigen. Das Gefühl des schlanken Körpers in seinen Armen, dieses Gefühl war ihm nicht fremd. Allerdings spürte er nicht den weichen Körper eines grazilen Mädchens, sondern den sportlichen, starken Körper eines jungen Mannes. Und doch fühlte es sich richtig an diesen Körper so eng zu umarmen. Aber wieso fühlte er so? Warum empfand er weder Entsetzen noch Ekel? Warum schrie er nicht Hexe und warf das Mädchen von sich? Warum hielt er sie immer noch eng im Arm und sah in ihr den schwarzhaarigen Jungen aus dem Dämmerlicht? Was war es, das Geheimnis dieses Mädchens? Was verbarg sich hinter den wasserblauen Augen?

Die Zeit stand still. Gedanken wurden ausgeblendet. Herzen öffneten sich. Unerfüllte Sehnsüchte zogen sich gegenseitig an. Wie auf einen lautlosen Befehl schlossen beide gleichzeitig ihre Augen. Ihre Lippen näherten sich einander. Ein letztes kaum merkliches Zögern des Prinzen, dann – ein weiterer Rappel erschütterte die Kutsche und riss das Paar auseinander. Ranma saß wieder auf seinem alten Platz. Der Zauber brach.

„Alles in Ordnung?“

Ein stummes Nicken, Tränen mühsam unterdrückt. Er würde seinem Schicksal nicht entkommen.

Den Rest der Fahrt verbrachten beide schweigend. Der eine, weil er im stummen Körper einer Meeresnixe gefangen war, der andere weil seine eigene Handlung ihn beschämte und verwirrte. Er war ein Prinz. Er hatte die Verantwortung gegenüber seinem Volk zu tragen. Er durfte sich nicht trügerischen Träumen aus Schattenspielen ergeben. Das Ganze machte keinen Sinn.
 

~ ~ ~
 

Das war’s. Aus. Finito. Er hatte es vermasselt. Jetzt geschah es ihm direkt Recht, dass er in zwei Tagen sterben würde. Sterben… Mit dem Sonnenuntergang würde auch sein Leben vergehen. Nein, erst wenn der Mond voll aufgegangen war. Aber welchen Unterschied machte das schon. Er würde sterben. Das war eine unumstößliche Tatsache.

//Wie ich wohl sterben werde?//

Würde die Hexe ihm noch ein letztes Mal erlauben seine Stimme zu gebrauchen? Würde er noch diese eine Chance bekommen, auch wenn es nichts mehr an seinem Schicksal änderte?

//Oh bitte, bitte, bitte. Wenn es da draußen so etwas wie einen Gott gibt, dann bitte gib mir die Chance zu sagen, dass-//

Ein Geräusch in seinem Rücken ließ ihn alarmiert herumfahren und beim Anblick seines Gegenübers wurden seine Gedanken leer.

//Ryoga.//

Das helle Gewand des Prinzen leuchtete im Licht des Mondes silbern auf. Die feines Züge des vertrauten Gesichts wirkten weicher als bei Tageslicht. Die Augen des Braunhaarigen schimmerten geheimnisvoll und ließen Ranmas Herz schmerzhaft schneller schlagen. Das, jetzt, dieser Moment war vielleicht die einzige Chance, die ihm noch blieb. Eine Chance, an die er nicht mehr zu hoffen geglaubt hatte.

Langsam schritt er auf die Mondgestalt zu, überbrückte die wenigen Meter mit gespenstisch lautlosen Schritten. Er wagte kaum zu atmen, aus Furcht den Zauber des Augenblicks zu zerstören. Dann stand er vor ihm. So dicht, dass er die Wärme des anderen durch sein dünnes nachtgewand spüren konnte. So nah, dass er sicher sein konnte, dass es keine Illusion war, die da vor ihm stand.

In einer unendlich zärtlichen Bewegung legte er seine im Mondlicht porzellangleich schimmernden Hände an Ryogas Wangen, schmiegte seine Handkuppen an die warme, weiche Haut. Seine Lippen umspielte ein trauriges, sehnsüchtiges Lächeln. Tief blickte er die dunklen Augen des Freundes und versuchte daran zu lesen. Dann schlossen sich flatternd seine Lider, tauchten die Welt um ihn herum in Dunkelheit. Und doch sah er den anderen noch genauso deutlich vor sich wie zuvor. Mit laut pochendem Herzen beugte er sich weiter zu der stillen Gestalt. Näherte sich den blassen Lippen.

