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Little By Little II

FINISHED !!! YEAH!!!^^ chap.17 &18 up!!
von

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Between Amber & Garnet

 Between Amber & Garnet
 

Eine Melodie vor mich her summend, saß ich in der Lobby unseres Hotels. Der Sessel, auf welchem ich Platz genommen hatte, hätte meiner Meinung nach ruhig etwas weicher sein können. Zum x-ten Mal änderte ich somit meine Position in diesem Teil, schaute dabei aus dem Fenster, das sich als ellenlange Glasfront heraus stellte. Draußen schneite es. Nicht ungewöhnlich für Deutschland um diese Jahreszeit, oder?

Wir waren den zweiten Tag in Berlin und ich vermisste Japan jetzt schon. So schön es auch gewesen war hier her zu kommen, musste ich doch feststellen, dass ich nicht vorhaben würde je wieder hier zu wohnen. Etwas fehlte. Etwas ganz Spezielles und das schon die letzten Tage. Besagtes Spezielles trat in dem Moment mit Die die Lobby. Toshiya würdigte mir nicht mal eines Blickes, während Die freudestrahlend auf mich zukam.

„Was machst du hier so alleine?“, setzte er sich auf den Sessel neben mich.

„Hier sitzen.“ Bei der Antwort schaute ich ihn kurz an, dann Totchi, der neben Die stand und nun, wie ich zuvor, ebenfalls aus dem Fenster schaute.

„Ihr seid schlimmer als zwei kleine Kinder.“, seufzte Die, ließ sich nach hinten sinken.

„Wann geht es eigentlich los?“ Jetzt schaute ich ihn mir genauer an. Er trug eine zerschlissene Jeans und einen dicken schwarzen Rollkragenpullover. Seine roten Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Kyo konnte sich mit diesem Mann echt glücklich schätzen.

„Morgen früh geht es los. Wir wollten uns zu dritt etwas in der Stadt umschauen. Magst du nicht mitkommen?“

„Zu dritt?“, hob ich fragend eine Augenbraue.

„Kyo, Toshiya und ich.“

Toshiya rührte sich nicht ein Mal bei dem Gespräch, starrte stur aus dem Fenster. Ich wusste nicht, wie ich an ihn herankommen sollte. Bei meinem letzten Versuch hatte er schweigend die Tür vor meiner Nase geschlossen. Ich verstand ihn nicht. Was war los?

„Ich treffe mich gleich mit Kaoru. Wir wollten noch etwas erledigen.“, lehnte ich Dies Angebot ab. Dieser schaute mich einen kurzen Moment an, nickte dann: „Okay. Wir sehen uns dann später wieder hier im Hotel, oder?“

„Das denke ich doch.“ Mein Blick schweifte wieder zu Totchi. Ich vermisste seine Aufmerksamkeit mir gegenüber.

Die beiden waren gerade dabei zu gehen, als Kaoru auf uns zukam. „Du bist schon da?“, wandte er sich gleich an mich.

„Ja. Können wir dann?“, sprang ich auf, zupfte meine Kleidung zurecht und zog mir dann meinen dicken Mantel über.

„Wo soll es denn hingehen?“, fragte Kyo, der nun ebenfalls mit Shinya auf den Plan trat.

„Ich weiß nicht wo es bei euch hingeht, aber Kaoru und ich machen einen Besuch bei jemandem.“, band ich meinen Schal um, griff nach der weißen Rose neben mir.

„Könnt ihr mal klarer reden? Dieses Drumherumgerede hält ja keiner aus.“, motzte zu meinem Erstaunen Totchi und schaute Kaoru genervt an.

„Das geht euch gar nichts an.“, war alles was dieser sagte und wandte sich dann zum Gehen. Ich tat es Kaoru gleich, ließ die anderen stehen, und ging mit ihm zum Auto. Wir hatten uns eines geliehen. Einen schwarzen Golf. Ich setzte mich hinters Steuer, während Kaoru sich auf den Beifahrersitz nieder ließ.

„Und du willst da wirklich hin?“, schnallte er sich an.

„Ja. Einer muss das ja tun.“, startete ich den Motor. „Zudem, bin ich schon etwas neugierig, wie es denen geht.“

„Ich hab da ein merkwürdiges Gefühl.“

Ich fuhr vom Parkplatz auf die Hauptstraße, um dann von dort aus auf die Ringautobahn zu fahren.

„Wieso musste ich eigentlich mitkommen. Was ist mit Toshiya?“, fragte Kaoru nach einer viertel Stunde schweigen.

„Ich brauche irgendwen an meiner Seite und mit Totchi läuft es momentan nicht gut.“

„Das ist mir auch schon aufgefallen. Was ist los?“

Kaoru würde sich wohl nie ändern. Wenn es um seine Mitmenschen ging, dann war er einfach immer darum bemüht, dass alles gut verlief. Mich ergebend, erzählte ich ihm somit von der ganzen Sache.

„Wegen solch einer Meinungsverschiedenheit schweigt ihr euch jetzt an?“, schnaubte Kaoru. „Ihr habt sie doch nicht mehr alle.“

„Ich wollte ja mit ihm reden, aber er scheint ja kein Bedarf zu haben.“

„Den hat er gewiss. Du solltest nur mal hartnäckig bleiben.“

Ich schaute ob seiner Antwort zu ihm. Dabei schweifte mein Blick auch kurz an ihm vorbei, aus dem Fenster. Mich wieder auf den Verkehr konzentrierend, begann ich zu lachen.

„Was jetzt?“, blickte Kaoru mich entsetzt an.

„Schau mal nach rechts.“, prustete ich, versuchte mir das Lachen zu verkneifen.

Kaoru tat, was ich ihm sagte. „Ich fasse es nicht.“

Ich warf abermals einen Blick auf das Auto, was neben uns fuhr. Die Gestalten dort drinnen kamen mir nicht gerade unbekannt vor. Daisuke winkte, als er Kaorus Aufmerksamkeit bemerkte.

„Sag nicht, die sind uns nachgefahren.“, stöhnte er genervt.

„Sieht ganz so aus.“

„Die sind so was von neugierig.“, wetterte er.

Die nächste Abfahrt fuhr ich von der Autobahn, um dann quer durch den Wald über eine Waldstraße, um an unser Ziel zu gelangen. Der VW Van, immer hinter uns.

Ein großes Gartentor, stoppte unsere Fahrt.

„Wir sind da.“, schnallte mich ab.

„Hier wohnen sie?“, schaute Kaoru aus der Frontscheibe auf ein großes Grundstück mit edlem Einfamilienhaus.

„Seit vielen Jahren.“, stieg ich aus, um das Tor zu öffnen. Gerade schlug ich die Autotür zu, als der Van hinter unserem Golf hielt. Die verwunderten Blicke der Insassen, ähnelten dem vom Kaoru. Es war doch immer wieder amüsant, wie die Leute auf dieses Anwesen reagierten.

Nachdem ich das Tor geöffnet hatte, fuhren wir auf das Anwesen und parkte knapp vor der Haustür. Kaum waren Kaoru und ich ausgestiegen, kamen auch gleich die anderen auf uns zu.

„Könnt ihr mir mal verraten, was ihr hier macht?“, erhob Kaoru gleich seine Stimme und schaute Die fragend an.

„Die beiden hier waren mal wieder neugierig.“, antwortete Shinya und deutete zwischen Die und Toshiya hin und her. So war das also. Kaoru hob darauf jediglich eine Augenbraue, sagte nichts weiter dazu. War das einfach zu typisch.

„Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte Kyo nach einer kurzen Schweigeminute und schaute sich wie der Rest um.

„Auf dem Anwesen der Ryans.“, meinte ich knapp. „Da, wo ihr nicht sein solltet.“

Mir fiel Shinyas fragender Blick auf, als ich ihn mit den Worten direkt ansprach.

„Lily killt mich, wenn sie das herausbekommt.“, nuschelte ich und ging an Kaoru vorbei zur Haustür. Der Rest immer fleißig folgend.

Ich klingelte zwei Mal und gleich darauf öffnete uns eine mir fast fremd gewordene hübsche Frau.

„Hallo, Kira.“, begrüßte mich Lilys Mutter. „Ich dachte du kämst allein.“

„Tut mir leid, aber es hat sich etwas Unerwartetes ereignet.“

„Schon gut. Kommt herein.“, machte sie eine einladende Bewegung. Nacheinander traten wir ein. Es hatte sich nichts geändert in diesem Haus, wie ich feststellte. Es war noch immer so steril und kalt, wie es das immer gewesen war. Wirklich nichts hatte sich geändert. Nicht einmal die Tatsache, dass in diesem Haus grundsätzlich nur in Englisch gesprochen wurde. Dies kam Dir en grey eigentlich zu Gute, vor allem bei dem Gespräch mit Lilys Eltern.

