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Anime Evolution

Erste Staffel
von

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Der Strand

Anime Evolution

Episode 9
 

1.

Es war eine mehr als präzise getimte Operation. Der Ansturm verlief unbemerkt, die neuen Tarnanzüge bewahrten uns vor optischer Erfassung. Die Spezialausrüstung erkannte Laserbarrieren und Bewegungsmelder und half, diese kritischen Punkte zu überbrücken.

Dann waren die Elitetruppen an den Türen und Fenstern, legten die Sprengladungen. Durch die Fenster würden Viererteams gehen, die Türen würden mit jeweils zwei Vierer-Squads genommen werden.

Ich starrte mit brennenden Augen auf das im Hologramm dargestellte Gebäude. Der alte Bau war riesig und weitläufig und wir hatten noch immer nicht alle unterirdischen Fluchtmöglichkeiten entdeckt und gesichert. Vom Fluchtweg Luft ganz zu schweigen. Ich wusste nicht, ob die gesamte Kottos-Kompanie der legendären Hekatoncheiren reichen würde, deshalb stand sogar noch Captain Uno mit ihrem Hawk Lady Death in Reserve.

Nach und nach glommen auf dem Hologramm vor mir Grünzeichen auf. Jedes einzelne stand für ein vermintes und aufzusprengenden Fenster oder eine Tür.

Schließlich meldete Makoto: "Wir sind soweit."

Ich nickte schwer. Langsam löste ich mich vom Anblick des Hologramms und ergriff ein Mobiles Funkgerät. Es war auf die Frequenz der Greiftruppe eingestellt.

Ich drückte die Sprechtaste fünf Sekunden, sagte aber nichts. Danach drückte ich sie schnell noch zweimal. Dies war das Zeichen, die Funkstille zu brechen und anzugreifen.
 

Übergangslos flackerte das Hologramm, als der Computer versuchte, die vielfältigen Explosionen mit einzuzeichnen, in denen die Türen und Fenster verschwanden.

Gewehrfeuer klang auf und die ersten Meldungen kamen rein.

"Alpha hier. Lobby gesichert. Rücken weiter vor."

"Charly hier. Starkes Gegenfeuer. Drei Tote, keine eigenen Verluste. Rücken weiter vor."

"Foxtrott hier. Zweiter Stock ist gesichert. Dringen weiter nach unten vor."

Endlos zogen sich die einzelnen Meldungen der fünfzig Einsatzgruppen hin und ich nickte dazu. Eine erste Auswertung ergab, dass wir bereits neun Menschensöldner und einen Kronosier gefangen genommen hatten, weitere fünf plus eins getötet.

Wir hatten tatsächlich ein Nest gefunden. Wie groß es war und wie erfolgreich der Einsatz bleiben würde wussten wir allerdings noch nicht.

"Mayday, Ecco hier. Wir haben einen Schwerverwundeten. Wir evakuieren."

"Mike soll euch ablösen. Sanitäter vor zu Ecco", befahl Makoto. Er sah kurz zu mir herüber, aber ich enthielt mich eines Kommentars.
 

Dann explodierte ein Teil der Fassade. "Charly hier. Der Feind setzt Youmas ein! Ich wiederhole, der Feind setzt Youmas ein."

Ich erhob mich langsam und griff nach meinem Schwert. "Wie viele Youmas?"

"Wir erkennen nur einen. Es ist kein, ich wiederhole, kein besessener Mensch!"

"Halten Sie so lange wie es geht die Stellung, aber lassen Sie sich auf kein Gefecht ein, Charly", befahl ich. "Hilfe ist unterwegs."

Blue Slayer erhob sich von ihrem Platz. Ihr und den anderen Slayers juckte es in den Fingern, immerhin hatten sie dieses Nest entdeckt und wollten etwas tun - irgendetwas.

Aber ich schüttelte den Kopf. "Nein, Blue. Ihr wartet noch. Ich rechne mit weiteren Youmas, auch solchen, die Menschen beherrschen. In dem Fall müsst Ihr zur Stelle sein."

Blue Slayer nickte unwillig. "Na gut. Aber wehe wir kriegen nichts zu tun."

Ich konnte sie verstehen. Es war die erste offizielle Zusammenarbeit zwischen der UEMF und den Magischen Youma Slayern. Sie wollten sich beweisen.

Akari tauchte neben mir auf. "Soll ich mitkommen, Meister?"

Ich schüttelte den Kopf. "Dein Platz ist hier bei den Youma Slayern, Akari. Dein Einsatz kommt noch früh genug."

Ich wandte mich um, ergriff mein Katana und verließ den Kommandowagen im Laufschritt. Neben mir tauchte Yoshi auf, seinen Bogen griffbereit in der Hand.

"Das wird hart, das weißt du hoffentlich!", rief ich ihm im laufen zu.

Yoshi grinste zu mir herüber. "Hey, ich bin nicht so wahnsinnig zu glauben, ich könnte mit Kommandosoldaten mithalten. Aber einen Youma vernichten, das kriege ich noch hin. Außerdem bist du ohne meine Hilfe doch verloren, oder?"
 

Hundert Meter von uns entfernt brach im weitläufigen Komplex ein Dach auf und ein Daishi Alpha stieg auf flammenden Düsen in den Himmel. Ein Beta folgte ihm und wollte Höhe gewinnen, doch da stießen bereits drei Hawks der Kottos-Kompanie herab und zerlegten den Alpha in seine Einzelteile. Der Beta überlegte es sich anders und verlegte sich auf Tiefflug. Doch er flog direkt in eine Geschützbatterie Luftabwehrpanzer und wurde von den großkalibrigen Kanonen regelrecht aus der Luft gefetzt. Als zerknülltes, brennendes Häuflein Schrott ging der einst mächtige Daishi zu Boden.

Ich lächelte leicht. Die Aktion war gut vorbereitet worden. Sehr gut vorbereitet worden.

Während ich durch das nächste Fenster hechtete, um die Position von Charly zu erreichen, sicherte Yoshi meinen Sprung mit seinem Bogen. Als ich unbeschadet landete, kam er nach. Wir orientierten uns kurz und liefen dann dem Geräusch feuernder Waffen nach.
 

"Charly, zwei Mann kommen von hinten rein. Nicht feuern", meldete ich über mein Kehlkopfmikrofon.

"Colonel, sind Sie das? Wird höchste Zeit! Das Ding hat sich Charly zwo geschnappt und durch die halbe Halle geworfen!"

"Bin ja schon da!", rief ich und kam in besagter Halle an. Die restlichen drei Kommandos der Charly-Gruppe hatten sich hinter Möbeln verbarrikadiert und feuerten mit allem was sie hatten auf einen riesigen Dämon. Das Biest sah aus wie eine Mischung aus Stier und Gottesanbeterin. Und gerade griff es nach dem Bein eines bewusstlos am Boden liegenden Kommandosoldaten.

Ich knurrte unwillig und zog meine Klinge. Während dieser Bewegung wich ich seitlich nach Rechts aus, um Yoshi das Schussfeld freizumachen. Sofort schoss der Freund einen Pfeil mit einem Bannspruch ab, der den Youma in der Brust traf. Für einen Moment sah es so aus, als würden vom Pfeil Elektroschocks ausgehen, die über den gesamten Körper der Bestie jagten.

Ich nutzte diesen Moment für eine Attacke und zog die blanke Klinge über den rechten Arm des Monsters. Der Körperteil fiel ab und verpuffte, als wäre er nur Rauch gewesen.

Ein weiterer Pfeil Yoshis traf den Youma am Kopf, worauf die schreckliche Kreatur sich vor Schmerz krümmte.

Ich ließ mein KI wandern, tauchte meine Klinge in dieser Kraft und holte zu einem kraftvollen Karatake aus.

Dann sprang ich die Bestie an und führte meinen Streich über ihren Rücken.

Ich spaltete den Youma längs. Als ich auf dem Boden landete und in die Hocke ging, um meinen Sprung abzufangen, verging der Feind vollends.

Aufgeregtes Raunen der Kommandosoldaten erklang.
 

Ich stürzte zu dem Verletzten und checkte die Medoeinheit an seinem Hals. Puls und Atmung waren noch da, aber beides relativ schwach. "Lightning hier. Charly braucht einen Sanitäter. Lebenszeichen von Charly zwo sind stabil, aber schwach. Schwere Verletzung nicht ausgeschlossen."

"Verstanden. Schicken Rettungstrupp."

Ich nickte Yoshi zu, der auf meine Höhe aufschloss, während die Kommandos bis zum Eintreffen der Sanis die Eingänge sicherten.

"Lightning hier. Bericht."

"Wir haben drei Viertel des Gebäudes erobert. Die Kellerräume werden noch verteidigt und im Erdgeschoss gibt es am Innenhof noch mehrere Räume, die hart umkämpft sind", meldete Makoto. "Unsere Computerspezialisten haben mittlerweile mehrere Terminals des Internen Netzwerk des Nestes gefunden und angezapft. Die Kronosier löschen gerade ihre Daten, aber wir halten dagegen und ziehen so viel wie irgend möglich runter.

Ach, auf der Nordseite sind vermehrt Youmas aufgetreten. Die Kronosier werden dort vielleicht einen Ausfall versuchen. Ich habe die Slayer hingeschickt."

"Achte auf weitere Youma-Aktivität. Ich rücke mit Yoshi weiter vor."

"Sei vorsichtig und lass die Hauptarbeit die Profis machen", murmelte Makoto ärgerlich.

"Bin ich etwa kein Profi?", erwiderte ich amüsiert.

"Schuster, bleib bei deinen Leisten, sage ich da nur."

Als die Sanis mit der Squad November eintrafen, einer der Ersatz-Squads, nickte ich und drängte weiter vor.

"Noch ein Daishi, diesmal ein Gamma. Er durchbricht unseren Absperrgürtel!"

"Keine Chance!", hörte ich Megumis Stimme. Kurz darauf erklang neben dem Sperrfeuer eine Explosion von draußen. Ich grinste matt. Lady Death wurde ihrem Namen wieder einmal gerecht.
 

Ich deutete auf die Novemberleute und dann auf den weiter führenden Gang.

Der Anführer nickte und bedeutete zweien seiner Männern, langsam vorzurücken.

Yoshi und ich hielten uns hinten. Zwar waren wir durch unsere Tarnanzüge nicht schlechter geschützt als die Kommandos, aber wir hatten weder deren Erfahrung noch ihr Training. Hätten wir nicht mit Youmas gerechnet, dann wären wir beide hier nie zum Einsatz gekommen.

"Delta hier. Wir haben einen getarnten Zugang zum Keller gefunden. Kein Widerstand bisher."

"November hier. Wir sind knapp hinter euch. Kommen hinzu."

Ich runzelte die Stirn. Die Stimme kannte ich doch. Führte etwa Daisuke das November-Squad an? War der Junge wirklich so gut?

Wir erreichten die Stellung von Delta, die tatsächlich ein Loch in der Wand bewachten. "Hier geht es definitiv in den Keller hinab", meldete Delta eins.

November eins schob ein Fiberglasendoskop in das Loch. "Ein geheimer Notausstieg. Wir können ihn benutzen. Ich gehe vor."

Was nun folgte war ein Paradebeispiel für Geschwindigkeit und Exaktheit.

Daisuke nahm ein Seil aus seiner Ausrüstung und hakte es in seinem Gürtel ein. Dann ließ er sich kopfüber in den Gang gleiten, seine Waffe sicher im Anschlag. Zwei Mann von Delta griffen zum Seil und ließen ihn langsam herab. Ein November sah den Schacht hinunter und sicherte seinen Kameraden. Der Rest sicherte die Umgebung.

"Langsam jetzt", hauchte Daisuke, als er kopfüber den oberen Rand des Fluchtausstiegs erreicht hatte. Wieder setzte er sein Endoskop ein. "Sicher." Er drehte sich an dem Seil um die eigene Achse und setzte leicht auf dem Boden auf. Dann trat er einen halben Schritt auf den Gang hinaus. Und keuchte erschrocken auf.
 

Ich zögerte nicht länger, schoss in den Gang hinein und rutschte an der Leiter des Notausstiegs hinab.

Unten angekommen sah ich noch, wie mir zwei weitere Kommandos schon folgten, bevor ich hinter Daisuke trat.

Und dann erkannte ich, was ihn zum aufkeuchen gebracht hatte. Ich erstarrte selbst für einen Moment und musste mit meinem Magen kämpfen. Der Anblick brachte alte Erinnerungen hoch. Erinnerungen, die ich überhaupt nicht mochte.

Wir waren in einem länglichen Kellerraum gelandet. Und in diesem Kellerraum standen Biotanks. Zwölf Stück. In jedem einzelnen Tank schwebte ein nackter Mensch.

"Das weckt Erinnerungen, was?", flüsterte ich salopp und klopfte Daisuke auf die Schulter. Das löste ihn aus seinem Entsetzen. Er reagierte nun wieder wie ein Profi und schlich mit vorgehaltener Waffe zur Tür.

Ich besah mir die Tanks genauer. Die Insassen lebten, zweifelsohne. Und es sah auch nicht danach aus, als würde jemand die Anschlüsse an ihren Körpern überladen, um sie zu töten. Für den Moment schienen sie sicher zu sein.