Seine angespannten Sinne nahmen plötzlich die kühle Brise wahr, die seinen Körper umschmeichelte und seine Glieder mit einer feinen Gänsehaut bedeckte. Das Rauschen der Brandung drang an sein Ohr und die Musik der Meeresbewohner hallte in ihm wider. Es roch nach Meer und Blumen. Eine herrliche Mischung wie es sie nur hier an der Küste gab. Sein Haar, das ihm noch vor wenigen Tagen als die größte Last auf Erden vorgekommen war, fiel ihm samtweich über die Schultern, bewegte sich sanft im Wind und gab ihm ein unerklärliches Gefühl der Geborgenheit. Vor seinem inneren Augen formte sich Ryogas Bild neu. Die schön geschwungenen Augenbrauen, die freche Nase, das kleine Grübchen am Kinn, seine warm lächelnden Lippen…
 

„Nein.“

Sanft aber bestimmt durchschnitt die Stimme die Mondnacht und beraubte Ranma seiner Kräfte. Erstarrt hallte das Wort in seinem Kopf wider und wie betäubt fühlte er die Hand auf seinen Lippen.

Als er die Augen öffnete sah er wie sein Gegenüber einen Schritt zurück trat und damit einen Barriere aus Luft zwischen ihnen aufbaute.

„Das wäre nicht Recht.“

Fest schaute Ryoga in das verzweifelte Gesicht vor sich und ergänzte mit weicher Stimme:

„Warte noch etwas, süße, unbekannte Prinzessin. Die Nacht ist Mutter der süßen Versprechen, der Morgen jedoch Vater fester Bindungen.“

Zart berührten seine Lippen die Hand des Mädchens ehe er sich umwandte und mit wenigen selbstsicheren Schritten das Zimmer verließ.

Hinter ihm sank Ranma zu Boden. Eine Vielzahl an Gefühlen spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Durfte er weiter hoffen? Versprachen die Worte des Prinzen, das was er dachte? Oder hatte dieser Handkuss gerade endgültig sein Schicksal besiegelt?
 

~ ~ ~
 

//Soll ich oder soll ich nicht?//

Unsicher saß Ranma vor seinem großen Kosmetikspiegel in dem vom hellen Morgenlicht durchfluteten Raum. Zum hundertsten Mal fuhr die Haarbürste durch sein Haar. Der Grund für seine Unschlüssigkeit lag beim Prinzen. Dieser hatte ihn heute nicht wie die Tage zuvor zum Frühstück eingeladen. Allerdings hatte er die ganze letzte Woche jeden Morgen am Frühstückstisch des Brünetten verbracht. Vielleicht hatte er inzwischen die Anzahl Tage erreicht, nach denen man keine ausdrückliche Einladung mehr benötigte.

//Oder der Trottel hat einfach vorausgesetzt, dass ich nach seinen nächtlichen Worten kommen würde.//

Er wusste auch noch nicht genau, was er davon halten sollte. Diesem „der Morgen ist Vater fester Bindungen“. Und er wollte auch nicht in diesem kritischen Moment einen unverzeihlichen Verstoß gegen die höfische Etikette provozieren.

//Ach verdammt, warum muss nur alles immer so kompliziert sein?//

Gefrustet stand er auf, stützte sich schwer auf die edle Kommode und blitzte sein Spiegelbild zornig an.

//Bin ich ein Teenie-Girl, das sich ziert und windet? Nein, ich bin ein Mann verdammt nochmal! Und als solcher werde ich jetzt da runter gehen, Ryoga zur Rede stellen und dann…//

Naja, das würde die Antwort seines Freundes zeigen. Und wenn dieser Idiot von einem Prinzen ihn abwies, nun, dann würde er sich zumindest einen schönen letzten Tag machen.

//Und so ordentlich fixiert müssen meine Haare auch nicht aussehen.//

Trotzig wuschelte er sich durch die grüne Haarpracht, bevor er sich entschlossen der Tür zuwandte und mit dem Gefühl eines endgültigen Abschieds sein Zimmer hinter sich ließ. Allerdings stand er keine zwanzig Sekunden später schon wieder vor seinem Spiegel und glättete sich fein säuberlich wieder das Haar. Dann jedoch eilte er wirklich davon und das sonnenbeschienene Zimmer lag verlassen da.
 

„Verzeihen Sie, wenn ich so frei rede, aber Sie scheinen sich in ausgesucht guter Laune zu befinden, mein Prinz.“

„Wie wahr, Hofmarschall, wie wahr.“

Fröhlich pfeifend durchquerte Ryoga die große Halle, um zu seinem privaten, kleinen Speisezimmer zu gelangen.