Lilys Vater hatte während dem ganzen Gespräch, im Wohnzimmer, über einen lauernden Blick. Vor allem Shinya betrachtete er musternd.

„Wie geht es Lilian? Ich hatte gehofft, dass sie sich hier mit dir blicken lassen würde.“, erklang die tiefe Stimme Herrn Ryans, dass ich gleich eine Gänsehaut bekam. Mir Schutz suchend, griff ich nach der nächst besten Hand, welche Totos war. Dieser erwiderte, zu meiner Verwunderung, ohne zu zögern, meinen Händedruck.

„Sie ist zurzeit verhindert und hat viel zu tun. Ihre Tochter ist ziemlich beliebt in Japan. Somit hat sie kaum eine freie Minute.“, antwortete Kaoru, der wohl bemerkte, dass dieses Thema nicht friedlich ausgehen würde. So war es letztendlich auch. Ein heftiger Wortwechsel entstand bis Lilys Vater sich murrend verzog.

„Es tut mit wirklich leid, aber er wird nie gut auf Lilian zu sprechen sein.“, entschuldigte ich mich bei den Männern, die völlig sprachlos auf den Sofas, im Wohnzimmer, saßen. Lilys Mutter holte derweil neuen Kaffee.

„Was war das denn gerade?“, meldete Kyo sich als erstes.

„Das ist immer so. Ihre Eltern machen sie für den Tod ihres Sohnes verantwortlich.“

„Wie bitte?“, schnaubte Totchi, dessen Hand noch immer in meiner lag.

„Sie sind ebenso der Meinung, dass Lily es nie zu etwas gebracht hat. Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der Medizin studiert hatte. Diese Familie war schon immer auf Ansehen aus. Ihre Tochter ist unwürdig ihren Namen zu tragen. Das hat Lilys Vater ihr damals regelmäßig vorgehalten. Und das nur, weil sie Tanzen wollte, anstatt Medizin oder Jura zu studieren.“, klärte ich die Fünf auf.

„Wie hat sie das nur ausgehalten.“, seufzte Die, zog Kyo liebevoll in seine Arme.

„Eigentlich gar nicht. Alex war immer ihr halt gewesen. Ich weiß gar nicht, was passiert wäre, wäre er nicht da gewesen.“

Shinya erhob sich von der Couch und schlich zu der gegenüberliegenden Wand, an denen einige Familienfotos hingen. Einen Moment schaute er sie sich an bevor er sich zu uns umdrehte und die Feststellung traf, die schon jeder getroffen hatte. „Da ist kein einziges Mal Lily drauf.“

„Sicher nicht.“, betrat Lilys Mutter die Wohnstube. „Mein Mann hat mir untersagt eines von ihr aufzuhängen.“ Sie stellte den Kaffee auf dem Tisch ab und wandte sich dann wieder Shinya zu. „Sie haben sehr viel Ähnlichkeit mit meinem Sohn.“, lächelte sie. Es war ein Lächeln, das mich an die Beziehung zwischen Alex und seiner Mutter erinnerte. „Wenn er noch leben würde…er würde alles dafür geben sie alle kennen zu lernen.“

Alle schwiegen darauf, wobei Shinya sich traurig wieder den Bildern zuwandte.
 

Später machten Totchi und ich mich auf den Weg in Lilys altes Zimmer, gefolgt von der Hausherrin.

„Sie hat ein paar Dinge hier stehen lassen. Sie wollte sie eigentlich holen. Es sind nicht viele Dinge, aber dennoch wäre ich froh, wenn ihr sie mitnehmen könntet. Ah ja, ich hab auch noch einen kleinen Karton von Alex gefunden, wo draufsteht, dass er für Lilian sei.“, verschwand sie wieder. Ich schaute mich im Zimmer um. Auf dem Bett lagen einige Kleinigkeiten, wie Bücher und Klamotten, von Lily. Daneben lag ihre erste Gitarre. Totchi ging auf das Bett zu und betrachtete die Dinge genauer.

„Wir werden einen Karton oder etwas Ähnliches gebrauchen können.“

„Sieht ganz so aus.“, griff ich nach seiner Hand. Ich war so froh, dass er wieder mit mir sprach. Aus welchem Grund auch immer.

Ich wollte ihn gerade an mich ziehen, als Lilys Mutter wieder im Zimmer erschien. Als hätte sie unsere Gedanken gelesen, hielt sie neben Alex’ Karton noch einen weiterem in ihren Händen.

„Lilians Mann war zwar gestern da gewesen, aber er wollte die Sachen nicht mitnehmen, meinte, ich solle sie ihr schicken. Na ja, und den kleinen Karton hier von meinem Sohn wollte ich lieber jemand nahe Stehendem aushändigen.“ Sie trat zu uns ans Bett, stellte die Sachen ab.

„Kai war hier?“, schaute ich sie verblüfft an. Totchi neben mir war nicht minder überrascht.

„Nur kurz.“, zuckte Lilys Mutter mit den Schultern, als wäre es etwas Alltägliches, dass Kai hier auftauchen würde. Wer wusste das schon, vielleicht war es ja auch so. „Er wollte nur etwas mit meinem Mann besprechen. Seit er Kai damals geschäftlich kennen gelernt hat und ihn zu Lilians Mann machen musste, hocken sie ständig aufeinander. Ich kann ihn nicht leiden. Als Mutter werde ich bis heute nicht verstehen, wieso Lilian diesen Bastard heiraten musste. Langsam glaube ich nur noch schwer daran, dass der Tag kommen wird, wo sie ein Mal die richtige Entscheidung trifft.“, schnaubte sie. Ich stand wie erstarrt da, hörte ihre Worte und fühlte mich völlig gelähmt. Wie konnte sie nur so über ihre Tochter reden. Und vor allem, hatte ich richtig gehört? Hatte Lily Kai gar nicht so zufällig getroffen? War das alles von ihrem Vater geplant gewesen?

Toshiya, neben mir, hatte begonnen Lilys Sachen in den Karton zu räumen.

„Ich hatte immer gedacht, dass Lily Kai in London kennen gelernt hat.“, löste ich mich aus meiner Starre.

„Das hat sie auch, aber weniger zufällig, sollte man meinen. Hat sie dir nichts davon erzählt?“, lächelte sie spöttisch. Ich schüttelte mechanisch den Kopf. „Wundert dich das? Lilian würde nie eine Niederlage eingestehen…“

„Das ist nicht wahr und das wissen sie.“, unterbrach ich sie barsch.

Auf meine Worte hin schüttelte sie lediglich ihren Kopf, fuhr ungehindert fort. „Es tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss Kira, aber Lilian wusste vor ihrer Hochzeit ganz genau, dass Kai ihren Vater kennt. Sie hat sich trotzdem auf die Hochzeit eingelassen. Gott weiß wieso. Meiner Meinung nach, war es nur wieder einer ihrer sinnlosen Fehltritte. Möge es meinen Mann glücklich machen, aber meine Meinung und meine Einstellung zu dieser Frau wird sich dadurch nicht ändern.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand.

Mit Tränen in den Augen und völlig schockiert, drehte ich mich zu Toshiya. Dieser war mit einpacken längst fertig und blickte nun wortlos auf die Tür, durch welche die Hausherrin verschwunden war. Dafür tauchte kurz darauf Shinya auf. Man sah schon auf dem ersten Blick, dass er sich in diesem Haus nicht wohl fühlte. Zitternd wischte ich mir die Tränen aus den Augen und schnappte mir dann einen von den beiden Kartons.

„Wir sollten los.“, meinte Shinya leise, als ich an ihm vorbei ging.

„Hai.“, stimmte ich zu. Ich wollte nur noch weg hier. Jediglich ein paar Worte hatten gereicht, um mir klar zu machen, wieso Lily nicht hier sein wollte, wieso es sie nach Japan gezogen hatte. Wie konnte man als Eltern nur so ignorant und kalt gegenüber seiner eigenen Tochter sein? Wie konnte man einen Menschen für etwas so sehr verantwortlich machen? War denn da nicht ein bisschen Liebe?
 

Unten im Flur angekommen, warteten auch schon die anderen auf uns. Gekonnt ging ich Kaorus fragendem Blick aus dem Weg, griff mir meinen Mantel, um ihn mir über zu ziehen. Der Rest tat es mir gleich, während Lilys Mutter nicht unweit von uns stand und wartete.

Schweigend stand ich ihr gegenüber. Kein Wort war gut genug für diese Frau auch nur ausgesprochen zu werden.

„Liegt er immer noch da?“, fragte ich sie dann nach einiger Überwindung doch, obwohl ich ihr lieber meine Meinung gesagt hätte.

„Ja.“, kam es knapp. Ihre blauen Augen durchbohrten mich dabei. Sie wusste ganz genau, was ich von ihr hielt, aber die ganzen Jahre über, hatten wir uns gegenseitig toleriert. Und mir war klar, dass auch niemals einer je ein Wort in diese Art verlieren würde.