Es gab noch einen dreizehnten Tank, der im Hintergrund stand. Als ich ihn betrachtete, glaubte ich, mein Herz würde aufhören zu schlagen. In dem Tank schwebte tatsächlich ein Kronosier. Was war er? Ein Verräter? Oder ein Freiwilliger, der auf diese Weise seinem Volk dienen wollte?

War er Teil dieser Batterie, die zweifellos zu einem organischen Computer gehörte? Oder war er lediglich aus medizinischen Gründen in dem Tank?

"Lightning hier. Ich melde eins drei Personen in Biotanks, einer davon Kronosier. Erbitte Verstärkung und medizinische Versorgung."

"Verstanden, Lightning. X-Ray, October und Sanitäter sind auf dem Weg."
 

In diesem Moment feuerte Daisuke. Die Tür schwang auf und der eindringende Mensch konnte nur noch verwundert auf die roten Blumen starren, die auf seiner Brust entstanden und sein Ende verkündeten. Der nachfolgende Mensch feuerte ebenfalls und traf Daisuke auf dem Brustpanzer. Die kinetische Energie warf den jungen Mechapiloten zurück.

Ich zog mit der Linken meine Beretta92 und feuerte meinerseits auf den zweiten Söldner. Ich traf ihn in Brust und Schulter. Daisuke hatte sich wieder gefangen und gab dem Verletzten einen Hieb mit dem Kolben seiner Waffe mit. Dann winkte er die beiden Delta-Kommandos vor und bedeutete ihnen, den Gang zu sichern. Kaum waren sie hinaus getreten, als sie auch schon in beide Gangrichtungen feuerten.

Kurz besah ich mir den Raum. Es gab nur zwei Zugänge und keine Fenster. Durch den einen Zugang waren wir gekommen. Durch den anderen wollten wir tiefer in den Keller eindringen.

"GRANATE!", rief einer der Kommandos. Die beiden Männer drängten wieder in den Raum hinein, als hinter ihnen eine Explosion erklang. Der Druck warf sie zu Boden.

Daisuke erwiderte den Gruß und zog je eine Granate vom Gürtel. Er entsicherte sie und warf nach fünf Sekunden in jede Richtung eine. Kurz darauf erklangen die Explosionen. Danach sah er wieder auf den Gang hinaus und gab kurze Feuerstöße in beide Richtungen ab, bis die beiden Delta-Kommandos ihm wieder helfen konnten.

"Das Feuer ist zu schwer! Wir kommen hier nicht ohne weiteres weg, Colonel!", rief Daisuke mir zu.
 

"Vorsicht!", klang Yoshis Warnung auf. Ich wandte mich um und konnte gerade noch sehen, wie ein Pfeil haarscharf an meinem Kopf vorbei schoss. Beinahe glaubte ich, dass die Federn am Pfeilende meine Gesichtsmaske berührten. Ich folgte der Flugbahn des Pfeils und sah eine Geheimtür, die sich langsam öffnete. Ein Söldner mit gezogener Waffe fiel wieder nach hinten, als der Pfeil in seine Kehle fuhr. Ich reagierte sofort, trat die Tür ganz auf und stürmte in den hinteren Raum. Ein weiterer Söldner erwartete mich dort, aber er schien viel zu geschockt über das Schicksal seines Kameraden zu sein, um zu reagieren. Ich zog die Klinge meines Katanas über ihn hinweg und wandte mich dann dem Ausgang dieses Raumes zu. Auch hier standen Biotanks, aber diesmal schienen sie nur Menschen zu beherbergen.
 

Der Ausgang dieses Raums endete nicht auf dem Gang, der so hart umkämpft war. Ich lugte hinaus und erkannte rechts von mir mehrere Söldner, die das Gangende sperrten und hinein feuerten, um Daisuke und seine Kommandos im Raum zu halten. Es waren genau drei.

Für einen Moment dachte ich daran, auf die Verstärkung zu warten, die Profis diese Arbeit tun zu lassen. Aber wirklich nur für einen Moment.

Als ich Yoshi hinter mir ahnte, warf ich mich in den Gang, feuerte die Beretta ab. Singend verließ ein Pfeil die Sehne von Yoshis Bogen und traf den vordersten Menschen. Ich erwischte einen der Söldner auf der anderen Seite. Kurz darauf stand ich vor dem Letzten. Er sah die Gefahr, riss seine Waffe herum, feuerte sie ab. Die Feuergarbe schien auf mich zuzuwandern. Ich zog mein Katana hoch zu einem Sakakaze, einem Aufwärtsschlag. Die Klinge traf voll und mein Gegner sackte zu Boden, den Zeigefinger um den Feuerknopf gekrümmt, bis das Magazin seiner Waffe leer war.
 

Schwer atmend stand ich neben den drei Toten.

Die Kommandos hatten diese unerwartete Entwicklung genutzt und die andere Sperrstellung ausgelöscht.

"Lightning hier", meldete ich mit rauer Stimme. "Weitere eins zwo Biotanks gesichert. Rücken... Rücken weiter vor."

**

Am Ende einer langen Nacht sah ich mir die Bilanz des Gemetzels an. Wir hatten zweihundert Mann in fünfzig Teams eingesetzt, dazu die Kottos-Kompanie und Lady Death. Die zwanzig Luftabwehrpanzer nicht zu vergessen, die das Gelände weiträumig gesperrt hatten.

Die Mechas waren mit leichten Beschädigungen davon gekommen, ebenso die Panzer.

Bei der Infanterie hatten wir drei Tote und über zwanzig Verletzte, zwei von ihnen schwer.

Aber wir hatten vierzig menschliche Söldner getötet, weitere vierundzwanzig gefangen genommen, auch wenn drei von ihnen die Nacht wohl nicht überleben würden.

Dazu kamen vierzehn tote und sechs lebende Kronosier, die fünf Toten in den fliehenden Daishis, die wir abgeschossen hatten, noch nicht mit eingerechnet.

Außerdem hatten die Slayers acht Youmas ausgeschaltet, ich und Yoshi einen.

Wir hatten hier wahrhaftig in ein Wespennest gestochen und die Operation hätte noch viel verlustreicher ausfallen können. Sehr viel verlustreicher. Wir hatten enormes Glück gehabt.
 

Makoto reichte mir einen Becher Kaffee und ich nickte dankbar. Die Auswertungen der aus dem Netzwerk extrahierten Informationen liefen noch, aber wir konnten beinahe mit Sicherheit sagen, dass wir das wichtigste Nest in Japan ausgehoben hatten.

Wir hatten bereits jetzt Hinweise auf mehr als acht Scheinfirmen und weitere vier Nester, die gerade in diesem Moment von der UEMF angegriffen wurden.

Dazu kamen zwei Daishi Gamma, die uns unbeschadet in die Hände gefallen waren sowie sechzig Menschen in Biotanks, die just in diesem Moment von erfahrenen UEMF-Ärzten geweckt und befreit wurden. Auch von ihnen erhofften wir uns wichtige Informationen.

Aber am meisten interessierte mich das Schicksal des einzelnen Kronosiers aus dem Biotank. Was war mit ihm? Welche Informationen konnte er uns geben? War er freiwillig in diesen Tank geklettert? Oder hatten wir hier den ersten Fall eines Kronosiers, der gegen die anderen gehandelt hatte und bestraft worden war?

Ich nippte an dem Kaffee und bemerkte mit Wohlbehagen, dass er noch warm war.

Mit etwas Glück konnten wir in dieser Nacht die gesamte Operation der Kronosier in Japan ausheben. Dann würde ich es mir sparen können, mich zur Schule fahren zu lassen und wieder zu Fuß gehen.

"Es wäre wohl etwas früh zu sagen, dass wir die Kronosier in Japan zerschlagen haben", brummte Makoto müde, "aber es spricht zumindest alles dafür, dass wir ihnen einen derben Schlag versetzt haben. Ich werde vorschlagen, dass deinen Slayer-Mädchen Orden verliehen werden. Dieser Tipp hier war goldrichtig gewesen. Und ohne sie hätten wir gegen diese Dämonen wirklich alt ausgesehen."
 

"Danke, Makoto-san", sagte Blue Slayer, als sie herein kam und sich in einen Sessel fallen ließ. Sie sah von mir zu Makoto und brummte dann: "Uns geht es gut. Danke der Nachfrage."

"Gut zu wissen", kommentierte ich. "Kaffee?"

Blue Slayer winkte ab. "Nein, danke. Es ist drei Uhr Morgens, und ich will nachher noch schlafen können. Immerhin haben wir Morgen Schule, oder?"

Schule? Bei diesem Wort rutschte mir beinahe der Becher aus der Hand.

"Ich bin auch nur kurz rein um zu fragen, ob wir hier fertig sind."

Makoto stand auf und ergriff beide Hände von Blue Slayer. "Hina-chan, wir bedanken uns sehr für eure Hilfe. Wir haben den Kronosiern einen wirklich harten Schlag versetzt und das nur dank euch."

Entsetzt starrte die Slayer Makoto an. Dann ging ihr Blick zu mir. "Hina... chan?"

Abwehrend hob ich beide Hände. "Ich habe nichts verraten!"

Makoto grinste fies. "Es war nur eine Vermutung. Danke, dass du sie bestätigt hast, Hina-chan. Und nein, für heute war es das. Wir räumen noch auf und gehen dann auch.

Dank einer gewissen durchgeknallten Schwester muß ich ja auch wieder in die Schule."
 

Unwillkürlich duckte ich mich und erwartete, dass Sakura-chan durch die Tür in die Mobile Einsatzzentrale gestürmt kam, um ihren Bruder heftig zu quälen. Dann erinnerte ich mich daran, dass sie ja gerade auf dem OLYMP war.

Aber ich war sicher, hätte ich dieses Wort im Zusammenhang mit ihr in den Mund genommen, wäre sie direkt neben mir entstanden und hätte meinen Mund mal wieder auf Dehnfähigkeit getestet.

"Du redest aber nicht sehr nett über deine große Schwester", stellte Blue Slayer fest.

Makoto sah sie an, als hätte ihm gerade jemand einen Kübel Eis in den Nacken gegossen.

"Hina-chan, du wirst ihr doch nicht etwa..."

Blue Slayer reckte sich und gähnte. "Weiß ich noch nicht, Makoto-san. Vielleicht ja, vielleicht nein. Allerdings, wenn du..."

"Ja? Sag es. Wenn ich was? Egal was, ich tu alles. Nur verpetz mich nicht!", rief Mako hastig.

Ich schüttelte stumm den Kopf. Das musste ja daneben gehen.

"Wirklich?", rief sie aufgeregt. "Wirklich alles?"

Nun musste Makoto schlucken. "W... wirklich alles."

"Das ist schön!", rief sie mit leuchtenden Augen. "Ich würde dich zu gerne mal in einer Slayer-Uniform sehen und..."

Makoto wandte sich mit verzweifeltem Gesicht mir zu, aber ich schüttelte nur den Kopf.

"Du weißt doch, in der Not ist sich jeder selbst der Nächste."

"Also, ich bringe die Sachen dann mal am Wochenende mit und wir machen wieder so ne Party wie neulich, ja? Ich geh schlafen." Blue lächelte uns noch einmal zu und verließ das Mobile HQ wieder.
 

"Aaaaaakiraaaaaaaaa", jammerte Mako.

"Dummkopf. Pass halt auf, was du sagst", erwiderte ich und stand auf. "Ich gehe auch schlafen. Hey, Yoshi, Daisuke. Pennen könnt Ihr auch Zuhause."

Die beiden öffneten die Augen. "Und dafür weckst du uns?", erwiderte Yoshi und gähnte. "Ist gerade so bequem."

"Es ist drei Uhr", bemerkte ich trocken.

"Sarah!", rief Daisuke erschrocken. "Verdammt, sie wartet ja auf mich! Also, bis Morgen, Jungs!" Der Mecha-Pilot stürzte an uns vorbei.

Ich runzelte die Stirn. "Na, Schwamm drüber. Ich bin zu müde, um da noch drüber nachzudenken. Kommst du, Mako?"

"Ne halbe Stunde brauche ich hier wohl noch. Geht schon mal vor."

"Meinetwegen", erwiderte ich und gähnte nun auch.
 

Vor dem Wagen erwartete uns Akari. Wortlos schloss sie sich uns an und folgte uns zu einem Wagen der Fahrbereitschaft. "Zu mir nach Hause", murmelte ich verschlafen.

"Natürlich, Colonel Otomo."

Die letzten Worte hörte ich kaum. Ich fiel in einen dämmrigen Halbschlaf.
 

2.

Wider Erwarten schlief ich relativ gut. Die Augen der Toten dieser Nacht verfolgten mich nicht bis in meinen Schlaf und die Gewissensbisse hielten sich in Grenzen.

Es war zwar etwas anderes, statt in einem Mecha gegen andere Mechas anzutreten direkt Mann gegen Mann zu kämpfen, aber man musste wohl nur ausreichend übermüdet sein, um dennoch schlafen zu können.