„Darf ich annehmen, dass Ihr dann bereits die erfreuliche Nachricht vernommen habt?“

„Eine erfreuliche Nachricht?“

Die Gedanken des Prinzen tanzten zu sehr um wasserblaue Augen und meergrünes Haar, um den Worten seines Begleiters allzuviel Aufmerksamkeit zu schenken.

„Über die Ankunft ihrer Verlobten.“

„Verlobten, hm?“

//Verlobten…//

„Wa-Verlobten?!“

Dieses Wort allerdings schaffte es sofort ihn zurück in die Realität zu katapultieren.

„Aber wie, wann, wer?“

Nachsichtig lächelnd klärte der betagte Mann seinen Monarchen auf.

„Prinzessin Ranma aus dem Nachbarkönigreich. Sie war die Klosterschülerin, die euch nach eurem Schiffsunglück das Leben rettete. Ihr sagtet damals, dass Ihr sie zu Eurer Frau nehmen wolltet, sobald sie ihre Schulausbildung im Kloster abgeschlossen habe.“

„Ha-habe ich das?“

Unsicher schaute er zu dem Älteren, der ihm zugleich Mentor und Freund war.

Ranma… der Name kam ihm bekannt vor. Vertraut. Sehr vertraut. Auf diese nicht fassbare Weise, mit der der verhüllte Teil in seinem Herzen in Verbindung stand. Der Name erinnerte ihn an Wärme, Zuneigung, Geborgenheit – aber warum? Verwirrt schaute der Prinz nach oben, wo das grünhaarige Mädchen gerade einem stummen Schreikrampf erlag. Wie von allein fand sein Blick die blasse Gestalt. Er wollte etwas sagen, als –

„Das habt Ihr, mein Prinz. Und ich wäre sehr enttäuscht, wenn Euer Angebot nur aus einer Laune heraus entstanden sein sollte. Die Fahrt hierher war mehr als anstrengend…“

Die tiefe Stimme in seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Golden schimmerndes Haar strahlte ihm entgegen. Dann begegnete er den neckisch blitzenden Augen. Sie erinnerten ihn an etwas. An etwas, das mit seiner Erinnerung an „Ranma“ zu tun hatte. Ebenso wie die für ein so schlankes Mädchen ungewöhnlich tiefe Stimme ließen sie etwas in seinem Inneren erklingen.
 

Es brauchte nur Sekunden, bis er eine Entscheidung getroffen hatte.

„Aber nicht doch, Prinzessin.“

Elegant verbeugte sich der Prinz vor der blonden Schönheit. Diese Person hielt den Schlüssel zu seiner Zukunft in ihren Händen, da war er sich sicher.

„Meine Worte damals entsprangen dem tiefsten Wunsch meines Herzens.“

Der Prinz in ihm wusste, dass er das Richtige tat.

„Und gerne wiederhole ich meine Worte für Euch: Prinzessin, wollt Ihr meine Frau werden und an meiner Seite über das Wohl unserer beiden Reiche wachen?“

Er wusste, dass er das Richtige tat. Dass seine Entscheidung eines Monarchen würdig war. Er wusste, dass sein Herz nicht ruhen würde, bevor er das Geheimnis um Ranma nicht aufgedeckt hatte. Und der Weg eben jene bei ihm zu behalten, war sie zu heiraten. Schließlich wollte sein Herz ihm doch sagen, dass er sie, dass er Ranma liebte. Oder etwas nicht? Denn wenn alles so richtig war, warum brannte dann ein Teil seines Herzens wie Feuer? Wenn er die richtige Entscheidung getroffen hatte, wieso hatte er dann das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen? Und warum fühlte er sich, als würde er sich selbst den wichtigsten Teil seines Selbst herausreißen?
 

Die dunklen Augen der Prinzessin schauten lächelnd zu dem Prinzen auf als das Mädchen in einem angemessen tiefen Knicks versank.

„Ja ich will… mein Prinz.“

„Dann soll morgen unsere Hochzeit gefeiert werden. Keinen Tag länger will ich warten. Der Hofmarschall soll alles für die Feier vorbereiten und umgehend die Adligen und Würdenträger unserer beiden Länder benachrichtigen. Jeder Händler, Fischer und Bauer soll sich freuen und feiern – unser Land bekommt eine wunderschöne Herrscherin.“

„Jawohl mein Prinz. Wie Ihr wünscht.“
 

Eine Hand vor den ohnehin stummen Mund gepresst stürmte der echte Ranma von den anderen unbemerkt nach draußen. Der Kampfsportler in ihm schrie und tobte, dass das Mädchen gefälligst umdrehen und dem Trottel eine verpassen sollte – bevor es sich mit Gewalt einen Kuss von dem Betäubten holte. Sie beide aus diesem Horror befreite. Doch das Herz der kleinen Meerjungfrau war gebrochen und die Stimme Ranmas drang nicht mehr zu ihr durch. Und so rannte sie ohne auf den Weg zu achten immer weiter und weiter, bis ihre Beine unter ihr nachgaben und sie in den heißen Sand des Strandes fiel.