Ich nickte ihr zum Abschied zu, dann drehte ich mich um. Nur weg. Ich wollte nur noch hier weg. Hinter mir hörte ich die Männer, wie sie mir folgten. Ohne auch nur aufzusehen, verstaute ich den Karton mit Lilys Sachen auf dem Rücksitz des VW Golf, versuchte dabei die Wuttränen zu unterdrücken. Die Tür zuwerfend, fluchte ich laut. Ich war wütend auf mich. Wieso war ich auch hergekommen? Was hatte ich anderes erwartet? Dass es sich ändern würde? Lächerlich. Diese Art von Mensch würde sich nie ändern. Jedes Bemühen war zwecklos.

„Lass uns von hier verschwinden.“, tauchte Shinya neben mir auf, nahm mir den Autoschlüssel aus der Hand. „Ich fahre.“

Für Widerstand war ich viel zu sehr damit beschäftigt mich selbst innerlich x-Mal in den Arsch zu treten. Somit setzte ich mich auf den Beifahrersitz.

Toshiya kam auf mich zu, als ich mich gerade gesetzt hatte. „Wir fahren noch woanders hin, okay?“ Ich nickte, erwiderte den Blick seinen braunen Iriden. „Vergiss das hier nicht.“ Er stellte mir Alex’ Karton auf den Schoß. „Und fahrt vorsichtig.“, wandte er sich an Shinya, der links neben mir hinterm Steuer saß. „Wir sehen uns dann im Hotel.“ Mit diesen Worten schloss er die Beifahrertür und Shinya startete den Motor.

„Führe mich einfach.“, gab er Gas und lenkte das Auto vom Grundstück. Im Seitenspiegel konnte ich sehen, wie auch die anderen in den Van stiegen. An der nächsten Straßenbiegung, verlor ich den Blickkontakt.

„Du hättest nicht da sein sollen.“, lauschte ich dem Lied im Radio, während Shinya den Waldweg entlang fuhr.

„Wieso nicht?“ Shinya strich sich mit seinen langen Fingern eine Strähne aus dem Gesicht.

„Du hast noch immer viel zu sehr Ähnlichkeit mit Alex.“, flüsterte ich, schaute dabei aus meinem Fenster.

„Du weißt ganz genau, dass es nicht der Grund für eure Auseinandersetzung war.“ Shinya blieb mal wieder völlig ruhig. Er lächelte leicht, als ich ihn wiederholt anschaute.

„Nein.“, gab ich zu. „Das war nicht der Grund.“ Shinya in dem Haus zu sehen, war für mich wie, als würde ich Alex sehen. Konnten denn zwei Menschen so viel Ähnlichkeit miteinander haben? War so was überhaupt möglich? Erinnerungen überfluteten mich. Und wie so oft, lösten sie nur Schmerz in mir aus. Manchmal fragte ich mich, wie viel Schmerz Lily fühlen musste, wenn sie an Alex dachte, tat es bei mir nach all den Jahren noch so weh.

„Eigentlich wolltest du nicht mehr mit mir reden.“, holte Shinya mich aus meinen Gedanken.

„…“ Ich blieb stumm. Was sollte ich schon antworten?

„Hör zu Kira, wegen der Sache Neujahr…“ Er blickte mich bei den Worten nicht an und mir war es auch egal.

„Wir müssen an der Kreuzung links und dann an der nächsten rechts.“, unterbrach ich ihn einfach. Nichts wollte ich der Sache am Neujahr hören. Aber Shinya schien da anderer Meinung. Nun wurde mir nur all zu klar, wieso er mich fahren wollte. Um über Lily zu sprechen. Warum sonst?

„Hör zu, Kira. Es tut mir leid.“, bog er links ab. „Aber du musst mich auch verstehen. Das alles ist nun mal nicht so einfach, wie es für alle Außenstehenden scheint. Ich liebe Lily und das weißt du. Gib mir Zeit den richtigen Moment zu finden es ihr zu sagen. Eigentlich wollte ich das Silvester auch tun und dann noch mal Neujahr, als es nicht geklappt hatte.“ Shinya seufzte schwer, blickte kurz zu mir hinüber, nur um zu sehen, dass mein Blick auf die Straße vor uns geheftet war. „Sicher bist du sauer auf mich, schließlich bist du ihre beste Freundin und…“

„Das ist es nicht!“ Irgendwie war es heute meine Aufgabe Leute zu unterbrechen. Ich atmete ein Mal tief durch und wendete mich dann ihm zu. „Shinya, pass auf! Es hat nichts damit zu tun, dass du den Moment abzuwarten scheinst. Es ist eher, die Art und Weise wie du es tust.“

Er bog rechts ab, nickte dabei verstehend.

Mich noch ein wenig mehr zu ihm drehend, fuhr ich mit meiner Ausführung fort. „Das, was mich an der ganzen Sache stört ist, dass Lily die Entscheidung treffen könnte, zu diesem Idioten, der sich ihr Mann schimpft, zurück zu kehren. Und so länger ihr beide nicht eure Gefühle klar stellt, wird Lily immer darauf bedacht sein diesen Weg zu gehen. Sie wird letzten Endes zu Kai zurückgehen, eine Familie mit ihm sein und dabei völlig außer Acht lassen, dass es nicht das ist, was sie glücklich macht. Kämpfe um sie, verdammt! Shinya, deine Zeit läuft weg! Was glaubst du was passiert, wenn wir nach Japan zurückkommen? In welche Arme wird sie dann laufen?“ Erst jetzt merkte ich, wie in Rage ich mich eigentlich geredet hatte. Shinya hatte schon längst vor dem Friedhof gehalten, blickte traurig aus der Frontscheibe. Mich abschnallend, griff ich nach den Karton auf meinem Schoß, um ihn anschließend auf die Rückbank zu stellen. Shinya rührte sich nicht. Ihn in Ruhe nachdenken lassend, stieg ich aus dem Wagen. Auf dem Weg zum Friedhofstor schaute ich nicht ein Mal zurück. Ich zog meinen Schal enger und betrat den Friedhof. Es war immer noch so, wie ich alles in Erinnerung hatte. An dem alten Ahornbaum vorbeigehend, sah ich schon von weitem den weißen Grabstein. Ich lächelte leicht, als ich mich vor ihm kniete. Es war gut gepflegt worden.

„Hey…“, sprach ich zu Alex. Es war ein merkwürdiges Gefühl hier zu sein. Seit über 4 Jahren war ich nicht mehr an diesem Ort gewesen. „Ich bin wieder hier.“ Mit den Fingern wischte ich den Schnee vom Grabstein, um anschließend die kleine Kerze, die davor stand, anzuzünden. „Eigentlich sollte ich mich erst einmal entschuldigen, dass ich mich so lange nicht blicken lassen habe, was?“. Stellte ich die angezündete Kerze an ihren Platz zurück. „Es hat sich viel verändert. Lily hat dir sicher schon so einiges erzählt. Ich bin wegen einem Projekt von Lily hier in Deutschland. Du wärst sicher stolz auf sie, was sie alles geleistet hat. Aber das warst du ja immer, nicht? Deine kleine Schwester über alles. Was würde ich dafür geben, wenn du jetzt da wärst, ihr helfen könntest. Eure Eltern machen sie nach den 10 Jahren immer noch für alles verantwortlich. Ich habe tierische Angst um sie. Früher konnte ich immer zu dir gehen und dich um Rat fragen, aber all das ist nicht mehr. Sicher hab ich neue liebevolle Menschen kennen gelernt. Dir en grey war immer dein Leben. Jetzt ist es Lilys und meins geworden. Es ist manchmal, als würdest du dadurch weiter leben, als wärst du so noch bei uns. Ich hab dir nach all den Jahren so viel zu erzählen. So viel hab ich dir zu verdanken. Wie viel würde ich darum geben, könnte ich dich noch mal in den Arm nehmen, dir für alles danken?“ Eine leise Träne bahnte sich über meine Wange, ich wischte sie weg. „Ich hab immer versucht stark zu bleiben, wie ich es dir versprochen habe. Ich hab auf deine kleine Schwester aufgepasst, als wäre sie ein Teil von mir. Aber ich kann das nicht mehr lange. Sag mir, was soll ich tun?“ Ein lautes Schluchzen entrang sich meiner Kehle. Ich hatte das Gefühl versagt zu haben. Meine Aufgabe war es immer gewesen Lily zu beschützen und das war mir kläglich misslungen. Alles was ich konnte, war zuzusehen, wie es Lily immer schlechter ging. Mir schienen völlig die Hände gebunden.

Plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meiner Schulter. Ich wusste auch ohne aufzusehen, dass es Shinya war. Er hockte sich neben mich, legte eine weiße Rose auf sein Grab. Ich hatte sie vorhin im Wagen vergessen. Sein Blick schweifte über den Grabstein, schien jedes Detail in sich auf zu nehmen. Schweigen hüllte uns ein. Keiner wagte ein Wort zu sagen. Nur hin und wieder hörte man ein Schniefen von mir.