Als der Wecker klingelte war es doch wieder viel zu früh, und entsprechend mürrisch drehte ich mich auf die andere Seite. Ich hatte gerade in einer geheimen Operation gesteckt. Ich war erschöpft. Ich war müde. Konnten nicht mal andere zur Schule gehen? Konnte ich nicht mal einen Tag blau machen und mich richtig erholen?
 

"O-nii-chan, aufstehen. Du musst zur Schule."

Mürrisch wälzte ich mich herum. "Ich geh heut nicht. Ich schlafe aus", brummte ich und zog die Decke höher.

"O-nii-chan, wenn ich dich nicht wecke, dann macht es Sakura-chan. Und das willst du doch nicht, oder?"

"Und wenn es das verdammte Komitee ist, es ist mir egal", brummte ich. "Und jetzt lass mich weiterschlafen, Yohko."

Ich hatte es kaum gesagt, da tat es mir Leid. Meine Brust begann zu schmerzen und die Augen füllten sich mit Tränen. Ich war schlagartig wach.

Langsam drehte ich mich wieder auf die andere Seite und sah Lilian neben meinem Bett hocken. Sie sah mich aus wässrigen Augen an. "Es tut mir Leid, dass ich nicht Yohko sein kann", brachte sie mit erstickender Stimme hervor.

Ich zwinkerte meine Tränen weg und tätschelte der Kronosierin den Kopf. "Schon gut, Lilian. Es ist mein Fehler. Aber für einen Moment, für einen winzigen Moment dachte ich wirklich, sie sei wieder da. Das ist nichts Gutes und nichts Schlechtes. Aber es zeigt, dass du eine tolle kleine Schwester bist."

"Wirklich?", fragte sie argwöhnisch.

Ich wischte ihre Tränen fort und lächelte sie an. "Natürlich. Sonst würde ich es ja nicht sagen, oder? Habe ich dich jemals angelogen?"

"Nein", murmelte sie und schniefte leise.
 

Mürrisch schlug ich die Decke zurück. "Mist, jetzt bin ich wirklich wach. Dann kann ich ja auch aufstehen, oder?"

Ich richtete mich in meinem Bett auf. Die Rippen schmerzten immer noch ein wenig von dem Attentat auf der Straße, aber wenigstens waren bei der Operation letzte Nacht keine neuen Verletzungen hinzugekommen. Dennoch gab ich einen herzhaften Fluch zum Besten, als ich aufstand. Meine Brust schillerte garantiert noch wie ein Regenbogen. Und dabei waren die Streifschüsse aus dem Tokio Tower noch nicht mal verheilt.

"Geht es dir gut, O-nii-chan?", fragte Lilian ängstlich.

"Besser als Gestern", beruhigte ich sie und tätschelte wieder ihren Kopf, was ihr ein Lächeln entlockte.
 

"Sag mal", fragte ich wie beiläufig, während ich einen Morgenmantel überwarf, "es geht mich ja nun wirklich nichts an, aber hast du wirklich Yoshi geküsst?"

Übergangslos wurde die Außerirdische rot. "Woher weißt du das?"

"Ach, ich habe meine Quellen. Und es ist ja dein Leben und deine Sache, was du tust, Lilian. Aber du weißt schon, dass Yoshi..."

"Ja?", fragte sie und sah mich aus großen Augen an.

Verdammt, konnte ich nicht mal meinen besten Freund bei meiner Schwester anschwärzen? Ihr erzählen, dass er meinem Erachten nach ein Weiberheld war, der nie lange irgendwo blieb, weil ihn dann schon die nächste Herausforderung lockte? Wofür ich ihn übrigens beneidete, wenn ich ehrlich war.

"Yoshi ist ein sehr beliebter und begehrter junger Mann", sagte ich und zog Lilian auf die Beine. "Ich meine, wenn du etwas für ihn empfindest was stärker ist als für den besten Freund deines großen Bruders, dann wirst du dich sehr anstrengen müssen, damit aus euch beiden was wird. Falls du das überhaupt willst."

Lilian wurde rot und sah zur Seite. "Ich... Ich... Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich für Yoshi-chan so etwas fühle."

Ich runzelte die Stirn. "So? Dann ist ja gut."
 

"O-nii-chan?", hielt sie mich zurück.

"Was ist denn, Lilian?"

"O-nii-chan, wie... wie fühlt es sich an, wenn man liebt?"

Entsetzt sah ich sie an. "Woher soll ich das denn wissen?"

"Aber du... Ich meine du... Da sind so viele tolle Mädchen, die dich haben wollen, ich dachte, du würdest eine von ihnen lieben. Dann kannst du mir doch sagen, wie es sich anfühlt."

Ich schüttelte den Kopf. "Dein großer Bruder ist in dieser Beziehung der größte Idiot auf diesem Erdball. Die Frau, die er liebt, kann ihm um den Hals fallen, aber er würde es nicht merken dass er sie liebt, bis es wirklich zu spät ist.

Ich bin wirklich der Falsche, wenn es um Liebe geht. Du solltest jemand anderen fragen."

"Und wen?", fragte sie unruhig. "Yoshi-chan kann ich das doch nicht fragen. Kei vielleicht?"

"Schlechte Idee. Soweit ich weiß, liebt er seinen PC, aber das war es dann auch schon."

"Wie ist es mit Sensei? War Sensei schon mal verliebt?"

Nachdenklich strich ich mir übers Kinn. "Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Du kannst sie ja mal fragen."

"Ha! Ich habe es. Ich frage Megumi-chan. Die weiß es bestimmt!", rief Lilian mit einem glücklichen Lächeln. Sie hob den rechten Zeigefinger. "Wenn nicht sie, wer dann?"

"Wieso ausgerechnet Megumi?", fragte ich irritiert.

Lilian sah mich erstaunt an. Schließlich nickte sie. "Ich glaube, du hast Recht, O-nii-chan. In der Beziehung bist du wirklich der größte Idiot auf diesem Erdball."

Sich das selbst zu sagen oder es gesagt zu bekommen - und dann noch von einem kleinen Mädchen - war ein himmelweiter Unterschied. Ich spürte, wie meine Wangen zu brennen begannen. Und ich wusste, ich war vollkommen unfähig, jemals etwas daran zu ändern.

"Kommt Ihr endlich?", rief Sakura von der Küche herüber. "Die Waffeln werden sonst kalt."

"Jahaaa!", rief Lilian und ging voraus.

Nachdenklich, mit einem dünnen Lächeln strich ich mir übers Kinn. "Akira, du Blödmann. Es sieht ganz so aus, als wäre dir deine kleine Schwester meilenweit voraus."

**

Der Weg zur Schule war herrlich. Ich meine, endlich wieder ganz normal zu Fuß hingehen, ohne zu befürchten, dass ein Sniper mir auf achthundert Meter von irgend einem Dach eine Kugel verpasste, ohne dass eine Horde Schießwütiger während einem Drive By versuchte, mich an Bleivergiftung sterben zu lassen. Ohne das ich befürchten musste, dass das nächste parkende Auto neben mir explodierte. Und das an einem wirklich warmen Tag. Ja, es war nicht zu leugnen. Wir ließen das Frühjahr nach und nach hinter uns und starteten direkt in den Sommer durch.

Das einzige, was das friedliche Bild dieses Morgens störte, waren die drei Halbtoten, die Zombies mit Gelenkschmerzen hinter mir her tappten. Wenn wenigstens Lilian nicht mit Hina und Ami vorgegangen wäre, dann hätte dieses Bild nicht ganz so erschreckend gewirkt...
 

Ich sah kurz nach hinten und schmunzelte nur. "Mann, seht Ihr übel aus", kommentierte ich.

Yoshis Augen blitzten wütend auf. "Klappe! Was bist du überhaupt schon so frisch, hä? Du hast auch nicht mehr Schlaf bekommen als wir. Und Megumi musste sogar erst noch durch die halbe Stadt fliegen, um ihren Mecha einzustellen, während du schon im Bett lagst!"

Makoto warf dem Kumpel einen bösen Blick zu. "Geht das auch leiser? Ich habe Kopfschmerzen."

Megumi indes hatte von der Unterhaltung gar nichts mitgekriegt. Im Halbschlaf war sie weiter gegangen. Und lief direkt in mich hinein.

"Tschuldigung", murmelte sie und setzte erneut an, um weiter zu gehen. Sie stieß wieder gegen mich. "Tschuldigung."

Seufzend machte ich ihr Platz. Sie schlurfte an mir vorbei.

"Akira-kun!", erklang eine Stimme aus der Seitenstraße neben uns. Ich wandte den Kopf und erkannte... "Akane-chan! Guten Morgen."

Als hätte ich einen Dämon beschworen, schien Megumi plötzlich eine unheilvolle Aura zu umgeben. Sie blieb stehen und ihr Kopf ruckte herum. Der Blick ihrer Augen war so stechend, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurück wich. "Akane... chan?"

"Ist etwas, Megumi-kohai?", fragte die Stellvertretende Schülersprecherin erstaunt. "Guten Morgen, Makoto-sempai. Guten Morgen, Yoshi-kun."

"Morgen", erwiderten die beiden verschlafen.

"Was ist denn mit euch los? Zu lange gelernt?", fragte sie.

"Nur die Welt gerettet", erwiderte ich und ließ meine Zähne aufblitzen.

"Verstehe", erwiderte sie. "Playstation oder Gamecube?"

Ich sah sie erstaunt an. Dann wandte ich mich abrupt ab. "Wird Zeit, dass wir zur Schule kommen.

"Das war doch nur Spaß, Akira", sagte Akane und gesellte sich neben mich. "Ach, und noch mal danke wegen neulich."

"Keine Ursache", brummte ich, schon wieder fast besänftigt.

"Was bitte war neulich?", fragte Megumi.

Wie konnte sie das gehört haben? Sie war uns doch schon fast fünfzig Meter voraus.

"Ach", erwiderte Akane und wedelte mit der Rechten, "Akira-kun hat mir nur dabei geholfen, den... Raum der Schülervertretung aufzuräumen."

"Etwas in der Art, ja", bestätigte ich mit einem Schmunzeln.

Megumi musterte mich wütend. Dann wandte sie sich abrupt um und ging weiter.

"Na", murmelte ich nachdenklich, "wenigstens ist sie jetzt wach."
 

3.

Nach der vierten Stunde schlug die Müdigkeit auch über mir zusammen und ich erwischte mich dabei, wie ich nach einem kräftigen Kaffee gierte. Oder nach einem Aufputschmittel. Oder nach beidem. "Otomo-kun, vor die Tür!" Die Stimme von Naginata-sensei drang kaum bis zu mir durch. Nickend erhob ich mich. Als ich am Lehrerpult vorbei kam, fragte mich der Sprachlehrer: "Was ist los mit dir, Otomo-kun? Warum hast du diese Einbrüche in letzter Zeit? Willst du deinen Notenschnitt mit Gewalt versauen und dir deine eigenen Zukunft verbauen? Warum konzentrierst du dich nicht auf die wirklich wichtigen Sachen?"

Unwillkürlich ballte ich die Hände. Die wirklich wichtigen Sachen...

Die Menschheit zu beschützen, für sie wieder und wieder das Leben zu riskieren, damit es auch in Zukunft einen weiteren Jahrgang Schüler geben konnte, die auf die Uni wechseln würde, waren das nicht die wichtigen Sachen? Okay, mein eigenes Leben blieb dabei mehr oder weniger auf der Strecke. Aber war es das nicht wert?

Ich verbeugte mich knapp vor meinem Lehrer. "Ja, Sensei. Ich werde mich auf das wichtige in meinem Leben konzentrieren."

Danach verließ ich den Klassenraum.
 

Na Klasse, rausgeworfen zu werden wie ein Grundschüler, das konnte auch wieder nur mir passieren...

Unwillkürlich äugte ich zu unserer Parallelklasse herüber, um zu sehen, ob Megumi ebenfalls rausgeworfen worden war. Und tatsächlich stand dort auch jemand. Allerdings war das kleine blonde Mädchen nicht Megumi.

Ein knappes Lächeln ging über mein Gesicht, als ich sie erkannte. Das unscheinbare Ding mit den großen, unschuldigen Augen hatte doch dieses gefälschte Foto gehabt, von mir und Yoshi, wie wir uns küssen.

Sie sah zu mir herüber und erschrak fürchterlich. Mit hochrotem Kopf starrte sie geradeaus. Aber ab und an warf sie mir einen scheuen Blick zu.

Ich schmunzelte dazu. Als ich sie wieder mal bei einem scheuen Blick erwischte, zwinkerte ich ihr zu, was dazu führte, das sich ihre Gesichtsfarbe von rot auf vollreife Tomate änderte.

Amüsantes Spiel.

Ich lehnte mich gegen die nächste Wand und verschränkte die Arme ineinander. Herrlich. In dieser Haltung hätte ich sofort einschlafen können.
 

"Äh", erklang neben mir eine zarte Stimme, "Akira-kun?"

Ich sah auf. "Ja?"

Das blonde Mädchen stand nun direkt vor mir und drückte verlegen die Zeigefinger aneinander. "Akira-kun, ich... Äh... Ist es eigentlich wahr, dass du mit... Joan Reilley schläfst?" Verlegen und mit heftigen geröteten Wangen sah sie von mir fort.