Lautlose Schluchzer schüttelten den zierlichen Körper, während sich heisse Tränen mit dem Salzwasser des Meeres vermengten. Die Trauer und Qual der geplagten Seele hinaus zu ihren Verwandten trugen. Und als die Tränen versiegten war es Ranma, der da in der Brandung kniete. Ranma, der das Gefühl hatte, dass ihm sein Herz in der Brust zerspringen müsste. Ranma, der sich zum ersten Mal seit er in dieses Märchen gezogen worden war der Figur die er verkörperte wirklich nahe fühlte. Der den Schmerz der Nixe zu gleichen Teilen teilte. Und dann ließ auch der starke Kämpfer seinen Tränen freien Lauf und seine lautlosen Schreie hallten über das tosende Meer.

//Warum? Warum?? Warum… tut es so weh…//
 

Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten ehe sich plötzlich starke Arme um die halb im Wasser liegende Gestalt schlossen und sie vorsichtig aufrichteten.

„Scht, nicht weinen…“

Überrascht und zornig über seine eigene Schwäche drehte Ranma sich um und entzog sich weitgehend der Umarmung. Seine Hand hob sich wie von alleine, bereit Ryoga eine zu scheuern, als seine vom vielen Weinen geröteten Augen die Gestalt des jungen Wachtposten erkannten.

//Was?//

Verwirrt hielt er inne, die Hand in der Luft erstarrt bis sein Gegenüber sie sanft in seine eigene nahm. Die andere legte er auf Ranmas Wange und beinahe zärtlich strich sein Daumen eine schimmernde Träne beiseite.

„Du bist wunderschön,“ flüsterte die Wache und der Körper des Grünhaarigen versteifte sich.

„Ich hätte nie gedacht, dass ein Mann so schön sein könnte…“

//Wa-was? Mann?? Was-wieso…//

Geschockt weiteten sich Ranmas Augen.

Die Wache lächelte.

„Warum ich erkannt habe, wer du wirklich bist? Weil ich wie du als unbeteiligte Person in dieses Märchen hineingezogen wurde.“

Der Blick der hellen Augen wurde misstrauisch.

„Doch, wirklich. Ich sollte hier auf meine Freundin treffen und gemeinsam hätten wir das Märchen beendet und wären wieder frei gekommen. Aber sie… sie hat sich von einer dieser Figuren um den Finger wickeln lassen und geheiratet. Jetzt lebt sie in einer glücklichen Märchenwelt und ich bin dazu verdammt jeden Tag an mein Leben da draußen zu denken, ohne jede Chance jemals wieder zurück zu kehren.“

Die Augen des jungen Mannes verdunkelten sich vor Sehnsucht und Trauer als er über das Meer blickte. Ranma konnte nichts tun als unbeweglich vor ihm zu sitzen, während seine Gedanken Karussell fuhren.

„Ich habe sofort erkannt, dass du dasselbe Schicksal teilst. Aber ich habe dir bis zuletzt gewünscht, dass du es schaffst. Wirklich, ich habe es für dich gehofft. Deswegen habe ich mich dir nicht zu erkennen gegeben…“

Seine Arme schlossen sich fester um Ranma und drückten den durchnässten Körper wieder enger an sich.

„…der Prinz muss ein riesen Idiot sein, wenn er jemanden wie dich gehen lässt.“

Ranma wollte sich protestierend aus dem Griff des Wachpostens befreien, abstreiten, was dieser andeutete, aber er fühlte sich zu müde, zu erschöpft, zu hoffnungslos. Und die Wärme, die der größere Körper ausstrahlte, tat gut. Es tat gut nicht allein zu sein. Zu spüren, dass man nicht niemand war, sondern dass es jemanden gab, der einen beachtete und sich um einen sorgte. Es tat gut und deshalb ließ er es zu, dass sich der Kopf des Fremden auf seine Schulter legte.

„Du bist so wunderschön. Dein Blick fest und unwiderstehlich. Deine Lippen verführerisch und süß. Dein Körper makellos und stark…“

Müde ließ der vom Schicksal Gebeutelte sich von den geflüsterten Worten einlullen. Morgen würde sein letzter Tag sein, das hieß heute war seine letzte Nacht. Und es war sein gutes Recht sie so zu verbringen wie er es wollte. Das Märchen hatte keine Macht mehr über ihn. Hatte sie verloren, als er das Spiel verloren hatte. Jetzt wartete er nur noch auf das endgültige Game Over. Er konnte nicht fliehen, deswegen bekam er das Geschenk der Freiheit für seine letzten Stunden. Frei zu tun was ihm beliebte. Und er hatte nicht vor zu sterben ohne wenigstens einmal in seinem Leben geliebt zu werden.