„Wir sollten langsam aufbrechen.“, flüsterte Shinya. „Es wird dunkel und kalt ist es ohnehin.“

Ich nickte, richtete mich mit ihm auf. „ Ich komme vor meiner Abreise leider nicht noch Mal wieder hier her.“, legte ich eine Hand auf den kalten Grabstein, sprach zu Alex. „Ich verspreche dir mein Bestes bezüglich Lily zu geben, aber ich brauche deine Unterstützung.“ Einen Kuss auf den Stein hauchend, bat ich innerlich, dass ein Wunder geschehen möge. „Ich hab dich lieb.“, wandte ich mich letztendlich zum Gehen.

Jetzt, wo Shinya es gesagt hatte, merkte ich auch die Kälte, die sich durch meine Glieder fraß. Instinktiv vergrub ich meine Hände in den Manteltaschen, auf der Suche nach Wärme. Ich war schon ein paar Schritte gegangen, als mir auf einmal auffiel, dass Shinya mir nicht gefolgt war. Perplex drehte ich mich um und sah ihn noch immer vor dem Grab stehen. Er blickte auf den Grabstein, schien etwas vor sich hin zu murmeln. Doch, was er sagte, das verstand ich nicht.

„Shinya!“, rief ich ihn. Ich war ein wenig verwundert darüber, dass Shinya diese Geste tat. Kannte er Alex doch eigentlich nicht. Auf der anderen Seite freute es mich. Es gab mir Hoffnung.
 

Als wir in das Hotel zurückkamen, war reges Treiben. Alle rannten durch die Gegend, weil sind noch hier und da etwas für das Konzert morgen erledigen mussten. Ich verabschiedete mich von Shinya und schloss mich Kondo-san an, der an mir vorbei ging.

„Schön sie zu sehen, Galiano-san.“, begrüßte er mich und drückte mir gleich einen packen Papiere in die Hand.

„Was ist das alles?“, blätterte ich sie durch.

„Ryan hat sie gefaxt und meinte, dass sie das mal mit den Ton- und Lichttechnikern durchgehen sollen. Irgendetwas stimme nicht.“

Ich schaute Kondo nur an.

„Nun schauen Sie nicht so. Ich habe mit der ganzen Sachen nichts zu tun. Ryan-san wollte nicht mit sich reden lassen.“

„Haben sie schon mit ihr telefoniert?“

„Gerade eben. Die anderen sind schon in der Halle und ich denke, dass wir uns jetzt auch dorthin bewegen sollten. Die Band fährt morgen erst.“, kamen wir draußen an. Eigentlich hatte ich gehofft gehabt, dass ich etwas essen und duschen gehen konnte, aber das war wohl falsch gedacht. Somit gab ich mich geschlagen und stieg zu den anderen Leuten in den Van.
 

Die Halle war riesig. Dir en grey hatten es in Europa wirklich zu etwas gebracht. Wenn man mal bedachte, wie klein sie angefangen hatten, war das hier schon eine beachtliche Leistung. Sofort wurde mit dem Ausladen der großen Container begonnen und alles aufgestellt. Ich trommelte noch einmal die Tontechniker und Lichttechniker zusammen, um mit ihnen Lilys ‚Problem’ zu besprechen. Es war zum Glück, im großen Sinne, nur eine Kleinigkeit. Die Sache sah also komplizierter aus, als sie war. Nachdem das geklärt schien, machte ich mich auf Erkundungstour. Die Halle würde morgen mit Massen gefüllt sein. Und es bescherte mir jetzt schon eine Gänsehaut, wenn ich nur an das Konzert dachte. Es würde großartig werden. Ja, das würde es.
 

„Ich dachte schon, ich würde dich vor morgen gar nicht mehr sehen.“ Toshiya empfing mich auf dem Flur vor dem Hotelzimmer, bei meiner Rückkehr.

„Es hat länger gedauert als geplant.“, zückte ich meinen Schlüssel, öffnete meine Zimmertür. Ich schlief alleine.

„Wolltet ihr nicht morgen erst alles aufbauen.“ Er folgte mir ins Zimmer und ließ sich dort einfach auf das Bett nieder. Ich musste leicht lächeln, als ich ihn auf dem Bettrand sitzen sah. Er würde sich in manche Handlungsweisen wohl nie ändern. Ich schloss die Tür hinter mir und zog dann meinen dicken Mantel aus.

„Wir bauen auch erst morgen auf. Aber Lily hat mal wieder einiges umändern müssen.“, verdrehte ich meine Augen, wenn ich daran dachte, wie oft wir letztendlich doch noch versucht hatten Lilys Idee mit dem Rechner umzusetzen.

„Selbst weit weg hat sie immer noch die Hand über das Projekt, wie?“, lächelte Toshiya, zog mich an der Hand näher zu sich. Als ich vor ihm stand, legte er seine Arme sanft um meine Taille und den Kopf gegen meinen Bauch.

„Es tut mir leid.“, flüsterte er.

Ich strich ihm durch seine langen schwarzen Haare. „Schon gut. Wir waren beide nicht besser. Du hattest ja irgendwie Recht.“, schlichtete ich unsere kleine Meinungsverschiedenheit.

Er antwortete nicht und ich genoss die angenehme Stille. Totchis Gesten haben schon immer mehr ausgesagt als seine Worte. Sie blieben auch am besten in meiner Erinnerung.

Ich löste mich leicht aus seiner Umarmung, küsste ihn innig. „Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“, zog er mich auf sein Schoß, worauf ich mich sofort wieder in seine Arme verkroch.

„Mmh. Wie hab ich das vermisst.“, seufzte er. Ein Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen. „Du warst mit Shinya noch auf dem Friedhof, oder?“, änderte er kurz darauf das Thema.

„Ja.“ Ich nickte und fragte mich gleichzeitig worauf er hinaus wollte.

„Ist was Neues herausgekommen, bezüglich den beiden? Also Lily und ihm.“ Zärtlich begann Totchi meinen Nacken zu küssen. Genießend schloss ich meine Augen.

„Nicht wirklich.“, lockerte ich unser Bündnis.

Totchis fragender Blick wegen meiner Antwort, ließ mich kurz auflachen: „Du bist viel, viel zu neugierig.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte ich meine Lippen auf seine. Er erwiderte ohne zu zögern, ließ sich rückwärts fallen und zog mich so mit sich.
 

„Was ist das?“ Toshiya und ich lagen noch immer in meinem Bett, aneinander gekuschelt. Jetzt schauten wir beiden auf die Kartons auf dem Boden, neben dem Bett.

„Die Kartons von Lily. Weißt du doch.“, strich ich ihm über die blanke Brust, hauchte einen Kuss darauf.

„Was ist drinnen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Bist du nicht neugierig?“

„Dass du es bist, ist ja gerade nicht zu übersehen. Das ist Lilys Eigentum!“, zog ich ihn wieder zu mir ins Bett, als er aufstehen wollte, um sich die Sachen genauer anzuschauen.

„Lass mich doch. Sie muss es ja nicht erfahren.“, grinste er breit, küsste mich kurz. Nur, um dann doch aufzustehen.

„Toshimasa!“, drohte ich ihm. „Wenn du dich an dem Karton vergreifst, dann gnade dir Gott!“

Entrüstet baute er sich vor mir auf. Ich wusste nicht, was er mit der Handlung bezwecken wollte, aber allein die Tatsache, dass er nichts anhatte, milderte seine Aussagekraft. „Du bist doch selber neugierig darauf, was in dem Karton von ihrem Bruder ist.“, lächelte er, verschränkte seine Arme.

„Zieh dir was an!“, erhob ich mich, warf ihm seine Boxershorts zu, die auf meiner Seite lagen.

„Ich hab es doch gewusst.“ Totchis Grinsen wurde breiter.

„Ach, sei doch still!“, zischte ich und warf mir den Bademantel über. Danach schnappte ich mir den Karton, um mich mit ihm wieder auf dem Bett nieder zu lassen. Toto gesellte sich neben mich, starrte erwartungsvoll auf das Teil.

„Nun mach schon.“, drängelte er.

„Hai hai.“

Langsam öffnete er den Karton. Ich hatte dabei ein ungutes Gefühl. Was immer mich erwarten würde, es war sicher nicht für Augen anderer bestimmt.

Als erstes sprang uns ein Brief ins Auge. Fein säuberlich stand auf dem Umschlag „Lilian“. Es war für mich unverkennbar, dass es Alex’ Schrift war. Ohne ihn weiter zu beachten, legte ich ihn beiseite. So viel Privatsphäre gestattete ich Lily dann doch. In dem Karton fanden sich ein paar CDs.

