Angewandte Psychologie
Regression: Zurück zu Sirius
Angewandte Psychologie
Disclaimer, Warnung und Zeit: siehe Teil 1
~*~
Im ersten Moment war Hermine völlig perplex.
Sie konnte sich weder bewegen, noch etwas sagen.
Snape, in seiner siebzehnjährigen Version, saß nur mit einer grauen Unterhose bekleidet da, so fest verschnürt, daß er sich kaum rühren konnte. Seine Kleidung und sein Stab lagen in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden. Weit genug weg, daß er nicht herankommen, sie aber trotzdem sehen konnte.
Falls etwas Licht von draußen in den fensterlosen Raum fiel.
-Jemand hat ihn hier eingesperrt, um ihn umzubringen,- dachte sie sofort. -Das ist kein Streich! Das ist definitiv kein Streich! Er hätte sterben können, wenn ich ihn nicht gefunden hätte! Jemand haßt ihn noch mehr als ICH!- Das warf sogar Hermine fast aus den Schuhen. Sie musterte ihn von oben bis unten. Jemand hatte ihn gefesselt und geknebelt, damit er keinen Lärm machte,... damit er nicht gefunden wurde! Oder sich mit seinem Stab selbst befreien konnte.
Unwillkürlich sah Hermine sich um. Vielleicht war die Person, die das getan hatte, ja noch da.
Ihr wurde kalt.
Das brachte sie zurück zu Snape, der es sicher auch nicht gerade angenehm fand, bei den kühlen Temperaturen in der Bibliothek beinahe nackt herumzusitzen. Endlich gab sie sich einen Ruck und hob ihren Stab.
Snape schloß die Augen.
-Denk er etwa, ich will ihm etwas tun?- wunderte sie sich. Das ließ sie noch eine weitere Sekunde innehalten, einfach weil der Gedanke so hirnrissig war! Dann löste sie mit einem schnellen Zauber seine Fesseln. Kaum waren seine Hände frei, riß er sich den Knebel heraus und hechtete zu dem Kleiderhaufen.
-Als ob das jetzt noch etwas bringt! Ich habe ihn schließlich schon gesehen!- Trotzdem drehte sie sich anstandshalber um, bis er sich angezogen hatte. Sie konnte das Rascheln der Robe hören und seinen schneller gehenden Atem, weil er so wütend war und sich so beeilte. Dann war es einen Moment still. Der Teppich schluckte seine Schritte, aber sie konnte in etwa erahnen, wann er hinter ihr stand, so daß sie nicht allzu überrascht war, als er "Danke." krächzte.
Dann wollte er sich an ihr vorbeidrängeln.
Hermine hielt ihn auf. "Warte! Willst du mir nicht sagen, was hier los war?" Es fühlte sich komisch an, Snape - SNAPE!!! - mit >du< anzusprechen, aber sie konnte sich in etwa seinen Gesichtsausdruck vorstellen, wenn sie ihm mit >Sie< und >Professor< gekommen wäre, also ließ sie das.
"Hat dein kleiner Gryffindor-Freund dir das nicht erzählt?" grollte er.
"Wer? Sirius?" platzte sie überrascht heraus.
Seine Miene verfinsterte sich bei dem Namen. "Nein, herrgott, Pettigrew!" brauste er auf, als hätte er ihr das schon mindestens zehn Mal erklärt. Nach einer kleinen Pause fragte er kalt: "Du gehst also mit Black?
Oder glaubst zumindest, du würdest mit ihm gehen...
Ich hoffe, du hast dich noch nicht flachlegen lassen; der Typ ist ein Flittchen und das meine ich auch so. Aber auf mich hört ja eh keiner."
-OH. MEIN. GOTT. SNAPE. REDET MIT MIR. ÜBER SEX!!!- Hermine war leicht schwindelig. Sie hätte sich gern hingesetzt, aber der Stuhl im Schrank kam für sie nicht infrage und sonst sah sie keine Sitzgelegenheit. Statt dessen packte sie Snape am Arm - sie brauchte jetzt ganz einfach etwas, das verhinderte, daß sie zu Boden ging.
Mit dem schon bekannten "He!" versuchte er sie abzuschütteln, aber sie ließ nicht locker. "Ich bin nicht Blacks Freundin..." brachte sie hervor.
"Warum hast du's dann gesagt?" blaffte Snape sie sauer an.
"Ich - keine Ahnung! Ich war so geschockt, dich zu sehen!"
Er verdrehte die Augen. "Danke auch," meinte er sarkastisch. "Das höre ich oft, weißt du?"
Hermine versuchte beim Thema zu bleiben, auch wenn er offensichtlich alles dafür getan hätte, davon abzulenken. "Warum hat Pettigrew dich da eingesperrt?"
"Was denkst du wohl?" fragte er kühl, aber sehr leise. "Er wollte, daß ich da drin verrecke."
"WIESO?" schoß es aus ihr heraus.
Er zuckte nur mit den Schultern. "Das fragst du vermutlich besser ihn.
Der übliche Grund, den ich von deinen Freunden zu hören kriege, ist, daß ich am Leben bin." Er klang nicht traurig oder jämmerlich, sondern eher wütend - so wütend, daß er nicht einmal mehr das Bedürfnis hatte, laut zu werden.
Hermine lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türrahmen und ließ seinen Ärmel los.
"Ist es dir jetzt recht, wenn ich verschwinde?" wollte er sofort wissen.