Sanft aber bestimmt drückte er den Körper der Wache etwas auf Abstand. Zögernd betrachtete er sich zum ersten Mal das Gesicht des Fremden aus der Nähe. Ließ den Blick über die warmen braunen Augen schweifen, die schmale Nase und den stoppeligen Bartwuchs um dessen helle Lippen. Zögerlich strich er eine orangerote Haarsträhne zur Seite zurück, bevor er sich nach vorne beugte und einen flüchtigen Kuss auf die fremden Lippen drückte.

Nun doch etwas sehr über sich selbst überrascht richtete er sich schnell wieder auf. Dann schaute er den Rothaarigen etwas verlegen aber fragend an und keine zwei Sekunden später wurde er von einer schwieligen Hand an seinem Kinn zurück in einen tieferen Kuss gezogen.
 

~ ~ ~
 

Die Mittagssonne strahlte hell durchs Fenster, als Ranma erwachte. Blinzelnd wartete er darauf, dass sich seine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnten. Dann stand er vorsichtig auf, bedacht darauf die schlafende Person neben sich nicht aufzuwecken. Rasch suchte er seine Kleidung zusammen und zog sich an. Im Türrahmen der kleinen Hütte blieb er stehen um seinen Blick über das Meer schweifen zu lassen und die frische Brise zu genießen. Das Geschrei der Möwen machte ihn auf das geschäftige Treiben im Hafen aufmerksam. Dort wurden offenbar gerade die letzten Vorbereitungen getroffen bevor das Schiff des Prinzen mitsamt seiner Braut und der ganzen Hochzeitsgesellschaft auslaufen konnte. Die Trauung selbst sollte auf hoher See stattfinden.

Warme Arme schlangen sich von hinten um seinen Bauch und lächelnd ließ er sich an den halbnackten Körper hinter sich ziehen. Eine verschlafene Stimme kitzelte sein Ohr.

„Und du willst das wirklich durchziehen? Bist du dir sicher?“

Ranma nickte. Er hatte der Wache versucht zu erklären, dass er bei der Hochzeit anwesend sein wollte. Der Rotschopf hatte verstanden, was er meinte, aber er konnte seine Gründe nicht verstehen. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann konnte Ranma das auch nicht. Nichts verband ihn mehr mit diesem Menschen, der zum Prinzen dieser Märchenwelt geworden war. Er hatte keine Verpflichtungen mehr ihm gegenüber. Noch irgendeinem anderen. Warum also sollte er sich unnötig quälen?

//Weil ich bis zuletzt in seiner Nähe bleiben will. Weil das Letzte das bei meine Augen erblicken sein Gesicht sein soll…//

Aber das konnte er seinem unerwarteten Leidensgenossen nicht erzählen. Nicht ohne ihm von seinem baldigen Tod zu berichten. Und das war etwas, das er nicht gewillt war dem jungen Mann aufzubürden. Nicht ihm, der gekommen war, als er sich selbst aufgegeben hatte. Dem ersten und einzigen, der ihn auch ohne Worte verstanden hatte. Ranma war ihm dankbar, so überaus dankbar. Und er wollte die Wärme zwischen ihnen nicht belasten.
 

Fröstelnd schmiegte er sich enger an den Körper hinter sich und nahm das Gefühl der Geborgenheit in sich auf.

//Werde ich es wirklich schaffen?//

Mit einem lautlosen Seufzer befreite er sich sanft aus der Umarmung, schaute dem Mann dessen Namen er nicht einmal kannte lächelnd in die Augen und schenkte ihm einen letzten Kuss. Es war ein Abschiedskuss, aber gleichzeitig war es auch ein Danke-schön-Kuss und ein Kuss, der dem anderen alles Glück der Welt wünschte.

Zart glitten seine Finger über den Arm des Wachmanns bis zu dessen Fingerspitzen. Genoss für einen kurzen Moment das Gefühl ihrer verbundenen Hände, bevor er den Kontakt verlor. Entschlossen wandte er sich dem Hafen zu und ging auf die geschäftige Menge zu ohne noch einmal zurückzublicken.
 