Ich spürte, wie mir heiß und kalt zugleich wurde. Was, bitte? "Wieso, willst du Fotos?", erwiderte ich.

"Falsch, falsch, falsch!", rief sie aufgeregt. "Ich habe das wohl nicht richtig ausgedrückt. Andererseits, wenn es welche gibt..."

Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich wütend werden oder laut auflachen sollte. Im Angesicht dieses niedlichen kleinen Mädchen mit den großen Augen entschied ich mich dann doch für lachen.

"Hast du denn kein eigenes Leben?", murmelte ich amüsiert.

Wieder sah sie verlegen weg. "Ich... Ich will dich nicht nerven, Akira-kun. Natürlich habe ich ein eigenes Leben, aber ich... Ich habe nur Freundinnen. Welcher halbwegs anständige Junge würde auch mit einem blassen und unsicheren Ding wie mir reden?"

"Also, im Moment machst du das schon ganz gut. Immerhin redest du mit mir, oder?", bemerkte ich.

Sie sah auf und winkte mit beiden Händen ab. "Nein, nein, Akira-kun, du verstehst das schon wieder falsch. Das ich mit dir reden kann liegt doch daran, dass ich nichts von dir will! Ich meine, die Fotos von dir sind wirklich toll, aber du bist..."

Ich schmunzelte. Endlich mal ein Mädchen, dass sich nicht für mich interessierte. Zumindest nicht auf die Weise.

"Wie heißt du eigentlich?"

"Emi Sakubara. Ich gehe mit Megumi-chan in eine Klasse."

Ich tätschelte dem kleinen Mädchen den Kopf. "Das weiß ich. Aber ich habe dich nie nach deinem Namen gefragt. Hm, es will mir nicht einleuchten, dass ein niedliches Ding wie du keinen Freund hat. Woran mag das liegen?"

Sie wehrte sich nicht gegen das tätscheln, aber es schien ihr auch keinen Spaß zu machen. Stattdessen begannen ihre Augen feucht zu schimmern. "Ich bin dumm, Akira-kun. Furchtbar dumm. Und ungeschickt. Und unkonzentriert. Selbst bei meinen Freundinnen bin ich die Schlechteste. Ich meine, ich... Sie nehmen mich nicht wegen meiner Kräfte mit, sondern nur aus Mitleid."

"Aber, aber", erwiderte ich und fragte mich ernsthaft, was sie wohl mit Kräften gemeint hatte. "Das kann ich nun nicht glauben. Hina ist tollpatschig und unkonzentriert. Gegen sie musst du im Verhältnis Balletttänzerin sein."

"Hina-chan ist nicht tollpatschig! Sie ist nur...", verteidigte Emi meine Klassenkameradin. "Sie ist nur sehr beschäftigt und gibt auch außerhalb der Schule immer ihr Bestes."

Misstrauisch beäugte ich das junge Mädchen vor mir. "Du bist doch nicht etwa ein Slayer?"

"W-was? Ich? W-wieso..."

"Ihr Slayer habt mir gegenüber einen Riesenvorteil! Ihr wisst ganz genau, wer ich bin und was ich tue. Aber rückt Ihr mal mit euren Karten raus? Nein. Und dann muß ich mir mühsam alles selbst zusammen reimen. Also, welcher Slayer bist du? Orange? Red?"

Emi senkte den Kopf. "Tut mir Leid, Akira-kun, aber du liegst falsch. Ich bin kein Magischer Youma Slayer. Verzeih, dass ich dich angesprochen habe."

Sie wandte sich zum gehen.

"Jetzt habe ich es. Du bist Blue!"

"Nein, Hina ist doch...", entfuhr es ihr und ich musste grinsen.
 

Emi drehte sich erneut zu mir um. Ihr Gesicht glühte regelrecht. "Verzeihung, Akira-kun, dass ich gelogen habe. Ich meine Colonel Otomo."

"Akira-kun hat mir besser gefallen. Du bist Black, nicht wahr?", fragte ich sanft und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Emi nickte nur. "Du leistest eine wirklich gute Arbeit. Ihr fünf habt Gestern acht Youmas vernichtet. Acht. Das kann euch keiner so schnell nachmachen. Und Ihr wart genauso lange im Einsatz wie ich. Stehst du deswegen hier draußen? Weil du im Unterricht eingeschlafen bist?"

Langsam nickte die junge Frau.

Ich begann leise zu lachen. "Ich auch", gestand ich.

Emi sah wieder auf und musste lachen. "Nächstes Mal sollten wir mehr Kaffee trinken."

"Ja, vielleicht sollten wir das. Hm, Monster vernichten und die Welt retten sollte eigentlich von der Schulzeit abgezogen werden können, nicht wahr?"

Emi nickte. "Ja, das wäre nicht schlecht."

Ich nahm meine Hand wieder zurück und legte nachdenklich eine Hand an mein Kinn. "Hm. Doitsu wäre nicht schlecht. Vielleicht auch Kei. Aber du hast ja diese Fotos von mir und Yoshi, oder?"

"Was?", fragte sie erstaunt. "Worüber redest du, Akira-kun?"

"Ich überlege gerade, ob ich dich mit einem meiner Freunde verkuppeln kann. Welcher ist dir lieber? Der direkte Kei oder der stille Doitsu?"

"Verkuppeln? Mich? Akira-kun!"

Ich winkte ab. "Lass das alles meine Sorgen sein, bitte. Also, welcher ist dir lieber? Oder willst du mit beiden ausgehen? Vielleicht kann ich auch was arrangieren mit..."

"KENJI-KUN!", entfuhr es ihr.

Ich runzelte die Stirn. "Das wird schwierig. Er ist immer so schweigsam. Ich komme ja selbst kaum an ihn ran, obwohl wir Freunde sind."

"Nein, nein, das verstehst du schon wieder falsch, Akira-kun. Kenji-kun steht hinter dir."
 

Ich wirbelte herum und erkannte, wie der Freund gerade die Tür des Klassenzimmers hinter sich schloss. "Akira", sagte er mit ernster Stimme, "wir müssen reden."

Entsetzt riss ich die Augen auf. "Äh... Okay..."

"Nicht hier." Kenji kam auf uns zu. Seine Miene war ernst und undurchdringlich. Dann beugte er sich plötzlich vor und strahlte das Mädchen mit einem verlegenen Lächeln an. "Entschuldige bitte, Emi-chan, dass ich dir diesen großen Hohlkopf entführe."

"Nicht doch, nicht doch, Kenji-kun. Nimm ihn nur mit. Ich habe ihn lange genug in Anspruch genommen", erwiderte sie mit einem leisen Kichern.

"Danke. Du bist immer so verständnisvoll, Emi-chan. Schon seit der Mittelschule..."

Verlegen sah Kenji beiseite und auch Emi schien das Wort Mittelschule einige Erinnerungen zu entlocken.

Wieder lachte Kenji auf und sagte: "Entschuldige uns, Emi-chan."

Übergangslos wurde der Riese wieder ernst. Eine Hand landete in meinem Nacken und zog mich den Gang hinunter.

"Hey, nicht so grob, Kenji. Was machst du überhaupt hier draußen? Die Stunde dauert doch noch zehn Minuten."
 

Kenji antwortete nicht und schleppte mich ins Treppenhaus und von da aufs Dach.

"Akira", sagte er ernst.

"Sag mal, du kennst Emi-chan? Ihr scheint ja sehr familiär miteinander zu sein, was?", versuchte ich abzulenken.

"Wir... sind alte Freunde. Aber deswegen habe ich dich nicht gebeten, mitzukommen", sagte der Riese.

"Gebeten mitzukommen ist gut", murmelte ich und rieb mir den schmerzenden Nacken. "Was gibt es?"

"Hast du eigentlich schon mal über uns nachgedacht, Akira?", eröffnete er. "Ich meine, wir haben eine wirklich merkwürdige Freundschaft. Meistens, wenn du in der Nähe bist, dann komme ich mir vor wie ein Statist ohne Sprechrolle. Dann stehe ich im Hintergrund. Oft stundenlang. Hast du einfach diese Ausstrahlung? Oder liegt es am Drehbuch?"

Erstaunt musterte ich den Freund. "So fühlst du dich, wenn wir zusammen abhängen?"

"Das ist ja noch nicht alles. Erinnerst du dich noch, wie wir uns kennen gelernt haben? In unserer ersten Sportstunde hier an der Schule, da hatte ich diesen fürchterlichen Krampf im Bein. Du hast mir geholfen, ohne zu zögern.

Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann kommt mir das so vor wie in der Geschichte mit dem Löwen und der Maus, wo der Löwe sich einen Dorn eingetreten hatte und die Maus ihn raus zog. Und der Löwe ihr versprach, sie fortan zu beschützen. Es hat etwas lächerliches, oder?"

"Kenji, ich wusste ja nicht, dass..."

"Akira. Ich weiß, was du tust", eröffnete er mir übergangslos. "Ich weiß, dass du Pilot bei der UEMF bist. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du dieser Blue Lightning bist."

Überrascht starrte ich ihn an. "Kenji!"

Der Riese winkte ab. "Keine Bange, ich werde es nicht verraten. Ich weiß es auch nur deshalb, weil... Ich war Teil des Synchronisationsprogramms."
 

Ich fühlte mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen fort gezogen. Das Synchronisationsprogramm. Diesen Begriff hatte ich seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr gehört.

Im Fakt umschrieb es den verzweifelten Versuch der Menschen, einen der ihren zu finden, der mit Primus synchronisieren konnte. Und in der Folge die wenigen Menschen zu finden, die man in einen Hawk setzen konnte.

Durch dieses Programm hatte Vater herausgefunden, dass ich der einzige der vielen getesteten Menschen war, der Primus steuern konnte.

Ich erinnerte mich noch genau an die Verzweiflung in seiner Stimme, als er mir das Ergebnis verkündet hatte.

An die vielen harten Drills unter Jerry, in denen er mir so viel taktisches Wissen wie irgend möglich ins Hirn gepresst hatte, damit ich überlebte.

Das Bewegungstraining mit Primus, die vielen Kämpfe.

Und dann die Suche nach geeigneten Piloten für weitere erbeutete Mechas und später für die eigenen, auf der Erde entwickelten Typen.

Yohko war damals allererste Wahl gewesen, weil sie als meine Schwester über eine ähnliche Hirnwellenstruktur verfügt hatte.

Makoto hatte sich damals ebenfalls als geeignet erwiesen. Sakura war aus dem Programm geflogen, nachdem der Versuch der Synchronisation beinahe mit ihrem Tod geendet hätte.

In der Folgezeit hatten sich die Wissenschaftler hauptsächlich auf junge Menschen zwischen dreizehn und siebzehn konzentriert, um mit ihnen die neuen Mechas zu bemannen.

Erst später, Monate nach meiner Rückkehr vom Mars, war man dazu übergegangen, mittels eines neuen neuronalen Verfahrens vermehrt erwachsene Piloten verwenden zu können.

Daisuke war einer jener jungen Männer und Frauen gewesen, die in dieser Zeit die neuen Hawks, Sparrows und Eagles bemannt hatten, um die Erde im offenen Konflikt zu verteidigen.

Und wie es aussah, war Kenji ebenfalls einer von ihnen.
 

"Was ging schief?", fragte ich leise.

"Nun, ich bestand die Tests, hatte meine Einwilligungserklärung schon unterschrieben. Dann kam dieses neue Verfahren, dass es auch Erwachsenen erlaubte, einen Hawk zu steuern. Ich stand auf der Liste zu weit unten und mein Platz wurde einem erwachsenen Piloten übergeben. Ich habe zwar die Option nach meiner Volljährigkeit zum Mecha-Piloten ausgebildet zu werden. Aber ich hatte die Chance meines Lebens verpasst."

Blicklos starrte er an mir vorbei ins Leere.

Ich konnte ihn verstehen. Bei all dem Tod, der Vernichtung und der Gefahr für mein Leben und die Sicherheit meiner Freunde, es war etwas besonderes, einen Hawk zu steuern. Schmerzhaft wurde ich mir wieder des Verlustes von Blue bewusst. All dies entging ihm, unter anderem auch vollkommen übermüdet in der Schule zu erscheinen und auf der Straße Opfer eines Attentats zu werden. Aber das war es wert. Da war es einfach wert.
 

"Ich... Ich will auch. Ich will kein Komparse sein. Ich will etwas bewegen können. Und ich will diese Mechas steuern. Seit ich während der Tests in den Simulatoren gesessen habe, kann ich es nicht mehr vergessen. Ich erinnere mich jeden Tag daran und jeden Tag tut es mir weh. Es fühlt sich an wie ein großer, schmerzhafter Verlust, Akira." Die Augen des Riesen füllten sich mit Tränen.

Ich nickte schwer. "Ich verstehe dich, Kenji. Ich verstehe dich nur zu gut. Ich weiß nicht, ob ich etwas für dich tun kann, aber vielleicht kann ich arrangieren, dass du in ein Vorbereitungsprogramm aufgenommen wirst und wenigstens Trainingsstunden auf einem Mecha fliegen kannst. Wer weiß, vielleicht haben wir einen so motivierten Piloten noch einmal bitter nötig."

