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Devil's Blood

von

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Slaughter - Blutbad

Vorwort: Also das hier ist mein bis jetzt längstes Werk. (Tadaaa!!!) Ich hab die Story schon lange abgeschlossen, weiß aber nicht wieviel ich hochlade. Das hängt von euch ab! ^^ Also: Vote for me!!!
 

Was ich noch wichtiges sagen wollte: DB ist so eine FF wo man mindestens 2 Kapitel lesen muss um darüber urteilen zu können, ja? Denn das erste Kapitel ist praktisch nur die Vorgeschichte.
 

Und jetzt viel Spaß mit Devil's Blood!

Euere Anshie!
 

17.12.1409
 

"Kyaaaa!", Es hallte ein letzter, lauter Schrei, durch die kahle Eingangshalle des großen Gebäudes. Der Schrei einer Frau. Schritte waren zu hören. Ein Mann in einer langen schwarzen Kutte lief durch die Halle. Jeder einzelne seiner Schritte hallte von den Wänden wieder. Draußen hörte man das Toben des Sturmes. Der Mann zog langsam eine Pistole unter dem Mantel hervor, lud sie und steckte sie zurück in den Gürtel. Er hatte den Raum zur Hälfte durchquert, als er plötzlich stehen blieb. Sein Blick fiel auf den Marmorboden zu seinen Füßen. Er bückte sich und faste am Boden in eine Lache aus Blut. "Noch frisch", stellte er fest. Etwas tropfte auf seinen Kopf. Er sah nach oben. Einen Moment lang starrte er nur glasig zur Decke. Leichen! Überall Leichen! Sie hingen an dünnen Stricken, an Hälsen, Beinen und anderen Gliedmaßen gefesselt von oben herunter. Die leblosen Körper waren unbekleidet und ausnahmslos Frauen.
 

~*~*~*~*~
 

Plötzlich trat der Schrecken in das Gesicht des Mannes. "Sumi!", schrie er. Sein Blick war auf die Leiche eines jungen Mädchens gefallen. Um ihre Hüfte, die Handgelenke und Kniebeugen befanden sich Stricke, die sie, wie all die anderen, wie Marionetten wirken ließen. Ihr weißblondes Lockenhaar war mit Blut verklebt.
 

~*~*~*~*~
 

"Na, habt ihr sie entdeckt?", ertönte eine rauhe Stimme. Der junge Mann fuhr schnell herum. "Habt ihr Sumi entdeckt, Yue-sama, mein Prinz?", fragte die Stimme. Hinter einem Durchgang, der aus der Halle führte, tauchte ein Mann auf. In seinen langen, dünnen, schneeweißen Haaren steckten unzählige Krähenfedern. Eines seiner Augen war eben so weiß, wie seine Haare, das andere war nachtschwarz, so dass man die Pupille darin nicht sehen konnte. Das Hemd, dass er trug, musste einmal weiß gewesen sein. Nun war es rot. So rot, dass man meinen könnte, es war in Blut getränkt worden. Vereinzelt waren weiße Stellen übrig geblieben. Es war halb offen, so dass Yue eine Art Zeichen auf der Brust des Mannes erkennen konnte. In einer Hand hielt der Mann einen langen, dünnen Stab, der aussah wie ein Kreuz. "Garasu", sagte Yue leise. Langsam und vorsichtig schob er die Hand in die Nähe seines Gürtels. Sein Gegenüber grinste nur hämisch. "Warum hast du das getan? Warum Sumi?", schrie Yue nun. Sumi, die einzige die er je geliebt hatte, warum sie? Niemand hatte ihn je verstanden. Niemand, außer ihr! Und nun hing sie da. Tot. Direkt über ihm. Das noch immer warme Blut tropfte auf seine Schulter und rann seinen Ärmel hinunter. Wutentbrannt zog er die Pistole. Es war ein Schuss zu hören und die letzte Kugel im Revier schoss auf den Mann mit dem blutverschmiertem Hemd zu. Wortlos streckte dieser die freie Hand aus und fing die Kugel einfach auf. Er öffnete die Faust. Die Kugel fiel zu Boden. Das Geräusch, dass sie dabei verursachte, wirkte in der totenstillen Halle, so unwirklich laut. "Du...", murmelte Yue zähneknirschend. "Bastard." "Also wirklich", erwiderte der Unbekannte ruhig. "Dachtet ihr, so eine Menschenwaffe könnte mir schaden? Ihr habt euch ihr zu liebe möglichst wie ein Mensch benommen, nicht wahr? Weil sie menschlich war. Sogar eine Waffe der Menschen tragt ihr mit euch herum. Aber nun ist sie ja tot, und ihr müsst euch nicht mehr verstellen." Seine Stimme klang, als hätte er Yue damit einen Gefallen getan. "Trotzdem", fuhr der Fremde fort. "Ich dachte, ihr wisst wer ich bin? Dann müsste euch doch klar sein, dass ihr damit nichts gegen mich ausrichten könnt. Na ja, einen Versuch war es ja wert, oder? Sumi zu Ehren." Er lachte laut auf. Yue ließ die Pistole auf den Boden fallen. "Ihr wisst, wieso ich hier bin?", fragte der Mann, namens Garasu. Yue schwieg. "Mein Plan hat funktioniert. Es war nicht schwer, euch in die Falle zu locken, Yue. Ich musste dazu nur dieses Mädchen töten. Nur leider wusste ich nicht, welche von denen sie war." Er blickte zu den toten Frauen an der Decke. Es waren mindestens vier Duzend. "Also hab ich kurzerhand alle umgebracht. Schade eigentlich um die anderen." Ein schadenfrohes Lächeln machte sich auf seinem kantigen Gesicht breit. "Du verdammter Mistkerl!", schrie Yue völlig aufgebracht. "Dir werde ich den Thron nie überlassen!" Er streckte die Hand zur Seite aus. Ein langes Schwert mit einem goldenem, verzierten Griff erschien wie aus dem Nichts. Er holte aus und rannte damit auf Garasu zu. Dieser hielt schützend seinen Kreuzstab vor sich. Die Klinge von Yue's Schwert prallte dagegen. Der Stab war schlicht. Er wirkte nicht so, als könne er der scharfen Klinge eines Schwertes lange standhalten. Doch Garasu gelang es scheinbar ohne große Mühen, Yue mit samt dem Schwert von sich wegzustoßen. Yue fiel zu Boden. Das Schwert aus seinen Händen. Wortlos ging Garasu auf ihn zu. Erst jetzt bemerkte Yue, dass von der Spitze des Kreuzstabes ebenfalls Blut herunter tropfte. Damit hatte Garasu also all die Frauen aufgeschlitzt... Yue hatte keine Möglichkeit aufzustehen. Er blickte Garasu wortlos in die Augen, während dieser weiter auf ihn zu schritt. Hinter ihm, sah er an der Decke die tote Sumi. "Stirb Yue", hauchte Garasu. Sein Grinsen wirkte wie das, eines Irren. "Stirb, damit ich endlich der Herrscher werden kann." Er holte mit dem Kreuzstab aus. Yue sah die Spitze blitzschnell auf sich zu rasen.
 

~*~*~*~*~
 

Doch plötzlich... Der Stab schlug gegen etwas. Ein Klirren ertönte. Yue öffnete die Augen. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er sie unbewusst zusammengekniffen hatte. Er sah jemand vor sich stehen. Jemanden, in einen grauen Umhang gehüllt. Er erkannte nicht, wer es war. Doch dieser jemand hielt Garasu's Kreuzstab mit einem Katana von Yue weg.
 

~*~*~*~*~

"Komm schnell, O-nii-san!", sagte eine Stimme. Yue wurde am Arm gepackt. Er fuhr herum. Neben ihm kniete ein Junge, etwas jünger als Yue selbst. Er hatte blutrotes Haar, rehbraune Augen und trug genau wie Yue eine schwarze Kutte. "To...ya?", fragte Yue. "Komm schnell!", wiederholte der Junge und zog seinen Bruder auf die Beine. "Du kannst dich mir nicht in den Weg stellen!", schrie Garasu aufgebracht. Um ihn und den anderen Jungen war ein gewaltiger Windstoß entstanden. Die Erde begann zu beben. Yue und sein Bruder, Toya beobachteten das Szenario aus sicherer Entfernung. Der Junge mit dem grauen Umhang konnte Garasu's Kraft nicht mehr lange standhalten. "Ich kann... dich nicht... vernichten!", keuchte der Junge zustimmend. "Aber ich kann dich... dennoch... aufhalten!" Mit letzter Kraft drückte er Garasu's Waffe von sich weg und holte mit dem Katana aus. Blut spritze auf den Boden. Garasu hielt sich den Bauch, wo sich ein langer Schnitt erstreckte. "Jetzt!", rief der Junge, Yue und Toya zu. Toya packte seinen ahnungslosen Bruder am Arm und zog ihn zu dem Jungen. Dieser rief nun: "Tor zur Galerie der Zeit, öffne dich!" Er rammte die Klinge des Katanas in den noch immer bebenden Boden zu seinen Füßen. Der Boden brach auf und ein greller Lichtstrahl schoss daraus in die Höhe. Er durchbrach sogar noch die Decke der Halle. "Nein!", schrie Garasu und griff nach seiner Waffe. Doch in diesem Moment kam mit einem quälendem Husten, eine große Menge Blut aus seinem Mund. Das Beben wurde immer stärker. Einige Leichen fielen zu Boden.
 

~*~*~*~*~
 

"Beeilt euch!", befahl der Junge in der grauen Kutte. "Los Yue!", rief Toya und zog seinen Bruder zu dem Lichtstrahl, der immer breiter geworden war und eine Art Tor geformt hatte. Die beiden Jungen hatten es gerade erreicht, als Garasu sich auf den Unbekannten stürzte. Yue zögerte kurz und wollte ihm zu Hilfe eilen. Toya blickte panisch zu der Rangelei. Dann drehte er sich entschlossen um und schubste Yue in das Licht. "Nein! Toyaaaaaa!!!", schrie dieser. Dann war er verschwunden. Nun schritt Toya selbst durch das Tor, dass langsam schon wieder schmäler zu werden schien. "Mach schon!", rief er dem anderen Jungen zu. "Geh Toya!", rief dieser zurück. "Hau endlich ab! Die Zeit wird knapp!" "Aber...", widersprach Toya. "Nun geh schon!" Widerwillig stieg Toya durch das Tor. Garasu hatte sich den Kreuzstab gegriffen. Er richtete ihn auf den Jungen in der grauen Kutte, der unter ihm, wehrlos am Boden lag. "Das wirst du mir büßen, du kleine Ratte!", schrie Garasu aufgebracht. Der Junge versuchte irgend etwas zu greifen zu bekommen. In letzter Sekunde spürte er, dass seine Hand etwas berührte. Er packte es, ohne zu wissen was es war, und schlug es gegen Garasu's Kopf. Dann stieß er ihn von sich herunter und stand auf. Erst jetzt sah er, dass es der abgetrennte Kopf, einer der Leichen gewesen war, den er gegen seinen Feind eingesetzt hatte. Garasu wollte gerade erneut auf den Jungen losgehen, als dieser das Tor erblickte, dass er zuvor geöffnet hatte. Es war nur noch minimal. Er rannte auf den leuchtenden Strahl zu. Garasu auf den Fersen. Er sprang, spürte, wie die Hand seines Gegners von seinem Fußknöchel abrutschte. Das Leuchten des Tores verschloss sich hinter ihm und vor Garasu's Nase. Um den Jungen herum drehte sich alles. Er hörte Stimmen, von überall her. So viele Stimmen. Sein Kopf wurde schwer. Alles drehte und drehte sich. Schneller und immer schneller. Und dann... Stille.
 

~tbc~

Memories of a long past time

13.10.2006
 

Es war ein ganz normaler kalter Montag morgen, So ein Morgen wie man ihn oft im Oktober in Tokio hatte. Ganz normal...

"Toya, du lahme Schnecke! Mach ma 'n Schritt schneller!" Wie immer konnte man Hiro Masanaru schon am Morgen laut über den Schulhof brüllen hören. Hinter ihm trottete sein bester Freund, Toya Sakasa. Doch dessen Schrittgeschwindigkeit, die tatsächlich der einer Schnecke gleich kam, war nicht verwunderlich. Denn wie jeden Morgen tänzelten mindestens zehn Mädchen um ihn herum und hielten ihm Lunch-Pakete oder andere kleine Geschenke hin. Toya hasste das. Aber es war schon immer so gewesen. Als er vor sieben Jahren hier hergezogen war, hoffte er, es würde aufhören. Doch an seiner neuen Schule war es genau so weiter gegangen, wie an seiner alten. Auch in der Mittelschule änderte sich nichts. Und jetzt in der Oberschule, war es genau das Gleiche. Was konnte er für seine helle Haut und die roten Haare?! Warum mochten ihn all diese Mädchen? Er selbst konnte sich jedenfalls nicht besonders gut leiden. Er fühlte sich so oft, sich selbst gegenüber, wie ein Fremder. Seine Eltern hatten ihm gesagt, dass sie nicht seine leiblichen Eltern waren. Er war als kleines Baby bei den Leuten, die er jetzt "Eltern" nannte, ausgesetzt worden. Er wusste noch nicht einmal, wer seine wirklichen Eltern waren, oder warum sie ihn einfach im Regen vor der Tür fremder Leute stehen gelassen hatten. Toya hatte es nie leicht gehabt. Er war sehr schüchtern und nicht besonders menschenfreundlich. Doch gerade diese kühne Art schienen die Mädchen an ihm zu mögen. Ihn nervte das Ganze einfach nur. Der einzige, den er an sich heran ließ, war Hiro. Der benahm sich selber wie ein besonders stures Mädchen und hatte ihn einfach nicht mehr in Ruhe gelassen. Sie kannten sich bereits seit der Grundschule. Sie waren seit der vierten, seit Toya hergezogen war, in einer Klasse gewesen. Und damals hatte ihre Freundschaft angefangen. Na ja, eigentlich hatte eher Hiro angefangen mit Toya befreundet zu sein. Es war immer alles von Hiro ausgegangen. Ehrlich gesagt, wusste Toya nicht, warum er jetzt immer noch mit ihm befreundet war. Doch,... eigentlich mochte er ihn sehr. Vielleicht noch mehr, als er dachte.

"Hey, Masa! Was machst du da? Lass mich los!", protestierte Toya lautstark, als Hiro ihn bei der Hand nahm und von all den Mädchen wegzog. Toya wehrte sich heftig gegen den Griff seines Freundes, doch es half nichts. "Mann, diese doofen Gören nerven vielleicht! Die kennen dich noch nicht mal richtig, aber in dich verliebt wollen sie sein...!", Hiro wurde rot und lief noch schneller. "Ist er... eifersüchtig?" Toya dachte an damals, als er ihn zum ersten mal getroffen hatte. "Hey, wie heißt du? Wir sind doch in derselben Klasse. Willst du neben mir sitzen?", hatte er gesagt und ihn angelächelt. Mädchen lachten ihn oft an, doch bei Hiro war das etwas anderes. Er hatte damals schon Herzklopfen gehabt, und das hatte er heute immer noch, wenn Hiro ihm zulächelte. "Hey, ihr beiden D-Züge!!!", rief ihnen jemand aus einem Fenster im obersten Stockwerk des Schulgebäudes zu. Sie hatten nun den Eingang erreicht. Es gab noch einen letzten, großen Ansturm, denn alle wollten rechtzeitig zu ihrer ersten Stunde erscheinen. "Hey, Mariko! Is' er scho da?", fragte Hiro und quetschte sich durch den Eingang. Toya kam gleich hinter ihm in die Eingangshalle. In just diesem Moment kam auch schon Mariko Sugenami die Treppe herunter gestürmt. "Klar is' er schon da! Was dachtet ihr?! Ich soll hier auf euch warten, bevor ich die Anwesenheitsliste nach oben bringe. Müsst ihr eigentlich immer zu spät kommen?", plärrte sie und lief auf die beiden Jungen zu. Mariko war das einzige Mädchen, das Toya leiden konnte. Sie war nie aufdringlich und sie schenkte ihm auch keine nichtssagenden Dinge. Sie war recht hübsch, mit ihren halblangen, hellbraunen Lockenhaaren und den Sommersprossen, die sie ihrer deutschen Mutter zu verdanken hatte. Intelligent war sie auch, vielleicht etwas zu forsch und ein bisschen zickig, aber welches siebzehn-jährige Mädchen war das nicht? Das einzige was Toya an ihr nicht leiden konnte, war wenn sie Hiro, zu nahe kam.

"Dann woll'n wir mal, okay?", sagte Hiro und sah Toya wehleidig grinsend in die Augen, als würden sie zu ihrer Hinrichtung schreiten. "Er hat so schöne Augen", kam es Toya plötzlich in den Sinn. Hiro's Augen waren grün, mit etwas braun. "Passen voll gut zu seinen wasserblonden Haaren", dachte Toya, als er von seinem Freund angesehen wurde. "Hast du irgendwas?" Hiro stupste ihn mit dem Finger an. "Was? Äh... NEIN!", rief Toya und lief rot an. Wie peinlich!

Nach der täglichen Strafpredigt ihres Klassenleiters, war der Unterricht heute wie von alleine gegangen. Vielleicht hatte es an der Doppelstunde Sport gelegen. Toya war nicht zwar nicht so sportlich wie Hiro, doch der Sportunterricht war immerhin interessanter als die anderen Fächer. Und außerdem war es immer wieder faszinierend, zuzusehen, wie Hiro alle anderen in den Schatten stellte. Basketball, Fußball, was auch immer. Hiro war einfach schon immer eine Sportskanone gewesen. Toya dagegen war eher schwächlich. Dafür ließen Hiro's Zensuren in allen anderen Fächern zu wünschen übrig. Mariko hatte es schon lange aufgegeben, ihn wegen jeder schlechten Note zu ermahnen, er würde es nie zu etwas bringen, wenn er weiterhin so faul bliebe.
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Nach der Schule trafen sich die drei Freunde an ihrem Lieblingsort, hinter der Turnhalle. Hiro lag auf dem dicken Ast eines alten Baumes, der nicht sehr hoch über dem Boden gewachsen war und kaute auf einem Grashalm herum. Mariko saß im Gras, an den Baumstamm gelehnt und las das Kapitel im Geschichtsbuch, dass sie als Hausaufgabe lesen sollten. Toya stand an eine Wand der Turnhalle gelehnt. Während er Mariko so beobachtete, dachte er an die zweite und dritte Klasse der Mittelstufe. Mariko kannte er erst seit der ersten Klasse der Mittelstufe. Sie war auf eine andere Grundschule gegangen. In der zweiten und dritten Klasse waren sie nicht in eine Klasse gekommen. Er und Hiro hatten gar nicht mehr viel mit ihr zu tun. Und dann waren sie in der Oberstufe plötzlich wieder alle drei zusammen. Toya wusste noch, wie geschockt er damals war, weil Mariko so erwachsen geworden war. Dabei war das eigentlich nicht verwunderlich. Klar, dass sie mit sechzehn etwas weiblicher aussah, als mit dreizehn. Sehr viel weiblicher sogar. Viele Jungs hatten sie gefragt, ob sie mit ihnen gehen wollte, aber Mariko hatte alle eiskalt abblitzen lassen. Wenn Toya oder Hiro sie darauf ansprachen, sagte sie immer, sie warte auf einen ganz Bestimmten. Jemanden, den sie aus ihrem früherem Leben kannte. Die beiden Jungs hatten sie nie ernst genommen. Für sie klang es wie ganz normale Schwärmereien eines ganz normalen Mädchens.
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Plötzlich wehte ein starker Wind vorbei und blies Mariko die Haare ins Gesicht. Sie hielt sie mit den Händen zurück und in der Zwischenzeit verblätterte der Wind die Seite in ihrem Buch. "Menno", jammerte sie. Hiro kicherte leise, verstummt jedoch sofort, als Mariko ihn böse anblickte. Es war ein windiger Herbsttag. Toya begann allmählich zu frieren, als plötzlich jemand um die Ecke zu ihrem Versteck bog und seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. "Hey Mariko, wer kommt 'n da?", fragte Hiro, wobei ihm der Grashalm aus dem Mund fiel. Alle drei blickten hinüber zu der, sich nähernden Gestalt. "Ist das nicht der Kerl aus der Klasse über uns? Dieser unheimliche Typ, der angeblich Krähen verehrt? Ich hab gehört, dass er schon mal jemanden fast umgebracht hätte, deshalb ist er von seiner alten Schule geflogen", sagte Mariko und stand auf. Toya blieb ruhig stehen. Er konnte etwas spüren. "Was ist das für ein Typ?", dachte er. "Ich... kann eine Art... Aura spüren!" "Sakasa? Toya Sakasa?!", rief der Junge, mit den halblangen, schwarzen Haaren. "Ja." Toya wusste nicht wieso, aber er hatte automatisch geantwortet. "Wir müssen... reden", sagte der Fremde. Er sah ganz normal aus, trug die übliche Schulkleidung, nur seine Augen stachen aus seinem Erscheinungsbild heraus. Eines war schwarz. Das andere schimmerte weiß. Er drehte sich zum Gehen um. "Kommst du?", fragte er und lief ein paar Schritte wegwerts. "Äh... Ja, ich komm." Toya stieß sich gerade von der Wand ab, als Hiro meinte: "Pass auf! Der Kerl is' mir nich' geheuer!" "Er... er macht sich sorgen um mich?!" Toya's Herz machte einen Luftsprung. Doch dann dachte er: "Nein, dass ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für so etwas. Also, was will wohl dieser Typ von mir?" "Keine Sorge! Ich pass auf mich auf!" Mit diesen Worten lief er dem Unbekannten nach.
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Er folgte ihm um die Turnhalle herum und ein Stück weiter, bis sie mitten auf dem Pausenhof standen. Der Typ blieb einfach so stehen, mit dem Rücken zu Toya gewandt. "Also, was willst du von mir?", fragte Toya mutig, obwohl er nicht genau wusste, ob ihm die Antwort gefallen würde. Der Typ antwortete nicht. Er stand nur still da. Dann plötzlich sagte er, mit einer Stimme, so gefühlskalt, wie Toya es noch nie gehört hatte: "Stirb!" Toya war zu überrascht um etwas antworten zu können. In der Hand seines Gegenübers, der ihm noch immer den Rücken gekehrt hatte, leuchtete etwas auf. Toya riss entgeistert die Augen auf. Es geschah viel zu schnell, dass der Fremde auf ihn zu rannte und mit dem, eben wie aus dem Nichts erschienenem Schwert, ausholte. Kling! Es war das Geräusch von aufeinanderprallendem Metall zu hören. "Masa!", schrie Toya. Ganz plötzlich war Hiro aufgetaucht. Er hatte ein Katana in der Hand, mit dem er den Schlag parierte. "Ich wusste es schon... die ganze Zeit. Du... bist also hier... Yu...e!", sagte Hiro zähneknirschend, während er dem Druck des Schlages von Yue standhielt. "Yue?!", dachte Toya. Er verstand nicht, was sein Freund meinte. Wer war dieser Typ? Wieso hatte Hiro plötzlich ein Katana bei sich? Ihm kam diese ganze Szene so unheimlich bekannt vor. "Yue?" Der Name hallte in Toya's Kopf wieder. Er spürte, wie ihm schwindlig wurde. "Wieso tust du das, Yue?", hörte er Hiro rufen. "Hey, was ist denn davorn los?" Offenbar war das Szenario nicht unbemerkt geblieben gewesen. Die Bilder vor Toya's Augen verschwammen. "Wir sehen uns ein andermal wieder", sagte die kalte, gleichgültige Stimme. "Puh, war das knapp, Toya."... "Toya?" Hiro drehte sich um und sah, dass sein Freund in die Knie gesunken war. "TOYA! Hey, was ist los? Toya, hörst du mich?" Sein Kopf fühlte sich so schwer an. Seine Augenlieder fielen langsam zu. "Toya!!!"
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

"Himmel, Toya!", schrie Mariko, als sie zu den beiden gerannt kam. Einige Mädchen standen um Hiro, der den bewusstlosen Toya in den Armen hielt. "Wir müssen ihn sofort ins Krankenzimmer bringen", sagte Hiro. "Sollen wir Hilfe holen?", fragte eines der Mädchen, die zu ihnen geeilt waren. "Nein danke, wir kommen schon klar", sagte Mariko höflich und half Hiro, Toya auf die Beine zu ziehen.
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Gemeinsam hatten die beiden es geschafft, Toya ins Krankenzimmer zu schleppen. "Was war da unten los?", fragte Mariko, die nun besorgt am Fußende des Bettes stand. Hiro saß auf dem Stuhl neben dem Bett. "Hey! Masa!", schrie Mariko. "Antworte! Was ist passiert?" Hiro's Blick starrte leer und ausdruckslos, auf den bewusstlosen Toya. Eigentlich sah es eher aus, als würde er durch ihn hindurch ins Leere blicken. "Nichts", antwortete Hiro erst nach einigen Sekunden auf Mariko's Frage. "Er... hatte wohl nur einen... Schwächeanfall." "Schwächeanfall, ja?", fragte Mariko skeptisch. "Er hatte schon immer Probleme mit 'm Kreislauf, okay?", fuhr Hiro sie an. "Is' ja schon gut", sagte Mariko. "Deshalb musst du mich nicht gleich so anschreien. Und was war mit diesem komischem Typ?" "Der war schon weg, als ich gekommen bin", log Hiro. Mariko seufzte. "Na ja, die Schulärztin hat ja gesagt, es dürfte ihm bald besser gehen. Ich geh dem Lehrer Bescheid sagen. Die AG sollte Toya heute trotzdem lieber ausfallen lassen." Mit diesen Worten verließ sie den Raum.

Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Hiro saß noch ein paar Sekunden schweigen da. Dann schlug er mit der Faust auf den Nachtisch, an dem bis jetzt er den Kopf aufgestützt hatte. "Verdammt", wisperte er. "Es tut mir so leid, Toya. Das hätte nicht passieren dürfen." In Gedanken fügte er hinzu: "Ich hätte wissen müssen, dass Yue irgendwann hier auftauchen wird. Aber was um alles in der Welt ist in ihn gefahren? Wieso hat er Toya angegriffen? Und wo zum Teufel versteckt sich dieser Feigling Garasu?" In diesem Moment kam Toya zu sich. Er blickte sich wortlos im Raum um. Hiro sah ihn nicht an und hatte deshalb noch nicht bemerkt, dass er wach war. Toya richtete sich im Bett auf. "Masa?!", sagte er mit schwächlicher Stimme. Hiro fuhr erschrocken herum. "To... Toya!", stotterte er. "Du... bist wach? Ähm... wie lange bist du schon wach?" "Grad erst aufgewacht", murmelte Toya. Hiro schien erleichtert. Also hatte Toya sein Gemurmel nicht gehört. "Hey, wie geht's dir? Hast mir 'n ganz schönen Schrecken eingejagt, Kumpel", sagte er und versuchte sich ein Lächeln abzuringen. "Tut mir leid", wisperte Toya. "Was ist eigentlich passiert? Da war dieser Typ... Wie war doch gleich sein Name?" Für einen Moment herrschte Stille. Dann schoss es aus Toya hervor: "Und woher hattest du auf einmal dieses Katana?" Hiro murmelte ein "Öööh", in sich hinein und wandt den Blick ab. "Ich hatte das Gefühl, irgend etwas vergessen zu haben. Als ich den Namen von diesem Typ hörte, dachte ich, es fällt mir wieder ein, aber dann hab ich solche Kopfschmerzen bekommen und bin ohnmächtig geworden. Masa! Was ist hier los?" Hiro seufzte. "Tut mir leid", sagte er. "Deine Erinnerungen werden noch früh genug zurück kehren. Ich hatte gehofft, ich könnte dir das ersparen." "Masa... Wovon... redest du?" Noch immer hatte sein Freund dieses gequälte Lächeln im Gesicht, dass Toya bis jetzt noch gar nicht von ihm gekannt hatte. Doch er antwortete ihm nicht. Plötzlich packte er Toya's Arm, zog ihn zu sich heran und umarmte ihn. "Ich hatte echt Angst, Mann...", flüsterte er. Toya spürte, wie ihm heiß wurde. Sein Gesicht musste tomatenrot sein. Er überlegte sich gerade, auch den Arm um Hiro zu legen, als dieser ihn prompt wieder los ließ. "Also", sagte er laut. "Pass in Zukunft besser auf dich auf, Kumpel!" Er klopfte Toya freundschaftlich auf die Schulter und stand auf. "Mariko sagt dem Lehrer Bescheid. Du gehst heute nicht in die AG. Geh heim und ruh dich aus!" In dem Moment als Hiro den Türknauf herunterdrückte, kam Mariko herein und die Tür knallte Hiro ins Gesicht. "Hey Toya!", sagte sie lächelnd. "Du bist ja wach! Sag mal, wo ist denn Masa?" "Ich... bin... hier!", schnaufte Hiro und trat hinter der aufgerissenen Tür hervor, während er sich mit beiden Händen die Nase zuhielt. "Huch? Was machst du denn auch hinter der Tür? Du bist ja komisch. Also, gehen wir?" Toya musste über Hiro's kleinen Unfall lachen. Er stand auf und zu dritt verließen die drei das Krankenzimmer. "Einer von uns darf schwänzen, um Toya nach Hause zu bringen", sagte Mariko. "Knobeln wir's aus?", fragte Hiro, während die drei Freunde die Treppe herunter liefen. Vor der Eingangstür blieben sie stehen. "Ouh, ich werd mich nicht kampflos geschlagen geben", versicherte Hiro Mariko, als diese nicht antwortete. "Na komm schon! Hier geht's ums Schwänzen. Da kenn ich keine Gnade!" Er ballte die Fäuste und tänzelte kichernd vor ihr herum. Mariko begann zu lachen. "Lass gut sein, Klassenclown!", meinte sie letztendlich und zog Hiro zu sich heran. Toya spürte, wie die Wut in ihm zu kochen begann, als sie ihm so nah war. "Hör gut zu, du Witzfigur von einem Bodyguard: Wehe mir, wenn du ihn in Gefahr bringst! Dann kriegst du's mit mir zu tun!" Sie schubste Hiro von sich weg. "W... wie meinst du das?", fragte Hiro. "Du weißt GENAU was ich meine!", sagte Mariko bestimmt und kehrte den beiden Jungs den Rücken. Hiro konnte noch hören, wie sie leise murmelte: "Schwächeanfall, pah! Das ich nicht lache. Kreislaufprobleme... Für wie blöd hält der mich eigentlich?" "Mariko...", flüsterte er. "Weiß sie wirklich etwas? Aber woher?" "Hey!", unterbrach Toya seine Gedanken. Hiro drehte sich zu ihm um. "Gehen wir, oder was?" "Ähm, ja. Klar." Nachdenklich verließ Hiro mit Toya das Schulgebäude.
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Den ganzen Weg über waren sie ziemlich schweigsam gewesen. Toya, weil er sich immer noch wie gerädert fühlte und Hiro, weil er nicht so recht wusste, was er sagen sollte. "Masa", begann Toya, als sie sein Haus schon fast erreicht hatten. "Hmm", brummelte Hiro. "Wieso sagst du mir nicht einfach, was los ist?" "Was los ist...", wiederholte Hiro. "Mann, mach dir keinen Kopf! Du wirst es schon noch früh genug erfahren." Leise fügte er hinzu: "Und wenn nicht, dann sei froh!" Toya seufzte. Wieder schwiegen sie beide. Dann sagte Toya: "Also, wir sehen uns morgen, ja?" "Klar", versicherte Hiro. Toya klingelte. Im Haus tat sich nichts. "Komisch", murmelte er. "Ach ja, heute ist Donnerstag! Die sind schon weggefahren." "Weggefahren?", fragte Hiro. "Ja, sie besuchen irgendwelche Bekannte und kommen erst am Montag zurück", erklärte Toya. "Was?" Hiro bekam einen Schock. "Da... dann bist du... ja ganz allein zu Haus!" "Ja und?", sagte Toya, während er mit dem Schlüssel, den er aus der Tasche geholt hatte, die Tür aufschloss. "Ist das ein Problem für dich?", wollte er wissen. Hiro schüttelte hastig den Kopf. "N... nö! Quatsch, wie kommst du 'n da drauf? Nee, nee..." "Na ja, dann..." "Ja, also..." Toya wusste nicht wieso, doch er blieb einen Moment lang in der offenen Tür stehen. Hiro stand ihm gegenüber. Er sah ihn nicht an, blickte starr auf den Boden. "Bis... Mor...", begann Toya, als Hiro ihn plötzlich in die Arme nahm und ihn fest an sich drückte. Erschrocken brach Toya den Satz ab. "Ma...sa", sagte er leise. Hiro's Arme klammerten sich fest um ihn. Toya's Herz begann zu rasen. Eben so plötzlich, wie es geschehen war, ließ Hiro ihn wieder los, nuschelte ein: "Bis Morgen", und rannte davon. "Bis... Morgen...", sagte Toya eher flüsternd und blickte Hiro nach. Dann ging er ins Haus und schloss hinter sich die Tür. Seufzend rutschte er mit dem Rücken an der Wand, auf den Boden. "Wieso macht er das?", fragte er sich. "Das war das zweite mal. Und zwar an einem Tag. Ob er sich wirklich nur Sorgen um mich gemacht hat?" Er blickte in den Wandspiegel gegenüber. Sein Gesicht war tatsächlich puderrot. Sein Kopf glühte nahezu. "Ouh Mann, ich fühl mich als hätt ich Fieber", dachte er. "Das ist doch nicht normal."
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Völlig außer Puste kam Hiro zu Hause an. Er war den ganzen Weg bis nach Hause gejoggt. "Verdammt!...", murmelte er leise. Dann schrie er: "Verdammt! Verdammt! Verdammt! Ich verdammter I-D-I-O-T! Was hab ich mir nur dabei gedacht?" Aus dem Wohnzimmer kam Hiro's kleine Schwester angetapst. "Hey, O-nii-san, hast du was falsches gegessen?", fragte sie und blickte ihn mit ihren großen Augen an. Hiro lächelte nur und verschwand dann in seinem Zimmer. "Immer wenn ich die Kleine seh, find ich es schade, dass sie nicht meine richtige Schwester ist...", überlegte er. "Und dass das hier auch gar nicht meine wirkliche Familie ist."
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Er erinnerte sich an seine Vergangenheit, sah die Gesichter seiner "Eltern" vor sich. "Oh, es ist ein Wunder, Schatz!", sagte die Frau. "Er wird wieder ganz gesund, unser Hiro." Er sah, wie ein Junge im Krankenhaus lag. "Sorg dafür, dass meine Eltern mich vergessen, ja?", hatte der Junge nach seinem schweren Unfall zu ihm gesagt. "Du kannst meinen Platz einnehmen, damit meine Eltern nicht weinen müssen, damit sie nicht merken, dass ich tod bin." Dann hörte sein Herz auf zu schlagen. "Niemand wird sich an dich erinnern", versprach Hiro. "Nicht einmal an deinen Namen. Sie werden denken, dass ich ihr Sohn bin und dass ich es schon immer war."
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Wenn er heute daran dachte, fühlte er sich immer noch schuldig. Er hatte die Erinnerung an den Sohn dieser Familie aus ihren Gedächtnissen gelöscht, damit er ohne weiteres seinen Platz einnehmen konnte. Aber er hatte nun einmal eine Identität gebraucht. Auch die Erinnerungen von Toya's "Eltern" waren falsch. Toya war nie als Baby ausgesetzt worden. Er hatte schließlich gar keine Eltern auf dieser Welt. Genauso wenig wie er selbst. Damals, es war 1409 gewesen, hatte er sich, Yue und Toya, aus ihrer Zeit in die heutige versetzt. Auf der Erde waren er und Toya gerade mal zehn Jahre alt gewesen. Alle Erinnerungen, die Toya's jetzige Eltern an ihn, vor seinem zehnten Lebensjahr hatten, waren nur Illusion. Alle, die dachten, sie kannten Toya schon vorher, waren nur von Hiro beeinflusst worden. Genau wie bei ihm. Er hatte einfach den Platz dieses Jungen eingenommen, dessen Erinnerungen zu Hiro's geworden waren. Und Yue? Hiro wusste es nicht. Aber ihm musste es ähnlich ergangen sein. Er war damals elf gewesen. Sein Geist war in etwa der eines achtzehn-jährigen. Doch auch im Dämonenalter, von über hundert Jahren, war er viel zu jung gewesen, um über ein Königreich zu herrschen. Garasu hatte das gewusst. Er kannte seinen Schwachpunkt. Sumi. Yue hätte Garasu damals niemals besiegen können. Hiro war nichts anderes übrig geblieben, als ihn von dort wegzubringen. Toya war ebenfalls in Gefahr. Er, als Yue's Bruder... Auf ihn hätte Garasu es als nächstes abgesehen. Und Hiro... war eigentlich einfach kurzerhand, um sich selbst vor Garasu zu retten, durch das Tor getreten. Und nun hatte er den Salat. Sieben Jahre war es gut gegangen. Hier auf der Erde waren sie alle gealtert wie normale Menschen. Sie hatten gelebt wie Sterbliche. Aber das war jetzt vorbei. Jetzt, wo Garasu sie gefunden hatte... Wie hatte er das nur geschafft? Und wieso hatte Yue Toya angegriffen? Er stand doch eigentlich auf ihrer Seite. Hatte er etwa auch seine Erinnerungen an die Zeit als Dämon vergessen, so wie Toya? "Verdammt!", murmelte Hiro und ließ sich auf sein Bett fallen. Diese ganzen Überlegungen konnten einem wirklich Kopfschmerzen bereiten. Es wollte alles nicht so recht zusammenpassen...
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Es war Abends. Draußen wütete ein Sturm. Toya lag zu Hause in seinem Bett. Er lag schon seit einer halben Ewigkeit, wie es ihm schien, so da und bemühte sich, einschlafen zu können. Gerade noch dachte er über alles nach, was heute geschehen war. Er dachte, er würde in dieser Nacht sicher niemals Schlaf finden, als ihm auch schon die Augenlieder zufielen und er vor Erschöpfung einschlief.
 

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"Yue!", sagte seine Stimme. "Komm schon, O-nii-san!", Er zog am Ärmel des schwarzen Umhangs, den sein Gegenüber, eine verschwommene Gestalt, trug. Die Gestalt drehte sich um und zog ein Schwert. In den Umrissen erkannte Toya nur eine hinterhältig grinsende Fratze, doch er vermutete, es war dieser Typ aus der Schule. Toya rannte davon. Rannte immer schneller, doch er schien nicht voran zu kommen. Zu allem Überfluss stolperte er dann auch noch. Gerade hatte der Mann namens Yue ihn erreicht, als plötzlich Hiro vor ihm stand. "Masa!", hörte Toya sich selbst rufen. Einen Moment lang schien alles gut zu sein, doch dann drehte Hiro sich um und sagte: "Willst du dich eigentlich ewig hinter mir verkriechen, du Homo?!" Toya blickte erschrocken zu ihm auf. Nein! Hiro würde doch niemals so etwas zu ihm sagen. Nein, niemals! Die Gestalt mit dem Schwert begann zu lachen. Hiro's Erscheinung entfernte sich. Eine Schar Mädchen drängte sich um ihn. "Wer braucht dich schon, du Versager!", rief Hiro. Toya spürte eine kochende Hitze in sich aufsteigen. "Da hörst du's!", sagte eine weitere Stimme. Eine zweite unbekannte Gestalt tauchte auf. Noch verschwommener als dieser Yue. "Niemand braucht dich! Alle scheren sich wenn dann um Yue. Du warst doch immer nur die zweite Wahl!" "Lügner!", wisperte Toya. "Was hast du gesagt?", fragte eines der Mädchen, das sich an Hiro klammerte. Toya glaubte für einen Moment Mariko zu erkennen. "Ihr lügt!", schrie er. "Ouh, jetzt fängt er auch noch an zu heulen!", meinte Yue spottend. "Kleine Heulsuse! Du warst schon immer so. Hast immer gleich los geheult." Auf einmal war es um ihn herum schwarz. Er lag in Hiro's Armen, fühlte sich glücklich und... geborgen. Im Unterbewusstsein hoffte er, der Alptraum hätte ein Ende gefunden. Doch dann schubste Hiro ihn mit einer solchen Wucht von sich weg, dass Toya zu Boden fiel. "Dachtest du echt, mir würde an einem Homo, wie dir was liegen?", meinte er lachend. "Ich brauch dich nicht!" Und dann tauchten wieder all die Mädchen um ihn herum auf. Hiro, Mariko, Yue, die Mädchen, seine Klassenkameraden, seine Eltern, Lehrer, Nachbarn, alle standen plötzlich um ihn herum, zeigten mit dem Finger auf ihn, lachten und riefen: "Kleiner, nutzloser Toya!" Der fremde Mann sagte: "Keiner braucht dich!" Hiro's Stimme: "Homo!" Yue: "Heulsuse!" Mariko: "Schwächling!"
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

"NEIN!" Schweißgebadet fuhr Toya aus dem Alptraum hoch. Er setzte sich im Bett auf und vergrub den Kopf in den Händen. Tränen liefen über seine Wangen und brannten wie Feuer auf seiner Haut. "Nein, nicht! Hiro! Bitte nicht..."
 

*~*~*~*~*~*~*~
 

Es war ein kalter, regnerischer Morgen. Hiro stand draußen am Schultor und hielt sich die Tasche über den Kopf, um nicht noch nässer zu werden. "Masa!", rief eine Stimme. Er drehte sich um und sah Mariko vom Eingang aus winken. "Komm endlich rein! Der Unterricht fängt in ein paar Minuten an." "Gleich", rief Hiro knapp zurück. "Wo bleibt er nur?", fragte er sich. Langsam machte er sich Sorgen. Normalerweise trafen er und Toya sich jeden Morgen schon an der Ecke, wo sich die Straßen, in denen ihre Häuser standen, sich kreuzten. Heute Morgen war Toya nicht da gewesen. Hiro hatte mindestens zehn Minuten dort auf ihn gewartet. Dann erst war er langsam in Richtung Schule gegangen, in der Hoffnung, Toya würde wohl schon vorgegangen sein. Doch das war er nicht. Er war im ganzem Schulhaus nicht aufzutreiben. Also hatte Hiro sich kurzerhand dazu entschlossen, hier auf ihn zu warten. Er hörte, wie Schritte in die Pfützen tapsten und näher kamen. Dann hielt ihm jemand einen Schirm über den Kopf. Er drehte sich um. Hinter ihm stand Mariko. "Komm mit rein, Masa", bat sie. Ihre Stimme klang ungewöhnlich nett. Du erkältest dich noch. "Er hat sicher nur verschlafen. Oder er bleibt mit Absicht zu Hause. Es ging ihm ja gestern nachmittag echt übel. Vielleicht will er sich nur mal richtig ausschlafen, damit er wieder gesund wird." "Das hätte er mir doch gesagt", widersprach Hiro. "Und wenn er sich 's selbst erst gestern Nacht überlegt hat?", bohrte Mariko weiter und nahm ihn am Arm. "Sicher wollte er dich so spät einfach nicht mehr stören. Nun mach dir nicht so viel Sorgen. Er ist doch kein kleines Kind mehr." Widerwillig ließ Hiro sich von ihr über den Schulhof zerren.

Toya kam völlig erschöpft bei der Schule an. Nach diesem grässlichem Traum letzte Nacht hatte er keine Sekunde mehr geschlafen. Immer wieder traten Fetzen einer unbekannten Erinnerung in sein Gedächtnis. Es strengte ihn so sehr an, dass er fürchtete, jede Sekunde zusammen zu brechen. "Ich hätte zu Hause bleiben und mich ausschlafen sollen", dachte er. Nur mit großer Mühe hatte er sich den Weg hier her, bis zur Schule geschleppt. Eigentlich nur um Hiro zu sehen, wie er sich eingestehen musste. "Vielleicht hat mein Traum ja recht", dachte er. "Vielleicht bin ich echt 'n Homo. Es ist wirklich nicht normal, wie ich mich an ihn klette." Sein Kopf schmerzte unerträglich und ihm war furchtbar schwindlig. Er erreichte das Schultor und stütze sich schnaufend daran ab. Plötzlich riss er die Augen auf. Er wollte gerade den Mund aufmachen, und "Masa!", rufen, als ihm auffiel, dass Mariko, die gerade mit Hiro das Schulhaus betrat, den Arm um ihn gelegt hatte. "Was?", dachte er. "Aber... das gibt's doch nicht!" Es kam ihm ein grauenvoller Gedanke: "Ist zwischen den beiden etwa doch mehr als Freundschaft?" "Dachtest du echt, mir würde an einem Homo, wie dir was liegen?", hallte Hiro's Stimme in Toya's Kopf wieder. "Nein, das ist nicht wahr!" Schon wieder fühlte er sich den Tränen nahe. "Heulsuse!", sagte die Stimme von diesem Kerl. Toya konnte sich nicht mehr daran erinnern, wer das in seinem Traum zu ihm gesagt hatte. In seinem Kopf drehte sich alles. "Masa, warte!", stöhnte er. Hiro's und Mariko's Gestalten verschwanden vor seinen Augen. Das Schultor wurde wie jeden Morgen automatisch verriegelt. Toya sank an der Mauer, hinter einem der Büsche, die das Gelände umzäunten, zu Boden. Schweißperlen liefen ihm die Stirn herunter. Allmählich wurde es immer dunkler. Kurz bevor er endgültig ohnmächtig wurde, erinnerte er sich nur an die unbekannte Gestalt aus seinem Traum. Und plötzlich traf ihn die Erinnerung an seinen Namen, wie ein Blitz. "Garasu!"
 

~tbc~

Rememberance

Es war gerade Mittagspause. Yue stand mit verschränkten Armen in einer ziemlich verlassenen Ecke der Pausenhalle. Der Regen war nicht mehr so stark wie heute morgen, aber trotzdem hatten es die meisten Schüler vorgezogen, in der Mittagspause drin zu bleiben.
 

Einige Mädchen blicken schon die ganze Zeit zu Yue hinüber und tuschelten dabei. Plötzlich schritt eines von ihnen mutig auf ihn zu und sagte: "Hey, Yue-kun, hast du heute abend schon was vor?" Yue blickte es an. Das Mädchen hatte halblange, schwarze Haare und große, rehbraune Augen. Er kannte sie nicht. Doch sie zog ihn auf irgendeine Art und Weiße an. "Nicht das ich wüsste", sagte er. Seine Stimme klang uninteressiert wie immer. "Gut, dann...", sagte das Mädchen mit zuckersüßer Stimme. "Triffst du dich mit mir?" "Von mir aus." "Toll, also bis später. Ich ruf dich an!" Und damit tänzelte sie fröhlich wieder zu den anderen Mädchen. Aus unerklärlichem Grund wunderte Yue sich nicht, dass das Mädchen seine Telefonnummer kannte. Wieso kam sie ihm nur so bekannt vor?
 

"Seht ihr, ich sagte doch, ich kenn ihn!", verkündete das Mädchen stolz. "Wow! Hab ich mich verhört, oder ahst du ihn echt gerade beim Vornamen genannt?", staunte eines der anderen. Und wieder ein anderes fügte hinzu: "Du hast sogar seine Nummer?"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Nach der Schule gingen Hiro und Mariko zum Vordereingang heraus. Sie waren zwei der Ersten, die aus dem Gebäude stürmten. Normalerweise hätten sie getrödelt. An ihrem Lieblingsort hinter der Sporthalle gesessen und geredet. Zu dritt. Doch Hiro hatte beschlossen, sofort nach der Schule bei Toya zu Hause vorbei zu schauen. Heute hatte er zum Glück keine AG. "Also", sagte Mariko. "Wenn wir uns beeilen, schaff ichs noch rechtzeitig zurück zur Schule." Mariko hatte fast jeden Tag irgendeine AG oder eine Besprechung. Heute hatte sie nach der Schule jedoch noch Zeit, da die AG erst später begann. "Ja, dann lauf 'n Schritt schneller", drängte Hiro sie.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Hey, was ist denn da vorn los?", fragte Mariko und zeigte mit dem Finger Richtung Schultor. Die paar Schüler, die vor Hiro und Mariko aus dem Schulhaus gestürmt waren, standen alle auf einem Haufen gedrängt neben dem Schultor und tuschelten angeregt. "Hey, was ist hier los?", fragte Mariko einen der Schüler, der weiter hinten stand. Wegen dem ganzen Gedränge, war es unmöglich für sie, zu sehen, um was sich die Schüler scherten. "Da liegt ein Schüler, wahrscheinlich ohnmächtig oder so", erklärte ihr Mitschüler. "Keine Ahnung. Ein paar gehen grade einen Lehrer holen." Hiro riss die Augen auf. "Was?", schrie er. "Oh, bitte nicht!" Er drängte sich durch die Schülermenge. "Nicht, Masa!", schrie Mariko. "Warte lieber auf den Lehrer!" Doch es war schon zu spät. "Lasst mich durch! Macht doch Platz!", drängte Hiro die anderen.
 

Und plötzlich stand er da. Vor ihm lag der bewusstlose Toya. Eine Sekunde lang war Hiro's Blick wie hypnotisiert auf seinen Freund gerichtet, dann schrie er: "TOYA!", und sank in die Knie. "Verdammter Idiot! Wieso bist du nicht zu Hause geblieben?!" Er versuchte ihn gerade wach zu schütteln, als Mariko durch das Gedränge kam. "Oh Gott!", sagte sie erschrocken und hielt sich die Hände vor den Mund. "Ma...sa, was... ist mit ihm?" Hiro antwortete ihr nicht. "Toya!", rief er abermals. "Hey, komm zu dir!" Nachdem er einige Sekunden versucht hatte, Toya wach zu schütteln, rührte sich dieser endlich.
 

Langsam öffnete er die Augen. "Ma...sa", stöhnte er. "Du... bist hier?" "Klar bin ich hier, Mann!", schrie Hiro. "Wo soll ich denn sonst sein?" Er legte Toya's Kopf auf seinen Schoß. Toya nahm alles nur in einer Art Halbschlaf war. Die Umstehenden begannen nun noch angeregter zu tuscheln. "Toya, keine Sorge", sagte Mariko und beugte sich zu Toya herab. "Es kommt gleich ein Lehrer und bringt dich ins Krankenzimmer." Toya fuhr zusammen. "Nein, ich...", begann er und versuchte den Kopf zu heben. "Ich will da nicht wieder hin." Bei dem Versuch, auch nur einen Muskel seines Körpers zu bewegen, versetzte es ihm wieder dieses Stechen im Kopf. Und wieder schossen ihm diese Bilder durch den Kopf. Diese Personen aus seinem Traum. Ihm brannte nur noch dieser eine Name auf der Zunge, doch er wagte es nicht, ihn auszusprechen. Aus welchen Gründen auch immer. Vor Erschöpfung ließ er den Kopf wieder in Hiro's Schoß sinken. Wieder begannen die Umstehenden, obwohl es nun schon wesentlich weniger waren, zu flüstern. "Masa, ich will nicht, bitte...", wisperte Toya. "Was ist los? Wieso willst du nicht in die..." Noch ehe er geendet hatte, unterbrach Toya ihn schon. "Bitte, bring mich nach Hause, ja?" "Ich, ähm..." "Es wär besser, wenn du dich mal gescheit untersuchen lassen würdest, Toya", meldete sich Mariko erneut zu Wort. "Ja, denke ich auch", stimmte Hiro ihr zu. "Nein, bitte! Ich will nur nach Hause." "Na ja, also...", stotterte Hiro. Offenbar wusste er nicht so recht, was er sagen sollte. "Masa, bitte!", drängte Toya ihn. "Schau mich nicht so wehleidig an!", befahl Hiro in Gedanken, doch er sprach es nicht aus.
 

Seufzend sagte er: "Mariko, hilf mir mal!" Er zog Toya auf die Beine. Mariko stützte Toya ab. "Los komm", maulte er. "Ich nehm dich Huckepack." "Waaas?", schrie Mariko. "Das kannst du doch nicht ernst meinen! Masa, weißt du wie weit der Weg bis zu ihm nach Hause ist? Du kannst ihn unmöglich tragen. Lass ihn doch einfach in die Krankenstation bringen u..." "Wenn er da aber nicht hin will!", fuhr Hiro sie an. "Da kommt der Lehrer", rief einer der umstehenden Schüler. "Los, heb ihn hoch!", drängte Hiro Mariko. Diese blickte zwar immer noch unsicher, half Toya jedoch widerwillig auf Hiro's Rücken. Hiro ließ die anderen einfach stehen und verließ das Grundstück der Schule. "Ich werd nicht schon wieder für euch grade stehen!", plärrte Mariko ihm nach. "Hörst du? MA-SA-NA-RUUU!!!" Sie war sich ziemlich sicher, dass er sie nicht mehr gehört hatte oder es zumindest nicht hören wollte.
 

Gerade als die beiden außer Reichweite waren, kam der Lehrer am Ort des Geschehens an. "Sie sind schon weg", erklärte eine Schülerin ihm. "Das war Masanaru", murmelte ein Junge. "Masanaru Hiro. Er hat ihn einfach weggeschleppt." "Schon wieder dieser Masanaru!", sagte der Lehrer, ein großer, kräftiger Mann mit leicht grauem Haar. "Wenn was passiert, ist wieder die Schule dran schuld! Na warte, wenn ich den erwische." Ohne ein weiteres Wort stapfte er davon. "Das war doch Herr Sewaru", murmelte Mariko. "Ja, er ist der Klassleiter von der B", sagte ein Mädchen, aus ihrer Klasse. "Echt?", fragte Mariko. "Wusst ich gar nicht." "Er hatte es ja schon immer auf Masanaru abgesehen, aber jetzt hat er wohl endgültig was, um ihn dran zu kriegen." Mariko seufzte. Jeder an ihrer Schule wusste das. Sewaru-sensei hatte immer seine Lieblinge. Meist waren das solche miesen Schleimer, wie zum Beispiel Teruko Miroi, der Junge, der vorhin Masanaru verpetzt hatte. Und dann gab es da noch die, die Sewaru einfach hasste. Hiro stand eindeutig auf Platz eins. Er hatte es geschafft, sich mit allerlei Kleinigkeiten furchtbar unbeliebt bei Sewaru zu machen. Mariko seufzte. "Ich hab ihn ja gewarnt", murmelte sie. "Am Montag ist er dran..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In der Zwischenzeit war Hiro mit Toya noch immer auf dem Weg. Viele Passanten drehten sich fragend nach den beiden um, hielten die Hände vor den Mund und tuschelten. Eine Gruppe Schulmädchen ging an ihnen vorbei. Die Mädchen begannen zu kichern. Doch Hiro achtete einfach nicht auf sie. "Er ist echt leicht wie 'ne Feder", dachte er. "...richtig zerbrechlich, könnte man sagen." Er wurde rot. Toya's Atem kitzelte ihn im Nacken, doch irgendwie war es ein angenehmes Gefühl. Toya hingegen sah erst langsam wieder klarer. Die Bilder vor seinen Augen waren die ganze Zeit so verschwommen gewesen. "Masa", flüsterte er so leise, dass Hiro ihn wohl nicht gehört hätte, wäre er nicht mit dem Mund so nahe an ihm, dass er ihn fast berührte. "Was ist?", murmelte Hiro, und blickte auf den Boden. Er konnte es kaum abstreiten, wie schnell sein Herz schon die ganze Zeit schlug. "Danke", hauchte Toya. Er klammerte die Arme um Hiro, ließ den Kopf hängen und schloss erschöpft die Augen.
 

"Du hast mich nicht verlassen, Masa", dachte er. "Es war nur ein Alptraum." Vor seinen geschlossenen Augen sah er die Gestalt vor sich. Ein Junge, er trug eine schwarze Kutte. Unter der Kapuze hingen lange schwarze Haare hervor. "Toya!", rief der Junge. "Hey, wo steckst du? Hiro und ich suchen jetzt schon lange genug nach dir!" Toya sah sich selbst, um einiges jünger als jetzt. Er rannte lachend hinter einem Felsen hervor. "Ich bin hier!", sagte er. "Mensch, hör auf uns dauernd in Panik zu versetzten, Toya", sagte der Junge. Seine Stimme hörte sich streng an, doch nicht wütend. "Mama und Papa machen sich auch Sorgen, wenn du abhaust." Er nahm ihn an der Hand und zerrte ihn fort. "Hey, O-nii-san", sagte Toya. "Spielst du bald wieder öfter mit mir Verstecken?" "Du bist langsam etwas zu alt dafür", antwortete der Junge. "Mennooh", quengelte Toya. "Spiel doch mit Hiro. Dazu ist er ja da."
 

"Yu...e", wisperte Toya. Hiro drehte sich zu ihm um. "Yue, mein... Bruder", sagte Toya im Schlaf. "Er erinnert sich", dachte Hiro.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Wenig später waren sie bei Toya zu Hause angekommen. "Ach ja, er hat gesagt, seine Eltern sind nicht da", erinnerte Hiro sich. "Hey, Toya. Wach auf!" Toya öffnete die Augen nicht. "Ich brauch deinen Schlüssel." Vorsichtig hob er Toya von seinem Rücken und lehnte ihn gegen die Tür. "Wie kann man nur so tief schlafen? Er muss wirklich ziemlich erschöpft sein." Er wusste, dass Toya seinen Schlüsselbund immer in der Hosentasche hatte. "Mann Toya, wach auf, oder ich muss dich betatschen!", sagte er mit knallrotem Gesicht. "Ach Mensch." Er griff mit der zitternden Hand in Toya's Hosentasche. Doch dann hielt er inne. Einen Moment lang blickte er stumm in Toya's Gesicht. Seine Augen waren noch immer geschlossen, seine Lippen, leicht geöffnet. Er war ihm so nah. Er könnte ihn doch einfach... Hiro senkte den Kopf, da Toya ein ganzes Stück kleiner war. "Toya", flüsterte er. Es kam ihm plötzlich alles so leicht vor. Sein Atem wurde schneller. Er könnte ihn doch einfach... einfach kü...
 

In just diesem Moment öffnete Toya die Augen. "Wuaah!", schrie Hiro erschrocken und stolperte mit samt dem Schlüsselbund rückwärts auf die Steinfliesen, die zur Tür führten. "Was ist?", fragte Toya. "Äh, ähm... ach, äh... also", stotterte Hiro. "Nichts. E... es ist nichts. Ich, äh, hab deinen Schlüssel." Er hielt ihm den Schlüsselbund entgegen. "Danke", sagte Toya, nahm den Schlüssel und schloss auf. Zögernd ging Hiro nach ihm in die Wohnung. Er war sich nicht ganz sicher, was er tun sollte, schließlich sollte er Toya nur nach Hause bringen. "Masa", begann Toya, während er die Schuhe auszog. "Danke, dass du mich heim gebracht hast." "Was? Ähm, ja, klar. Kein Problem." "Was ist los? Du wirkst so... eingeschüchtert." "Wie? Öhm, nein. Es ist nichts." In Gedanken drang immer noch Toya's leises Stöhnen und seine Wärme, an seinen Nacken. Hiro hätte sich am liebsten sofort selbst eine Ohrfeige verpasst, für diese Gedanken. Das war eindeutig nicht normal. ER war nicht normal. Er wusste es schon immer. "Ich bin ja echt voll krank", dachte er. "Also, ich... geh dann mal wieder." Er machte auf dem Absatz kehrt und griff nach dem Türgriff.
 

