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Drachenseele

Das Herz einer Priesterin
von

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*~Eldur~*

"Leute, die sich die Finger verbrennen, verstehen nichts vom Spiel mit dem Feuer." – Oscar Wilde
 

Kapitel 43 – Eldur

-Feuer-
 

*Worin ergründet sich die rein menschliche Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden und Selbstlosigkeit walten zu lassen?

Ergründet es sich in den Untiefen seines Wesens, das von einem starken Gerechtigkeitssinn und sozialer Verantwortung geprägt ist? Oder ist es vielmehr ein Produkt seines Überlebenswillens und Egoismus, da er von einem Mitmenschen in jener Situation dasselbe Handeln erwartet?

Und ist es im Endeffekt nicht völlig gleichgültig, woher diese Emotionen rühren? Ist nicht lediglich das Resultat von Bedeutung?*
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

Daraus ließ sich bloß eines folgern: der Tennô hatte die Initiative ergriffen und erste ernsthafte Maßnahmen eingeleitet, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, und befohlen, den Dämonen einen grässlichen Flammentod zu bescheren.

Natürlich, wer würde ihm die Schuld daran nachweisen können?

Wie leicht es in diesem Fall doch war zu behaupten, es wäre ein Unfall gewesen, eine Zofe hätte mitten in der Nacht eine Kerze umgestoßen und so versehentlich den gesamten Komplex in Brand gesteckt.

„Verdammt…“

Sie hätte damit rechnen, mehr Vorsicht walten lassen müssen.

Allerdings half das momentan niemandem – so entledigte sie sich während des Laufens ihrer Geta, trat sie achtlos zur Seite.

Wesentlich besser!

Mit einem befreiten Gefühl in Beinen und Füßen begann sie zu rennen, bog derartig rasch um die nächste Ecke, dass sie um Haaresbreite mit der Gestalt, die dort ein wenig verloren auf dem Flur stand, zusammen gestoßen wäre.

„Entschuldigung, ich…“

Sie stockte. War das nicht…?

„Es brennt.“

Ja, kein Zweifel: Sesshoumaru, der Sohn des Inu no Taishou.

Den sarkastischen Kommentar zu seiner trockenen Feststellung verbat sie sich, dafür gestaltete sich die Situation um Längen zu heikel.

Falscher Zeitpunkt, falscher Ort…

„Wo ist dein Vater, Sesshoumaru?“

Der Junge bedachte sie mit einem kühlen, abschätzigen Blick. Dann zuckte er die Schultern, und wandte sich ab.

So ein sturer Esel…

Kurzerhand packte sie ihn am Handgelenk, und ehe er sich versah, fand er sich emporgehoben, auf Midorikos Armen wieder. Zu perplex, um sich dagegen zu wehren, beschränkte er die Äußerung seines Missfallens darauf, sie mit einem finsteren Seitenblick zu taxieren und sich zu wünschen, dass sie es eines Tages bereuen würde, den Erben des Herrn der Hunde so mir nichts dir nichts wie ein gewöhnliches Kleinkind mit sich herumzutragen.

Unverzüglich setzte sich die junge Priesterin wieder in Bewegung, hastete weiter. Ihre Gedanken überschlugen sich.

Paradoxerweise schwirrte ihr vorrangig die Frage im Verstand umher, warum Flúgar nicht mit ihr geschimpft hatte, obwohl sie sich seiner Anweisung widersetzt hatte, auf dem Orakelberg zu warten, bis er sie abholte.

Eine Antwort würde sie wohl nie erhalten…

War das nicht auch vollkommen unwichtig?

„Halt an.“

Eh?

Verdutzt blickte sie den kleinen Hund an, der nun den Zeigefinger ausstreckte und auf etwas am Boden deutete.

„Kaneko-chan! Hast du…?

O bei allen Göttern…“

Ungestüm riss sie mit der linken Hand den Shouji beiseite, und staunte nicht schlecht, als sie das dahinter liegende Quartier betrat.

Stille beherrschte den in Dunkelheit getauchten Raum, in den durch die halbwegs offen stehende Schiebetür, die zur Veranda hinaus führte, frische Luft in Form von sanften Böen hinein drang. Fahles Mondlicht sickerte durch die relativ dünne Bespannung der Außenwände, tauchte die Begebenheiten in dämmeriges Zwielicht.