"Danke, Akira. Ich weiß das zu schätzen."

In diesem Moment ging die Stunde Zuende. Ich klopfte dem Großen auf die Schulter. "So, so. Nachdem das geklärt ist, sollten wir in die Klasse zurückgehen und uns was zu essen holen. Ich habe einen Mörderhunger."

"Nur um dann wieder hier her zurück zu kommen", kommentierte Kenji mit einem trockenen Grinsen.

Ich lachte leise. Recht hatte er.

**

Nach dem beschwerlichen Weg hinab in die Klasse und dem mühsamen Treppensteigen zurück aufs Dach saß ich vor dem Schutzgitter und hatte mich gegen das kalte Metall gelehnt. Es wurde mittags an schönen Tagen schon reichlich warm, und ehrlich gesagt hätte ich nichts gegen Sport gehabt im Moment - vor allem nicht gegen schwimmen.

Ich nahm einen Schluck aus meiner Getränkedose und seufzte leise. Mit der ganzen Bande zum Strand... Schwimmen gehen... Das Wasser würde zwar noch reichlich kalt sein, aber der Anblick der Badeanzüge würde dafür entschädigen.

Mit einem erneuten Seufzer machte ich mich wieder an meine Arbeit und tippte meinen letzten Bericht fertig. Dieser ganze Anforderungskram ging mir gewaltig auf die Nerven. Und die Verwaltungsarbeit für ein Bataillon drohte mich in den Wahnsinn zu treiben. Selbst ohne Papierformulare war der Papierkrieg eine enorme Plage und der einzig wahre Feind jeder modernen Armee. Verdammt, ich wollte doch nur einen neuen Hawk! Was war so schwer daran, mir einen zuzuteilen?
 

"Was machst du denn da?", fragte Kei und schnappte sich mein Datapad.

"Vorsicht, das ist..."

"Da ist ja gar nichts drauf. Nur so ein Flimmern", murmelte er und berührte die Oberfläche. "AUTSCH!"

Langsam kam ich auf die Beine, ging zu Kei und klopfte dem frechen Bengel auf die Finger. "Das ist ein Datapad. Das allerneueste in der Entwicklung. Es ist auf mich abgestimmt. Deshalb kriegt jeder, der damit nichts anfangen soll, einen gewischt."

"Quark mich nicht voll. Dein teures Datapad funktioniert ja nicht mal", maulte Kei.

Ich lächelte dünn. "Das liegt daran, dass das Pad die Abbildungen in einer bestimmten Frequenz vibrieren lässt, in der ausschließlich meine Sehnerven die Daten erfassen und mein Vorderer Cortex sie interpretieren kann. Hier, dieser Sensor an meiner Schläfe übernimmt das."

"Wow."

"Ich sagte doch, es ist das Neueste vom Neuesten", kommentierte ich amüsiert und haute dem Computerfreak erneut auf die Finger, als er nach dem Sensor greifen wollte. "Und es gehört nicht in Kinderhände."

"Kinderhände. Na klar. Und warum hast du dann so ein Spielzeug?"

"Weil ich damit zwischen den Stunden noch schnell den Papierkram für die Hekatoncheiren durchgehen kann und nicht meine kostbare Freizeit dafür opfern muß", murmelte ich leise.

Kei zog ein verächtliches Gesicht. "Du erwartest jetzt doch hoffentlich nicht von mir, dass ich die Hände über dem Kopf zusammen schlage und so etwas sage wie: Was? Wieso denn die Hekatoncheiren? Was hast du denn mit denen zu tun?" Kei grinste überlegen. "Ich wohne nicht umsonst schon nen Monat bei dir, Akira."

Ich winkte gönnerhaft ab. "Schon gut, schon gut, ich dachte es mir. Hauptsache, du hältst die Klappe."

"Ja, klar, deine kostbare Geheimidentität ist bei mir in besten Händen, du Superheld", maulte Kei erneut.

"Aber auch nur weil du sie nicht als Foto verkaufen kannst", kommentierte Doitsu und lachte.

Wir fielen ein.
 

"Sagt mal, Jungs", murmelte ich, während ich einen weiteren Bericht abschloss, "weiß einer von euch wie viel Grad das Meer schon hat?"

"Wieso das Meer? Willst du schwimmen gehen?", argwöhnte Yoshi. "Kommt Sensei dann auch mit?"

"Ich habe drüber nachgedacht, ja. Aber alles unter achtzehn Grad wäre zu kalt...", murmelte ich nachdenklich und löste den Sensor an meiner Schläfe wieder.

Einen Moment später schnappte ich Pad und Sensor gerade noch rechtzeitig weg, bevor Kei sich beides unter den Nagel reißen konnte. "Du Idioooot. Das ist auf mich abgestimmt! Selbst wenn du dir den Sensor an die Schläfe pinnst, kriegst du höchstens noch einen Stromschlag!"

"Och, Menno", murmelte Kei. "Will auch so was haben."
 

"Also, ich bin dabei", sagte Kenji und beendete seine Mahlzeit. "Darf ich eine Freundin mitbringen?"

"Was fragst du mich? Am Strand habe ich nicht das sagen", erwiderte ich leise.

"Ich würde auch mitkommen, wenn das Wetter gut ist. Selbst wenn das Wasser noch zu kalt ist, können wir uns in die Sonne fläzen und so richtig schön braun werden." Doitsu grinste. "Außerdem könnte ich ein paar Übungskatanas mitbringen und mit dir eine Trainingseinheit einlegen, Akira."

"Nicht die schlechteste Idee", erwiderte ich.

"Ich komm nicht mit", murmelte Kei leise. "Ihr mögt mich ja alle gar nicht mehr."

"Schade", kommentierte ich leise. "Ich wollte Hina und Ami auch fragen, ob sie Zeit haben."

Der schmächtige Kei Takahara wurde rot. "Äh...", machte er leise.

"Wusste ich es doch. Er mag eine von den beiden", murmelte ich grinsend. "Und wer kommt noch mit? Wollen wir Mako fragen?"

"Was ist mit deinem Youma?", fragte Yoshi. "Soll Akari auch mit? Sie macht bestimmt eine tolle Figur im Badeanzug. Und Megumi-chan möchte ich auch gerne mal in so einem Outfit sehen."

"Wenn sie Lust haben mitzukommen, wieso nicht? Sakura wird sowieso mitkommen wollen, da sei mal nicht Bange drum."

"Yahaaa!", rief Yoshi glücklich.
 

"Und Lilian... Sie hat mir Gestern erzählt, sie und Sakura haben ihr vor ein paar Tagen einen Bikini gekauft. Bin gespannt, wie sie darin aussieht."

"Gute Idee", kommentierte Doitsu.

"Sie macht sicher eine tolle Figur", bestätigte Kenji.

Yoshi wurde bleich. "Du... Du willst unsere liebe kleine Lilian wirklich in einen Hauch von Nichts stecken und dann diesen Wölfen zum Fraß vorwerfen? Was bist du denn für ein großer Bruder, hä?"

Verwundert sah ich den Freund an. "Wölfe? Fraß? Übertreibst du nicht etwas, Yoshi?"

"Siehst du die Sache nicht etwas zu harmlos, Akira?", beschwerte er sich.

Ich winkte ab. "Du kannst ja auf sie aufpassen, wenn du möchtest. Ich jedenfalls würde mich lieber amüsieren."

"Und ob ich das werde! Darauf kannst du dich verlassen!", blaffte Yoshi wütend, erhob sich und stampfte davon. "So ein Trottel von großem Bruder. Also, ich würde nicht so verantwortungslos sein. So unsensibel. Die arme Lilian. Wie kann er dieses zarte Wesen nur dieser Gefahr aussetzen? Aber was habe ich auch anderes erwartet? So ist er nun mal..."
 

Ich sah Yoshi hinterher, bis er im Treppenhaus verschwand.

"Hey, Akira, hängt sich Yoshi da nicht etwas zu sehr rein?", fragte Doitsu leise.

Ich lächelte ihn schief an. "Soll mir nur Recht sein. Muss ich nicht auf Lilian aufpassen."

"Sagte der Schäfer und machte den Wolf zu seinem Stellvertreter", kam es leise von Kenji.

"Also dann, Jungs, wie wäre es mit Samstag Nachmittag, wenn sich das Wetter hält?", hakte ich nach.

Ich erntete bestätigendes Nicken. "Gut, dann ist das beschlossen."

Seufzend erhob ich mich wieder. "So, die Klasse fängt gleich wieder an. Lasst uns gehen."
 

4.

Der Strand... Die herrliche See... Die wundervolle Luft... Der Sonnenschein...

Zufrieden räkelte ich mich auf meinem Strandtuch. Das erste richtige Sonnenwochenende des Jahres war ein voller Erfolg. Ich schob meine Sonnenbrille ein klein wenig die Nase herab um dabei zusehen zu können, wie ein paar der Mädchen mit Doitsu und Daisuke Melonenspalten spielen wollten. Ihr Fehler war, die beiden gleichzeitig einzusetzen, was nach wenigen Sekunden zu einem erbitterten Wettstreit mit Doitsus Übungskatanas führte.

Ich schmunzelte dazu nur und angelte nach meiner Tasche, in der eine gekühlte Cola steckte.

So konnte man wirklich mal einen entspannten Nachmittag verbringen.
 

"O-nii-chan!" Neben mir warf sich Lilian in den Sand. Dabei wirbelte sie eine beträchtliche Menge auf, die natürlich auf mir landete. Das schien dem kleinen kronosianischen Wirbelwind aber nicht zu stören. Sie griff nach meiner Hand und versuchte mich auf die Beine zu ziehen. "O-nii-chan. Lass uns ins Wasser gehen!"

"Was denn, was denn, bedeutet dir das Leben denn nichts mehr?", kommentierte ich amüsiert.

"Du weißt, was ich meine", belehrte sie mich. "Lass uns schwimmen gehen. Ich habe den Bikini extra für dich gekauft!"

Wieder lugte ich über meine Sonnenbrille hinweg. Der blautürkise Zweiteiler stand ihr wirklich gut. Zum Glück hatte Sakura etwas Anstand bewiesen und den Stoff zwar auf ein Minimum beschränkt, aber zumindest keinen String besorgt.

"Ich würde ja gerne. Ich würde ja wirklich gerne. Aber ich habe mich noch nicht eingecremt. Und du weißt doch, wie schnell ich einen Sonnenbrand kriege."

"Oh", machte sie. Übergangslos begann sie zu strahlen. "Soll ich dich eincremen? So richtig von Kopf bis Fuß?"

"Nein, geh ruhig schon mal ins Wasser vor. Ich lasse die Creme nur einziehen und komme dann nach. Yoshi, gehst du mit ihr?"

Von der Decke neben mir kam ein mürrisches Grunzen. "Will nicht."

Ich stöhnte leise. Er nahm es mir immer noch übel, dass ich Lilian nicht dazu überredet hatte, ihren Schulbadeanzug anzuziehen.

"Dann musst du mit Doitsu schwimmen gehen. Hey, Doitsu!"

"Ist ja schon gut. Wenn du nicht auf deine kleine Schwester aufpassen kannst, muß ich das ja tun, oder?", murrte Yoshi, sprang auf die Beine und streckte Lilian die Hand entgegen.
 

Die sah ihn aus großen Augen an - und erteilte ihm eine Abfuhr. "Nee."

"Wie, nee?"

"Nee, du willst doch gar nicht mit mir ins Wasser. Du musst dich ja überreden lassen." Eingeschnappt sah sie weg.

Ich musste an mich halten, um nicht laut aufzulachen. Eine herrliche Szene.

Verlegen rieb sich Yoshi den Nacken. "So habe ich das doch gar nicht gemeint. Es ist nur so, ich spiele nicht gerne die Zweite Geige. Immerhin hast du zuerst Akira gefragt und nicht mich..."

Erstaunt sah Lilian ihn an. "Wärst du etwa mitgekommen, wenn ich dich zuerst gefragt hätte?"

"Aber sofort, ohne zu zögern. Und wenn ich das sage, dann... WHOA!"

Bevor Yoshi seinen Wortschwall beenden konnte, war Lilian bereits aufgesprungen und hatte seine Hände ergriffen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu laufen.

Ich grinste breit. "Na, da bin ich aber mal gespannt, Ihr zwei."
 

"Gespannt auf was, hm?", fragte Makoto und ließ sich neben mir auf das Strandtuch fallen. Er grinste mich frech an, während er mit der Linken das V-Zeichen formte.

"Gespannt, wie die beiden sich anstellen."

"Welche beiden? Yoshi und Lilian? Tja, die Wetten stehen im Moment noch zwei zu eins gegen sie."

"Hm?", machte ich und richtete mich auf. "Hast du einen Wettpool eingerichtet?"

"Na hör mal", beschwerte sich mein Cousin, "immerhin ist dies hier der Strand. Ich habe zwanzig mögliche Paaraufteilungen aufgestellt und entsprechend bewertet. Du und Megumi steht wegen dem ganzen Zoff in letzter Zeit auf fünf zu eins. Daisuke und Sarah hingegen haben eine Quote eins zu vier. Und wenn sich der Idiot heute wieder so dämlich anstellt, als würde er nichts mitkriegen, gehe ich rüber und trete ihm mal kräftig in den..."