Doch plötzlich nahm Toya seine Hand und hielt ihn zurück. "Nein, warte", bat er. Als Hiro sich umdrehte, sah er, dass Toya verlegen auf den Boden blickte. "Kannst du nicht... hier bleiben? Ich... muss mit dir reden." "Ähm,... okay", antwortete Hiro. "Aber leg dich jetzt erst mal hin, bevor du mir wieder zusammenkrachst, klar?" "Okay", sagte Toya lächelnd. Es war ein erleichtertes Lächeln. Er war froh, dass Hiro bei ihm war. Er würde ihn NIE im Stich lassen. Es war alles nur Einbildung.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Kurz darauf lag Toya, in Pyjama, in seinem Bett. Er drehte sich ständig unruhig von einer Seite auf die andere. Was ihm alles auf der Zunge brannte, was er Hiro erzählen musste. "Wo bleibt er denn so lange?", dachte er ungeduldig.
 

Als hätte Hiro nur auf ein Zeichen gewartet, so kam er in diesem Moment, mit einem Tablett in den Händen wieder ins Zimmer. "Masa, was hast du gemacht?", fragte Toya verwirrt. "Ich hab dir Suppe gekocht", verkündete Hiro anscheinend ziemlich stolz. "Du hast WAS?" Hiro stellte das Tablett auf dem Bett ab, setze sich an den Schreibtischstuhl und rollte ihn ans Bett. "Natürlich 'ne Fertigpackung", erklärte er. "Du weißt ja, wie's um meine Kochkünste steht." "Stimmt, und ich dachte schon, du willst mich vergiften", meinte Toya lachend. Hiro schrie empört auf: "Waaaas? Ich glaub ich hör nicht richtig! Also dir scheint's immer hin wieder gut genug zu gehen, um mich zu beleidigen, was?" Toya musste erneut lachen. Hiro ebenfalls. Dann verstummte er schlagartig. "Ich freu mich, wenn's dir wieder besser geht", sagte er leise. "Masa", murmelte Toya und wurde rot. "Also der benimmt sich zur Zeit wirklich komisch", dachte er.
 

"Weißt du, was mich echt wundert?", sagte er. "Was denn?" "Dass du in der Küche überhaupt 'nen Löffel gefunden hast", meinte Toya kichernd. "Ouh, na warte, du kleine Kröte!", sagte Hiro, beugte sich zu Toya herüber, zerwuschelte ihm die Frisur und kitzelte ihn. "Wie lange geh ich nun schon in diesem Haus ein und aus, als ob es mein Eigenes wäre und du hälst mich für so blöd, dass ich..." "Masa! Pass auf!", brachte Toya unter Lachen hervor. "Die Suppe!" "Ups." Sofort ließ Hiro von ihm ab. Auf dem Tablett schwamm bereits ein Großteil der Suppe. "Deine Schuld", maulte er. Toya wischte sich lächelnd die Tränen aus den Augen. "Nee deine", widersprach er. "Du weißt, wie kitzlig ich bin." "Deswegen mach ich's ja", sagte Hiro. "Wärst du nicht kitzlig, würde es ja keinen Spaß machen. Und jetzt iss endlich, sonst wird der Rest von der Suppe, der noch nicht auf dem Tablett verteilt ist, noch kalt." "Ja Mama", seufzte Toya. "Ruh dich aus. Du kannst mir später erzählen, was los ist", sagte Hiro und verließ das Zimmer.
 

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte er sich seufzend dagegen. "Toya, ich denke, ich weiß genau, worum es geht..."
 

Nachdem Hiro das Zimmer verlassen hatte, dachte Toya plötzlich: "Wieso schaff ich es nicht, ihn darauf anzusprechen? Wenn er vor mir steht, krieg ich's einfach nicht raus." Er nahm den Löffel vom Tablett und begann zu Suppe zu essen. "Beinahe beängstigend. Ich dachte immer, er schafft's nicht mal, Suppe aus der Tüte zu kochen, aber siehe da..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In der Zwischenzeit, an einem anderen Ort in Tokio. Ein schwarzhaariges Mädchen klingelte an eine Tür. Kurz darauf öffnete Yue. "Hallo!", sagte das Mädchen. "Bist du fertig?" Yue nickte und schloss hinter sich die Tür. "Hör mal", begann das Mädchen zu erzählen, während die beiden den Weg entlang gingen. "Viele wundern sich über deinen Nachnamen." "Es ist ein seltener Name", sagte Yue. "Ja, und es lenkt all ihre Aufmerksamkeit auf dich." "Das wolltest du doch so", meinte Yue. "Deshalb hast du mir diesen Namen gegeben." Das Mädchen lächelte. "Dich stört das nicht, oder?", fragte es. Doch es schien nicht wirklich so, als würde es sie wirklich kümmern. "So werden die, die mich suchen, niemals darauf kommen, dass ich es bin. Sie kennen mich so ja gar nicht." "Toya erinnert sich langsam wieder", wechselte Yue das Thema. "Hmm, du solltest dich beeilen, Yue-kun", sagte das Mädchen. "Also, wo gehen wir hin? Ich fange an, diese Zeit zu mögen. Es ist alles so aufregend." "Ganz wie du meinst", seufzte Yue. "Hey, hör auf so zu schauen. Sumi ist tot! Das kann ich leider auch nicht ändern. Aber du wirst sie ganz bestimmt rächen." Das Mädchen lächelte. "Und nun hör auf, daran zu denken."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Hiro stand vor Toya's Zimmertür. Die eine Hand auf den Türgriff gelegt. Er hatte fast eine Stunde lang gewartet und fern geschaut. Langsam musste er sich stellen. Nun musste er sich endgültig stellen. Er schluckte und drückte den Griff nach unten. Er lugte durch einen Spalt in das Zimmer. Toya lag noch immer in seinem Bett. Das Tablett mit der leeren Suppenschüssel stand auf dem Boden. "Toya?", sagte Hiro leise.
 

Er betrat das Zimmer und ging ans Fenster. Man brauchte nicht viele Schritte, um den kleinen Raum zu durchqueren. Er zog die Vorhänge zu. "Toya, schläfst du?", fragte er. Ein verschlafenes "Hmm", kam als Antwort. Durch die Vorhänge kam nun nur noch gedämpftes Licht ins Zimmer. "Hey, bist du wach?", fragte Hiro erneut und beugte sich zu Toya herunter. Dieser rieb sich nur die Augen. "Ja, ja, bin wach", antwortete er. Hiro stellte das Tablett auf den Holzschreibtisch. Eigentlich war fast alles in Toya's Zimmer aus Kiefernholz. Der Schreibtisch, der Schrank und die Regale. Die Tapete war hellblau, was jedoch nicht sehr auffiel, da sie größtenteils mit eingerahmten Puzzles voll gehängt war. Hiro setzte sich wieder auf den Schreibtischstuhl.
 

"Also, fang an", seufzte er. Toya setzte sich im Bett auf. "Also", begann er. "Ich weiß nicht so genau, ob du mir helfen kannst, aber..." Offenbar versuchte er, jedes Wort sehr sorgfältig zu wählen. "Als dieser Typ auf dem Pausenhof mich angegriffen hat, ich mein, als ich ohnmächtig war, da hatte ich so eine Art Vision. Genau wie gestern Nacht und vorhin." Er blickte ununterbrochen auf die Bettdecke. Ebenso wie Hiro. "In diesen Visionen, kam jemand vor,... ich glaube es war der Typ aus der Schule. Ich kann mich nur an seinen Namen erinnern... Yue." Für ein paar Sekunden schwieg er. Dann sagte er zögernd: "Er ist mein Bruder. Hab ich recht?" Hiro antwortete nicht. "Hab ich recht, Masa?", wiederholte Toya seine eigenen Worte. Wieder seufzte Hiro.
 

"Ja", sagte er. "Es stimmt." "Aber wie...? Ich verstehe nicht... Wieso hat er...? Und was hast du mit alle dem zu tun?" Wieder herrschte Stille. "Da war noch jemand in meiner Vision", fuhr Toya fort. "Ich kann mich nicht mehr an sein Gesicht erinnern. Sein Name ist Garasu!" Hiro zuckte beim Klang des Namens zusammen. "Masa, bitte! Du weißt es, nicht wahr? Also sag's mir endlich? Was ist das für eine Erinnerung, die da in mir ruht?" "Du hast recht", sagte Hiro. "Also, ich wird dir alles erzählen. Du wirst dich von ganz alleine daran erinnern, wenn du es hörst." Er strich sich den Pony aus dem Gesicht. Toya kannte diese Geste. Das tat Hiro immer, wenn ihn etwas beunruhigte. Dann strich er sich immer den Pony, der ihm sonst immer in die Augen hing, aus dem Gesicht. Es brachte ihm nie etwas, den er fiel immer wieder genau so, wie er vorher gewesen war.
 

"Es war Anfang des vierzehnten Jahrhunderts", begann Hiro. "Damals lebten wir in der Welt der Dämonen. Unter... Unseresgleichen. Es herrschte Frieden zwischen unserer und der Menschenwelt. Bis eines Tages der König starb. Das war... Yue's... und dein Vater. Yue sollte den Thron besteigen, als Garasu, ein ziemlich machtgieriger Dämon, seine Geliebte, das Menschenmädchen, Sumi, tötete. So lockte er deinen Bruder in eine Falle. Er wollte ihn töten und danach dich. Als neuer Herrscher über die Dämonen wollte er einen Krieg gegen die Menschenwelt anzetteln, sie bis auf den letzten ausrotten und so die Herrschaft über beide Gebiete, die Dämonen- und die Menschenwelt, erlangen.
 

Doch damals erfuhren du und ich von seinem Vorhaben. Ich war schon von klein auf, deine und Yue's Leibgarde gewesen. Als solche war es also meine Aufgabe Yue und dich zu beschützen. Ich habe Garasu aufgehalten und uns drei durch ein Raum-Zeit-Tor in die Zukunft befördert. Hier habe ich dann die Erinnerungen der Menschen in unserer Umgebung verändert, so dass es niemandem auffiel, wer wir wirklich waren."
 

Hiro verstummte. Er hätte nicht erwartet, dass Toya ihn kein einziges mal unterbrechen würde. "Was aus Yue geworden ist, wusste ich bis vor kurzem selbst nicht. Du hattest dein Gedächtnis verloren. Es ist sieben Jahre lang gut gegangen, aber jetzt spüre ich Garasu's Aura in dieser Welt. Er muss einen Weg gefunden haben, hier her zu kommen. Auch wenn nicht in der damaligen Zeit, ihr existiert dennoch und solange ihr lebt, kann die Dämonenwelt von keinem anderen beherrscht werden. Deshalb musste er euch folgen, um euch zu töten, in seine Zeit zurück zu kehren und dort die Herrschaft zu übernehmen. Das würde wahrscheinlich die ganze Zukunft ändern."
 

Hiro verstummte erneut. Nur ein leises Schluchzen ertönte in der Stille. "To...ya?", sagte Hiro leise. Seine Stimme klang unsicher. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Toya blickte noch immer starr auf die Bettdecke. "Also ist es wahr", schluchzte er. Er lächelte, doch über seine blassen Wangen liefen Tränen. Sie tropften auf die Decke. "Ich erinnere mich. Ich dachte schon, ich hätte 'nen Sprung in der Schüssel, weil ich mich die ganze Zeit gefühlt hab, als wäre ich kein Mensch, aber das hab ich mir nicht nur eingebildet. Es ist wirklich war. Ich..." Er könnte seine Tränen nun nicht mehr unterdrücken. "Ich BIN kein Mensch!", schluchzte er und vergrub den Kopf in den Armen, mit denen er die angewinkelten Beine umklammerte. "Kein Wunder, dass mich alle immer angeschaut haben, als käme ich von 'nem anderen Planeten. Sie haben es einfach gemerkt... dass ich anders bin..."
 

Hiro saß etwas unbeholfen neben ihm. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte Toya noch nie so weinen gesehen. Na gut, vielleicht ein paar mal in der Grundschule, wenn ihn jemand geärgert hatte. Es war oft darum gegangen, dass Toya sich von allen anderen isolierte. Er war schon immer so wortkarg und menschenscheu gewesen. Deshalb haben ihn die anderen Jungs oft gehänselt. Außerdem mochten alle Mädchen ihn, wegen seiner femininen Art. Das passte den Jungs erst recht nicht und Hiro wurde nicht selten gefragt, warum er immer zu Toya hielt. Er hätte ja schlecht sagen können: "Weil wir beide Dämonen sind!" Aber im Vergleich zu Toya hatte er sein Gedächtnis nicht verloren. Er hatte es die ganze Zeit gewusst. Wer er war und wer Toya war. Er hatte es von Anfang an viel leichter gehabt.
 

Noch immer hörte er Toya's leises Schluchzen. Er kam sich selbst vor, wie ein Vollidiot. Das war einer der Gründe, warum er nicht wollte, dass Toya sich überhaupt erinnerte. "Masa", sagte Toya plötzlich. Hiro blickte auf. "Ja?", fragte er vorsichtig. Toya hob den Kopf und fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht. "Die Erinnerungen, die ich an die Zeit vor meinem zehnten Lebensjahr auf der Erde hab,... die sind alle nicht real, oder?" Hiro hasste es, auf diese Frage antworten zu müssen. "Nein", sagte er. "Nein, es sind nur Illusionen." Toya schwieg. "Die... Erinnerung an deine Vergangenheit als Dämon, werden wohl im Laufe der nächsten Tage zurückkehren, jetzt wo du die Wahrheit weißt. Dass du dich so mies gefühlt hast, kam daher, dass es ziemlich anstrengend ist, sich an so vieles erinnern zu müssen. Du hattest sicher ziemliche Kopfschmerzen." Toya nickte. "Es bring nichts, wenn du jetzt hier herum heulst!", sagte er sich selbst. Doch es ging nicht anders.
 

Er vergrub erneut den Kopf in seinem Schoß. Wenigstens konnte er so verhindern, dass Hiro ihn so verheult sah. "Hey", sagte dieser tröstend und legte zögernd die Hand auf Toya's Schulter. "Masa!", schluchzte Toya und fiel Hiro in die Arme. Hiro rutschte vom Stuhl und setzte sich zu Toya aufs Bett. Toya legte den Kopf auf Hiro's Bauch und drückte sich an ihn. Mit zitternden Händen streichelte Hiro ihm über den Kopf. "Ist ja gut", flüsterte er. "Wein dich ruhig aus." "Masa...", wisperte Toya und krallte die Finger noch mehr in Hiro's Hemd. "Was soll das?", dachte er. "Wieso schlägt mein Herz bloß so schnell? Ich wünschte, ich könnte es dir sagen, Masa. Bitte! Bitte lass mich nie wieder los!" Hiro drückte Toya an sich. Es fühlte sich so gut an, ihn zu umarmen. Seine Haare waren so weich. Er wirkte wirklich zerbrechlich. Seine schmalen Schultern, und die Taille. "Ouh bitte, lieber Gott!", sagte Hiro in Gedanken. "Lass es ihn nicht merken. Lass ihn bloß nicht merken, wie schnell mein Herz schlägt. Er darf es nicht erfahren. Niemals!"
 

"Sag mal", begann Toya. Sie hatten eine ganze Weile schweigend, sich in den Armen liegend, dagesessen. "Wieso hat Yue mich angegriffen?" Erst jetzt ließ er Hiro los. "Wenn ich das wüsste. Garasu muss ihn irgendwie auf seine Seite gezogen haben. Diese Krähenfedern, die er in den Haaren hatte, das ist Garasu's Markenzeichen." "Wie... können wir ihn aufhalten? Garasu, meine ich." "Töten kann ich ihn so einfach nicht", erklärte Hiro. "Dazu ist er zu stark. Es gibt nur die eine Möglichkeit." "Und die wäre?" "Eine Raum-Zeit-Schleife." Toya blickte ihn fragend an. "Mein Katana, was du gestern auf dem Pausenhof gesehen hast, das ist keine normale Waffe. Nur damit kann ich das Tor zur Galerie der Zeit öffnen. Wenn mir das gelingen würde, könnte ich Garasu in einer Raum-Zeit-Schleife gefangen halten. Das ist ein Ort, an dem die Zeit viel schneller vergeht, als hier. Wenn ein Dämon die Menschenwelt betritt, beginnt er ganz normal zu altern, wie ein Mensch. Wenn man allerdings in einer solchen Schleife feststeckt, stirbt man innerhalb weniger Sekunden, verstehst du?" Toya nickte zögernd. "Ziemlich kompliziert", sagte er. "Und wieso steckst du ihn dann nicht einfach in so ein Schleifen-Dingsda?" "Weil er sicher nicht freiwillig darein hüpfen wird", sagte Hiro. "Es würde einen Kampf geben. Ich weiß nicht, ob ich stark genug bin, um ihn so sehr zu schwächen, dass ich ihn in die Schleife ziehen kann."
 

"Aber du hast doch noch mich!", sagte Toya. "Ich werd dir helfen!" "Auf gar keinen Fall!", sagte Hiro und stand vom Bett auf. "Meine Aufgabe ist es, dich zu beschützen. Ich werd dich nicht einfach ans Messer liefern, klar? Niemals!" Toya schwieg. Er sah Hiro wütend in die Augen. Gerade wollte er Widerspruch leisten, als Hiro sagte: "Egal", er wandt den Blick ab. "Hör zu, dass ist jetzt egal. Erstmal müssen wir heraus finden, warum Yue die Seiten gewechselt hat. Das ist erst mal das Wichtigste." Toya musste sich eingestehen, dass widersprechen, bei Hiro völlig sinnlos war, also beschloss er, den Mund zu halten. "Du schläft jetzt am besten noch ein bisschen. Gegen deine Visionen kann ich leider nichts machen, auch wenn sie dir Schmerzen bereiten. Es hört auf, sobald du dich vollständig erinnert hast." Hiro ging zum Schreibtisch und nahm das Tablett. "Masa", rief Toya ihm nach, als er schon fast aus der Tür war. Hiro drehte sich kurz um. "Bleibst du noch ein bisschen da?" Er kam sich vor wie ein Kleinkind, und er schämte sich ganz schön, aber irgendwie wollte er auch nicht alleine sein, was nach dem, was er eben erfahren hatte, nicht ungewöhnlich war. "Wenigstens bis ich eingeschlafen bin, ja? Dann kannst du gehen." Hiro lächelte. "Klar", sagte er. "Kein Problem."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Ein paar Minuten später kam Hiro, ohne das Tablett wieder zurück ins Zimmer. Toya hatte sich auf die Seite gedreht. "Masa?", flüsterte er, als Hiro sich wieder auf den Stuhl setzte. "Hmm", murmelte Hiro. "Du... bist nicht nur mit mir befreundet, weil du mich beschützen MUSST, oder?" Toya wurde rot. In diesem Moment war er froh, dass Hiro sein Gesicht nicht sah, weil er mit dem Rücken zu ihm lag. "Ich meine", fügte er schnell hinzu. "Du magst... mich doch, oder? Ich fall dir doch nicht zur Last? Du bist doch gern... bei mir,... oder?" Sein Puls raste. Was hatte er da eben geredet? Wie peinlich! So etwas zu fragen. Hiro wurde ebenfalls rot. Er überlegte kurz. Dann beugte er sich zu Toya herüber. In diesem Moment drehte dieser sich um. Toya hielt die Luft an, als er Hiro's Gesicht über seinem erblickte. "Toya", flüsterte Hiro. "Nur noch ein paar Zentimeter", dachte er. "Nicht mehr als fünf... Kämpf dagegen an, Hiro! Tu's nicht! Du darfst nicht..." Er hob den Kopf und wuschelte Toya durchs Haar. "Klar, mag ich dich, du Trottel! Bist schließlich mein bester Kumpel." Und damit wandt er den Blick ab. Toya's Atem war noch immer so schnell. Wie nah er ihm gewesen war. Es hatte beinahe ausgesehen, als wolle Hiro ihn... "Ach Unsinn...", dachte Toya. Er murmelte ein: "Gute Nacht", und schloss die Augen. "Nacht", sagte Hiro und stützte sich den Kopf mit der Hand ab. "Ich muss endlich damit aufhören", sagte er sich selbst. "Es würde nur noch mehr Unheil anrichten. Das kann ich ihm nicht antun."
 

~tbc~

Meeting again

"Toya-sama!", rief eine Frauenstimme. Toya hielt die Luft an. Er lugte unter seinem Bett hervor und sah die Beine einer Frau, die auf ihn zu kam. Dann bückte sie sich. Ihr Gesicht sah wütend aus. Ihre Wangen waren gerötet. Sie hatten in etwa die gleiche Farbe, wie ihr hochgestecktes Haar. "Hier seid ihr also! Wieso müsst ihr euch eigentlich immerzu irgendwo verkriechen." Toya kicherte. Die Frau nahm seine Hand und zerrte ihn unter dem Bett hervor. Sie befanden sich in einem großen Zimmer. Neben dem Bett, vor den Schränken, überall am Boden lagen irgendwelche Spielsachen. Durch ein einziges, kleines Fenster fiel ein fahler Lichtstrahl in das Zimmer. Die eigentliche Lichtquelle waren einige, altertümlich aussehende Lampen, mit großen Lampenschirmen. "Euer Vater hat schon vor einer halben Stunde nach euch gerufen, junger Herr", sagte die Frau und schleifte Toya hinter sich aus dem Raum. Während sie einen langen, hell erleuchteten Flur entlang gingen, hörte Toya die Frau in dem schwarzen Kleid, leise murmeln: "Wieso könnt ihr euch nicht ein Beispiel an euerem Bruder nehmen?" Ihr Blick war auf den roten Teppich unter ihnen gerichtet. Toya sagte nichts. Sie gingen eine lange Treppe herunter. Sie war breit, und das Geländer aufwendig verziert.
 

In der Halle, mit dem riesigen Kronleuchter an der Decke, erwarteten sie seine Eltern. Ein großer, kräftiger Mann, mit Bart. Sein Haar musste einmal schwarz gewesen sein. Nun war es größtenteils weiß. Neben ihm stand eine große, schlanke Frau. Sie war trotz ihres Alters sehr hübsch, mit ihren langen, blutroten Haaren, die wie Seide glänzenden. "Toya, da bist du ja!", sagte Toya's Mutter. "Wo hast du dich wieder herumgetrieben?" Erst jetzt ließ die junge Frau, die Toya hergebracht hatte, ihn los. "Er hat sich versteckt", schnaufte sie. "Wie immer."

"Na, ist ja jetzt auch egal", sagte Toya's Vater mit seiner tiefen, rauchigen Stimme. "Toya, wir möchten dir jemanden vorstellen." Er ging einen Schritt zur Seite. Erst jetzt sah Toya, dass hinter ihm die ganze Zeit jemand im Schatten gestanden hatte. Ein Junge, etwa in seinem Alter. Er blickte auf den Boden. Der Pony seiner blonden Haare verdeckte seine Augen. Seine Kleidung sah ziemlich schäbig aus, fand Toya. Die Kinder die er bis jetzt kennengelernt hatte, waren genau wie er aus reichem Hause gekommen. Natürlich nicht so reich, wie er selbst, aber dennoch wohlhabend. "Das ist Hiro", stellte sein Vater den Fremden vor. "Er wird ab jetzt bei uns wohnen, also sei nett zu ihm." Toya blickte sein Gegenüber fragend an. Er bückte sich, um sein Gesicht sehen zu können. Hiro blickte weiter unverwandt auf den Boden. "Hallo!", sagte Toya. Erst jetzt blickte Hiro auf. Sein Blick sah verängstigt aus. Seine Augen waren giftgrün und braun gesprenkelt. "Ich bin Toya", sagte Toya lächelnd. "Freut mich, dich kennen zu lernen." Hiro wandt schweigend den Blick ab.
 

Toya drehte sich zu seinen Eltern um. "Wo ist Yue?", fragte er. "Er ist heute morgen schon früh aufgebrochen", erklärte seine Mutter. "Er hat eine Einladung aus dem Menschenreich bekommen." Toya's Augen weiteten sich. "Sumi", murmelte er verärgert. "Hab ich recht?" "Ja", antwortete seine Mutter. "Ihre Eltern haben Yue auf ihr Schloss eingeladen." Toya sagte nichts. Wortlos rannte er die Treppen hinauf. "Toya, warte!", hörte er seinen Vater rufen. "Komm sofort zurück!" Oben wurde eine Tür zugeschlagen. Toya's Mutter seufzte. Sie drehte sich zu Hiro um. "Hab keine Angst", sagte sie mit mütterlicher Stimme. "Komm mit, ich zeig dir erst mal dein Zimmer." Sie legte den Arm um Hiro und führte ihn die Treppen nach oben aus der Halle. "Es ist gleich neben Toya's. Mach dir wegen ihm keine Sorgen. Er ist nur manchmal etwas launisch."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In diesem Moment fuhr Toya aus dem Schlaf hoch. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich zerplatzten. Mit einem tiefen Seufzer setzte er sich im Bett auf. Licht fiel durch die dünnen Vorhänge in sein Zimmer. "Hiro hat die Jalousie nicht zu gemacht", murmelte er verschlafen. Er rieb sich die Augen und blickte auf seinen Wecker. "Lohnt sich gar nicht, sich noch mal hinzulegen", stellte er fest und kroch aus dem Bett. "Ich hab von meiner Vergangenheit geträumt", dachte er. "Stimmt, ich war immer sauer, wenn Yue zu Sumi ist. Ich mochte Sumi, aber wenn Yue ihretwegen keine Zeit für mich hatte..." Er blickte auf das eingerahmte Foto auf seinem Schreibtisch und nahm es in die Hand. Darauf waren er, Mariko und Hiro. "Ich war am Anfang wirklich nicht besonders nett zu ihm", erinnerte er sich und stellte das Foto zurück.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Als Hiro an diesem Morgen ihren üblichen Treffpunkt erreichte, stand Toya bereits da und wartete auf ihn. "Guten Morgen", sagte er. "Morgen", keuchte Hiro völlig außer Atem. "Tut mir leid. Ich weiß, ich bin spät dran." "Ach was, du warst schon später dran", meinte Toya lachend.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Weißt du", begann Hiro auf ihrem Weg zur Schule. "Du musst nicht jeden Morgen auf mich warten. Meinetwegen kommst du dauernd zu spät." "Ach was, bis jetzt haben wir's immer rechtzeitig geschafft." Zögernd fügte Toya hinzu: "Na ja... fast." "Siehst du, und dieses fast meine ich", bohrte Hiro weiter. "Ist doch egal." Eine Weile schwiegen sie beide. Dann fragte Hiro: "Wie geht's dir eigentlich?" "Den Umständen entsprechend, würd ich sagen gut", antwortete Toya. "Ich hab gestern Nacht von damals geträumt." "Ich weiß", sagte Hiro. Toya blickte ihn fragend an. "Du hast im Schlaf nach Yue gerufen." Toya wurde rot und wandt den Blick schnell wieder ab. "Ähm", stotterte er. "Wann... bist du gegangen?" "Spät", sagte Hiro knapp. "Bin selber eingenickt. Weißt du, dein Schnarchen steckt an." Prompt wurde Toya noch röter. "Ich hab noch nie geschna...", protestierte er. "Woher willst du das wissen?", unterbrach Hiro ihn. "Schon mal 'ne Nacht mit dir selber verbracht? Also glaub mir, ich weiß wovon ich rede. Hab ja schon oft genug bei dir gepennt." "Ja, als wir noch kleiner waren und du dich bei Gewitter nicht getraut hast nach Hause zu laufen, oder wenn du später unerlaubt Alkohol getrunken hast und nicht in der Lage warst, noch heim zu..." "Ja ja, ist ja gut!" unterbrach Hiro ihn. "Jedenfalls hattest du bis jetzt immer 'nen anderen Vorwand und soweit ich mich erinnern kann, warst immer DU derjenige, der so laut ge..." "Sei - endlich - still!", bat Hiro. "Halt die Klappe. Ich weiß, ich bin mal wieder der Böse und du das Engelchen." Toya musste lachen.
 

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"Morgen!", schrie Mariko schon von weitem. Sie stand wild gestikulierend am Schultor. "Mariko, seit wann wartest du hier auf uns?", fragte Hiro sie. "Weil ich dich vorwarnen will", sagte sie aufgebracht. "Herr Sewaru hat gestern mitgekriegt, was du gemacht hast. Dafür wirst du mächtig Ärger kriegen, das garantier ich dir!" "Schei...", murmelte Hiro. Mariko ging mit den beiden Jungs zum Schultor. "Hat gesagt Wenn Sakasa was passiert, ist Masanaru schuld daran! Er war ziemlich wütend." Mariko hatte Sewaru's Stimme wirklich gut imitiert. Toya sagte nichts. Gerade als sie auf dem Weg in die Aula waren, ertönte eine Durchsage, als hätte Sewaru nur darauf gewartet: "Masanaru Hiro bitte sofort ins Sekretariat. Ich wiederhole: Masanaru Hiro..." "Jeiks", sagte Hiro. "Also, dann wünscht mir mal viel Glück, ja?" Er wollte gerade gehen, als Toya ihm nachging. "Warte", sagte er. "Ich komme mit. Ich sag ihm, dass es meine Schuld ist. Ich hab dich ja darum gebeten, dass du mich..." "Nein", unterbrach Hiro ihn. "Aber..." Hiro legte die Hände auf Toya's Schultern und sagte leise, so das Mariko ihn nicht hören konnte: "Was willst du ihnen sagen, wenn sie dich fragen, warum du nicht in die Krankenstation wolltest, hä?" Toya antwortete nicht. "Dass du nicht krank bist, sondern nur die Erinnerungen an dein Leben als Dämon zurück kehren?!" Er drückte Toya von sich weg. "Also, lass mich das nur machen, ja?" Mit diesen Worten ging er die Treppe nach oben. "Masa", seufzte Toya. "Ich hätte doch einfach sagen können, dass ich gleich nach Hause wollte. Das wäre ja auch nicht gelogen gewesen." "Mach dir keine Sorgen", meldete sich Mariko zu Wort. Sie legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. "Masa hatte noch nie Angst vor 'nem Lehrer, oder? Er wird sich schon irgendwie raus reden." Gemeinsam gingen die beiden in die Aula.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Während in der Aula des Schulgebäudes die tägliche Versammlung begann, erreichte Hiro gerade das Ende des Ganges. Vor der Tür zum Sekretariat stand bereits Herr Sewaru. "Ich schätze, sie wissen, warum sie hier sind", sagte er trocken. "Kann's mir denken", gab Hiro trotzig als Antwort. "Was haben sie sich eigentlich dabei gedacht? Dem Jungen muss es wirklich sehr schlecht gegangen sein. Er hätte umgehend auf die Krankenstation gebracht werden müssen. Was, wenn sich sein Zustand ihretwegen noch verschlimmert hätte? Wo haben sie ihn überhaupt...?" "Ich hab ihn nur heim gebracht, okay?", unterbrach Hiro den Lehrer genervt. "Und zwar nur, weil ER es so wollte." "Ich werde mir ihre Aussage natürlich von Sakasa selbst bestätigen lassen." "Tun sie, was sie nicht lassen können", brummelte Hiro.

"Trotzdem ist das natürlich keine Ausrede. Sie hätten ihn trotzdem nicht einfach wegschleppen dürfen. Und glauben sie mir, bei allem was sie in den letzten fünf Jahren, wenn man die Mittelstufe dazuzählt, alles angestellt haben, werde ich sie diesmal sicher nicht so einfach davon kommen lassen." Hiro verdrehte die Augen. Als ob er etwas anderes erwartet hätte. "Ich würde sagen, Nachsitzen", fuhr Herr Sewaru fort. "Eine Woche, ab nächsten Montag." "WAS?", schrie Hiro. "Eine Woche?" "Ganz richtig, eine Woche. Wenn man die Gefahr bedenkt, die von ihrem Handeln ausging, ist eine Woche Nachsitzen eindeutig angebracht. Und glauben sie mir, Masanaru, ich werde mir sicher für jeden Nachmittag was hübsches für sie ausdenken." Der Lehrer verzog seine schmalen Lippen zu einem hinterhältigen Grinsen. "Wenn Miroi was anstellen würde, dann würden sie ihm sicher nicht...", begann Hiro. Doch Herr Sewaru unterbrach ihn. "Teruko Miroi ist ein erstklassiger, zuverlässiger und äußerst vernünftiger Schüler, Masanaru", sagte er mit bebender Stimme. "Er würde nicht einmal auf die Idee kommen, sich auf ihr Niveau herab zu lassen. Wir brauchen also gar nicht zu vergleichen, was wäre wenn. Und nun gehen sie umgehend in ihre Klasse. Melden sie sich Montagnachmittag bei mir." Hiro hatte bereits den Mund geöffnet, um Widerspruch zu leisten, schloss ihn dann jedoch ohne ein Wort und stapfte wütend Richtung Klassenzimmer davon.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Zur selben Zeit kamen Toya und Mariko mit den anderen ihrer Klasse von der morgendlichen Versammlung zurück. "Und was hat er gesagt?", fragte Mariko neugierig. "EINE WOCHE NACHSITZEN!", schrie Hiro so laut, dass es sich die Schüler vor ihnen nach ihm umdrehten. "Die ganze nächste Woche!" "Tja Masanaru", ertönte plötzlich eine Stimme. Als Hiro sich umdrehte, sah er Teruko Miroi mit seinen Kumpels an sich vorbeilaufen. "Es kann ja nicht jeder Sewaru's Liebling sein." Er lachte spöttisch und folgte dann seiner Klasse, deren Klassenzimmer in einem anderen Gang war. Hiro blickte ihm wütend nach. "Wenn ich diesen widerlichen Schleimer auch nur einmal in die Finger krieg!", zischte er. "Dann polier ich ihm ma so richtig schön seine hübsche, kleine Fresse!" "Lass ihn doch einfach reden", versuchte Mariko ihn zu beruhigen. "Damit würdest du dir nur noch mehr Ärger mit Sewaru einhandeln." "Ouh, glaub mir, dass nehm ich dafür gern hin." Toya sagte kein Wort. Er fühlte sich immer noch schuldig. Hätte er sich einfach ins Krankenzimmer bringen lassen, müsste Hiro jetzt nicht seinetwegen nachsitzen.
 

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Den ganzen Tag über hatte sich Hiro's schlechte Laune nicht gelegt. Nach der Schule gingen die drei Freunde gerade über den Hof, als Mariko eine Idee kam. "Hey, habt ihr beide nicht Lust auf Karaoke?", schlug sie vor. "Vielleicht hebt das deine Stimmung ein bisschen, Masa." Hiro sah sie beinahe empört an. "Wo ich ja auch ein so begnadeter Sänger bin", sagte er. Natürlich meinte er das ironisch. "Klar", lachte Mariko. "Deswegen ja! Ich denke, es wär ganz lustig, dich mal wieder singen zu hören." Hiro warf ihr einen beleidigten Blick zu. "Na gut, dann eben nicht." Einen Moment lang schwiegen sie. Dann begann Mariko erneut: "Wie wär's dann mit der Spielhalle?" Als ihr niemand antwortete, fügte sie hinzu: "Ach kommt, Jungs! Wir haben schon so lange nichts mehr zu dritt unternommen!" "Von mir aus", stimmte Hiro ihr zu. Seine Stimme klang allerdings nicht sehr überzeugt. "Prima", freute Mariko sich und klatschte in die Hände. "Was ist mit dir, Toya?", fragte sie an Toya gewandt. "Mir egal", murmelte Toya. "Dann ist ja gut. Also, gehen wir!" Sie rannte durch das Haupttor und...
 

KRACH! Die beiden Jungen sahen nur, wie Mariko rückwärts auf den Hintern fiel. Sie rannten zu ihr und sahen, dass sie mit einem anderen Mädchen zusammen gestoßen war. "Tut... tut mir leid", sagte das Mädchen und strich sich die seidigen, schwarzen Haare aus dem Gesicht. Hiro zog Mariko etwas unsanft auf die Beine. "Nein, nein", sagte diese. "Ist schon okay. War meine Schuld." "Entschuldige", sagte das andere Mädchen erneut, verbeugte sich und rannte dann rasch an ihnen vorbei über den Schulhof. "Hmm, ob sie was in der Schule vergessen hat?", dachte Mariko laut und schaute ihr nach.
 

Plötzlich riss Toya die Augen auf. Gerade war Yue aus dem Schulhaus gekommen. "Ouh shit", sagte Hiro leise und beobachtete ihn. Das Mädchen, mit dem Mariko zusammengestoßen war, lief direkt auf Yue zu. "Kennt sie ihn?", fragte Toya. "Was? Wie?", fragte Mariko verwirrt und blickte abwechselnd Toya, dann wieder Hiro an. "Oh, der Typ von neulich!", sagte sie, als sie Yue erblickte. In diesem Augenblick drehte Yue sich nach ihnen um. Toya zuckte zusammen. Ihm schien es, als würde der Blick seines Bruders ihn durchbohren. Es bereitete ihm ein unerklärliches Stechen in der Brust, ihn zu sehen. Obwohl er ihn direkt ansah, war es ihm nicht möglich den Blick abzuwenden. Plötzlich spürte er Hiro's Hand auf seiner Schulter. "Komm, Toya", sagte er mit ernster Stimme.

Yue sagte etwas zu dem Mädchen, dann ging er über den Schulhof auf sie zu. "Komm schnell!", sagte Hiro nun etwas eindringlicher und zerrte Toya mit sich. "Was ist...?", fragte Mariko und rannte ihnen nach. "Warte! Masa!", protestierte Toya und drehte sich immer wieder um. "Ich werd nicht warten, vergiss es!", sagte Hiro bestimmt und zog Toya weiter. "Aber er ist doch... er ist mein..." "Halt die Klappe, Toya!", schrie Hiro ihn an und blieb stehen. Toya sah ihn erschrocken an. Es geschah selten, dass Hiro ihn anschrie. "Er wird dich umbringen, wenn er dich kriegt!" "Masa...", wisperte Toya. "Ich bin echt eine Memme", dachte er. "Ich bin ja schon wieder kurz vor 'm los heulen." "Komm jetzt!", sagte Hiro und ging weiter. Mariko legte wortlos den Arm um Toya. Toya war froh, dass sie jetzt keine Fragen stellte. Jedes andere Mädchen hätte das wohl getan. "Hey, ist ja gut", sagte sie nur. "Er... meint es sicher nicht böse. Komm, lass uns gehen."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Kurz darauf waren sie in der Spielhalle angekommen. Obwohl es offensichtlich war, dass er eigentlich keine Lust dazu hatte, ging Hiro schnurstracks an einen der Spielautomaten. "Sag mal", begann Mariko, die mit Hiro neben dem Eingang stehen geblieben war. "Was hat dieser Typ dir vorgestern antun wollen?" "Ach Mariko", seufzte Toya. "Das is 'ne ziemlich komplizierte Geschichte." Toya war sich nicht sicher, ob Hiro so begeistert sein würde, wenn er Mariko alles erzählen würde. Aber er hätte es liebend gern getan. "Toya", sagte Mariko leise. Sie senkte den Blick. "Ähm, kann es sein, dass... also, dieser Typ... sein Name ist Yue, oder?" "Ja", antwortete Toya. "Woher...?" "Dann lieg ich also doch richtig!", sagte Mariko, als wäre sie selbst überrascht. "Er ist dein Bruder, hab ich recht?" Toya stockte der Atem. "Wo...her...?", stotterte er erneut. Mariko lächelte und schüttelte dabei ungläubig den Kopf. Ihr Blick sah glasig aus und war nach wie vor ins Leere gerichtet. "Ich fass es nicht. Dann bist du... du bist wirklich... und Masa ist..." "Mariko", sagte Toya eindringlich und zerrte sie in eine Ecke, wo sie niemand belauschen konnte. Mariko setze sich auf einen der beiden quietschroten Stühle, die an einem runden, ebenfalls roten Tisch standen. "Woher weißt du das?", fragte Toya sie und setzte sich an den anderen Stuhl. "Ach, ist schon gut", sagte Mariko seufzend und blickte von der Tischplatte auf. Sie sah Toya lächelnd an. "Ist nicht so wichtig", meinte sie. Dann lehnte sie sich herüber und schlang sie die Arme um Toya. "Ma...riko", stotterte Toya verwirrt.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Game over!", murmelte Hiro und blickte von dem Automaten, vor dem er stand, auf. "Ich - fass - es - nicht!", sagte er entrüstet, als er Toya und Mariko erblickte. Seine Hände zitterten. "Hör schon auf, Hiro!", sagte er zu sich selbst. "Das ist völlig normal." Er zwang sich dazu weg zu schauen. "Mariko ist schließlich ein Mädchen. Es ist völlig okay, wenn sie..." Er versuchte es, sich selbst gegenüber abzustreiten, doch er war wirklich eifersüchtig. Nicht etwa auf Toya. Nein, dass wäre ja auch normal gewesen. Aber er war nicht normal. Er war tatsächlich eifersüchtig auf Mariko.
 

"Ich hab dich wirklich gern, Toya", wisperte Mariko. "Egal was passiert, wir bleiben zusammen. Du,... Masa und ich, wir drei..." "Mariko, was ist los?", fragte Toya verwirrt. Mariko ließ ihn schweigend los. "Ach nichts", meinte sie Schulter zuckend. "Ist schon okay. Vergiss es einfach, ja?" Toya sah sie ungläubig an. Sie lächelte, doch ihre Augen sahen aus, als würde sie gleich weinen. Ein gespieltes Hüsteln ertönte hinter ihnen. "Tut mir ja sehr leid, wenn ich störe", sagte Hiro, der plötzlich neben ihrem Tisch stand. "Tust du nicht", erwiderte Mariko. Toya blickte wortlos ins Leere. Seine blassen Wangen waren gerötet. "Wieso werd ich denn jetzt rot?", fragte er sich selbst. "Wieso macht es mir nichts aus, wenn Mariko mich umarmt? Wieso... nur wenn er...?"
 

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"Uah!", schrie Mariko plötzlich. Sie blickte erschrocken zum Eingang. Hiro und Toya drehten sich um. Gerade war Yue in die Spielhalle gekommen. "Scheiße!", sage Hiro und packte Toya an den Schultern. Er zerrte ihn vom Stuhl unter den runden Tisch. Dann kroch er ebenfalls darunter. Mariko tat es ihm nach und drückte sich etwas verängstigt ins Eck. Hiro blickte an der großen Stehpflanze vorbei, die ihnen Deckung gab. "Er sucht dich sicher", sagte er leise. Die beiden Mädchen, die an dem Tisch neben ihnen saßen, hatten das verdächtige Verhalten der drei bemerkt und blickten fragend zu ihnen hinunter. Hiro legte den Finger auf den Mund, um ihnen zu zeigen, dass sie sich nicht verraten durften. Die Mädchen kicherten, wandten den Blick jedoch wortlos ab.
 

"Masa, lass mich zu ihm", bat Toya. Anders als Hiro bemühte er sich nicht, leise zu sprechen. "Ich will mit ihm reden, hörst du?" "Klappe!", zischte Hiro nur, hielt Toya mit der Hand den Mund zu, und drückte ihn an sich. Toya's Herz begann schlagartig zu rasen. "Masa", dachte er. In diesem Moment hatte Yue sie erblickt. Er starrte Toya mit diesem ausdruckslosem, gefühlskaltem Blick an. Niemand sagte ein Wort. Toya spürte, wie Hiro's Griff fester wurde. Seine Hände zitterten, wie seine eigenen. Mariko, die zwischen den beiden hervor lugte, krallte sich mit den Fingern in Toya's Hemd. Ein paar Sekunden schien die Zeit still zu stehen. Das Geschehen um sie herum ging unentwegt seinen Gang. Yue blickte Toya schweigend an. Dann ganz plötzlich kam das schwarzhaarige Mädchen, mit dem Mariko zusammengestoßen war, zur Tür herein. Sie sagte etwas zu Yue und blickte dann ebenfalls zu Toya und den anderen herüber. Sie nahm Yue am Arm und zerrte ihn aus der Spielhalle. Yue blickte ein letztes mal zu Toya herüber. Dann kehrte er ihnen den Rücken und verließ die Spielhalle.
 

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"Was?", flüsterte Mariko, obwohl es völlig sinnlos war, zu flüstern. Bei dem Lärm, der in der Spielhalle herrschte, hätte sie auch so niemand gehört. "Ist er weg?", fragte sie. Hiro krabbelte unter dem Tisch hervor und ging ein paar Schritte nach vorn. "Ich denk schon", sagte er dann. Toya und Mariko krochen ebenfalls aus ihrem Versteck hervor. "Aber er hat uns doch gesehen", sagte Mariko verwirrt. "Ja, ganz sicher", stimmte Hiro ihr zu. Offenbar wusste er auch nicht, warum Yue gegangen war. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet.
 

"Wir sollten noch ein bisschen warten, bis wir gehen", schlug er vor. "Für den Fall, dass er uns irgendwo auflauert." "Ähm hallo?", sagte plötzlich jemand. Hiro drehte sich um. Die beiden Mädchen am Nachbartisch blickten zu ihm auf. "Hab ihr etwa Ärger mit dem?" "So könnte man's ausdrücken", sagte Hiro. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Mädchen die Schuluniform ihrer Schule trugen. "Ihr solltet euch besser nicht mit dem anlegen. Er soll angeblich echt gefährlich sein", riet das Mädchen ihnen. "Wissen wir", seufzte Mariko. Nun meldete sich das andere Mädchen zu Wort. "Das ist doch dieser Yue, oder?", fragte sie. "Yue Garasu aus der 3 F." Toya hielt den Atem an. "Was?", schrie Hiro auf. "Wie hast du ihn gerade genannt?" Das Mädchen wich eingeschüchtert, offenbar in dem Glauben, etwas Falsches gesagt zu haben, zurück. "Garasu", wiederholte sie zögernd. "Yue Garasu. So heißt er doch." Toya griff nach Hiro's Hand. Er wusste nicht wieso. Er hatte es einfach so, vielleicht aus Reflex, getan. Hiro drückte seine Hand fest. Toya's Herz schlug schneller und schneller. War es, weil er gerade diesen Namen gehört hatte? Oder weil Hiro seine Hand hielt? Er wusste es nicht. "Ähm, ja", stotterte Hiro. "Ja, also. Wir gehen dann mal." "Vielen Dank", sagte Mariko und verbeugte sich. Dann lief sie Hiro nach, der Toya aus der Spielhalle zerrte.
 

"Hast du das gesehen?", fragte das eine Mädchen ihre Freundin. "Er hat seine Hand gehalten!" Sie begannen zu kichern. "Wie süüüß!", meinte das zweite und fügte schnell hinzu: "Das war doch Sakasa-san, oder? Er ist total beliebt bei den Mädchen. Jetzt, wo ich ihn mal aus der Nähe gesehen habe, weiß ich auch, warum." Sie kicherte erneut los. "Wirklich niedlich", seufzte die erste.
 

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Sie waren erst ein paar Schritte von der Spielhalle entfernt, als Hiro plötzlich stehen blieb. Erst jetzt ließ er Toya's Hand los. Er blickte sich nach allen Richtungen um. "Du solltest nach Hause gehen, Toya", riet er diesem. "Find ich auch", stimmte Mariko ihm zu, während sie sich immer noch an Toya's Rücken festkrallte. Sie blickte sich ebenfalls suchend um. Offenbar bekam sie es auch langsam mit der Angst zu tun. Hiro warf ihr einen genervten Blick zu. Hätte sie es gesehen, hätte sie daraus die Worte "Nimm gefälligst deine Finger von ihm!" lesen können. "Also, gehen wir", sagte er und ging einfach weiter. Toya hatte Probleme ihm nachzukommen, so schnell lief er davon.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Den ganzen Weg über waren die drei ziemlich schweigsam gewesen. Erst als sie die Straßenecke erreichten, an der Mariko abbiegen musste, wurde das Schweigen gebrochen. "Also, seid vorsichtig", sagte sie besorgt. "Pass auf ihn auf, Masa!", fügte sie an Hiro gewandt hinzu. Eben so plötzlich, wie sie es vorhin bei Toya schon einmal gemacht hatte, umarmte sie nun Hiro, welcher sichtlich zu überrascht war, um überhaupt etwas zu tun. "Lass ihn bloß nicht aus den Augen!", sagte sie eindringlich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Hiro blickte sie irritiert an. Toya ebenso. Er stand da wie angewurzelt. Doch noch bevor er sich auch nur bewusst werden konnte, hatte Mariko Hiro auch schon losgelassen und ihn angesprungen. "Und du passt mir gefälligst auch auf, klar?", sagte sie. "Bei jedem Schritt den du machst!" Sie gab auch ihm einen beiläufigen Kuss auf die Wange und ließ ihn dann los. "Ich hab euch lieb, Jungs", sagte sie noch. Sie benahm sich wirklich, als würde sie das jeden Tag tun. Aber das tat sie nicht. Toya war sich ziemlich sicher, dass das Verhältnis von Küssen und Schlagen, was sie und Hiro betraf, etwa eins zu eine Million betrug. "Bis Morgen." Mit diesen Worten kehrte sie den beiden den Rücken und rannte in ihre Richtung davon.
 

"Sie...", begann Hiro und hielt sich die Hand an die Wange. "...benimmt sich irgendwie komisch, oder?" "Hmm", murmelte Toya und blickte in die andere Richtung. Natürlich! Mariko hatte sie BEIDE geküsst. Also hatte es nichts zu bedeuten. Oder hatte sie einen von ihnen nur geküsst, um ihre Gefühle für den anderen zu verbergen? "Gehen wir", sagte Hiro und riss ihn damit aus den Gedanken.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Wenig später standen sie vor Toya's Haus. "Deine Eltern sind noch nicht da", seufzte Hiro. "Das heißt, du... bist allein." "Ja", antwortete Toya. Er überlegte einen Moment, ob er Hiro bitten sollte, hier zu bleiben. Er zögerte, weil er ihn gestern schon gefragt hatte. "Also", sagte Hiro leise. "Pass auf dich auf!" "Mach ich", versicherte ihm Toya. "Bis... bald." Und damit kehrte er ihm den Rücken.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Als Toya kurz darauf alleine in dem großem, verlassenem Haus war, wünschte er sich, er hätte Hiro doch gefragt. Doch dafür war es jetzt zu spät. Also ging er hoch in sein Zimmer und zog sich um. Den restlichen Tag hatte er gelangweilt vor dem Fernseher verbracht. Er versuchte sich irgendwie abzulenken, doch er konnte nicht aufhören, über das Geschehene nachzudenken.
 

Eigentlich war es noch viel zu früh, um schlafen zu gehen, zumal morgen Samstag war. Doch vielleicht würde er im Schlaf endlich Ruhe finden. "Vielleicht auch nicht", dachte er, während er die Bettdecke bis zum Kinn hochzog. Und nachdem es eine ganze Weile gedauert hatte, bis er eingeschlafen war, fand er sich dann tatsächlich in einem seiner Träume wieder.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Er öffnete eine Tür, ohne angeklopft zu haben. Leise schlich er in das Zimmer. Hiro stand am Fenster und blickte hinaus. Er hatte ihn nicht bemerkt. Toya durchquerte den Raum und klopfte Hiro auf die Schulter. Erschrocken fuhr dieser herum und blickte ihn mit seinen grünen Augen an. "Tut mir leid", sagte Toya lachend. "Ich wollte dich nicht erschrecken." Hiro's Augen waren gerötet. "Hey, hast du etwa geweint?", fragte Toya besorgt. "Quatsch", antwortete Hiro und fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht. "Hast du Heimweh?", wollte Toya wissen. "Vermisst du deine Familie? Oder deine Freunde?" Hiro antwortete nicht. "Hab keine Angst. Ab heute werde ich dein Freund sein, ja?" Hiro sah ihn fragend an. Toya lächelte. Es war dieses Lächeln, was Hiro ansteckte. Hiro musste lachen. "Klar", sagte er.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Du magst diese Sumi nicht besonders, oder?", fragte Hiro ihn, während Toya ihm im Schloss herumführte. "Doch", widersprach Toya. "Ich mag sie sehr. Aber mein Bruder hat seit er sie kennt viel weniger Zeit für mich. Früher hat er viel mehr mit mir gespielt."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Es war spät Nachts. Toya tapste in seinem Schlafanzug den Flur entlang. Auf dem Boden schleifte er einen großen Teddybär hinter sich her. In einem Zimmer brannte Licht. Durch den offenen Türspalt sah Toya seine Eltern im Raum sitzen. "Meinst du wirklich, er kann Yue und Toya beschützen?", fragte seine Mutter. Ihre Stimme klang besorgt. "Natürlich. Er soll von Geburt an über eine sehr starke Magie verfügen. Seine Eltern sind beide Magier erster Klasse", versicherte Toya's Vater ihr. "Dieser Hiro ist genau der Richtige und er weiß wie wichtig seine Aufgabe ist. Als Leibgarde unserer Söhne." Toya ließ die Kinnlade herunterfallen. Der Teddy rutschte ihm aus der Hand. "Sie haben ihn... einfach von seiner Familie getrennt?", dachte er empört. "Und ich dachte, seine Eltern wären nicht mehr am Leben. Ich dachte, sie hätten ihn aus Mitleid aufgenommen. Dabei..." Er hob den Teddy vom Boden auf und rannte zurück in sein Zimmer. "Dabei soll er nur die Leibgarde für Yue und mich spielen!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Toya riss die Augen auf. Er stand auf und setzte sich aufs Bett. "Das war wirklich nicht besonders nett von meinen Eltern", dachte er.
 

Plötzlich ertönte ein lautes Klirren. Glasscherben flogen durch den Raum. Toya sprang auf. Die Fensterscheibe war zerbrochen. Toya riss die Augen auf. Vor ihm im Zimmer stand sein Bruder Yue. Er richtete das golden verzierte Schwert auf ihn, dass er schon auf dem Pausenhof bei sich hatte. Toya drängte sich gegen die Wand neben dem Kleiderschrank. "Du...", begann Yue. Er schritt auf Toya zu und packte ihm am Kragen seines Pyjamas. "Du elende Ratte", hauchte er. "Du hast sie getötet!" Er knallte Toya gegen die Wand und ließ ihn dann los, so dass Toya an der Wand in die Knie sank. "Yue, wieso tust du das?", fiepte Toya verängstigt. "Wir sind doch... Brüder!" "Brüder!", wiederholte Yue bei weitem lauter, als Toya es gesagt hatte. "Schöner Bruder, bist du mir", sagte er zähneknirschend. "Du hast Sumi umgebracht!" Toya stockte der Atem. "Nein!", dachte er. Obwohl er sich nicht daran erinnerte, wusste er, dass Yue log. Er musste lügen! Garasu hatte Sumi getötet. Das hatte Hiro ihm doch erzählt! "Dafür wirst du sterben!", schrie Yue nun und holte mit dem Schwert aus. Toya kniff die Augen zusammen.
 

Doch plötzlich hörte er Yue aufschreien. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Hiro vor sich. Er hielt sein Katana an Yue's Hals. "Wage es, ihn auch nur noch einmal anzufassen, und du bist tot!", sagte er. Yue grinste hämisch. "Hiro", sagte er. "War es nicht DEINE Aufgabe, uns zu beschützen? Und jetzt willst du mich töten?" "Bevor du Toya kalt machst?", meinte Hiro. "Ganz ehrlich, da nehm ich DEINEN Tod doch lieber hin!" Yue lächelte siegessicher. Dann schlug er blitzschnell mit dem Schwert nach hinten und traf Hiro in die Seite, woraufhin dieser ihn los ließ und sich die Hand an die besagte Stelle hielt. "Es ist gar nicht so leicht, dich mal alleine anzutreffen, Brüderchen", sagte Yue an Toya gewandt. "Das hab ich heute Mittag in der Spielhalle schon gemerkt. Aber keine Sorge." Er wandt sich wieder Hiro zu. "Du kannst ihn nicht ewig beschützen", hauchte er und sprang rückwärts aus dem Fenster. Hiro blickte ihm nach. Er sah gerade noch seinen Schatten, der über die Äste der Bäume huschte und dann in der Dunkelheit verschwand. "Verdammt", zischte er.
 

Toya saß noch immer zusammengekauert in seinem Eck. Seine großen Augen blickten angsterfüllt ins Leere. Hiro drehte sich um und ließ sein Katana fallen, welches sich daraufhin in Luft auflöste. "Toya", sagte er und sank vor seinem Freund in die Knie. Er schlang die Arme um ihn und drückte ihn an sich. "Es tut mir so leid", wisperte er. "Ich hätte dich niemals alleine lassen dürften. Niemals. Bitte verzeih mir!" Toya legte die Arme um ihn und schmiegte den Kopf an seine Brust. Hiro's Hemd war halb offen und sah ziemlich zerknittert aus. Er musste schon geschlafen haben. Er schlief fast immer mit Klamotten. Wie spät war es eigentlich? Woher hatte Hiro nur gewusst, dass Yue ihn, Toya, angreifen würde? "Masa", sagte er leise. "Dein Herz... schlägt ja so schnell." "Was?", fragte Hiro erschrocken. Toya seufzte. "Ich kann es hören", fügte er in Gedanken hinzu. "Ich kann spüren, wie es schlägt. Hast du dir solche Sorgen um mich gemacht?" Wie gern hätte er seine Gedanken ausgesprochen. Statt dessen murmelte er nur: "Masa, bleib bitte hier. Lass... mich nicht wieder allein, bitte!" Hiro wurde rot. Er schwitze. War es, weil er den ganzen Weg zu Toya's Haus gerannt war? Wegen der Auseinandersetzung mit Yue? Oder... wegen Toya's Worte? "Ich wusste, er würde es irgendwann merken", dachte er. "Wie schnell mein Herz schlägt, wenn ich bei ihm bin. Aber in diesem Fall kann er wenigstens denken, ich hätte mir nur Sorgen gemacht." "Masa?" "Was? Äh, ja, ist gut. Ich bleib hier", sagte er, ließ Toya los und zog ihn auf die Beine.
 