‚Spartanisch’ beschrieb die Einrichtungsverhältnisse nicht korrekt, im Grunde war das Zimmer, das Flúgar mit seinem jüngeren Bruder teilte, leer – bis auf zwei Futons, auf denen die beiden seelenruhig schliefen, der Ältere mit dem Rücken zur Tür, der andere fest in die Laken eingerollt.

Na die hatten die Ruhe weg…

Das stechende Pulsieren in ihren Schläfen ignorierend, schritt sie bis zu Flúgars Bettstatt, neben der sie niederkniete – derweil entwand sich Sesshoumaru gekonnt ihrem Griff und entfernte sich, misstrauisch dreinschauend, von ihr, indem er in einige Distanz zurückwich.

„Flúgar, los, wach auf.“

Da sie feststellte, dass das keinerlei Effekt auf ihn auszuüben vermochte, fasste sie ihn an der Schulter, schüttelte vorsichtig.

Damit verzeichnete sie jedoch ebenso wenig Erfolg.

„Oi, Flúgar!“

Ungern erhob sie ihre Stimme, vor allem, wenn es nicht unbedingt notwendig war, dementsprechend gelang es ihr dabei nicht, denn enervierten Klang zu unterbinden - doch eine Reaktion konnte sie dem Luftdrachen auf diese Weise ebenfalls nicht entlocken.

Sie widerstand dem Drang, ihrem aufwallenden Temperament stattzugeben, ballte die Hände zu Fäusten.

„Sag mal, bist du schwerhörig oder was?! Steh endlich auf!“

Ja, langsam aber sicher wurde sie hysterisch.

„Halt den Mund…“

Eine Beleidigung in seiner Muttersprache nuschelnd, zog er sich die Decke über den Kopf und wälzte sich grummelnd auf den Bauch.

Das unvermittelte Rascheln von Stoff hinter ihr veranlasste sie dazu, sich umzudrehen. Ihre Züge hellten auf, zumindest hatte sie es offenbar fertig gebracht, den Jüngeren aufzuwecken, von dem sie nun allerdings einen feindseligen Blick erntete.

„Was willst du hier…?“

Verschlafen rieb er sich die Augen, strich sich das halblange, feine Haar aus dem Gesicht. Und er wirkte im Dämmerlicht definitiv weiblicher, als es ihm wohl lieb war.

Das Schmunzeln, das sich unbewusst auf ihre Lippen schlich, währte nicht sehr lange, und ihre Miene verfiel in ihre vorherige Ernsthaftigkeit zurück.

„Ich bin hier, weil das Gebäude in Flammen steht, und ich fühlen konnte, dass ihr euch noch hier aufhaltet. Obwohl ich das nicht verstehe…

Sind, euch ausgenommen, andere Gäste hier untergebracht?“

Blævar blinzelte, schien trotz dessen zu überlegen.

Nach einer Weile nickte er, begab sich in eine sitzende Position.

„Wo?“

Der junge Loftsdreki rückte das dünne Nachtgewand zurecht, gestikulierte anschließend zu seiner Linken.

„Im unteren Geschoss, das letzte Zimmer. Zwei Menschen.“

Tonlos fluchend richtete sie sich auf, passierte bereits den Türrahmen, als sie ihm ein aufrichtiges „Danke!“ zurief.

Sesshoumaru und der Jungdrache wechselten einen etwas ratlosen Blick, bevor letzterer auf allen vieren zu seinem älteren Bruder hinüber kroch und ihm mit dem Zeigefinger zwischen die Rippen piekte.

Gelogen hatte die Miko nicht, er kannte den stechenden Geruch des Rauches, der ihm präsent in die empfindliche Nase stieg, und er war sich Flúgars Abneigung gegenüber Feuer jeglicher Art nie bewusster gewesen.
 

Midoriko eilte die Treppen hinab, stolperte gelegentlich, was sie aber nicht einmal ansatzweise dazu bringen konnte, ihr Tempo zu verringern.

Wenn sie sich nicht sputete, verbrannten die Menschen in dem Quartier, dessen Lage Blævar ihr verbal grob skizziert hatte, und das galt es in jedem Fall zu verhindern.