"Mako!", tadelte ich. "Soso, Megumi und ich haben also eine Quote fünf zu eins, was?"

"Ja, vor allem, weil sie einen aus den oberen Klassen mitgebracht hat. Er soll der geheimnisvolle Schreiber dieses Liebesbrief sein, wegen dem du neulich so derbe geflucht hast."

"Ach, der falsche Blue Lightning."

"Das haben die Mädchen in ihrer Klasse nur so aufgebauscht. Sie meinen halt, dass es für ihre Megumi-chan nur einen einzig wahren geben kann - den Mann, der sein eigenes Leben riskiert hat, um sie zu retten."
 

"Ach, wie süß. Und dann kommt sie mit einem Sempai aus den höheren Klassen zum Strand?", hörte ich Joan Reilley hinter mir sagen. Kurz darauf spürte ich, wie sich etwas Weiches auf meinen Rücken legte und mich zwei Arme sanft umschlangen. Ihr Kopf legte sich auf meine Schulter. "Wie steht denn unsere Quote so, Herr Major?"

"Ah, Miss Reilley. Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass du heute kommst. Aber da habe ich unsere Spionageabwehrabteilung wohl überschätzt."

"Ach, Spionage, ich hatte nur Lust, mit meiner Band einen Tag am Strand zu verbringen", erwiderte sie und winkte verlegen ab. "Also, wie würde unsere Quote so aussehen?"

Makoto musterte sie. "Bei dem Badeanzug wünsche ich mir gerade, Akira zu sein. Spontan würde ich sagen, eins zu achtundzwanzig, aber mein Cousin ist ein richtiger Dickschädel. Das wird nicht leicht, Mädchen."

"Was soll daran nicht leicht werden? Ich sehe hier nur kleine Mädchen ohne Format und ohne Hingabe für Aki-chan. Und diese Megumi bringt auch noch ihren eigenen Lover mit. Außerdem hat sie wahrscheinlich sowieso nur ihren Schulbadeanzug dabei. Nee?"
 

Ich warf einen Blick zur Seite. Makoto kämpfte sichtlich darum, Joan Reilley nicht zu genau anzusehen. Das machte mich neugierig auf ihren Badeanzug. Sie trug doch einen Badeanzug?

"Aki-chan, hast du dich schon eingecremt? Wenn nicht, ich habe eine ganz neue Technik, um die Sonnencreme von Körper zu Körper aufzutragen - ganz ohne Hände."

Ich schluckte hart. Was ich nun brauchte, war ein verdammtes Wunder. "Warum tust du mir das an, Joan-chan?"

"Ach komm, Aki-chan, ich kann dir noch ganz andere Sachen antun, wenn du mich nur lässt. Im Gegensatz zu den kleinen Mädchen hier bin ich eine richtige Frau, nicht?"

Wieder musste ich hart schlucken.

"Also, Akira, wenn du nicht willst, ich nehme sie gerne", kommentierte Mako mit rotem Kopf.

"Oh, du bist aber ein Süßer, mein kleiner Major. Ich komme drauf zurück, falls Aki-chan heute zu störrisch ist." Sagte sie und drückte mich noch enger an sich.

"K-keine Cyborgkräfte, bitte. Meine Rippen sind immer noch wund von dem..."

"Ich weiß, Aki-chan. Ich habe gedacht sie geben nach dem Attentat im Tower Ruhe. Ich habe es zu spät mitgekriegt. Zum Glück ging alles gut. Verzeih mir, dass ich versagt habe", flüsterte sie leise.

"Schon gut", erwiderte ich und legte eine Hand auf ihre Linke, die auf meiner Brust lag. "Ich war ja selbst vorbereitet."
 

In diesem Moment hatte ich das Gefühl, jemand würde die Luft um mich herum systematisch um zwanzig Grad herabkühlen. Ich bekam eine Gänsehaut.

Ich sah zur Seite und erkannte Megumi, die sich gerade umgezogen hatte. Sie warf mir einen Blick zu, wie er frostiger nicht sein konnte. Doch dafür hatte ich keinen rechten Blick, denn der schwarze Bikini, den sie trug, raubte mir den Atem. Der schwarze Stringbikini mit den raffinierten dünnen Trägern stand ihr wirklich hervorragend. Vor allem das Höschen mit dem hohen Beinausschnitt konnten nur Frauen mit einer wirklich guten Figur tragen. Hatte ich das etwa all die Wochen übersehen, wenn sie wieder einmal in ihrem engen Druckanzug vor mir gestanden hatte? Oder war ich einfach blind gewesen?

"Na, na, versucht sie mir etwa die Show zu stehlen?", kommentierte Joan und drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Mako-chan, du solltest die Wettquoten noch mal überdenken.

So, ich muß jetzt meiner Band helfen. Wir haben etwas mehr aufzubauen. Aber wenn ich dich eincremen soll, komme ich sofort rüber, Aki-chan", sagte sie und stand auf.
 

Ich sah ihr kurz nach und musste das dritte Mal heftig schlucken. Sie trug einen Bikini. Zwar keinen String, aber der gewagte Schnitt des gelben Badeanzugs mit dem sehr hohen Bein und der allgemein sparsamen Verwendung von Stoff sah an ihr... Sehr gut aus.

Verlegen sah ich zur Seite. Und bekam noch mit, wie Megumi lachend einen jungen Mann hinter sich her zog.

"Akira, kann es sein, dass du gerade eine bösartige Aura um dich aufbaust?", fragte Makoto.

"Wer... ist... dieser... Kerl?"

"Der da? Der hinter Megumi? Dem sie immer so zulächelt? Nicht so fest in den Nacken fassen, Akira! Das ist einer meiner Klassenkameraden. Mamoru Hatake. Einer der besten im Jahrgang. Sehr intelligent, sehr freundlich und höflich. Aber ich kann es mir nicht erklären, wie der an Megumi gekommen sein soll. Er ist eher so einer wie du. Ertrinkt in Frauen und kriegt nichts auf die Reihe."
 

"Mist", schimpfte ich und schlug in den Sand neben dem Badetuch. "Ich hatte auf einen Frauenheld gehofft, einen oberflächlichen Idioten, den ich mal eben... So richtig schön ungespitzt in den Boden rammen könnte."

"Hm", murmelte Mako und musterte mich ernst. "Wenn du so für sie fühlst, warum redest du dann nicht mal mit ihr?"

Ich verdrehte die Augen. "Weil sie denkt, ich sage das alles nur, weil ich sie als Schwesterersatz sehe. Ach, ich weiß auch nicht. Ich meine, sie ist nicht die einzige Frau am Strand. Oder in meinem Leben. Oder überhaupt."

"Trotz ist jetzt vielleicht die falsche Reaktion. Aber du hast Recht. Es gibt genügend Frauen hier. Joan Reilley zum Beispiel, die dort drüben mit ihrer Band irgendetwas aufbaut, was an eine Bühne erinnert. Oder Akane, auch wenn sie gerade etwas zu konzentriert Beachvolleyball mit Takashi spielt.

Oder Hina, die sich bestimmt langsam fragt, wann du ihren Badeanzug lobst."

Mako erhob sich und klopfte mir auf die Schulter. "Also, entweder cremst du dich jetzt langsam ein oder du holst dir einen Sonnenschirm, ja? Ich jedenfalls gehe schwimmen."

Mako winkte mir zu und ging. "Ach, und bevor ich es vergesse. Ich kenne Mamoru nicht allzu gut. Aber ich denke, er wird ein nein verstehen, wenn er eins hört."

"Was bedeutet, dass er auch ein ja versteht, oder?", blaffte ich wütend zurück.
 

"Na, na, was bist du denn so wütend, Akira-chan?", erklang Sakuras Stimme neben mir. Auch sie hatte sich mittlerweile umgezogen. Zwar trug sie einen mintfarbenen Einteiler, aber der hohe Beinausschnitt und die sehr spärliche Verwendung von Stoff war gut zu erkennen. Tatsächlich waren Vorderseite und Rückseite nur durch drei hauchdünne Stränge verbunden und die Nackenbindung wies auf einen extrem tiefen Rückenausschnitt hin. "Schwimmen dir mal wieder alle Felle weg, oder kannst du dich nicht entscheiden?"

Besorgt musterte sie mich. "Du hast dich ja noch gar nicht eingecremt. Sakura-chan macht das mal für dich. Beug dich vor."

Ergeben fügte ich mich in mein Schicksal. "Joan hat mir eine Technik angeboten, Sonnencreme ohne Hände aufzutragen, Cousinchen", berichtete ich lachend, während die kalte Creme auf meinen Rücken verteilt wurde.

"Ach, das ist doch nichts Besonderes. Das kann ich auch", erklärte sie fröhlich.
 

"Hoffentlich nicht beim Colonel, Sakura. Sonst werde ich noch eifersüchtig", erklang eine männliche Stimme hinter mir.

"Ach, du. Willst mich ja nur rot werden lassen", schmunzelte sie.

Ich sah auf und erkannte einen meiner Hekatoncheiren. "Sniper. Dann war das neulich kein Zufall, dass Sie in Tokio waren?"

"Nennen Sie mich außerhalb des Dienstes ruhig Thomas", erwiderte der Deutsche. Er schien kaum älter als ich zu sein. Jedenfalls wirkte er sehr jugendlich und voller Energie. Hastig fügte er hinzu: "Sir."

"Das mit dem Sir lassen Sie mal schnell weg, Thomas. Es gibt hier einige, die nicht wissen, was ich tue."

"Hm, und genügend die es doch wissen. Ist das da hinten nicht First Lieutenant Honda mit einer unserer Escaped?", bemerkte Sniper nachdenklich. "Und das da hinten Captain Uno und Traineé Lilian Jones? Dein Bruder ist ja auch da, Sakura. Die halbe UEMF ist ja hier versammelt." Der Deutsche zwinkerte mir zu. "Zumindest ein großer Teil der Elite.

Sakura, soll ich schon mal vorgehen? Du bist ja noch mit bemuttern beschäftigt, oder?"

"Setz dich schon mal hin, Tom. Mit Akira-chan bin ich gleich durch. Dann kommst du an die Reihe. Ich bin ziemlich gut in der Technik, Sonnencreme ohne Hände aufzutragen", sagte sie mit unschuldigem Augenaufschlag.

Sniper schluckte hart und ließ sich neben mir zu Boden fallen. "Ich habe Zeit. Ich kann warten."

Ein Grinsen huschte über mein Gesicht, bis geschah, was ich befürchtet hatte: Joan war erkannt worden. Und das sorgte nun dafür, dass sie nicht nur die Aufmerksamkeit meiner Freunde, sondern auch die der anderen Strandbesucher erregte.

Ich erhielt einen derben Klaps auf den Rücken. "So, fertig. Nun geh schon, Akira-chan."

Ich erhob mich, nickte meiner Cousine dankbar zu.

Dann sah ich zu Megumi und diesen Mamoru herüber. Von dort glitt mein Blick zu Joan. Wütend schüttelte ich den Kopf. Wenn ich so weiter machte, würde ich nie auf einen grünen Zweig kommen...
 

5.

Ich konnte es immer noch nicht glauben. Joan Reilley hatte tatsächlich ein spontanes Konzert am Strand veranstaltet und dafür wirklich einen kleinen Park an Instrumenten aufgebaut.

Sie hatte zwar nur sieben Stücke gespielt, war aber gefeierter Mittelpunkt des Tages gewesen.

Na, immerhin hatte sie mit keinem Wort auf mich gewiesen. Was ich persönlich als Erleichterung empfand, obwohl mit Dutzende wissende Blicke trafen.

Den Rest des Nachmittages hatten sie und ihre Band verbracht wie alle anderen Strandbesucher auch. Abgesehen davon, dass sie egal wo sie war begeisterter Mittelpunkt wurde.

Was es mir glücklicherweise unmöglich machte, bis zu ihr durchzukommen.

Vorerst.

Irgendwann hatte ich dann endlich auch den Weg ins Wasser gefunden. Und etwas Ruhe, als ich mich dreißig Meter vom Strand entfernt einfach in die Brandung legte und treiben ließ.
 

"Ob es hier wohl Haie gibt, die Menschen anfallen?", murmelte ich in Gedanken. Die Sonne brannte ganz schön herab. Und durch die Reflexion der Wasseroberfläche würde ich nicht mehr allzu lange bleiben können, ohne mir doch noch einen Sonnenbrand zu holen, wie ich mit Bedauern registrierte. Aber diese Ruhe, diese himmlische Ruhe... Der sanfte Schlag der Wellen... Das ferne Kreischen der Seevögel... Die Berührung an meinem rechten Unterschenkel...

Entsetzt schreckte ich hoch, verlor den Halt auf dem Wasser und sank ein paar Meter in die Tiefe. Unter Wasser sah ich mich hastig um. Etwas hatte mich tatsächlich berührt, da war ich mir sicher. Aber ich konnte nichts erkennen. War es etwa wirklich ein Hai gewesen?