In diesem Augenblick spürte Hiro wieder den stechenden Schmerz in der rechten Seite. "Er hat dich verwundet, stimmt's?", fragte Toya besorgt. "Zeig mal her." Er öffnete die restlichen Knöpfe an Hiro's blutverschmiertem Hemd und zog es ihm vorsichtig aus. Hiro's Atem raste. Seine Hände zitterten. "Ach was", sagte er. "Nur ein Kratzer." Als Toya die Wunde jedoch aus Versehen berührte, zuckte er zusammen. "Autsch", wisperte er. "Ich hol dir 'n Pflaster", sagte Toya und ging zur Tür. "Du hattest mehr Glück als Verstand. Er hätte dich viel schlimmer treffen können." Mit diesen Worten ging er aus dem Zimmer. Hiro ließ sich seufzend auf dem Bett nieder.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Einen Moment lang blieb Toya vor der Zimmertür stehen. Sein Atem schien sich zu überschlagen. Er fühlte sich als wäre er gerade meilenweit gerannt. "Masa", wisperte er. "Mein Herz... es hört nicht auf. Wieso lässt es mich so völlig kalt, wenn Mariko mich umarmt und bei ihm... Allein sein Anblick oben ohne bringt mich zum schwitzen."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Wenig später kam er mit einem Pflaster in der Hand wieder ins Zimmer zurück. Er setzte sich neben Hiro aufs Bett und schnitt mit einer Schere ein ziemlich breites Stück von der Rolle ab. "So, das dürfte reichen", meinte er und klebte es vorsichtig auf die Wunde. Hiro blickte wortlos auf ihn herunter. Er zögerte und hob die zitternde Hand. "Denk doch einfach nicht drüber nach!", befahl er sich selbst. Dann legte er die Hände links und rechts auf Toya's Wangen, zog ihn noch näher zu sich heran, senkte den Kopf und berührte leicht seine Lippen. Toya riss erschrocken die Augen auf. Er blickte in Hiro's geschlossene Augen. Er stützte sich mit den Händen auf dessen Knien ab. In diesem Moment schien es, als würde sein Gehirn einfach ausschalten. Er schloss ohne groß zu überlegen, die Augen. Sein Puls raste. Nur ein paar Sekunden später lösten sich ihre Lippen von einander. Sie blickten sich schweigend an. Hiro's Hände zitterten wie Espenlaub. "Ich, ähm...", stotterte er. "Äh, also... lass uns schlafen gehen." Toya schwieg. Hiro wollte keine Erklärung zu seinem Handeln abgeben, also würde er, Toya, auch nichts dazu sagen. "Ich...", begann er. "Ich hab keinen Schlafsack oder so was da. Du musst also..." Nach diesem Vorfall fiel es ihm überhaupt nicht mehr leicht, es Hiro zu sagen, obwohl es vorher schon oft so gewesen war. "...bei mir... im Bett schlafen." Hiro murmelte nur ein "Hmm", in sich hinein. Er hatte den Blick abgewandt.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Kurz darauf lagen sie schweigend nebeneinander. Toya hatte sich auf die Seite gedreht, so dass Hiro nur seinen Rücken sah. "Ob er sauer ist?", dachte dieser. "Was hab ich mir nur dabei gedacht?" In Gedanken schimpfte er mit sich selbst. "Das hätte mir nie passieren dürfen. Ich muss mich in Zukunft besser beherrschen." Er blickte zu Toya herüber. In der Dunkelheit sah er nur dessen Umrisse. Er sah, wie sein Brustkorb sich in kurzen Abständen hob und wieder senkte. Toya's Atem raste noch immer. "Wieso hat er das gemacht?", fragte er sich. "Masa..." Sein Herz schlug wie wild. Wie gern hätte er sich einfach zu Hiro umgedreht. Doch irgend etwas in ihm, hielt ihn davon ab. "Du bist unnormal, Toya!", sagte er zu sich selbst. "Du bist voll krank! So etwas für ihn zu empfinden. Für einen MANN! Das ist nicht normal!"
 

Er hatte nicht daran geglaubt, in dieser Nacht noch einmal Schlaf zu finden, doch ohne dass er es bemerkte, war er wenig später vor Erschöpfung eingeschlafen. Hiro lag noch eine Weile länger wach. Er lauschte Toya's, nun gleichmäßigen, Atem. Was für ein beruhigendes Geräusch. "Toya", flüsterte er. "Es war gelogen. Du hast noch nie geschnarcht."
 

~tbc~

Yue's defeat

16.10.2006
 

Es war noch sehr früh, als Toya aufwachte. Wie auch die letzten paar Male, wenn er aufwachte, dröhnte ihm auch heute der Schädel. Er konnte nicht mehr genau sagen, was er geträumt hatte. Doch seine Erinnerung an damals war nun schon viel klarer. Yue, Hiro und er hatten oft alles zusammen gemacht. Sie waren unzertrennlich gewesen. Nur wenn es um Sumi ging, war Yue für alles andere blind. "Du hast sie getötet!", hallte plötzlich Yue's Stimme in Toya's Kopf wieder. "Wie kommt er nur darauf?", fragte er sich. "Sein irdischer Nachname... Garasu. Das muss alles ER eingefädelt haben."
 

Das morgendliche Zwitschern der Vögel dran ungewöhnlich laut an Toya's Ohr. Auf dem Boden lagen noch die Scherben des zersplitterten Fensters. Toya bekam eine Gänsehaut. Es war furchtbar kalt im Zimmer. Mitte Oktober wurden die Nächte immer kälter. Man sollte nicht unbedingt mit offenem Fenster schlafen.
 

Toya drehte sich um und zog die Bettdecke noch höher. Er blickte in Hiro's schlafendes Gesicht. Nach allem was geschehen war, erinnerte er sich erst jetzt an die Sache mit Hiro. Als er an diesen Kuss dachte, wurde er rot. Und jetzt lag er da einfach so neben ihm. Sein Atem kitzelte ihn im Gesicht. "Es war doch eigentlich gar nichts weiter", dachte Toya. "Nur eine einfach Berührung, nichts weiter. Nicht einmal ein richtiger Kuss, nur... ein einmaliges Versehen, wahrscheinlich."
 

Hiro gab ein leises Gemurmel von sich. Toya dachte einen Moment lang, er wäre aufgewacht. Doch er murmelte nur leise: "To...ya", und schlief dann ruhig weiter. Toya's Herz schlug mit einem mal noch schneller. "Träumt er etwa... von...?" Er wagte nicht einmal, es in Gedanken auszusprechen. "Masa", dachte er. "Was geht bloß in dir vor? Wie kannst du sagen, Mariko benimmt sich seltsam? Nachdem, wie du dich benimmst..." Wieso musste im Moment aber auch alles drunter und drüber gehen? Erst diese Erinnerungen, und dann noch die Sache mit Yue. Toya versuchte mit allen Mitteln eine Lösung zu finden. Er hatte mit Yue sprechen wollen. Wieso hatte Hiro ihn nicht gelassen? Hatte er solche Angst um ihn? Wie gefährlich war Yue eigentlich? Toya konnte sich kaum an Garasu erinnern. Woher sollte er wissen, welche Macht er besaß und welchen Einfluss er auf Yue hatte?
 

"Und wie soll ich bitte klar denken können, wenn DER hier neben mir liegt?", dachte Toya nachdem Hiro's verschlafenes Gemurmel ihn zum zweiten mal aus den Gedanken gerissen hatte. Er blickte ihn einen Moment wortlos an. Wie lang kannten sie sich schon? "Eigentlich schon immer", dachte Toya. Er erinnerte sich nicht an die Zeit als Dämon, bevor Hiro in seine Familie getreten war. Irgendwie war er einfach immer da gewesen. Und jetzt, wo Toya wusste, dass seine Erinnerungen an das Leben als Mensch, vor seinem zehnten Lebensjahr, nur Illusion gewesen waren... Sein Leben als Mensch hatte also eigentlich auch erst da angefangen, als er in der Schule Hiro kennengelernt hatte.
 

Das alles andere nicht real war, kam ihm so seltsam vor. Dass seine irdischen Eltern ihm gesagt hatten, er wäre vor ihrer Tür ausgesetzt worden. Dass sie, als er zehn war, erst hier hergezogen waren. All das war einfach nie geschehen. Hiro hatte sich ja wirklich eine sehr detaillierte Vergangenheit für ihn ausgedacht. "Aber vielleicht musste es alles genau so detailliert sein, damit es mir real vorkam", überlegte er weiter. Während er so über all das nachdachte, bekam er allmählich Kopfschmerzen. Er wollte es einfach alles aus seinem Kopf streichen. Was real war und was nicht, wen interessierte das schon? Ihm war es allmählich einfach alles egal.
 

"Ob der heute noch mal aufwacht?", fragte er sich mit einem Blick auf den noch immer schlafenden Hiro. Er war froh, dass er wenigstens einen hatte, der immer bei ihm war. "Wenn ich nur... ein Stück näher rutsch", dachte er. "Das wird er sicher nicht mal merken." Vorsichtig rutschte er etwas näher zu Hiro heran. Er legte den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Seine Hand auf Hiro's Arm zitterte. Sein Puls raste. "Er muss ja nicht wissen, dass ich das im Wachzustand gemacht hab", dachte er, als er plötzlich eine Bewegung spürte. Hiro legte den Arm um ihn, so dass Toya auf keinen Fall aufstehen konnte, ohne Hiro dabei zu wecken. Das Gewicht seines Armes drückte Toya noch näher an ihn. "Ach hör schon auf, Toya!", sagte er zu sich selbst. "Es gibt doch so viel Mädchen, die sich alle um dich reißen!"
 

Wieder rührte Hiro sich. Er hob die Arme und streckte sich. "Wie spät ist es?", murmelte er. Toya nutzte die Sekunden, in denen Hiro sich die Augen rieb und drehte sich schnell auf die andere Seite. "Ich muss knallrot sein", dachte er. "Er darf mich auf keinen Fall so sehen." "Hey, Toya", sagte Hiro und beugte sich über ihn. "Bist du wach?" Toya stellte sich schlafend. Er spürte Hiro's Atem nahe seinem Gesicht. "Halt mich bitte nicht für einen Idioten, aber...", flüsterte er. Dann küsste er leicht seine Wange. Toya hielt die Luft an. Erst als er merkte, dass Hiro aufstand, wagte er es, die Augen zu öffnen. "Ein... einmaliges Versehen", dachte er wieder. "So viel dazu..." Okay, einerseits mochte er es, wenn Hiro ihn küsste. Er hatte es gestern schon genossen, wie er sich eingestehen musste. Aber andererseits wünschte er sich, Hiro würde das sein lassen. Es verwirrte ihn nur noch mehr. Aber ihn darauf ansprechen, konnte er unmöglich.
 

Langsam richtete er sich auf. Hiro stand mit dem Rücken zu ihm am Schreibtisch. Er hielt sich die Hand an die Stirn. "Verdammt", murmelte er. Offensichtlich hatte er nicht gemerkt, dass Toya wach war. "Was hab ich mir eigentlich dabei gedacht?", sagte Hiro leise. "Einmal, Hiro. Einmal und NIE WIEDER!" Toya konnte nicht sagen warum, aber irgendwie bereitete ihm dieser Satz ungeheure Schmerzen. Ein seltsames Gefühl. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so ein Stechen im Herzen gefühlt zu haben. Es war so ähnlich, wie neulich, als er Hiro mit Mariko weg gehen sehen hatte.
 

In diesem Moment drehte Hiro sich um. "Morgen", sagte er lächelnd. "Morgen", murmelte Toya beinahe unhörbar. Er sah Hiro nicht an. Plötzlich klingelte das Telefon. Toya stand wortlos auf und ging aus dem Zimmer. Gerade als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat Hiro mit dem Fuß gegen den Schreibtischstuhl, und fluchte erneut: "Verdammt!" In Gedanken fügte er hinzu: "Er sieht nicht gerade happy aus. Wieso hab ich das nur getan? Er hat auch so schon genug Probleme. Ich werd einfach so tun, als hätte ich's nicht ernst gemeint."
 

Toya kam zurück ins Zimmer. "Mariko war am Telefon", sagte er. "Sie hat gesagt, sie hätte schon ein paar mal auf unsere Handys angerufen und weil niemand dran ging, hat sie sich Sorgen gemacht." "Ach ja, ich hab mein Handy gestern daheim liegen gelassen", meinte Hiro. "Und bei meinem ist der Akku leer, aber Sorgen hat sie sich trotzdem nicht umsonst gemacht, was?" Toya seufzte. "Du hast es ihr doch hoffentlich nicht erzählt, oder?", fragte Hiro erschrocken. "Ich mein, dass Yue hier war." Toya schüttelte den Kopf. "Nein", versicherte er Hiro. "Es ist wohl das beste, wenn wir sie da raus halten." "Ja, allerdings", stimmte Hiro ihm zu. Obwohl Toya sicher war, dass Mariko, woher auch immer, etwas wusste. Wie sie sich gestern in der Spielhalle benommen hatte... Sie wusste ganz sicher noch mehr, als nur, dass Yue Toya's Bruder war. Aber woher...?

"Komm, ich mach uns Frühstück", schlug Toya vor. Sein Blick war beinahe dauerhaft ins Leere gerichtet. "Du hast sicher Hunger." Und damit ging er aus dem Zimmer. Hiro seufzte. "Stimmt", sagte er leise. "Ich würd dich am liebsten auf der Stelle vernaschen." Eine Stimme in seinem Inneren redete allerdings ununterbrochen auf ihn ein. "Lass es!", sagte diese vernünftige Seite. "Tu ihm nicht noch mehr weh! Du würdest ihn nur zerbrechen..."
 

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Aufgeregt lief Mariko in ihrem Zimmer hin und her. Alle paar Sekunden blickte sie auf die Uhr an der Wand. "Schneller!", murmelte sie. "Wenn es doch schon zwölf Uhr wäre!" Wieder ging sie auf und ab. Sie hatte mit Toya am Telefon ausgemacht, dass er, Hiro und sie sich um Punkt zwölf an ihrer Lieblings-Eisdiele in der Stadtmitte treffen würden. "Ich mach mir immer noch solche Sorgen", dachte sie und ließ sich seufzend auf ihr Bett fallen. Sie drückte eines der unzähligen Stofftiere, die da herumlagen, an sich. "Gestern Nacht... das war Yue", dachte sie. "Ich bin ganz sicher." Tränen stiegen ihr in die Augen. "Was soll das alles? Wieso ich? Woher..." Sie drückte den Kopf an das Stoffhäschen. Leise hörte man ihr Schluchzen. "Toya...", wimmerte sie. "Masa..."
 

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"Wahnsinn", staunte Hiro, als Toya ihn einen ganzen Stapel Pfannkuchen hinstellte. "Das du kochen kannst, hat mich schon immer am meisten an dir fasziniert", meinte er lachend. "Sind doch nur Pfannkuchen. Besonders in Amerika sind die sehr beliebt." "Ich kann noch nicht mal japanisches Essen kochen, geschweige dennoch ausländisch", sagte Hiro und stopfte sich ein riesiges Stück Pfannkuchen in den Mund. Toya spülte betont langsam das gebrauchte Geschirr auf. "Sag mal, willst du nicht auch was essen?", fragte Hiro ihn, verschluckte sich dabei an dem Stück, dass er gerade in den Mund gesteckt hatte und begann zu husten. "Keinen Hunger", sagte Toya leise, ohne sich umzudrehen. Er konnte ihn nicht ansehen. Hiro antwortete nicht. "Da siehst du's!", schimpfte er mit sich selbst. "Da siehst du, was du angerichtet hast, Hiro! Es ist deine Schuld, dass es ihm jetzt noch schlechter geht!" "Du solltest aber trotzdem was essen. Gerade jetzt, wo du wegen deinen Erinnerungen so geschwächt bist."
 

Toya ließ einen Teller fallen. Ein Klirren ertönte. Scherben sprangen in die Luft. Hastig stand Hiro von seinem Stuhl auf. Toya bückte sich um die Scherben aufzuheben. "Lass nur, ich mach das", sagte Hiro und half ihm die Scherben aufzusammeln. Plötzlich sah er einen Schnitt auf Toya's Arm. Es blutete leicht. Er griff nach Toya's Arm. "Hey, du hast dich ja geschnitt..." "Lass!", schrie Toya und zog seinen Arm weg. "Lass... mich", wiederholte er leise und senkte den Blick. "To...ya", wisperte Hiro. Toya stand auf. "Es... ist nichts weiter", flüsterte Toya und verließ die Küche.
 

Hiro blickte ihm wortlos nach. "Fang jetzt bloß nicht an zu jammern", befahl er sich selbst. "Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Dass er dich jetzt SO behandelt... daran bist du selber Schuld!" Er schlug mit der Faust in die Glasscherben am Boden. "Shit", fauchte er. Blut tropfte aus mehreren Wunden an seiner Hand. "Ich verdammter Idiot!"
 

In der Zwischenzeit hatte Toya sich ein Pflaster auf den Schnitt geklebt. "Ich werde einfach nicht darauf reagieren", sagte er sich selbst. "Es ist krank, Toya! Es ist nicht normal! Hör auf, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden!"
 

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"Yue!" ... "Yue, hörst du mich?" Langsam öffnete Yue die Augen. Er blickte in das blasse Gesicht eines Mädchens. Ihre großen, dunklen Augen blickten ihn erwartungsvoll an. Ihr langes, seidiges Haar fiel ihm ins Gesicht. Sie lächelte. "Guten Morgen, Yue", zwitscherte sie. Yue setzte sich auf. Er war zu Hause. In seiner Wohnung. Wie war er gestern dort hingekommen? Sein Schädel schien zu zerbersten. Er hielt sich die Hand an die Stirn, strich sich die langen, schwarzen, zerzausten Haare aus dem Gesicht. "Hast gestern ein bisschen viel getrunken", sagte dass Mädchen, dass auf seinem Schoß saß. Er blickte an ihr herunter. Sie trug nur Unterwäsche. Was war überhaupt passiert? Das Mädchen schlang die Arme um ihn. Küsste seinen nackten Oberkörper. "Gehen wir in die Stadt?", fragte sie. Sie blickte ihn lächelnd an. Yue's Blick sah gleichgültig aus. Eiskalt, beinahe... tot. "Mach nicht so ein Gesicht", sagte das Mädchen tröstend. Dann küsste sie sanft seine Lippen. Yue spürte keine Wärme bei dieser Berührung. Doch es war nicht wichtig. Er saß wortlos da. Erwiderte den Kuss nicht. "Gefällt... es dir nicht?", hauchte das Mädchen ihm leise ins Ohr. "Du...", begann Yue. Er sah sie nicht an. Blickte an ihr vorbei ins Leere. Machte jedoch keine Versuche, sie von sich zu stoßen. "Du widerst mich an!"
 

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Wieder musste sich die arme Mariko die Zeit mit auf und ab gehen vertreiben. Diesmal vor der Eisdiele. Ein Blick auf ihre Armbanduhr ließ sie erneut aufstöhnen. "Schon fünf nach!", fiepte sie. Normalerweise waren fünf Minuten gar nichts. Zumal man hier von Hiro sprach. Aber dennoch. Die Situation war zu außergewöhnlich, als dass man sich nicht automatisch Sorgen machte. "Ihr beide treibt ein gefährliches Spiel, Masa... Toya..." Sie blickte geistesabwesend Richtung Himmel. "Denkt ihr wirklich, ihr könnt euch so etwas erlauben? Zu dem was euch sowieso schon bevorsteht?"
 

"Mariko!", rief eine Stimme von weitem. Mariko blickte nach vorn. "Masa!", rief sie und rannte zu ihm und Toya. Sie breitete die Arme aus. Hiro, zwar etwas überrascht, dass sie ihn allem Anschein nach umarmen wollte, tat es ihr nach. Doch Mariko rannte einfach an ihm vorbei und drückte Toya an sich. "Toya-chan!", heulte sie. "Ich hatte solche Angst! Bist du okay? Geht's dir gut?" "Ähm, ja...", keuchte Toya. "Aber wenn du mich nicht gleich los lässt,... geht's mir nicht mehr so... gut. Du zerdrückst... mich!" "Ouh!", sagte Mariko und ließ ihn rasch los. "Tut mir leid!" "Äh, Mariko...", begann Hiro.
 

"Du!", schrie die Angesprochene und fuhr herum. Sie tippte Hiro mit dem Zeigefinger auf die Brust. "Du - bist - schuld!", schrie sie. "Du solltest doch auf ihn aufpassen und statt dessen machst du... machst du..." Sie wurde rot und wandt den Blick ab. "Ach egal, ich will's gar nicht wissen." Hiro wurde ebenfalls rot. Was genau wusste Mariko eigentlich? "Egal, jedenfalls bist du ein miserabler Bodyguard. Wehe du passt mir in Zukunft nicht besser auf!" "Mariko!", sagte Hiro, doch diese war so in Ekstase, dass sie einfach weiter schimpfte. "Das ist schon das zweite mal, dass..." "Mariko!", unterbrach Hiro sie. Endlich verstummte das Gezeter. "Ist ja gut...", seufzte Hiro. Er legte Mariko die Hand auf die Schulter. "Ab jetzt...", begann er. "Lass ich ihn keine Sekunde mehr aus den Augen, okay?" Toya zuckte zusammen. "Ich werde ihn beschützen, das versprech ich dir." Mariko schluchzte. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie fiel Hiro um den Hals. Dann schnappte sie sich mit einer Hand Toya und zog ihn zu sich. "Ihr Idioten!", fuhr sie die beiden Jungs an, während sie sie beide umarmte. "Ich dämlichen Idioten! Macht mir nie... NIE wieder solche Sorgen!" "Ist ja gut", sagte Hiro und tätschelte Mariko tröstend über den Kopf. Toya hatte ihn selten, wirklich sehr selten so erlebt. Seit wann war Hiro eigentlich so... nett? Und wieso tröstete er Mariko? "Ich werd dich beschützen, Toya", wisperte er.
 

Toya's Herz machte einen Sprung. Hinter Mariko's Rücken, die die beiden immer noch fest an sich drückte, griff Hiro nach Toya's Hand und drückte sie fest in seine. "Ich werd nicht zulassen, dass dir was passiert, Kumpel!" Toya's Herz schlug wieder schneller. Er konnte es spüren. Doch er war nicht in der Lage, Hiro's Hand wegzustoßen. Und Mariko? Wie sie sich um sie beide gesorgt hatte. Toya wusste nicht, woher, doch er war sich sicher, dass Mariko längst wusste, dass sie von Yue angegriffen worden waren. Es tat ihm leid, dass er ihr solche Sorgen bereitet hatte. Er wollte sie nicht loslassen. Weder sie, noch Hiro. Sie würden immer zusammen bleiben, immer Freunde bleiben. Seine besten Freunde.
 

"Also", sagte Mariko. "Gehen wir ein Eis essen?" Plötzlich lächelte sie wieder. Es war dieses Lächeln, mit dem sie ihre Angst verbergen wollte. Sie war nicht schwer zu durchschauen. "Von mir aus", sagte Hiro. Dann gingen die drei in die kleine Eisdiele. Sie setzten sich an ihren Stammplatz, einen runden Tisch am Fenster. Toya blickte verträumt nach draußen, während Mariko versuchte, Hiro die Karte aus den Händen zu reißen. "Gib schon her!", sagte sie. "Du hast echt noch nie was von Ladys first gehört, was?" "Doch, aber ich hab Hunger!", rechtfertigte Hiro sich. "Blöde Ausrede! Eis macht eh nicht satt" "Gut, aber du bist eh nicht gerade die dünnste, Mariko, also solltest du vielleicht..." "Waaaas?", schrie Mariko. "Was heißt hier nicht die Dünnste? Ich geb dir gleich..." Sie schubste Hiro, so dass er die Karte auf den Tisch fallen ließ. "Pah, dabei wollte ich euch einladen. Das kannst du jetzt aber voll vergessen!", sagte Mariko beleidigt, während sie die Karte durchstöberte. Hiro lachte nur.
 

"Hey, was willst du haben, Toya?", fragte Mariko nach wenigen Minuten, in denen Toya pausenlos aus dem Fenster gestarrt hatte. "Was? Ich? Äh...", stotterte dieser, da Mariko ihn offensichtlich aus den Gedanken gerissen hatte. "Ja du, siehst du hier sonst noch jemanden, der Toya heißt?" Wieder musste Hiro lachen. "Na ja, wer weiß, kann ja sein, dass der da...", er deutete unauffällig auf einen Jungen, der mit einem Mädchen an einem Tisch in der Nähe saß. "...oder der da... oder der", fuhr er fort, mit einem Blick zum Kellner. "Woher willst du wissen, dass nicht zufällig einer von denen auch Toya..." "Aaaarg", schrie Mariko. "Kannst du jetzt endlich mal die Klappe halten, Masa? DU - NERVST!!!" Hiro verdrehte die Augen, ließ ein Seufzen hören und verstummte. Als Mariko sich wieder Toya zugewandt hatte, machte Hiro hinter ihrem Rücken Grimassen, die scheinbar Mariko darstellen sollten. Toya musste lachen. "Was?", fragte Mariko. "Was ist so komisch?" Sie bemerkte Hiro's Scherz und gab ihm prompt einen weiteren Schubs. "Na Hauptsache, euch geht's gut!", maulte sie beleidigt. Toya konnte sich das Lachen noch immer nicht verkneifen. Ach ja, Hiro war immer der Einzige, der ihn selbst in so einer Situation zum Lachen brachte. Und das nachdem er...
 

Toya fuhr erschrocken herum, als er in diesem Moment bemerkte, dass er Hiro unentwegt angestarrt hatte. "Und das nachdem er mich... geküsst hat", dachte er. Bis jetzt hatte er es geschafft, es aus seinen Gedanken zu streichen. Die Sache mit Yue beanspruchte ihn bei weitem genug.
 

"Egal, also was willst du, Toya?", fragte Mariko. "Ich lade euch trotzdem ein, Jungs. Auch wenn ihr's eigentlich nicht verdient habt. Toya?" "Danke", antwortete Toya. "Ich möchte nur ein..." "Was wohl?", unterbrach Hiro ihn. "Erdbeermilchshake. Wie immer!" Toya lächelte. "Ja", murmelte er. "Wie immer..."
 

In diesem Moment kam eine junge Frau an ihren Tisch. "Was darf ich euch bringen?", fragte sie mit zuckersüßer Stimme. "Für mich einen Bananensplitt bitte", sagte Mariko. "Und einen Erdbeermilchshake und..." Sie blickte zu Hiro. "Äh, also ich nehm...", er warf noch einen Blick in die Karte, dann sagte er. "Das da... und das und, ähm das da. Das ist alles, danke." Er klappte die Karte zu. Die Bedienung ging davon. Mariko sah plötzlich blass aus. "Ma...sa", sagte sie zähneknirschend. "Was denn?", meinte Hiro empört. "Wenn du uns schon mal einlädst..." "Irgendwann, glaub mir...", murmelte Mariko in sich hinein. "Irgendwann - bring - ich - dich - um!!!"
 

Eine Weile saßen die drei da und warteten. Mariko und Hiro unterhielten sich. Toya wusste nicht ein mal über was. Er blickte geistesabwesend aus dem Fenster. Wusste nicht einmal, worüber er nachdachte.

"Mariko", sagte er so plötzlich, dass die Angesprochene erschrocken hochfuhr. "Woher weißt du es?" Sie blickte ihn fragend an. "Woher...? Weiß...?" "Dass Yue mein Bruder ist, das mit gestern Abend..." Hiro schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. "Ach hör schon auf, Masa!", sagte Toya genervt. "Sie weiß es doch eh längst. Wozu noch ein Geheimnis daraus machen." "Weil es sie nichts angeht, verdammt!", fuhr Hiro ihn an. "Ganz einfach deswegen!" "Sie weiß es ja sowieso!", schrie Toya. "Sag's ihm, Mariko! Sag, dass du weißt, dass er mich angegriffen hat!" Mariko schwieg. Ihr Blick war auf die Tischplatte gerichtet. "Mariko!", drängte Toya sie. "Ja", seufzte sie dann und blickte auf. Ihre Augen sahen glasig aus. "Ja, ich weiß es. Dass ihr Brüder seid, dass er dich gestern angegriffen hat und auch, dass..." Sei verstummte. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, konnte sich ein leises Schluchzen nicht verkneifen. Tränen glitzerten in ihren Augen. "Ihr seid Dämonen", wisperte. Hiro riss die Augen auf.
 

"WAS?!", schrie er. Mariko zuckte zusammen. Die Leute an den Nachbartischen drehten sich nach ihnen um. "Es... tut mir leid", schluchzte Mariko. "Ich hätte es euch sagen sollen, aber... diese Visionen,... ich hätte nie gesagt, dass es wirklich wahr ist. Ich dachte, es wären nur Hirngespinste." "Visionen...?", wiederholte Toya nachdenklich. "Es ist schon eine ganze Weile so. Ich weiß nicht, wieso ich sie habe", erklärte Mariko. "Ich hab doch damit gar nichts zu tun." Sie wischte sich mit der Hand die Tränen ab. "Ich bin nicht so. Ich meine, ich bin kein... Dämon, wie ihr." Ihre Stimme wurde leiser, so dass sie niemand belauschen konnte.
 

"Schön", sagte Hiro und schüttelte ungläubig den Kopf. "Dann kannst du ja gehen!", fuhr er sie an. "Wenn du dich jetzt für was Besseres hälst... ich weiß schon, wir sind unnormal. Dann hau doch ab!" Mariko blickte ihn verstört an. "Masa!", sagte Toya eindringlich. Er blickte sich um. Wieder schauten einige Leute zu ihnen herüber. "Schrei sie nicht so an!" "Wieso nicht?", fragte Hiro und wandt sich dabei Toya zu. "Soll ich lieber DICH anschreien? Weil DU so dämlich warst, es ihr zu erzählen?! Denkst du, ich hatte nicht auch meine Gründe, warum ich IHR NICHTS davon gesagt hab?!" Toya blickte ihn wortlos an.
 

Das war zu viel. So hatte Hiro noch nie mit ihm gesprochen. Und wieso misstraute er ihm? "Du denkst, ICH hätte es ihr erzählt?", meinte er spöttisch lachend. "Ich hab es ihr nur bestätigt. Hörst du eigentlich zu? Sie hat gesagt, sie hätte Visionen! Sie hat wahrscheinlich mehr damit zu tun, als dir lieb ist." Er merkte gar nicht, wie, während er sprach, seine Stimme immer lauter wurde. "Und der einzige Grund, warum du sie da raushalten willst, ist doch nur, weil du in sie verknallt bist, und nicht willst, dass ihr was passiert!" Ein Stechen fuhr durch seine Brust, als er diese Worte aussprach. Seine Wangen glühten. Er musste knallrot sein. "Aber bitte... wenn dir das so lieber ist... Dann halt sie meinetwegen auch für eine Lügnerin und mich für einen Verräter!"
 

Damit stand Toya auf und stürmte aus der Eisdiele. Nun war es perfekt! Nahezu jeder in der Eisdiele hatte diesen Aufstand mitbekommen. "Toya!", rief Hiro ihm nach und stand ebenfalls auf. "Verdammter Idiot! Komm sofort wieder zurück!" Wütend stapfte er aus der Eisdiele. Mariko vergrub den Kopf in den Händen und schluchzte. "Ihr seid Idioten", fiepte sie. "Alle beide. Idioten und dazu Dämonen. Aber es ist mir egal, wer ihr seid. Ihr seid trotz allem meine Freunde!"
 

Toya rannte die Straße entlang. Stieß dauernd mit Passanten zusammen und drängelte sich durch die Menge, als hätte er es furchtbar eilig. Dabei wusste er nicht einmal, wohin er wollte. Sein Gesicht glühte noch immer. Tränen liefen über seine Wangen. "Toll, jetzt hab ich mich auch noch mit Hiro zerstritten", dachte er. Und die arme Mariko hab ich auch einfach sitzen gelassen."
 

Obwohl er vorhin gesagt hatte, dass Hiro in Mariko verknallt wäre, glaubte er es eigentlich nicht. Er wusste nicht warum er es gesagt hatte. Es kam ihm in diesem Moment so logisch vor. Es könnte ja auch durchaus sein. Er dachte daran, als Hiro ihn geküsst hatte. "Einmal und nie wieder", sagte diese Stimme in seinem Kopf. Ouh, wie er ihn dafür hasste. Am liebsten würde er ihm eine reinhauen. Doch das würde nichts bringen. Hiro war sowieso viel stärker als er. Und obwohl ihm dieser Gedanke, dass Hiro vielleicht wirklich in Mariko verliebt sein könnte, klarer als je zuvor, erschien, konnte er Mariko doch nicht dafür hassen. Wieso auch? Hiro und er waren Kumpel. Nichts weiter. "Hör schon auf, Toya. Es wäre naiv, sich auf diesen dämlichen Kuss etwas einzubilden. Würde ich mich etwa freuen, wenn er es ernst gemeint hätte? Das ist doch absurd." Er konnte nicht aufhören zu weinen.
 

Ziellos hastete er durch die Straßen. Doch plötzlich spürte er ein seltsames Gefühl. Irgend jemand beobachtete ihn. Er blieb stehen. Blickt sich um. Nichts. Da war niemand. Aber er bildete sich das nicht nur ein. Sein Blick wanderte durch die Mengen der Passanten. Dann nach oben. Da! Oben auf einem Hochhaus. Da stand jemand auf dem Dach. Eine Schar schwarzer Vögel flog von dort hoch. Die Vögel flogen über Toya's Kopf hinweg. Ein paar schwarze Federn fielen zu Boden. Toya fing eine davon auf. Seine Tränen waren auf seinen Wangen angetrocknet und hinterließen nur dieses spannende Gefühl. Sein Puls raste nun noch mehr. So sehr, dass ihm selbst die Tränen ausblieben. Er ließ die Feder aus der zitternden Hand fallen und wisperte: "Yu...e." Dann rannte er los.
 

Gerade in diesem Moment sah Hiro ihn wieder in der Menge verschwinden. Als Toya kurz inne gehalten hatte, hatte Hiro es geschafft ihn einzuholen. "Toya!", rief er. "Warte doch!" Doch Toya hörte ihn nicht mehr. Hiro sah ihn in ein Gebäude rennen. "Wo will er denn hin?", murmelte er und blickte das Hochhaus an. Plötzlich riss er die Augen auf. Er erblickte die schwarze Gestalt auf dem Dach des Hauses. "Scheiße", fauchte er. Panik stieg in ihm auf. "Verdammt, Toya!", keuchte er. "Nein! Tu's nicht! TOYA!" Er rannte ihm nach in das große Gebäude.
 

Toya war die ganzen Treppen nach oben gerannt. Auf den Fahrstuhl konnte er nicht warten. Er riss die Tür zum Dach auf. "Yue!", schrie er. Sein Bruder drehte sich langsam zu ihm um. Seine Augen, eines weiß schimmernd, dass andere kohlrabenschwarz, blickten direkt in Toya's. Ein Luftsog blies ihm die schwarzen, welligen Haare ins Gesicht. War es sein Anblick, oder der kalte Oktoberwind, der Toya eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. "Wie mutig", hauchte Yue. Seine Stimme klang klar und dunkel. "Dass du alleine hier auftauchst, hätte ich nicht gedacht." "Ich... bin nicht auf Masa angewiesen, falls du das meinst", rechtfertigte sich Toya. "Masa...?", wiederholte Yue. "Sein irdischer Nachname, nehme ich an. Verzeih, ich kenne ihn nur als Hiro. Als dein kleines Spielzeug, dass dir Mami und Papi geschenkt haben, weil du sonst keine Freunde hattest." Er setzte wieder dieses hämische Grinsen auf. "Hör auf!", schrie Toya. "Das ist nicht wahr!" "Ouh, armer, armer Toya-chan", spottete Yue. "Hast schon immer darunter gelitten, dass du anders bist. Der ewige Outsider." Seine Stimme wurde lauter. "Schon damals hast du neidisch zu mir aufgesehen, weil ICH der Thronerbe war, und nicht du! Nur deshalb hast du Sumi getötet!", schrie er. Toya schüttelte den Kopf. "Das...", wisperte er. "...ist nicht wahr."
 

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Plötzlich schoss ein Bild in seine Gedanken. Ein Stechen in seinem Kopf. "Aaah", stöhnte er, hielt sich die Hände an den Kopf und sank in die Knie. Die Erde bebte. Er sah einen Mann mit langem, silbernem Haar, geschmückt mit Krähenfedern. Eines seiner Augen war weiß, wie Yue's. Er hielt einen kreuzförmigen Stab schützend vor sich. Ihm gegenüber stand ein Junge in einer grauen Kutte. Er versuchte Garasu's Waffe mit seinem Katana weg zudrücken. Toya konnte sein Gesicht nicht sehen, doch er wusste, dass es Hiro sein musste. "Komm schon, O-nii-san!", hörte er sich selbst sagen. Er sah sich, als wäre würde er das Geschehen aus der Ferne beobachten. Er trug ebenfalls ein Gewand. Es war schwarz und verbarg sein Gesicht unter der Kapuze. Er zog Yue, der neben ihm am Boden kniete hoch und rannte mit ihm davon. Aus sicherer Entfernung sahen sie, wie Hiro gegen Garasu kämpfte. Plötzlich fiel Toya's Blick auf eine der Leichen, die dort vorn am Boden lagen. Sie waren von der Decke gefallen, wo sie vorher festgebunden waren. "Sumi!", durchfuhr es ihn. Und in diesem Moment verschwamm das Bild vor seinen Augen.
 

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Er schlug die Augen auf. Blickte in Yue's Gesicht und spürte, wie dessen Griff um seinen Hals fester wurde. "Yu...e", keuchte er und versuchte sich von seinem Bruder loszureißen. Der Wind wehte eiskalt in seinen Nacken. Er wandt sich um und blickte in einige Meter Tiefe. Sie standen am Rande des Daches. "Entweder wird er mich erwürgen, oder gleich runter werfen", dachte Toya. "Lass... mich... los!", wimmerte er. "Du elende Ratte!", sagte Yue zähneknirschend. "Du wirst dafür bezahlen, dass du sie umgebracht hast. Damit ihre Seele endlich Frieden finden kann!" Toya's Puls raste, der Druck um seinen Hals wurde immer stärker. Es schnürte ihm die Kehle zu. Er konnte kaum noch atmen. "Okay, ich hab nicht viel zu verlieren", dachte er. "Meine Eltern sind nicht wirklich meine Eltern. Den meisten Menschen bin ich egal. Ich hab Mariko im Stich gelassen und..." "Masa", keuchte er und in Gedanken fügte er hinzu: "Nein! Ich will nicht sterben!" Wieder liefen Tränen über sein Gesicht. "Nicht, solange ich mich nicht wieder mit ihm versöhnt habe!" "Du kannst ihn rufen, so lange du willst", sagte Yue siegessicher. "Er wird nicht kommen, und dich retten. Nicht diesmal." Er lächelte. Wenn Toya tot wäre... wäre er dann glücklich?
 

Einen kurzen Moment dachte Toya darüber nach, ob es nicht vielleicht besser so wäre. Wenn es nur Sumi's Tod war, den er rächen wollte. Auch wenn Toya sie nicht getötet hatte, Yue glaubte das. Wenn er dann zufrieden wäre... Vielleicht war es wirklich besser so. "Ich werde dich schön lange leiden lassen, bis zu qualvoll zu Grunde gehst", hauchte Yue. Es hörte sich wirklich so an, als würde es ihm Spaß machen, seinen eigenen Bruder so zu quälen. "Und niemand wird dir helfen, auch nicht dein geliebter Masa. Diesmal wird er dich nicht beschützen kön..."
 

Er zuckte zusammen. Ein erstickender Laut drang über seine Lippen. Blut quoll aus seinem Mundwinkel hervor. Er blickte an sich herunter. Toya ebenfalls. An seiner linken Seite befand sich ein großer Blutfleck. Die Spitze eines Schwertes glänzte zwischen dem Riss in Yue's Hemd hervor. Toya spürte, wie sich der Griff um seinen Hals lockerte. Die Spitze des Schwertes wurde zurück gezogen. Yue's Körper sank vor Toya zu Boden. Vor diesem stand Hiro. Er stand einfach nur da. Starrte Toya mit diesem ausdruckslosem Blick an und sagte kein Wort. In seiner Hand hielt er das Katana mit der blutverschmierten Klinge. Toya wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte nicht klar denken.
 

"Falsch", murmelte Hiro. "W...as?", fiepte Toya. "Er hat gesagt, ich werde dich diesmal nicht beschützen können." Toya schwieg. "Aber egal, was ich dafür tun muss, und egal, wie sehr du mich auch hasst... es wird nichts an meiner Aufgabe ändern." Aufgabe... Für Toya hörte sich das so an, als wäre es für Hiro nur ein Job. Nichts weiter. Doch in Gedanken fügte Hiro hinzu: "...und an meinen Gefühlen für dich." Er zog Yue unsanft hoch und hievte ihn über die Schulter. Dann drehte er sich um und ging wortlos davon. "Masa!", rief Toya ihm nach und folgte ihm. "Keine Sorge, er lebt", murmelte Hiro nur und öffnete die Tür, die vom Dach führte.
 

Was niemand von beiden gesehen hatte, war die Gestalt, die auf dem kleinen Plateau über der Tür gestanden und sie beobachtet hatte. Doch sie folgte ihnen nicht. Als die Tür zum Dach sich hinter Toya und Hiro geschlossen hatte, verschwand sie ihn einem Wall aus Krähenfedern. Sie löste sich einfach spurlos in Luft auf.
 

Plötzlich knallte Hiro auf der Treppe mit jemandem zusammen. "Uah!", schrie Mariko und fügte mit einem Blick auf Yue hinzu: "Oh mein Gott, was ist passiert?" "Später", sagte Hiro knapp und ging an ihr vorbei. "Wir können ihn nicht ins Krankenhaus bringen. Garasu wird ihn sicher suchen. Toya, deine Eltern sind noch nicht wieder da, oder?" "Äh, nein", antwortete Toya und rannte Mariko und Hiro, der selbst mit Yue's Gewicht auf dem Rücken, noch ziemlich schnell laufen konnte, nach.
 

Noch nie war Toya der Weg nach Hause so lang vorgekommen. Es war nicht gerade leicht, jemanden Ohnmächtigen durch die Menschenmengen von Tokio zur Rush Hour zu schleifen. Hiro hatte Yue seine Jacke angezogen, so das niemand das Blut sehen konnte. Und dennoch hatten sich einige Leute umgedreht. Sie mussten gedacht haben, die drei würden einen Betrunkenen mit sich herum schleifen. So wie er da zwischen Hiro's und Toya's Schultern hing. Und das am späten Nachmittag.
 

Den ganzen Weg über hatte niemand etwas gesagt. Erst jetzt, als sie Yue endlich bei Toya aufs Bett gelegt hatten, wurde das Schweigen gebrochen. "Hol Verbandszeug", sagte Hiro. Sein Ton klang so befehlend. So kannte Toya ihn wirklich nicht. "Und am besten alles, was du sonst noch da hast." Er riss Yue das Hemd auf und blickte kritisch auf die Wunde. Der Schnitt war knapp fünf Zentimeter lang. "Am besten auch Nadel und Faden", seufzte er. Toya lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Doch er gehorchte und verließ ohne jeden Widerspruch das Zimmer. "I... ich helfe dir", stotterte Mariko und ging ihm eilig nach. Offensichtlich wollte sich nicht unbedingt mit Hiro alleine sein.
 

"Es tut mir leid", sagte Toya leise, während er aus dem Medizinschrank im Bad einiges heraus wühlte. "Was?", fragte Mariko. "Dass ich einfach weggerannt bin. Ich... hab dich im Stich gelassen. Das tut mir leid." "Ach was", seufzte Mariko. "Weißt du, Masa hat keine Sekunde gezögert, ist aufgestanden und dir nachgerannt." Sie verstummte kurz und nahm Toya die Schere und eine dicke Rolle Verband ab. "Hätte er das getan, wenn er in MICH verknallt wäre?" Sie lächelte. Es war ein trauriges Lächeln. Toya blickte sie fragend an. Was sollte das denn nun wieder heißen? Mariko schnipste ihn mit dem Finger an den Kopf. "Mensch Toyahaa!", stöhnte sie. "Du bist ja wohl so was von verpeilt!" Und damit ging sie zurück in Toya's Zimmer. Toya stand stumm da. "Was meint sie denn nun schon wieder?", überlegte er und folgte ihr dann.
 

"Das muss genäht werden", murmelte Hiro, nachdem er Yue's Wunde mit einem Tuch gereinigt hatte. "Ich hab's mit Magie versucht, aber das reicht noch nicht aus." Mariko drehte sich angewidert auf ihrem Stuhl um, als Hiro, der neben Yue auf dem Bett saß, mit der Nadel in dessen Haut stach. Toya zitterte. Ein Gefühl der Übelkeit kam in ihm hoch. "Eine Frage, Masa", sagte Mariko. "Woher kannst du so was?" "Ach, als Dämon lernt man so einiges", antwortete er. In seiner Stimme lag so ein seltsamer Unterton, als wäre er sauer auf Mariko, weil sie davon wusste. Dabei konnte sie gar nichts dafür. Toya fand Hiro's Verhalten jedenfalls ziemlich gemein. Wieder fiel sein Blick auf die Nadel, die immer und immer wieder in Yue's Haut drang und den dünnen Faden, der die Öffnung, durch die das Fleisch zu sehen war, zusammenzog. Hiro's Hände waren blutverschmiert. Toya stand auf, ging zum Fenster und riss es sperrangelweit auf. Er beugte sich nach draußen und atmete tief ein. Er fühlte sich, als müsse er sich jeden Augenblick übergeben. "Guck weg, sonst wird dir auch noch schlecht", sagte Hiro zu Mariko, die nun einen Blick gewagt hatte. Rasch drehte sie ihm wieder den Rücken zu. "Ich... äh... muss mal kurz... äh... ins Bad", stotterte sie und ging hastig aus dem Zimmer.
 

Toya hörte die Tür hinter ihr zuknallen. Der Durchzug, der durch das geöffnete Fenster entstanden war, hatte sie so hart zuschlagen lassen. Er blickte weiter aus dem Fenster. Sein Gesicht war leichenblass.

"Ich hätte ihn umbringen sollen", hörte er Hiro leise sagen. Er riss die Augen auf. WAS hatte Hiro da eben gesagt? "Ich hab mit Absicht keine wichtigen Organe verletzt. Ich hätte es ihm genauso gut ein bisschen weiter rechts rein rammen können." Toya zuckte zusammen. "Wieso sagt er so etwas?", dachte er. "Das ist immer noch mein Bruder, über den du da sprichst", sagte er leise und nicht halb so aggressiv, wie er es sagen wollte. "Na und?", sagte Hiro laut. "Um ein Haar hätte er dich umgebracht! Und er würde es jeder Zeit wieder probieren! Ich lasse nicht zu, dass..."

"Du lässt es nicht zu, ja?", unterbrach Toya ihn und drehte sich zu ihm um. "Ich lass nicht zu, dass dir jemand was antut. Ich lass es nicht zu!", schrie er. "Immer wieder die gleichen Worte. Verdammt, Masa! Ich verstehe dich nicht! Ich denke, du sollst uns BEIDE beschützen. Yue UND mich! Wie kannst du nur sagen, dass du ihn umbringen willst? Er ist mein Bruder, verdammt!" Leise wisperte er: "Ich... will ihn nicht verlieren!" Diese Worte brachten das Fass zum Überlaufen.
 

"...will ihn nicht verlieren...", wiederholte Hiro in Gedanken und stand vom Bett auf. "Und das obwohl er sich kaum an die Zeit erinnert, wo Yue noch auf unserer Seite stand. Er kennt ihn doch nur als den, der versucht, ihn kalt zu machen." "Du checkst es einfach nicht, was?", fuhr er Toya an, ging zu ihm ans Fenster und packte ihn an den Schultern. "Yue es mir egal! DU bist mein bester Freund, nicht er. Und wenn er dir was antut, dann bring ich ihn um, das schwör ich dir! Ob es dir nun passt oder nicht!" Toya blickte ihn sprachlos an.
 

Wie konnte er es wagen? War er nicht damals sein Untergebener gewesen? Hatte er nicht eigentlich auf Toya's Befehle zu gehorchen? Diese Gedanken waren falsch, dass wusste Toya und er hasste sich dafür, dass er es nun aus dieser Sicht betrachtete. Dabei war Hiro ihm in dieser Welt und in dieser Zeit, keineswegs untergeben. Und dennoch. Er konnte nicht zulassen, dass Hiro Yue etwas antat.
 

"Wenn das so ist", sagte er leise. Er blickte zu Boden. "Dann verschwinde besser." Hiro traute seinen Ohren nicht. "Verschwinde, denn wenn Yue aufwacht und mich angreift... Wenn du mit dem Katana auf ihn losgehst, werde ich mich vor ihn werfen. Du würdest uns schon beide töten müssen. Wenn du damit klar kommst, kannst du's ja gerne versuchen, aber da du gesagt hast, du willst mich beschützen, glaube ich kaum, dass es dir egal wäre, wenn ich auch draufgehen würde." Er konnte selbst nicht fassen, was er gerade gesagt hatte. Aber es war die einzige Möglichkeit. Genau so wie Hiro ihn, so wollte er seinen Bruder schützen. Und damit war Yue in Sicherheit. "Also...", murmelte Toya. "Geh schon! Oder willst du mich auch töten?"
 

Hiro blickte ihn sprachlos an. Er entschied sich also für seinen Bruder? Und damit... gegen ihn? Er schlug mit den Händen gegen die Wand hinter Toya. Toya fühlte sich so überwältigt. Hiro war viel größer und kräftiger als er. Wie er da so über ihn gebeugt da stand. Er fühlte sich wie in einer Falle eingeschlossen. Hiro's Gesicht kam dem seinen näher. Toya's Herz schlug schneller. Er sah Hiro in die Augen. Was war das für ein Blick? Er konnte sich nicht erinnern, ihn jemals bei Hiro gesehen zu haben. Sein Gesicht war ihm so nahe. Nur noch ein paar Zentimeter lagen dazwischen, bis sich ihre Nasenspitzen berührten. Ein paar Sekunden standen sie so da. Es war, als hatte jemand die Zeit angehalten. Dann richtete Hiro sich wortlos auf. Er ließ die Hände sinken und blickte zu Boden.

"Du willst also, dass ich gehe?", fragte er. "Gut, dann gehe ich." Er sah so verzweifelt aus. Der lange Pony hing ihm in die Augen. "Ich... tue immer alles, was ihr wünscht, Toya-sama", meinte er und lachte spöttisch. Toya fühlte sich schuldig, als sein Freund ihn so nannte. "Und wenn ihr meinen Tod wünscht...", schrie Hiro und drückte Toya erneut gegen die Wand. Dann hauchte er ihm ins Ohr: "Dann begeh ich natürlich auf der Stelle Harakiri." Er wandt sich ab, murmelte: "Euere Hoheit" und verließ den Raum. Toya blickte ihm wortlos nach. Die Tür schlug zu. Er war nicht in der Lage, ihn aufzuhalten. Er wollte ihm nachlaufen. Wollte "Nein, geh nicht!", rufen. Aber es ging nicht. Er DURFTE es nicht. Erschöpft sank er in die Knie. "Wieso tust du das?", schluchzte er. "Wieso tust du mir das an... Masa..."
 

In diesem Moment kam Mariko herein. "Hey, ich hab Hiro gerade aus dem Haus rennen sehen. Was ist pa..." Sie sah Toya völlig aufgelöst am Boden knien. "Oh Gott, was ist passiert?", fragte sie und setze sich vor Toya auf den Teppich. "Mariko!", schluchze Toya und fiel ihr in die Arme. Mariko streichelte ihm tröstend über den Kopf. "Hey, ist ja gut", sagte sie. "Hör auf zu weinen. Alles wird wieder gut. Ganz sicher." "Nein!", schrie Toya. "Nein, nichts wird gut. GAR NICHTS! Es hat sich all die Jahre nicht geändert und es wird sich NIE ändern. Im Gegenteil, es wird nur noch schlimmer!" "Was...?", fragte Mariko. "All die Jahre...? Wovon redest du? ...Toya?" "Ich bin krank, Mariko. Ich bin völlig krank. Das ist nicht normal!" Mariko dachte erst, er redete davon, dass er ein Dämon war, doch bevor sie etwas antworten hätte können, schluchzte Toya: "Ich liebe ihn!!!"
 

~tbc~

The way I feel

"Ja? Mama? Ich bin's, Mariko." ... "Ja, tut mir leid." ... "Ja, ich weiß. Ich bin noch bei Toya, könnte spät werden. Nur damit du Bescheid weißt." ... "Gut, bis später." Seufzend ließ Mariko den Hörer sinken. "Ouh Mann, bei dem ganzen Aufstand hab ich doch glatt vergessen, zu Hause zu sagen, wo ich überhaupt hingehe", dachte sie. "Aber Toya kann ich jetzt auf gar keinen Fall alleine lassen. Ouh, bitte lass Hiro jetzt nichts dummes anstellen. Ich möchte mich am liebsten in zwei teilen, damit ich auf beide aufpassen kann. Mensch, meine beiden Idioten... Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, nein da müssen sie sich ausgerechnet jetzt auch noch zerstreiten!"
 

~*~*~*~*~*~
 

Toya saß auf seinem Stuhl, der noch immer ans Bett geschoben war. Er hielt ein braunes Lederband, mit einem großen, ovalen, roten Stein als Anhänger, in der Hand. Diese Kette hatte einst Yue gehört. Toya hatte bis vor kurzem nicht gewusst, wie sie überhaupt in seinen Besitz gekommen war. Er hatte sie schon immer gehabt, seit er hier auf der Erde lebte. Jetzt, wo er seine Erinnerungen wieder hatte, wusste er, dass sein Bruder sie ihm damals geschenkt hatte.

"Hier, für dich", hatte er gesagt und sie ihm entgegengehalten. "Und jetzt hör auf zu heulen! Ich mag dich genau so sehr wie Sumi." Ach ja, wie oft hatte er deswegen geweint? Weil Yue plötzlich nur noch Augen für Sumi hatte. Ihretwegen hatte er keine Zeit mehr für Toya. Aber Toya hasste Sumi nicht dafür. Im Gegenteil, sie war sehr nett gewesen. Hätte er sie einfach hassen können, dann wäre es doch leichter gewesen.
 

"Du hast doch noch Hiro." Das hatte Yue hunderte male zu ihm gesagt. "Und ich lass dich auch nicht hängen. Du bist schließlich mein Bruder."
 

Wie gern hätte er Yue jetzt so lächeln sehen wie damals. Es war bereits abends. Yue war noch immer nicht zu sich gekommen. "Ob Hiro ihn wirklich nicht mit Absicht schlimmer verletzt hat?", dachte Toya. Er legte vorsichtig die Hand auf Yue's Brust. Sein Herz schlug anscheinend gleichmäßig. "Was mach ich eigentlich hier?", fragte Toya sich. "Was wenn er aufwacht? Er wird nur wieder auf mich losgehen. Hiro hatte recht, er wird mich töten." Er ließ den Kopf auf die Bettdecke fallen. "Mein eigener Bruder... und ich kann gar nichts dagegen tun. Aber selbst wenn er mich umbringt, ich MUSSTE ihn schützen. Ich konnte doch nicht zulassen, dass Hiro IHN statt dessen tötet. Lieber sterbe ich, bevor ich zulassen, dass ER stirbt." Seufzend schloss er die Augen. "Ouh Mann, als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass ich voll den Hiro-Komplex hab, nein, jetzt hab ich auch noch 'nen Bruderkomplex. Ich bin echt voll krank."
 

~*~*~*~*~*~
 

Die Tür ging auf. Toya fuhr erschrocken hoch. Mariko war wieder ins Zimmer gekommen. "Also, ich hab meiner Mama Bescheid gesagt", meinte sie. "Danke, Mariko", sagte Toya leise. "Danke, dass du bei mir bist." "Ach was, is doch nicht der Rede wert. Dazu sind Freunde doch da."
 

"Dann...", begann Toya. "Ist... Masa nicht mein Freund..." Mariko stockte der Atem. Sie wusste, dass sie gerade etwas Falsches gesagt hatte. "Tut mir leid, so hab ich das nicht gemeint." Sie setzte sich auf den Schreibtisch.

"Hör mal, du hast doch zu ihm gesagt Geh, wenn du mich nicht auch töten willst! Also hör mal... dass er wirklich gegangen ist, beweist doch in dem Fall nur, dass er dich mag." "Wenn das so wäre", sagte Toya wütend. "...dann hätte er nicht gesagt, dass er meinen eigenen Bruder kalt machen will!"
 

"Falsch!", antwortete Mariko knapp. "Gerade WEIL er dich mag, hat er das gesagt und glaub mir, so wie ich ihn kenne, würde er das auch jeder Zeit tun." Toya sagte nichts. Das war doch absurd. Es war alles völlig krank. "Ich mein das jetzt ernst, Toya", fuhr Mariko fort. "Weißt du, ich glaub nicht, dass er dich Toya-sama genannt hat, um dich zu verarschen. Er meint das ehrlich. Er fühlt sich dir noch immer genau so untergeben wie damals, im 14. Jahrhundert. Er würde alles tun, was du willst. Und er denkst jetzt sicher, du nutzt das aus."

"Das tue ich aber nicht!", schrie Toya. "Shit, er ist mein Freund, und nicht mein Butler! Ich will nicht, dass er mich mit euere Hoheit anspricht. Ich will, dass er wieder so ist wie vorher. Bevor Yue mich angegriffen hat, bevor ich meine Erinnerungen zurück hatte. Er soll mich wieder Idiot nennen und sich aufführen wie der Klassenclown. Er soll sich von mir aus auch wieder mit anderen prügeln und dafür Ärger mit den Lehrern kriegen. Es ist mir egal." Er ließ den Kopf wieder auf die Bettdecke sinken. "Ich will, dass alles wieder so ist, wie vorher." "Das wird es frühestens dann, wenn Garasu vernichtet ist", seufzte Mariko.
 

"Und sag mal", begann Toya und hob den Kopf. "Woher weißt du dass alles jetzt eigentlich? Irgendwie check ich das noch nicht so ganz." Mariko blickte nachdenklich zu Boden. "Na ja, wie gesagt", murmelte sie. "Ich hab schon 'ne ganze Weile so komische Träume. Es ist nur reeller als Träume, eher wie Visionen. Ich weiß alles von eurer Vergangenheit als Dämonen. Ich kannte Yue... und ich kannte Garasu." Sie legte eine kurze Pause ein. Der Name Garasu schien selbst ihr nicht leicht von der Zunge zu gehen.
 

"Als er dich an jenem Tag auf dem Pausenhof attackiert hatte, wusste ich es plötzlich. Dass er dein Bruder ist und so..." Sie seufzte. "Tut mir leid, mehr weiß ich auch nicht. Ich hab keine Ahnung, was ich mit der ganzen Sache zu tun habe." "Ist schon okay", versicherte Toya ihr. "Aber eins ist sicher! Auch wenn Hiro nicht so dafür ist, aber ich werde euch beiden helfen, ganz egal wobei. Ihr seid meine besten Freunde." Lachend fügte sie hinzu: "Auch wenn ihr zwei blöde Idioten-Dämonen seid, die total auf dem Schlauch stehen." "Auf dem Schlauch stehen?", wiederholte Toya fragend. "Wieso?" Wieder musste Mariko lachen. "Ha ha, na da müsst ihr schon noch selber drauf kommen", meinte sie.
 

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Das Aufprallen eines Basketballs ertönte in der Nacht. Regen prasselte hart auf die Dächer der Häuser von Tokio. Hiro's Klamotten klebten wie eine zweite Haut, klatschnass an ihm. Seine Haare verhinderten ihm die Sicht. Und dennoch traf er immer wieder in den Basketballkorb, der über dem Garagendach angebracht war. Es war ziemlich kalt. Eindeutig zu kalt, um mit T-Shirt, mit durch und durch nassem noch dazu, mitten in der Nacht Basketball zu spielen. Das einzige Licht, dass er zur Verfügung hatte, war der automatische Bewegungsmelder der Einfahrt.