Hier unten wütete das Feuer unlängst gnadenlos, verschlang gierig und ungehemmt das Holz der imposanten Baute. Der Haupttrakt war nicht mehr passierbar, durch herabgestürzte Balken und brennendes Mobiliar blockiert, und selbst in den Außengängen, durch die sie sich derzeit bewegte, waltete eine sengende Hitze, die ihr den Schweiß aus jedweder Pore ihres Körpers trieb.

Ihre Oberschenkel schmerzten, ihre Lunge schrie nach Sauerstoff, den die heiße Luft lediglich noch in geringen Mengen beherbergte.

Schneller…

Eine schiere Ewigkeit verging, ehe sie endlich ihr Ziel erreichte, schwer keuchend vor der Schiebetür zum Stehen kam.

Sie war erschöpft, verschwitzt und am Ende ihrer Nerven, und trotzdem stahl sich klammheimlich ein Lächeln auf ihre Miene.

Für einen Augenblick schloss sie die Augen, lehnte sich an die angrenzende Wand. Heute bewies sich, dass das Glück auch ihr auch einmal hold sein sollte…

Dennoch verflog jene Glückseligkeit alsbald, wandelte sich in Verzweiflung und jähe Panik, nachdem sie dem wimmernden Geräusch von verängstigten Stimmen nachgegangen war, und den Shouji öffnete.

Dicker schwarzer Rauch und eine mörderisches Brodem, wie aus den Niederungen der Hölle, schlugen ihr entgegen, und sie befürchtete unversehens, den auflodernden Flammen zum Opfer zu fallen, die sich augenblicklich nach dem Ärmel ihres Yukata streckten und förmlich nach dem Baumwollstoff lechzten.

Der Schmerz befiel die Innenflächen ihrer Hände, fuhr wie eine glühende Zunge darüber, und sie war im Begriff aufzuschreien, als sie eine Berührung am Handgelenk spürte; daraufhin streifte der Atem des Neuankömmlings ihren Nacken, starke Arme umfassten ihre Hüfte.

„Willst du Selbstmord begehen?“

Ein Vorwurf schwang in der halblaut gestellten Frage mit.

„Ich könnte es mir nie verzeihen, sie wissentlich sterben zu lassen. Ebenso, wie ich es bei dir nicht könnte…

Verstehst du das nicht?“

So wie er sie niemals den Flammen überlassen würde…?

Erst zu diesem Zeitpunkt wurde sie sich seinem rasenden Herzen gewahr, seiner flachen, unregelmäßigem Atmung – er zitterte.

Und sie musste ihm nicht ins Gesicht sehen, um zu wissen, dass er Angst verspürte.

Zögerlich löste er die zurückhaltende Gestik, schob sich an ihr vorbei anstatt sie gänzlich freizugeben.

Ihr teils verwirrter, teils fragender Blick lief ins Leere, der Loftsdreki erwiderte ihn nicht.

„Geh.“

Was sollte das werden? Er wollte doch nicht etwa…? Oder?

„Nein.“

Damit ergriff sie ihn am Ellbogen, drängte sich eng an seine Flanke.

„Nicht ohne dich und auch nicht ohne sie.

Wir machen das zusammen!“

Nichts als Entschlossenheit spiegelte sich in ihrer Haltung, der eiserne Wille, der sich hinter ihrem Ausdruck verbarg, verdiente seinen aufrichtigen Respekt.

Ein beeindruckendes Mädchen…
 

Wie um alles in der Welt hätte sie dieses Unterfangen ohne seine Hilfe bewerkstelligt?

Seine flinken, sicheren Manöver, seine ungeheure Kraft und Geschwindigkeit… und das, obgleich ihm die widrigen Gegebenheiten stärker belasteten als sie. Es wirkte beinahe so, als konsumierte das Feuer einen essentiellen Part seiner Aura, als verzehrte es gewisse Bestandteile des Youki in seinem Leib.

Falls dem etwas Wahres anhaftete, würde ihn das früher oder später töten.

Wieso riskierte er dann, dessen ungeachtet, sein Leben?

Die Menschen waren ihm gleichgültig, was mit ihnen geschah interessierte ihn nicht im Geringsten. Also, warum?

Unschlüssig musterte die Priesterin ihn aus den Augenwinkeln.

Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung, nicht die Kontrolle über sich selbst zu verlieren, so viel konnte sie mit Sicherheit sagen, sein animalisches Ego drohte ihn zu überwältigen. Tobend und brüllend drängte es nach außen, bäumte sich mit aller Macht gegen den Widerstand auf, der es in den Abgründen der Drachenseele einsperrte – die unregelmäßigen Muster in der Zirkulation seiner Dämonenenergie verrieten den stummen Kampf.

Unwillkürlich krampften sich ihre Finger in den Ärmel seines hellen Untergewandes, an dem sie mittlerweile eher nervös zupfte als ihn festzuhalten.

Brach die Bestie in einem misslichen Moment wie diesem von ihren Ketten los, so würden sie beide in arge Schwierigkeiten geraten.

Flúgar kümmerte das wenig, ihm schwanden unter dem Druck der unbeugsamen Hitzeglut die Sinne dahin, und sein Gehirn versagt ihm den Dienst, weigerte sich vehement dagegen, ihm ein auch nur kurzweiliges klares Denken zu gewähren.

Midoriko stellte den letzten mentalen Halt dar, der ihn - rein metaphorisch betrachtet - davor bewahrte zu stürzen, und dem Drang Einhalt gebot, dem randalierenden Monstrum in den Untiefen seines Seins nachzugeben.

Nun, Menschen neigten dazu, Vertrauen mit ihrem Glauben zu verknüpfen, darin seinen Ursprung erkennen zu wollen, Flúgar hingegen begründete dieses Empfinden seinerseits auf der Basis von Erinnerungen, und erklärte es sich mit den positiven Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit.

Drachen glaubten nicht.

Umso merkwürdiger, dass es sich bei seiner Begleitung um eine durch und durch fromme Menschenfrau handelte, die Körper und Geist ihrer Religion und einem asketischen Priestertum verschrieben hatte.

Absurd…

Vielleicht war die Aufgabe der persönlichen Freiheit der Beweggrund dafür, dass man solcherlei Götterkult mied.

Aber… unterschied sich hinsichtlich dessen die Position des Oberhauptes im Clan und einem Diener Gottes so drastisch?

Nein.

Die variierende Motivation machte die Differenz aus.

„Flúgar, komm weiter.“

Aus seinen Reflexionen gerissen, schnaubte der Luftdrache unwirsch, als er gerade noch einen einigermaßen unbeschädigten Wandschirm aus dem Weg stoßen konnte und somit verhinderte, dass er recht ungraziös damit kollidierte.

Seine Aufmerksamkeit driftete gefährlich rasch in falsche Richtungen ab, und das war kein gutes Zeichen.

Mühselig zwang er sich dazu, mit der Miko Schritt zu halten, die einen gewundenen, komplizierten Pfad durch den großen Raum befolgte, um ihn unversehrt durchqueren zu können. Den bedrohlich anwachsenden Flammen dauerhaft auszuweichen war ein langwieriges, ermüdendes Wagnis, und Zweifel manifestierten sich bald in seinem Hirn, ob er in der Lage sein würde, durchzuhalten.

Die so genannte ‚Feindschaft’ der Elemente: Feuer vertilgt Luft…

Er vermeinte sich daran zu erinnern, einmal etwas darüber gelesen zu haben, in einem eingestaubten Buch aus der Bibliothek eines menschlichen Fürsten, bei dem er mit seinem Vater zu Besuch gewesen war.

Zusätzlich fiel es ihm nicht schwer, sich ins Gedächtnis zu rufen, was er damals im Duell gegen Hraunar erlebt hatte. Der ehemalige Anführer der Feuerdrachen hatte eine Flammenhölle sondergleichen zu kreieren gewusst, eine weiß-bläulich flackernde Feuersbrunst, die sich nicht damit begnügte, Materielles zu verschlingen, sondern gleichermaßen danach trachtete, die kostbaren, seelischen Komponenten eines Geschöpfes hinweg zu raffen und sich einzuverleiben.

Bloß Narren gingen einen solchen Pakt ein…

Deswegen hasste er Feuer.

Unter seiner Haut kribbelte es unangenehm, Schweißperlen rannen seine Brust hinab, an seiner Wirbelsäule entlang, und sammelten sich an charakteristischen Stellen, bildeten dort, wo seine Bekleidung sie begierig aufsog, feuchte Flecken.