Der zurückgebliebene Wachtposten schaute der kleiner werdenden Gestalt lange mit traurigen Augen nach, bevor sein Blick wieder das Meer suchte. Er dachte an seine Freundin, die ihr Glück hier in den Armen eines anderen gefunden hatte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ihr stumm Lebewohl sagte. Eine Möwe flog kreischend vor dem Fenster vorbei und ihr Schatten verdunkelte für einen Moment das Innere der Hütte. Als das Licht der Sonne wieder ungehindert das Heim des Wachmanns beleuchtete traf sie auf glitzernde Seifenblasen, die eine nach der anderen zerplatzte, bis die Hütte verlassen dalag.
 

~ ~ ~
 

Die Trauung war ereignislos im glutroten Licht der untergehenden Sonne vonstatten gegangen. Ranma hatte in einer der hinteren Reihen gestanden und hilflos mit angesehen wie Ryoga der Prinzessin an seiner Seite das Ja-Wort gab. Er wollte schreien. Rennen. Toben. Die ganze verdammte Gesellschaft zum Mond schicken. Aber die Macht des Märchens hielt ihn wieder gefangen und an seinem Platz. Es war ihm nicht einmal gestattet den Blick abzuwenden. Und die heißen Tränen, die sich in seinen Augen sammelten, durften nie über seine Wangen fließen. Erst als das junge Paar sich nach Tanz und Beglückwünschungen in seine eigenen Gemächer zurückzog fand er seine Ruhe.

Still stand er an der Reling des Schiffes und schaute dem Aufgehen des Mondes entgegen. Ein Vollmond. Sein Vollmond. Der Mond, der seinen Tod bedeutete. Die Gedanken des Meermädchens schwammen durch ein zauberreich unter Wasser, umtanzten Korallen und Fische und dachten traurig an die geliebte Familie. Ranma wünschte, er könnte sie trösten. Dass wenigstens dieses kleine stille Wesen, das nie in seinem kurzen Leben irgendjemandem etwas Böses getan hatte, verschont blieb. Aber es war nicht an ihm den Ausgang dieser Geschichte zu schreiben.
 

Unerwartet wurde das Spiegelbild des Mondes durchbrochen und fünf Gestalten tauchten auf. Lautlos wie Gespenster schwammen sie näher heran, bis Ranma sie genauer erkennen konnte. Es waren Meerjungfrauen und auch wenn eine unter ihnen der Schwester ähnelte, die ihn zum Meergott gebrachte hatte, hatten diese Mädchen alle kurze Haare.

„Schwester,“ ergriff die vorderste das Wort.

„Wir haben deinen Kummer vernommen. Der Meerhexe überließen wir unser wallendes Haar. Sie gab uns diesen Dolch.“

Eine Welle trug das glitzernde Messer nach oben und das grünhaarige Mädchen griff danach. Der Griff fühlte sich kalt in seinen Händen an. Kalt und tödlich. Sein Blick wandte sich wieder den Meeresprinzessinnen zu.

„Durchstoße damit das Herz des Mannes, der dir seine Liebe verweigert. Sein Blut muss fließen. Damit wird der Zauber aufgehoben und du kannst mit uns zurückkehren. Zurück in deine Heimat, unter das Meer.“

Neue Hoffnung durchströmte den Körper der kleinen Meerjungfrau und Ranma drückte den Dolch fest an seine Brust.

„Aber spute dich, kleine Schwester. Du hast nicht mehr viel Zeit bis der Mond hoch oben am Himmel steht. Schnell!“

Noch bevor der Klang der befremdlichen Nixenstimme verklungen war hatte sich das Mädchen umgedreht und rannte auf leisen Sohlen zum Brautgemach.

Es musste nicht sterben. ER musste nicht sterben. Sie durften beide weiterleben und wieder ins friedliche Leben unter Wasser zurückkehren. Nie wieder mussten sie diese grausame Welt ertragen. Sie konnte ihre Familie wiedersehen und mit ihnen zusammen glücklich auf dem Meeresgrund leben. Nie nie wieder wollte sie auftauchen…

Die Gedanken und Gefühle des Meermädchens vermischten sich mit Ranmas.

Das einzige, das sie tun mussten, war den Prinzen zu töten, dem ihr Herz gehörte. Den Prinzen, der ihn nicht erkannt hatte, der sie nicht verstanden hatte, der sich dem Kummer und der Liebe in ihrem Herzen verschlossen hatte. Den Prinzen, der sich vor ihren Augen mit einer anderen verbunden hatte. Einen bindenden Eid geleistet hatte. Einen heiligen Eid. Einen Eid… der ihnen gebührt hätte. Einem Prinzen, dem es Recht geschah zu sterben!
 