"Geh schon! Oder willst du mich auch töten?", hallte es immer wieder in seinem Kopf. "Bitte, wenn er mich los haben will...", dachte er. Er warf den Ball gegen das Garagentor. "...dann hätte er das auch gleich sagen können." Der Ball flog zurück in seine Hände. "Dämlicher Idiot!" Das Metall, aus dem das Netz des Korbes bestand, gab ein klirrendes Geräusch von sich, als der Ball in den Korb traf. "Wenn er unbedingt draufgehen will... von mir aus." Er knallte den Ball erneut mit voller Wucht gegen die Wand. Er prallte ab und rollte auf die Straße. "Du kannst mich mal, Toya!", schrie Hiro. "Du kannst mich kreuzweise, du dämlicher Idiot!" "Idiot!", schallte das Echo der Nacht zurück. Hiro sank auf dem nassen Asphalt in die Knie. "Genau", murmelte er. "Idiot..." Er strich sich die Haare aus dem Gesicht. "Ich bin der größte Vollidiot aller Zeiten..."
 

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Toya lag schlafend auf dem Sofa im Wohnzimmer. Da Yue in seinem Bett lag, hatte er sich hier hingelegt. Mariko saß in eine Decke eingewickelt auf dem Sessel neben ihm. "Er muss ganz schön erschöpft sein", dachte sie. Trotz all der Aufregung hatte letztendlich die Müdigkeit über ihn gesiegt. Mariko hingegen bekam kein Auge zu. Nicht jetzt, wo sie wusste, dass Yue noch immer bewusstlos da oben lag. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, wenn er aufwachen sollte. Es war sowieso von Anfang an eine bescheuerte Idee gewesen, ihn hierher zu bringen. Klar, Garasu hatte seine Hände im Spiel. Warum sonst, sollte Yue denken, Toya hätte Sumi getötet? Aber wie sollten sie ihm vom Gegenteil überzeugen? "Masa...", flüsterte Toya. Mariko fuhr erschrocken hoch. Sie blickte zu Toya hinüber. Seine Augen waren immer noch geschlossen. "Nein, Masa!", wisperte er und wälzte sich von eine Seite auf die andere. Mariko seufzte. "Was soll ich bloß mit den beiden machen?", fragte sie sich selbst.
 

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Es war Montag Morgen. Toya war gerade dabei, sich für die Schule fertig zu machen. Yue lag noch immer regungslos da. Wie eine lebende Leiche. Es war Toya wirklich nicht recht, ihn alleine zu Hause zu lassen. Andererseits war er seit zwei Tagen bewusstlos. Wie hoch standen die Chancen, das er gerade jetzt, wenn Toya in der Schule war, aufwachen würde? Unsicher nahm Toya seine Schultasche und verließ das Zimmer. Er hatte nicht einmal die Hausaufgaben gemacht. Ach was, Hiro hatte schon viel öfter keine gehabt. Wenn Toya sie einmal nicht hatte, würde es schon nicht so schlimm sein. Vielleicht konnte er bei Mariko abschreiben. Seine Eltern kamen erst heute abend nach Hause. Bis dahin musste er sich etwas einfallen lassen. Was sollte er mit Yue anstellen? Er dachte den ganzen Weg zur Schule darüber nach, doch es wollte ihm keine Lösung einfallen. Als er an der Straßenecke vorbei kam, an der er sonst immer auf Hiro wartete, hatte er ein mulmiges Gefühl im Magen. Es war komisch, einfach weiter zu gehen.
 

Er öffnete die Tür zum Klassenzimmer. Noch nicht viele Schüler waren da. Er war viel früher hier, als sonst. Mariko saß verschlafen auf ihrem Platz. "Morgen", begrüßte Toya sie. "Morgen", murmelte Mariko. "Gibt's was Neues?" Toya schüttelte den Kopf. "Nichts", seufzte er. "Könnt ich nicht seinen Puls fühlen, würd ich sagen, er ist tot." "Wir hätten ihn gleich ins Krankenhaus bringen sollen", meinte Mariko. "Ach ja, und was sollten wir denen deiner Meinung nach sagen? Sorry, aber dieser Dämon wollte mich umbringen, also hat ein anderer Dämon ihm ein Katana rein gerammt?! Ich glaub nicht, dass das so gut gekommen wäre." "Auch wieder wahr", seufzte Mariko.
 

Toya blickte sich im Klassenraum um. Als Mariko seinen suchenden Blick bemerkte, sagte sie: "Er ist nicht hier." Toya zuckte zusammen. "Äh, ich... äh...", stotterte er, doch er konnte wohl nicht abstreiten, dass er nach Hiro Ausschau gehalten hatte. "Es würde mich wundern, wenn er hier wär", fuhr Mariko fort. "Hast du schon mal auf die Uhr geschaut, wie spät ihr sonst immer kommt? Er wird wahrscheinlich wieder die Versammlung verschlafen." "Hmm", murmelte Toya. Mariko versuchte zwar, ihn zu beruhigen, aber obwohl es nichts seltenes war, wenn Hiro zu spät kam. Heute machte sie sich trotzdem Sorgen. "Er wird sich doch wohl nichts angetan haben", dachte sie. "Dem trau ich alles zu." "Guten Morgen", sagte ihr Lehrer, als er in die Klasse kam. Wie jeden Morgen, gingen die Schüler mit ihrem jeweiligen Klassenlehrer in die Aula zur morgendlichen Besprechung.
 

Nach dieser wurde die Anwesenheitsliste überprüft. "Masanaru Hiro?" Stille. "Hätte mich gewundert, wenn der mal pünktlich wäre", maulte der Lehrer. "Mag bezweifeln, dass der krank ist. Kommt bestimmt nur wieder zu spät."
 

Und tatsächlich ging in diesem Moment die Tür auf. Toya hielt unbewusst die Luft an. Völlig außer Atem stand, keuchend, Hiro im Türrahmen. "Tut mir leid", schnaufte er. Der Lehrer seufzte. "Ja ja, schon gut. Setzt dich einfach." Wortlos trottete Hiro zum einzig freien Platz im Klassenzimmer. Und das war der neben Toya. Es war das erste mal, seit Toya sich erinnern konnte, dass er es absolut nicht genoss, dass Hiro neben ihm saß. Vielleicht gerade deshalb, weil er es zu sehr genoss. Hiro sagte keinen Ton. Kein "Guten Morgen"... gar nichts. Toya hörte nur seinen noch immer schnelleren Atem neben sich. Er musste mal wieder verschlafen haben und den ganzen Weg bis hier her gerannt sein. Allein das Geräusch, das schnelle Atmen seines Freundes brachte Toya's Puls ebenfalls zum rasen. "Macht mich das etwa an?", dachte er knallrot. Er senkte den Kopf, so dass seine Haare sein Gesicht bestmöglich verdeckten. "Das ist ja pervers!"
 

Noch nie war Toya so glücklich gewesen, als es endlich läutete. Normalerweise ging er ganz gern zur Schule, weil er hier Mariko und Hiro sehen konnte, aber heute war einfach ein grauenvoller Tag gewesen. Mariko musste sich genau so furchtbar gefühlt haben. Schließlich stand sie zwischen den Fronten und wusste nicht, was sie tun sollte. "Gehen wir zusammen nach Hause, Mariko?", fragte Toya sie, als sie auf den Hof vor der Schule gingen. "Ich hab doch heute Klassensprecherversammlung, schon vergessen?", antwortete Mariko. "Ach ja, stimmt ja..." Toya hatte es wirklich vergessen. "Hiro muss nachsitzen", flüsterte Mariko ihm zu. "Vielleicht kann ich mal mit ihm reden." Toya schüttelte den Kopf. "Nein, lieber nicht. Ich will nicht, dass er am Ende auf dich auch noch sauer ist. Trotzdem, danke. Also, bis Morgen." "Ja, ähm, Toya?", rief Mariko ihm nach. Toya drehte sich zu ihr um. "Was?" "Wenn was mit Yue ist, ruf mich an, ja? Und wenn du Hilfe brauchst, wegen deinen Eltern auch!" "Danke", sagte Toya lächelnd.
 

"Ja, wenn er bis heute Abend nicht aufwacht, weiß ich nicht, was ich machen soll", dachte Toya noch auf dem nach Hause Weg.
 

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"Sakasa!", rief plötzlich jemand. Toya blieb stehen und drehte sich um. Ein Mädchen kam auf ihn zu gerannt. Es war dasselbe, mit dem Mariko zusammengestoßen war. Die, die mit Yue in der Spielhalle gewesen war. "Hallo! Ähm, tut mir leid", sagte sie. "Ich hab vorhin gehört, wie du mit diesem Mädchen über Yue geredet hast." "Ähm, ja?", antwortete Toya. Woher wusste dieses Mädchen eigentlich, wie er hieß? Er kannte sie doch kaum. "Weißt du, wo er ist? Ich mache mir Sorgen, weil er nicht in der Schule war." "Ähm, nein", log Toya. "Ich weiß es auch nicht. Ich kenn den Typ ja gar nicht weiter." "Ouh, dann... entschuldige bitte. Ich dachte nur... egal. Bis irgendwann!" Und mit diesen Worten rannte sie davon. "Wie kommt sie auf die Idee, dass ich ihn kenne? Hat er ihr etwas erzählt?"
 

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Das Mädchen rannte um die Ecke und blieb dann stehen. "Verdammt", murmelte sie und biss sich auf die Unterlippe. "Hätte er nicht einfach die Wahrheit sagen können? Ich konnte ja nicht einfach fragen, ob ich mit zu ihm kommen und Yue besuchen durfte. Dann hätte er sich gewundert, woher ich weiß, dass Yue bei ihm ist. Es darf nicht auffliegen. Noch nicht."
 

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Toya schloss müde hinter sich die Haustür. Er hatte die letzten Nächte nicht besonders viel geschlafen. Das Sofa war ja auch nicht halb so bequem wie sein Bett. Er zog die Schuhe aus und ging die Treppen nach oben. Als er die Zimmertür geöffnet hatte, ließ er erschrocken seine Schultasche fallen. Yue, der auf dem Bett saß, und den Kopf mit den Händen auf den Knien abstützte, blickte auf. Toya's Puls raste. Er konnte keinen Muskel in seinem Körper bewegen. "Toya", sagte Yue nur. Seine Stimme klang schwach und leise. Toya zitterte.
 

"Yue...", wisperte er. "Bitte... hör mir zu, ich..." "Nein", unterbrach Yue ihn. "Es ist vorbei. Er... hat mich nicht mehr unter Kontrolle." "Was?", sagte Toya erschrocken.
 

Erst jetzt fiel ihm auf, dass Yue seine Kette mit dem roten Stein, in der Hand hielt. "Das... war mal meine", sagte Yue, als er Toya's Blick bemerkte. "Ich hab sie dir damals geschenkt. Sie ist sehr wertvoll, weißt du?
 

...Beinahe hätte ich dich getötet... Dabei waren du UND Sumi..." Er wandt den Blick von Toya ab. Wie verzweifelt er aussah. "Ihr beide wart für mich die wichtigsten Menschen auf der Welt. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass ich einen von euch verloren habe, nein, da lass ich mir auch noch von Garasu einreden, dass DU sie getötet hättest. Lächerlich!"
 

"Yu...e", wisperte Toya, den Tränen nahe. In Gedanken sagte er sich selbst: "Ich bin wirklich eine Heulsuse." "Dabei würdest du nicht mal 'ner Fliege was antun, Brüderchen. Was so 'ne Gehirnwäsche alles bewirken kann..." "Also doch!", dachte Toya. "Garasu hatte ihn kontrolliert. Nur deswegen war er so gewesen." Er wusste nicht, wodurch Yue von Garasu's Kontrolle befreit worden war, aber es war ihm in diesem Moment egal. So sehr er es auch versuchte, er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten.
 

"Yue", schluchzte er, rannte zu seinem Bruder und fiel ihm in die Arme. Yue legte tröstend die Arme um ihn. "Aua, nicht so fest", jammerte er. "Ich bin immer noch verletzt." "Oh, tut mir leid", entschuldigte Toya sich und ließ ihn wieder los. "Ich bin bloß so froh, dass du wieder ganz der Alte bist." "Mir tut's leid", seufzte Yue. "Was ich dir angetan hab. Ich wollte das nicht, bitte verzeih..." "Ach was", unterbrach Toya ihn. "Es war ja nicht deine Schuld."
 

"Sag mal, wo ist Hiro?" Toya zuckte zusammen. "Er...", murmelte er. "Ist nicht da. Keine Ahnung, wo er ist." "Hmm? Komisch. Das ist das erste mal, dass ich mitkriege, dass ihr beide nicht zusammenklebt." Toya schwieg. "Ich muss mich doch bei ihm bedanken." "Bedanken?", wiederholte Toya fragend. Yue zeigte auf seine Verletzung. "Na dafür! Wer weiß, ob ich je Garasu's Gedankenkontrolle entkommen wäre, wenn er mich nicht verletzt hätte." Toya verstand nicht ganz, was Yue meinte. "Als ich bewusstlos war, kamen mir plötzlich die Erinnerungen, die Garasu mir verdreht hatte. Offenbar hatte er keine Möglichkeit in dieses Haus einzudringen und mich erneut zu hypnotisieren. Weißt du, er hat mir seinen Namen angedreht, um die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. In der Gestalt, die er im Moment hat, hättet ihr ihn niemals erkannt." "Wieso?", fragte Toya.
 

"Ihr seid ihm schon begegnet. Dieses Mädchen, sie nennt sich Akari Usami, sieht ganz nett aus und wirkt wie ein kleines, schüchternes Mädchen. Garasu hat seine Rolle wirklich gut gespielt. "Das... war Garasu?", fragte Toya verwirrt. Im wurde Angst und Bange, wenn er daran dachte, dass er vor weniger als einer halben Stunden noch mit ihr, oder besser, mit ihm, geredet hatte. "Aber wieso versteckt er sich?", wollte er wissen. "Er wollte mich benutzen, um dich zu töten. Und danach mich töten", erklärte Yue. "Mit mir als Marionette hätte er nur die halbe Arbeit gehabt und außerdem fürchtet er Hiro." "Was? Ich dachte, er wär so stark..." "Das ist er auch", unterbrach Yue ihn. "Aber Hiro hat seine Pläne schon einmal durchkreuzt. Klar, dass er ihm jetzt lieber aus dem Weg geht." "Hmm, auch wieder war", murmelte Toya. "Also, solange du in Hiro's Nähe bleibst, stehen die Chancen ganz gut, dass er dich nicht angreift", meinte Yue. "Das ist jetzt leider nicht mehr so leicht", seufzte Toya. Yue blickte ihn fragend an. "Wieso das denn?" Toya seufzte. Auch wenn er eigentlich überhaupt keine Lust dazu hatte, begann er doch widerwillig, zu erzählen.
 

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"Masa!", rief Mariko, als sie Hiro über den Schulhof gehen saß. Die Klassensprecherversammlung war vorbei. Hiro's Nachsitzen scheinbar auch. "Na, hat dich Sewaru sehr hart dran genommen?", fragte Mariko ihn. Hiro gab ein leises Gebrummel von sich, welches man als "Ja" auffassen konnte. "Hör mal", begann Mariko vorsichtig. "Toya geht's echt mies." "Echt?", fragte Hiro. Dann sagte er: "Schön", und kehrte Mariko den Rücken. "Ach komm schon, Hiro!", drängte diese weiter und lief ihm nach. "Wieso könnt ihr euch nicht wieder vertragen? Streit ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können." "Das kannst du ja dem sagen, der sich freiwillig von seinem Bruder abschlachten lässt!", fuhr Hiro sie an und ging davon. "Ach Hiro", seufzte Mariko. Sie wusste, dass es nichts bringen würde, ihm noch einmal nachzulaufen. "Wieso müsst ihr beide es nur noch komplizierter machen?"
 

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In der Zwischenzeit hatte Toya Yue von ihrem Streit erzählt. "Mensch, seid ihr kitschig", meinte dieser kopfschüttelnd. "Was denn?", erwiederte Toya empört. "Ich hab's für DICH getan! Nur weil er dir..." "Und wenn ich jetzt sage, geh zu ihm und entschuldige dich", sagte Yue. "Tust du das dann auch?" Toya antwortete nicht. "Was ich sagen will, ist... Hör mal, ihr seid doch die besten Freunde Seit ich denken kann, wart ihr unzertrennlich. Ich war manchmal genau so eifersüchtig, wie du auf Sumi. Ich dachte, er nimmt mir noch glatt meinen kleinen Bruder weg. Aber ich will nicht, dass ihr euch meinetwegen zerstreitet." "Aber...", murmelte Toya. "Er mag mein Freund sein, aber er kann mir doch nicht meinen Bruder ersetzen! Ich konnte doch nicht zulassen, dass er dir was antut. Ich brauche dich doch!" Wieder fiel er Yue in die Arme. "Hey, is ja gut. Ich verspreche dich, ab jetzt bleib ich bei dir, ja? Aber dafür versprichst du mir, dass du dich mit Hiro wieder verträgst, okay?" Toya gab nur ein Schniefen von sich.
 

"Du brauchst ihn doch auch, oder?" ... "Hey, gib's schon zu, Brüderchen!", meinte Yue lachend und wuschelte Toya durchs Haar. "Hmm", brummelte Toya. "Na also, geht doch!" "O-nii-san", sagte Toya und nahm die Kette, die auf dem Bett lag in die Hand. Er legte sie Yue um den Hals. "Nimm DU sie wieder", sagte er. "Damit du nicht wieder vergisst, auf wessen Seite du stehst." Yue lächelte. "Mach ich schon nicht", versicherte er. "Deine Augen", begann Toya. "Als du unter Garasu's Kontrolle standest, war dein linkes Auge weiß." Er blickte in Yue's dunkle, fast schwarze Augen. "Hmm, wird wohl daran liegen, dass Garasu selbst ein weißes Auge hat. Schau, die Krähenfedern sind auch weg." Das war Toya noch gar nicht aufgefallen. Dass sein Bruder nun nicht mehr diese Federn in den schwarzen Haaren hatte. "Ja, stimmt", sagte er. "Ich bin froh, dass du wieder du selbst bist, O-nii-san." "Und ich erst", meinte Yue lachend.
 

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Nachdem die beiden Geschwister sich noch eine ganze Weile unterhalten hatten, stand Yue plötzlich auf. "Ich sollte jetzt gehen", sagte er. "Deine Eltern kommen doch heute abend wieder." "Sie sind nicht wirklich meine Eltern", widersprach Toya. "Hier auf der Erde schon. Und sie kennen nur dich als ihren Sohn, also geh ich jetzt." Toya folgte ihm die Treppen nach unten. "Wir sehen uns Morgen in der Schule", sagte Yue und öffnete die Haustür. Doch bevor er gehen konnte, hielt Toya ihn zurück und legte die Arme um ihn. "Lass mich bloß nie wieder im Stich, klar?", sagte er. "Klar Bruder", versicherte Yue ihm. "Keine Sorge, ich lauf dir schon nicht weg. Bis Morgen." "Ja", seufzte Toya. "Bis dann." Die Haustür fiel hinter Yue zu. "Und was, wenn Garasu ihn sich jetzt wieder krallt?", dachte er. Ja, das war wirklich seine größte Angst. Er hatte ihn einmal verloren. Noch einmal würde er es nicht ertragen.
 

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Es war am nächsten Morgen. Kurz nach dem Lehrer kam Hiro schnaufend in die Klasse getorkelt. Noch bevor er eine Erklärung für sein zu spät kommen, abgeben konnte, murmelte ihr Lehrer: "Ich weiß, ich weiß. Setz dich hin." "Der Lehrer hat ihn auch schon aufgegeben", meinte das Mädchen, das hinter Toya saß, kichernd. Sie verstummte jedoch sofort, als Hiro sich auf seinen Platz neben Toya setzte.
 

"Also, schlagt bitte euer Buch auf Seite achtzehn auf", sagte der Lehrer. Toya blätterte geistesabwesend in seinem Buch herum.
 

Er war so froh, dass die Sache mit Yue wieder ins Reine gekommen war, dass er gar nicht mehr über den Streit mit Hiro nachgedacht hatte. Aber im Unterricht konnte er sich davor nicht verschließen. Schließlich saßen er und Hiro nebeneinander. Und wie auch am gestrigen Tag wurde er auch nun wieder knallrot. "Das bringt mich noch um", dachte er. "Was bringt mein Herz nur so zum rasen, wenn ich ihn nur sehe?!" "Toya", flüsterte Hiro plötzlich. Toya zuckte zusammen. "Was? Äh,... ich hab nicht... ich meine, ich wollte nicht...", stotterte er. Hiro blickte ihn fragend an. Toya erwiederte seinen Blick nicht, sondern starrte in die genau entgegengesetzte Richtung. "Mist, er muss gemerkt haben, dass ich rot geworden bin." "Ich muss mit dir reden", flüsterte Hiro. Toya riss die Augen auf. "Masanaru!", ertönte die wütende Stimme ihres Lehrers. "Wenn du schon jeden Morgen zu spät kommst, dann hör wenigstens auf, den Unterricht zu stören!" "Jahaa", maulte Hiro und flüsterte Toya noch zu: "Nach der Schule."
 

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Es war in der Mittagspause. Toya saß an seinem Tisch im Klassenzimmer. Hiro saß auf dem Fensterbrett bei ein paar Jungs. Sie unterhielten sich und aßen ihre Pausenbrote. Am liebsten hätte Toya gleich jetzt mit ihm geredet. Was er ihm wohl sagen wollte? Toya betete, dass er ihren Streit beenden würde. Mariko saß auf Toya's Tisch. "Mach nicht schon wieder so ein Gesicht", sagte sie. Sie hatte ihm nicht erzählt, dass sie gestern doch mit Hiro gesprochen hatte. Genauso wenig hatte Toya ihr gesagt, dass Hiro mit ihm reden wollte. "Yue ist wieder ganz der alte, das ist doch toll", fuhr Mariko fort. Alles was mit Yue vorgefallen war, hatte er ihr allerdings schon erzählt. Nur reichte ihm das noch nicht so ganz. Er hätte es so gerne Hiro gesagt.
 

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Plötzlich ging ein Raunen durch die Bänke. "Was will DER hier?", fragte ein Mitschüler. "Toya!", flüsterte Mariko und stupste ihn an. Toya drehte sich zur Tür um, zu der alle anderen auch blickten. "'tschuldigung, dass ich euch beim Essen störe", sagte Yue lächelnd und ging zu Toya. Hiro sprang vom Fensterbrett auf. Er wollte schon los rennen, hielt dann jedoch inne. "Morgen, Brüderchen", sagte Yue. "Was willst du hier?", fragte Toya überrascht. "Na hör mal, gestern hast du dich aber wesentlich mehr über meine Anwesenheit gefreut", erwiederte Yue empört. "Du erweckst viel zu viel Aufsehen", murmelte Toya und zog Yue am Hemdkragen näher heran, so dass er nicht so laut sprechen musste. "Weißt du, du hast keinen besonders guten Ruf hier an der Schule."
 

"Tut mir leid, aber ich wollte dir nur noch meine Adresse geben, Brüderchen. Das hab ich gestern vergessen und ich wusste nicht, ob ich dich nach der Schule sehe, also dachte ich..." "Und nenn mich in der Öffentlichkeit nicht Bruder!", unterbrach Toya ihn. "Muss ja nicht jeder wissen. Da würden nur wieder zu viele Fragen aufkommen." "Ja ja, schon gut", maulte Yue und drückte ihm einen Zettel in die Hand. "Ich geh ja schon wieder. Ach übrigens:..." Er senkte die Stimme. "Sie ist heute nicht in der Schule." Er erhob sich und trat vom Tisch zurück. "Schönen Tag noch." Und damit war er auch schon verschwunden, so plötzlich wie er gekommen war.
 

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"Wow", seufzte Mariko und blickte noch immer zur Tür. "Der is ja richtig süß!" Toya verdrehte die Augen. "Lass es lieber, Mariko", murmelte er. Und stopfte den Zettel mit Yue's Adresse in seine Tasche. "Wen meint er mit SIE?", wollte Mariko wissen. "Na Garasu, wen sonst", antwortete Toya. "Oder besser Akari Usami." "Ach so", sagte Mariko.
 

Hiro starrte unverwandt zu ihr und Toya herüber. "Was geht hier vor sich?", dachte er. "Wieso taucht DER plötzlich hier auf?"
 

Nach der Schule gingen sowohl Toya, als auch Hiro und Mariko zu ihren jeweiligen AGs. Toya hatte Büchereidienst. Er war gerade dabei einige Bücher, die Schüler zurück gegeben hatten, einzusortieren, als ein zierliches, blondes Mädchen auf ihn zukam. "Hey, Sakasa", sagte sie. "Ja, was ist?", fragte Toya. "Masanaru hat sich letzte Woche ein Buch für ein Referat ausgeliehen, aber er hätte es schon längst wieder abgeben müssen." "Typisch", dachte Toya. "Kannst du nicht kurz rüber zum Fußballplatz gehen und ihn darauf ansprechen? Die haben doch gerade Training, oder?" Toya senkte schweigend den Kopf. "Du bist doch mit ihm befreundet, oder? Tu mir den Gefallen", bat das Mädchen ihn. "Du weißt doch, dass ich ihn mag... Ich trau mich nicht ihn selber anzusprechen", murmelte sie. Ihre Wangen waren gerötet. "Der hält mich doch sicher für 'ne Streberin, wenn er mitkriegt, dass ich in der Bücherei-AG bin."
 

Irgendwie gefiel Toya es überhaupt nicht, zu hören, dass sie Hiro mochte. Wie kam sie nur darauf? Sie kannte ihn doch nur vom Sehen. "Von mir aus", murmelte er und stand auf. "Dann ordne du die hier wieder ein", er drückte ihr einen Stapel Bücher in die Hand. "Da...danke, Sakasa!", sagte das Mädchen, offenbar sehr erleichtert. "Weißt doch, dass ich ihn mag", wiederholte Toya auf dem Weg. "Pah..."
 

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Er ging Richtung Fußballplatz, als ihn plötzlich jemand rief: "Toyaaa!" Der Angesprochene drehte sich um. Im Gras unter einem Baum saß Mariko und winkte ihn heran. "Hey, was machst du hier?", fragte er sie. "Na, wonach sieht's denn wohl aus?", fragte Mariko. Neben ihr saßen im Gras verteilt noch ein paar anderer Mädchen. Alle vor einer Staffelei. "Ich male", sagte Mariko und zeigte ihm ihr Bild. "Stimmt, du hast Kunst-AG." "Ja, wir sollen eine Herbstlandschaft malen und ein paar von uns haben die Lehrerin gefragt, ob wir uns dazu hier raus setzen dürfen. Da hat man die Herbstlandschaft ja praktisch vor den Augen. Und was machst du hier?" "Ich geh runter zum Fußballfeld... zu Masa." "Ooouuh", sagte Mariko und blickte ihn grinsend an. "Na, Ehekrach beendet?" "Ach, sei doch ruhig", maulte Toya und in Gedanken fügte er hinzu: "Was heißt hier eigentlich Ehekrach?" "Ich soll an ein Buch erinnern, dass er sich ausgeliehen hat", erklärte er. "Was?", meinte Mariko kichernd. "Der Typ kann lesen?" "Wie gemein du manchmal bist", sagte Toya lachend. "Also, bis später." "Ja, bis dann!"
 

Gerade als Toya den Hügel herunter gelaufen war und vor dem Fußballfeld stand, ertönte ein Pfiff. "Tooor!", schrie eine Stimme. "Spitzen Schuss, Masanaru!" Toya musste lächeln. Ja, das war Hiro wie man ihn kannte. Er war ein klasse Spieler. Und er machte dazu noch eine wahnsinnig gute Figur dabei. "Was denk ich denn da schon wieder?", schimpfte Toya mit sich selber. Wieder ertönte der Pfiff des Sportlehrers. "Okay, das ist genug für heute", rief er der Mannschaft zu. Toya lief zur Umkleide. Dort konnte er Hiro später am besten abfangen.
 

Hiro drehte den Wasserhahn auf und hielt seinen Kopf darunter. Das kalte Wasser lief ihm bis ins Genick. Auch wenn es im Oktober nicht mehr so warm war, tat eine kleine Abkühlung nach dem Training gut. "Mach's gut, Masanaru", rief ein anderer Schüler Hiro zu. "Ja, bis demnächst." "War 'n spitzen Spiel." "Hey, willst du etwa wieder mit nassen Haaren heim laufen?", fragte ein anderer ihn. "Klar, is doch gut für die Abwehrkräfte." Der andere Junge lachte. "Du bist echt krass", sagte er und verließ die Umkleide. "Man sieht sich." "Ja, ciao!", rief Hiro ihm nach und trocknete sich mit einem Handtuch die Haare ab. Er war der letzte in der Umkleide. Heute ließ er sich mit Absicht lange Zeit. Er hatte wirklich keine große Lust, mit Toya zu reden, aber es musste sein. So wie das im Moment war, konnte es nicht bleiben. "Bin ich etwa aufgeregt?", dachte er und nahm seine Sporttasche über die Schulter. "Ach was, ich für mich schon auf wie ein kleines Mädchen."
 

Als er die Tür zur Umkleide öffnete, wäre er beinahe mit Toya zusammen geknallt. "Wouh, was machst DU denn hier?", fragte er. "Äh, ich,... ähm, wollte...", stotterte Toya. "Mist, ich hab doch schon fast auswendig gelernt, was ich sagen wollte", dachte er. "Wieso kriege ich jetzt wieder keinen Ton raus?" "Ich soll dich daran erinnern, dass du irgendein Buch abgeben musst", sagte er so schnell, dass er selbst kein Wort verstanden hatte. "Ouh, ach das. Ja, ich hab's dabei." Er wühlte in seiner Tasche herum. "Kannste gleich mitnehmen." Er drückte Toya ein Buch in die Hand. Es war irgend etwas über Geschichte. Es interessierte Toya nicht.
 

"Ähm,...", begann Hiro, nach einigen peinlichen Sekunden, in denen sie sich schweigend gegenüber gestanden hatten. "Du... wolltest mit mir reden?", half Toya ihm auf die Sprünge. "J... ja...", stotterte Hiro. "Also,... was ist mit Yue?" "WAS?", schrie Toya in Gedanken. Was ist mit Yue? Was ist mit Yue? DAS wollte er ihn fragen? Also bitte, das konnte ja wohl nicht sein ernst sein. "Er...erinnert sich wieder", sagte Toya so ruhig wie er nur konnte und lehnte sich gegen die Wand der Sporthalle. "Es war so, wie wir dachten. Garasu hatte in kontrolliert." "Dann ist also alles wieder in Ordnung...", murmelte Hiro. Was für ein trockenes Gespräch. Toya hasste es, doch er konnte es nicht ändern. Sein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub.
 

"Hör zu, Toya, ich...", begann Hiro. Es klang, als hätte er sich ganz schön überwinden müssen, den Mund aufzumachen. "E...es tut mir leid. Tut mir leid, dass ich dich so angeschrien hab, aber..." Er stand Toya gegenüber, schaute jedoch zu Boden. "Ich hatte so eine Wut auf Yue. Weißt du,... er ist dein Bruder. Er war dir immer so wahnsinnig wichtig. Wichtiger als alles andere. Er durfte immer bei dir sein. Und als er dann plötzlich in dieser Welt auf Garasu's Seite stand..." Wieder musste Hiro eine Pause machen, um Luft zu holen. "Ich konnte nicht verstehen, wie er so dumm sein konnte. Er wusste deine Zuneigung gar nicht zu schätzen. Und ich... ich hab mir den Arsch aufgerissen für dich und alles was ich zu hören bekam, war, ich solle verschwinden?!" Wieso musste er schon wieder so schreien? Es verstärkte nur das Schuldgefühl, dass Toya ständig in der Brust drückte. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand die Kehle zugeschnürt. Es schmerzte, als er versuchte, einen Ton über die Lippen zu bringen.
 

"Es... tut... mir...", wisperte er. Er fühlte sich, als würde er jede Sekunde verglühen. "tut mir...leid."
 

"Weißt du, es stimmt", fuhr Hiro fort. Er blickte noch immer starr auf den Boden. Sein Blick sah so verzweifelt aus. So hatte nicht einmal Toya, Hiro oft zu Gesicht bekommen. Der sonst so fröhliche Ausdruck auf seinem Gesicht. Wohin war er verschwunden? Er wirkte doch sonst immer so sorglos. "Ich kann es nicht abstreiten. Wenn Yue dir noch einmal zu nahe gekommen wäre,... Ich hätte ihn wahrscheinlich umgebracht. Es hat nichts damit zu tun, was meine Aufgabe ist, oder war. Es ist nur so, dass... Ich hab nichts gegen Yue. Im Gegenteil, ich mag ihn wirklich sehr und es wäre mir sicher nicht leicht gefallen, aber... Ich mag ihn nun mal nicht so wie dich. Du bist mein bester Freund." Seine Stimme bebte. Seine Worte klangen so unsicher. Als hätte er Angst vor jeder einzelnen Silbe, die er aussprechen musste. "Ich will dich nicht verlieren!", sagte er und packte Toya an den Schultern.
 

Toya's Herz schlug mit jeder Sekunde noch schneller. Er versuchte dagegen anzukämpfen, doch es ging nicht anders. Das rot seiner Wangen verblasste nicht. Die Berührung von Hiro's Händen, seine Worte... was war es, was Toya so reagieren ließ? Er wusste es nicht.
 

"Ich...", wisperte Hiro. Wieso klang seine Stimme auf einmal so leise? Hatte er nicht gerade noch wütend geschrien? "Ich kann nicht anders..." Was war das plötzlich für eine Spannung zwischen ihnen? Es verursachte regelrecht ein Kribbeln in Toya's Bauch. "Masa", hauchte er leise. Das Buch fiel aus seinen Händen auf den Boden. Er legte die Hände auf Hiro's Brust. Er wollte ihn von sich weg drücken. Das wollte er doch, oder? Also, wieso ging es nicht? "Wieso tun meine Hände nicht dass, was ich will?", dachte Toya panisch. Anstatt ihn wegzustoßen oder ihn zu schlagen, legte er nur sanft die Hände auf seine Brust! "Es... tut mir so leid", flüsterte Hiro ihm ins Ohr. Dann küsste er sanft seine Lippen. Toya stockte der Atem. Sein Puls raste. Seine Hände zitterten. Hiro's Hand streichelte ihm durchs Haar. Die andere umklammerte seine Hüfte. "Masa", wisperte er. Er wusste nicht, ob er es nur gedacht hatte, oder ob die Laute wirklich über seine Lippen gekommen waren. Noch immer spürte er die sanften Bewegungen von Hiro's weichen Lippen auf seinen eigenen. Er öffnete leicht den Mund, und ließ zu, dass Hiro's Zunge, die seine berührte. Wie sie, sie zärtlich kitzelte. Es fühlte sich einfach zu gut an. Er krallte die Finger in Hiro's Hemd. Ein leises Stöhnen entwich ihm. Ihr Kuss wurde immer intensiver. Hiro presste seine Lippen auf Toya's. Drückte ihn sanft an sich.
 

"Masa", stöhnte Toya leise und drückte ihn leicht von sich. Doch Hiro ließ nicht von ihm ab. Er fuhr mit der Hand unter Toya's Hemd. "Hör... auf", hauchte dieser. "Nicht... lass... das! ...Masa!"
 

Plötzlich war ein lautes "Klatsch" zu hören. "Was soll das?", schrie Toya, Hiro an, der auf den Boden blickend, ihm gegenüber stand und sich die Hand an die Wange hielt. "Bist du noch ganz dicht?", schrie Toya völlig fertig. Er hätte los heulen können. "Du hast sie ja nicht mehr alle! Wieso machst du so was? Du bist doch nicht wirklich... schwul, oder? Das ist ja ekelhaft! Es ist unnormal, also tu das ja nie wieder!" Er hob rasch das Buch vom Boden auf und rannte davon.
 

Hiro lehnte den Kopf gegen die kalte Steinwand. "Nein", murmelte er. "Ich bin nicht schwul." Seine Wange brannte. Auch wenn Toya viel schwächlicher war, als er. So fühlte sich die Stelle, wo er ihn geschlagen hatte, doch an, als würde seine Haut verbrennen. "Es ist also ekelhaft, ja?" Er musste lachen. Doch der Ausdruck seiner Augen passte nicht zu diesem Lachen. "Aber es hat dir gefallen, nicht,... Toya?"
 

Toya rannte bis hoch zum großen Schulgebäude. Er wusste nicht einmal, ob er dabei an Mariko vorbeigekommen war, oder ob sie schon gegangen war. Er konnte sich nicht erinnern, ob sein Herz jemals so schnell geschlagen hatte. Natürlich, es war nicht normal. Er hatte nur die Wahrheit gesagt. Aber dennoch... Er hatte etwas dabei empfunden. Und wie! Wenn Hiro unnormal war, dann war er es alle male.
 

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"Oh, da bist du ja wieder. Das hat aber lange gedauert", sagte das blonde Mädchen zu ihm, als er in die Bücherei kam. Außer ihnen beiden waren schon alle gegangen. "Hey was ist los?", fragte sie, als er das Buch einfach auf den Tisch knallte. "Ich geh jetzt", murmelte er nur und ließ sie einfach stehen. "Aber was...", wisperte sie. "Was hat er denn?"
 

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Eilig lief Toya nach Hause. Er konnte nicht mehr klar denken. "Wieso? Wieso macht er so was?", fragte er sich immer und immer wieder. "Das kann doch nicht sein! Dass Masa wirklich schwul ist... das glaub ich nicht. Okay, er hatte noch nie so 'ne richtige Freundin, aber er guckt doch jedem Minirock nach, der vorbeiläuft. Ich kenn ihn schon viel zu lange, und er hat nie... Nein, dass KANN nicht sein. Das wäre mir doch aufgefallen. Wieso benimmt er sich in letzter Zeit so komisch?" Er klingelte. Eine kleine, zierliche Frau mit orangerotem Haar öffnete die Tür. "Hallo Schatz", sagte sie. "Komm rein, das essen ist schon fertig." Wortlos trottete Toya an ihr vorbei. "Was ist los? Du wirkst so niedergeschlagen." "Ich fühl mich nicht gut. Ich... hab jetzt keinen Hunger", antwortete Toya und ging nach oben. "Hoffentlich wirst du nicht krank", murmelte die Frau. "Sie ist immer so nett zu mir...", dachte Toya. "Sie und auch Papa... Dabei sind sie doch gar nicht meine Eltern."
 

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Er lag in seinem Zimmer auf dem Bett. "Was ist eigentlich mit mir?", dachte er. "Wer weiß, was Masa sich dabei gedacht hat, aber was hab ICH mir gedacht? Warum hab ich ihn nicht gleich weggestoßen?" Er legte sich die Finger auf den Mund. Wieder schlug sein Herz schneller. "Wieso hab ich immer solches Herzklopfen? Es ist ja schon so, wenn ich ihn nur sehe, und vorhin, da..." In Gedanken lief diese Szene wie ein Film vor ihm ab. "Ich dachte, mein Herz würde explodieren." Er krallte die Hände in sein Kopfkissen. Tränen liefen über seine geröteten Wangen. "Shit, am Ende bin ICH noch schwul. Ich hab ja sogar zu Mariko gesagt, dass ich ihn... liebe. Ach was, so ein Schwachsinn! Das glaub ich nicht. Das kann gar nicht sein! Er verwirrt mich nur, das ist alles." Kurz darauf schloss er die Augen und schlief trotz der Aufregung, vor Erschöpfung sofort ein.
 

~tbc~

Domo arigato, Mariko!

"Yue", rief eine Stimme schon von weitem. Yue drehte sich um und erblickte das Mädchen, dass ich gerufen hatte. Sie stand am Haupteingang der Schule und lächelte Yue zu. Wortlos ging er auf sie zu. "Guten Morgen, Yue!", begrüßte sie ihn. "Was willst du noch von mir?", fragte Yue und blickte das Mädchen kritisch an. "Ich stehe nicht länger unter deiner Kontrolle." Das Mädchen grinste. "Schade, Yue-chan. Wirklich schade. Hättest du dich mir einfach untergeben, hätte ich dich nicht töten müssen. Aber nun musst du wohl mit ansehen, wie ich deinen Bruder töte." "Wage es nicht", fuhr Yue sie an. "Toya auch nur ein Haar zu krümmen!" "Yue, Yue, Yue", seufzt Akari, oder besser: Garasu. "Denkst du wirklich, du könntest mich aufhalten? Wie naiv du doch bist. Dabei hab ich dir so ein tolles Angebot gemacht. Du hättest leben können. Unter meiner Herrschaft versteht sich. Aber, bitte... wenn du unbedingt sterben willst..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Toya! Komm, schnell!", schrie Mariko und fuchtelte aufgeregt mit den Händen. "Was ist denn?", fragte Toya sie und rannte zu ihr. "Da schau!" Toya blickte Richtung Eingang, wo Mariko hindeutete. Erschrocken riss er die Augen auf, als er Yue und Akari Usami dort stehen sah. "Das darf doch nicht wahr sein", wisperte er. Natürlich dachte er sofort, Garasu hätte Yue erneut in seine Gewalt gebracht. Panik stieg in ihm auf. "Toya", fiepte Mariko verängstigt.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Du und dein Bruder", sagte Garasu. "Ihr seid die Einzigen, die mir noch im Weg stehen. Aber das wird sich bald ändern, glaub mir." Und mit diesen Worten kehrte er Yue den Rücken.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Yue!", rief Toya und rannte zu ihm. "Toya", schrie Mariko und rannte ihm nach. "Oh, Morgen, Toya-chan", sagte Yue lächelnd. "Tu nicht so scheinheilig!", fuhr Toya ihn an. "Was hattest du mit ihr, äh, mit ihm zu bereden?" Yue wuschelte seinem Bruder durchs Haar. "Immer locker bleiben, Brüderchen", sagte er. "Er hat mir nur gedroht... nichts besonderes." Plötzlich ertönte der Schulgong. "Ouh, jetzt komm ich auch noch zu spät", sagte Yue erschrocken. "Pass auf dich auf, Toya-chan!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In diesem Moment kam Hiro durch das Tor gerannt. Er sah Toya und Mariko hinter Yue ins Schulhaus spurten. "Pah, jetzt braucht er mich ja nicht mehr", sagte er zähneknirschend. "Jetzt wo er seinen geliebten Bruder wieder hat..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Was für ein beschissener Tag", dachte Hiro, als er in der dritten Stunde auch noch in Englisch an die Tafel geholt wurde. "Toya redet kein Wort mit mir, Mariko versucht vergeblich uns wieder zu versöhnen und die Vokabeln kann ich auch nicht. Na dann, auf in den Kampf..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Sag mal", begann Mariko, während sie ihr Lunchpaket auspackte. "Habt ihr gestern nicht mal geredet? Ich mein, du bist doch runter zum Fußballfeld gegangen. Da habt ihr doch sicher geredet, oder?"
 

Toya war gerade damit beschäftigt, die Mengen an Lunchpaketen, die irgendwelche Mädchen ihm mal wieder geschenkt hatten, unauffällig zu entsorgen. Okay, es mochte ja gut gemeint sein, aber so viel konnte unmöglich irgend jemand essen.

"Nö, ich hab nur das Buch geholt", log Toya. "Hiro hat ihr also nichts erzählt", dachte er. "Ist wohl besser so."

Mariko seufzte. "Ach Mensch, das ist so ätzend! Ich will nicht abwechselnd mit einem von euch beiden abhängen. Sonst waren wir doch immer zu dritt." "Du brauchst nicht meinetwegen auf seine Freundschaft zu verzichten", meinte Toya. "Ja, und er sagt, ich bräuchte nicht seinetwegen auf DEINE Freundschaft verzichten", erwiderte Mariko. "Bitte vertragt euch endlich wieder! Ich hab's echt satt!" "Pah, nachdem was gestern war...", dachte Toya. "...jetzt erst recht nicht."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In den letzten beiden Stunden hatten sie Sportunterricht. In diesen beiden Stunden kam Toya sich dämlicher vor, als je zuvor. Mariko war nicht hier, Hiro spielte mit den anderen Basketball und würdigte ihn keines Blickes und er... war der Auswechselspieler. Wie immer. Na ja, immer hin konnte er so Hiro zusehen, ohne dass es auffiel.
 

"Wieso hat der Typ eigentlich keine Freundin?", fragte er sich, während er den anderen Jungs, oder besser, Hiro beim Spielen zusah. "Er sieht doch wirklich gut aus. Seine verwegene Frisur, die grünen Augen... dieses Pokerface... und dann dieser Körper..." Toya wurde rot. Er wandt den Blick ab. "Shit, was denk ich da schon wieder? Hör schon auf, Toya!"
 

Er blickte auf die Uhr gegenüber an der Wand der Sporthalle. Der Unterricht war fast vorbei. Der Schlusspfiff des Sportlehrers beendet die Stunde kurz darauf. "Ihr könnt euch umziehen gehen", sagte er.
 

Gerade wollte Toya aufstehen und aus der Halle gehen, als sein Lehrer ihn zurück hielt. "Immer langsam, Sakasa", sagte er. "Du hast heute nicht mal mitgespielt. Dafür hilfst du jetzt wenigstens beim Abbau." Toya seufzte, gehorchte seinem Lehrer jedoch ohne Widerworte. "Als ob ich daran Schuld wäre, dass ich nicht spielen konnte", dachte er. "ER hat mich doch nicht spielen lassen." Obgleich er wusste, dass das nur ein Vorwand gewesen war, ärgerte es ihn ziemlich. Sein Sportlehrer konnte ihn nie besonders gut leiden. Er konnte grundsätzlich niemanden leiden, der kein guter Sportler war. Deshalb war er auch einer der wenigen Lehrer, der Hiro in den höchsten Tönen lobte.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Halt, Mariko! Was rennst du denn so?", rief eines der Mädchen aus ihrer Klasse, Mariko nach. "Ich hab noch was Wichtiges zu erledigen", rief diese zurück, ohne dabei stehen zu bleiben.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Sakasa", rief der Sportlehrer Toya zu, der gerade aus der Halle ging. "Was denn noch?", maulte Toya leise. "Ich muss schnell rüber, der Herr Direktor will mich sprechen", sagte der Lehrer. "Hier ist der Schlüssel. Sei so nett und schließ die Umkleide ab, wenn du fertig bist." Er drückte Toya einen dicken Schlüsselbund in die Hand und hastete davon. "Bring mir den Schlüssel später hoch ins Lehrerzimmer", rief er noch. "Ja ja", murmelte Toya und ging zur Umkleide.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Toya!", rief Mariko, als sie Toya erblickte. Toya drehte sich um. "Mariko? Was machst du hier?" "Ich hab mich extra mit umziehen beeilt", keuchte sie völlig außer Puste. "Und wieso?", fragte Toya. Sie griff nach dem Schlüssel in Toya's Hand und öffnete die Tür zur Umkleide. "He... hey, Mariko. Was soll das? Da darfst du nicht rein. Das ist doch die Jungenumkleide..." "Ach was, das geht schon in Ordnung", meinte Mariko und gab Toya einen Schubs, so dass er rückwärts auf den Boden der Umkleide knallte. "Au! Mariko, was soll der Scheiß?" Mariko lachte. "Die Jungs sind schon alle rüber zur Schule gegangen", sagte Mariko. "Alle bis auf dich und den, der sowieso immer trödelt." "Was?", fragte Toya verwirrt. "Was meinst du...?" Doch Mariko antwortete nicht. Statt dessen knallte sie die Tür vor Toya's Nase zu und drehte den Schlüssel im Schloss um. "Hey! Mariko!", schrie Toya und sprang auf die Füße. "Mariko! Was soll der Scheiß?!" Er rüttelte am Türgriff, doch die Tür war fest verschlossen.
 

"Hey", hörte er plötzlich eine Stimme. Als er sich umdrehte, stand Hiro hinter ihm. Seine Haare waren nass und alles was er trug, war das Handtuch, dass er sich um die Hüfte gewickelt hatte. Toya wurde rot. Rasch drehte er sich wieder zur Tür um. "Was is hier los?", fragte Hiro.
 

Von außerhalb der Umkleide ertönte Mariko's Stimme. "Aaah, wie ich höre, bist du endlich fertig mit Duschen, Masa?!", sagte sie. "Mariko?", fragte Hiro. Er drückte den Türgriff herunter. "Hey, was soll das denn werden? Mariko, mach die Tür auf!" Mariko lachte. "Hättest du wohl gerne, was?", kicherte sie. "Jetzt hab ich euch beiden Streithähne endlich da, wo ich euch haben wollte. Ich müsst mir wohl oder übel zuhören und zwar BEIDE!" Hiro seufzte. "Also schön, was willst du?", fragte er. Anscheinend kam er sich genauso dämlich vor, wie Toya. Schließlich redeten sie mit Mariko durch eine verschlossene Tür.
 

"Also, hört gut zu, denn ich sag's nur einmal", begann Mariko. "Ich hab so was von die Schnauze voll von euerem blöden Streit. Ich hab zwar nicht direkt mitgekriegt, worum es ging, aber es ist auf alle Fälle kein Grund, dass die zwei besten Freunde, die ich je gesehen hab, plötzlich kein Wort mehr miteinander reden. Und außerdem will ich euch BEIDE als Freunde. Sonst gab's euch doch auch immer nur im Doppelpack. Ich will, dass das so bleibt, kapiert? Und deshalb... werdet ihr jetzt wohl oder übel da drin bleiben müssen, bis ihr euch wieder vertragen habt!"
 

"Sag mal, hast du sie eigentlich noch alle?", schrie Hiro wütend.

Toya stand mucksmäuschenstill neben ihm und wusste nicht so recht, wohin er schauen sollte, um die Röte seines Gesichtes zu verbergen.
 

"Die Schule ist aus und heute habt ihr beide keine AG, also wird euch vor Morgen früh sicher niemand vermissen", fuhr Mariko fort. "Und bis eure Eltern auf die Idee kommen, euch HIER zu suchen, vergehen sicher Stunden." "Dafür wirst du 'ne Menge Ärger kriegen, das schwör ich dir!", schrie Hiro und rüttelte weiter an der Tür. "Na und?", erwiderte Mariko. "Das sind mir meine besten Freunde auf alle Fälle wert! Früher oder später wirst auch du aufgeben, Hiro, du dämlicher sturer Bock! Und du wirst dich jetzt gefälligst mit Toya aussprechen, klar?"
 

Hiro sagte nichts. Seit wann erteilte Mariko überhaupt Befehle?

"So, mehr hab ich euch nicht zu sagen. Jetzt müsst ihr selber sehen, was ihr daraus macht", endete Mariko. Mit einem mal trat Stille ein.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Mariko?", sagte Hiro. Keine Antwort. "Hey! Mariko?" Er hämmerte gegen die Tür. "Mariko! Bist du noch da? Hey, sag doch was!" Er trat mit dem Bein gegen die Tür. "Das darf nicht wahr sein!", schrie er. "Das glaub ich einfach nicht! Und was ist mit dir?" Er drehte sich zu Toya um, der sich mittlerweile auf eine der Bänke gesetzt hatte. "Wie kannst du nur so ruhig da sitzen und keinen Ton von dir geben?" Toya gab ihm keine Antwort. Er saß einfach nur da und starrte ins Leere.
 

Wie lange hatte Mariko das wohl schon geplant? Hatte sie ja echt geschickt eingefädelt. Und nun saßen sie hier fest. Und keiner von beiden wusste so recht, was er sagen, oder machen sollte.
 

"Hey, ich rede mit dir!", schrie Hiro Toya an. "Antworte gefälligst, oder ich..." "Wieso ziehst du dir nicht erst mal was an?", schlug Toya vor. Seine Stimme klang so ruhig. Beinahe schläfrig. Dabei war er in Wirklichkeit, alles andere als gelassen.

Hiro blickte an sich herunter. Er hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass er immer noch halbnackt da stand. "Ja", maulte er und krallte sich seine Klamotten. "Mach dich ruhig auch noch über mich lustig!" Und damit verschwand er um die Ecke, wo die Duschen waren.
 

Toya ließ den Kopf auf die angewinkelten Knie fallen. "Was soll ich nur machen?", fragte er sich selbst. "Ich... kann nicht mehr..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Mariko war auf dem Weg nach Hause. Sie konnte sich das Grinsen noch immer nicht verkneifen. "Hach, Mariko", sagte sie zu sich selbst. "Diesmal hast du dich wirklich selbst übertroffen..."
 

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Wenige Minuten später kam Hiro in Hemd und Hose aus dem Duschraum zurück. Auch Toya hatte sich in der Zwischenzeit umgezogen. Hiro setzte sich wortlos auf die Bank gegenüber von ihm.
 

Einige Minuten vergingen. Toya verlor völlig das Zeitgefühl. Wie spät es wohl war? Es konnten Minuten sein, oder aber auch schon Stunden. Toya hätte auf seine Armbanduhr schauen können, doch er wagte es nicht einmal, sich zu bewegen. Selbst das Aufprallen einer Nadel auf den Boden wäre ihm in diesem Moment so laut erschienen, wie ein Erdbeben.
 

"Hey", unterbrach Hiro plötzlich das Schweigen. Toya zuckte erschrocken zusammen. Er blickte vorsichtig auf. Hiro sah ihn fragend an. Toya wandte den Blick wieder ab. "Meinst du, es würd sich für mich lohnen, dass ich mit dir red?", fragte Hiro ihn. "Probier's", sagte Toya leise.
 

Wieder trat Stille ein. Doch diesmal nur für ein paar Sekunden.
 

"Sorry", murmelte Hiro. "Für die Sache mit Yue hab ich mich gestern schon entschuldigt. Du kannst von jemandem wie mir nicht verlangen, dass ich mich zweimal entschuldige. 'n bisschen Stolz hab ich auch noch." Toya antwortete nicht. "Und das Sorry, war für gestern", fuhr Hiro fort. Er blickte starr auf den Boden. Ebenso wie Toya.

"Ich... weiß auch nicht, warum ich das gemacht hab. Also weißt du,... du hast ja auch 'ne Statur wie 'n Mädchen und da kam es einfach über mich. Ich hab nicht weiter drüber nachgedacht, okay? Es... hat mir nichts bedeutet. Ich mein, ich bin ja nicht schwul oder so."
 

Toya spürte diesen ungeheuren Zorn in sich aufsteigen. Er wusste nicht einmal warum. "Hätte ich mir ja gleich denken können", dachte er. Das Bild der Umkleide verschwamm vor seinen Augen. Er versuchte, nicht zu zwinkern, damit die Tränen seinen Augen nicht entweichen konnten.
 

"Ich hab's natürlich nicht ernst gemeint", meinte Hiro weiter.

"Klar, ich hab auch nichts anderes erwartet", antwortete Toya in Gedanken. Aber wieso versetzten ihm Hiro's Worte dann nur so ein furchtbares Stechen im Herzen? Hatte er sich etwa gewünscht, es wäre anders? Unsinn!
 

"Vielleicht wollt ich ja auch nur einfach mal ausprobieren, wie es ist, 'nen Kerl zu knutschen. Na ja, es... is nichts Besonderes, denke ich."
 

"Halt endlich die Klappe!", schrie Toya. Hiro zuckte zusammen. Es war gerade zu eine Seltenheit, Toya schreien zu hören. Es hatte gut getan, es hinaus zu schreien, aber es hatte auch einen Nachteil mit sich gebracht. Nun hatte Toya seine Tränen nicht mehr unter Kontrolle. "Halt den Mund", schrie er und stand auf. "Ich will deine dämlichen Sprüche gar nicht hören!" "To...ya", sagte Hiro leise. "Ich bin doch nicht dein Versuchskarnickel! Und wenn du mal testen willst, wie man jemanden seziert, schneidest du mich dann auch auf?" Hiro blickte ihn entgeistert an. "Oder wenn deine Perversionen irgendwann so weit gehen, dass du 's mit 'nem Kerl treiben willst, vergewaltigst du mich dann?"

"Natürlich nicht, du dämlicher Idiot!", schrie Hiro und sprang ebenfalls auf. Er packte Toya an den schmalen Schultern und fuhr ihn an: "Du bist mein bester Kumpel! Dir weh tun, ist das letzte was ich will!" Toya sagte nichts. In diesem Moment fiel ihm auf, dass sie genau in dieser Pose auf gestern gestanden hatten. Kurz bevor... Hiro ihn... geküsst hatte. Er legte die Hand auf Hiro's Arm und drückte ihn von sich weg. "Dann...", wisperte er. "...tu's auch nicht!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Wieder blickte Toya auf seine Uhr. "Halb zehn", seufzte er. "Ich werd wahrscheinlich noch 'ne Woche länger nachsitzen müssen", sagte Hiro und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Schließlich wird Sewaru denken, ich hab Nachsitzen geschwänzt. Ich werd ihm jedenfalls nicht die Wahrheit sagen, sonst kriegt Mariko noch Ärger." Toya musste lachen. "Wie sozial du doch bist", meinte er. "Na hör mal", entgegnete Hiro. "Mariko is 'ne spitzen Schülerin. Es würd nur ihrem Image schaden, wenn sie Ärger bekäme. Bei mir fällt das doch eh nicht mehr auf."

"Sie hat das sicher geplant", sagte Toya. "Ich mein, dass sie sogar daran gedacht hat, dir das Handy aus der Tasche zu klauen." "Toll und du Streber hast deines natürlich nicht dabei." "Ich nehm's nie mit in die Schule, das weißt du doch! Wenn's im Unterricht los klingeln würde, gäbe es nur wieder Ärger." Hiro seufzte. "Deswegen macht man's ja aus." "Dann kann ich's auch gleich daheim lassen." "Hey, musst du eigentlich schon wieder alles besser wissen?", maulte Hiro. "Dabei haben wir uns gerade erst wieder vertragen." "Tut mir leid", entschuldigte Toya sich. "Das wollt ich nicht. Weißt du, ich war echt nicht gern mit dir zerstritten." "Hör bloß auf, dich auch noch zu entschuldigen, Blödmann!", sagte Hiro mürrisch. "Ich war schließlich der, der sich wie 'n Idiot benommen hat."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Plötzlich hörten die beiden ein klickendes Geräusch. Toya blickte auf. Hiro stand rasch von der Bank auf. Die Tür war offen. Im Türrahmen stand grinsend Mariko. "Na also", sagte sie zufrieden. "Geht doch. Warum nicht gleich so?" "Ha... hast du etwa gelauscht?", stotterte Toya. "Nur die letzten fünf Minuten. In der Zwischenzeit war ich daheim", erklärte Mariko. "Na warte, du kleine Kröte!", brüllte Hiro, schnappte sich seine Tasche und rannte aus der Umkleide. "Kyaaaa!", kreischte Mariko, ließ den Schlüssel fallen und rannte davon.
 

Toya nahm seine Tasche und schloss die Umkleide hinter sich ab. "Den Schlüssel muss ich wohl Morgen früh abgeben", seufzte er. "Jetzt ist das Hauptgebäude schon abgeschlossen." Er bog um die Ecke und sah Hiro, der Mariko zu Boden gekitzelt hatte. Er musste lachen.
 