Totchi kreischte kurz auf, griff sich eine. „Das ist eine von unseren.“ Es war Missa.

Weiter im Karton stöbernd, fand ich Alex’ Tagebuch, viele Briefe an Lily und Songbooks von seinen selbst geschriebenen Songs.

„Was ist das?“, schaute Toto zu mir hinüber.

„Einige von seinen Songbooks. Er hatte vieles geschrieben, aber nichts ernsthaft weiterverarbeitet.“

„Nicht schlecht.“, überflog er die Noten. „Der Mann gefällt mir.“

Ich nickte, ließ meinen Blick noch einmal über die Sachen schweifen. Eine CD fiel mir ins Auge.

„Ich fass es ja nicht.“ Hatte er sie wirklich aufgehoben.

„Was?“, ließ Totchi von den Noten ab, wandte sich mir zu.

Kurz hielt ich ihm die CD vor die Nase. „Das ist unsere CD. Wir waren damals im Studio gewesen - ein Freund von Alex hat da gearbeitet – dort haben wir ein paar Lieder von uns aufgenommen.“ Ich war völlig von der Rolle. Es waren nur 4 Lieder oder so gewesen. Aber allein das Gefühl, dass noch etwas von Alex und unserer Band existierte…

Ich sprang vom Bett auf und rannte hinüber zu meinem Koffer, um meinen Laptop zu holen. Dann ließ ich mich wieder auf dem Bett nieder und fuhr ihn hoch.

„Und sind das eigene Songs?“, begutachtete Totchi die CD.

„Nein. Aber jeder von uns hat da mitgesungen. Vielleicht ist da noch Alex sein Basssolo drauf.“

Als der Laptop bereit war, legte ich die CD ein. Meine Hände zitterten völlig vor Aufregung, sodass ich Mühe hatte die CD richtig ins Fach zu legen.

„Komm.“, nahm mein Verlobter mir das ab. Ich startete das Musikprogramm, wartete darauf, dass es begann. Mein Herz setzte kurz aus, als die ersten Töne begannen.

„Home.“, wisperte ich. Lily hatte damals gesungen, während Alex Schlagzeug spielte.

„Das ist von Depeche Mode, oder?“

„Ja.“ Wir lauschten den Klängen.

Nach und nach hörten wir die Lieder, mussten lachen, als ich sang. Meine Stimme hatte sich, wie die von Lily, ein wenig verändert. Ich war nach dem vierten Lied verwundert, als noch ein fünftes erklang, welches ich nicht kannte.

„Das kenne ich nicht.“, meinte ich zu Totchi. Und kurz darauf wunderte mich das auch nicht. Alex sang es, spielte dazu Gitarre. Es musste eines von seinen selbst geschriebenen Songs sein. Seine Stimme hielt mich völlig gefangen. Die Augen schließend, ließ ich mich auf einen kurzen Trip in die Vergangenheit ein.
 

Der Tag des Berlinkonzertes begann grauenvoll. Seit 4 Stunden waren wir alle schon in der Halle und bauten alles auf. Dir en grey waren im Backstagebereich, während ich mit einigen Technikern am Licht arbeitete. Kondo-san war uns hin und wieder behilflich. Ich war gerade dabei einige Anweisungen von Kondo umzusetzen, als ich Kai aus dem Augenwinkel erkannte. Er baute auf der Bühne das Schlagzeug auf. Ich hatte mit ihm noch nicht ein großes Wort gewechselt seit wir hier waren. Und wenn ich ehrlich war, war ich auch nicht gerade scharf darauf.

Drei Stunden vor Einlass, war endlich alles aufgebaut. Jetzt kam nur noch der letzte Soundcheck mit der Band. Ich fühlte mich fix und fertig. Aber auch die anderen sehnten sich nach einer Pause.

„Wie geht’s?“, tauchte Kaoru neben mir auf.

„Ganz gut, denke ich.“ Ich lächelte und nahm einen Schluck aus meiner Wasserflasche. Wir standen hinter der ersten Absperrung vor der Bühne und beobachteten Totchi, wie er einige Songs anspielte.

„Ich hab ein gutes Gefühl, was das Konzert heute angeht.“ Kaoru lehnte sich an die Absperrung und ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. Hier und da liefen noch einige vom Staff herum. Nicht weit von uns, etwas abseits, im Dunkeln, standen Kyo und Die.

„Sie sind ein süßes Paar.“, meinte ich und machte Kaoru somit auf die beiden aufmerksam.

„Sind sie.“

Die strich Kyo eine Strähne aus dem Gesicht, küsste ihn zärtlich. Nebenbei lächelten sie sich verliebt an, neckten sich. Dann der nächste Kuss. Diesmal leidenschaftlicher, länger. Als Die sich von Kyo lösen wollte, zog er ihn wieder an sich, vereinnahmte seine Lippen gierig.

„Wenn die so weiter machen, dann muss ich sie zum Konzert noch aus der nächsten Besenkammer zerren.“ Kaorus Stimme klang dabei völlig unbetont, sodass ich es schwer hatte zu verstehen, wie er es gemeint hatte. Nichts weiter darauf erwidernd, schaute ich mich weiter in der Halle um. Auf der anderen Seite standen Shinya und Kai. Ich schluckte ein Mal tief, als ich das sah. Was in Gottes Namen taten sie da. Kai lächelte, als er etwas zum Drummer sagte, was Shinya leicht erwiderte. Wut kämpfte sich in mir hoch. Ich wollte das nicht sehen. Dennoch schaute ich weiter zu ihnen. Hoffte, dass dieses Bild sich als Illusion herausstellen würde. Doch das tat es nicht. Mir unzählige Gründe ausdenkend dazwischen zu gehen, wurde ich jäh aus meinen Gedanken gerissen.

„Wenn du da noch weiter so hinschaust, dann könnte ich glatt eifersüchtig werden.“ Toshiya war hinter mir aufgetaucht. Ich wandte meinen Blick von Shinya und Kai ab und Kaoru sowie ihm zu.

„Fertig?“, fragte ich meinen Verlobten.

„Ja, Kaoru und Daisuke sind dran.“

Darauf ging Kaoru zur Bühne, machte einen Abstecher zu den Turteltäubchen in der Ecke, um Die mit sich zu ziehen. Totchi und ich mussten lachen, als wir das sahen. Hatte Kaoru Die doch tatsächlich regelrecht am Kragen gepackt und aus Kyos Armen gerissen. Doch kaum fiel mein Blick wieder auf Shinya und Kai, erstarb mein Lachen.

„Interpretiere da nichts rein.“, flüsterte Toto mir ins Ohr, nahm mich von hinten in den Arm. „Sie klären nur was Akustisches bezüglich des Schlagzeugs. Shinya wäre der Letzte, der sich mit diesem Mann einlässt. Er kann ihn nicht ausstehen. Du vergisst wohl, dass Kai Lilys Mann ist. Nicht gerade vorteilhaft für ihn, um sich bei Shinya gut zu stellen.“

Ich gab mich geschlagen, als Shinya sich dann von Kai trennte und sich zu den anderen beiden Member auf die Bühne gesellte. Ich sollte wirklich anfangen Shinya zu vertrauen.
 

~*~
 

Die Tage ohne den anderen waren teilweise unerträglich. Seit 2 Wochen waren sie jetzt in Europa. Erst Übermorgen würden sie zurück nach Japan kommen. Von Kondo-san hatte ich erfahren, dass die Konzerte, in Berlin und Paris, gut verlaufen waren. Das hatte mich sichtlich ruhiger schlafen lassen. Nur eine Sache beunruhigte mich noch und das war, dass Kai und Shinya zusammen waren. Wenn auch unbeabsichtigt. Schließlich wusste Kai nicht, dass Shinya ein Grund war, wieso ich nach Japan gegangen war. Er hatte zwar immer gewusst, dass es da noch jemanden gab, aber mehr auch nicht. Ich hatte Angst vor dem Tag, wenn Kai es herausbekommen würde. Schließlich war er nicht dumm. Er konnte sehr gut eins und eins zusammenzählen.

Ich war auf dem Weg ins Krankenhaus. Mit Midori hatte ich eine sehr gute Freundschaft geschlossen. Sie stand mir mit Rat und Tat zur Seite, obwohl ihr bewusst war, dass sie mich von dem Vorhaben, das Kind weg zu geben, nicht umstimmen konnte. Dennoch, dass ich mir alles schon zu Recht gelegt hatte, hatte ich die Papiere für eine Adoptionsfreigabe noch nicht abgeschickt. Sie lagen ausgefüllt in meinem Büro, für mich gut sichtbar.

Auf der Gynäkologie war es ruhig, als ich die Station betrat. Mich wunderte das ein wenig. In der letzten Zeit war ich öfter hier. Wenn auch weniger wegen Untersuchungen, dann um Midori abzuholen und mit ihr etwas zu unternehmen. Diese kam mir gleich freudestrahlend entgegen, als sie mich sah.