Schnell glitt ich zurück an die Oberfläche. Wie war noch mal die erste Regel im Umgang mit einem Hai? Nicht als Beute erscheinen? Nicht zu hastig schwimmen? Oder doch schneller schwimmen? Aber gegen einen Räuber der Meere? Auf welche Weise hatte ich da eine Chance?
 

Wieder wurde ich am Bein berührt. Nur wurde ich diesmal gepackt und in die Tiefe gerissen.

Was, wenn es kein Hai war, sondern diesmal ein kronosisches Kommando, um mich zu töten?

Ich wirbelte herum, bereit, mein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, egal ob gegen Menschen oder Söldner. Und erlebte eine Attacke, gegen die ich gar nichts ausrichten konnte.

Joan drückte sich lächelnd an mich und gab mir einen Kuss. Verblüfft atmete ich aus. Was dazu führte, dass meine Atemluft nach oben stieg. Ich wollte hinterher, zurück zur Oberfläche.

Doch Joan hielt mich noch immer fest. Wieder küsste sie mich. Dabei drückte sie einen Schwall Luft in meinen Mund. Genug, um einen Teil meiner Lungen wieder zu füllen.

Ich sah sie erstaunt an. Wie konnte diese Frau es immer wieder schaffen, mich zu überraschen?
 

Langsam löste sie sich von mir, stieß sich von mir ab und musterte mich kritisch. Eine Hand legte sie an ihr Kinn, die andere bedeutete mir, mich im Kreis zu drehen. Gehorsam drehte ich mich langsam um mich selbst. Als ich wieder in Joans Richtung sah, nickte sie anerkennend.

Sie warf mir einen Kussmund zu und schwamm davon. Mit einer Geschwindigkeit, die mich aus der Fassung brachte, Cyborg hin, Cyborg her.

Und das Schlimmste war, sie hatte mich tatsächlich auf körperliche Attribute kontrolliert. Dieses Biest. Zum Glück schien sie aber zufrieden gewesen sein.

Nachdenklich trieb ich wieder an die Oberfläche.

Von dort machte ich mich gemächlich auf in Richtung Strand. Joan war zweifellos etwas Besonderes.
 

Am Strand hustete ich mich erst einmal ausgiebig aus. Ich hatte tatsächlich Wasser geschluckt. Und Salzwasser schmeckte nicht wirklich gut.

"Danke", murmelte ich, als mir jemand eine Wasserflasche reichte. Ich trank ein paar Schlucke, um den schrecklichen Geschmack los zu werden. Dann gab ich die Flasche zurück.

Und erkannte meinen Helfer.

Ich runzelte die Stirn. "Kennen wir uns?"

"Ich weiß nicht, Otomo-kun. Aber wir haben etwas gemeinsam", sagte er leise.

Ich folgte seinem Blick und erkannte Megumi, die auf einem Strandtuch lag und sich sonnte.

"Du bist der Typ, den sie mitgebracht hat?"

"Danke für den Typ. Ich habe einen Namen", beschwerte er sich. "Mamoru Hatake. Und ich bin zwei Jahre über dir."

"Aha. Das waren jetzt Informationen, die ich unbedingt brauchte", erwiderte ich zynisch.

"Sie tun ja auch nichts zur Sache", sagte Mamoru gönnerhaft. "Aber das!"

Ich sah den Schlag kommen, wehrte ihn aber nicht ab. Ich ließ ihn auf mein Kinn treffen und ging kaum mit dem Schlag mit, was ihm einiges an Wucht genommen hätte. Der Hieb war kräftig genug, um mich von den Füßen zu holen. Hart schlug ich auf dem Sand auf.

Mamoru stellte sich über mich und starrte mit geballten Fäusten zu mir hinab. "Und jetzt kommt eine Information, die du wirklich unbedingt brauchst. Hast du schon mal dran gedacht, dass du schlecht für Megumi bist? Hast du schon mal dran gedacht, dass sie an dir zerbrechen könnte? Was bist du, Akira? Nein, was glaubst du, was du bist? Nur weil dein Vater OLYMP kommandiert und Megumi ihm unterstellt ist, glaubst du wirklich, dass..."

Ich spielte einen Moment mit dem Gedanken, mich mit ihm zu prügeln. Immerhin hatte er angefangen. Aber seine Worte, diese verdammten Worte, sie taten mir weh. War ich wirklich schlecht für Megumi? Tat ich ihr alleine durch meine Existenz weh?
 

"Warum tust du uns nicht beiden einen Gefallen und hältst die Klappe, ja? Du hast absolut keine Ahnung, was ich in den letzten vier Wochen erlebt habe. Und du wagst es, an mir herum zu meckern?"

"Okay, ich weiß nicht, was du durch machen musst. Aber ich weiß, was Megumi leisten muß, und das seit drei verdammt langen Jahren! Für uns, für die Welt. Ja, sogar für so einen Idioten wie dich!"

Ich lachte leise. Teils aus Schmerz, teils aus Wut. Er hatte einerseits Recht, konnte aber nicht wissen, durch welche Hölle ich gegangen war. "Vielleicht hast du sogar Recht damit. Niemand, der nicht auch einen Mecha steuert, kann auch nur ansatzweise wissen, was es bedeutet, dort oben zu kämpfen."
 

Ich rieb mir das schmerzende Kinn. "Also, wie geht es weiter? Wollen wir uns prügeln oder bist du fertig?"

Wütend ballte er die Fäuste noch ein wenig fester. Dann wandte er sich um und murmelte: "Du bist es nicht wert, Akira."

DAS brachte mich für einen Moment in Rage. Ich sprang auf und rief: "Und du? Glaubst du vielleicht, du bist gut für sie?"

"Zumindest bin ich da für sie, wenn sie mich braucht. Das ist eine Menge mehr, als ich von dir behaupten kann!", blaffte er zurück.

"Du weißt gar nichts!", schrie ich. "Überhaupt nichts!"

Mamoru wirbelte wieder herum. So standen wir uns gegenüber, mit geballten Fäusten und vor Wut schnaubend.

Schließlich öffnete ich meine Hände langsam wieder, um jeden Millimeter musste ich kämpfen. "Okay", murmelte ich leise, "du meinst es gut. Das sehe ich ein. Deshalb lasse ich es diesmal gut sein. Aber wir kriegen unsere Gelegenheit, Mamoru."

Auch er entkrampfte seine Hände wieder. "Das will ich doch schwer hoffen."

Wir starrten uns noch einen Moment lang wütend an, dann wandten wir uns zugleich um und stapften in verschiedene Richtungen davon.

Mir lagen ein paar Worte auf der Zunge, die Mamoru Hatake sehr viel näher mit dem Tierreich brachten. Und sein Wortschatz hatte sich sicherlich gerade um ein paar Schimpfwörter erweitert, in denen Akira vorkam.

Ich rieb mir das schmerzende Kinn. "Na, warte, das kriegst du wieder."
 

Auf meiner Decke angekommen ließ ich mich einfach fallen. Wütend kramte ich in meiner Tasche. Natürlich hatte ich keine Waffe mitgenommen, ich Glückspilz. Ob ich mir eines von Doitsus Übungskatanas ausleihen sollte? Oder doch besser gleich eine Kompanie der Hekatoncheiren anfordern?

Wütend schüttelte ich den Kopf. Ich musste mich nur beruhigen. Einfach nur beruhigen.

"Na, Akira, wird das etwa ein Sonnenbrand?", rief Makoto fröhlich und klopfte mir auf den Rücken. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als würde mir bei lebendigem Leib die Haut abgezogen und das blanke Fleisch mit Salz eingerieben werden. Entsetzt schrie ich auf.

"Wusste ich es doch", brummte Makoto und warf mir mein Shirt zu. "Hier, bevor es zu spät ist."

Mit Tränen in den Augen starrte ich ihn an. "Das wirst du büßen."

"Stell mal deine Rachegelüste zurück. Mit einem pro Tag hast du schon mehr als genug zu tun", erwiderte mein Cousin schmunzelnd. Er warf mir mein Datapad hin. "Hier."

"Ich habe meine Arbeit schon erledigt, Mako", beschwerte ich mich.

"Ich habe ein Update aufgezogen. Sie haben den Kronosier aus dem Biotank verhört. Ich dachte, du willst mal ins Protokoll rein schauen, oder?"
 

Übergangslos wurde ich ruhig. "Danke, Mako. Ich schau gleich mal rein."

"Und vergiss nicht das Shirt anzuziehen", sagte er, sprang aber schnell genug außer Reichweite, damit ich ihn nicht mehr erwischen konnte. Die Rückensache war noch nicht vergessen!

In Rachegedanken versunken, die zwei Männern an diesem Strand die Qualen bereitet hätte, die sonst nur eine Ehe bot, legte ich den Sensor an die Stirn an und begann den entsprechenden Text zu suchen.

Ich wurde sehr schnell fündig. Und atmete entsetzt aus. Was ich da zu lesen bekam, war wirklich harter Tobak. Der Kronosier war mehr als kooperativ gewesen. Kein Wunder, behauptete er doch steif und fest von sich, ein Mensch zu sein, genauer gesagt ein Undercover-Agent des französischen Geheimdienstes, der mit dem Auftrag losgeschickt worden war, die Kronosier zu infiltrieren.

Ich setzte das Pad einen Moment ab. Konnte das sein? Eine Fußnote hatte mich darüber belehrt, dass es den Namen Michel Valjean im französischen Geheimdienst tatsächlich gab und das dieser seit zwei Jahren als vermisst geführt wurde.

Weiter spekulierte die Fußnote darüber, dass eventuell die Erinnerung des Agenten auf den Kronosier übertragen worden war, um sich sein Wissen anzueignen. Ein winziger Satz ließ die These aufkommen, der Kronosier könne wirklich Michel Valjean sein, aber sein Erbgut war bereits untersucht und als eindeutig kronisianisch bestätigt worden.

Was wurde gespielt? Für einen Infiltrationsversuch war die Vorgehensweise zu plump. Vielleicht sollte sie deswegen funktionieren?
 

Was der vermeintliche Michel weiter zu Protokoll gegeben hatte, ließ mir beinahe das Blut in den Adern erstarren. Nachdem er aus dem Biotank befreit worden war, hatte er sofort einen Termin bei einem höheren Offizier gefordert, um ihn zu warnen.

Was er danach detailliert weiter gegeben hatte, las ich nun atemlos.

Laut Michel Valjean hatten die Kronosier einen kombinierten Angriff aufgestellt, der die vier Plattformen OLYMP, Titanen-Station, ARTEMIS und APOLLO zum Ziel hatte.

Nach seinen Worten hatten die Kronosier vorgehabt, zuerst Titanen-Station mit einer Atomexplosion zu vernichten und anschließend mit Hilfe eines modifizierten ZULU-Kreuzers den OLYMP so schwer wie irgend möglich zu beschädigen.

Danach sollte die ARTEMIS-Plattform, auf der die neuen Kreuzer gebaut werden sollten, mit Hilfe einer neuen Waffe unschädlich gemacht werden.

Über deren Natur hatte der Kronosier aber nichts berichten können. Sie war, als man ihn in den Tank verfrachtet hatte, noch experimentell gewesen.

APOLLO würde anschließend von einem Großangriff vernichtet werden, nachdem das Gros des menschlichen Verteidigungspotentials vernichtet worden war.

Zwei der Angriffe waren schon erfolgt und abgeschlagen worden. Aber die Waffe, die neue unbekannte Waffe machte mir Angst.
 

Warum er im Tank gelegen hatte, war aber so unglaublich gewesen, dass ich das Pad mehrfach absetzen musste, um meine durcheinander wirbelnden Gedanken zu ordnen.

Angeblich waren seine Dienste so wertvoll gewesen, dass er dazu ausersehen worden war, die Gift zu erhalten.

Ich ersparte mir die näheren Angaben über den Vorgang an sich und versuchte eine Linie in das Chaos zu bringen, dass ich gerade meine Gedanken schimpfte.

Wenn das wahr war, wenn das wirklich stimmte, dann...

Hastig atmete ich ein und aus. Was hätte ich jetzt nicht alles für einen harten Schnaps gegeben. Die Gift war auf eine skurrile Art und Weise tatsächlich eine Belohnung. Ich legte das Pad beiseite.

Mein neues Wissen musste ich erst einmal verdauen.
 

Langsam stand ich auf und ging ein paar Schritte. Dann noch ein paar. Und bevor ich mich versah, lief ich auch schon den Strand hinunter. Kurz darauf stand ich in der Brandung und starrte auf das Meer hinaus. Was für eine verrückte Welt.

"O-nii-chan. Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte Lilian leise.

Ich sah zur Seite und winkte sie zu mir heran. "Komm her."

Sanft nahm ich sie in den Arm und drückte sie an mich. "Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?"

"Seit heute Morgen nicht mehr", erwiderte sie amüsiert. "Was ist los, O-nii-chan?"

Ich sah der Kronosierin in die Augen. "Lilian. Versprich mir, dass du dich an eine Sache immer erinnern wirst. Ich liebe dich wie meine Schwester. Nicht weil du ihr irgendwie ähnlich bist oder weil ich mich nach einer kleinen Schwester gesehnt habe. Sondern weil du du bist."

"Aber das weiß ich doch", antwortete sie.