Ja, es war wohl das Einfachste, die Sache zu vergessen. Und genau das nahm er sich in diesem Moment vor. Ab jetzt würden die Dinge wieder ihren normalen Lauf gehen.
 

"Hey, Toya", quietschte Mariko. "Hilf mir! Rette mich!" "Das hättest du wohl gerne!", meinte Hiro lachend und hob Mariko hoch. "Lass mich looos!", jammerte diese. "Ich schmeiß dich draußen in den Fluss", drohte er ihr. "Neeiiiiiin!" Natürlich wollte er ihr nur Angst machen. Da war Toya sich sicher. Sie wirklich in den Fluß schmeißen, das würde er nie tun.
 

Toya verließ nach den beiden die Sporthalle und schloss die Haupttür ab. Als er so sah, wie Hiro mit Mariko herumalberte, wurde er richtig neidisch. Ihn würde er nie so in der Gegend herumtragen. Er war schließlich ein Kerl. "Du hast ja auch 'ne Statur wie ein Mädchen", kam es ihm plötzlich in den Sinn. "Findest du, Masa?", murmelte er. Ganz unrecht hatte er damit nicht. Toya war wirklich klein und schmächtig, hatte ein richtig feminines Gesicht, schmale Schultern und schmale Hüften. "Wenn's dir gefällt", dachte er. "Für dich wäre ich gern ein Mädchen,... Masa."
 

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Bald darauf trennten sich die Wege der drei Freunde. "Also, bis morgen, ihr beiden", sagte Mariko, gab den beiden Jungs jeweils eine kurze Umarmung und ging dann in ihre Richtung davon.
 

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Wenig später kamen sie an die Straßenecke, an der auch Hiro abbiegen musste. "Ähm...", murmelte Hiro. "Na dann,... wir sehen uns." Er stand etwas unbeholfen da. Er hatte das Gefühl, noch etwas Wichtiges sagen zu müssen, doch ihm fielen abrupt nicht die richtigen Worte ein. "Toya, ich...", begann er.

Doch er brach den Satz sofort ab, als Toya ihn plötzlich umarmte. Sein Herz machte einen Sprung. "Oh Gott", dachte er. "Wieso quälst du mich so?" "Masa", flüsterte Toya. Eigentlich wollte er ihn nur flüchtig umarmen. Aber nun war er schon wieder knallrot im Gesicht. Ob das Licht der Straßenlaternen hell genug war, dass Hiro es merken würde?

Er gab sich einen Ruck, und ließ Hiro wieder los. "Ich... bin froh, dass wir uns wieder vertragen", wisperte er und schaute verlegen an Hiro vorbei. "Ich hatte Angst", fügte er in Gedanken hinzu. "...dass ich dich für immer verloren hätte." "Ich auch", sagte Hiro zögernd. "A...also, bis dann. Ciao!" Als Toya den Kopf hob, sah er Hiro gerade noch um die Ecke rennen. "Ich dürfte dich nicht einmal berühren", wisperte er. "Es ist zu gefährlich."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Yue stand zu Hause in seiner kleinen Wohnung auf dem Balkon. Er blickte nachdenklich in die dunkel Nacht. Schon seit langem hatte er keine ruhige Nacht mehr verbracht. Allein das Schuldgefühl, dass er immer noch verspürte, wenn er daran dachte, dass er beinahe seinen eigenen Bruder umgebracht hätte, ließ ihn nachts kein Auge zutun. Als er noch unter Garasu's Kontrolle gestanden hatte, war es ihm nicht besser ergangen. Die falschen Erinnerungen, die er ihm in den Kopf gesetzt hatte, verursachten ihm ständig Kopfschmerzen.
 

"Schönen Abend, Yue", sagte plötzlich eine Stimme. Yue fuhr herum. Auf dem Geländer saß Garasu, in Gestalt von Akari. "Du schon wieder", murmelte er nur. "Du weichst nicht einmal mehr zurück, wenn du mich siehst", seufzte Garasu. "Jage ich dir gar keine Angst mehr ein?" "Du bist nicht hier, um mich zu töten", erwiderte Yue. "Stimmt, aber jetzt wo du weißt, dass ich es war, der Sumi getötet hat. Wieso versuchst du nicht, mich zu töten?" "Sumi lebt", sagte Yue knapp. "So? Wie kommst du denn plötzlich darauf?" "Sie ist hier, in dieser Welt und dieser Zeit wieder geboren worden. Ich habe erst vor kurzem ihre Aura gespürt." "Aaah, natürlich", meinte Garasu lachend. "Na wenn das so ist... dann kannst du ja jetzt beruhigt sterben." "Ich werde dir mein Reich niemals überlassen", sagte Yue zähneknirschend.

Wütend sprang Garasu vom Geländer auf den Balkon. "Du kannst nicht zurückkehren!", schrie er. "Das Land braucht einen Herrscher. Ihr seid die letzten Überlebenden, eure Eltern sind schon lange tot!" "Ohne Herrscher ist dieses Reich besser dran, als mit dir als solchen!", schrie Yue. Garasu biss sich auf die Unterlippe. "Ich werde euch beide umbringen", murmelte er. "Und dann wird die Macht eurer Familie mir gehören. Aber erst mal werde ich mich einem anderem Problem widmen. Weißt du, dieser Hiro... Er hat meine Pläne schon viel zu oft durchkreuzt. Aber bald wird er dazu nicht mehr in der Lage sein." Mit einem siegessicherem Lachen verschwand die Gestalt in der Dunkelheit.

"Was...", wisperte Yue. "Was hat er vor?"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Toya war gerade in sein Zimmer gegangen, nachdem er mit allerlei Ausreden seinen Eltern erklärt hatte, wo er so lange gewesen war, als es plötzlich an der Tür leutete. Kurz darauf, rief Toya's Mutter: "Toya! Du hast Besuch!" Fragend stand Toya vom Bett auf. "Besuch?", wunderte er sich. "Um die Uhrzeit?"
 

Er ging die Treppen nach unten und erblickte im Hausflur niemand geringeren als... "Yue?", fragte Toya überrascht. "Was machst DU denn hier? Um diese Zeit." Yue sah fix und fertig aus. "Keine Zeit", keuchte er. "Ich erklär dir alles auf dem Weg." "Auf dem Weg? Was meinst du?" Yue packte Toya am Arm und zog ihn mit sich. "Hiro", sagte er knapp. "Er ist in großer Gefahr." "Was?", sagte Toya erschrocken. "Ma...ma, ich muss noch mal weg", rief er ins Wohnzimmer. "Was? So spät noch? Aber du hast doch Morgen Schule!" Als Toya's Mutter in den Flur kam, sah sie nur noch die Haustür hinter ihrem Sohn zuschlagen. "Aber Toya!", jammerte sie. "Was soll ich nur mit ihm machen?"
 

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"Garasu war vorhin bei mir", erklärte Yue auf dem Weg. "Er hat gesagt, er wird Hiro in Zukunft keine Gelegenheit mehr geben, seine Pläne zu durchkreuzen. Er ist sicher schon auf dem Weg zu ihm." "Wenn er nicht schon dort ist", befürchtete Toya. "Daran will ich gar nicht denken." "Aber du hast doch selbst gesagt, der Einzige, den Garasu fürchtet, ist Hiro! Also, wieso?" "Er fürchtet ihn schon, aber Garasu's Kräfte sind trotz allem größer, als Hiro's", erklärte Yue. "Die Macht, die er so fürchtete, hat Hiro über die Jahre größtenteils verloren." "Und welche Macht soll das sein?", wollt Toya wissen. "Die Magie", sagte Yue. "Hiro's größte Stärke war schon immer die Magie."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Langsam knöpfte Hiro Toya's Hemd auf. Er küsste seinen Bauch, streichelte ihn. Dann öffnete er seine Hose. "Masa", stöhnte Toya, der unter ihm auf dem Bett lag. "Hab keine Angst", flüsterte Hiro ihm ins Ohr. "Ich werd dir schon nicht weh tun." Er zog ihm die Jeans aus und drückte leicht seine Beine auseinander. Toya stöhnte leise. Hiro verteilte unzählige Küsse auf seinen Schenkeln. Und dann...
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Mit einem mal saß Hiro kerzengerade in seinem Bett. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Sein Puls raste. Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Dann hob der die Bettdecke hoch und blickte an sich herunter. Seufzend ließ er sie wieder fallen und ließ den Kopf ins Kissen sinken. "Na toll", sagte er zu sich selbst. "Jetzt krieg ich seinetwegen schon 'nen Ständer."
 

Etwas fiel neben ihm auf die Bettdecke. Hiro dreht sich um. "Was ist das?", fragte er und knipste das Licht der Nachtischlampe an. "Eine Feder?" Er nahm die schwarze Feder in die Hand. Ein leises Kichern ertönte. Hiro blickte auf. Erschrocken sprang er auf der anderen Seite vom Bett. Ihm gegenüber stand ein großer, schlanker Mann mit einem weißen Hemd und dunkler Hose. Seine Haare glänzten silbern und fielen glatt bis zu seinen Knien. In ihnen trug er einige Krähenfedern. Er blickte Hiro mit seinen zwei verschiedenfarbigen Augen, lächelnd, an.
 

"Garasu!", sagte Hiro. "Lange nicht gesehen", begrüßte Garasu ihn. "Du..." Hiro biss sich auf die Unterlippe. In seiner rechten Hand erschien wie durch Zauberei das Katana.

"Noch einmal wirst du mich nicht mit dem selben Trick hereinlegen", sagte Garasu und holte mit der Hand aus. Das Schwert wurde Hiro aus der Hand geschleudert und knallte gegen die Wand. Erst jetzt konnte Hiro im fahlen Licht erkennen, dass Garasu seine Waffe, den Kreuzstab, ebenfalls bei sich trug.
 

Er ging seelenruhig am Bett vorbei und auf Hiro zu. "Weißt du, wenn du erst fort bist, wird es ein Kinderspiel, deine Schützlinge zu töten." Hiro nahm die rechte Hand hinter den Rücken. In seiner Handfläche flammte ein grüner Lichtball auf. Garasu stand ihm jetzt direkt gegenüber. "Deine Kräfte schwinden mehr und mehr", hauchte er. "Dein Umgang mit dem Schwert ist begrenzt und deine Magie wird immer schwächer. Du hast dich wohl überanstrengt, mit dieser Zeitreise. Es gehört ja auch ganz schön was dazu, drei Personen über so viele Jahre in die Zukunft zu schicken. Alle Achtung, das kann nicht jeder."
 

Blitzschnell ließ Hiro die Hand nach vorn schellen und den Lichtball auf Garasu zu schießen, doch dieser duckte sich in letzter Sekunde zur Seite, so dass die gebündelte Energie hinter ihm gegen ein Regal knallte. Einige Gegenstände flogen aus dem Regal auf den Boden.
 

Garasu hielt Hiro's Hände fest und flüsterte: "Selbst du, der du aus einer Familie großer Magier entstammst, verlierst irgendwann deine Kräfte." "Sie reichen noch aus, um dich in die Hölle zu schicken", fauchte Hiro. Garasu lachte. "Aber, aber... Da komm ich doch gerade erst her."
 

Er schleuderte Hiro auf den Boden und holte mit dem Kreuzstab aus. Hiro wich am Boden zurück. Er spürte einen kurzen Schmerz an der rechten Wange. Offenbar war er gerade noch rechtzeitig ausgewichen und die Spitze des Stabes hatte ihm nur die Wange aufgeschnitten. Garasu schritt auf ihn zu, packte ihm am Hals und zog ihn auf die Beine. "Vielleicht sollte ich dich fesselt und zusehen lassen, wie ich den jüngeren der Brüder vor deinen Augen foltere", meinte er lachend. "An ihm hängst du doch besonders, an deinem Toya. Na was meinst du? Wäre das nicht eine gerechte Strafe, dafür dass du mir damals dazwischengefunkt bist?" "Lass deine... dreckigen... Finger von... Toya!", keuchte Hiro und trat Garasu mit dem Bein in den Magen. Garasu ließ Hiro zu Boden fallen. "Na warte, du Ratte", fachte er.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In diesem Moment wurde das Fenster eingeschlagen. Garasu drehte sich erschrocken um. "Toya?!", rief Hiro. "Ihr?", knurrte Garasu, als er Yue und Toya erblickte. "Masa!", schrie Toya, als er Hiro, am Boden liegend, erblickte. "Kümmere dich um ihn", flüsterte Yue seinem Bruder zu. "Garasu, wieso nimmst du es nicht mit jemandem auf, der bei voller Stärke ist?" Er hielt die ausgestreckte Hand vor sich, in der prompt ein breites Schwert aufflammte. "Das werde ich, darauf kannst du dich verlassen", versicherte Garasu ihm. "Dann lass uns wo anders kämpfen. Ich für meinen Teil will keine Unschuldigen da mit reinziehen", meinte Yue. "Mir soll's recht sein. Um die beiden..." Garasu blickte hinüber zu Toya und Hiro. "...kann ich mich auch kümmern, wenn ich mit dir fertig bin." Und damit sprang er aus dem Fenster. "Macht euch keine Sorgen", sagte Yue zu Toya und Hiro, dann folgte er seinem Feind.
 

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"Masa", sagte Toya und sank vor diesem in die Knie. "Bist du okay?" "J...ja, mir fehlt nichts", beruhigte er Toya. "Wo sind deine Eltern und deine Schwester?", fragte Toya während er Hiro auf die Beine zerrte. "Auf dem Sprechabend bei meiner Schwester in der Schule", antwortete Hiro. "Noch mal Glück gehabt, was? So haben sie den Kampf nicht mitgekriegt", meinte Toya.

"Aber ich weiß nicht, wie wir ihnen dieses Chaos erklären sollen." Er blickte zu dem kaputtem Regal und der zerbrochenen Glasscheibe. "Das Regal krieg ich wieder hin", sagte Hiro und ließ sich aufs Bett fallen "Und das Fenster... hmm... da hat halt jemand 'nen Stein geworfen. Es gibt genug Rowdies da draußen."
 

Toya beugte sich über ihn. Hiro wurde rot. "Was soll DAS jetzt wieder?", dachte er. "Bist du wirklich nicht verletzt?", fragte Toya besorgt. "N... nein", stotterte Hiro. "Ach ja? Und was ist das?" Toya deutete auf den Schnitt an Hiro's Wange. "Das? Nur ein Kratzer, nichts weiter." Toya stütze sich mit den Händen links und rechts von Hiro's Kopf, auf dem Bett ab und beugte sich noch tiefer zu ihm herunter. "Toya...", wisperte Hiro. Wieder begann sein Herz so schnell zu schlagen. "Und das nach so einem Traum...", dachte er. Als er an diesen Traum denken musste, schlug sein Herz gleich noch einmal schneller. Toya öffnete den Mund und leckte das Blut von Hiro's Wunde. Dann stand er wortlos vom Bett auf.

"Wa... was sollte DAS nun wieder?", fragte Hiro mit knallrotem Gesicht. "Was denn?", erwiderte Toya und drehte sich lächelnd um. "Du warst mir noch was schuldig! Schließlich hab ich für dich Versuchskaninchen gespielt." "A...aber... To... Toya!", stotterte Hiro. "Ich sollte jetzt gehen. Meine Eltern machen sich sicher schon Sorgen. Au revoir!" Und damit stieg er aus dem Fenster.

Hiro stand ein paar Sekunden schweigend da und hielt sich die Hand an die Wunde auf seiner Wange. "Das... hab ich jetzt aber nicht nur geträumt, oder?", fragte er sich selbst. Nein, das war kein Traum gewesen. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Dann schrie er glücklich: "YES!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Eilig rannte Toya nach Hause. "Was hab ich da wieder angerichtet?", murmelte er kopfschüttelnd. "Ob er sich daraus was macht? Wenn ja, dann mach ich ihm am Ende nur noch falsche Hoffnungen. Aber ich KONNTE einfach nicht anders. Er ist einfach... ach was. Ich lass es bleiben. Sei still, Toya! Denk einfach nicht mehr drüber nach!" Etwas anderes lenkte seine Gedanken auf sich: "Hoffentlich kommt Yue klar...", dachte er besorgt.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Yue sprang von einem Dach zum nächsten, dicht gefolgt von Garasu. Auf einem Dach blieb er dann stehen. Er hielt sein Schwert, abwehrbereit vor sich. "So warst du schon immer, Yue", meinte Garasu, der wenige Sekunden nach ihm auf das Dach gesprungen war. "Auch wenn du weißt, dass du keine Chance hast, du setzt immer dein Leben für andere aufs Spiel. Dabei ist es diesmal völlig sinnlos. Wenn du erst tot bist, nehme ich mir als nächstes deinen Bruder vor." "So weit wird es nicht kommen", sagte Yue. "Das werden wir ja sehen!", schrie Garasu und sprang auf ihn zu, den Kreuzstab zum Schlag angehoben. Yue sprang zurück. Doch dabei verlor er den Halt unter den Füßen und rutschte vom Dach. Er ließ das Schwert fallen. Im letzen Moment hatte er es geschafft, sich an der Dachrinne festzuhalten. Garasu schritt langsam auf ihn zu. "So schnell kann's gehen, was?", meinte er grinsend und drohte, Yue auf die Finger zu treten, so dass er loslassen und vom Dach stürzen würde.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Mariko rannte die dunkle Straße entlang. Plötzlich blieb sie stehen und blickte nach oben. Sie sah in der Dunkelheit die Gestalten oben auf dem Dach des hohen Gebäudes. "Aber das ist doch...", wisperte sie. "Yue!" Sie rannte näher an das Gebäude und rief so laut sie konnte. "Yue!"

Garasu blickte nach unten. "Na, wen haben wir denn da? Ob die Kleine da unten sich einmischen will? Ist das 'ne Freundin von dir?" Yue versuchte sich zurück aufs Dach zu ziehen. Doch Garasu kam ihm zuvor. Er packte ihm am Kragen und zog ihn hoch. "Wenn ich dich jetzt loslasse, fällst du etliche Meter in die Tiefe. Könnte schmerzhaft werden, was meinst du?" Yue sagte nichts. Blickte ihn nur hasserfüllt an. Garasu lächelte siegessicher. "Dann bist du wenigstens wieder bei deiner geliebten Sumi!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Plötzlich durchfuhr Mariko ein seltsames Gefühl. Sie fühlte sich wie gelähmt. Wusste nicht, was geschah. Das Geschehen um sie herum entfernte sich. "Yue!", rief sie. "Garasu, du Bastard! Ich werde nicht zulassen, dass du ihn auch noch tötest!" Garasu blickte herunter zu Mariko. "Diese Stimme", sagte er erschrocken. "Du bist..." Ein grelles Licht umhüllte Mariko. Sie bewegte sich nicht, stand nur da und blickte zu Garasu hoch. "Aaah", schrie dieser plötzlich auf. "Verdammt!" Er ließ Yue los, welcher gerade noch auf dem Rand des Daches landete. "Was ist das?", schrie Garasu und hielt sich die Hände an den Kopf. Wie durch eine unsichtbare Macht wurde er zurück geschleudert. Yue beobachtete alles mit aufgerissenen Augen. "Du kleine Hure", keuchte Garasu. "Das wirst du noch bereuen." Und damit löste er sich in Luft auf.
 

Langsam richtete Yue sich auf und blickte auf die Straße herunter.
 

Mariko brach erschöpft in sich zusammen. Yue sprang auf ein niedrigeres Dach und dann auf den Gehweg. "Hey", sagte er und schüttelte Mariko. "Hey, alles okay?" Langsam öffnete Mariko die Augen. "Yue?", wisperte sie. "Wo ist Toya? Und Hiro? Geht es ihnen... gut?" Yue lächelte erleichtert. "Ja", sagte er. "Ja, keine Sorge, sie sind in Sicherheit." "Gut", seufzte Mariko und ließ die Augenlieder wieder zufallen. "Armes Mädchen", murmelte Yue und nahm Mariko hoch. Und während er sie die dunkle Straße weg trug, fügte er hinzu: "Das war wohl einfach zuviel für sie."
 

~tbc~
 

Sooo... das war Nummero sieben. Und da das schon fast die Hälfte der ersten Staffel ist, möchte ich dazu mal bisschen mehr kommentieren. Ich hoffe es hat euch bis hier hin gefallen. Ich schreib überhaupt nicht gerne Kampfszenen! Um nicht zu sagen: Ich HASSE es! Merkt man das? ^^'
 

Ich bedanke mich bei allen, die DB lesen und freue mich über jeden, der neu dazu kommt.

Zum Schluss möchte ich noch entschuldigen, dass ich nicht öfter ein Kapitel hochlade. Ihr werdet euch denken: "Wenn die Story eh schon geschrieben ist, warum läd sie's dann nicht schneller hoch?" Öhm... ganz einfach: Ich will euch zappeln lassen! Muhahaha! Nee, ernsthaft: Alles auf einmal wäre nicht mehr so spannend, stimmt's? ^^

Abschließend möchte ich jetzt noch verkünden: DB ist mit drei Staffeln und insgesamt 43 Kapiteln abgeschlossen. (\^o^/)

Jealousy

"Schneller, schneller!", rief Mariko lachend. Sie stand am offenen Flurfenster und blickte hinunter zu Toya und Hiro, die nun, da sie sich wieder vertragen hatten, auch wieder gemeinsam zu spät kamen. "Ich bring die Anwesenheitsliste weg. Beeilt euch, wir schreiben doch jetzt den Englischtest." "Waaas?", schrie Hiro und hastete die Treppe nach oben. "Das war heute? Mist, ich hab nicht gelernt." Mariko schüttelte seufzend den Kopf und ging dann mit der Liste in der Hand den Gang entlang.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"War voll grausam", jammerte Hiro, als sie sich nach der ersten Stunde kurz über den Test unterhielten. Er legte den Kopf auf den Tisch und schloss die Augen. "Ich werd die Prüfung nächstes Jahr sicher nicht schaffen." "Stimmt", sagte Mariko ganz ehrlich. "Wenn du weiter so faul bist, sicher nicht." "Danke, dass du mich so aufbaust, Mariko", brummelte Hiro. "Sag mal, Toya", begann Mariko und wandte sich dabei Toya zu. "Hast du Yue heute schon gesehen?" Toya schüttelte den Kopf. "Ich mach mir schon den ganzen Tag Sorgen", seufzte er. "Was, wenn gestern mit Garasu irgend etwas..." "Ihm geht's gut", unterbrach Mariko ihn. "Ich bin sicher, ihm geht es gut." Sie erinnerte sich an letzen Abend.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Hör mal, Mariko", hatte Yue gesagt, als sie vor ihrer Haustür gestanden hatten. "Sag Toya und Hiro bitte nicht, was vorhin passiert ist, okay? Sie würden sich nur unnötig Sorgen machen." Mariko nickte. "Ich weiß ja selbst nicht, was passiert ist, also kann ich ihnen auch nichts sagen."
 

Es war nicht gelogen. Sie hatte keine Ahnung, was gestern geschehen war. Sie hatte eine dieser Visionen gehabt. Sie sah, dass Yue, Toya und Hiro in Gefahr waren. Garasu hatte angegriffen. Sie wollte sie warnen und war einfach mitten in der Nacht losgelaufen. Und dann hatte sie Yue und Garasu auf dem Dach kämpfen sehen. Bis dahin war noch alles einleuchtend, aber dann. Sie fühlte sich irgendwie seltsam. Als wäre sie nur eine leere Hülle. Als würde ihre Seele aus diesem Körper fahren. Das nächste, woran sie sich erinnern konnte, war, dass Yue sie auf die Beine zog und fragte: "Bis du okay?" Was war geschehen, während sie das Bewusstsein verloren hatte?
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Hey, Mariko!", sagte Hiro nun schon zum fünften mal. "Hey, bist du noch anwesend?" "Was?", fragte Mariko und fuhr aus ihren Gedanken hoch. "Tut mir leid, was hast du gesagt?" "Der Lehrer ist schon da!", sagte Hiro und deutete hinter Mariko. Diese drehte sich rasch um und blickte in das verärgerte Gesicht ihres Geschichtslehrers. "Ouh! Entschuldigung", wisperte sie verlegen und ging eilig an ihren Platz zurück. "Irgendwie benimmt sie sich heute schon den ganzen Tag komisch", flüsterte Hiro. "Wir sind doch ALLE in letzter Zeit etwas komisch", meinte Hiro grinsend. Toya seufzte. Ja, es stimmte. Alle benahmen sich anders. "Echt zum kotzen", dachte Toya.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Nach der Schule ging Mariko zu ihrer AG. Heute hatte sie kochen. Toya hatte noch Zeit, denn die Schach-AG begann erst später. "Ich muss wieder nachsitzen", maulte Hiro, während er mit Toya die Treppen herunter lief. "Was machst du noch, bis die AG anfängt?" "Weiß nicht", antwortete Toya. "Werd mich wahrscheinlich hinten bei der Sporthalle ins Gras setzten, irgend ein langweiliges Buch lesen und hoffen, dass niemand kommt und an mir herumnörgelt." Hiro schüttelte den Kopf. "Mensch, du gehst wirklich jedem aus dem Weg oder?" "Wenn ich mich möglichst unauffällig verhalte, sind die Chancen niedriger, dass irgendwelche Typen mich verprügeln", meinte Toya und lächelte, als würde es ihm gar nichts ausmachen. Das tat es auch nicht. So war nun einmal seine Devise. Er ging den anderen aus dem Weg, damit sie ihn in Ruhe ließen.
 

"Also", seufzte Hiro, packte Toya am Ärmel und zog ihn mit sich. "Gehen wir uns 'n Eis holen." "Was? A... aber Masa!", widersprach Toya. "Du musst nachsitzen. Du hast jetzt keine Zeit für..." "Ich muss heute eh länger bleiben, weil ich gestern geschwänzt hab. Da wird's doch wohl nichts machen, wenn ich auch ein bisschen später komm. Ich kann dich doch nicht alleine hier hocken lassen." "Er kümmert sich mal wieder um mich, als wär er meine Mutter", dachte Toya. "Irgendwie... süß."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Sie gingen über den Schulhof. Hiro steuerte auf die Eisdiele gegenüber der Schule zu, als plötzlich... "Toya-chan!" Toya drehte sich um. "Yue!", rief er, als er Yue aus dem Schulhaus rennen und auf sich zu kommen sah. Überglücklich fiel er ihm in die Arme. "Gott sei Dank geht es dir gut", jammerte er. "Wie ist es gelaufen? Was ist mit Garasu?" "Na ja", murmelte Yue. "Ich würd sagen, es war Unentschieden." "Du bist doch nicht verletzt?", fragte Toya besorgt.
 

Hiro stand schweigend neben den beiden. Er versuchte dagegen anzukämpfen, doch die Eifersucht in ihm ließ sich nicht unterdrücken.
 

"Nein, nein", beruhigte Yue seinen Bruder. "Mir geht's blendend. Hast du Nachmittagsunterricht?" Toya nickte. "Ich bin in der Schach-AG. Aber die geht erst später an. Hiro und ich wollten gerade... Hey, hast du nicht Lust, mit uns zu kommen? Wir wollten uns ein Eis holen." "Ähm, ich weiß nicht", zögerte Yue. "Komm, bitte!", bat Toya ihn. "Wann haben wir das letzte mal was zusammen unternommen? Ich glaub das ist schon ein paar tausend Jahre her." Yue musste lachen. "Ja, da wirst du wohl recht haben", stimmte er ihm zu und gab sich letztendlich geschlagen. "Gut, okay. Ich komm mit." "Juhuu!", freute Toya sich wie ein kleines Kind. "Gut, dann kann ich ja gehen", meldete sich Hiro zu Wort. Toya drehte sich um. "Was?", fragte er. "Wenn Yue bei dir ist, wird dir sicher niemand was tun." "Aber", begann Toya, doch Hiro unterbrach ihn. "Ich muss nachsitzen, schon vergessen? Wenn ich zu spät komme, krieg ich nur noch 'ne Woche länger aufgebrummt. Du weißt ja, wie sehr Sewaru mich mag..." Und noch bevor Toya etwas sagen konnte, war Hiro auch schon von dannen gezogen.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Was hat er denn auf einmal?", sagte Toya leise. Yue konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Eifersüchtig?", murmelte er. Toya wurde rot. "Wa... was redest du denn da?", fuhr er seinen Bruder an. "Das ist doch totaler Schwachsinn. Idiot! Komm, holen wir uns ein Eis." Und damit drehte er sich um und stapfte davon.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Willst du nicht mitkommen, Yue?", wiederholte Hiro Toya's Worte in einem gespielt kitschigem Ton. "Wir haben schon so lange nichts mehr zusammen unternommen, Yue! Brüderchen! Mein lieber, lieber Yue." Er trampelte in Richtung Lehrerzimmer, wo er schon am Montag Nachmittag auf Herrn Sewaru gewartet hatte. "Yue hier, Yue da! Ich glaub ich muss gleich kotzen!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Wen haben wir denn hier?", sagte plötzlich eine Stimme. Als Hiro aufblickte, sah er Teruko Miroi, seinen ewigen Feind, sich gegenüberstehen. "Musst wohl wieder nachsitzen?", fragte Teruko grinsend. Hiro antwortete nicht. Er hielt sich zurück, obwohl er seinem Gegenüber am liebsten jedesmal, wenn er ihn sah, die Faust ins Gesicht geschlagen hätte.
 

"Sag mal, dein kleiner Freund, diese Schwuchtel, Sakasa..." Hiro zuckte zusammen. "Ganz ruhig bleiben", befahl er sich selber. "Ich hab ihn vorhin mit diesem Garasu gesehen." Erst dachte Hiro an DEN Garasu, aber dann erinnerte er sich, dass Garasu immer noch auch Yue's irdischer Nachname war. "Verkehrt der jetzt auch schon mit solchem Gesindel? Satanisten und so... Na ja, das passt ja zu diesem Outsider. Hat ja sonst keine Freunde, die kleine Schwuchtel."
 

"Jetzt reicht's!", dachte Hiro. In diesem Moment riss ihm der Geduldsfaden. Er packte Teruko am Kragen und knallte ihn mit dem Rücken gegen die Wand. Mit der anderen Hand holte er aus. Er war kurz davor, zuzuschlagen. "Na was ist?", flüsterte er. "Willst du's nicht noch mal probieren? Komm, sag noch mal was gegen Toya, wenn du dich traust." Teruko schwieg. Er blickte ihn nur weiterhin grinsend an. "Jedes mal, wenn ich dich nur sehe, möcht ich dir jeden deiner hübschen, weißen Zähne einzelnd aus der Fresse schlagen. Also, nenn ihn doch noch mal Schwuchtel, damit ich 'nen Grund hab, dir deine hübsche Visage so zu verdreschen, dass du dich nachher nicht mehr traust, auch nur an einem Spiegel vorbeizulaufen!" Das Grinsen auf Teruko's Gesicht wurde mit einem mal noch breiter. "Was grinst du noch so?", schrie Hiro. Teruko deutete mit dem Finger hinter Hiro, worauf dieser ihn losließ und sich umdrehte.
 

Hinter ihm stand der Lehrer Sewaru. "Erstens", begann er mit dieser eiskalten Stimme. "Solche Ausdrücke wie Schwuchtel verwenden wir an dieser Schule grundsätzlich nicht und zweitens: Es interessiert mich nicht im geringsten, ob ihr Freund, Sakasa homosexuelle Neigungen hat und es ist auf gar keinen Fall ein Grund, einem unschuldigen Schüler zu drohen oder ihn gar zu schlagen." "Unschuldig?", wiederholte Hiro. "Herr Sewaru, wie lange beobachten sie uns schon? Haben sie nicht gehört, dass er..." "Ich habe gar nichts gehört", unterbrach Sewaru ihn. "Nur, dass sie Miroi eben gedroht haben und zwar auf sehr unschöne Weise. Und nun folgen sie mir bitte."
 

Hiro stand mit offenem Mund da. Na toll! Er hatte es schon wieder geschafft. Teruko und Sewaru mussten sich gegen ihn verschworen haben. Ja, so musste es sein.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Mürrisch folgte er dem verhassten Lehrer. "Am liebsten würde ich ihnen noch eine Woche aufbrummen", murmelte Sewaru in sich, während er die Treppen herunterging. "Der einzige Grund, warum ich das nicht tue, ist der, dass ich sie dann noch mal fünf Nachmittage in meiner Gegenwart ertragen müsste. Bin ich froh, dass ich ihre Klasse nicht auch noch unterrichten muss."
 

Hiro schwieg. Er wusste, dass jedes Wort, egal was er auch sagen würde, seinem Lehrer nur noch mehr Anlass dazu geben würde, ihn mit allen ihm möglichen Mitteln fertig zu machen. Die beiden gingen über den Schulhof. Hiro wagte es nicht einmal zu fragen, was er heute als Strafe tun sollte. Vielleicht wollte er es auch gar nicht wissen.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In diesem Moment kamen Yue und Toya zurück auf das Schulgelände. "Hey, da ist ja Masa", sagte Toya, als er seinen Freund erblickte. Hiro hatte ihn ebenfalls gesehen. Er ließ es sich jedoch nicht anmerken und ging weiter hinter Sewaru her.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Sie gingen um das Schulgebäude. Vor dem kleinen Gemüsebeet, was die Klassen unter ihnen angelegt hatten, blieben sie stehen. "Sie können sich vielleicht schon denken, was sie heute zu tun haben?", fragte Sewaru. Er nahm den Eimer, der neben dem Beet stand und drückte ihn Hiro in die Hand. "Hier treiben sich in letzter Zeit ein paar ihresgleichen herum", erklärte er. "Ungeziefer." Hiro tat, als hätte er die Beleidigung nicht gehört. "Sie werden sicher ein paar Stunden zu tun haben, wenn sie die alle entsorgen wollen. Ouh, und vergessen sie das Unkraut nicht. Ich komm später wieder und wehe ich sehe sie dann nicht jäten!" Mit diesen Worten und einem fiesen Grinsen im Gesicht, zog Sewaru von dannen.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Toya", murmelte Yue, nachdem sie ein paar Minuten auf dem Pausenhof gesessen und ihr Eis gegessen hatten. "Hmm", fragte Toya. "Ich muss langsam los. Wir schreiben morgen 'ne wichtige Arbeit und ich muss noch lernen." "Was, schon?", seufzte Toya enttäuscht. "Schade." "Hey", sagte Yue und stand auf. "Irgendwann gehen wir alles zusammen Eis essen, ja? Ich mein, Mariko, Hiro, du und ich." Toya lächelte trübe. "Ich versprech's dir, alles klar, Brüderchen?" Er wuschelte Toya durchs Haar. "Ja, ist gut", sagte dieser. "Also, Kopf hoch! Ach und Toya, komm später mal bei mir vorbei. Ich muss dir was zeigen!" Dann verließ Yue das Schulgelände.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Hiro starrte schweigend auf das Gemüsebeet. Es sah ziemlich herunter gekommen aus, war wahrscheinlich im Sommer angelegt worden. Jetzt im Herbst war es völlig verdorben. "Dieser Wichser", murmelte Hiro und kniete sich hin. "Lässt mich im Dreck wühlen, dieses blöde Arschloch. Ich sollte ein paar Schnecken von hier mitnehmen und ihm aufs Pausenbrot legen. Und während ich mich hier abschufte, ist Toya gemütlich mit seinem ach so tollen Bruder Eis essen. Ich brauch was zum drauf schlagen. Wo ist dieser Miroi, wenn man ihn mal braucht?"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Hey!", sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Erschrocken drehte Hiro sich um. Hinter ihm stand Toya. "Wenn du willst, kannst du ja mich schlagen", schlug er vor.
 

Hiro wurde rot. Wie lange war Toya schon da? Was hatte er von Hiro's Gemurmel gehört? Toya kniete sich neben ihn und hielt ihm ein Eis entgegen. "Hier, ich hab dir auch eins gekauft", sagte er. "Sewaru wird schon nicht alle paar Minuten nach dir schauen. Also kannst du auch Eis essen." Hiro lächelte. "Danke", sagte er und nahm Toya das Eis aus der Hand.
 

"Soll ich dir helfen?", fragte Toya und griff nach einem Büschel Unkraut. "Dann bist du schneller fertig." "Ach was", erwiederte Hiro. "Das ist doch keine Arbeit für dich." "Was meinst du?", fragte Toya und warf das Gras in den Eimer. "Das ist keine Arbeit für mich? Also wirklich, du behandelst mich wie ein Mädchen. Ich bin auch ein Kerl!" "Ja, allerdings", murmelte Hiro mit einem Unterton in seiner Stimme, der deutlich zu erkennen gab, dass er über diese Erkenntnis nicht sonderlich erfreut war.
 

"Masa", wisperte Toya. "Du... musst nicht eifersüchtig sein, auf Yue." Hiro zuckte erschrocken zusammen. Also hatte er das auch gehört? "Dafür gibt es keinen Grund." Hiro griff nach Toya's Hand, mit der er gerade einen weiteren Büschel Unkraut ausreißen wollte. "Hör auf", sagte er, ohne Toya anzusehen. "Du machst dir nur die Hände schmutzig." "Masa...", flüsterte Toya. "Geh zu deiner AG. Schach passt doch sowieso viel besser zu dir. Du bist nicht der Typ für Gartenarbeit. Du bist überhaupt nicht der Typ für harte Arbeit." "Behandle mich nicht immer wie ein Mädchen!", schrie Toya. "Ich kann genauso hart arbeiten wie du! Und ich bin auch keineswegs ein verzogenes Muttersöhnchen. Ich bin nicht so brav, wie du immer denkst. Ich..." "Ach nein?", unterbrach Hiro ihn. "Beweis mir das Gegenteil!" "Wie du willst!", sagte Toya. Wenn er ihn schon so provozierte... das konnte er schließlich nicht auf sich beruhen lassen.
 

"Na schön, sag mir wie! Sag mir, was ich machen soll!", forderte er Hiro auf. "Irgendwas. Etwas, was gar nicht zu mir passt. Wovon du denkst, dass ich das nie tun würde. Ich schwör, ich mach's!" "Wirklich alles?", fragte Hiro. "Na ja, ich begehe jetzt nicht Selbstmord, oder so...", maulte Toya. "Aber ich könnte 'nen Regenwurm essen, oder so! Das würdest du mir sicher nicht zutrauen." "Ist ja ekelhaft", sagte Hiro. "Außerdem hat es nicht geregnet. Wenn dann müsstest du schon 'ne Schnecke essen." "Okay", erwiederte Toya und bückte sich über das Gemüsebeet, als ob er Ausschau nach einer Schnecke hielt. "Ach Quatsch", meinte Hiro lachend und zog ihn wieder zurück. "Ich lass dich doch keine Schnecke essen. Du kannst ganz schon widerlich sein, weißt du das?"
 

Toya musste lachen. "Siehst du?", meinte er. "Sag ich doch. Aber du glaubst mir ja nicht. Du stempelst mich immer als so 'n zimperliches Mädchen ab!" "Also schön", seufzte Hiro. "Du willst irgendwas machen, was ich dir nicht zutrauen würde..." Er blickte nachdenklich Richtung Himmel. "Hmm... und du tust echt alles?" "Fast alles!", korrigierte Toya ihn.
 

"Dann... küss mich!" Toya ließ einen dicken Büschel Unkraut wieder ins Beet fallen. "Was?", fragte er. Einen Moment lang glaubte er wirklich, sich verhört zu haben. "Oh tut mir leid, dazu bist du dir natürlich zu fein. So etwas gehört sich schließlich nicht", spottete Hiro.
 

Toya platzte fast vor Wut. "Wenn's weiter nichts ist", sagte er. Er packte Hiro etwas unsanft am Hemdkragen, und zog ihn näher zu sich heran. "Ähm... Toya?", flüsterte Hiro. "Er tut es wirklich!", dachte er selbst ganz überrascht und bei dem Gedanken daran, begann sein Herz wie wild zu schlagen. "Halt die Klappe!", fuhr Toya ihn an und ging bis auf wenige Zentimeter an Hiro's Gesicht heran. "Und mach gefälligst die Augen zu!"
 

Schnell schloss Hiro die Augen. Er spürte etwas auf seinen Lippen. Fühlte sich irgendwie komisch an. Es war anders, als beim letzen mal.
 

Plötzlich hörte er Toya laut auflachen. Er öffnete die Augen und sah, dass Toya eine Schnecke am Schneckenhaus festhielt. "Was zum...?", begann Hiro. Toya warf die Schnecke zurück ins Beet. Er hielt sich vor Lachen den Bauch. "Du...", sagte er kichernd. "Du hast gerade eine Schnecke geknutscht!"
 

"WAAAAAS???", schrie Hiro. "Das ist nicht dein Ernst!" Toya warf sich rücklings ins Gras. "Ich kann nicht mehr", lachte er und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Igitt!", sagte Hiro, spuckte immer wieder in Richtung Gemüsebeet und wischte sich mit der Hand über den Mund. "Siehst du?", sagte Toya. "Das hättest du jetzt nicht erwartet, was? Du hättest sicher nicht gedacht, dass ich das machen würde." "Nee, allerdings nicht", gab Hiro zu. "Hätte nicht gedacht, dass du so abartig bist."
 

"Tut mir leid", kicherte Toya und setzte sich wieder aufrecht hin. "Aber ich musste dir schließlich mal 'ne Lektion erteilen. Für deine Perversionen." Hiro blickte in beleidigt an. "Hey, nicht sauer sein!", sagte Toya tröstend und tätschelte ihm über den Kopf. "Du verstehst doch sonst so viel Spaß." "Bin ich von dir halt nicht gewohnt", rechtfertigte Hiro sich.
 

"Hey, Masa", begann Toya. "Komm mal her." "Was? Haste noch 'ne Schnecke?", fragte Hiro misstrauisch. "Nimm's nicht so tragisch", flüsterte Toya ihm ins Ohr, dann drückte er ihm ganz plötzlich einen Kuss auf die Lippen. Hiro wurde rot. "T... To...ya...", stotterte er. "Ich hab doch gesagt, ich tu alles." Hiro blickte ihn verwirrt an.
 

"Hey, dein Eis ist geschmolzen." "Was?" Hiro blickte auf das Eis. Es war schon fast über seine Hand gelaufen. "Ach Mist", jammerte er. "Gehen wir später zusammen in die Eisdiele, ja?", schlug Toya vor und stand auf. "Also, viel Spaß noch. Ich muss jetzt gehen. Sonst komm ich auch noch zu spät zur AG."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Was für weiche Lippen er hat", dachte Hiro, als er noch Minuten später, mit dem Finger auf dem Mund im Gras saß. "Seine Haut ist wirklich wie die eines Babys. Er ist... einfach... zu süß. Sein ganzer Körper... Ich will ihn!" Hiro wurde rot. "Verdammt, Hiro! Stell dir ja nicht wieder was vor! Du weißt, was dann passiert! Ouh, Scheiße!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Was ist schon dabei?", dachte Toya. "Es ist doch nichts Ernstes, oder? Ein, zwei Küsse... niemand denkt doch groß darüber nach." Er betrat den Raum, wo bereits die anderen Mitglieder seiner AG versammelt waren. "Du kommst spät, Sakasa", sagte jemand. "Ja, tut mir leid." In Gedanken war er noch immer ganz wo anders. "Für Hiro ist es doch nur ein Spiel", sagte er sich selbst. Doch allein der Gedanke daran versetzte ihm ein Stechen in der Brust. "Verdammt... will ich etwa, dass er es ernst meint?"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Mariko ging zum Haupteingang, wo sie Hiro stehen sah. "Hey, wie siehst du denn aus?", fragte sie, als ihr sein dreckiges Hemd auffiel. "Sieht's noch so schlimm aus?", seufzte Hiro. "Ich hab versucht, es so gut wie möglich raus zu waschen. Sewaru hat mich bis jetzt Unkraut jäten lassen, weißt du?" "Ouh, das ist Übel", fand Mariko. "Und was machst du jetzt noch hier?" "Ich warte auf Toya", erklärte Hiro ihr. "Wir gehen rüber in die Eisdiele. Willst du mit?" Mariko konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Öhm, nö nö", sagte sie. "Ich, äh... hab noch zu Hause zu tun. Also, grüß Toya von mir und viel Spaß noch!" Und damit war sie auch schon verschwunden.
 

"Ich muss ja nicht immer dazwischen funken", überlegte Mariko sich. Natürlich hatte sie nicht wirklich zu Hause zu tun. "Die beiden brauchen unbedingt mal ein bisschen Zeit für sich..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Toya!", rief Hiro, als er seinen Freund aus der Tür kommen sah. "Hi, wartest du schon lange?" "Nee, Sewaru hat mich vor ein paar Minuten erst entlassen. Schöne Grüße von Mariko", antwortete Hiro und versuchte, sich unauffällig den Dreck vom einst weißen Hemd zu putzen. "Hast du sie getroffen?", fragte Toya. "Wollte sie nicht mit kommen?" "Hat keine Zeit", sagte Hiro. Er musste sich eingestehen, dass es ihm überhaupt nichts ausmachte, dass Mariko mal nicht dabei war. "Also, gehen wir."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Eine Weile später saßen sie an einem Tisch in der Eisdiele. Sie hatten bereits bestellt. (Toya wie immer einen Erdbeermilchshake.) Geistesabwesend hörte Hiro, Toya nur mit einem Ohr zu. In Gedanken war er ganz wo anders.
 

"Jedenfalls war heute irgendwie nicht so mein Tag", endete Toya. "Normalerweise bin ich besser. Diesen einen Zug von..."
 

"Wie kann er jetzt nur einfach so von Schach reden", fragte Hiro sich. "Und das nachdem er vorhin... ihm bedeutet das wahrscheinlich gar nichts. Wenn der wüsste, dass ich dabei fast 'nen Herzinfarkt bekommen hätte."
 

"Und dann war ich auch schon Schach matt. Masa? Masa, hörst du mir zu?", fragte Toya.
 

"Sag mal", begann Hiro, ohne vorher zu antworten. "Findest du das wirklich so eklig?" "Was?", fragte Toya. "Na..." Hiro zögerte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ihn darauf anzusprechen. "Wenn einer..." "Ja?", drängte Toya ihn. "...schwul... ist..." Toya wurde mit einem mal feuerrot. "Masa!", schrie er. "Wa... was ist denn das für eine Frage?" "I... ich meine,...", stotterte Hiro und winkte beiläufig. "Ich bin nicht schwul, ich mein ja bloß, weil... Ich wollt ja nur... also, weil..."
 

"Ich denke, es ist okay", sagte Toya. "Was?", unterbrach Hiro sein Stottern. "Mir ist das egal", meinte Toya weiter. "Ob jemand schwul ist, oder nicht. Das macht doch keinen anderen Menschen aus einem, oder? Ich denke, solange man jemanden wirklich liebt..." "Er sieht ja auf einmal so nachdenklich aus", dachte Hiro, sagte jedoch keinen Ton.
 

"Also, hör mal", meinte Toya. "Ich hab mir noch nie Gedanken drüber gemacht." "Das ist gelogen!", sagte eine Stimme in ihm. "Dabei denke ich Tag und Nacht über nichts anderes nach!" Was auch immer er sagen wollte, es kam nicht über seine Lippen.
 

"Ich war noch nie so richtig verliebt, glaub ich", sagte er. "Du Glücklicher", seufzte Hiro. "Aber, ich denke", fuhr Toya fort. "Jetzt bin ich's." "Was?" "Na ja, ich weiß auch nicht..." Toya senkte beschämt den Blick. "Aber es gibt da schon jemanden... Ich weiß nicht, ob das Liebe ist." "So...", murmelte Hiro und blickte ebenfalls in eine andere Richtung.
 

"Toll, da hast du den Salat, Hiro!", sagte er sich selbst. "Er ist verliebt! Ganz toll. Es gibt sicher kaum ein Mädchen, dass ihm 'nen Korb geben würde. Das heißt, es dauert sicher nicht mehr lange, bis er 'ne Freundin hat..."
 

"Masa?", begann Toya. "Woran erkennt man eigentlich, dass man jemanden liebt?" "Was? Ähm, na ja... weiß nicht", antwortete Hiro. "Ich denke, das fühlt man einfach." "Hmm." Toya überlegte kurz. "Also", seufzte er. "Ich fühl mich wohl, wenn dieser jemand bei mir ist. Ich krieg immer furchtbares Herzrasen, werde rot und fang an zu zittern. Aber... das fühlt sich ja gerade so gut an."
 

Es versetzte Hiro einen Stich im Herzen, diese Worte von Toya zu hören. Wie hätte er auch ahnen können, dass Toya von IHM sprach? "Früher oder später musste es ja so kommen", sagte er sich. "Jetzt hab ich ihn nicht nur an Yue verloren, sondern auch noch an ein Mädchen. Wie konnte ich nur so naiv sein, zu glauben, dass er..."
 

"Ich will mir nicht so recht eingestehen, dass es wahrscheinlich so ist", sagte Toya verlegen. "Es ist... irgendwie komisch. Na ja egal. Sag mal, bist du eigentlich verknallt, Masa?", fragte er. Masa überlegte kurz, obwohl er die Antwort doch ganz genau wusste. "Ja, allerdings", sagte er dann. "Echt? In wen?" "Sag ich nicht." "Ach komm schon!", drängte Toya ihn. "Sag du mir, in wen du verknallt bist!", forderte Hiro. "Nein!", fuhr Toya ihn an. "Also, dann sag ich's dir auch nicht."
 

"Und... woran hast du's gemerkt?", wollte Toya wissen. "Ich mein, dass du sie liebst." "Keine Ahnung", murmelte Hiro. "Das war irgendwie schon immer so. Weiß nicht mal, wann es angefangen hat." "Echt? So lange schon?", staunte Toya. Hiro seufzte. "Wenn du wüsstest", fügte er in Gedanken hinzu. "Ich halt das nicht mehr aus..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Es war bereits Abends, als Toya sich auf den Weg zu Yue machte. In seiner Hand hielt er den Zettel mit Yue's Adresse. "Ich möchte zu gern wissen, in wen Masa verknallt ist", grübelte er. Ein betrübendes Gefühl wuchs in ihm, während er darüber nachdachte. "Die Glückliche. Ich muss endlich aufhören damit. Es ist hirnrissig. Ich bin nicht schwul..."
 

Plötzlich stand er vor einem Wohnblock. "Hier muss es sein", dachte er. "Was Yue mir wohl zeigen will?" Kurz darauf klingelte er an einer der Türen. Es dauerte nicht lange, bis Yue aufmachte. "Hi, O-nii-chan!", sagte er mit dem üblichen Lächeln im Gesicht. "Komm rein, ich hab dich schon erwartet."
 

Die Wohnung war ziemlich klein, dafür aber um so ordentlicher. "Setz dich, ich mach nur schnell noch Tee", sagte Yue. Toya setzte sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Alles im Raum wirkte so düster. Oder war das nur so, weil durch die Fenster die Dunkelheit der Nacht ins Zimmer kroch. Das Licht der Lampe die über dem Tisch an der Decke hing, war schwach.
 

Wieso fühlte er sich hier wie ein Fremder? Er war schließlich nur bei seinem Bruder.
 

Aber da war noch immer dieses Eis zwischen ihnen, das noch nicht gebrochen war. Die Erinnerung an die Zeit als Dämon ruhte schwach in Toya's Gedächtnis. Er wusste, dass Yue sein Bruder war und er kannte ihn. Wieso dann, war ihm das alles hier so unangenehm? Sonst fühlte er sich doch immer wohl, in Yue's Nähe, aber hier war es anders. Es war alles so fremd. Bei Hiro zu Hause gefiel es ihm eindeutig besser.
 

Wenig später kam Yue mit zwei Tassen Tee zurück ins Wohnzimmer. Er stellte sie auf den kleinen Holztisch und sagte dann: "Also, ich hab dich kommen lassen, weil ich dir etwas schenken will." "Mir was schenken?", wiederholte Toya fragend. "Ja, ich wusste nicht, wie ich es dir sonst geben sollte. In der Schule wollte ich es dir nicht geben." "Aha", murmelte Toya und nahm einen Schluck Tee. "Ich hol's einfach mal", meinte Yue und ging wieder aus dem Raum.
 

Gleich darauf kam er wieder und zog ein langes Schwert aus einer Scheide. Die scharfe Klinge glänzte silbern. Der Griff war aufwendig verziert. Yue ließ das Schwert in seiner Hand kreisen. "Hab ich gestern erst gekauft", sagte er anscheinend ziemlich stolz. "Hier fang!" Er warf Toya das Schwert zu. Dieser konnte es gerade noch auffangen, ohne sich an der Klinge zu verletzten. "Ich kann mein Brüderchen doch nicht ohne jeglichen Schutz lassen, in diesen Zeiten."
 

Yue setzte sich neben Toya auf einen Sessel. "Da...das kannst du mir doch nicht einfach schenken", meinte Toya und blickte fasziniert auf das Schwert in seinen Händen. Es war wunderschön. "Das war doch sicher verdammt teuer!" "Ja, das kannst du laut sagen", gab Yue zu. "Ich kann das nicht anne...", begann Toya, doch sein Bruder unterbrach ihn. "Wenn du es nicht annimmst, bin ich beleidigt!" "Außerdem kann ich damit gar nicht umgehen!" "Dann lernst du es eben. Hör mal, du bist auch ein Dämon, schon vergessen? Damals wurdest du doch auch im Schwertkampf unterrichtet." "Ach ja?", fragte Toya. Das war wohl eines der Dinge, an die er sich noch nicht erinnerte. "Ja, aber keine Sorge", meinte Yue. "Auch wenn du es vergessen hast, du hast schon immer schnell gelernt." "Aber...", wollte Toya erneut widersprechen. "Nichts aber! Ich schenke es dir und als Gegenleistung erwarte ich, dass du regelmäßig hier her kommst und mit mir trainierst, klar?" Toya blickte schweigend auf das Schwert in seinen Händen.
 

"Ich kann nicht immer auf dich aufpassen", fuhr Yue fort. "Und Hiro vielleicht auch nicht. Du musst dir im Falle eines Falles auch selbst helfen können. Oder willst du etwa ewig auf Hiro angewiesen sein?" "Natürlich nicht!", sagte Toya ohne groß darüber nachdenken zu müssen. "Na also."
 

Yue nahm Toya das Schwert aus den Händen. "Ich hab es ein bisschen verzaubert", erklärte er, stand auf und zog einen Kreis mit dem Schwert in die Luft, worauf hin es sich in Luft auflöste. "Den Trick kennst du ja schon von mir und sicher auch von Hiro." Er streckte die Hand nach vorn aus und schloss sie zu einer Faust. Sogleich hielt er wieder das Schwert in der Hand. "Ist einer der leichtesten Zauber", sagte er. "So was schaff selbst ich. Dazu braucht man nicht unbedingt von Magiern abstammen. Du musst dich nur in Gedanken darauf konzentrieren. Versuch's mal!"
 

Er gab Toya das Schwert zurück. Toya schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. All seine Gedanken nur auf das Schwert zu richten. Seine Hand fühlte sich warm an. Es war wie ein leichtes Kribbeln in den Fingern. Plötzlich schlug er die Augen auf. Das Schwert war verschwunden. Und ehe er sich versah, tauchte es wieder in seiner Hand auf.
 

"Ach, du warst schon immer ein Naturtalent, Toya", meinte Yue lachend. "Bist halt ein waschechter Dämon." Toya ließ das Schwert erneut verschwinden. Es war tatsächlich ganz leicht.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Yue", begann er dann. "Was ist das für eine Familie, aus der Masa stammt?" "Weißt du das etwa auch nicht mehr?", entgegnete Yue. "Na ja, es wird wohl noch ein bisschen dauern, bis du dich an die ganzen Details erinnerst. Also, Hiro's Eltern waren beide sehr mächtige Magier. Deshalb haben unsere Eltern ihn ausgesucht, als Bodyguard für uns. Normalerweise sind Magier wie er körperlich eher schwach und auch im Umgang mit Waffen nicht sonderlich geübt. Sie verlassen sich einfach zu sehr auf ihre Magie." Er schüttelte seufzend den Kopf. "Dabei wird diese Magie über die Jahre oft schwächer. Hiro ist das beste Beispiel. Durch diese Zeitreise hat er den größten Teil seiner Kräfte verloren. Und die ganzen Jahre hier auf der Erde hat er sie so gut wie nie eingesetzt. Musste er ja auch nicht. Schließlich warst du in Sicherheit.
 

Na ja, jedenfalls war Hiro ja schon immer etwas anders. Er beherrscht den Umgang mit dem Katana, ist sportlich und keineswegs schwächlich. Er hat nach wie vor sowohl große psychische, als auch physische Kräfte. Das ist es, was ihn so besonders macht."
 

Toya seufzte. "Ich fand es trotzdem nicht gerade nett, dass unsere Eltern ihn einfach von seiner Familie getrennt haben." "Also, so würd ich das nicht unbedingt sagen", widersprach Yue ihm. Toya blickte ihn fragend an. "Hiro redet nie über seine damalige Familie, ist dir das noch nicht aufgefallen?" "Er war ja noch sehr jung, als er von ihnen getrennt wurde", sagte Toya. "Schon, aber das ist nicht der Grund", fuhr Yue fort. "Weißt du, um es mal so zu sagen... seinen Eltern war das Geld was unsere Eltern ihnen bezahlten bei weitem wichtiger, als ihr Sohn." Toya schwieg. Das war also der wahre Grund? Seine Eltern haben ihn für Geld an Toya's Eltern... verkauft?!
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Verkauft", dachte Toya. "Das hört sich an, als würde man über irgendein... Ding sprechen... nicht über einen Menschen..." Auf dem ganzen Weg nach Hause konnte er über nichts anderes nachdenken. Er hatte die ganze Zeit geglaubt, SEINE Eltern wären in diesem Fall gemein gewesen. Er hatte gedacht, sie hätten ihn gegen seinen Willen von seiner Familie getrennt, dabei... "Kein Wunder, dass er nie über seine Familie spricht", dachte er. "Armer Masa. Das muss schrecklich für ihn gewesen sein."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Am nächsten Morgen gingen Toya und Hiro wie immer gemeinsam zur Schule. "Sag mal", begann Hiro. "Was hast du so am Wochenende vor?" "Nicht viel", antwortete Toya. "Yue will mir Schwertkampfunterricht geben." "Was?" "Er hat mir gestern Abend ein Schwert geschenkt. Hat gesagt, ich müsse endlich mal lernen, auf mich selbst aufzupassen." "Ja, kann sein", murmelte Hiro.
 

Er dachte allerdings genau das Gegenteil. "Wozu denn? Er hat doch mich. ICH bin doch da, um ihn zu beschützen."
 

"Hey, wieso gehen wir nicht am Sonntag alle zusammen irgendwo hin?", schlug Toya vor. "Ich mein, Yue, du, Mariko und ich." "Hmm", murmelte Hiro wieder nur. "Von mir aus."
 