Zitternd standen Ranma und das Mädchen vor dem Bett des Prinzenpaars. Den Dolch hoch erhoben, bereit ihn jederzeit in Ryogas Brust zu versenken. Der Atem des Schläfers ging ruhig und gleichmäßig, ein Lächeln lag auf seinen Zügen.

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Tränen des Zorns auf diesen Mann, den sie geliebt und für den sie ihr Leben riskiert hatten. Tränen der Trauer, weil sie diesen Mann aufrichtig geliebt hatten und es grausam war, dass es so enden musste. Tränen der Verzweiflung, da sie wussten, dass sie diesen einzigen Ausweg aus ihrem traurigen Schicksal nicht nehmen konnten, dass sie diesen Mann nicht töten konnten. Nie könnten sie ihm, dem ihr Herz gehörte, ein Leid zufügen und deswegen würden sie nun selbst sterben müssen.

Aufschluchzend verschwand das Meermädchen aus Ranmas Bewusstsein, überließ es ihm nun das Ende des Märchens zu gestalten.
 

Langsam senkte der Schwarzhaarige den Dolch und legte ihn behutsam auf das Nachtkästchen. Das leise Klirren störte den Prinzen in seinem Schlaf und er bewegte sich unruhig bis Ranma sanft eine Hand auf die seine ehemaligen Kontrahenten legte und sie beruhigend drückte. Augenblicklich entspannte sich das Gesicht des Schläfers wieder. Der Mond war inzwischen voll aufgegangen und sein silbernes Licht floss über die schlummernde Gestalt.

Der Junge lächelte, als er an die letzte Nacht dachte in der er Ryoga in Mondlicht getaucht gesehen hatte. Damals… hatte er für einen kurzen Augenblick geglaubt, dass sich wider erwarten doch noch alles zum Guten wenden würde und sie beide lachend diesem Märchen den Rücken zuwenden könnten. Wie naiv er doch war. Dieses Märchen hatte seine eigenen Regeln und Gesetze und sein Ausgang war von Anfang an festgelegt gewesen. Es hatte von Anfang an keine Chance auf ein Happy End gegeben.

Verwundert glitt sein Blick über das vertraute Gesicht.

Der Wachmann hatte ihn als wunderschön bezeichnet. Aber wirklich schön, das war nur Ryoga. Soviel gefühl, soviel Kamfgeist, wenn es um etwas ging, das ihm etwas bedeutete… selbst er, der große Ranma Saotome musste davor zurücktreten. Nie könnte er es in dieser Hinsicht mit dem Brünetten aufnehmen. Stur wie er war stritt und kämpfte er weiterhin mit dem Freund, auch wenn tief in seinem Herzen etwas begann sich zu ändern und Ryoga mehr wurde als ein Gegner und Freund. Durch die Erlebnisse in der Märchenwelt verwirrt und aufgewühlt hatten sich die Schutzmauern um sein Herz gesenkt und seine verborgenen Wünsche und Sehnsüchte an die Oberfläche geholt. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem er sich selbst nichts mehr vormachen konnte. Er empfand mehr als bloße Freundschaft für den hitzköpfigen Brünetten. Viel mehr. Aber es war ihm nicht vergönnt gewesen seine neu entdeckten Gefühle zu gestehen. Und nun war es zu spät. Der Vorhang war dabei zu fallen. Das Licht würde erlöschen und das Publikum sich einem neuen Stück zuwenden.

Leise raschelte sein langes Kleid, als er sich nach unten beugte, die Augen geschlossen, die Lippen zum Kuss gespitzt. In seinen Beinen kribbelte es und Blitze durchzuckten seine Nervenbahnen. Es tat weh, aber es war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, der in seinem Herzen wütete.

Das Gewand raschelte erneut, als Ranma sich wieder aufrichtete. Traurig schüttelte er den Kopf. Nein, Ryoga hatte sein Glück gefunden. Wenn er ihn wirklich liebte, würde er das akzeptieren und ihm ein langes, erfülltes Leben wünschen.

Seine Augen brannten, als er eine Hand an seine Lippen drückte und die Finger dann schmetterlingszart über den Mund des Prinzen streifen ließ. Dennoch vergoss er keine Träne, als er mit versucht heiterer Stimme flüsterte:

„ich liebe dich, du Idiot.“
 

„Ich liebe dich, du Idiot…“

„Ranma!“

Abrupt setzte sich Ryoga auf. Seine Atmung ging schnell und gehetzt, sein herz schmerzte bei jedem Schlag, die Luft flimmerte vor seinen Augen…

Was war das gewesen? Diese Worte in seinem Traum… Und dann das Gefühl in einen dunklen Schacht zu fallen… Sein Blick fiel auf das blonde Mädchen neben sich, das sich unruhig im Schlaf bewegte. Ranma. Seine Frau. Es ging ihr gut. Alles war gut. Er – nein! Nichts war gut. Das war nicht „Ranma“. Das war nicht der Ranma, dem seine Gedanken galten, wenn er den sanften Versprechen der Nacht nachgab.