"Nein.
Bitte..." setzte sie an. Das war etwas völlig neues für sie: sie hatte sich geschworen, daß sie das niemals zu Snape sagen würde. "Tu mir den Gefallen und geh mit mir in die Halle. Laß uns... laß uns was zusammen trinken..."
"WAS?" fragte er sehr deutlich und sehr ruhig. "Bist du übergeschnappt? Hast du den Bibliothekskoller?
DU und ich? Was trinken? Du meinst, jeder an seinem Haustisch, zehn Meter voneinander entfernt, während deine und meine Leute zusehen und sich freuen, daß wir so gut miteinander auskommen?!" Schon wieder sein verdammter Sarkasmus!
Sie könnte ihn wirklich erwürgen dafür!
"Jetzt hör mal, ich habe dir das Leben gerettet!" schnauzte sie ihn an.
Snape blieb ganz cool. "Ja, aber sicher nicht freiwillig! Wenn du gewußt hättest, daß ich da drin bin, hättest du den Schrank bestimmt nicht aufgeschlossen!
Ich hab gesehen, wie du gezögert hast - du hast dir überlegt, ob du mich wirklich losmachen sollst oder doch lieber nicht! Aber es war zu gefährlich, mich einfach sitzen zu lassen. Jemand anders hätte kommen und mich finden können und dann hätte ich allen erzählt, daß du abgehauen bist!
Das war es doch, was in den zwei Minuten in deinem Kopf vorgegangen ist, nicht wahr?!"
Sie wollte ihm eine runterhauen; ihre Hand zitterte schon von der Mühe, den Reflex zu unterdrücken... aber sie beherrschte sich. "Das ist nicht wahr. Ich hatte einfach nicht erwartet, dich hier drin zu finden, DESHALB -"
"Ach komm!" unterbrach Snape sie hart. "Wen sonst hattest du denn erwartet?! Wen sperren Black und seine Idioten denn AUSSER MIR noch in Schränke ein?! Da mußt du zumindest damit RECHNEN...!"
Hermine fiel fast die Kinnlade herunter. "Du - du meinst, die haben das SCHON MAL gemacht?!"
Er seufzte übertrieben und erinnerte sie damit irgendwie an Professor Sartoris bei ihrer ersten Begegnung. "Du weißt wirklich GAR nichts, oder?"
Das brachte das Faß zum Überlaufen! Snape, der sie behandelte wie eine kleine, dumme Schülerin, die nie an sein Genie heranreichen würde! Und DIESES MAL waren sie im selben Alter!
Sie mußte sofort mit ihren Psychologie-Kenntnissen an ihm herumexperimentieren. Siebzehnjährige konnten sich dagegen erfahrungsgemäß nicht wehren... und wenn sie schon den erwachsenen Snape damit nicht kleinkriegen konnte, würde sie es wenigstens bei seinem jüngeren Ich versuchen!
Sie kopierte seinen abweisenden Gesichtsausdruck und fragte: "Warum redest du so ein Zeug?"
"Weil ich es will!" schnappte er.
"Ok. Und ICH will mit dir was trinken gehen." Wollte sie eigentlich nicht mehr wirklich - es war ihr egal, wenn er vertrocknete und zu Staub zerbröselte! Aber frei nach dem Motto: jetzt erst recht!
"Warum um Himmels Willen?!"
"Weil du wahrscheinlich ziemlich lange in diesem Schrank gesessen hast und Flüssigkeit brauchst..." argumentierte Hermine, ganz die kleine Ärztin, die sie nie werden würde.
"Mal ne kurze Zwischenfrage: läßt du mich gehen, wenn ich dir sage, daß es nur fünf Minuten waren?"
"Nein!"
"Ach, verdammt!" Snape warf den Kopf zurück und atmete laut aus.
"... und ICH könnte auch was zu trinken vertragen..." konnte sie noch ergänzen, bevor sie schon wieder unterbrochen wurde.
"... weil du mich in Unterhosen gesehen hast, ja, ja..."
Hermine überlegte einen Moment. Dann gab sie zu: "Ja, das auch." Und bevor er wieder eine seiner Bemerkungen machen konnte: "Du bist nämlich das ERSTE männliche Wesen, das ich JEMALS nur mit einer Unterhose gesehen habe.
Ich hoffe, du bist jetzt stolz auf dich - so weit wie du ist noch kein Kerl bei mir gekommen!"
Snape schaffte es irgendwie, nur EINE Augenbraue hochzuziehen - die linke - und angemessen verblüfft zu klingen: "Eine wahnsinnig große Ehre, der talentiertesten Hexe dieses Jahrtausends zu begegnen!"
"Was?!"
"Eine Nacht im Gryffindor-Turm und du bist IMMER NOCH Jungfrau?
Black läßt nach..." Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht. Dermaßen flüchtig, daß Hermine sich fragte, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte. "Unter den Umständen werde ich wohl doch was mit dir trinken gehen.
Aber DU bezahlst."
Das hieß dann wohl, es ging nach Hogsmeade.
Sehr vernünftige Entscheidung.
Hermine nickte schicksalsergeben und schloß die Tür.
Während sie hinter Snape her zum Ausgang lief, schossen nur zwei Überlegungen durch ihr Hirn: "Ich habe gegen SNAPE gewonnen!" und "Er hat mich TALENTIERT genannt!"
Ff...