Nebensächlichkeiten beschäftigten den noch funktionellen Teil seines Gehirns, lenkten seine Konzentration auf falsche Bahnen, in endlose Kreisschlüsse ab.

Midoriko bemerkte seine Abwesenheit, biss sich auf die Unterlippe.

Er mochte kühl und unnahbar wirken, wie gewöhnlich, der Ausdruck in seinen Augen belehrte sie jedoch eines besseren.

Etwas harscher als beabsichtigt zerrte sie ihn nunmehr hinter sich her, buchstäblich nur noch einen Katzensprung von ihrem Endziel entfernt.

Zum endgültigen Aufatmen war es zu stickig, der Rauch setzte ihren Schleimhäuten zu, und sie wurde sich blitzartig dem Umstand gewahr, dass sie nicht zurück konnten; vor ihr, neben ihr, überall um sie herum dehnte sich ein undurchdringliches Flammemeer aus, grell orangerot flackernd, die Decke von den pechschwarzen Rußpartikeln verdeckt; an den Wänden tanzten groteske Schattenfiguren, verzerrte Abbilder ihrer selbst…

Panik stieg in ihr auf, das hatte sie nicht bedacht.

Die beiden Menschen, offenbar ein bedeutender Fürst und sein Sohn, kauerten im hintersten Winkel des Raumes, starr vor Todesangst und unfähig, ins Geschehen einzugreifen.

Sie lebten, das zählte.

Oder? Was nützte es ihnen, wenn dies nicht von Dauer sein sollte?

Unruhe, Beklemmung, Ausweglosigkeit…

„Wohin… wohin…?“

Wie ein Mantra murmelte die schwarzhaarige Priesterin jene Worte, immer wieder, sie hustete, ihr war schwindelig und übel, Tränen liefen ihre Wangen hinab, während sich ihre Fingernägel in Flúgars Arm gruben.

Indes rang eben dieser um seine Besinnung.

Den Sieg gegen den Eldursdreki hatte er erringen können, zugegeben, es war verdammt knapp gewesen – Hraunars Angeschlagenheit und ein Zufall hatten ihm einen Vorteil verschafft, durch den die Auseinandersetzung entschieden beeinflusst worden war.

Die Manipulation der Gaskonzentrationen in der Luft…

Seine bedenkliche Verfassung erlaubte keine außerordentlichen Anstrengungen mehr, es musste ein anderer Weg aus jenem Mahlstrom aus Hitze, Furcht und Verzagtheit existieren.

Was scherte es ihn noch, als simpel bezeichnet zu werden?

Gleich, wie banal und schlicht, Hauptsache es funktionierte.

„Geradeaus…“
 

Holz zerbarst unter der rohen Gewalt des Fausthiebes, Splitter und Funken stoben in die kühle Nachtluft hinaus.

Krachen schlugen größere Bruchstücke der ehemaligen Ostwand des Quartiergebäudes auf dem gepflasterten Hof unmittelbar darunter auf, der, zu Midorikos Bestürzung, jedoch erheblich tiefer lag, als sie es vermutet hatte.

Beinahe zwölf Schrittlängen Distanz an Höhe, schätzte sie nun, das würde sie bei einem mehr oder minder unkontrollierbaren Sturz nicht überstehen ohne sich mindestens die Beine zu brechen, und ihre Befürchtungen erhärteten sich, nachdem sie einen Ruck an ihrer Hüfte spürte.

Entgeistert starrte sie den Luftdrachen an, der sich soeben abstieß und tatsächlich ins Ungewisse sprang, sie mit dem rechten Arm eng an sich gedrückt, die beiden menschlichen Adeligen, sichtlich unwillig und abweisend, sachlich am Kragen gepackt. Was die beiden Männer von einer solchen, ja, unwürdigen Behandlung hielten, wagte sie sich nicht vorzustellen. Fürsten reagierten manchmal unangemessen, wenn man ihren Stolz – ob vorsätzlich oder nicht – verletzte.

Nichtsdestotrotz entging ihr die Anspannung des Drachen nicht, die die fest aufeinander gepressten Kiefer indizierten.