Eigentlich hatte er keine große Lust dazu, mit Toya UND Yue etwas zu unternehmen. Immer wenn er die beiden zusammen sah, wuchs diese Eifersucht in ihm. Dabei hatte Toya ihm noch gesagt, er müsse nicht eifersüchtig sein. Wie peinlich! Er durfte sich einfach nichts anmerken lassen. Schließlich mochte er Yue auch. Er konnte ihn nicht hassen, nur weil er Toya's Bruder war. Aber beneiden musste er ihn einfach. Er konnte immer bei ihm sein. Sie waren so offen miteinander. Toya vertraute Yue.
 

"Vielleicht sogar mehr als mir", dachte Hiro. Und genau das war der Grund für seine Eifersucht. "Masa?", sagte Toya und riss ihn damit aus den Gedanken. "Wir sollten uns beeilen. Wir sind schon wieder ziemlich spät dran." "Was? Ähm, ja okay."
 

~tbc~

Attack

Wuaaaah, gomen nasai, dass es so lange gedauert hat! T.T Ich will mich jetzt gar nicht noch länger rausreden: Die üblichen Probleme, die man halt so hat... lange Rede kurzer Sinn: Viel Spaß mit Kapitel 9!!!
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Es war Mittagspause. Jemand klopfte an die Tür zum Klassenzimmer der 2 B. "Ähm, hallo?", sagte das Mädchen mit dem rabenschwarzem Haar, das im Türrahmen stand. "Ich suche jemanden. Ist Teruko Miroi hier?" Der Junge mit den platinblonden Haaren und den wasserblauen Augen drehte sich zur Tür um. "Ja, was gibt's denn?", fragte er. "Ich muss mit dir sprechen. Kannst du mal mitkommen?" Wortlos stand Teruko auf. "Ist das seine Neue?", flüsterte ein Mädchen ein paar anderen aus der Klasse zu. "Die Glückliche!" Leises Kichern ging durchs Klassenzimmer. Auch wenn Teruko eigentlich einen ziemlich miesen Charakter hatte. In seiner Klasse und auch bei den Lehrern genoss er höchstes Ansehen.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Wer bist du eigentlich?", fragte Teruko, als er dem Mädchen, welches niemand geringeres war, als Garasu eine Weile schweigend gefolgt war. "Akari Usami", antwortete Garasu. "Sorry, noch nie gehört", meinte Teruko offensichtlich ziemlich gelangweilt. Garasu verließ das Schulgebäude und führte Teruko hinter die Sporthalle. "Hey, was soll ich hier? Was willst du eigentlich?"
 

"Sag mal", begann Garasu mit dieser zarten Mädchenstimme und drehte sich zu seinem Gegenüber um. "Du kennst doch Hiro Masanaru, oder?" "Hmm? Ja, leider", entgegnete Teruko. "Wieso?" "Und Toya Sakasa und Yue Garasu?", fragte der WAHRE Garasu weiter. "Und du kannst keinen von ihnen besonders gut leiden, hab ich recht?" "Bei Masanaru und Sakasa stimmt das, den dritten kenn ich kaum. Aber ich halt auch nicht viel von solchen Satanisten", meinte Teruko. Ein hinterlistiges Lächeln machte sich auf dem sonst so hübschen Mädchengesicht breit. "Sehr schön", sagte Garasu. "Ich wollte mich nur vergewissern, ob meine Informationen über dich stimmen." "Hä?", fragte Teruko verwirrt. "Du bist genau der Richtige für meine Zwecke." "Was... meinst du?"
 

Der Körper des Mädchens verwandelte sich langsam vor Teruko's Augen in Garasu's wahre Gestalt. "Wa... was soll da...das?", stotterte Teruko und wich erschrocken zurück. "W...wie ha...hast du das... gemacht?" Garasu grinste nur. Er zog einen Kreis mit dem Kreuzstab in die Luft, dann holte er damit aus und stieß ihn Teruko in die Brust. Es war zu schnell geschehen. Er hatte keine Chance gehabt, auszuweichen. Die Augen weit aufgerissen stand er da, regelrecht aufgespießt. Blut quoll aus seinem Mundwinkel hervor. Garasu grinste nach wie vor. Er zog seine Waffe zurück und fing den stark blutenden Jungen auf. "Zu erst", hauchte er. "...wirst du Toya Sakasa für mich töten."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Es war später Nachmittag. Die Schulglocke hatte gerate geläutet. "Hab ihr schon gehört?", flüsterte ein Mädchen ein paar anderen zu, während sie an Mariko vorbei, aus dem Schulhaus gingen. "Miroi soll seit der Mittagspause verschwunden sein." "Ja, er ist doch mit diesem Mädchen weggegangen und nicht wieder gekommen." "Angeblich hat man bei ihm zu Hause angerufen, aber da ist er auch nicht." "Und was ist mit dem Mädchen?" "Sie hat gesagt, sie hätten sich kurz unterhalten und dann wäre Miroi gegangen. Sie ist ja nach der Pause wieder in ihrer Klasse gewesen. So ein Mauerblümchen verdächtigt eh niemand." "Kennst du die etwa?" "Nur ein bisschen. Sie heißt Usami. Akari Usami."
 

Mariko hatte sich immer wieder nach den tuschelnden Mädchen umgedreht. Als sie diesen Namen hörte, drehte sie sich erneut erschrocken um, woraufhin sie mit jemandem zusammenstieß.
 

"Ouh, Entschuldigung", sagte sie und drehte sich wieder um. "Yu...Yue", stotterte sie knallrot. "Hallo, Mariko", begrüßte Yue sie mit diesem Dauergrinsen, dass er immer im Gesicht hatte. "Ha...hallo! Wa...wartest du a...auf Toya?" "Ja, er kommt heute nach der Schule mit zu mir." "A...ach so." "Sag mal, hast du auch gerade gehört, was die geredet haben?", fragte er mit gesenkter Stimme. "Ja, irgendwas über Akari U..."
 

"Psst", unterbrach Yue sie, denn in diesem Moment kamen die Mädchen an ihnen vorbei. Sie drehten sich kichernd um und gingen dann weiter. Kaum einen Meter von ihnen entfernt, lästerten sie auch schon los: "Habt ihr gehört? Die hat ihn beim Vornamen genannt! Hat sie was mit ihm?" Mariko wurde rot. Gaben diese Gänse sich nicht einmal Mühe, leise zu sprechen, wenn sie schon lästern mussten. "E... es ist doch okay, wenn ich dich Yue nenne, oder?", fragte Mariko vorsichtig. "Ich meine,... Garasu hat dir deinen irdischen Nachnamen gegeben. Den kriegst du nicht mehr los. Auch wenn du jetzt nicht mehr unter seiner Kontrolle stehst. Aber so nennen möchte ich dich nicht." "Klar, versteh ich", meinte Yue lächelnd. "Ich nenn dich auch Mariko, ja?" Mariko wurde puterrot. "J...ja", stotterte sie verlegen und blickte zu Boden.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Yue!", rief plötzlich jemand. Yue blickte auf. Als Mariko sich zum Eingang umdrehte, sah sie Toya und Hiro auf sich zukommen. "Hallo!", keuchte Toya. "Tut mir leid, dass du warten musstest. Hiro hat mal wieder Ärger mit dem Lehrer gehabt und ich hab noch auf ihn gewartet." Hiro stand mit nicht gerade glücklichem Gesichtsausdruck neben ihm. Eine Entschuldigung seinerseits hielt er anscheinend nicht für angebracht. "Tut mir ja sehr leid", ärgerte er sich in Gedanken. "Ich weiß, ich bin dir mal wieder nur ein Klotz am Bein. Meinetwegen musste dein ach so toller Bruder 'n paar Minuten warten. Aber wenn du dich mal mit MIR triffst und 'ne halbe Stunde zu spät kommst, so dass ich mir Sorgen machen muss, dann ist dir das immer völlig egal."

Natürlich waren all diese Beschimpfungen und negativen Gedanken übertrieben. Schließlich war Hiro derjenige, der immer zuspät kam. Außerdem entschuldigte sich Toya doch am laufenden Band für alles und jede Kleinigkeit. Aber Hiro brauchte einfach irgend etwas, was er ihm vorwerfen konnte, auch wenn er es nicht aussprach.
 

"Also, gehen wir?", fragte Toya. "Wir haben ein Stück lang alle den selben Weg." Also gingen die vier zusammen los. Mariko und Hiro gingen schweigend hinter Toya und Yue her. Keiner von beiden hatte Toya je so gesehen. Er erzählte Yue beinahe zu detailliert seinen gesamten Tagesablauf von der ersten Schulstunde an, redete pausenlos wie ein Wasserfall und lächelte schon beinahe das gleiche unbeschwerte Lächeln, dass Yue immer aufgesetzt hatte.
 

Besonders Mariko kam sich ziemlich unbeholfen vor. "Also", murmelte sie leise, so dass nur Hiro sie hören konnte. "So kenn ich Toya gar nicht. Er sieht richtig glücklich aus." "Hmm", brummelte Hiro. "In letzter Zeit hab ich ihn überhaupt selten lächeln gesehen, geschweige dennoch lachen..." Wieder gab Hiro nur ein "Hmm" als Antwort. "Wie macht Yue das nur?", dachte er. "Er bemüht sich gar nicht und trotzdem gelingt es ihm, Toya ohne weiteres so glücklich zu machen. Toya grinst ja schon von einem Ohr zum anderen, wenn er Yue nur sieht. Wieso bring ICH ihn immer nur zum weinen? Dabei will ich ihn doch glücklich machen. Wieso gelingt es MIR nicht, ihn zum lachen zu bringen? Ist diese Bindung durch das Blut etwa stärker als unsere jahrelange Freundschaft?"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Sugenami!", rief plötzlich jemand. Mariko drehte sich um. Ein Junge kam auf die Truppe zu gerannt. "Ein Glück, dass ich dich noch gefunden habe", keuchte der Junge außer Atem. "Du sollst noch mal zurück. Es gibt 'ne kurzfristige Klassensprecherversammlung." "Ouh, danke, dass du mir Bescheid gesagt hast", antwortete Mariko. Der Junge nickte nur, was wohl so viel heißen sollte, wie "War doch selbstverständlich" und rannte dann wieder zurück in Richtung Schule.
 

"Also, ihr hab's gehört, ich... uah!" Mariko blickte Toya entgeistert an, als sie sah, dass er sich bei Yue ein gehackt hatte. "Sag mal, Toya", murmelte sie. "Findest du nicht, dass du es... ähm, jetzt etwas übertreibst? Wenn man euch so siehst, könnte man euch glatt für... schwul... halten." "Lass mich doch!", erwiederte Toya stur und krallte sich an Yue. "Er ist mein Bruder! Da wird das doch wohl noch erlaubt sein?!" "Andererseits willst du nicht, dass jemand weiß, dass ihr Brüder seit! Und außerdem: Selbst wenn, ihr seid schon ein bisschen alt, für so eine Geschwisterliebe!", bohrte Mariko weiter. "Ich hab ihn seit Jahrhunderten nicht gesehen!", rechtfertigte Toya sich. "Das kannst du nicht ewig als Ausrede nehmen!" "Gib's auf, Mariko", seufzte Yue. "Ich hab's auch schon probiert." "Ist dir das unangenehm?", fragte Toya vorsichtig und blickte erwartungsvoll zu Yue auf, der, trotz des geringen Altersunterschiedes, um einiges größer war, als er. Yue lachte. "Ähm, nicht doch. So hab ich das nicht gemeint."
 

"Ouh mein Gott, der führt sich ja auf wie ein kleines Kind!", dachte Hiro mehr als genervt. "Und andererseits soll ich ihn nicht als Mädchen abstempeln?"
 

"Also zur Not kann ich immer noch sagen, er wär meine Freundin", meinte Yue lachend. "Siehst eh aus wie 'n Mädchen." Prompt ließ Toya seinen Bruder los. "Pah, fängst du jetzt auch noch an?!", sagte er und spielte den Beleidigten. Yue nahm ihn in die Schwitzkasten und tätschelte ihm über den Kopf. "Na was meinst du, sollen wir dir ein paar hübsche Kleidchen kaufen?" "Lass das!", schrie Toya und versuchte sich aus Yue's Griff zu befreien, was für jemanden von seiner Größe und Statur, jemandem wie Yue gegenüber natürlich nahezu unmöglich war. "Du bist gemeint! Yue! Lass mich looohoooos!" Mariko musste lachen. "Ihr seid schon ein witziges Gespann", kicherte sie. Yue ließ Toya los, welcher daraufhin versuchte, seine Haare, die in alle Richtungen von seinem Kopf abstanden, wieder zu richten. "Also, ich muss jetzt gehen", fuhr Mariko fort. "Wir sehen uns. Macht's gut." "Ciao!", riefen Toya und Yue wie aus einem Munde. Hiro sagte keinen Ton. Er blickte nur genervt in der Gegend herum.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Also, gehen wir." "Yep!", sagte Toya lächelnd und hackte sich wieder bei seinem Bruder ein, welcher daraufhin nur die Augen verdrehte. Hiro fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen. Schweigend ging er neben Toya her. Er war richtig erleichtert, als Toya und Yue kurz darauf eine andere Richtung gehen mussten. "Also, bis demnächst", war alles, was Toya für Hiro übrig hatte.
 

Es kam Hiro ein bisschen schäbig vor. Er hatte keine Augen für ihn, wenn Yue dabei war. Natürlich musste er da eifersüchtig werden. War doch ganz klar. Wieso wunderte das Toya noch? "Wenn er nicht mit zu Yue wäre, würden wir dieses Stück noch zusammen laufen", dachte Hiro, während er weiter ging. Es war ein komisches Gefühl, diesen Weg alleine zu gehen. Es passierte zu selten, dass Toya auf dem nach Hause Weg nicht bei ihm war. "Vielleicht ist Toya doch schwul", dachte Hiro. "Und in seinen Bruder verknallt. So kommt es mir langsam vor. Der benimmt sich in Yue's Gegenwart wie ein Mädchen, seinem Freund gegenüber." Es dauerte nicht lange, bis Hiro sich selber sagte, dass das gerade ein absurder Gedanke war. Und auch wenn er sich daran erinnerte, dass es damals, zu ihrer Zeit als Dämonen, auch schon so gewesen war, kam ihm trotzdem so vor als wäre Toya's Bruderkomplex seit damals noch viel schlimmer geworden.
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

In der Zwischenzeit war Mariko wieder in der Schule. Sie ging die Treppen nach oben, zu dem Klassenzimmer, wo die Besprechung stattfinden sollte. Als plötzlich Teruko an ihr vorbei ging. "Miroi, musst du nicht auch zur Besprechung?", fragte sie. Teruko ging wortlos an ihr vorbei. Sein Blick sah ausdruckslos, beinahe trübe aus. "Hey!", rief Mariko ihm nach. "Es ist ja nicht so, dass ich ihn leiden könnte", dachte sie. "Du bist doch Klassensprecher von der B, oder?" Teruko ging einfach weiter.

Plötzlich geschah etwas, was Mariko nicht für möglich hielt. Vor ihren Augen begann Teruko's Gestalt langsam zu verblassen. Sein Körper flackerte auf, wie das Bild auf einem kaputten Fernsehbildschirm. Mariko riss die Augen auf. Kurz bevor Teruko um die Ecke bog, verschwand seine Gestalt vollkommen. "Miroiii!", schrie Mariko und rannte los, doch in diesem Moment kamen zwei Mädchen um die Ecke gebogen und blickten sie mit kritischen Blicken an. "Is was?", fragte eines von ihnen. "Äh, nein", log Mariko. "Nichts."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Die ganze Besprechung über konnte Mariko an nichts anderes denken. Sie bekam überhaupt nicht mit, wovon der Lehrer sprach. Alle Klassensprecher der anderen Klassen waren anwesend. Nur Teruko fehlte. Hatte sie sich etwa nur eingebildet, ihn gesehen zu haben? Unmöglich!
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Mariko war selten so erleichtert gewesen, wie heute, als der Lehrer die Versammlung nach einer Ewigkeit, wie es ihr vorkam, zu beenden. Sie rannte aus dem Klassenzimmer. Doch als ihr dort ein Lehrer entgegenkam, bemühte sie sich, ihren Schritt zu verlangsamen. Es wurde nicht gern gesehen, wenn Schüler auf dem Gang rannten.
 

"Hey, da ist Sugenami", flüsterte eines der Mädchen, die sie vorhin gesehen hatten. Sie standen mit ein paar anderen ihrer Klasse an einem der Fenster im Gang. "Ach, da fällt mir was ein! Wir haben sie doch vorhin noch mit Garasu gesehen, stimmt's Aki?" "Ja", stimmte ein anderes Mädchen dem ersten zu. Mariko ging betont langsamer, um ihr Gerede noch möglichst lange hören zu können. "Sie hat ihn beim Vornamen genannt. Ob sie was mit ihm hat?" Ein drittes Mädchen begann laut zu lachen. "Wundern würd's mich nicht. Die Streberin hatte doch mit jedem Typ, der einigermaßen beliebt ist, schon was." "Stimmt, das beste Beispiel sind Sakasa und Masanaru!" Das Kichern wurde lauter.

Mariko begann vor Wut zu zittern. "Die klebt an ihnen, wie ein Hündchen. Ich kann solche Weiber nicht leiden, die sich den Jungs so an den Hals werfen." "Wahrscheinlich geht sie nebenbei auch noch auf den Strich!" Wieder lachten die Mädchen.
 

Mariko bog schnell um die Ecke und blieb dort stehen um zu lauschen. "Wisst ihr was? Ich könnt mir gut vorstellen, dass sie mit so manchem Lehrer auch schon im Bett war. Warum sollte sie sonst immer so gute Noten haben?" Mariko liefen Tränen über die Wangen. "Echt, also dieses Miststück. Wenn's so leicht ist, gute Noten zu bekommen, dann mach ich das auch!" "Kleine Schlampe! Die hält sich sicher für die Schönste." "Wir sollten ihr echt mal zeigen, dass sie das nicht ist, was?" Die Mädchen begannen erneut zu lachen.
 

Weinend rannte Mariko davon. Sie stürmte aus dem Schulhaus und rannte hinter die Sporthalle, wo sie sich neben dem großen Baum ins Gras fallen ließ. Sie vergrub den Kopf zwischen den Armen. Hier hinten war es immer still. Nur das leise Wehen des Windes war zu hören. Es war kalt. Die Tage wurden immer kälter. "Das stimmt nicht", wimmerte Mariko. "Ich bin nicht so wie sie sagen! Ich hatte weder was mit Toya noch mit Masa! Und mit Yue schon gar nicht! Ich hatte überhaupt noch nie..."
 

Das Knacken eines Astes war zu hören. Erschrocken fuhr Mariko hoch. "Mir gefällt dieser Ort hier hinten", sagte jemand mit zuckersüßer Stimme. Mariko blickte ihr Gegenüber schweigend und zugleich angsterfüllt an. "Was ist?", sagte Akari. Die langen, seidigen Haare des Mädchens wehten im Wind. "Hast du Angst?"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Das Aufeinanderprallen zweier Klingen war zu hören. Toya wurde zurück geschleudert und landete etwas unsanft an der Wand unter dem Fenster. "Au", fiepte er. Yue ließ seufzend das Schwert mit dem golden verziertem Griff sinken. "Puh, also so wirst du dich sicher nicht lange gegen Garasu behaupten können", sagte er. Obwohl es heute nicht das erste mal war, dass er am Boden lag und ihm neben ein paar kleinen Kratzern auch noch jeder Muskel im Körper schmerzte, stand er ohne die geringsten Einwände auf.
 

Das Training war hart. Viel härter, als er es erwartet hatte. Und diese mickrige Wohnung war sicher nicht der geeignete Ort zum trainieren. "Na hör mal, das ist meine erste Stunde!", schnaufte Toya. "Klar, dass du besser bist, als ich! Außerdem ist hier kein Platz für so was!" "Also schön", erwiderte Yue. "Ich hab 'ne Idee. Komm mit." Er ließ das Schwert in seinen Händen verschwinden. Toya seines ebenfalls. Yue zog seinen schwarzen Ledermantel an, mit dem er, wie Toya fand, noch viel dämonischer aussah, als er es sowieso schon tat. "Wo gehen wir hin?", fragte Toya, während er seine Jacke und seine Schuhe anzog. "Wirst du schon sehen."

Yue schloss hinter Toya die Wohnungstür ab und drückte auf den Knopf für den Fahrstuhl, der sich am Ende des Ganges befand. Wortlos stieg Toya nach ihm in den Fahrstuhl. Nachdem Yue einen weiteren Knopf auf der Anzeige im Fahrstuhl gedrückt hatte, setzte sich dieser in Bewegung und kurz darauf ging die Tür auch schon wieder auf. Yue trat nach draußen. Sie befanden sich in einem kleinen Vorraum mit kahlen Gipswänden. Yue öffnete eine Tür und ging hinaus. Nun standen sie auf dem riesigen Flachdach des Hochhauses. Kalter Wind blies Toya um die Ohren. Er bekam eine Gänsehaut. "Na, zufrieden?", fragte Yue. "Jetzt kannst du nicht mehr sagen, der Platzmangel wäre Schuld für dein Misslingen." Er richtete die Hand nach vorn. Das Schwert, dessen Klinge wesentlich breiter war, als die von Toya's, erschien. "Also, zeig mir was du kannst!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

"Hallo, hier ist Masanaru. Ist Mariko da?", fragte Hiro in den Telefonhörer. Es war schon spät. Sicher war Mariko längst von der Besprechung zurück. Hiro rief sie fast jeden Abend um die selbe Zeit an um sie nach den Hausaufgaben zu fragen. "Was, sie ist noch immer nicht da?", fragte Hiro. "Ich hab schon in der Schule angerufen", sagte Mariko's Mutter mit besorgter Stimme. "Aber da hat man mir nur gesagt, nach der Versammlung wären alle Schüler nach Hause gegangen. Ich mach mir langsam wirklich Sorgen. Auf ihrem Handy hört sie auch nicht." Hiro sah ebenfalls besorgt aus. "Hmm... ich werd mal schauen, ob ich sie irgendwie ausfindig machen kann. Aufwiederhören!" Hiro legte den Hörer auf. "Verdammt", murmelte er. "Hoffentlich ist ihr nichts passiert." Er schnappte sich seine Jacke und rief: "Mama, ich geh noch mal weg. Bis dann!" Noch ehe seine Mutter Einspruch erheben konnte, schlug die Tür hinter ihm ins Schloss. "Menno!", jammerte Hiro's kleine Schwester. "Warum darf DER so spät noch weg und ICH nie?"
 

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Mariko kniete im Gras und hielt sich mit den Händen den schmerzenden Kopf. Sie spürte ihren eigenen Herzschlag. In jeder Ader ihres Körpers schien er zu pulsieren. "Nein", fiepte sie. "Aufhören! Nicht!" Garasu, stand in Gestalt von Akari vor Mariko und blickte schweigend auf sie herab. Vor Mariko's geschlossenen Augen sah sie ein Bild vor sich. Teruko! Er griff Yue und Toya an. Er war nicht er selbst. Seine Augen blickten trübe ins Leere, während er mit der Pistole in seiner Hand auf Toya zielte. "NEIN!", schrie Mariko. "Bitte, nicht! Nein!" Sie hörte einen Knall. Panisch riss sie die Augen auf.
 

"Hast du es gesehen? Woher besitzt ein einfaches Mädchen wie du, diese Gabe?", fragte Garasu mit dieser dunklen, und doch klaren Stimme. "Was du gesehen hast, war eine mögliche Zukunft. Du hast gesehen, was passiert, wenn du deinen Freunden nicht zu Hilfe kommst. Und ich werde dafür sorgen, dass du keine Gelegenheit dazu haben wirst." Mariko zitterte am ganzen Körper. Das Pulsieren dröhnte in ihrem Kopf. Es hatte immer weh getan, wenn sie eine solche Vision gehabt hatte. Doch diesmal war es stärker als je zuvor. Garasu packte sie grob am Hals und zog sie auf die Beine. Mariko blieb die Luft weg. Sie war viel schwächer als Garasu. Es war unmöglich, sich aus seinem Griff zu befreien. "Ich weiß, dass du dahinter steckst. Wieso zeigst du dich nicht endlich?", hauchte Garasu. "Aoki!"
 

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"Schon besser", sagte Yue zufrieden, nachdem Toya seinen Schlag zum vierten mal pariert hatte. "Deine Verteidigung ist nicht schlecht. Aber wie steht's mit deinem Angriff?" Wieder holte er mit dem Schwert aus. Toya hielt das seine schützend vor sich. Er drückte die Klinge von Yue's Schwert von sich weg, drehte sich zur Seite und holte aus. "Kling!" Im letzten Moment hatte Yue abwehren können. "Puh, nicht übel", gab er neidlos zu. "Ich bin stolz auf dich, Brüderchen." "Danke", schnaufte Toya und wischte sich über die Stirn. Trotz des kalten Windes hier oben, schwitze er vom Training ganz schön.
 

"Toya!", schrie Yue plötzlich und schubste seinen Bruder zu Boden. Gerade in diesem Moment war ein Schuss zu hören. Toya richtete sich auf und blickte nach oben. Eine Gestalt sprang vom schmalen Geländer. Als sie ein paar Meter vor Toya und Yue auf dem Dach des Hochhauses stand, erkannte Toya ihn. "Miroi?", fragte er verwirrt. "Kennst du den etwa?", fragte Yue.
 

Toya erinnerte sich daran, was auch er heute in der Schule gehört hatte. "Miroi ist verschwunden, seit Akari mit ihm weggegangen ist." Die Gerüchte hatten sich rasend schnell verbreitet. Und für all das gab es nur eine logische Erklärung. "Yue, er muss unter Garasu's Kontrolle stehen", sagte er. "Das ist einer von unserer Schule." "Hmm, kein Dämon?", antwortete Yue. "Schade, dann dürfen wir ihn ja gar nicht killen." Wie konnte er selbst jetzt noch lächeln? "Also, dann kannst du ja gleich mal zeigen, was du gelernt hast", rief er Toya zu. "Aber ich kann ihn doch nicht mit dem Schwert angreifen! Er ist ein Mensch!"
 

Plötzlich gab es einen erneuten Knall. Toya sprang zur Seite. "Knapp daneben ist auch vorbei!", rief er Teruko zu. "Dämonen haben bessere Augen, als Menschen. Mit einer Pistole kannst du uns sicher nicht viel anhaben", meinte Yue siegessicher. Daraufhin ließ Teruko die Pistole zu Boden fallen. Er sagte keinen Ton. Er sah aus wie hypnotisiert. Er richtete die Hand nach vorn und hielt gleich darauf den Kreuzstab in der Hand. "Sag ich doch!", schrie Toya. "Garasu's Waffe!" "Hör zu, Toya. Du musst ihn verwunden. So wie Hiro mich neulich!" "Waaas?", schrie Toya und wich Teruko's Angriff aus. Dieser schlug wie wild mit dem Stab um sich. So dass Toya sich ständig nach links und rechts weg ducken musste. "Mach schon!", drängte Yue ihn.
 

Zögernd hob Toya sein Schwert an. Er holte damit aus und schlug seinem Gegenüber die Waffe aus den Händen. Teruko duckte sich, als Toya mit dem Schwert nach ihm schlug und zog Toya das Bein weg, so dass dieser zu Boden knallte. So hatte er genügend Zeit, um seine Waffe aufzuheben. Er schlug um sich, doch Toya's Reaktion war schneller. Noch am Boden kauernd holte er aus und traf Teruko am Bein. Teruko sank in die Knie. Kein Aufschrei war zu hören. Er verzog nicht einmal die Miene, obwohl Blut aus der Wunde an seinem Bein tropfte. "Miroi?", fragte Toya. Es sah so aus, als hätte Teruko sich geschlagen gegeben. Er kauerte am Boden und hielt sich das verwundete Bein. Mit der anderen Hand umklammerte er noch immer den Kreuzstab. "Miroi, alles okay?", fragte Toya. "Bist du wieder du selbst?"
 

Plötzlich fuhr der Angesprochene herum, stieß Toya zu Boden und stürzte sich auf ihn. "Aaah, verdammt! Yueeee!", schrie dieser. Die Spitze des Kreuzstabes war seiner Kehle bedrohlich nahe und er schaffte es nicht, Teruko von sich zu stoßen.
 

Doch plötzlich änderte sich dessen Gesichtsausdruck. Er riss die Augen auf, ließ den Stab fallen und versuchte die Hände, die ihm den Hals zudrückten, abzuschütteln. Erst jetzt erblickte Toya, Yue, der hinter Teruko stand. Dann ließ Teruko die Hände sinken. Sein Kopf fiel nach vorn. Yue ließ ihn los, worauf der leblose Körper zu Boden fiel.
 

Toya blickte in die eiskalten Augen seines Bruders. Diesen Blick kannte er gar nicht. Seine Augen waren schwarz. Fast so schwarz, wie seine Haare. Es war das erste mal, dass Toya das auffiel. Das war nicht der Blick, den er sonst von seinem Bruder kannte. Es waren die Augen eines Mörders. Und wohin war dieses beruhigende Lächeln verschwunden?
 

"Alles klar?", sagte er kühl und reichte Toya die Hand. "J...ja", wisperte Toya und ließ sich von Yue auf die Beine ziehen. "Dachtest du, ich lass zu, dass er dich tötet?", sagte Yue und streichelte Toya liebevoll über die Wange. "Ich wollte nur sehen, wie du dich gegen einen richtigen Gegner schlägst." "Nicht besonders gut, was?", meinte Toya und lächelte trübe. "Doch, du warst gut. Nur eins musst du noch lernen:..." Yue blickte zu dem bewusstlosen Teruko herab. "Habe niemals Mitleid mit deinem Feind. Hättest du dich nicht um ihn gesorgt, hätte er dich nicht so hintergehen können." "Ja, du hast recht", seufzte Toya. "Wenn du gegen Garasu bestehen willst, musst du noch viel besser werden. Tut mir leid, wenn ich vorhin ein bisschen hart mit dir umgesprungen bin, aber das muss sein. Sonst wirst du niemals stärker. Ich tue das alles nur, um dich zu schützen, klar?" "Weiß ich doch", versicherte Toya ihm.

"Du bist alles, was mir geblieben ist", flüsterte Yue mit traurigem Blick. "Ich würde es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren." Wieder streichelte er sanft Toya's Wange. "Yu... Yue...", wisperte dieser verunsichert. Und trotz dieser Unsicherheit legte er seine Hand auf die seines Bruders und schloss die Augen. "Ich will dich auch nicht verlieren", sagte er. "Nicht jetzt, wo ich dich endlich wieder habe." "Toya", flüsterte Yue. "Mein... geliebter... Bruder." Er bückte sich und küsste sanft Toya's Lippen. Toya hielt die Luft an. Er dachte nicht einmal daran, Yue wegzustoßen. Wieso wusste er selbst nicht, aber für ein paar Sekunden war er wie hypnotisiert. Leise flüsterte er: "Mein Bruder..."
 

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Ein lauter Knall war zu hören. Toya fuhr herum. Vor der Tür, die eben zugeschlagen wurde, stand Hiro. Er sah wütend aus. Sehr wütend. "Ma... Masa!", stotterte Toya. "E...es, ähm,... also... denk jetzt bloß nichts Falsches!" Hiro's Hände zitterten. Alles in ihm fühlte sich an, als würde es beben. Als würde das Blut in seinen Adern kochen. "Mariko", keuchte er nur. "Sie ist in Gefahr." "WAS?"
 

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Mariko lag schwer atmend am Boden. Sie blutete aus mehreren Wunden. Hatte etliche blaue Flecken und Blutergüsse. "Möchtest du wissen, wegen wem du das alles auf dich nehmen musst?", fragte Garasu spöttisch. "Nur weil sie sich nicht zeigt." "Es... ist mir... egal", stöhnte Mariko. "Egal, wer mir diese Kräfte... gegeben hat. Ich... bin froh,... dass ich sie habe. Damit... ich... Toya und Hiro... und Yue... beschützen kann!" Wütend trat Garasu mit dem Fuß nach der am Boden liegenden. "Dummes Mädchen! Was hast du denn davon, sie zu schützen? Du gehörst nicht zu ihnen. Du bist ein Mensch, keine Dämon!" "Na und?", keuchte Mariko. "Für mich... sind alle... Menschen gleich. Dämon oder nicht, was macht das schon... für einen Unterschied?" Wieder musste Garasu lächeln. "Genau die gleichen Worte habe ich vor vielen tausend Jahren schon einmal gehört", sagte er. "Kurz bevor ich dich getötet habe, Aoki. Du wolltest immer den Frieden schaffen, zwischen Menschen und Dämonen und was hast du nun davon? Nun ergreift deine Seele Besitz von einem unschuldigen Mädchen und zieht sie in die ganze Sache hinein. Wie schäbig du bist! Zeig dich endlich!" "Wovon redet er?", dachte Mariko. "Besitz ergreifen? Spricht er von der Person, die mir diese Visionen schickt? Wer ist diese, oder dieser Aoki?"
 

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"Mariko!", rief plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Mariko konnte nicht sehen, wer da war, doch sie erkannte die Stimme sofort. "Toya!", keuchte sie erleichtert. "Du Bastard! Vergreifst du dich jetzt sogar schon an wehrlosen Mädchen?", schrie Yue wütend und wollte auf Garasu losgehen, doch Toya hielt ihn zurück. "Er hat Mariko weh getan", sagte er mit kühner Stimme. "Dafür wird er mir büßen!" "To...ya", sagte Yue. Toya richtete die Hand nach vorn. Das Schwert leuchtete auf. "Na, was ist, Garasu?", sagte er fordern. "ICH bin es doch, den du willst! Also, was ist? Hier bin ich!" "Du forderst mich heraus?", schmunzelte Garasu. "Nein, Toya, tu's nicht!", rief Hiro, der sich in der Zwischenzeit um Mariko kümmerte, Toya zu. Dieser stellte sich in Kampfposition.

Garasu nahm die Hände nach vorn, worauf hin plötzlich Teruko erschien. "Ich hatte gehofft er würde dich für mich auslöschen", seufzte er mit einem Blick auf den bewusstlosen Jungen. "Sein Hass auf euch drei war eine gute Voraussetzung. Aber er ist eben auch nur ein Mensch." Er nahm den Kreuzstab an sich und ließ Teruko zu Boden fallen. "Also schön. Du hast dir so eben dein eigenes Grab geschaufelt." Er rannte mit dem Kreuzstab, bereit zum Schlag, auf Toya zu und schrie: "Stirb!" Toya werte den Schlag ab. Er musste schon nach diesem ersten Angriff feststellen, welche Kraft hinter Garasu's Angriff steckte. Etliche Schläge folgten und Toya war so damit beschäftigt sie zu parieren, dass gar nicht an einen Gegenangriff zu denken war.
 

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"Hiro", sagte Yue. "Bring den Jungen hier weg." Er blickte zu dem bewusstlosen Teruko herunter. "Wenn er aufwacht und das hier sieht, sind wir verloren." "Aber...", begann Hiro und blickte besorgt zu Toya, der sich noch immer gegen Garasu behauptete. "Er will sich persönlich für Mariko rächen", meinte Yue. "Er wäre dir sicher nur sauer, wenn du ihm dazwischen funken würdest." Yue lächelte. "Aber, wenn er..." "Keine Sorge, ich pass schon auf!" Zögernd stand Hiro auf und hievte sich den bewusstlosen Teruko über die Schultern. "Wenn Toya auch noch was passiert", sagte er zu Yue. ...bist du dran!" Yue lächelte nur. "Klar, weiß ich doch", versicherte er.
 

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Noch immer versuchte Toya, Garasu von sich abzuwimmeln. "Denkst du, du könntest so gewinnen?", fuhr dieser ihn an. "Durch ständiges Parieren? Wie willst du mich besiegen?" "Du... hast Mariko verletzt!", keuchte Toya. "Dafür wirst du büßen!" Garasu lachte spöttisch.
 

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In diesem Moment rührte Mariko sich. Sie schlug die Augen auf. "Yue", wisperte sie. Doch ihre Stimme klang anders. Yue erkannte sie sofort. "Du...?", sagte er erschrocken. Mariko lächelte. "Ja, ich bin es. Hör zu, Yue. Sag Mariko, es tut mir leid. Meinetwegen musste sie so Vieles über sich ergehen lassen. Aber meine Kräfte schwinden. Ich kann die Kontrolle über ihren Körper nicht mehr oft ergreifen und sie auch nicht lange halten. Ich muss meine Kräfte sparen, um ihr im Notfall diese Visionen schicken zu können." "Deine Kräfte schwinden?", wiederholte Yue. "Was soll das hei... Su..." "Yue, ich weiß nicht, ob ich noch einmal die Gelegenheit dazu habe, es dir zu sagen." Mariko lächelte, doch dieses Lächeln gehörte nicht ihr. Sie streichelte liebevoll über Yue's Wange. "Ich liebe dich!" "Sumi!", schrie Yue.

Doch in diesem Moment kniff Mariko die Augen zusammen. Sie rieb sich mit der Hand den Kopf und versuchte sich aufzurichten. "Toya?", wisperte sie, als sie Toya gegen Garasu kämpfen sah. Sie drehte sich um und erblickte Yue. "Yue? Was ist passiert?" Yue schwieg. "Keine Sorge, Mariko", seufzte er. Seine Augen sahen traurig aus. Beinahe glasig, als würde er gleich weinen müssen. "Es wird alles gut..."
 

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Toya knallte gegen einen Baum. Er duckte sich rasch, als er den Kreuzstab auf sich zukommen sah. Und griff nach dem am Boden liegendem Schwert. Die Spitze von Garasu's Waffe blieb im Holz stecken. Garasu zog so stark er konnte, doch es rührte sich nichts. Plötzlich spürte er einen Stoß in den Magen. Er blickte an sich herunter. Toya hatte ihm das Schwert hinein gerammt. Er zog die Klinge zurück, drängte sich am Baum vorbei und richtete sich auf.
 

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In diesem Moment kam Hiro wieder zurück. Er blieb wie angewurzelt stehen, als er das Szenario erblickte. "Du... kleine... Ratte", stöhnte Garasu und sank zu Boden. Er hielt sich gerade noch am Baumstamm fest. "Ich sagte doch", begann Toya. Auch er war ganz schön außer Atem. "Dafür wirst du büßen..." "Es... ist...", keuchte Garasu. "...noch nicht... vorbei!" Plötzlich löste sein Körper sich in Luft auf und auch der Kreuzstab, der noch immer im Baum steckte, verschwand spurlos.
 

"Er zieht sich zurück", sagte Yue überrascht. Toya lächelte erleichtert. Plötzlich wurde ihm schwindlig und er verlor das Gleichgewicht. Hiro war gerade noch rechtzeitig zu ihm gerannt und fing ihn auf. "Masa", stöhnte Toya und legte den Kopf erschöpft an Hiro's Brust. "Bitte... sei nicht sauer, ja?" Hiro blickte fragend auf ihn herab. Er wusste wirklich nicht, was Toya meinte. "Weil ich... Yue... geküsst habe", flüsterte Toya. Dann schloss er die Augen.
 

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"Wo hast du den Jungen hingebracht?", fragte Yue, Hiro, als sie auf dem Weg nach Hause waren. Es war ein seltsames Bild für die Passanten. Yue trug Mariko und Hiro, Toya auf den Schultern. "Hab ihn bei sich zu Hause vor die Tür gelegt und geklingelt. Wenn niemand zu Hause ist, muss er halt die ganze Nacht draußen liegen bleiben." "Du hast nicht viel für den Typ übrig, was?", meinte Yue lachend. "Ich HASSE ihn!", entgegnete Hiro. "Woher weißt du dann, wo er wohnt." "Toya und ich haben das Haus letztes Jahr zu Halloween mit Eiern beworfen", erzählte Hiro. Wieder musste Yue lachen. "Na ja, es ist ja bald wieder Halloween", bemerkte er. "Du, kannst du mir 'nen Gefallen tun? Bringst du Toya bitte nach Hause? Ich würd das ja selber machen, aber seine Eltern kennen mich nicht. Wenn ich ihn in dem Zustand abliefere, denken sie am Ende noch was Falsches. Du kannst dir sicher 'ne bessere Ausrede einfallen lassen. Außerdem muss ich noch mit Mariko reden." "Klar, kein Problem", antwortete Hiro.

Yue's Erklärungen, warum ER Toya nicht nach Hause brachte, interessierten Hiro kein bisschen, und so fragte er sich auch gar nicht, worüber Yue mit Mariko reden wollte. "Danke", sagte Yue. "Ich denke, ich hab ihn dir in letzter Zeit oft genug abspenstig gemacht, was?" "Ähm, wi...Wieso?!", stotterte Hiro. Anstatt zu antworten, murmelte Yue nur grinsend: "Tut mir leid. Ich wollte ihn dir nicht wegnehmen." "Äh, also... Yue, ich, äh...", stotterte Hiro bei dem Versuch, sich herauszureden. "Also, bis demnächst. Ciao!" Und damit bog er in eine andere Straße ein. "Yue!", rief Hiro ihm nach. "Und pass gut auf Toya auf!", rief Yue winkend zurück. "Komisch", dachte Hiro. "Das hört sich ja beinahe so an, als wüsste er, dass ich in Toya ver... Ach was, is ja auch egal."
 

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In diesem Moment öffnete Mariko die Augen. "Yue", sagte sie mit schwacher Stimme. "Wo bin ich? Was ist passiert?" "Toya hat Garasu vorerst geschlagen", erklärte Yue Mariko. "Sag mal, du weißt nicht, wer dir diese Visionen schickt, oder?", fragte er dann. "Irgend jemand namens Aoki", antwortete Mariko. "Das hat Garasu erwähnt. Aber ich weiß nicht, wer das sein soll." "Ich soll dir sagen, es tut ihr leid", meinte Yue, ohne zu erklären, um wen es sich eigentlich handelte. Dann ließ er Mariko von den Schultern.

Sie standen vor ihrer Haustür. Mariko blickte ihn fragend an. "Sie muss ihre Kräfte schonen, damit sie uns durch diese Visionen vor Garasu schützen kann. Deshalb konnte sie vorhin nicht kommen, um dir zu helfen." "Stimmt", murmelte Mariko nachdenklich. "Garasu sagte ständig, sie solle sich zeigen." "Es tut ihr leid, dass du ihretwegen leiden musstest." "Ach was", seufzte Mariko. "Ist schon okay. Es ist nicht schlimm, dass ich auch mal was einstecken musste. Es ist mir egal, wer mir diese Visionen schickt. Ich will es gar nicht wissen, aber ich bin dankbar, dass ich sie habe. Ihr seid Dämonen und ich bin nur ein schwächliches Mädchen. Aber ich will nicht nur ein Klotz am Bein sein. Deshalb bin ich froh, dass ich euch trotzdem irgendwie helfen kann." "Danke, Mariko", sagte Yue leise. "Du bist... wirklich tapfer."
 

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Langsam kam Toya zu sich. Er blickte sich um und stellte fest, dass er in seinem Zimmer war. "Ich hab deinen Eltern gesagt, du warst bei mir und bis am Ende eingepennt", hörte er eine Stimme. Er drehte sich um und sah Hiro neben dem Bett stehen. "Sie haben's sofort geglaubt", fuhr dieser fort. "Haben gesagt, du schläfst in letzter Zeit so wenig, dass es kein Wunder sei, dass du einfach umgekippt bist." Toya gab nur ein tiefes Seufzen von sich. Er hob die Arme nach oben uns streckte sich.

"Ich fühl mich einfach umwerfend!", sagte er lächelnd. Hiro blickte ihn fragend an. "Mir tut zwar alles weh, und ich hab das Gefühl, als würde mir gleich der Schädel platzen und als würden mir ein paar Elefanten auf dem Rücken herum trampeln, aber ich fühl mich klasse." "Das ist unlogisch", bemerkte Hiro. "Ich weiß", meinte Toya lachend und setzte sich im Bett auf. "Aber ich habe Garasu geschlagen. Einen besseren Beweis dafür, dass ich nicht schwächlich bin, kann es doch gar nicht geben, oder?" "Soweit ich weiß, hast du ihn nur durch einen glücklichen Zufall geschlagen. Sein Kreuzstab ist im Baum stecken geblieben. Wäre das nicht passiert, hättest du ihn sicher nicht..." "Halt die Klappe!", schrie Toya. "Jetzt lass mich doch mal in meinem Glauben! Ich hab mir solche Mühe gegeben, stärker zu werden, damit ich auf mich selbst aufpassen kann." "Ist es so schlimm, von mir beschützt werden zu müssen?", wollte Hiro wissen. "Nein!", sagte Toya schnell. "Natürlich nicht. Aber ich kann es nun mal nicht leiden, wenn man mich als wehrloses, schwaches Mädchen abstempelt." "Du bist kein Mädchen", seufzte Hiro. "Aber das Image wirst du sicher nicht mehr los." "Kann sein", maulte Toya.
 

Hiro setzte sich hinter ihn aufs Bett und legte die Hände auf seinen Rücken. "Wa...was soll das? Masa!", stotterte Toya verlegen. "Du hast doch gesagt, dir tut der Rücken weh", meinte Hiro. "Also verpass ich dir jetzt 'ne Massage." "A...aber ich...", murmelte Toya knallrot. "Kein aber", schnitt Hiro ihm das Wort ab. "Hin und wieder brauchen das auch Jungs." Toya schwieg. Er war knallrot. Aber es fühlte sich wirklich gut an. Nicht nur, weil es Hiro war, der ihn massierte. Schließlich war es nicht gelogen gewesen, dass ihm alles weh tat. Garasu hatte ihm auch ganz schön zugesetzt.
 

Plötzlich legte Hiro die Hände um ihn und knöpfte ihm das Hemd auf. Toya zuckte erschrocken zusammen. "Was hat er jetzt wieder vor?", dachte er, wagte es jedoch nicht, etwas zu sagen. Langsam zog Hiro ihm das Hemd aus. "Ohne geht's besser", meinte er nur. Toya war wirklich froh, dass er hinter ihm saß und sein Gesicht nicht sehen konnte. Sein Herz schlug wahnsinnig schnell. "Wie schön warm seine Hände sind", dachte er. "Wusste gar nicht, dass Masa so zärtlich sein kann. Warte mal, zärtlich? Seit wann sind Massagen zärtlich?"
 

Erschrocken stellte er erst jetzt fest, dass Hiro ihn schon lange nicht mehr massierte, sondern sanft seinen Rücken streichelte. "Das wollte ich schon immer mal machen", dachte Hiro. "Was für weiche Haut er hat. Ich kann nicht anders. Ich muss ihn einfach anfassen." Langsam streichelte er Toya's Seite. Er legte den Kopf auf seine Schulter, fuhr mit den Händen auf seinen Armen nach unten. Dann legte er die Arme um ihn und streichelte seinen nackten Bauch. "Masa", flüsterte Toya. Er wand den Blick ab. "Ich kann ihn nicht ansehen", dachte er. "Was mach ich nur?" "Es ist zu spät", sagte Hiro sich in Gedanken. "Diesmal kann ich mich nicht mehr zurück halten." Er küsste sanft Toya's Hals. Dessen Hände zitterten vor Erregung. "Oh Gott, ich darf nicht...", dachte er. "Er ist ein Mann. Das ist krank, Toya! Tu's nicht!" Er spürte Hiro's Hand auf seiner Wange. Hiro drückte seinen Kopf leicht in seine Richtung. Dann küsste er seine Lippen.

"Masa", flüsterte Toya und wich zurück. "E... es tut mir leid, dass ich Yue... geküsst habe." "Er hat DICH geküsst, nicht du IHN", korrigierte Hiro ihn. "Ja schon, aber ich hab mich auch nicht gewehrt. Es... war nicht so gemeint. Er ist ja mein Bruder und außerdem ein Mann." Schlagartig ließ Hiro ihn los. "Und was bin ich?", fragte er. Toya schwieg. "Wieso wehrst du dich JETZT nicht, hä?" Wieder wusste Toya nicht, was er darauf sagen sollte. "Lassen wir's fürs Erste lieber dabei, sonst fall ich noch über dich her", meinte Hiro seufzend, tätschelte Toya über den Kopf und stand vom Bett auf. "Masa", wisperte Toya mit gesenktem Blick.
 

"Hey", unterbrach Hiro ihn. "Du hast dich wirklich gut geschlagen heute. Gegen Garasu, meine ich. Trotzdem..." Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. "Werd nicht zu stark, ja? Sonst hab ich, als dein Bodyguard bald keinen Job mehr. Ich muss jetzt gehen. Sehen wir uns Sonntag?" "Ja", versicherte Toya ihm. "Na dann, erhol dich mal schön." "Mach ich." "Mach's gut. Bye!" "Bye!" Und damit schloss Hiro hinter sich die Tür.

Toya saß mucksmäuschenstill auf seinem Bett und dachte nach. "Was denkt der Typ sich eigentlich dabei?", fragte er sich. Noch immer schlug sein Herz schneller. "Er macht es mir wirklich nicht leicht. Dabei versuche ich so sehr, dagegen anzukämpfen. Ich darf mich nicht klein kriegen lassen. Schließlich sind wir beide Männer! Das würde nie gut gehen..."
 

tbc
 

Ich mag dieses Kapitel! ^^ (Eigenlob stinkt!) Besonders stolz bin ich auf die Endszene zwischen Hiro und Toya. Herr je... es geht langsam voran. *seufz* Aber ich mag das Kapitel auch im allgemeinen, weil es etwas von Mariko's Geheimnis freigibt und fast jeder der DB gelesen hat mich immer zwischendrin gefragt hat "Was ist denn jetzt mit Mariko und Sumi?" Tja, wie gesagt: Es geht voran...
 

Noch eine Info: Es gibt etwas, dass ich nicht leiden kann. Und zwar, an die 1000 Hits und kaum Kommis. Da weiß man nie woran man ist. Also eine Bitte: BITTE kommentiert! Muss ja nicht gleich ein Aufsatz werden. ^^ Ein paar Worte genügen schon. Danke!
 

Bis zum nächsten Kapi!

Anshie!

Burn!

Irgendwo in einer kleinen, unscheinbaren Wohnung in Tokio. Blut tropft auf den sonst makellos sauber und neu wirkenden Teppich. Erschöpft stütze sich Garasu an der Wand ab und zog sich dann zum Sofa. Mit der Hand hielt er sich die schmerzende und stark blutende Seite. Seine Hände zitterten. "Ver... dammt", keuchte er. Die Wunde war tief. Tiefer, als er es erwartet hatte. Toya schien wichtige Organe verletzt zu haben. Nicht ein mal seine Teleportationskräfte hatte Garasu in dieser Verfassung einsetzen können. Der Weg bis hier her in die Wohnung war lange und mühsam gewesen. Schließlich musste er auch noch darauf achten, nicht verfolgt zu werden. "Dieser kleine Scheißer!", fluchte er. Er hielt die Hand wenige Zentimeter über die Wunde. Ein fahles Licht strahlte aus seiner Handfläche, worauf hin die Wunde etwas kleiner wurde. "Reicht noch nicht aus", murmelte er. Obwohl er ein mächtiger Dämon war, hatten auch seine Kräfte ihre Grenzen. So auch seine Heilkräfte. "Sobald es verheilt ist, werde ich mich rächen", dachte er. "Toya Sakasa. Dafür wirst du sterben!"
 

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"Yue!", rief Mariko. Als sie am Samstagmorgen vom Einkaufen zurück kam, sah sie Yue auf der Straßenseite gegenüber. Yue hörte ihr Rufen, drehte sich um und als er sie erblickte, blieb er stehen. Mariko rannte gerade noch bei grün über die Straße. Plötzlich riss eine ihrer Einkaufstüten und ein ganzer Haufen Äpfel rollte auf den Gehsteig. "Aaaach, Mist!", fluchte Mariko, bückte sich und begann die Äpfel aufzulesen. Yue kniete sich ebenfalls hin und half ihr. "Hi", begrüßte er Mariko derweil. "Warst du einkaufen?" "Jaah", seufzte Mariko. "Meine Mama bleut mich jeden Samstag früh weg. Und was machst du so früh schon unterwegs?" "War auch einkaufen", erklärte Yue, stand auf und nahm Mariko, die sich gerade abmühte, die Tüte mit den Äpfeln aufzuheben, ihre Last ab. "Da...danke", stotterte Mariko verlegen. "Musst du noch mehr einkaufen?", fragte er. Mariko schüttelte den Kopf. "War grade auf dem Weg nach Hause." "Dann trag ich dir das." Und ehe Mariko etwas darauf erwidern konnte, lief Yue auch schon los.
 

"Ähm, warst du schon bei Toya?", fragte Mariko auf dem Weg. "Nein, Hiro hat ihn gestern heimgebracht. Hab gesagt, er solle sich um ihn kümmern." Mariko konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Um ihn kümmern, ja?", wiederholte sie kichernd. "Na hoffentlich hat Masa das mal nicht falsch aufgefasst." "Sag mal", begann Yue. "Was genau läuft eigentlich zwischen den beiden?" Mariko seufzte. "Ich glaub, dass wissen die selbst nicht so recht. Es ist manchmal echt zum Heulen mit ihnen. Da steht einer mehr auf dem Schlauch als der andere." "Aha", sagte Yue nur. Offenbar war das für ihn Antwort genug.
 

"Toya war wirklich gut, gegen Garasu", wechselte Mariko das Thema. "Er hat schnell gelernt. Das verdankt er wohl dir." "Er hatte nur Glück", sagte Yue knapp. Mariko schwieg. "Seien wir doch mal ehrlich. Wäre Garasu nicht dieses Missgeschick passiert, hätte Toya ihn niemals bezwingen können. Eine gute Abwehr ist wichtig, aber nicht alles. Toya muss noch viel stärker werden." "Hmm", murmelte Mariko. "Und wie geht es dir eigentlich? Du erzählst hier nur von Toya, dabei wurdest du auch ziemlich schlimm zugerichtet." "Das ist schon okay", meinte Mariko. "Es geht mir schon wieder besser. Die paar blaue Flecken. Meine Eltern haben nicht mal was gemerkt." "Du solltest das nicht zu leicht nehmen."
 

Mariko blieb stehen. Wieder standen sie vor ihrer Haustür. Wie oft war diese Situation schon eingetreten? Immer brachte er sie nach Hause und sie redeten, bis sie sich dann vor ihrer Haustür verabschiedeten. "Durch diese Visionen und deinen Bezug zu meinem Bruder und Hiro steckst du in der Sache mit drin. Ob du willst oder nicht." Mariko lächelte. "Will ich ja", sagte sie. "So werde ich wenigstens nicht ausgeschlossen. Ich will euch schließlich helfen." Yue lächelte. Doch sein Lächeln wirkte besorgt. "Danke", sagte er leise. "Und pass auf dich auf!" Mit diesen Worten kehrte er ihr den Rücken.
 

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"Die gleichen Worte habe ich schon einmal gehört. Stets gute Absichten, Friedensstifterin. Du setzt dich immer für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ein. Ist das dein Einfluss auf sie? Oder hast du sie gerade deshalb gewählt, WEIL sie dir so ähnlich ist,... Sumi?"
 

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Die ersten Straßenlaternen gingen an. Langsam wurde es dunkel. Jemand in einem dunkeln Mantel ging durch die Straßen. Stur geradeaus, als habe er ein striktes Ziel vor Augen. "Langsam gefällt mir diese Zeit", dachte Garasu. "Besonders die Nächte sind schön. Ich sollte noch öfter Spazieren gehen. Wer weiß, wie lange ich noch die Möglichkeit dazu habe. Schließlich werde ich bald zurück kehren. Und die Herrschaft über die Unterwelt erlangen." Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. "Yue... du hast nur Augen für deinen Bruder, genau wie dieser Hiro. Das ist euer Problem. Wer zu sehr auf andere achtet, der vernachlässigt seinen eigenen Schutz. Eigentlich war es mir ja egal, wie ihr alle sterbt, aber du, Toya Sakasa... Du hast es gewagt, mich zu verwunden. Aber du bist so leicht zu durchschauen. Es wird dir sicher nicht gefallen, wenn ich deinen kleinen Freund vor dir töte. So leidest du noch mehr. Und dann werde ich dich ganz langsam und qualvoll vor dich hin vegetieren lassen..."
 

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Es war Sonntagabend. Hiro saß gelangweilt vor dem kleinen Fernseher in seinem Zimmer und spielte Play Station. Nur konnte er sich einfach nicht auf das Spiel konzentrieren. "Ich darf mich nicht so gehen lassen", dachte er. "Wenn ich ihn heute getroffen hätte, wer weiß, was wieder passiert wäre?!" Seine Augen blickten trübe auf den immer wieder aufflackernden Bildschirm. "Was, wenn ich mich irgendwann nicht mehr beherrschen kann? Ich will ihn nicht verletzten. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Von diesem ersten Kuss an, hab ich alles nur noch schlimmer gemacht. Ich darf es ihn nicht wissen lassen. Bitte,... lass es noch nicht zu spät sein!"
 

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"Denn der Herr hat Wohlgefallen an seinem Volk. Er hilft den Elenden herrlich." - "Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt!" - "Die Heiligen sollen fröhlich sein und preisen und rühmen auf ihren Lagern." - "Lasse dein Angesicht leuchten über mir und sei mir gnädig!" - "Ihr Mund soll Gott erheben." - "...und vergib mir meine Schuld!" "Sie sollen scharfe Schwerter in ihren Händen halten, dass sie Vergeltung üben, unter den Heiden..." "Erbarme dich meiner unreinen Seele. Denn ich liebe einen Dämon!"
 

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"Mariko!" Schlagartig riss Mariko die Augen auf. "Ich muss eingedöst sein", stöhnte sie und rieb sich die Augen. Tatsächlich lag sie in ihrem Bett. "Mariko!", tiefes Schluchzen drang an ihr Ohr. Mariko drehte sich nach links, dann nach rechts. "Komisch, ich dachte, ich hätte etwas gehört..." "Bitte! Höre mich! Du musst mich hören, Mariko! Hiro! Er schwebt in höchster Gefahr!"
 

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Toya saß in seinem Zimmer am Schreibtisch und erledigte die letzten Hausaufgaben. Aufgaben in verhassten Fächer schob er immer bis zuletzt vor sich her. Verhasste Fächer, wie zum Beispiel Englisch. Nicht das er nicht einigermaßen gute Noten darin hatte. Es war einfach eines der langweiligsten Fächer, die Toya kannte. Wenn es eines gab, was er noch weniger mochte, dann Sport. Wirklich gut war er nur in Naturwissenschaften.
 

Mit einem ziemlich lautem Seufzen ließ er das Englischbuch zuschlagen. Er warf einen Blick auf die Wanduhr neben dem Schreibtisch. Es war kurz nach neun. "Selbst für seine Verhältnisse ist das spät", dachte Toya. Normalerweise rief Hiro spätestens am Sonntagnachmittag bei Toya an. Und zwar jedes Wochenende. Eine der wenigen Dinge, auf die man sich bei Hiro verlassen konnte. "Hat er nicht am Freitag noch gesagt, wir würden uns am Sonntag treffen?" Beinahe beleidigt dachte Toya daran zurück. "Wieso meldet er sich nicht?" Auch wenn es komisch klang, Toya selbst brachte nicht den Mut dazu auf, Hiro anzurufen. "Dabei sind wir jetzt schon so lange befreundet", dachte er. "Aber nach dem was er am Freitag gemacht hat..." Er wurde allein bei dem Gedanken daran rot. "Nach dieser Aktion kann ich ihn nicht anrufen. Ich würde wahrscheinlich sowieso nur herum stottern."
 