„Hallo.“, nahm sie mich in den Arm. „Wie geht es dir heute?“

„Ich kämpfe etwas mit dem Kreislauf, aber ansonsten könnte es mir nicht besser gehen. Zudem wächst mir Arbeit im Moment nicht gerade über den Kopf. Etwas Ablenkung könnte nicht schaden.“, erwiderte ich ihre Begrüßung.

„Dann komm mal gleich mit. Ich habe gerade keinen Patienten, also habe ich Zeit für dich.“, sprach sie meine Kreislaufprobleme an.

Murrend folgte ich ihr. Sie wusste ganz genau, dass ich diese Untersuchungen nicht mochte. Aber andererseits hatte ich ihr auch versprochen gehabt wenigstens zur regelmäßigen Kontrolle zu gehen. Im Behandlungsraum legte ich mich gleich auf die Liege. Routine hatte ich ja mittlerweile.

„In zwei Monaten ist es soweit, was?“, lächelte sie. Sie freute sich wie ein kleines Kind auf die Geburt. Dabei war ich die jenige von uns beiden, die schwanger war.

„Von mir aus könnte es das auch schon heute sein. Es bringt mich um. Von Tag zu Tag nehmen meine Rückenschmerzen zu.“, zeterte ich.

„Du solltest beginnen darüber nach zu denken dir frei zu nehmen bis zur Geburt.“ Midori verteilte das Gel auf meinen dicken Bauch, welches mich unweigerlich zusammenzucken ließ. Ich sagte nichts darauf, was sie mit einem Seufzen hinnahm. Dann bekam der Monitor vor ihr ihre Aufmerksamkeit.

„Sieht sehr gut aus. Der Kleine ist ganz schön lebendig.“ Und wie er es war. Er hatte die Eigenschaft immer dann ein riesiges Trara in meinem Bauch zu veranstalten, wenn ich es am wenigsten gebrauchen konnte. „Hast du schon einen Namen für ihn?“ Sie schaltete das Ultraschallgerät aus, nachdem sie die Bilder ausgedruckt hatte und reichte mir dann ein Tuch, damit ich mich von dem Gel befreien konnte.

„Nein.“, antwortete ich, als ich mich sauber machte. „Ich überlasse das der Mutter, die das Kind aufnimmt.“

„Du bist echt unmöglich.“, schimpfte Midori. „Du weißt selber ganz genau, dass du das eigentlich gar nicht willst.“

„Wir hatten das schon, vergessen?“, zog ich mir meinen Mantel wieder an.

„Wie könnte ich das vergessen?“ Midori schaute mich betreten an. „Nun gut, das bringt sowieso nichts. Wollen wir was essen gehen?“

„Gerne.“, lächelte ich dankbar und verließ mit ihr zusammen das Behandlungszimmer.
 

Einige Tage später stand ich am Flughafen und wartete auf das Flugzeug aus Paris. Ich war nervös und unendlich erleichtert. Doch das war noch nichts gegen die Gefühle, die in mir aufkamen, als ich Shinya und die anderen durch das Gate schreiten sah. Kira kam mir entgegen gerannt, als sie mich sah. Überschwänglich nahm ich sie in den Arm, drehte mich ein paar Runden mit ihr.

„Ich hab dich sooooooo vermisst.“, drückte sie mir einen Kuss auf die Lippen.

„Ich euch auch.“, grinste ich breit, merkte dabei gar nicht wie ich vor Freude zitterte.

„Alles in Ordnung bei dir.“ Kira nahm meine Hände in ihre. „Geht es dir gut?“

„Ja. Ich freu mich nur.“

„Na, das will ich jawohl hoffen.“, zog meine Freundin mich wieder in die Arme. Über ihre Schulter hinweg erblickte ich Shinya. Seine ebenholzfarbenen Iriden fokussierten mich ehe er sich Machiko zuwandte, die sich neben ihn gesellt hatte.

„Nun komm schon.“ Kira nahm mich bei der Hand und führte mich zu den anderen. Dort nahm Die mich erst einmal in den Arm.

„Schön dich zu sehen.“, hauchte er mir einen Kuss auf die Wange.

„Da ist jemand ganz schön gewachsen.“, umarmte mich auch Toshiya, fuhr über meinen dicken Bauch.

Als alle ein Mal dran gewesen waren, stand ich Kai gegenüber. „Ich habe gehört es ist alles gut verlaufen.“, meinte ich leicht lächelnd, mir den Blick der anderen gewiss.

„Jetzt muss nur noch die letzte Runde klappen.“, lächelte Kai zurück. Ich konnte mir nicht helfen. Aber so, wie er jetzt vor mir stand, hatte ich das Gefühl einen ganz anderen Kai vor mir stehen zu haben. Als hätten die Monate der Trennung doch etwas bewirkt. Doch ich sollte recht schnell merken, wie ich mich geirrt hatte. Wie sehr ich mich in ihn täuschen konnte.

Mit einem Lächeln wandte ich mich wieder Kira zu, ließ mir von ihr alles berichten, als wir den Flughafen verließen. Besonders den Aufenthalt bei meinen Eltern wollte ich ausführlich hören. Mich wunderte es nicht, dass mein Vater wieder aus der Haut gefahren war. Ich kannte ihn nicht anders. Dennoch war es mir unangenehm, dass er es vor den Männern getan hatte, was mich wütend stimmte. Hatte ich meinem Erzeuger doch mehr Anstand zugetraut. Ich war jedoch erfreut zu hören, dass Alex’ Grab gut gepflegt war und sehr überrascht, als meine Freundin mir von Shinyas Geste erzählte. Ein warmes Gefühl schlich sich in mein Herz.

„Ich habe dir deine Sachen mitgebracht.“, stiegen wir draußen in das Auto von Kira, welches ich mir geliehen hatte. Dir en grey würden mit dem Van nach Hause gefahren.

„Ich danke dir.“, startete ich den Motor, ließ die Vans vom Staff vorfahren.

„Kein Problem.“, lächelte Kira, legte eine Hand auf meinen Oberschenkel. „Kein Problem.“, wiederholte sie gedankenverloren. Ich nickte nur, fuhr nach Hause.
 

~*~

3 Stunden. Es waren noch drei Stunden vor dem letzten Konzert. Lily stand seit Stunden völlig genervt auf der Bühne, wies den Staff zu Recht. Heute wollte aber wirklich nichts klappen.

Seufzend ließ ich mich im Memberroom auf der Couch nieder. Dir en grey waren mit Hilfe vom Staff –darunter Machiko- dabei sich für den Auftritt fertig zu machen. Shinya musste gestern seine Rasta einbüßen und hatte nun wieder schulterlanges blondes Haar. Ich hatte jetzt noch Lilys Blick vor mir, als sie Shinya so sah. Ihr war fast alles aus dem Gesicht gefallen. Ein breites Grinsen schlich sich auf meine Züge. Ja, das war echt ein Bild wert gewesen. Nun saßen die Jungs vor ihren Spiegeln. Okay, nicht alle. Toshiya wetterte schon seit Stunden rum, weil er nicht das passende anzuziehen fand. Dabei konnte er auch so gehen, mit nichts. Also mich würde das nicht stören und die Fans sicher auch nicht. Mir ein Lachen verkneifend, hörten wir alle plötzlich, wie jemand sich auf dem Gang draußen zu streiten schien. Kaoru schaute mich fragend an, als er Lilys Stimme erkannte. Ohne groß nachzudenken, sprang ich auf und eilte hin. Der Rest blieb zurück.

Wie nicht anders zu erwarten, standen Lily und Kai sich gegenüber, schrieen sich an. Ich schüttelte den Kopf. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen.
 

~*~

„Was verlangst du von mir?“, schrie Kai mich an. „Dass ich den Mist hier unterzeichne?“ Er fuchtelte mit den Scheidungspapieren vor meiner Nase herum.

Ich schwieg, schaute ihn nur an, um dann zu gehen. Das hier auf dem Gang zu klären, war gewiss nicht meine Absicht. Als ich mich umdrehte, fiel mein Blick auf Kira. Sie schaute fragend und mir war nur allzu bewusst, dass sie wissen wollte, was los war. Aber ich schüttelte den Kopf, bat sie somit sich aus der Angelegenheit heraus zu halten. Ein Fehler, wie mir später auffiel.

Kai folgte mir an einen abgelegenen Ort der Halle. „Bekomm ich, verdammt noch mal, eine Antwort!“, riss er mich herum, mit dem Rücken gegen die Wand, sodass mich der Schmerz, der sich durch meinen Leib zog, aufstöhnen ließ. Reflexartig legte ich zum Schutz meine Hand auf den Bauch.

„Du hattest genug Zeit gehabt es zu unterschreiben.“, zischte ich.