Er hatte aufgrund der ungewohnten Konditionen, infolge des zusätzlichen Ballastes an unregelmäßig verteiltem Gewicht, das es auszubalancieren galt, mit der Koordination seines Satzes zu kämpfen.

Und der harte Untergrund näherte sich unheimlich rasch.

Instinktiv schlang sie die Arme um Flúgars Hals, fasste mit den Fingern eilends so viel Stoff, wie sie konnte.

Und die junge Priesterin sollte Recht behalten, der Aufprall erfolgte unerwartet und hart, der Druck des Aufkommens durchfuhr ihr Mark und Bein, erschütterte ihren gesamten Körper. Keine Spur mehr von der eleganten Gewandtheit eines Kämpfers, der jene Nebeneffekte mit Leichtigkeit ausglich.

Besorgt lockerte sie ihren Griff, fixierte ihn mit einem prüfenden Blick; seit der Begegnung mit Eki-sama auf dem Orakelberg konnte sie das abstruse Geflecht des Youkiflusses in einem Dämon wahrnehmen, zuweilen sogar sehen, und obschon sie diesbezüglich über absolut nichts an Wissen verfügte, erkannte sie den prekären Zustand des Loftsdreki.

Ihre Intuition betrog sie selten.

Immense Asymmetrien durchwoben das verzweigte System, in manchen vitalen Bereichen mangelte es an Energie, in anderen staute sie sich in katastrophalen Ausmaßen auf.

„Flúgar…?“

Dieser hustete unablässig, sodass sie sich reichlich überflüssig fühlte und etwas hilflos seinen breiten Rücken tätschelte.

Ehe Midoriko einen weiteren vernünftigen Gedanken fassen konnte, kollabierte er.

„Flúgar… bitte! Hörst du mich? Flúgar…? Oi, Flúgar?!“

Fassungslos streckte sie eine zitternde Hand in seine Richtung, berührte ihn zaghaft an der Wange.

„FLÚGAR!!“
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

»Schwärze umhüllt ihn, samtig und weich, die glühende Hitze jedoch, die unaufhaltsam in seinem Körper wütet, und den daraus resultierenden verheerenden Schmerz, vermag sie nicht zu lindern.

Es tut weh…

Er will schreien, seiner Pein in irgendeiner Weise Ausdruck verleihen, weg von hier, aber er kann nicht. Seine Muskeln gehorchen ihm nicht, versagen ihm den Dienst.

Taub sind unglücklicherweise nicht seine Nerven, sondern seine Glieder…

Was zur Hölle ist nur los?

Das Feuer verschlingt ihn, sein Youki, von innen heraus – ein schleichender, qualvoller Prozess, der ihn zweifellos töten wird.

Und er fürchtet sich, mehr als jemals zuvor.

Nicht so, auf diese Art und Weise möchte er nicht sterben; was für ein erbärmlicher Tod für einen Krieger…

Zudem hat er das Gefühl, etwas beenden zu müssen, bevor er von dieser Welt scheiden kann. Er hat seine Aufgabe noch nicht erfüllt, und deswegen kann er nicht von seinem Leben ablassen.

Er kann nicht…

Inmitten jener finsteren Einsamkeit spürt er plötzlich etwas Vertrautes, und in einiger Distanz erkennt er einen hellen Schemen, verschwommen und undeutlich, doch die Ausstrahlung dieser Erscheinung weckt in ihm Erinnerungen.

„Afi…?“

Es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren, und außer zwei Silben kommt ihm kein Ton über die Lippen.

Mit langsamen Schritten nähert sich die kühle, ausgeglichene Präsenz, und es beruhigt sein hastig schlagendes Herz, seine Angst flaut ab.

Wer…?

Eine Berührung, aus dem Nichts heraus, und eine seichte Kälte folgt mildernd den verbrannten, Adern gleichenden Linien, die seinen gesamten Körper durchwirken…«
 

Schmale, feingliedrige Hände…

Jemand, der das Schwert wohl zu führen wusste, dem aber nicht allzu oft nachging…

Das, und eine harmonische Stimme, die ihm stetig behutsame Worte zuflüsterte, für seine Ohren nicht zu hören, dennoch unmissverständlich formuliert durch das Youki jener Person, das nun durch ihn selbst floss…

Ein Jugendlicher, der das Schwert an seiner Hüfte nicht schätzt, der von Trauer und Zweifeln geplagt an eine Position treten musste, die ursprünglich nicht für ihn bestimmt war, immerzu überzeugt, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können.