Ich drückte sie noch etwas fester an mich und legte ihren Kopf auf meine Brust. "Das ist gut, Lilian. Das ist sehr gut."

"O-nii-chan?"

"Was? Drücke ich dich zu fest? Bin ich dir vielleicht peinlich vor deinen Freundinnen?"

"Nein, das ist es nicht. Kannst du mich noch etwas länger drücken?", fragte sie leise.

"Was? Gefällt es dir so gut?"

"Nun, das auch. Aber wenn du mich noch etwas drückst, dann hat Yoshi uns erreicht", erklärt sie listig.
 

"WAS TUST DU DA, AKIRA?", rief Yoshi hinter mir aufgebracht.

"Deine Freundin umarmen?"

Übergangslos wurde mein bester Freund bleich. "Meine... Meine was?"

"O-nii-chan, du bist ein Trottel!", beschwerte sich Lilian, löste sich aus meiner Umarmung und lief weg.

Ich sah ihr hinterher.

"Das ist deine Schuld, nur deine Schuld, Akira. Ich hoffe, du bist jetzt glücklich, ja?", murrte Yoshi wütend.

"Also", erwiderte ich und grinste, "ich laufe ihr nicht hinterher."

"Äh..." Sprachlos starrte Yoshi mich an. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er begann zu laufen. "Darüber sprechen wir aber noch mal, hast du kapiert?"

"Ja, aber erst Morgen", brummte ich amüsiert. "Erst Morgen."

**

Drei Stunden später, wir waren schon lange vom Strand in ein großes Landhaus der UEMF umgezogen, nahm ich mir die Zeit den Bericht zu Ende zu lesen. Ich wollte gerade anfangen, als mein Oni hereingestürmt kam und atemlos berichtete: "Meister, schnell, sie haben Makoto-sama dazu gezwungen, Frauenbadeanzüge zu tragen!"

Ich lächelte gering schätzend. "Ach, und ich soll ihn jetzt retten, was?"

"Nein, nein. Gucken kommen! Die Fotos sind gerade ausgedruckt worden!"

Ich unterdrückte ein lautes Auflachen. Mako musste also mal wieder richtig leiden, was?

Ich stand auf. "Na gut, dann wollen wir uns das doch mal ansehen."

Ich folgte meinem Oni aus meinem Raum in das große Wohnzimmer. Das Stimmengewirr ließ auf eine ausgewachsene Party schließen.

Akari schien sich richtig zu freuen, hierher zurückkehren zu können. Ich hatte sie eigentlich fast immer fröhlich erlebt, aber im Moment schien sie sich ihrem verlorenen Menschsein näher zu fühlen als je zuvor.

Ich hatte sie am Strand gesehen, wie sie mit den Slayers Volleyball gespielt hatte. Und es brach mir das Herz, dass es nicht in meiner Macht stand, sie wieder zu einem Menschen zu machen.
 

Als ich das Zimmer betrat hatte ich für einen Moment das Gefühl, dass irgendetwas gerade mächtig falsch lief. Statt der Badeanzüge trugen alle nun leichte Sommersachen, Snacks waren über den Boden verstreut und jemand hatte sogar eine Akustikgitarre organisiert, auf der der Zopf gerade herumklimperte.

Soweit erschien mir alles in Ordnung. Nur Makoto war unter dem Wust an Mädchen kaum noch zu erkennen. So wie ich es sah, knuddelten und liebkosten die Mädchen den Mecha-Piloten gerade. Und es schien bei ihm nicht gerade auf Ablehnung zu stoßen.

"Wie macht er das bloß?", wollte Daisuke wissen. "In dem einen Moment kriegt er fast einen Schlaganfall, weil er Megumis Bikini tragen soll, und im nächsten Moment... Na, ich will gar nicht wissen, wo die Mädchen überall ihre Hände haben."

Frustriert, wie die meisten Männer im Raum, trank Daisuke einen langen Schluck aus dem Wasserglas neben sich.

Ich wollte meinen Blick schon abwenden, als ich sah, wie Doitsu ihm und sich selbst nachschenkte. Aus einer bauchigen Sakeflasche.

Na, das konnte ja was werden.

Im Übrigen erklärte es vielleicht, warum die Mädchen so ausgelassen waren.
 

"Oh, du bist ja so ein Süßer", hörte ich die Stimme von Joan über die der anderen Mädchen hinweg. Ich sah wieder zurück und erkannte, wie die Popdiva, die übrigens ein sehr leichtes und kurz geschnittenes Sommerkleid trug, meinen Cousin an ihre Brust drückte.

"Diese Fotos sind ja einfach hinreißend. Oh, ich möchte die einfach nur drücken, drücken, drücken..."

Ich schlug mir mit einer Hand vor mein Gesicht. "Makoto, soll ich dich retten?", fragte ich.

Mein Cousin sah mich böse an. "Das tust du ja sonst auch nicht, oder? Also stehe ich das hier durch wie ein Mann!"

"Ja, wie ein Mann", lachte ich leise.

"Aki-chan!", rief Joan aufgeregt als sie mich entdeckte. "Komm, setz dich zu uns!"

Joan hielt in der Hand eines dieser Wassergläser. Nur war es fast leer.

Ich schluckte kräftig, als der Ärmel ihres Sommerkleides verrutschte und den weißen Streifen ungebräunter Haut ihres Bikini-Oberteils offenbarte. Makoto, dieser kleine, widerliche...

Joan trug keinen BH, deshalb ertrug er das Knuddeln und kuscheln wie ein Mann. Entschlossen wollte ich mich setzen.

Da berührte mich eine Hand an der Schulter. "Akira-san, hast du einen Moment für mich?"

Ich sah zur Seite und erkannte Daisuke. "Natürlich, Kumpel."

Bedauernd winkte ich Joan zu. "Nachher, ja?"
 

Ich folgte dem Mecha-Piloten und seit neuestem auch Freund auf den Balkon.

"Akira-san, ich will es kurz machen. Was soll ich tun? Ich meine, was würdest du tun?"

"Was genau?", fragte ich.

"Na, das! Das mit mir und Sarah-chan und überhaupt und..." Verlegen legte Daisuke beide Hände an seinen Schädel. "Tut mir Leid, ich rede Unsinn. Ich hätte den Sake nicht trinken sollen. Es ist nur, ich... Ich schaff es einfach nicht. Ich meine, ich will Klarheit. Ich will nicht, dass Sarah denkt, sie wäre mir egal. Aber ich kann es einfach nicht. Ich kann es nicht sagen."

"Kannst was nicht sagen?", fragte ich ernst.

"Das ich..." "Ja?" "Das ich sie..." "Nur weiter."

Daisuke ließ die Schultern hängen. "Schon gut, Akira-san. Ich danke dir."
 

Wenn Daisuke geglaubt hatte, so davon zu kommen, hatte er sich geirrt. Bevor er sich versah, hatte ich ihm meine Faust auf den Bauch gerammt. Mit einem erstaunten Keuchen ging er zu Boden, wo er sich vor Schmerz zusammen krümmte.

Ich rieb mir die schmerzende Faust. Soweit, so gut. Mann, was hatte der Kerl nur für Muskeln? Oder war das bereits die Panzerung eines Hawks?

Ich überzeugte mich davon, ihn richtig erwischt zu haben und wandte mich zum gehen.

Als ich im Wohnzimmer zurück war, berührte ich Sarah am Arm, die gerade über zwei besonders gut gelungene Fotos von Mako lachte. "Sarah, Daisuke ist draußen zusammen gebrochen. Ich..."

Weiter kam ich nicht. Mit Entsetzen im Blick war sie aufgesprungen. Bevor ich mich versah, eilte sie schon an mir vorbei.

Ich lief hinterher. Diese Show ließ ich mir nicht entgehen.
 

"Daisuke! Daisuke, geht es dir gut?", rief sie verzweifelt. Sie wagte es kaum ihn zu berühren, aber ihre Sorge war in ihrer Stimme deutlich zu hören.

"So wird das nichts", brummte ich aus dem Hintergrund. "So wird das einfach nichts. Hast du denn keine Erfahrung in Erster Hilfe? Weißt du denn nicht, was nun zu tun ist?"

"Anstatt kluge Sprüche zum Besten zu geben könntest du mir helfen", erwiderte sie ernst.

"Warum sollte ich dir in deiner Unfähigkeit auch noch helfen?", erwiderte ich und legte Sarkasmus in meine Stimme. "Wenn du nicht mal das schaffst, wundert es mich nicht, dass es keinen Mann gibt, der dich wirklich liebt!"

Sie sah mich an und in ihren Augen lag Verzweiflung und Zorn. Der Blick tat weh.

"Das stimmt nicht!", kam es von Daisuke. Mühsam wälzte er sich herum und kam auf die Knie, gestützt von Sarah. "Ich liebe sie."
 

Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht triumphierend aufzulachen. Dann wartete ich ein paar Sekunden, bis den beiden ins Bewusstsein tropfte, was der Pilot gerade gesagt hatte.

"Daisuke", hauchte Sarah leise. "Meinst... Meinst du das ernst?"

Mit entsetzt aufgerissenen Augen starrte er das Mädchen an. "Ich... Du... Wir..."

Er senkte den Kopf und mied ihren Blick. "Du bist meine Schutzbefohlene. Ich muß dich beschützen. Ich wollte nie etwas anderes, als meinen Auftrag ausführen. Ich wollte niemals die Nähe zu dir ausnutzen. Ich wollte dich nie ausnutzen. Ich wollte nie, dass du glaubst, deinen Beschützer etwas schuldig zu sein." Langsam kam er auf die Füße. "Ich werde Morgen meine Versetzung beantragen."

Er erhob sich, aber dieser Erfolg blieb nicht von langer Dauer. Sarah hatte sein Shirt ergriffen und ihn wieder auf die Knie gezerrt. Zornig funkelte sie ihn an.

"Daisuke! Wenn du glaubst, dass ich nach deinem Geständnis die Hände in den Schoß lege und dir noch hinterher winke, wenn du gehst, dann hast du dich geschnitten! Weißt du, wie lange ich darauf warte, dass du endlich meine Gefühle erwiderst? Du bist mir immer so nahe und doch so weit entfernt! Weißt du was das für eine Hölle ist?

Du hast mich aus dem Tank gerettet. Du hast Akira-chan davor bewahrt, getötet zu werden! Du hast mich beschützt, unzählige Male und immer dein eigenes Leben hinter meines gestellt. Ich kenne dich vollkommen. Und ich will nicht ohne dich leben. Kapierst du das?"

"Äh. Nein."

"Okay, und das?", fragte sie und verschloss seine Lippen mit einem langen Kuss.

Für einen Moment war Daisuke mehr als überrascht, aber sein Widerstand schmolz dahin wie Butter in der Sonne.
 

"Wow", staunte ich, "mit Zunge auch noch."

Ich fühlte mich an meinem Kragen gepackt und zurück in den Gang gezogen.

"Nicht spannen, Akira", erklang Megumis Stimme hinter mir.

Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange.

"Wow. Wofür war der denn?", fragte ich erstaunt.

Megumi lächelte mich an und zog mich zurück zum Wohnraum. "Der war dafür, dass du etwas wirklich Gutes gemacht hast. Außerdem gewinne ich so bei Makotos Wettpool.

Und auch dafür, dass du Mamoru nicht zurück geschlagen hast. Er ist gut, aber er hat nicht deine Ausbildung."

"Ich hatte ihn eh verdient", sagte ich leise.

"In der Tat", kommentierte Megumi leise. "Komm, wir gehen zurück. Außerdem sollten wir den Balkon zur Sperrzone erklären."

Ich spitzte für einen Moment die Ohren und musste grinsen. "Eine sehr gute Idee, Megumi."

Abgesehen von einem malträtierten Rücken, einem schmerzenden Kiefer und der Tatsache, dass ich beinahe ertrunken wäre, fühlte ich mich richtig gut.

Megumi in ihrem wirklich netten Sommerkleid vor mir hergehen zu sehen halb dabei übrigens sehr...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-02-09T10:08:26+00:00 09.02.2007 11:08
Echt wieder mal genial.
Von: abgemeldet
2005-09-07T14:05:42+00:00 07.09.2005 16:05
Jaa... Bei den Kronosianern hatte ich auch eine Idee, die sich tatsächlich bestätigt hat XD
Aah... Die Kappis sind so schön lang... X33 Und der Wettpool hat mir auch gefallen XD
Von:  Carnidia
2005-02-13T06:37:03+00:00 13.02.2005 07:37
Erstmal Sorry, aber kleiner Tippfehler im letzten Absatz: "halb mir sehr" = "half mir sehr" XD
Aber das tut der Genialität natürlich keinen Abbruch! *gg*
SUPER, ... hab ich das nicht schonmal gesagt? ...
Das mit dem Wettpool ist einfach genial und passt zu Mako. Und ich finde es sehr gut, dass der Verehrer von Megumi kein holköpfiger Trottel ist, das wäre zu leicht gewesen.
Ach ja ... ich glaube ich weiß jetzt, was mit den Kronosianern und dem Gift ist (is das jetzt richtig geschrieben <.< ... ich hoffe schon) ist, schaun wir mal ob es sich bestätigt XD
Genial wie gewohnt
^.^v


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