„Und dir damit den Freibrief geben? Hältst du mich für wirklich so bescheuert?“, schrie er mich an. „Antworte!“ Ich tat es nicht, war viel zu stolz. Kurz darauf spürte ich die Quittung dafür, als mich ein Schlag von ihm im Gesicht traf.

„Niemals, hörst du, niemals werde ich erlauben, dass dich jemand anderes bekommt!“, brüllte er, schlug mich noch mal, sodass ich von der Wucht des Schlages zu Boden ging. Gerade so konnte ich mich noch abfangen, um keine Bauchlandung zu machen. „Wer ist es? Kenne ich ihn?“

Mit Mühe richtete ich meinen Blick auf ihn, wollte nicht kampflos aufgeben. „Das geht dich gar nichts an.“

Kai kam einen Schritt auf mich zu, griff mich an meinem Kinn, um mich daran ein Stück zu sich zu ziehen. „Wenn ich diesen Wicht in die Finger bekomme, dann schwöre ich dir, mache ich nicht nur ihm, sondern auch dir das Leben zur Hölle.“

„Das werde ich zu verhindern wissen.“, schlug ich seine Hand weg. „Er wird alle Male besser sein, als du es je warst und bist.“

Es dauerte keine zwei Sekunden, da traf mich ein weiterer Schlag mitten ins Gesicht, riss mich erneut zu Boden. Ich schmeckte Blut, roch es und fühlte wie es mir aus der Nase lief.

„Du wagst es ernsthaft dich mit mir anzulegen, wie?“, schrie er lauter und ich war mir nur allzu klar, dass er nicht das letzte Mal zugeschlagen hatte. Den nächsten Schlag auf mich zukommen sehen, kniff ich die Augen zusammen. Aber nichts geschah. Alles was ich vernahm, was Dies Stimme.

„Das würde ich mir noch mal genau überlegen.“, drohte Die. Als ich meinen Blick auf die beiden richtete, sah ich Kaoru, wie er neben Die und Kai stand. Die hatte Kai eine Hand an den Hals gelegt, drückte ihn damit gegen die Wand.

„Alles in okay?“, hockte sich Kaoru neben mich.

„Geht schon.“, keuchte ich, richtete mich mit Mühe auf. Doch mehr, als sitzen schaffte ich erst einmal nicht.

„Ich hätte gerade nur allzu Lust dich unter die Erde zu schicken.“ Die war wütend, schrie meinen Mann immer wieder an, verfluchte ihn. Kaoru versuchte seinen Kollegen etwas zu bändigen, ihn davon abzuhalten, dass er noch völlig aus der Haut fahren würde. Aber zwecklos. Ohne zu zögern holte der Gitarrist aus, traf Kai mitten ins Gesicht, sodass man die Nase brechen hören konnte. Ich verzog bei dem Geräusch das Gesicht. „Du bist solch ein Schwein dich dermaßen an deiner Frau zu vergreifen.“

Durch Dies Geschrei und Kaorus Versuch ihn zu beruhigen, lockten sie nun auch die anderen vom Staff an.

„Lily. Oh mein Gott.“, tauchte Kira neben mir auf. „Ich hätte nicht gehen sollen.“ Sie reichte mir ein Taschentuch, damit ich die Blutung meiner Nase stillen konnte.

„Es ist nicht deine Schuld. Ich hätte es ahnen sollen. Schließlich war er schon vorher wütend gewesen. Ich hätte ihn nicht darauf ansprechen sollen.“ Mit Hilfe von Kira wollte ich mich aufrichten. Erst mit einer zweiten helfenden Hand gelang es auch. Shinya griff mir unter die Arme, zog mich wortlos in seine. Einen kurzen Moment genoss ich die Wärme, löste die Umarmung jedoch wieder, als ich spürte, wie Blut begann, sein Bühnenoutfit zu tränken.

„Komm!“, führte er mich weg. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Kais Blick mich verfolgte.

„Ich kriege dich!“, drohte er mir. „Das lass ich nicht auf mir sitzen!“

Ich ignorierte seine Warnung, um ihn würde ich mich jetzt weniger kümmern. Erst einmal musste ich meine Wunden versorgen, denn meine Nase wollte nicht aufhören zu bluten. Shinya führte uns in den Memberroom, wo aufgrund des Spektakels draußen, keiner mehr war. Als ich mich auf der Couch nieder ließ und den Kopf in den Nacken legte, fiel mir auf, dass Kira gar nicht mit uns gekommen war.

„Achtung, nicht erschrecken.“ Shinya hatte sich zu mir gesetzt, hielt mir nun einen nasskalten Lappen an die Nase. Ich wäre vor Schreck fast von der Couch gesprungen, hätte er mich nicht an der Schulter festgehalten.

„Fuck, ist das kalt.“, nahm ich ihm den Lappen ab, schloss meine Augen, als ich die Linderung spürte. Jetzt erst spürte ich auch, wie sehr mein Gesicht schmerzte, es spürbar anschwoll.

„Wir sollten auch die anderen Wunden versorgen.“, meinte Shin leise, erhob sich wieder.

Kurz darauf ließ er sich wieder neben mich nieder. „Er hat dich ganz schön zugerichtet.“ Seine Stimme klang leicht wütend, sodass ich mich gar nicht traute ihm darauf zu antworten. Ich seufzte und hob meinen Kopf. Dunkle Augen begegneten meinen. „Tut es sehr weh?“

Ich schüttelte den Kopf, nahm Shinyas Hand und legte sie auf mein Herz. „Hier tut es viel mehr weh.“

Schweigen hüllte uns ein. Dann nickte er, nahm seine Hand wieder zu sich, um im Verbandskasten nach Mull und Desinfektionsmittel zu suchen. Nur wenig später begann er mein Gesicht und die Wunden von dem verkrusteten Blut zu reinigen.

„Er hat dich gar nicht verdient.“, meinte er dabei leise. Ich schwieg weiterhin.

Ich hatte zwei ordentliche Platzwunden. Eine an der Stirn, die andere an der linken Augenbraue. Meine Lippe war ebenfalls eingerissen. Zum Glück war meine Nase nicht gebrochen. Dafür begann mein Gesicht jetzt ausgiebig anzuschwellen.

Seufzend schloss Shinya den Verbandskasten.

„Danke.“, meinte ich leise zu ihm, als er den Kasten neben sich, auf den Boden, stellte.

„Kein Problem.“, lächelte Shinya zärtlich, was mir eine regelrechte Gänsehaut bescherte. Ich erwiderte es, rutschte ein Stück näher an ihn heran. Ein fragender Blick traf mich, aber ich ignorierte es, fuhr mit meiner rechten Hand durch seine blonden Haare. Das Gefühl war berauschend. Der Duft von Mandelöl, der von ihm ausging, nahm mich gefangen. Ununterbrochen schaute er mich an, verfolgte jede Bewegung, die ich machte. Mit meinen Fingern zeichnete ich seine Wangenknochen nach, streichelte seine Wange, wobei er genießend seine Augen schloss, sich in meine Berührungen legte. Ein seelisches Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Dann hielt ich es nicht mehr aus, gab der Versuchung nach seine vollen Lippen zu küssen. Viel zu lange hatte ich auf diesen Moment gewartet. Shinya zuckte kurz zurück, als sich unsere Lippen trafen, öffnete seine Augen.

„Nicht.“, bat er. „Du bist verheiratet.“

Enttäuscht ließ ich von ihm ab. „Ist es das? Wegen Kai? Ich bin dabei mich von ihm scheiden zu lassen. Was erwartest du denn noch von mir? Ich…ich hab alles versucht…ich hab gewartet, hab deine Beziehung zu Machiko toleriert, mich damit abgefunden.“ Tränen brachen aus mir heraus. Wie sollte ich Shinya nur klar machen, dass er der Einzige war, den ich wollte? Alles andere war mir völlig gleich. Wieso machte dieser Mann es mir nur so schwer?

Da Shinya sich nicht regte, nur stumm auf seine Finger schaute, stand ich auf. „Schon gut.“, kam es flüsternd über meine Lippen. Ich hatte verstanden. Shinya wollte das alles, nach dem ganzen Theater, nicht mehr. Ich konnte ihn verstehen, es nachvollziehen. Wer würde nicht so reagieren? Zudem war er doch mit Machiko zusammen, oder? Er hatte nichts verlauten lassen, was mir das Gegenteil aufzeigen würde. Aber was war dann Silvester gewesen oder der Kuss vor dem ersten Konzert? War das nichts gewesen? Alles nur so?

Noch einen Moment schaute ich den Mann, den ich so sehr liebte an, ehe ich mich umwandte und zur Tür ging, um durch ihr den Raum zu verlassen. Weit kam ich jedoch nicht. Denn kaum hatten meine Finger die Klinke der Tür umgriffen, tauchte Shinya hinter mir auf.

„Bleib!“, hauchte er an mein Ohr, drehte den Schlüssel im Schloss. Wir waren eingesperrt. Für uns allein.