Bilder und fremde Gedanken durchfluteten seinen Verstand, vergangene Impressionen und Sinneseindrücke, Erlebnisse, Hoffnungen, Ängste und Wunschträume blitzten auf und verschwanden wieder, und kurz darauf realisierte er, was das bedeutete.
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

***>>>Kapitel 44:

>“Auf einmal sind sie sich näher als jemals zuvor, und er wird sich einer Tatsache gewahr, die er seit seiner Kindheit bezweifelt hat. Das jedoch soll nicht die einzige Erkenntnis bleiben, die sich ihm offenbart, denn das Feuer war lediglich ein harmloses Vorspiel; schwarze Wolken ziehen auf, und der Geruch von Asche und Schwefel hängt in der Luft…“

Otsuge



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Tigerin
2007-12-28T19:00:00+00:00 28.12.2007 20:00
So^^ Ich hab es endlich geschafft mir die Kapitel durchzulesen^^

Seltsam, dass die Drachen nichts gemerkt haben. Klein Sess wusste ja auch, dass es brennt. Die Szene zwischen ihm und Midoriko hätte ich gern gesehn^^ Wirklich süß^^
Und Midoriko bringt sich auch ohne nachzudenken in Schwierigkeiten.. toll, dass Flugar ihr geholfen hat. Aber das hatte ja auch seinen Preis. Das Feuer kann doch eigentlich nicht normal sein..? Das es einen Drachen (wenn auch Luft) so sehr beeinträchtigt..? Immernoch so viele Fragen... z.B. würd ich wirklich gerne wissen, was es mit den Salamandern auf sich hat..

Bye Tigerin

Von:  Mondvogel
2007-10-11T11:10:43+00:00 11.10.2007 13:10
Afi? Wer oder was ist das?
Und das Feuer ist auch irgendwie seltsam. Wenn es Flúgar so sehr zusetzt, dann kann es sich doch nicht einfach nur um ein normales Feuer handeln. Außerdem bin ich auch neugierig woher es kommt...
Es hat mir übrigens sehr gefallen, wie du die Zerstörung des Feuers beschrieben hast. Du hast dafür genau die richtigen Worte getroffen.

Besonders putzig fand ich Sesshomarus Auftreten. Seinen Unwillen auf den Arm genommen zu werden hast du einfach perfekt getroffen! Bei dieser Szene musste ich schon mehrmals schmunzeln. ^.~

Liebe Grüße
Mondvogel
Von:  Carcajou
2007-10-07T20:25:38+00:00 07.10.2007 22:25
Huuh- Uff!
Jetzt aber...
Es spricht für Midoriko, das sie sich einfach mitten ins Geschehen stürzt, ohne an ihre eigene Sicherheit zu denken, und auch für Flugar, der seine Angst und die Gefahr ignoriert und ihr hilft- Feuer verzehrt Luft- wird das feuer sogar stärker durch seine gegenwart? Die Feuerdrachen würden sich freuen- aber er hatte ja wohl auch einen schweren Stand gegen Hraunar?
Niedlich war auch Sesshoumaru..."kleiner Hund". Und Midoriko klemmt sich ihn einfach unter den Arm... sein Gesicht hätt ich gern gesehen *lol*
Aber was ist mit Inu no Taisho und Sunnanvindur? Sie dürften doch das Hauptziel sein, wenn der Tennô hinter allem steckt- was ich jetzt mal stark vermute!
Und warum wurden die Drachen zuerst nicht wach?
*Nägel kaut*

LG,
Carcajou
Von:  Hotepneith
2007-10-07T18:53:17+00:00 07.10.2007 20:53
Okay....

dramatisch wirds genug.
Aber woher kommt das Feuer? Und wieso wurden weder Drachen noch Youkai noch Menschen wach, wenn es brennt? letztere..okay.. Aber deutet das darufhin, nach allen anderen Vorboten, dass es sich nicht um ein zufllliges Feuer, entstanden aus Nachlässigkeit eines Dieners handelt?
Dann wird das wirklich noch grossen Ärger bedeuten.

bye

hotep



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