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"Game over or continue!", stand in großen neonblauen Buchstaben auf dem Bildschirm. Hiro seufzte. "Na von mir aus, continue", murmelte er. "Einmal probier ich's noch. Wenn ich das Level dann immer noch nicht schaffe, geb ich's auf." Das wievielte mal war es jetzt schon? Nachdem er ein paar Knöpfe auf dem Joystick gedrückt hatte, begann eine Musik zu spielen. "Level 5. Go!"
 

Gerade als das Spiel begann, war plötzlich ein lautes Knallen zu hören. Die Zimmertür sprang aus dem Rahmen. Wäre Hiro nicht schnell zur Seite gesprungen, hätte sie ihn erschlagen. Überrascht blickte er zur Tür. "Du schon wieder?!", knurrte er, als er Garasu sich gegenüberstehen sah. Garasu ging wortlos und zügig auf ihn zu. Hiro stand auf und ließ rasch das Katana in seiner Hand erscheinen. "Bist du hier, um dir eine Lektion abzuholen?", fragte er provozieren. "Halt die Klappe!", schrie Garasu und schlug Hiro, noch ehe dieser die Bewegung voraussehen konnte, das Schwert aus der Hand. Ein Klirren war zu hören und dann eine Explosion, als das Katana den Fernseher zerschmetterte. Flammen schossen aus dem Apparat. "Hey!", schrie Hiro. "Bist du noch ganz dicht? Den hab ich zum Geburtstag bekommen. War noch so gut wie neu!" "Du brauchst so etwas jetzt nicht mehr", zischte Garasu und lächelte, als hätte ihm dieser angerichtete Schaden die schlechte Laune genommen. "Du wirst sowieso sterben." "Das werden wir ja sehen!"
 

Garasu schlug mit dem Kreuzstab um sich, so dass Hiro sich ducken musste, um nicht getroffen zu werden. Er sprang zur Seite. Der Stab traf das Fenster. Erneutes Klirren. "Das ist die zweite Scheibe, die du ruinierst!", sagte Hiro verärgert. "Jetzt hab ich aber langsam die Schnauze voll!" Er richtete die Hände nach vorn. Eine glänzende, grüne Kugel, eine Art Lichtball leuchtete in seinen Handflächen auf. "Friss das!", schrie Hiro und die Kugel wurde auf Garasu geschleudert.
 

Alles was Hiro die nächsten paar Sekunden sah, war eine einzige Rauchwolke. Er hörte Garasu husten, doch als der Rauch sich legte, musste er feststellen, dass sein Feind noch immer auf beiden Beinen stand. Der Schreibtisch hinter ihm glich jedoch einem einzigem Schrotthaufen. "Du bist keine Gefahr mehr für mich", hauchte Garasu siegessicher. Er zog mit der Hand einen raschen Kreis in die Luft, wodurch eine Art Schockwelle entstand, die Hiro einfach so zurück schleuderte. Er knallte gegen die Wand und sank dann zu Boden. "Du hast dich zu sehr verausgabt, um deine Freunde damals zu retten. Zeitreisen sind eine komplexe Sache. Selbst für jemanden mit deinem Potential. Und dann noch so eine lange Zeit..." Er schüttelte seufzend den Kopf. "Wie... bist DU hier hergekommen?", fragte Hiro und richtete sich wieder auf. "Ich?", wiederholte Garasu. "Ich habe genug Idioten, die mich hier her bringen konnten. Mich hat das ganze überhaupt keine Anstrengung gekostet im Vergleich zu dir."
 

Er ging langsam auf Hiro zu. Hiro blieb still stehen. Er wusste, dass jeder Versuch, auszuweichen nur abgewehrt werden würde. War es Garasu's Wut, die ihn so stark machte? Und was war es, was ihn so wütend machte? "Weißt du", begann Garasu. "Ich muss noch irgendwie deinen kleinen Freund hier her locken. Er soll schließlich sehen, wie du leidest." Ein tückisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Hiro fiel darauf nichts besseres ein, als einfach frech zurück zu grinsen. "Macht dir das Spaß?", fragte er. "Du Sadist." Das Lächeln verschwand von Garasu's Gesicht. Er packte Hiro am Hals und drückte zu. "Diese kleine Ratte hat es gewagt, mich zu verletzen. Dafür wird er noch sehr leiden müssen. Das schwör ich dir!" "Ah,... so ist das", keuchte Hiro und versuchte Garasu mit den Händen von sich weg zu drücken. "Ist dein Stolz verletzt? Erträgst es wohl nicht, dass jemand wie er dich geschlagen hat, was?" Noch immer lächelte Hiro. Dabei war er doch eigentlich gar nicht in der Situation, wo man Grund zu lächeln hatte. Garasu hob Hiro hoch und schleuderte ihn in hohem Bogen weg. Hiro spürte einen ruckartigen Schmerz im linken Arm und das Knacksen eines Knochens war zu hören, als er gegen den brennenden und rauchenden Fernseher knallte und diesen mit zu Boden riss. "Er hatte nur Glück, klar?!", fuhr Garasu ihn an. "Ein kleiner Scheißer, wie er könnte mich niemals besiegen!"
 

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Unten im Haus ertönte das Klingeln des Telefons. Es klingelte schon eine Weile, doch niemand nahm ab. Toya hielt den Hörer fest umklammert. "Wieso geht denn keiner dran?", fragte er sich selbst. "Dass um diese Zeit niemand daheim ist, kann nicht sein. Da hab ich mich extra aufgerafft, ihn anzurufen und dann das?" Plötzlich hörte Toya ein Klicken. Der Hörer wurde abgenommen. Ein Rauschen war zu hören und dann ein poltern, als würde der Hörer fallen gelassen. "Hallo?", murmelte Toya fragend. "Hallo? Ist da jemand? Masa?" Niemand antwortete. Doch leise waren Geräusche zu hören. "Hey! Was ist da los? Masa? Frau Masanaru, sind sie das?" "To...ya", stöhnte eine Frauenstimme ganz leise. "Bist... du... das?" "Frau Masanaru? Ja, ich bin's. Was ist los? Ist etwas passiert?" "Toya...", wisperte die Stimme. Toya musste sich anstrengen, Hiro's Mutter überhaupt verstehen zu können. "Komm her!... Bitte... komm... schnell! Hiro... ist..." -Klack- "Hallo? Frau Masanaru? Hallo!"
 

-Stille-
 

"Aufgelegt?"
 

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Seltsamer Rauch lag in Räumen des Hauses. Hiro's Eltern und auch seine kleine Schwester lagen ohnmächtig am Boden. Frau Masanaru hatten noch den Telefonhörer neben der Hand liegen.
 

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"Verdammt", zischte Toya und knallte den Hörer auf. Ohne zu zögern rannte er aus dem Haus. Während er immer weiter rannte, versuchte er auf dem Handy, Mariko's Nummer anzurufen, was bei diesem Tempo nicht unbedingt ein Leichtes war. "Mariko?", sagte er dann in den Hörer, als diese abgenommen hatte. "Hör zu, du musst Yue benachrichtigen. Ich weiß seine Nummer nicht auswendig." "Hä, was?", fragte Mariko, die schon ihren Schlafanzug anhatte und gerade zu Bett gehen wollte. "Wieso, was ist..?" "Kommt ganz schnell zu Masa's Haus", unterbrach Toya sie. "Ich bitte dich! Beeilt euch!" "Toya? Was ist denn passiert? Hallo? Mist, er hat schon aufgelegt." Seufzend zog Mariko ihre Kleidung wieder an und schlich den Flur entlang. "Wenn meine Eltern merken, dass ich jetzt noch weggehe, bin ich tot", dachte sie. "Das hört sich alles nach mächtig Ärger an..."
 

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Flammen kletterten allmählich die Wände hinauf. Vom Fernseher war ein Funken auf den Teppich über gesprungen. Das Zimmer stand fast komplett in Flammen. Hiro spürte die Hitze um sich herum immer näher rücken. Der stickige Rauch brannte in seiner Lunge. Sein Kopf schmerzte. Alles um ihn herum war verschwommen. Alles tat weh. Nur sein linker Arm war wie taub. Vor sich in den bedrohlichen Flammen sah er Garasu sehen. Machte ihm das Feuer gar nichts aus? Oder konnte Hiro nur nicht mehr erkennen, wie weit es schon zu ihm vorgedrungen war? "Noch einmal wirst du ihn nicht retten können", hauchte Garasu. Seine Stimme schien zu beben. Sie hallte wie ein Echo in Hiro's Ohr. "Weder ihn noch Yue. Idiot! Hättest du dich damals nicht eingemischt, wäre das alles nicht passiert." Er packte Hiro am Kragen des zerrissenen, blutverschmierten Hemdes und zog ihn hoch. "Ich hätte die Herrschaft übernommen", flüsterte er ihm ins Ohr. "Ich hätte einen Magier wie dich gut an meiner Seite gebrauchen können. Sicher bereust du jetzt, was du getan hast." "Nie...mals", stöhnte Hiro. "To...ya... I...ch würde ihn... immer... beschützen! So...lange... ich... lebe..." Garasu grinste. "Na, das ist aber nicht mehr allzu lange", lachte er.
 

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Völlig außer Atem erreichte Toya das Haus. Er blickte auf. Plötzlich riss er die Augen auf. Riesige Flammen loderten aus dem zerbrochenem Fenster von Hiro's Zimmer. Rauch stieg auf. "Nein", wisperte Toya. "MASAAA!" Er rannte auf die Haustür zu.
 

Doch plötzlich packte ihn jemand am Arm. Toya drehte sich um und sah Yue hinter sich stehen. Neben ihm stand Mariko. Sie sah völlig fertig aus und hielt sich verängstigt die Hände vor den Mund. Leise konnte Toya sie schluchzen hören. "Da rein zu gehen, wäre glatter Selbstmord", sagte Yue kalt. In diesem Moment kam jemand aus dem Haus gestürmt. Beim näher kommen erkannte Toya einen kräftigen Mann. Er hatte Hiro's ohnmächtige Mutter auf den Armen. "Da würd ich nicht rein gehen", keuchte er. "Da ist irgendein Gas. Ich wäre selbst fast ohnmächtig geworden." Auf einmal kamen zwei weitere Männer aus dem Haus. Einer schleifte Hiro's Vater hinter sich her. Der dritte trug seine kleine Schwester. "Das Feuer hat sich schon im gesamten Obergeschoss ausgebreitet", sagte der dritte, ein etwas jüngerer Mann. "Wann kommt die Feuerwehr endlich?" "Ich hab sie verständigt, aber an einem Sonntagabend kann das noch dauern", sagte eine dickliche Frau, die bei den Männern stand. Toya hatte es gar nicht bemerkt, aber in der Zwischenzeit hatten sich eine Menge Leute aus der Nachbarschaft auf der Straße vor dem Haus versammelt. Einige Autos, die vorbei fuhren, hielten an und die Fahrer stiegen aus.
 

"Masa", fiepte Toya. Noch immer spürte er Yue's Griff fest um seinen Oberarm. "Masa ist da drin!", schrie er Yue an. "Lass mich los!" Er versuchte sich von Yue loszureißen. "Du KANNST da nicht rein!", schrie Yue und packte Toya nun auch noch am anderen Arm. Mariko brach unter Tränen zusammen und vergrub das Gesicht zwischen den Händen. "Oh Gott", schluchzte sie. "Oh lieber Gott... Bitte nicht!" "Bis die Feuerwehr hier ist, steht das ganze Haus in Flammen!", schrie Toya völlig aufgelöst. "Lass mich los! Ich muss ihn da raus holen!" "Ich lass dich da nicht rein!", erwiderte Yue. "Vergiss es!" "Ich werde ihn nicht sterben lassen, hörst du? Ich lass ihn nicht einfach sterben!" Tränen liefen über Toya's Gesicht. Seine Hände zitterten. Auf einmal leuchtete etwas in seiner rechten Hand auf. Das Schwert, dass Yue ihm geschenkt hatte, erschien und ohne nachzudenken, holte Toya damit aus. Yue wich wie durch einen Reflex zurück. Die Menschen um sie herum begannen sofort zu tuscheln und zu schreien. Erstaunen machte sich auf ihren Gesichtern breit. Doch das kümmerte Toya nicht. Ohne ein Wort ließ er das Schwert verschwinden und rannte in das brennende Haus.
 

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Für einen Moment ließ Garasu von Hiro ab, auf den er, trotz dass dieser schon am Boden lag, weiter haltlos eingeschlagen hatte. Er blickte zum Gang hinaus, erkannte jedoch nicht viel, da das Feuer sich schon im Flur ausgebreitet hatte. "Mir scheint, er ist zu deiner Beerdigung gekommen", sagte er. "Um so besser. Muss ich ihn nicht erst holen." Er musste husten. "Schade", fauchte er und wandte sich wieder Hiro zu. "Gerade jetzt. Ich hätte so gerne gesehen, wie er um dich weint, aber dieses Feuer wird mir langsam zu gefährlich." Er ging ein paar Schritte zurück und versuchte dabei so gut wie möglich an allen brennenden Gegenständen vorbei zu kommen. Als er das kaputte Fenster erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um. "Wir werden uns wohl nicht wieder sehen. War trotzdem nett, dich kennen gelernt zu haben. Auf nimmer Wiedersehen!" Das letzte was Hiro hören konnte, war Garasu's hämisches Lachen, dann sah er seine Gestalt aus dem Fenster verschwinden. "Es ist vorbei", dachte Hiro. "Das war's dann wohl." Etwas lief über seine Wange. Es fühlte sich weder warm noch kalt an. Hiro spürte nur die Hitze der Flammen, die ihn immer enger einkreisten, doch er wusste, dass es Tränen sein mussten. "Shit", dachte er. "Hätte ich dich doch heute Abend noch mal angerufen... Toya..."
 

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Mariko blickte erschrocken auf. Hatte sie sich das nur eingebildet? Oder war dar gerade jemand aus dem Fenster gesprungen? Einen Schatten hatte sie gesehen. Doch dann war die Gestalt verschwunden. "Garasu?", dachte sie noch. Als plötzlich das sehnlich erwartete, rettende Geräusch von Feuerwehrsirenen in der Ferne zu hören war.
 

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Toya hielt sich die Hand vor den Mund. Seine Augen tränten von dem dichtem Nebel. Was war hier versprüht worden? Toya wurde schwindelig. Als er die Treppe erreicht hatte, fielen ihm die Augenlieder zu und er verlor das Gleichgewicht. Im letzten Moment konnte er sich am Geländer festhalten. "Nein", sagte er sich selbst. "Ich... muss durchhalten! Masa... ich... lass dich nicht im Stich!" Am Geländer konnte er sich nicht lange die Treppe hochziehen, denn das Feuer hatte bereits die obersten Treppenstufen erreicht. Und es kroch immer schneller auf Toya zu. "Masa!", schrie Toya. Er spürte die Hitze um sich herum. Seine Beine schienen zu verbrennen. Er rannte den Flur entlang und blieb dann im Türrahmen von Hiro's Zimmer stehen. "Masa!", rief er erneut und blickte sich suchend um.
 

Dann erblickte er ihn. Hiro lag am Boden hinter einem großen, brennendem Kasten. Das musste einmal der Fernseher gewesen sein. Es stank fürchterlich nach allen möglichen, verbrannten Materialien. Toya musste husten. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er bahnte sich seinen Weg durch die Flammen und sank erschöpft vor Hiro in die Knie. "Masa", stöhnte er und packte seinen Freund an den Schultern. "Ich... hol dich hier raus!" Hiro's Augen waren geschlossen. Ob er Toya gehört hatte? Oder war er ohnmächtig? Toya durchfuhr ein plötzlicher Gedanke, der seinen Körper beinahe zum erstarren brachte. "Und wenn er... tot ist?" Mit zitternden Händen hievte er Hiro über die Schulter, was nicht gerade leicht war, wenn man bedachte, dass es Hiro immer so leicht gefallen war, Toya einfach so herumzutragen. Hiro war viel größer und auch schwerer als Toya. Gerade hatte Toya den Durchgang zum Flur erreicht, als ein Brett von oben herunterstürzte. Toya hatte im letzten Moment ausweichen können. Mühsam stieg er über das Brett und stolperte auf den Gang.
 

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Yue sagte keinen Ton. Schweigend starrte er wie gebannt auf die offenstehende Haustür. Er machte gerade Anstalten los zu rennen, als ihn jemand am Hosenbein festhielt. Yue sah hinter sich auf den Boden und blickte in Mariko's verzweifeltes Gesicht. "Geh nicht!", fiepte sie. "Geh du nicht auch noch da rein!" Schweren Herzens gab Yue den Gedanken, ebenfalls in das brennende Haus zu rennen, auf. Und in diesem Moment erreichte sie endlich das Feuerwehrauto.
 

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Rot schimmernde Umrisse glänzen vor Toya's Augen. Da er Hiro festhalten musste, hatte er keine Hand frei, um sich den Mund zuzuhalten und musste notgedrungen den Rauch und auch die Gase einatmen. Immer wieder musste er husten. Seine Beine drohten allmählich unter dem Gewicht zusammenzubrechen. Er war nicht mehr in der Lage, klar zu denken. Ein Licht erschien vor ihm. "Der Ausgang!", war alles, was ihm in den Sinn kam und wie besessen steuerte er darauf zu.
 

"Daaa!", schrie Mariko laut auf, als sie Toya aus dem Haus kommen sah. Einige Feuerwehrmänner kamen ihm gerade entgegen, stützen ihn und nahmen ihm Hiro von den Schultern. Auch Yue kam auf ihn zu gerannt. Erschöpft fiel Toya seinem Bruder in die Arme. "Toya", flüsterte dieser und drückte ihn fest an sich. "Ich hatte solche Angst. Tu so was ja nie wieder!" "Masa...", keuchte Toya. Er sah hinter Yue, wie die Feuerwehrmänner Hiro zu einem Wagen brachten. Wahrscheinlich ein Krankenwagen. Toya konnte es nicht erkennen. "Bringt ihn ins Krankenhaus!", wisperte er. "Schnell..." Dann verschwammen die Bilder um ihn herum endgültig. Und alles was blieb... war Dunkelheit.
 

~tbc~

Can't hide!

"Hey, ich glaube, er kommt zu sich. Yue!" "Was?" "Er hat gerade die Augen bewegt." "Echt?" "Ja,... glaub ich zumindest. Toya?" "Toya, kannst du mich hören?"
 

Langsam ergab sich ein Bild vor Toya's Augen. Eine weiße Decke über ihm. Das Gesicht seines Bruders. Und Mariko's. "Du bist im Krankenhaus", erklärte Mariko. "Du hattest eine Rauchvergiftung und etliche Verbrennungen, aber nicht sehr Schlimme. Du hattest mehr Glück als Verstand." Mit einem Blick auf Yue fügte sie hinzu: "Haben Dämonen andere Haut oder wie hat er das ausgehalten?" "Dämonen vertragen im allgemeinen ein bisschen mehr, als ihr zimperlichen Menschen", sagte Yue. "Trotzdem. Das war nicht gerade ungefährlich, was du da gemacht hast, Brüderchen." Toya richtete sich auf. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Was hatten sie ihm da gerade erzählt? Dabei hatte er nicht einmal danach gefragt. Er HÄTTE auch nicht gefragt. Irgendwie er schien es ihm so zweitrangig, was mit ihm war.
 

"Masa", wisperte er. "Wo... ist er?" "Mach dir keine Sorgen", sagte Mariko tröstend und streichelte mit der Hand über Toya's Kopf. "Er ist im Zimmer nebenan. Der Arzt ist gerade bei ihm. Er ist noch nicht aufgewacht. Ihn hat's 'n bisschen schlimmer erwischt, als dich, aber er ist außer Lebensgefahr." Toya fiel ein Stein vom Herzen. "Gott sei Dank", seufzte er erleichtert. "Er lebt..." Als er versuchte, aufzustehen, spürte er wie jeder Muskel in seinem Körper sich verkrampfte. Es tat höllisch weh. "Nicht doch!", fuhr Mariko ihn an. "Du musst noch liegen bleiben!" Trotz der Schmerzen dachte Toya gar nicht daran, sich wieder brav hinzulegen. "Lass mich!", keuchte er, als Mariko ihn zurück ins Bett drücken wollte. "Ich... muss ihn sehen."
 

Er stieß Mariko von sich und zog sich aus dem Bett. "Ich... will... zu ihm. Jetzt gleich!" Seine Beine fühlten sich an wie Gummi, als er versuchte, sich darauf aufrecht zu halten. Er drohte das Gleichgewicht zu verlieren, also nahm er die Wand zu Hilfe. "Aber...", widersprach Mariko und sprang auf die Beine. Doch plötzlich griff Yue nach ihrem Arm. Fragend drehte Mariko sich zu ihm um. "Lass ihn", sagte Yue nur knapp. Toya stützte sich auf alles, was er irgendwie erreichen konnte, obwohl dass in einem kahlen Krankenhauszimmer natürlich nicht viel war.
 

Mühselig schleppte er sich aus dem Zimmer. Auf dem Gang traf er zum Glück niemanden an. Ohne zu überlegen öffnete er die nächstbeste Tür. Erst dann fiel ihm ein, dass Mariko nicht gesagt hatte ob Hiro im Zimmer rechts oder links nebenan war. Vorsichtig lugte er in den Raum. Keine Ärzte. Waren sie schon wieder gegangen? Dann sah er Hiro im Bett liegen. "Masa!", flüsterte er und schloss hinter sich die Tür. Den kurzen, für ihn dennoch beschwerlichen Weg zum Bett ging Toya schneller, als es sein Zustand wohl zuließ, denn seine Beine schmerzen nun, da er den Stuhl neben dem Bett erreicht hatte, noch mehr als zuvor. Das mussten diese Verbrennungen sein. Seine Beine und Füße waren am meisten in Kontakt mit dem Feuer gekommen.
 

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Schweigend saß Toya auf dem Stuhl und blickte Hiro an. Seine Augen waren geschlossen. Wie süß er doch aussah. Als ob er einfach nur schlief. Doch seine sonst so ebenmäßige Haut wies hier und da Verbrennungen auf. Auch auf seinen Wangen. Um die Stirn trug er einen Verband. Ebenso um den rechten Oberarm bis über den Ellenbogen. Sein linker Arm war eingegipst. Auch auf den Wangen und am Hals war seine Haut rot. Rot von den Verbrennungen? Oder waren da noch andere Verletzungen? Wirkten deshalb die heilen Hautstellen so blass? Dabei war Toya's Haut doch eigentlich viel blasser. Das hatte Hiro selbst immer gesagt.
 

Toya zitterte am ganzen Körper. Sein Herz schlug so schnell, und doch nahm er es nicht einmal wahr. Seine Augen fühlten sich feucht an. Tränen tropften auf die weiße Bettdecke. "Masa!", schluchzte er und ließ den Kopf auf Hiro's Oberkörper fallen. Seine Hände krallten sich fest in die Decke. "Ich... hatte noch nie... solche Angst." Toya kniff die Augen zusammen. Er spürte, wie die Bettdecke unter seinem Kopf von den Tränen feucht wurde. "Wenn... wenn du gestorben wärst", wisperte er. "...du...kannst mich doch nicht einfach alleine lassen! Das... geht doch nicht! Du hast mir doch gesagt, dass ich dich, egal was auch passiert, ganz sicher nie mehr los kriegen werde!" Er wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab.
 

"Hey! Hörst du mich?", schrie er dann und schüttelte Hiro an den Schultern. "Wach schon auf! Blöder Idiot! Ich... HASSE dich!" Bei den letzten Worten kamen ihm erneut die Tränen. "Siehst du?", fiepte er. "Ich bin doch 'n weinerliches Mädchen. Hörst du, Idiot?" Er beugte sich über Hiro und strich ihm sanft durchs Haar. Dann schloss er die Augen und küsste ihn. Sein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub. "Idiot", flüsterte er und legte den Kopf auf Hiro's Brust. "Du... dämlicher... Idiot!"
 

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Leise drang eine Stimme an sein Ohr. "Psst, Yue! Er ist eingeschlafen. War mir doch klar, dass er noch nicht aufstehen kann. Los, bringen wir ihn wieder rüber." "Hiro ist immer noch nicht aufgewacht", flüsterte Yue besorgt. "Er hatte eine Rauchvergiftung, Verbrennungen, und etliche Schnittwunden. Sein Arm ist gebrochen und sein Bein angebrochen. Ich schätze, du denkst das Gleiche wie ich?" "Ja", seufzte Yue. "Das kann unmöglich allein das Feuer gewesen sein! Dahinter steckt bestimmt Garasu. Schon allein dieses seltsame Gas, von dem niemand wusste, was es war. Die Schnittwunden stammen ganz sicher von Garasu's Kreuzstab." Mariko seufzte. "Hoffentlich wacht er bald auf." "Komm, bringen wir Toya zurück."
 

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Mariko saß zu Hause auf dem Sofa und umklammerte die angewinkelten Beine mit den Armen. "Wieso hatte ich diesmal keine Vision?", fragte sie sich. "Wieso konntest du mich diesmal nicht warnen? Wozu bin ich denn gut, wenn ich nicht mal die Menschen beschützen kann, die ich am meisten liebe? Ist die Verbindung zwischen uns schon zu schwach? Konntest du mich deshalb nicht warnen... Aoki?!"
 

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Langsam kam Toya wieder zu sich. Schon wieder diese kahle, weiße Decke über ihm. Wie er diesen Anblick doch hasste. "Ich muss an Hiro's Bett eingeschlafen sein", dachte er. Mariko's Worte hallten in seinem Kopf wieder. Im Halbschlaf hatte er sie mit Yue sprechen hören. "Wie schlimm er zugerichtet worden war", dachte Toya. "Masa..."
 

Er gab sich einen Ruck und stand auf. Das Zimmer war leer. Die Vorhänge zugezogen. "Ich... halt das nicht mehr aus", seufzte er und zog diesen widerwärtigen Kittel aus, den man im Krankenhaus immer angezogen bekam. "Ich muss hier raus." Er brauchte nicht lange, um die Tasche mit Kleidung zu entdecken, die auf dem kleinen Tisch im Raum stand. Wahrscheinlich hatten seine Eltern ihm ein paar Sachen vorbei gebracht, während er geschlafen hatte.
 

So schnell es seine Verletzungen zuließen, zog er sich an und ging hinaus auf den Gang. Niemand war da. Von Mariko und Yue keine Spur. Auch nicht von Toya's Eltern. "Wie es wohl Masa's Eltern und seiner Schwester geht?", fragte Toya sich.
 

Er öffnete vorsichtig die Tür zu Hiro's Zimmer und warf einen Blick aufs Bett. Noch immer lag Hiro regungslos da. Genauso, wie Toya ihn vorhin schon vorgefunden hatte. "Ich... kann nicht mehr...", wisperte er. "Sag mir, was ich tun soll,... Masa!" Tränen liefen ihm still über die Wangen. Mit zitternden Händen schloss er die Tür und rannte davon.
 

Die Gänge des Krankenhauses waren größtenteils leer. Um so besser. Nur wenige Personen kreuzten seinen Weg. Er versuchte stets unauffällig in die andere Richtung zu schauen. Schließlich konnte er nicht wissen, welche Ärzte ihn als Patient erkennen könnten.
 

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Es wurde bereits dunkel. Ein starker Herbstwind wehte Toya die Haare ins Gesicht, als er auf die Straße trat. Es war bitterkalt. Toya umklammerte seinen Körper mit den Armen. "Mist", fauchte er. "Blöde Idee, einfach abzuhauen!", dachte er und trotzdem zwang er sich dazu, weiter zu gehen.
 

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Der Weg war lange und beschwerlich. Toya wusste nicht, wie lange er gelaufen war. Seine Beine hatten ihn einfach bis hier her getragen. Er hatte nicht das Gefühl, irgendeine Kontrolle auf sie auszuüben. Aber eine Strecke von dieser Länge, da war er sich ganz sicher, ging man normalerweise nicht zu Fuß. Zu blöd, dass er kein Geld für Zug oder U-Bahn bei sich hatte. Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es ihm erschien, stand er vor der Haustür und drehte den Schlüssel im Schloss um. Das Haus lag in Dunkelheit. Seine Eltern schienen schon zu Bett gegangen zu sein. Als er losgelaufen war, wurde es gerade dunkel. Wie spät es jetzt wohl war? Er wollte es eigentlich gar nicht wissen. Toya stütze sich am Treppengeländer ab, als er nach oben ging. Er hatte es vermieden, Licht anzuschalten. Er wollte nicht, dass seine Eltern aufwachten. Leise schloss er endlich hinter sich die Zimmertür und fiel sofort erschöpft aufs Bett. Seine Stirn fühlte sich kochendheiß an, und doch waren seine Hände wie Eisklumpen. Er spürte den Geschmack von Salzwasser am Mundwinkel. Die Haut auf seinen Wangen spannte von den angetrockneten Tränen. "Wieso muss so was passieren?", schluchzte er. "Wieso Masa? Hätte er doch MICH angreifen sollen. Masa... ich will dich nicht noch mehr in Gefahr bringen. Bitte... ich will... dich nie wieder leiden sehen müssen..."
 

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Ein kleiner Junge, etwa zehn Jahre alt, saß weinend, zusammengekauert in einem Eck, bei einer Steinwand. "Hey!", sagte plötzlich eine Stimme, klar und deutlich. Der blasse Junge mit dem feuerrotem Haar drehte sich um. "Wieso heulst du schon wieder, Toya?", fragte sein Gegenüber, ein Junge mit blondem Haar und grünen Augen, zirka so alt wie Toya selbst. "Masa?", hörte Toya sich selbst sagen. "Sie... haben gesagt, ich wäre... ein Monster!", wimmerte Toya. "Alle sagen das. Sie sagen, ich wäre seltsam. Richtig... gruselig! Niemand will mich. Niemand... weil ich... anders bin... nicht so wie sie..." "Blödmann!", fuhr Hiro ihn an. "ICH will dich doch! Du bist doch mein Freund! Wenn du ein Monster bist, dann bin ich auch eins." "W...was?", wisperte Toya und blickte Hiro mit seinen großen, rotbraunen Augen an. "Und wenn schon, dann sind wir halt zusammen anders", sagte Hiro gleichgültig. "Und jetzt hör endlich auf zum flennen! Du bist ja schlimmer, als ein Mädchen!" Sofort wischte Toya sich mit dem Arm über das Gesicht. "Komm, steh auf! Du musst mich noch Hausaufgaben abschreiben lassen."
 

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"Toya?", rief eine Stimme. "Toya, ach hier bist du!" Die Tür zu einem Klassenzimmer ging auf. Hiro stand im Türrahmen. Dem Alter nach zu urteilen musste das in etwa in der letzten Grundschulklasse gewesen sein. "Was machst du hier so alleine?", fragte er Toya. "Nichts", murmelte dieser, und klappte ein Buch, dass er offensichtlich gerade gelesen hatte, zu. "Sag mal, kannst du mir nicht 'nen Gefallen tun?", begann Hiro. "Die Jungs aus der Fußballmannschaft geben immer alle an, weil sie schon eine Freundin haben." Er ließ sich auf einen der Stühle fallen und begann damit zu kippen. "Ich will nicht sagen, dass ich keine hab." "Und was hat das mit mir zu tun?", wollte Toya wissen. "Na ja, kannst du mich nicht mal vom Training abholen und so tun, als wärst DU meine Freundin? Nur damit sie mir glauben, dass ich eine hab." Toya wurde rot. "Du bist ja wohl nicht mehr ganz dicht!", schrie er Hiro an. "Ich bin ein Kerl!" "Na uuuund?", bohrte Hiro weiter. "Das merkt doch keiner. Zieh dir halt 'n Kleid an." "Ich spiele doch nicht die Tunte für dich!", fuhr Toya ihn an. "Ach komm schon! Biiiitteeee!"
 

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Plötzlich verschwamm das Bild vor Toya's geschlossenen Augen und er fand sich in einem dunklen Gang wieder. Jeder seiner Schritte war auf dem steinernen Boden zu hören. Er hatte keine Ahnung wo er war, doch auf seltsame Weise kam ihm dieser Ort bekannt vor. Mit einem mal stiegen links und rechts von ihm Meter hohe Flammen auf. Er konnte nirgends ausweichen, war gezwungen den Gang zu Ende zu gehen. Soweit es ein Ende gab, denn er schien einfach immer weiter und weiter zu führen. Toya konnte selbst ganz weit hinten kein Ende ausmachen.
 

Auf einmal erblickte er etwas am Boden. Eine schmale Blutspur. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Die Spur wurde immer breiter, je weiter er ging. Und plötzlich wurde ihm klar, was hier geschah. Es war ein Traum. Er hatte die ganze Zeit schon geträumt. "Also, wach doch einfach auf, Toya!", sagte er sich. Doch es ging nicht. Seine Augen blieben geschlossen. Und obwohl er sich immer wieder sagte: "Es ist ein Traum! Nur ein Traum!", stieg doch die Angst in ihm immer weiter an. Unbewusst ging er weiter. Auf einmal blieb er stehen.
 

Er machte eine Gestalt vor sich aus. Als er genauer hinsah, erkannte er Garasu. Er hörte ihn laut lachen. Wen trug er da auf den Armen? "Masa?", schrie Toya. Als Garasu, Toya's erschrockenes Gesicht sah, lachte er noch lauter auf. Er ließ Hiro's leblosen Körper zu Boden fallen. Blut. Überall Blut. "Nein", fiepte Toya und blickte starr auf Hiro. "Er ist tot", hörte er Garasu sagen. "Tot!" "Nein! Nein, das ist nicht wahr!" Garasu's Lachen wurde immer leiser. Seine Gestalt verschwand von der Szenerie. Erschöpft sank Toya in die Knie. Er legte die zitternde Hand auf Hiro's Wange. Blut blieb an seiner Handfläche kleben. "Das... ist doch nicht real, Toya...", sagte er leise zu sich selbst. "Wach auf, Idiot! Du weißt doch, dass es nur ein Alptraum ist." So sehr er es auch versuchte, er konnte den Blick nicht von seinem toten Freund abwenden. "Du solltest nicht hinsehen!", dachte er. Hiro's blutverschmiertes, zerrissenes Hemd. Sein ganzer Körper, blutüberströmt. "Masa...", wisperte er. "Du... bist nicht tot! Nein..." Das letzte, was im langen Gang ertönte, war das widerhallten seines Schreis: "MASAAAA!"
 

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"Masa!" Schweißgebadet wachte Toya auf. Sein Atem ging schneller. Sein Puls raste. "Nein", flüsterte er. "Nein,... nur ein Traum... nichts als ein Traum... Oh Gott ich halt das nicht mehr aus..." Er vergrub den Kopf zwischen den Armen und kauerte sich so klein wie möglich zusammen. "Ich kann nicht mehr... Ich... halt's nicht mehr aus! Masa,... ich verliere den Verstand."
 

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Am frühen Morgen klingelte bei Yue das Telefon. "Ja, wer...", sagte Yue, nachdem er abgehoben hatte, doch die Person am anderen Ende der Leitung ließ ihn nicht ausreden. "Yue. Ich bin's, Mariko! Toya's Mutter hat mich gerade angerufen. Toya ist zu Hause." "Was?", schrie Yue. "Sie hat ihn heute Morgen in seinem Zimmer gefunden. Er sagt, er sei gestern abend vom Krankenhaus nach Hause gelaufen." "Vom Krankenhaus bis nach Hause?", wiederholte Yue. "Das ist unmöglich! Es ist viel zu weit! Aber..." Er verstummte kurz. Dann fügte er hinzu: "Toya trau ich es zu!"
 

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"Ich hab im Krankenhaus angerufen", sagte Toya's Mutter und stellte Toya eine Tasse Tee auf den Tisch. "Sie haben gesagt, du kannst zu Hause bleiben. Bist zu jetzt zufrieden?" Sie setze sich neben ihn aufs Sofa und schloss ihn in die Arme. "Mein armer Schatz", weinte sie. "Was musstest du durchmachen? Bitte... sag es mir, damit ich dir helfen kann!" "Was willst du hören?", dachte Toya, sagte jedoch nichts. Er saß einfach schweigend da, erwiderte nicht einmal die Umarmung seiner Mutter. "...dass ich ein Dämon und auch noch schwul bin? Tut mir leid, du kannst mir nicht helfen. Niemand kann das."
 

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Es waren fast drei Wochen vergangen. "Masa ist gestern entlassen worden", sagte Mariko auf dem Weg zur Schule. Sie war heute morgen extra früher aufgestanden und hatte Toya abgeholt. Seit dem Brand war es für Toya der erste Tag in der Schule. Bist heute war er beurlaubt worden. "Anscheinend hat es auch seine guten Seiten, ein Dämon zu sein. Eure Wunden heilen viel schneller, als bei einem Menschen." "Hmm", murmelte Toya nur, als würde ihn das, was Mariko erzählt hatte, nicht sonderlich interessieren. Er blickte nur weiter auf den Asphalt.
 

Mariko seufzte. "Du hast ihn kein einziges mal im Krankenhaus besucht", sagte sie mit leiser und eindringlicher Stimme. "Was ist los?" Toya antwortete nicht. "Er hat ständig nach dir gefragt. Ich wusste am Ende gar nicht mehr, was ich noch für Ausreden erfinden sollte." "Hättest ja die Wahrheit sagen können", murmelte Toya. "Und die wäre?" Wieder keine Antwort. "Hör mal, ich weiß nicht, wieso du das machst, aber ich finde dein Benehmen mehr als fies. Du hättest ihn sehen sollen. Er sah richtig fertig aus. Du bist nicht mal ans Telefon gegangen, als er versucht hat, dich zu erreichen, hat er gesagt. Dabei wollte er dich so gerne sehen."
 

"Und was, wenn ICH IHN nicht sehen wollte?", fuhr Toya sie an. Mariko blickte ihn einen Moment lang, beinahe empört an. Doch sie sagte keinen Ton. Es tat furchtbar weh. Wie konnte man sich mit seinen eigenen Worten solche Schmerzen zufügen? Dieses grauenvolle Stechen in der Brust. Als ob ihm etwas in der Kehle stecken würde. Etwas, dass immer mehr in ihm anschwoll und fast zu explodieren drohte. "Es tut so weh, Masa..."
 

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"Toya-chan!", rief Yue schon von weitem, rannte auf Toya und Mariko zu und schloss seinen Bruder in die Arme. "Tut mir leid, dass ich dich nicht besuchen konnte", entschuldigte Yue sich. "Ich wollte dich nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen. Deine Eltern halten mich wohl für irgend so 'nen Gruftie." "Ist schon okay", sagte Toya.
 

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Plötzlich hielt ein Wagen vor dem Schultor. Toya erkannte das Auto sofort. Wie oft hatten Hiro's Eltern sie beide irgendwo hin gefahren. Die Tür der Fahrerseite ging auf und Hiro's Vater, ein kräftiger, älterer Mann, stieg aus. Er lief um das Auto, wo nun die Beifahrertür aufging. Mariko versuchte an Hiro's Vater vorbei zu schauen, doch dieser versperrte ihr die Sicht, während er Hiro aus dem Auto half.
 

Toya wandte den Blick ab. Kurz darauf wurde die Autotür zugeschlagen. Der Motor sprang an und der Wagen fuhr davon. "Sein Vater hat ihn in die Schule gefahren. Klar, mit Krücken kann er schlecht her laufen", meinte Mariko.
 

Toya blickte nicht auf. "Nein, nicht", bat er sich selbst. "Jetzt nicht hinschauen! Wenn du ihn jetzt wieder siehst, war alles umsonst. Dass ich versucht habe, ihn ein für alle male zu vergessen..." Seine Hände zitterten. Sein ganzer Körper war angespannt. "Es ist sinnlos, Toya. Beachte ihn doch einfach nicht!" "Toya!", zischte Mariko. "Er kommt her!" Sie gab Toya einen Schubs, was wohl soviel heißen sollte, wie: "Jetzt hör auf mit dem Scheiß und stell dich nicht so an!"
 

"To...ya." Toya zuckte zusammen. "Seine Stimme..." Zu spät! Noch bevor er sich dessen bewusst wurde, hatte er den Kopf auch schon gehoben. Hiro stand kaum einen Meter vor ihm. Es war so ein ungewohnter Anblick. Sonst sah man ihn doch immer nur gesund und munter. Und nun stand er da. Mit Gipsarm und auf Krücken, hier und da ein paar Schrammen und Kratzer. Die verbrannte Haut, so gut wie möglich unter Kleidung und Verbänden versteckt.
 

Toya's Herz raste geradezu. "Hey", begann Hiro. Er lächelte. Wieso lächelte er? Was hatte er für einen Grund zu lächeln? "Du... hast mir gefehlt, Mann..." Toya war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Er wusste, dass Mariko und Yue wenige Meter hinter ihm standen und ihn beobachten. Aber das war nicht der Grund, warum er schwieg. Selbst wenn sie mutterseelenallein gewesen wären, hätte Toya in diesem Moment nicht gewusst, was er hätte sagen sollen.
 

Hiro kam auf ihn zu. Er legte die Hand auf Toya's Wange. Mit der anderen hielt er die Krücken fest. Er zog Toya zu sich heran und berührte leicht seine Lippen. "N...nicht", stotterte Toya verlegen und drückte ihn von sich. Dann legte er die Arme um Hiro, schmiegte sich an ihn und schloss die Augen. "T...Toya", flüsterte Hiro verwirrt. "Seine Nähe,... seine Wärme,... sein Geruch... Oh Gott, wie habe ich das vermisst?", musste Toya sich eingestehen. "Es geht nicht... ich kann... diese Gefühle nicht einfach abtöten."
 

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Mariko lächelte erleichtert. "Na also", sagte sie leise. Yue drehte sich fragend zu ihr um. "Was?", fragte er. "So sehe ich die beiden am liebsten", meinte Mariko. "Geht doch!"
 

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Der Schultag verlief ziemlich trocken. Toya fühlte sich grauenvoll. Es war einerseits das schlechte Gewissen, weil er Hiro nicht besucht hatte und andererseits hatte er doch versuchen wollen, ihn aufzugeben. Hiro fühlte sich nicht besser. "Wieso benimmt er sich so abweisend?", fragte er sich. "Er hat sich die ganzen letzten Woche nicht gemeldet. Als würde es ihn gar nicht kümmern, wie es mir geht. Und jetzt sagt er auch kaum ein Wort."
 

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"Mariko!", rief Toya ihr nach, die nach der letzten Stunde aus dem Klassenzimmer stürmte. "Warte! Wo gehst du hin?" "Ich muss zur Klassensprecherversammlung", rief Mariko ihm zu. "Könnte heute länger dauern. Ihr braucht nicht zu warten. Bis Morgen!"
 

Toya seufzte. Widerwillig wandte er sich Hiro zu. "Holt dein Vater dich ab?", fragte er. Hiro nickte. "Aber der kommt erst in 'ner halben Stunde. Früher kann er nicht. Muss noch irgendwas mit der Versicherung klären, glaub ich. Gehen wir nach hinten zur Sporthalle? Oder musst du schon heim?" "Nee, ich wart noch, bis dein Vater kommt", sagte Toya. Erst dann fiel ihm ein, dass er ja hätte lügen und sagen können, er müsse aus welchem Grund auch immer, schnell nach Hause.
 

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"Mann, bin ich froh, wenn wir wieder ein eigenes Dach über dem Kopf haben", seufzte Hiro, während sie auf dem Weg aus dem Schulgebäude waren. "Vorerst wohnen wir bei meiner Tante. Ist voll ätzend! Die Bude ist einfach zu klein für so viele." "Wie geht's deiner Familie?", fragte Toya. "Denen geht's wieder ganz gut. Scheint nichts Schlimmes gewesen zu sein, was Garasu da versprüht hat", antwortete Hiro. "Sie haben nichts von dieser Auseinandersetzung mitbekommen. Garasu will anscheinend nicht, dass irgend jemand erfährt, dass wir alle Dämonen sind."
 

"Ich hab ihn heute nicht hier gesehen", meinte Toya weiter. "Nee, scheint nicht in der Schule gewesen zu sein", stimmte Hiro ihm zu. "Dafür geht's dem lieben Miroi wieder wunderbar. Er erinnert sich an absolut gar nichts."
 

Hiro setzte sich auf den herunter gebogenen Ast des großen, alten Baumes. Toya setzte sich an die Wand der Sporthalle ins Gras. Es dauerte nicht lange, bis ihm klar wurde, dass das ein Fehler war. Denn sowohl die Steinwand, als auch das Gras waren eiskalt. Trotzdem wollte Toya jetzt nicht wieder aufstehen. Eine Weile herrschte Stille. Toya kam sich ziemlich dämlich vor.
 

"Toya", brach Hiro plötzlich das Schweigen. Und dann stellte er die Frage, die ihm die ganze Zeit schon auf der Zunge brannte. "Wieso hast du mich kein einziges mal besucht?" Toya zuckte zusammen. Er hatte befürchtet, dass Hiro ihn zur Rede stellen würde. Doch er hatte keine Antwort darauf. Seufzend blickte er starr ins Gras.
 

Wortlos stand Hiro auf, ging auf Toya zu und kniete sich vor ihn ins Gras. Er stützte sich mit den Armen auf Toya's Knie ab und beugte sich zu ihm herüber. Der Gips fühlte sich kalt an, sogar noch durch den dicken Stoff seiner Hose. Toya musste sich wirklich beherrschen. "Geh einfach nicht drauf ein!", sagte er sich selbst. "Was machst du, wenn ich dich jetzt einfach küsse?", flüsterte Hiro ihm ins Ohr. "Haust du mir wieder eine rein und fängst an zu schreien?" Toya schwieg. Er versuchte, Hiro's fesselnden Blicken auszuweichen. "Ich kann mich nicht wehren", dachte er.
 

"Soll ich es erst testen?", fragte Hiro lächelnd. "Und wenn schon? Eine Ohrfeige mehr oder weniger. Ich hab schon so viele bekommen. Da kommt es auf eine jetzt auch nicht mehr an." Nur noch ein paar Zentimeter lagen dazwischen, bis sich ihre Lippen berühren würden. "Und das hier ist mir mehr als jede Ohrfeige wert", flüsterte Hiro, neigte den Kopf zur Seite und küsste Toya. In Toya breitete sich ein seltsames Gefühl aus. Es war so schön! Es fühlte sich so unbeschreiblich gut an, ihn zu küssen. Ohne jede Gegenwehr schloss er die Augen. Er öffnete den Mund. Hiro's Zunge streifte sanft über seine Lippen. Dann berührte sie Toya's eigene.
 

"Dieses Gefühl", dachte Toya. "Es ist wie eine Droge. Egal, wie sehr ich versuche, dagegen anzukämpfen. Als hättest du unsichtbare Fesseln um mich gekettet, Masa... Ich kann dir nicht mehr entkommen!" Langsam sank Toya ins Gras.
 

Er legte die Arme um Hiro, der über ihm lag und sich, so gut es ging, mit den Armen im Gras abstützte. Toya blinzelte kurz. Er sah, dass Hiro die Augen geschlossen hatte. Schnell schloss er sie selbst auch wieder. "Mensch Toya, lass wenigstens die Augen zu beim Küssen", sagte er sich selbst.
 

"Toya", flüsterte Hiro. Als sich ihre Lippen voneinander lösten, drückte Toya, Hiro schnell an sich, so dass er den Kopf auf seine Schulter legen konnte. "Wie peinlich", dachte er. "Ich bin knallrot! Das darf ich ihn nicht sehen lassen."
 

"Danke", flüsterte Hiro. "Hmm? Wofür?", fragte Toya. Hiro richtete sich auf, was ihm sichtlich nicht leicht fiel, da er sich ja praktisch nur auf einen Arm stützen konnte. "Na, ohne dich wäre ich jetzt tot." Wieder dieses Lächeln. "Dein ganzes Haus ist abgebrannt", begann Toya. "Wie kannst du da noch lächeln?" "Na ja, ich lebe noch. Und du bist auch wohlauf. Mehr brauch ich nicht, um glücklich zu sein", sagte Hiro. Toya schwieg. Wie konnte Hiro nur so direkt sein? Vielleicht würde es nicht schaden, wenn er selbst auch endlich mal sagen würde, was ihm auf dem Herzen lag?
 

Ohne groß darüber nachzudenken, fiel er Hiro in die Arme. "Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie solche Angst", schluchzte er. Diesmal war es ihm völlig egal, dass er schon wieder weinte. "Als ich das brennende Haus gesehen hab... ich wusste nicht, was ich tun sollte." "Hey, ist ja schon gut", tröstete Hiro ihn und streichelte ihm durchs Haar. "Irgendwie... war mir plötzlich alles egal", murmelte Toya und schmiegte den Kopf an Hiro's Schulter. "Ich hab gar nicht daran gedacht, dass ich sterben könnte. Ich wusste nur, dass ich dich da raus holen musste, ganz egal wie."
 

Hiro spielte mit Toya's Haarsträhne herum, wickelte sie immer wieder um den Finger und strich sie dann wieder glatt. "Na, dann weißt du ja jetzt, wie's mir immer geht", meinte er lächelnd. Toya hob den Kopf und blickte ihn fragend an. "Wieso?" "Na ja, wenn DU in Gefahr bist, schaltet sich bei mir der Verstand auch immer einfach aus. Und dann muss ich dich einfach beschützen. Ganz egal wie und egal, was aus mir wird. Ich... würde für dich sterben." Toya zuckte zusammen. Er wischte sich die Tränen ab. "Hör auf!", sagte er. "Red nicht schon wieder vom Sterben. Ich will nicht dass du, oder sonst jemand sterben muss. Ich hatte Angst, du würdest mir einfach weg sterben und mich hier alleine lassen."
 

Hiro seufzte. "Kleiner Dummkopf", sagte er. "Ich hab's dir doch schon mal gesagt. Du kriegst mich nicht los, egal was passiert. Und jetzt hör auf zu flennen, Idiot!" Er wuschelte Toya durchs Haar. Toya lächelte. "Hey, lass das!", sagte er. "Und außerdem bist DU hier der Idiot!" "Hilf mir lieber mal auf, ich bin schließlich verletzt", meinte Hiro.
 

Toya stand auf und zog seinen Freund auf die Beine. Wobei das kein Leichtes für ihn war. Kaum stand Hiro auf den Beinen, drohte er auch schon, wieder zusammenzubrechen. Er konnte sich gerade noch an der Steinwand der Sporthalle festhalten. "Ouh, die Krücken!", sagte Toya und hob die Besagten vom Boden auf. "Sorry, hab ich ganz vergessen."
 

Hiro lehnte sich gegen die Wand. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Bring ich dich etwa so aus dem Konzept?", fragte er scheinheilig. Toya wurde rot. "Komm schon her!", sagte Hiro, packte Toya am Arm und zog ihn zu sich. Wieder berührten sich ihre Lippen. Toya wich zurück, doch Hiro hielt seinen Arm noch immer fest. Plötzlich ließ er von Toya ab. "Auuh", stöhnte er und warf einen Blick auf den eingegipsten Arm. "Mist, damit kann ich dich noch nicht mal gescheit festhalten", maulte er. "Na, so ein Pech aber auch", meinte Toya lachend. "Du kriegst wohl nie genug, was? Perverser!" Und damit ging Toya davon. "Was heißt hier Perverser?", rief Hiro ihm nach. Ausnahmsweise, war er derjenige, der mühsam hinterher torkelte. "Du hast es doch gewollt!" "Was ich will, und was nicht...", begann Toya. "...das lass mal schön meine Sorge sein." "Mann, wieso musst du mich immer so kaltherzig stehen lassen?", protestierte Hiro, doch anstatt zu antworten, sagte Toya nur: "Hey, da vorn steht euer Auto. Dein Vater wartet schon."
 

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"Hi Dad!", begrüßte Hiro seinen Vater. "Fährst du Toya schnell heim?" "Ähm Masa", sagte Toya. "Ist das nicht ein Umweg? Das Haus deiner Tante liegt doch genau in der entgegengesetzten Richtung." "Egal, steig ein!", meinte Hiro nur und zerrte Toya in den Wagen.
 

"Wir sind dir eine Menge schuldig, Toya", sagte Hiro's Vater während der Fahrt. "Ich will gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn du nicht gewesen wärst." Toya senkte beschämt den Blick. "Ach was...", murmelte er nur. Hiro's Vater lachte. "Ach ja, bescheiden warst du schon immer. Und selbst jetzt, wo du sogar meinem Sohn das Leben gerettet hast..." "Wie oft hat ER MICH denn schon gerettet?", wollte Toya am liebsten sagen. Irgendwie kam er sich ziemlich schäbig vor. Alle taten, als wäre er ein Held. Und plötzlich kam es ihm so vor, als hätte er sich nie ausreichend bedankt, wenn Hiro ihm geholfen hatte. Nahm er es etwa als selbstverständlich hin? "Quatsch! Es ist überhaupt nicht selbstverständlich", dachte er. "Er ist mein Freund und nicht mein Bodyguard!"
 

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Toya war kaum eine halbe Stunde zu Hause gewesen. Nun fand er sich bereits bei Yue wieder. Dieser hatte ihn, obgleich heute seit dem Unglück sein erster Tag in der Schule gewesen war, wieder zum Training verdonnert. Völlig fertig ließ er nach einer Weile einfach das Schwert auf den Boden fallen und warf sich aufs Sofa.
 

"Ich kann nicht mehr", stöhnte er. "Gönne mir eine Pause, du Sadist!" Yue ließ das Schwert in seinen Händen verschwinden. Toya, der auf dem Sofa lag, griff ebenfalls nach dem, am Boden liegenden, Schwert. Er erreichte es nur mit den Fingerspitzen und trotzdem löste es sich sogleich in Luft auf. "Kaum zu glauben", sagte Yue und setzte sich ebenfalls hin. "Einfache Zauber beherrscht du mittlerweile im Schlaf und dein Umgang mit dem Schwert ist erstaunlich besser geworden. Ganz zu schweigen davon, wie schnell deine Wunden geheilt sind."
 

"Was erstaunt dich das so?", seufzt Toya gelangweilt. "Ich bin ein Dämon. Genau wie du. Unsere Körper sind wesentlich standhafter als Menschliche. Und was meine Kampfkünste angeht: Ich hab mich lediglich an den Schwertkampfunterricht von damals erinnert, das ist alles." "Aah, deshalb bist du in so kurzer Zeit so gut geworden", meinte Yue. "Das erklärt natürlich alles." "Yue", begann Toya. "Sag mal, ist es wirklich die einzige Möglichkeit, Garasu in so eine Raum-Zeit-Schleife zu zerren? Ich meine, wieso können wir ihn nicht töten?" Yue seufzte. "Ganz einfach", begann er dann. "Weil er zu stark ist. Er hat unzählige, verbotene Zauber angewendet um sich diese Macht zu verschaffen. Ich weiß nicht, ob wir ihn besiegen könnten." "Aber es wäre doch möglich!", bohrte Toya weiter und setzte sich auf. "Wir sind zu zweit und er ist alleine." "Zu zweit?", wiederholte Yue fragend. "Und was ist mit Hiro?" "Halt ihn da raus!", schrie Toya. "Er... hat damit nichts zu tun. Garasu ist schließlich hinter uns her, oder? Nicht hinter ihm." Yue schwieg. "Was hat er denn auf einmal?", dachte er. "Ich... muss langsam gehen", sagte Toya leise und ging zur Tür. "Wir sehen uns morgen in der Schule." Und damit war er auch schon verschwunden. "Er benimmt sich wirklich seltsam", seufzte Yue.
 

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"Akari!", riefen ein paar Mädchen, winkten der besagten Person und rannten zu ihr. "Guten Morgen." Garasu schwieg. Diese nervigen Mädchen waren einer der Nachteile an diesem Körper. Doch er brauchte ihn, um sich unauffällig in dieser Welt aufhalten zu können. "Wo warst du gestern? Ging es dir nicht gut?" "Nein, ich... fühlte mich nicht wohl", antwortete Garasu. "Entschuldigt mich, ich muss kurz zum Lehrerzimmer." Mit diesen Worten ging er davon.
 

"Also irgendwie hat sie sich total verändert", murmelte eine von Akari's Freundinnen. "Ja, sie fehlst ständig und benimmt sich richtig komisch. Sie ist so abweisend und still. So kenne ich sie gar nicht."
 

Garasu erinnerte sich daran, wie er vor einer ganzen Weile an diesen Körper gekommen war.
 

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"Bis Morgen!", rief Akari. Sie lächelte und winkte ihren Freundinnen zum Abschied. "Und vergiss nicht, was du morgen vor hast!", rief eines der anderen Mädchen ihr zu. "Jaaah!" Akari seufzte glücklich. "Morgen ist es soweit", dachte sie. "Ich habe mir fest vorgenommen, wenn ich es schaffe, im Englischtest mindestens eine drei zu schreiben, werde ich Garasu-san fragen, ob er mit mir gehen will." Glücklich drehte das Mädchen sich um und machte sich auf den nach Hause Weg.
 

"Und ich HAB eine drei bekommen. Diesmal werde ich es ihm endlich sagen."
 

"Hast du dich in ihn verliebt?", fragte jemand. Erschrocken drehte Akari sich um. Ein Mann mit langem, silbernem Haar stand hinter ihr. "Wer... sind sie?", fragte sie. "Ich kenn Yue Garasu", sagte ihr Gegenüber nur, ohne auf ihre Frage einzugehen. "Ach wirklich?", erwiderte Akari. "Liebst du ihn?" "Ähm, na ja...", stotterte das Mädchen und senkte beschämt den Blick. "Ich... kenn ihn nur vom Sehen. Aber ich finde ihn wirklich gut aussehend und er scheint keine Freundin zu haben. Ich würde ihn wirklich gerne kennen lernen." Garasu lächelte. Es war dieses hinterhältige Lächeln, doch Akari sah es zum ersten und zum letzten mal in ihrem Leben. Wortlos schritt Garasu auf sie zu. Akari wich nicht zurück.
 

Sie war noch nie gerade schüchtern gewesen. Ein gesundes, munteres Mädchen, dass immer nur das gute in den Menschen sah.
 

"Ich kann dafür sorgen, dass du ihn kennenlernst", hauchte Garasu und legte die Hände auf Akari's Schultern. "W...wirklich?", stotterte Akari, die es nun trotzdem mit der Angst zu tun bekam und zurück wich. "Ja, ganz sicher. Aber du musst mir etwas dafür geben", meinte Garasu weiter. "Und was?", wollte Akari wissen. Ein hauchdünner Lichtstrahl schoss aus Garasu's Hand auf Akari zu und traf sie in die Brust. Das Mädchen riss die Augen auf. Niemand der Passanten hatte es gesehen. Langsam kippte sie nach vorn. Garasu fing sie auf und flüsterte nur: "Deinen Körper."
 