„Sag mir, was du willst.“ Meine Stimme zitterte. Diese Art und Weise kannte ich von Shinya noch gar nicht.

„Dich.“, kam er noch ein Stück näher. Ich spürte seine Wärme an meinem Rücken, seinen Atem, der sanft über meinen Hals strich. „Ich wollte immer nur dich. Alles andere war mir egal.“

Ich schluckte tief.

„Bleib bei mir, Lily. Ich brauche dich.“ Wie, als würde er seine Aussage bekräftigen wollen, küsste er meinen Nacken. Gänsehaut überfuhr meine Haut.

„Shin.“ Nur ein Wispern.

Shinya drehte mich zu sich um. Sofort versank ich in seine dunklen Augen, kam nicht von ihnen los. Seine Hände legten sich behutsam auf meine tränennassen Wangen, als könnte jede deutlichere Berührung mir wehtun.

„Küss mich.“, bat ich ihn. Ich wollte endlich wieder fühlen, dass wir zusammen gehörten. Dass wir eins waren.

Warme Lippen legten sich auf meine, küssten mich verlangend. Ich keuchte in den Kuss. Jede Droge, die es gab, war nichts im Vergleich zu dem. Unsere Küsse wurde leidenschaftlicher, verlangten mehr. Ich ließ mich von Shinya zurück zur Couch dirigieren, wo ich mich auf seinen Schoß nieder ließ. Und das alles ohne Unterbrechung. Langsam begann ich ungeduldig zu werden. Ich wollte mehr von diesem Mann spüren, wollte seine Haut fühlen. Knopf um Knopf begann ich sein weißes Hemd, das er trug, aufzuknöpfen. Shinya stöhnte erregt, als ich seinen Hals mit Küssen überdeckte, mit den Händen über seine Brust fuhr. Ich fühlte mich wie im Himmel. In diesem Moment hätte ich sterben können und alles wäre egal gewesen, weil nur dieser Augenblick zählte.

„Lily!“, keuchte Shinya. „Wir sollten warten… das Konzert… die anderen.“ Seine Stimme zitterte vor Erregung, was es mir schwer machte auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Seine warmen Hände auf meinem Rücken, machten es mir nicht einfacher.

Mit Mühe unterbrachen wir unsere Liebkosungen. Nach Atem ringend, saß ich noch immer auf Shinyas Schoß. Dieser fuhr sich mit den Händen durch die Haare, lächelte schief, als er meinen Blick bemerkte. Einen Moment betrachtete ich den Mann vor mir. Sollte es am Ende doch so einfach gewesen sein? Aber war es das? War es einfach gewesen?

Shinya fuhr mit seiner Hand unerwartet über meinen Bauch. „War das jetzt ein ‚Ja’ gewesen?“, fragte er mich, legte nun auch die andere Hand an meinen Bauch.

„Worauf?“, verstand ich erst nicht.

„Bleibst du?“ Er schaute nicht auf.

„Was ist mit Machiko?“

„Wir sind schon lange nicht mehr zusammen. Nach ihren Eifersuchtsszenen, hatte ich es für besser empfunden, wenn wir Schluss machen. Sie hat es eigentlich ganz gut aufgefasst. Wir haben uns in Freundschaft getrennt.“

„Weiß sie von uns?“, ich war neugierig zu erfahren, wie ehrlich Shinya gegenüber ihr war.

„Ja. Wie könnte ich dich je verheimlichen? Die Beziehung zu Machiko war ein Fehler gewesen. Das ist mir jetzt klar. Die Beziehung war ich nur eingegangen, weil ich gedacht habe sonst über unsere Trennung nicht hinweg zu kommen. Du hattest dich nicht mehr gemeldet und ich hatte angenommen, dass ich dir damit nichts mehr bedeuten würde. Es hat so verdammt weh getan…“

„Ssh.“, unterbrach ich ihn, nahm sein Gesicht in meine Hände, küssten ihn zärtlich. „Ich werde nie wieder gehen.“ Und das war mein voller Ernst gewesen. Dieser Mann war mein Leben, mein Schicksal.

„Ich würde gerne mit dir eine kleine Familie sein.“ Sein Blick war ernst. Er schaute mich direkt an, schien in meinen Augen etwas zu suchen.

„Ist…ist das dein Ernst?“ Tränen schossen mir wieder in die Augen. Wollte er wirklich…?

„Ich habe niemals etwas so ernst gemeint wie das jetzt. Ich habe lange über alles nachgedacht und ich bin mir sicher, dass es das ist, was mich glücklich macht. Wenn du an meiner Seite bist. Ich liebe dich, hörst du? Das kann mir keiner nehmen. Weder Machiko noch dein Mann.“

Seine Worte berührten mich. „Und das Kind?“, hakte ich zögerlich nach.

„Das Kind ist ein Teil von dir. Ich werde es genauso lieben dich.“, zog er mich in eine Umarmung.

„Das klingt alles so unwirklich.“, zitterte ich. Ich konnte es nicht glauben. Dafür war es einfach zu wunderbar.

„Ist es nicht. Ich verspreche dir, dass ich dich nie wieder gehen lassen werde. Komme was wolle.“

Ich konnte nur nicken, denn weiter kam ich nicht, da ein penetrantes Klopfen unsere Zweisamkeit jäh störte.

„Verdammt, öffnet diese Tür!“, kreischte Kyo draußen. „Könnt ihr nicht bis zu Hause warten?“

Shinya und ich schauten uns erst völlig geschockt an, fingen dann aber an zu lachen.

„Wir sollten den anderen wohl die Möglichkeit geben sich in den letzten 2 Stunden für das Konzert fertig zu machen.“, erhob ich mich und warf dabei einen Blick auf die Wanduhr.

„HEY!!“, hämmerte nun Die an die Tür.

Shinya stand ebenfalls auf und ich erbarmte mich die Tür zu öffnen. Kaum hatte ich den Schlüssel im Schloss gedreht, sprang dir Tür auf. Vor Schreck machte ich einen Schritt nach hinten. Kyo startete schon mit seinen Ausführungen, als er mitten in der Bewegung stoppte.

„Oh, man. Sieht übel aus.“, betrachtete er mich genauer. Der Rest der Truppe tat es ihm gleich.

„Es sieht schlimmer aus als es ist.“, meinte ich nur.

„Hast du dich mal im Spiegel betrachtet?“, verschränkte Kyo seine Arme.

„Der Typ hat es echt verdient.“, meinte Toshiya nur.

„Was ist mit Kai?“ Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie bekam ich Angst.

„Um den kümmern sich gerade Kondo-san und Kaoru. Der wird dich in Zukunft sicher nicht mehr anfassen, geschweige denn zu Gesicht bekommen. Ich habe da übrigens noch etwas für dich.“, meldete sich Die und reichte mir ein ausgefülltes Formular. „Das brauchtest du doch, oder?“ Die Scheidungspapiere. Ungläubig schaute ich die Jungs an.

„Wie habt ihr?“

„Geheimnis.“, lächelte Kaoru, der in der Tür auftauchte, und dann zu den Schminktischen hinüber ging.

Verwirrt drehte ich mich zu Shinya um, der sich ein neues weißes Hemd anzog, da das andere voll Blut gewesen war. Er lächelte mir zu. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich erwiderte und fühlte mich seit langem mal wieder glücklich. Manchmal fragte ich mich wie glücklich ein einzelner Mensch sein konnte. Wie viel Leid muss man ertragen, um Glück in Maßen zu erfahren? Dass Glück allein nicht glücklich macht, war ja allseits bekannt. Aber ich war auch nicht bereit darauf zu verzichten. Und seit einem bestimmten Tag war ich schon gar nicht mehr bereit dazu es zu teilen. Dieses eine bestimmte Glück sollte für immer mein sein. Mein Eigen, mein Seelenheil. Das Glück Shinya als Mann an meiner Seite zu haben…
 

- THE END –
 

**********************

Nach langer Zeit, mein Comeback. =) Hier ist eigentlich das offizielle Ende, aber ich hab mir gedacht, dass ich für die Leute, wie mich, die keine Happy Ends mögen, einfach noch ein alternatives Ende schreibe. (see next chapter) Aber eigentlich ist es eher nen kleiner Zeitsprung Richtung Zukunft geworden. Wer es lesen will, dann ganz schnell weiter zum nächsten Chapter…

Ansonsten einen dickes Dankeschön an alle da draußen. Ich melde mich bald mit dem neuen Chapter zu „Toshua II“ zurück, versprochen.^^
 

Man liest sich.

Baibai

Chingya



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  miesmacher
2006-05-04T18:39:18+00:00 04.05.2006 20:39
zuende T____T
menno so schnell schon werd erst mal das letzte kapi lesen..
muss aber sagen dass es eine sehr gelungene FF ist. hab sie immer gemocht egal wie fies du zu ihnen manchmal warst^^


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