Mit einem Mal fiel ihm alles wieder ein. Alles. Das Märchenbuch, das Schiff, der Sturm, das Mädchen mit dem grünen haar und dem Fischschwanz, das ihn gerettet hatte. Der Strand und die blonde Ranma, das Schloss und das stumme Mädchen, das plötzlich aufgetaucht war. Erst jetzt erkannte er in ihr seine Retterin aus dem Meer. Die Begegnung unter dem fast vollen Mond, das unausgesprochene Versprechen, das Auftauchen seiner Verlobten. Der Blick aus tieftraurigen Augen während der Trauungszeremonie. Augen die so hell und klar waren wie der Himmel an einem wolkenlosen Tag. Und doch gehörten sie Ranma. Ranma, der die ganze Zeit versucht hatte ihn auf sich aufmerksam zu machen. Die Verzweiflung in diesen Augen… und er Idiot hatte ihn all die Zeit nicht erkannt!

„Ich liebe dich…“ Die Worte schwebten langsam wie Nebelfetzen durch sein Bewusstsein.

Mit einem Sprung war er aus dem Bett und stürzte zur Tür heraus.

„Ranma!“

Hastig sprang er die Stufen nach oben stolperte und fiel mit Händen und Knien aufs Deck. Weißer Stoff flatterte in einiger Entfernung vor ihm über die rauen Holzplanken und als er seinen Blick hob erkannte er das Mädchen mit den grünen Haaren, das zugleich Ranma war. Es besaß nun wieder einen grünschillernden Fischschwanz und saß anmutig auf der Reling, das Gesicht wie im Gebet dem Mond zugewandt, die Augen geschlossen.

„Ranma…“

Eine Träne glitzerte im Mondlicht hell auf bevor sie vom Wind davon getragen wurde.

„…Idiot,“ hörte er die erstickte Stimme seines Freundes. „Du riesengroßer Idiot.“

„Was…?“

Ein Windstoß ließ das volle Haar des Mädchens flattern und bauschte das dünne Gewand auf, bevor sich dieses in tausende kleine Schaumbläschen auflöste. Entsetzt musste Ryoga mit ansehen wie die Nixe nach hinten kippte. Noch im Fall löste sich ihre Gestalt ebenfalls in glitzernden Schaum auf, der von einem ungewöhnlich sanften Seewind über die unendlichen Weiten des Ozeans geblasen wurde.

„NEEEEIIIN!“

Blind vor Tränen stürzte der Braunhaarige sich über die Reling ins Meer, die Finger weit gespreizt um den flüchtigen Schaum zu fangen, festzuhalten und am Gehen zu hindern.

//Du kannst mich nicht verlassen!//

Eisig kaltes Wasser schlug über ihm zusammen, drückte ihn nach unten… dann spürte er nichts mehr.
 

Und das Meer weinte. Unzählige glitzernde Schaumbläschen stiegen zum Himmel auf. Der Wind trug das feine Schluchzen elfengleicher Stimmen zu der erstarrten Hochzeitsgesellschaft. Dann löste sich eine Stimme aus dem Chor der Trauernden und begann zu singen. Mit heller, klarer Stimme, die weit über das Meer hinausschallte erzählte sie die Geschichte eines verliebten Mädchens, das das eigene Leben für seine einzig wahre Liebe opferte. Tränen flossen der Braut übers Gesicht, als sie ihren Blick dem Mond zuwandte und ihr Herz vor Kummer überfließen zu drohte. Dem Kummer der kleinen Meerjungfrau, deren Geschichte weder sie noch sonst ein Mensch auf dieser Erde, der das Klagelied des Meeres vernommen hatte, je würde vergessen können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-03-14T20:48:21+00:00 14.03.2010 21:48
*Mund ganz weit auf klapp*
Lass es so ja nicht enden biiittteere nicht
das wahr so geil das FF das beste was ich je gelesen habe
Ranma soll nciht verschwinden bitte lass ihn zurück kommen biiittteeee
Ich flehe dich an
Von: abgemeldet
2010-03-14T20:47:13+00:00 14.03.2010 21:47
*Mund ganz weit auf klapp*
Lass es so ja nicht enden biiittteere nicht
das wahr so geil das FF das beste was ich je gelesen habe
Ranma soll nciht verschwinden bitte lass ihn zurück kommen biiittteeee
Ich flehe dich an


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