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Wie viele Menschen hatte er schon getötet? Garasu wusste es nicht. Er hatte unzählige auf dem Gewissen und eigentlich hatte er alle nur für einen Zweck umgebracht. Um zwei ganz bestimmte Personen zu töten. Yue und Toya Sakasa. Immer wenn er an sein bisheriges Scheitern dachte, stieg dieser Zorn in ihm an. "Ich krieg euch schon noch", sagte er zähneknirschend. Plötzlich riss er die Augen auf. Er stellte sich näher an das Fenster, an dem er gerade vorbei gelaufen war und blickte hinunter. Unten sah er Hiro, der gerade von seinem Vater in die Schule gefahren worden war. Links und rechts von ihm gingen Toya, Yue und Mariko. "Das gibt es nicht", zischte er. "Er lebt?"
 

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Es war nachmittags. Toya saß am Rande des Fußballfeldes auf einer Bank und laß einen Text im Englischbuch, über den sie morgen ausgefragt werden würden. Hiro saß neben ihm und schaute seiner Mannschaft beim Fußballspielen zu. Er sah ziemlich belämmert aus, schließlich konnte er wegen seinen Verletzungen nicht spielen.
 

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Mariko ging den leeren Korridor entlang. Kaum ein Schüler befand sich noch auf den Gängen. Die meisten waren schon in ihren AGs oder nach Hause gegangen. Mariko's Lehrerin hatte sie gebeten, ein paar Farben aus dem zweiten Kunstsaal zu holen.
 

Plötzlich sah Mariko ein paar Mädchen auf dem Fensterbrett sitzen. Sie erkannte sie sofort. Das waren die, die immer über sie tuschelten. Mariko versuchte nicht hinzuschauen und ging einfach an ihnen vorbei. Doch dann rief eines der Mädchen ihr nach: "Sugenami, die kleine Schlampe!" Mariko blieb stehen. "Na, heute mal ohne deinen Harem unterwegs?", meinte ein anderes Mädchen. "Wo hast du Sakasa und Masanaru gelassen, deine willenlosen Liebessklaven. Und Garasu gehört ja jetzt auch schon dazu."
 

Wütend drehte Mariko sich um. Die Mädchen fuhren erschrocken auf. "Huch, haben wir dich etwa wütend gemacht?", sagte eines von ihnen und zog eine Grimasse. "Was willst du jetzt tun, hä? Holst du deine Jungs und lässt uns verprügeln?" "Macht euch das Spaß?", fragte Mariko trocken. "Habt ihr nichts besseres zu tun, als mich zu verarschen?" "Kann sich ja nicht jeder mit lernen und auf den Strich gehen die Zeit vertreiben, Streber-Nutte!", konterte eines der Mädchen, woraufhin die anderen drei laut zu lachen anfingen.
 

Mariko bebte vor Wut. "Ihr seid doch nur neidisch!", schrie sie dann. "Weil Toya, Masa und Yue euch nie auch nur anschauen würden! Und weil ihr nie gute Noten haben werdet!" Dann rannte sie davon. Sie hörte die Mädchen weiter lachen. "Uuuh, jetzt hab ich aber Angst!", riefen sie und: "Jetzt ist sie wohl wütend. Die Ärmste!"
 

Mariko rannte so schnell sie konnte. "Hoffentlich läuft mir jetzt niemand mehr über den Weg", dachte sie. Ihre Augen waren vom weinen gerötet. "Wär ja peinlich, wenn mich so jemand sieht."
 

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Plötzlich hielt sie erneut inne. Ihr Blick schweifte nach draußen auf den Hinterhof. Sie sah jemanden auf einem der Steinblöcke sitzen. War das etwa...? Sie dachte nicht weiter darüber nach und ging durch die Tür nach draußen auf den Hof. Beim näherkommen erkannte sie die Person. "Akari Usami", fiepte sie verängstigt. "Garasu!" Sie machte auf dem Absatz kehrt um unbemerkt wieder in das Gebäude zu kommen. Doch dann rief ihr Garasu mit Akari's Stimme zu: "Ich hab dich längst gesehen. Weglaufen bring doch nichts." Aufgeregt blieb Mariko stehen und drehte sich um. Ihr Herz schlug schneller vor Angst. Sie hatte nicht vergessen, wie er sie schon einmal zugerichtet hatte.
 

"Ist nicht schön, so gehänselt zu werden, was?", meinte Akari lächelnd. "Schon blöd, wenn man keine Freunde hat. Da nützen einem gute Noten auch nicht viel, stimmt's?" "Stimmt nicht!", widersprach Mariko ihm. "Ich hab genug Freunde." "Ja, genau zwei, soweit ich weiß. Na, wenn dir das reicht", meinte Garasu und stand auf. "Aber was machst du, wenn ich mit ihnen fertig bin? Dann hast du nämlich gar keine Freunde mehr."
 

Mariko schwieg. Sie zitterte am ganzen Körper. "Na ja", fuhr Garasu fort. "Wenn du Glück hast, lass ich dir Hiro am Leben. Das heißt, wenn er sich endlich raushält." "Niemals!", schrie Mariko. "Du wirst weder Hiro, noch Toya und Yue etwas antun!"
 

"Mariko, lauf weg!", rief eine Stimme in Mariko's Kopf. Es war die Stimme der Person, die schon mehrmals die Kontrolle über Mariko's Körper übernommen hatte. "Aoki", sagte Garasu. "Du kannst dieses Spielchen nicht ewig spielen! Du schindest doch nur Zeit."
 

Die Stimme in Mariko's Gedanken antwortete nicht. Mariko konnte sich nicht von der Stelle rühren. "Keine Angst, kleine Mariko", sagte Garasu. "Heute brauche ich dich nur als Köder." Er schnipste mit dem Finger und wie auf Befehl erschien eine dicke Eisenkette um Mariko. Sie drehte sich um und wollte zur Seite springen, doch es ging zu schnell und die Kette schnürte sich eng um Mariko's Arme, Beine und Hüfte. "Wuaah!", schrie Mariko und stolperte zu Boden.
 

"Ich habe versucht, Yue zu manipulieren um Toya auszulöschen", erklärte Garasu, während er auf Mariko zuging. "Und es schlug fehl. Dann wollte ich dich töten, damit ich erst mal diese nervige Aoki los bin. Wieder ein Fehlschlag. " Er packte die Kette und zog Mariko daran hoch. "Und dann gelingt es mir noch nicht einmal, Hiro umzubringen. Und immer war diese kleine Kröte, Toya daran schuld!" Er ließ Mariko wieder unsanft auf den harten Boden fallen. "Er hat Yue wieder auf seine Seite gezogen, er kam dir zu Hilfe und diesem Hiro. Von einer halben Portion wie ihm werde ich mich sicher nicht besiegen lassen!" Garasu Stimme klang mit jedem Wort aggressiver und letztendlich schrie er: "Hörst du mich, Toya Sakasa? Diesmal bist du dran! Komm her, wenn du dich traust!"
 

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Auf einmal durchfuhr Toya ein seltsames Gefühl. Er legte das Buch weg und blickte auf. "Komisch", dachte er. "Ich dachte ich hätte etwas gehört..." "Willst du deine kleine Freundin nicht retten, Toya?", hörte er eine Stimme. Es war, als würde es sich in seinen Kopf bohren. "Mariko?" Blitzartig schoss er hoch. "Hey, geht deine AG nicht gleich an?", fragte jemand. Vor Toya stand Hiro. Toya hatte gar nicht darauf geachtet, dass er aufgestanden war. "Mariko", sagte Toya nur. "Hmm? Was ist mit ihr?" "Garasu ist hier!", schrie Toya und rannte davon.
 

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Er rannte über die Wiese hoch zum Schulgebäude. Er wusste nicht, wie er plötzlich darauf kam. War das so eine Art Vision? So wie Mariko sie immer hatte. Er wusste es nicht. Seine Beine trugen ihn einfach weiter. Er erreichte den Hinterhof. "Mariko!"
 

Garasu drehte sich um. "Toya", schrie Mariko, die gefesselt am Boden lag. "Na, das ging aber schnell", meinte Garasu. In diesem Moment kam Hiro um die Ecke gehumpelt. Für jemanden, der auf Krücken angewiesen war, konnte er immer noch ziemlich schnell laufen. "Toya, was ist denn...", begann er, verstummte jedoch schlagartig, als er Garasu und Mariko entdeckte. "Diesmal bist du dran", zischte Garasu. Der Kreuzstab erschien in seiner Hand. Toya ließ ebenfalls seine Waffe erscheinen. "Toya, ich denke nicht, dass das...", begann Hiro. "Halt die Klappe!", schrie Toya ihn an. Wütend aufschreiend rannte Garasu, die Waffe zum Schlag angesetzt, auf Toya zu. Toya hielt das Schwert schützend vor sich. Ein Kampf zwischen ihnen war nun nicht mehr zu vermeiden.
 

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Hiro ging zu Mariko herüber. "Alles okay mit dir?", fragte er, setzte sich und legte die Krücken weg. "Ja, mir fehlt nichts", versicherte Mariko ihm. Sie spürte einen Schlag, der die Fesseln um ihre Hüfte traf. Dann lösten die Ketten sich in Luft auf. Mariko drehte sich um und sah, dass Hiro sein Katana in der Hand hielt. "Dieses Teil ist echt krass", staunte sie. "Zerschlägt sogar Ketten." "In den richtigen Händen, kann das noch ganz andere Sachen", meinte Hiro, während Mariko ihm auf die Beine half. Ihr Blick fiel auf Toya und Garasu, die sich mittlerweile einen harten Kampf lieferten. "Was sollen wir machen?", fragte sie besorgt. "Wir können überhaupt nichts machen", sagte Hiro und biss sich dabei auf die Unterlippe. "Geh und schau, dass du Yue findest!" "Aber, er ist sicher schon daheim. Es wird dauern, bis..." "Um so schneller du gehst, desto schneller bis du wieder da!", unterbrach Hiro sie und ließ das Gefecht vor ihm dabei keine Sekunde aus den Augen. "So sehr ich es auch hasse, das zugeben zu müssen, aber ausnahmsweise, bist du wohl die schnellere Läuferin. Also geh schon!" "J... ja", stotterte Mariko und rannte davon.
 

"Toya", dachte Hiro. Es war unerträglich für ihn, da stehen zu müssen und überhaupt nichts tun zu können. Sicher, er konnte einen Lehrer oder sonst wen holen, aber er durfte niemanden da mit hinein ziehen. Jeder Unbeteiligte, der nun hier auftauchen würde, war zum sicheren Tode verurteilt. Er konnte nur tatenlos zusehen und hoffen. "Ich kann dir nicht helfen..."
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Toya knallte auf den harten Boden. Die Spitze des Stabes schoss auf ihn zu. Blitzartig rollte sich Toya zur Seite und stand auf. Er schlug mit dem Schwert hinter sich, doch Garasu war schneller und konnte den Schlag parieren. "So leicht kriegst du mich nicht", zischte er. "Werden wir ja sehen", konterte Toya. Doch in diesem Moment traf ihn etwas hart in den Magen. Er ließ die Abwehr sinken und hielt sich mit den Händen den Magen. Garasu grinste siegessicher. In einer Hand hielt er den Kreuzstab, in der anderen leuchtete eine bläuliche Energiekugel auf. "Du... beherrscht... Magie?", keuchte Toya. "Hab schon 'ne Menge Magier wie den da..." Er blickte zu Hiro, der in einigen Metern Abstand zu ihnen stand. "...getötet. Er wird also nicht der erste sein. Eigentlich wollte ich ihn ja vor deinen Augen qualvoll sterben lassen, aber andersherum wird's vielleicht auch ganz lustig." "Du Schwein!", schrie Toya und holte erneut mit dem Schwert aus. Eine Reihe Angriffe folgten. Immer wieder war das Aufeinanderprallen zweier Klingen zu hören. Dann knallte Toya plötzlich gegen einen der Bäume, die auf dem Hinterhof standen. Es lag nicht an mangelndem Können. Garasu körperliche Kraft war einfach stärker. Toya konnte dem nicht ewig standhalten.
 

"Verdammt, wo bleibt Mariko?", dachte Hiro. Zeitlich gesehen konnte sie noch gar nicht zurück sein, doch Hiro kam es wie eine Ewigkeit vor. "Langsam wird's brenzlig."
 

Garasu stand zirka zwei bis drei Meter von Toya entfernt. Er schleuderte einer diese bläulich schimmernden Kugeln auf Toya. Dieser hielt das Schwert vor sich. Doch die Energiekugel wurde nicht vollständig abgefangen und traf Toya an der Seite. Immer weiter feuerte Garasu diese Lichtbälle auf ihn ab. Toya blieb nicht einmal die Zeit, um aufzustehen. Sein ganzer Körper schmerzte. Die Magie, die sein Feind gegen ihn anwendete, fühlte sich wie unzählige Stromschläge an. Seine Haut brannte. Sein Hemd war völlig zerfetzt und überall hatten der Kreuzstab und diese Kugeln, Kratzer und Schnittwunden hinterlassen. "Lange halt ich das nicht mehr aus", dachte er. Er stützte sich mit den Händen auf dem Boden ab und versuchte aufzustehen. "Denkst du wirklich noch, du könntest entkommen?", rief Garasu ihm zu und stellte die Magieattacken ein. Er schnipste mit dem Finger und wie schon vorhin bei Mariko, schnürten sich auch um Toya nun dicke, eiserne Ketten. Garasu formte die Hand zu einer Faust, worauf die Ketten sich noch enger zogen. Sie drückten sich fest in Toya's Haut. "Aaah", schrie dieser auf.
 

"Toya!", rief Hiro. Seine Hände, mit denen er sich auf den Krücken abstützte, zitterten. "Ich muss ihm helfen!", dachte er.
 

Die Ketten um Toya's Fußgelenke schnürten sich enger. Toya verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Er spürte, wie ihn erneut eine von Garasu's Energiekugeln traf. "Aaah", stöhnte er. "Gibst du auf?", fragte Garasu scheinheilig. "Das würde dir jetzt eh nichts mehr nützen. Du bist tot!" Und mit diesen Worten holte er mit den Kreuzstab weit aus. Er schlug herum. Traf etwas. Blut spritzte. Ein Aufschrei war zu hören. Toya spürte eine Last auf sich.
 

Vorsichtig öffnete er die Augen. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie er sie zusammengekniffen hatte. Für einen Moment lang war es, als würde sein Herzschlag aussetzen. Mit starrem Blick, beinahe wie in Trance blickte er auf Hiro, der über ihm lag. "Ma...sa", wisperte er. Garasu zischte etwas. "Du schon wieder?!", fauchte er dann. "Na warte... diesmal wirst du..." Er schwang seine Waffe. Doch kurz bevor die Spitze, Hiro berührte, schrie Toya: "NEIN!" Er griff nach dem Schwert, dass neben ihm am Boden lag und hielt es schützend vor Hiro. Blut lief seinen Arm hinunter, da er mit der anderen Hand die Klinge gepackt hatte. Nur so hatte er Garasu von Hiro weg drücken können. "Irgendwann...", schrie Garasu wütend auf. "Irgendwann mach ich dich kalt! Dich und deinen Bruder, du elender Abschaum!"
 

˜*˜*˜*˜*˜*˜
 

Toya sah nicht ein mal mehr genau wie, doch er wusste, dass Garasu sich gerade zurück gezogen hatte. Irgendwann,... ja irgendwann vielleicht. Aber das war nicht jetzt. Und im Moment war es völlig gleichgültig. "Masa", wisperte Toya und zog Hiro an den Schultern hoch.
 

"To...ya", keuchte dieser. "Gott... sei dank,... du... lebst." Tränen standen Toya in den Augen. "Kannst du aufstehen?", fragte er. "Denk... schon", murmelte Hiro und versuchte sich aufzuraffen. "Aah", stöhnte er und hielt sich den schmerzenden Rücken. Toya stützte ihn so gut es ging ab. "Zeig mal", meinte er und lugte über Hiro's Schulter. Sein Hemd war quer über den Rücken aufgeschlitzt. "Er hat dich frontal getroffen", flüsterte Toya. "Es... ist... nicht... tief", versicherte Hiro ihm. Toya hob Hiro's Krücken vom Boden auf. "Bist... du... schlimm verletzt?", wollte Hiro wissen.
 

Doch anstatt zu antworten, sagte Toya nur mit leiser Stimme: "Wieso machst du das?" Hiro, der nun, mit Hilfe der Krücken, wieder auf eigenen Beinen stand, sah ihn nur fragend an. "Wieso...? Was?" "Masa, wieso tust du das alles, hä?", fragte Toya und blickte vom Boden auf. "Die Zeit als Dämonen ist vorbei", schrie er aufgebracht. "Du bist nicht mehr mein Bodyguard! Du brauchst nicht ständig auf mich aufzupassen! Wieso hängst du dich überhaupt mit in die ganze Sache rein?" "A...aber... To...ya", stotterte Hiro nur verwirrt. "Du hast mit all dem doch eigentlich gar nichts zu tun!", schrie Toya. "Garasu ist hinter Yue und mir her, nicht hinter dir! Das ist unser Problem, verstehst du?"
 

"Nein, ich verstehe nicht!", dachte Hiro, sagte jedoch keinen Ton. "Wir, und zwar NUR wir, werden Garasu auslöschen. Ich bin kein kleines Kind, Masa! Und ich bin auch keineswegs wehrlos! Yue gibt mir Schwertkampfunterricht. Ich lerne wahnsinnig schnell. Und bald bin ich stark genug, um Garasu mit Yue's Hilfe zu töten. Wieso hälst du dich nicht einfach da raus, hä?"
 

Toya's Stimme bebte. Man könnte hören, dass er weinte. Und er selbst spürte den Geschmack von Salzwasser am Mundwinkel. Hiro blickte stumm zu Boden. Toya konnte seine Augen nicht sehen, da ihm der Pony ins Gesicht hing. "Du willst wissen, warum?", murmelte er beinahe unhörbar? Er lachte kurz auf. "Wieso lacht er denn jetzt?", fragte Toya sich. "Sag mal, bist du wirklich so blöd? Hast du's immer noch nicht mitgekriegt?" "Zu blöd?", wiederholte Toya in Gedanken. "Mitgekriegt?" Plötzlich blickte Hiro auf. Dieser Blick. So aufgebracht hatte selbst Toya ihn noch nie gesehen. "Der Grund, warum ich mir ständig den Arsch für dich aufreiße, obwohl ich immer und immer wieder eiskalt abgewiesen werde?! Warum ich dich nicht einfach Garasu's Fängen überlasse? Willst du das wirklich wissen? Gut, ich sag's dir. Ganz einfach, weil ich dich liebe! Deswegen!"
 

Toya riss die Augen auf. Wortlos stand er Hiro gegenüber. "Was hat er da gerade gesagt?", schoss es ihm durch den Kopf. Doch ihm fehlten einfach die Worte.
 

Hiro drehte sich um und humpelte einfach davon. Toya konnte nicht mehr klar denken. Völlig fertig sank er in die Knie. "Weil ich dich liebe!", hallte es ständig ins seinem Kopf wieder. "...ich dich liebe!" "Nein", fiepte er. Unter Tränen sah er Hiro's verschwommene Gestalt, sich immer weiter entfernen. "Nein, geh nicht! Masa!" Jeder Ton schien ihm in der Kehle stecken zu bleiben. Er wollte schreien. Wollte aufstehen und ihm nachlaufen. Er hätte ihn ganz sicher einholen können. "Wieso tun meine Beine nicht das, was ich will?", dachte er. Er konnte nicht. Weder das eine noch das andere. Kein Schrei drang über seine Lippen, kein Muskel bewegte sich, wie er es wollte. "Bitte...", wisperte er. "Masa..."
 

Plötzlich hörte Toya jemanden rufen. "Toya!" Mariko hielt neben ihm inne. "Was ist passiert?", fragte sie besorgt. Yue zog seinen Bruder auf die Beine. "Alles okay mit dir?" "Wo ist Masa?", fragte Mariko weiter. "Garasu hat sich zurück gezogen", wisperte Toya nur. "Toya, komm mit. Du bist verletzt", meinte Yue und legte den Arm um Toya.
 

Doch dieser stieß ihn nur weg und schrie: "Lass mich!" Mariko blickte ihn fragend an, als wolle sie sagen: "Was ist los?" "Tut mir leid", flüsterte Toya. "Ich wollte dich nicht anschreien." Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht. "Es ist nur... Masa... ich wollte nicht... ich wollte doch nur nicht, dass er..." Ohne weiter nachzufragen, nahm Mariko Toya in die Arme. "Ist ja schon gut", sagte sie mit tröstender Stimme. "Du brauchst nichts zu erzählen, wenn du nicht willst." "Mariko", schluchzte Toya. "Ich bin... so ein Idiot!"
 

~tbc~

Second Chance

"Blöder Idiot!", murmelte Hiro in sich hinein, während er weiter den Weg entlang ging. Bis zum Haus seiner Tante zu laufen, würde lange dauern. "Da reiß ich mir ständig den Arsch auf, seinetwegen und das ist nun der Dank dafür! Pah, auf so einen bin ich echt nicht angewiesen. Stürze dich ruhig ins Verderben, wenn du unbedingt willst, du dämlicher Idiot! Na warte, Toya Sakasa. Ich werd dir schon zeigen, wie gut ich ohne dich klar komme." Er trat mit dem Fuß gegen eine Straßenlaterne. "Aaah, shit!", schrie er dann auf. "Das war das verletzte Bein! Das ist alles nur deine Schuld, Toya! Ich würd dir am liebsten eine reinhauen!" Hiro wusste es selbst. Alles was er vor sich hin brummelte, war gelogen. Er konnte Toya nicht hassen, so sehr er es auch versuchte. "Undankbarer Pimpf", seufzte er.
 

Plötzlich hielt ein Auto neben ihm an. "Hiro", sagte Hiro's Mutter, nachdem sie die Fensterscheibe herunter gekurbelt hatte. "Hattest du eher aus? Wir wollten dich gerade abholen." "Ähm, ja. Ich hatte keine Lust mehr, beim Training zuzuschauen. Und da ich eh nicht spielen kann, hat der Trainer mich gehen lassen", log Hiro. Er hatte ganz vergessen, dass seine Eltern ihn ja wieder abholten wollten. "Wieso bist du eigentlich hier, Mum?", fragte Hiro, nachdem er ins Auto eingestiegen war. "Ich musste noch mit den Eltern von Kari's Freundin reden", erklärte Hiro's Mutter. "Wieso das denn?" "Weil deine Schwester bis wir eine neue Wohnung gefunden haben, bei einer Freundin wohnen wird. Wir haben sie gerade hingefahren." "Ach so", meinte Hiro. "Bei deiner Tante ist einfach nicht genug Platz für vier zusätzliche Personen. Und wir wollen ihr nicht noch mehr Arbeit machen", fügte Hiro's Vater hinzu. Hiro blickte aus dem Fenster. Auf einmal fiel ihm auf, dass sie nicht in die Richtung fuhren, die zum Haus seiner Tante führte. "Ähm, müsst ihr noch irgendwelche Einkäufe machen, oder wo fahren wir hin?", fragte er. "Zu Toya", sagte Hiro's Mutter knapp. "Was?", schrie Hiro überrascht. "W...wieso das denn?" "Wir wollten noch kurz mit seinen Eltern sprechen und uns noch mal bei ihnen bedanken." "Bedanken?", wiederholte Hiro fragend. "Wofür?" "Na, weil sie dich vorerst bei sich wohnen lassen."
 

"WAAAAAAAS???" Der Schrei musste so laut gewesen sein, dass man ihn durch die geschlossenen Fenster noch meilenweit gehört haben musste. "Was soll das? Das geht doch nicht!", schrie Hiro und rüttelte seinen Vater an den Schultern, worauf hin das Auto ins schwenken kam. "Hiro! Hör sofort auf!", schrie Hiro's Vater. "Um Gottes Willen!", kreischte seine Mutter. "Willst du, dass wir auch noch einen Unfall bauen? Als ob wir in letzter Zeit nicht schon genug Unglück hatten!" Widerwillig ließ Hiro seinen Vater los. "Das könnt ihr vergessen!", schrie er weiter. "Ich dachte, du würdest dich freuen?!", fragte seine Mutter verwirrt. "Tu ich aber nicht! Ich werd ganz sicher, auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen bei ihm wohnen! Ihr könnt gleich wieder umkehren!" "Nichts da!", schrie Hiro's Vater nun ziemlich wütend. "Was meinst du, wie schwer es uns gefallen ist, Herr und Frau Sakasa darum zu bitten? Weißt du, wie schäbig ich mir vorkomme? Deine Mutter und ich sind wirklich sehr froh, dass Toya's Eltern so hilfsbereite und nette Leute sind. Und du, mein Lieber, bist wirklich nicht in einer Situation, wo man noch Ansprüche stellen sollte!" "Aber Daaad!", bohrte Hiro weiter, wenn auch mit etwas leiserer Stimme als vorher. Wenn er auch nicht vor vielem Respekt hatte. Wenn sein Vater zu schreien begann, hielt er es grundsätzlich für besser, klein bei zugeben. "Keine Widerrede!", unterbrach Hiro's Vater das Drängeln seines Sohnes. "Du wirst bei ihm wohnen, ob du willst oder nicht!"
 

Widerwillig ließ Hiro sich nach hinten fallen, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte den beleidigsten Blick auf, den er konnte. "Habt ihr euch gestritten?", fragte seine Mutter nach ein paar Minuten Stille. Sie drehte sich besorgt nach hinten um. "Die streiten sich doch dauernd", meinte Hiro's Vater, noch bevor Hiro selbst die Gelegenheit hatte, zu antworten. Hiro schwieg. Er hasste seinen Vater, wenn er sich so benahm. Es war wirklich keine gute Idee, ihn wütend zu machen. "Das wird schon wieder", sagte Hiro's Mutter mit einem, beinahe übertrieben, tröstendem Ton in ihre Stimme. "Na ganz toll!", dachte Hiro, sagte jedoch nichts.
 

~*~*~*~*~*~
 

Toya und Mariko saßen in der Zwischenzeit bei Yue in der Wohnung. Dieser war gerade dabei, Toya's Wunden zu verarzten. "Du hast dich tapfer geschlagen, Brüderchen", sagte er. "Ich komm gleich wieder." Und damit ging er aus dem Zimmer.
 

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Kaum war er weg, da sprudelte es auch schon aus Mariko heraus: "Jetzt sag schon, was war denn?" "Ich hab ihm gesagt, er soll sich raushalten", sagte Toya knapp. Er hatte sich mittlerweile wieder soweit beruhigt, dass er zumindest schon mal nicht mehr weinen musste. "Er wurde von Garasu verletzt, als er mich schützen wollte. Deshalb hab ich ihm gesagt, er solle nicht ständig den Babysitter für mich spielen. Und als ich ihn gefragt hab, warum er das alles macht..." Toya brach den Satz ab.
 

"Weil ich dich liebe!", hörte er noch immer Hiro's Stimme sagen. "Das kann ich ihr doch unmöglich erzählen", dachte er. "Komm schon", drängte Mariko ihn. "Was hat er gesagt?" "Hast du nicht vorhin noch gesagt, ich müsse nichts erzählen, wenn ich nicht will?", erinnerte Toya sie. "Jaah schooohn", seufzte Mariko. "Aber jetzt hast du angefangen. Jetzt will ich's auch zu Ende hören! Hat er's endlich zugegeben?" "Zugegeben?", wiederholte Toya fragend. "Na...dass er...", begann Mariko zögernd. "Na ja, dass..." Sie machte eine Gestik die heißen sollte: "Du weißt schon!" Toya blickte sie erwartungsvoll an. "Ja?", fragte er. "...dass er dich liebt!", sagte Mariko so schnell sie konnte. Toya wurde rot. "Du w...weißt...?", stotterte er. "Na, hör mal", meinte Mariko. "Es kann ja nicht jeder so auf'm Schlauch stehen, wie du!" "I... ich steh ü...überhaupt nicht...au... auf dem Schlauch!" Mariko grinste scheinheilig. "Verdammt, findest du das lustig? Ich BIN nicht schwul!", maulte Toya beleidigt. "Jetzt werd bloß nicht gleich sauer", bat Mariko ihn. "Ouh Mann... ihr zwei..." Sie seufzte. "Früher oder später musste es ja so kommen." Toya schwieg. Er blickte beschämt zu Boden. "Und? Wie weit seid ihr schon?", fragte Mariko plötzlich. Wieder wurde Toya rot. "W...wie...? W...was? I...ich ha...hab gar n..." "Du hast ihn geküsst", unterbrach Mariko ihn. Ihr ständiges Grinsen brachte Toya völlig aus dem Konzept. "Ha...hab i...ich nicht!", erwiderte er. "ER hat MICH..." Er hielt sich die Hand vor den Mund. "Was? Echt?", schrie Mariko entzückt auf. Sie klatschte in die Hände. "Na also! Geht doch!" "Was soll das? Willst du uns etwa verkuppeln?", fragte Toya empört. "Das hast du aber früh gemerkt, du Trantüte! Du stehst echt auf'm Schlauch!", seufzte Mariko. Toya war kurz davor, zu explodieren. "Wollt ihr mich verarschen?", schrie er. "Was soll der Scheiß? Ich bin nicht schwul, klar? Also lasst eure dämlichen Scherze."
 

Plötzlich klang Mariko's Stimme beinahe merkwürdig ernst. "Also Masa für seinen Teil scherzt sicher nicht!", sagte sie. Toya blickte betrübt zu Boden. "Jetzt sei mal bitte ehrlich, Toya", fuhr Mariko fort. "Liebst du ihn?" "Ich...", wisperte Toya beinahe unhörbar. "Du hast es letztes mal, als ihr euch gestritten habt, zugegeben, weißt du noch?" "Ich... weiß nicht", flüsterte Toya. "Das ist gelogen!", sagte eine Stimme tief in seinem Inneren. "Du weißt es ganz genau!"
 

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"So, da bin ich wieder", unterbrach Yue plötzlich ihr Gespräch. "Hab tatsächlich noch Pflaster gefunden." Toya war ehrlich gesagt froh, dass Yue in diesem Moment wieder gekommen war. Er hatte wirklich keine Lust dazu, mit Mariko oder sonst wem, auch noch über all das zu reden.
 

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Währenddessen saß Hiro, so angespannt wie noch nie, auf dem bordeaux-rotem Sofa im Wohnzimmer von Toya's Haus. Seine Eltern saßen neben ihm. Toya's Vater gegenüber. Wie oft hatte Hiro mit Toya hier gesessen und ferngesehen. Er hatte sich hier sonst immer wohl gefühlt, aber heute... Er erinnerte sich daran, wie er und Toya von dessen Mutter wahnsinnig geschimpft wurden, weil sie beim Fußballspielen in der Wohnung eine ziemlich teure Vase zerdeppert hatten. Das war schon Jahre her. Doch Hiro erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen. Alles in diesem Haus war wie in einem Schloss. Nagelneu, blitzblank sauber und sehr teuer. Toya musste sich doch fühlen, wie in einem Glasmuseum. Jeder falsche Schritt konnte etwas kaputt machen. Andererseits war Toya ja noch nie in einer weniger luxuriösen Umgebung aufgewachsen.
 

Toya's Mutter kam herein und stellte ein Tablett mit Teetassen und einer Kanne auf dem Tisch ab. Dann setzte sie sich neben ihren Mann. "Es ist wirklich sehr nett, dass Hiro für eine Weile bei ihnen bleiben darf", sagte Hiro's Vater. Hiro hatte ihn selten so höflich reden hören. "Es ist ja nur für ein bis zwei Wochen", fügte seine Mutter hinzu. "Bis wir eine neue Wohnung gefunden haben." "Ach was, ist doch nicht der Rede wert", antwortete Toya's Mutter. Sie sah Toya sehr ähnlich. Eine kleine, zierliche Frau mit rotem Haar. Niemand hätte je daran gezweifelt, dass Toya ihr wirklicher Sohn war. Hiro's Mutter hingegen war groß und hatte eine gute Figur. Ihr Haar war blond und kurz. "Bis unser Haus komplett wieder aufgebaut wurde kann es da schon etwas länger dauern", seufzte Hiro's Vater. "Es ist doch ganz selbstverständlich, dass wir ihnen in so einer Situation helfen werden, so gut wir können", sagte Toya's Vater, ein großer, dunkelhaariger Mann. "Und Hiro wird uns sicher nicht zur Last fallen", fügte seine Mutter lächelnd hinzu. Hiro versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
 

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"Danke, dass ihr mich begleitet habt", sagte Toya zu Mariko und Yue, als sie vor seiner Haustür standen. "Kein Problem", meinte Yue. "Also, gute Besserung." Mariko stupste Toya mit dem Ellbogen in die Seite und kicherte: "Und halt die Ohren steif!" "Ma-ri-ko", zischte Toya genervt. "Bis bald. Ciao!", sagte Mariko grinsend. Dann machten Yue und sie sich wieder auf den Weg.
 

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Toya seufzte und drehte den Schlüssel im Schlüsselloch um. Schon im Flur hörte er seine Eltern im Wohnzimmer reden. "Haben sie Besuch?", dachte er. "Komisch, dass sie um diese Zeit schon von der Arbeit zu Hause sind." Nichtsahnend ging er in Richtung Wohnzimmer.

Doch im Türrahmen blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen. "Was?", dachte er, als er Hiro mitsamt seinen Eltern auf dem Sofa sitzen sah. "Was macht DER denn hier?" "Ah, Toya, Schatz", rief Toya's Mutter, die ihn als erstes erblickte. "Da bist du ja." Hiro's Hände begannen zu zittern. Er wagte es nicht einmal aufzublicken. "Komm, setz dich zu uns", sagte Toya's Vater. "Wir haben eine Überraschung für dich. Hiro wird für eine Weile bei uns wohnen. Bis seine Eltern eine neue Wohnung gefunden haben."
 

Toya stand mit offenem Mund da. "Wie... bitte?", dachte er. "Das ist wohl ein schlechter Scherz!" Wortlos machte er auf dem Absatz kehrt und rannte die Treppen nach oben. Die fünf im Wohnzimmer hörten oben die Zimmertür zuschlagen. "Na so was", murmelte Toya's Mutter. "Was hat er denn?" "Sie haben sich gestritten", erklärte Hiro's Mutter. "Danke Mum!", dachte Hiro genervt. "Vielleicht willst du es auch noch in die Zeitung setzten?!" "Ouh, das wusste ich nicht", meinte Toya's Mutter. Und Hiro's Vater antwortete: "Wir bis vorhin auch nicht." Daraufhin schlug Toya's Vater vor: "Vielleicht solltest du einfach mal zu ihm hoch gehen? Toya ist doch normalerweise gar nicht der Typ für Streitereien." "Ja, das sollte ich", murmelte Hiro, nahm seine Krücken und stand auf. "Überall bin ich im Moment lieber, als in diesem Raum."
 

Er ging die Treppe nach oben, nicht wirklich in der Absicht, mit Toya zu reden. Vor dessen Zimmertür blieb er stehen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. "Oh Mann", seufzte er. "Ich kann ihm nicht mal in die Augen schauen, geschweige dennoch mit ihm reden. Nicht nachdem ich... ihm... DAS gesagt hab. Er hält mich sicher für 'ne perverse Schwuchtel."
 

~*~*~*~*~*~
 

Plötzlich wurde der Türknauf von ihnen heruntergedrückt. Hiro bemerkte es zu spät und als die Tür aufging, stolperte er rückwärts geradewegs in Toya's Zimmer und knallte vor dessen Füßen auf den Boden. "Aaauu", stöhnte er und hielt sich den schmerzenden Rücken. Erst dann blickte er auf und sah in Toya's, nicht gerade glücklich wirkendes, Gesicht. "Ähm, also...", stotterte er und als er merkte, dass er rot wurde, blickte er schnell in eine andere Richtung. "Ich...äh..."

Toya reichte ihm die Hand. "Was ist?", fragte er. "Willst du da unten hocken bleiben?" Wortlos nahm Hiro Toya's Hand und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. "Toya, ich... es tut mir..." "Klappe!", unterbrach Toya ihn. Schlagartig verstummte Hiro. "Sag jetzt bloß nicht Es tut mir leid! Was sollte dir schon leid tun?" Er drehte sich um und ging zum Schreibtisch. Wieso wusste er selbst nicht, aber er konnte es nicht ertragen, Hiro auch noch anzusehen, während sie redeten.

"Ähm,... na ja, zum Beispiel, dass ich dich ständig behandle wie ein kleines Kind und mich dir dauernd aufdränge", platzte es aus Hiro heraus. "Wenn du mich nicht dabei haben willst, bei diesem Kampf gegen Garasu, dann..."
 

"Blödmann", seufzte Toya. "Was?" "Du bist der dämlichste, bescheuertste, dümmste, idiotischste Blödmann, den ich kenne." "Ja, mag sein", sagte Hiro kaum hörbar. "Der einzige Grund...", begann Toya. Seine Hände zitterten. Wieder spürte er diesen Kloß im Hals. Jedes Wort kam ihm so schwer vor. "... warum ich dich nicht dabei haben will, ist..." Eine Träne tropfte auf eines der Blätter, die auf dem Schreibtisch lagen. "Toya, du Heulsuse!", schimpfte er in Gedanken mit sich selbst. "Hör endlich mal auf zu flennen!" "...ist... weil... weil ich Angst um dich habe!"

Hiro blickte beinahe überrascht zu Toya hinüber. "Ich hab Angst, klar?", schluchzte Toya, den Blick noch immer auf den Schreibtisch gerichtet, auf den weitere Tränen getropft waren. "Lach ruhig! Aber es ist nun mal so. Ich will nicht, dass du mich beschützt. Ich will nicht, dass du verletzt wirst. Wenn dir..." Er wischte sich die Tränen am Ärmel ab. "Wenn dir was passieren würde... würd ich mir das nie verzeihen!" "Toya", begann Hiro. Doch er wusste selbst nicht, was er eigentlich sagen wollte. Toya hielt sich die Hände vor das verheulte Gesicht. "Tut mir leid", wimmerte er. "Ich hab dich behandelt wie den letzten Dreck. Das wollte ich nicht."
 

Unsicher ging Hiro auf Toya zu. Er legte die Arme um ihn und schmiegte den Kopf an seine Schulter. Toya, der bis jetzt, über den Schreibtisch gebeugt, dagestanden hatte, richtete sich auf. Er stand mit dem Rücken zu Hiro, deshalb hatte er ihn nicht näher kommen sehen. "Mir tut's auch leid", flüsterte Hiro. "W...was?", fragte Toya aufgeregt. Wie nah Hiro ihm plötzlich wieder war. Und wieder brachte es sein Herz zum schneller schlagen. Diesmal musste Hiro das einfach merken. "Das ich nicht aufhören kann...", wisperte dieser. Mit jedem Wort wurde seine Stimme leiser. "...dich zu lieben."

Toya's Herz machte einen Sprung. "Ich hab versucht, es dir zu verheimlichen", seufzte Hiro, ließ Toya los und nahm wieder die Krücken, die er an den Schreibtisch gelehnt hatte, um sich zu stützen. Lange konnte er sich nicht auf einem Bein halten. Er zog sich zum Bett und setzte sich hin. "Ich wusste, es würde alles nur noch komplizierter machen", meinte er. "Ich wollte dir nicht noch mehr Sorgen bereiten, aber..."

Erst jetzt drehte Toya sich zu ihm um. "Irgendwie... es ist einfach über mich gekommen. Ich konnte mich nicht mehr zurück halten. Tut mir leid."
 

"Was soll ich jetzt bloß machen?", dachte Toya. "Ich weiß nicht, was ich tun soll." Wortlos ging er auf Hiro zu, bückte sich und legte die Hände auf seine Wangen. "Äh, Toya...", stotterte Hiro verwirrt. "Es ist lange her, dass er mir so direkt in die Augen geschaut hat", dachte er. Sanft streichelte Toya ihm über die Wange. Dann schloss er die Augen und küsste ihn. "Toya,... wieso tust du das?", dachte Hiro. "Wieso lässt du mich in dieser Ungewissheit? Nie weiß ich, was du wirklich fühlst."

Er wollte ihn so gerne fragen. Ihn einfach von sich stoßen und sagen: "Was soll das? Einmal lässt du dich darauf ein und dann stößt du mich wieder von dir. Sag mir endlich, was Sache ist!" Doch es ging nicht. Seine Gefühle für Toya überwältigten ihn. "Ich liebe dich", flüsterte er. "Ich liebe dich so sehr... Toya." Es war das erste mal, dass Toya die Initiative ergriff. Überhaupt das erste mal, dass ER HIRO küsste und nicht andersherum. Er wusste selbst nicht, wieso er es tat.

Einerseits war er glücklich. "Masa meint es wirklich ernst. Es ist nicht nur ein dummer Scherz für ihn", dachte er. Und diese Gewissheit machte ihn einfach glücklich. Andererseits wusste er jedoch nicht, wie er damit umgehen sollte. "Was will ICH eigentlich?", fragte er sich.

Im Moment wollte er Hiro einfach nur küssen. Das war alles. Es war vielleicht nicht richtig, so etwas zu tun, obwohl er Hiro keine klare Antwort geben konnte. Er hätte es sich natürlich vorher überlegen sollen. Doch dazu war es jetzt zu spät.

Vorsichtig kroch er auf Hiro's Schoß. Dieser schlang sofort die Arme um seinen Rücken und drückte in sanft an sich. Ihr Kuss wurde immer intensiver. Doch ehe ein Zungenkuss daraus werden konnte, löste Hiro seine Lippen von Toya's und legte sie an seinen Hals. Seine Zunge kitzelte Toya, als sie über seine Haut streifte. Er spürte, dass Hiro schneller atmete. Toya's Puls raste. "Was tue ich hier eigentlich?", fragte er sich selbst. Er streichelte mit der Hand durch Hiro's Haar. Wie weich es sich anfühlte. "Ich hab noch nie so etwas empfunden", dachte er. Er spürte, wie Hiro ihm das Hemd aufknöpfte. Und plötzlich war es, als würde bei ihm eine innere Alarmglocke schlagen.
 

"W... warte", flüsterte er. "Da... das reicht! Stop, l... lass... mich los!" Widerwillig ließ Hiro von Toya ab. Mit noch immer schneller klopfendem Herzen stand Toya auf und drehte sich von Hiro weg. "I... ich, ähm...", stotterte er. "Wow." "Wow?", wiederholte Hiro. "Ist das alles was dir dazu einfällt?" "Nein! Äh, also, doch schon. Ich meine..." Er seufzte. "Tut mir leid. Ich benehme mich wohl ziemlich bescheuert. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es ist nur... Das... geht alles so furchtbar schnell..." "Ist schon okay", unterbrach Hiro sein Stottern. Er nahm seine Krücken und stand vom Bett auf. "Ich muss sowieso endlich mal lernen, mich in Geduld zu üben." Und damit ging er zur Tür hinaus. Wieder musste Toya seufzten. "Ouh Mann...", murmelte er. "Du bringst mich noch um den Verstand."
 

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Es war Mittwoch Morgen. "Toya!", rief eine Stimme. Toya konnte es nur leise hören. Noch war er im Halbschlaf. "Toya! Hiro! Habt ihr verschlafen?" "Verschlafen?", wiederholte Toya. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er die Worte richtig auffasste. Doch dann schoss er mit einem mal hoch. "VERSCHLAFEN!!!" Er stand hastig aus dem Bett auf und stolperte geradewegs über Hiro, der auf einem Futon am Boden neben dem Bett schlief. "Masa!", schrie er und rüttelte Hiro wach. "Wach auf! Wir haben verschlafen!"
 

Langsam öffnete Hiro die Augen. "Frühstück?", murmelte er im Halbschlaf. "Gut, ich hab echt mordsmäßigen Hunger." "Wach auf, du Penner!", plärrte Toya und schüttelte seinen Freund weiter. "Toya? Was machst du hier?", fragte dieser dann. "Dein Haus ist abgefackelt und deshalb wohnst du jetzt bei mir. Es ist Mittwoch Morgen, der fünfte November zweitausendsechs. Heute schreiben wir eine Arbeit in Englisch. Es ist kurz vor acht Uhr und wir haben verschlafen!" Toya holte Luft.
 

Hiro blickte ihn fragend an. "Ver...", murmelte er. "VERSCHLAFEN???" Blitzschnell schlug er die Bettdecke weg, stand auf, fiel beinahe wieder um, weil er die Krücken vergessen hatte, schnappte sie sich rasch und rannte so schnell sie es zuließen auf den Flur. "Ich muss ins Bad." "Nichts da! ICH muss ins Bad!", schrie Toya und rannte ebenfalls aus dem Zimmer. Gleichzeitig rüttelten beide am Türgriff. "Ich zuerst", schrie Hiro. "Nein, ich!" "Gäste haben Vorrang!" "Ich wohn hier, also hab ICH Vorrang!" Hiro ließ eine der Krücken fallen, packte Toya mit dem gesunden Arm und zerrte ihn von der Tür weg. "Dafür das du ein gebrochenes Bein hast, kannst du aber ziemlich schnell humpeln", plärrte Toya und strampelte mit den Beinen wie ein kleines Kind. "Ist ja nicht ganz gebrochen. Außerdem bin ich auch ein Dämon, schon vergessen?"

"Ach ja?", fragte Toya und trat nach hinten, gegen Hiro's Schienbein. Dieser schrie auf und ließ Toya fallen. "Auaaa, verdammt!", jammerte Hiro. Toya rannte ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. "Heeey!", brüllte Hiro ihm nach. Toya öffnete die Tür, schrie: "Und zieh dir gefälligst was an, du Perverser!" "Pamm!", knallte die Tür wieder zu. Hiro blickte an sich herunter und stellte erschrocken erst jetzt fest, dass er nur Boxershorts trug.
 

"Guten Morgen, Hiro", sagte Toya's Mutter grinsend, als sie den Besagten oben an der Treppe stehen sah. Hiro lief knallrot an, rannte in Toya's Zimmer und knallte die Tür zu.

"Ach ja", seufzte Toya's Mutter. "So lebhaft geht es hier sonst selten zu. Wirklich eine angenehme Abwechslung."
 

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Eine ganze Weile später stürmten die beiden Jungs die Treppe herunter und aus dem Haus. "Warte gefälligst auf mich!", rief Hiro, Toya nach, der einige Meter vor ihm war. "Loooos, ich denke du verträgst so viel? Wie lange musst du noch auf Krücken gehen?" "So lange du mich ständig schlägst, heilt das bestimmt nicht", maulte Hiro. "Was heißt hier ständig? Ich schlag dich sonst nie!", protestierte Toya.
 

Der Schulweg war Toya heute doppelt so lang vorgekommen. "Wieso fahren deine Eltern uns nicht zur Schule?", fragte er Hiro, als sie gerade das Haupttor erreicht hatten. "Weil die auch irgendwann mal wieder auf die Arbeit müssen", antwortete Hiro. "Toll. Das heißt ich darf ab sofort jeden Morgen früher aufstehen, nur weil ich dank dir doppelt so lange für den Weg brauche", meinte Toya genervt. Sie hatten gerade den Eingang erreicht. Von der Aula her hörte man noch das laute Gerede der Schüler. "Hört sich an, als hätte die Versammlung noch nicht begonnen. Noch mal Glück gehabt", sagte Toya erleichtert und wollte weiter gehen.
 

Doch Hiro hielt ihn zurück. "Hey!", rief er. Toya blieb stehen und drehte sich um. "Wenn ich dir zur Last falle, zieh ich lieber wieder aus." "Ach Quatsch, das war doch nicht ernst gemeint", entschuldigte Toya sich. "Ich kann ja eher aufstehen und alleine zur Schule gehen. Du musst nicht wegen mir..." "Ich hab doch gesagt, es ist okay!", unterbrach Toya ihn. "Und jetzt komm!" "Warte noch!", rief Hiro ihm nach. "Komm mal her!" "Was denn noch?", fragte Toya und ging wieder zurück zu Hiro. "Wir kommen eh schon zu spät." Noch ehe er sich versah, hatte Hiro ihm auch schon einen Kuss auf die Lippen gedrückt. "Ha... hast du sie noch alle?", schrie Toya knallrot. "Wenn das jemand gesehen hätte!" "Die sind doch schon alle in der Aula", beruhigte Hiro ihn. "Sorry", meinte er lächelnd. "Ich brauch das, um Morgens wach zu werden." "Ouh, du...", begann Toya zähneknirschend, seufzte dann jedoch nur und verkniff es sich, weiter zu sprechen. "Komm jetzt endlich!" "Yes, sir!", sagte Hiro lachend und folgte Toya in die Aula.
 

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"Waaaaaaaas?", schrie Mariko, grinste von einem Ohr zum anderen und klatschte entzückt in die Hände. "Ich fass es nicht! Und du wohnst wirklich bei ihm?" Sie deutete zuerst auf Hiro, und dann auf Toya. "Er wohnt echt bei dir? Ihr wohnt ZUSAMMEN?" Toya verdrehte genervt die Augen. "Wir hätten es ihr doch nicht sagen sollen", meinte er zu Hiro.
 

In diesem Moment kam Yue auf sie zu gerannt. "Entschuldigt bitte, dass ich so spät komme", sagte er außer Atem. Die vier hatten ausgemacht, sich in der Mittagspause hinter der Sporthalle zu treffen. "Ich hab noch schnell in Erfahrung gebracht, ob Garasu heute hier ist." "Und?", fragte Toya. Yue schüttelte den Kopf. "Nein. Er scheint öfter blau zu machen als Hiro. Echt Wahnsinn! Hätte nicht gedacht, dass das geht." Hiro blickte ihn beleidigt an. "Was soll das denn schon wieder heißen?" "Echt seltsam", meldete Mariko sich zu Wort. "Er scheint irgendwas auszuhecken. Er fehlt ständig." "Hmm...", murmelte Yue nachdenklich. "Ich versteh das auch nicht. Bis jetzt waren alle seine Angriffe eher harmlos." "Harmlos?", wiederholte Mariko entsetzt. "Ja, für seine Verhältnisse schon. Er plant sicher etwas Größeres." "Oh Mann, noch größer? Mir hat das bisherige schon vollkommen gereicht." "Wir können im Moment nichts anderes tun, als abzuwarten." "Hmm... Ach Yue, weißt du schon das Neuste?", wechselte Mariko das Thema. "Masa wohnt jetzt bei Toya!" Hiro hatte es nicht mehr rechtzeitig geschafft, Mariko den Mund zuzuhalten. "Ach echt?", fragte Yue und begann zu grinsen. "Ist ja interessant." "Fängst du jetzt etwa auch schon an?", plärrte Toya. "Hör auf so dämlich zu grinsen! Was gibt's da zu lachen? Es ist nur, weil das Haus abgebrannt ist, klar?! NUR DESHALB!" "Hmm, klar. Verstehe", kicherte Yue.
 

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In den letzten beiden Stunden hatte Toya's Klasse Sport. Ausnahmsweise war Toya nicht der einzige, der auf der Reservebank saß. Gelangweilt beobachtete Hiro seine Klassenkameraden beim Basketball. "Was würd ich dafür geben, wenn ich da jetzt mitspielen könnte", maulte er. "Stimmt, für dich spitzen Sportler ist es sicher schlimm, an 'nen Gips gefesselt zu sein, was?" "Kannst du laut sagen, Kumpel."

Toya konnte es nicht ganz nachvollziehen, wie Hiro sich fühlen musste. Aber er wollte wenigstens versuchen, ihn zu verstehen.
 

"Hey", begann Hiro nach einer Weile. "Hmm?" "Schieben wir 'nen Quickie in der Umkleide?" "Waaaas?", brüllte Toya. "Halt die Klappe oder ich breche dir den anderen Arm und das andere Bein auch noch!" "Immer mit der Ruhe. Nicht so aggressiv", sagte Hiro gelangweilt, die Augen immer noch auf das Basketballspiel gerichtet. "Ich bin auch nur ein Mann, klar? Und außerdem brauchen Jungs in unserem Alter eben hin und wieder Sex. Da musst du mir doch zustimmen, oder?" "W...was weiß ich", stotterte Toya verlegen. "Ich hatte ja noch nie..." "Na so ein Glück aber auch", sagte Hiro. "Ich auch nicht." "Komisch, dabei könntest du glatt jede haben", überlegte Toya. "Mag sein, aber du doch auch", erwiderte Hiro. "Und außerdem wollt ich's mir für dich aufheben." Wieder wurde Toya rot. "Jetzt halt endlich die Klappe! Du hast gesagt, du willst dich in Geduld üben. Das hört sich aber gar nicht so an." "Du kennst mich doch. Müsstest eigentlich wissen, wie ungeduldig ich bin."
 

Der Schlusspfiff des Sportlehrers war zu hören. Toya's und Hiro's Mitschüler stürmten in die Umkleide. "Kommst du mal mit?", fragte Hiro Toya, stand auf und nahm ihn bei der Hand.
 

"Was ist los? Wo zerrst du mich hin?", fragte Toya, während er Hiro aus der Umkleide folgte. Draußen ums Eck blieb er plötzlich stehen. "Was ist denn?", fragte Toya erneut. "Weiß du noch, was hier war?", fragte Hiro. Toya antwortete nicht. "Hier haben wir uns geküsst und du hast mir eine reingehauen." "Tut mir leid", murmelte Toya. "Muss es nicht", erwiederte Hiro und ging auf Toya zu. "Aber... du kannst es trotzdem wieder gutmachen." Toya ging einen Schritt zurück, doch dort war die Wand der Sporthalle. "Masa...", sagte er. "Ich weiß nicht, ob..." Doch der Satz wurde von Hiro's Kuss unterbrochen. Widerwillig schloss Toya die Augen. Hiro fuhr ihm mit der Hand unters Hemd. "Wolltest du dich nicht... gedulden?", wisperte Toya. "Du machst es mir aber auch nicht gerade leicht", antwortete Hiro. "Du bist... einfach unwiderstehlich", flüsterte er und knöpfte Toya's Hemd auf. Er küsste seinen Hals. Seine Lippen fuhren langsam auf Toya's Körper herab. "Jedesmal wenn ich dich nur sehe, möchte ich dir am liebsten die Kleidung vom Leib reißen." Toya's Puls raste. Sein Körper fühlte sich an, als würde er beben. Hiro kniete sich vor ihn und öffnete den Knopf von seiner Hose. "Du bist wie eine Droge", flüsterte er. "Ich krieg einfach nicht genug von dir." "Wie eine Droge?", wiederholte Toya leise. In Gedanken fügte er hinzu: "Das selbe denke ich über dich! Ouh Mann, ich kann gleich nicht mehr an mich halten."
 

"N...nicht", stöhnte er. "Hör... auf." Er sank vor Hiro in die Knie. "Hör... auf..." Er legte die Arme um Hiro und küsste ihn innig. "Du sagst Hör auf!, und machst selber weiter?", fragte Hiro ihn. "Nein, mach ich nicht", erwiederte Toya. "Nur küssen! Mehr kriegst du vorerst nicht von mir!"
 

Und damit stand er auf und zog sich wieder gescheit an. Grinsend richtete Hiro sich ebenfalls auf. "Vorerst?", wiederholte er fragend. Wieder wurde Toya rot. "Nerv mich nicht! Ich schwör, ich schmeiß dich zu Hause wieder raus, du perverser Lustmolch!" "Wie oft denn noch? Ich bin nicht pervers! Ich will nur dich und niemanden sonst! Toya! Warte! Lauf nicht schon wieder weg! Du weißt, dass ich nicht so schnell kann mit den Krücken. Toya! Warte!"
 

"Ich fass es nicht", murmelte eine Stimme aus dem Gebüsch. "Also sind die beiden tatsächlich schwul!" Die Person, die sich die ganze Zeit dort hinten versteckt und alles beobachtet hatte, grinste scheinheilig und kicherte: "Wer hätte das gedacht?"
 

~tbc~

The secret of Artamilya

Garasu saß zu Hause auf dem Sofa und starrte schon seit Stunden pausenlos an die Decke. Seine Gedanken waren nach wie vor bei dem Geschehen von Dienstag Nachmittag. "Was ist es, was sie so stark macht?", fragte er sich immer wieder. Dieses Bild ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wie Hiro, der selbst verletzt war, sich schützend vor seinen Freund geworfen hatte. "Wieso tut jemand so etwas? Und wieso... habe ich mich zurückgezogen?" Das Weinglas, dass er in den Händen hatte zerbrach, als er die Hand zudrückte. Der dunkelrote Wein lief über seine Hose und auf den Boden. Splitter steckten in seiner Hand. "Ich hätte sie besiegen können", zischte er wütend.

Er blickte kurz auf seine Hand. Die restlichen Scherben fielen zu Boden und die Wunden an seinen Händen schlossen sich. "Meine Macht ist riesig. Yue's ist nichts dagegen. Er hat den Thron nicht verdient. Er weiß seine Lage nicht einmal zu schätzen. Lebt hier unter dem Menschenpack. Diesem Gesindel... Er kennt die Macht nicht, die er besitzt..."
 

"Aha, so ist das also!", sagte eine leise Stimme. Garasu fuhr erschrocken aus seinen Gedanken hoch. Ihm Gegenüber schwebte eine Gestalt wenige Zentimeter über dem Fußboden. Ihr Körper war durchsichtig, wie bei einem Geist. Es war ein schlankes, zierliches Mädchen mit blasser Haut und silbrig glänzendem Lockenhaar. Es trug ein scheinbar sehr altes, aufwendig verziertes Kleid, wie man es aus dem Mittelalter kannte. "Du... hier?", murmelte Garasu.

"Ich habe dich belauscht, Garasu", sagte das Mädchen. "Darauf hast du es also abgesehen. Ich wusste gar nicht, dass du davon weißt." "Was geht dich das an?" "Eine ganze Menge!", erwiderte das Mädchen empört. "Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dich aufzuhalten. Artamilya wird niemals in deine Hände fallen." Garasu schwieg, blickte sein Gegenüber nur zornig an.

"Kaum jemand weiß von diesem Schatz", fuhr das Mädchen fort. "Zu recht! Zu viele würden ihn besitzen wollen. Zu viele würden Schaden damit anrichten." "Viel kannst du ja nicht mehr dagegen tun", meinte Garasu grinsend. "Du bist tot, Aoki. Seit vielen tausend Jahren schon. Ich habe dich selbst getötet." "Und das ist nur ein Grund, warum ich helfen werde, dich aufzuhalten", konterte das Mädchen. "Artamilya darf nicht in die falschen Hände geraten. Und deine, Garasu, sind ganz eindeutig die falschen Hände!" und noch ehe Garasu etwas antworten konnte, hatte sich die Gestalt auch schon in Luft aufgelöst. Garasu lächelte heimtückisch. "War ein Fehler, dich mir zu zeigen, Aoki", flüsterte er. "Deine Kräfte lassen nach. Dein Gott wird dir deine Sünden niemals vergeben!"
 

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Donnerstag Morgen. Mariko war auf dem Weg zur Schule, als sie plötzlich das Gefühl hatte, etwas gehört zu haben. Sie blieb stehen. Blickte sich um. "Hallo?", murmelte sie, nicht wirklich in der Hoffnung eine Antwort zu bekommen. Passanten gingen wortlos an ihr vorbei. Niemand schien sich um sie zu kümmern. "Hat mich nicht gerade jemand gerufen?" "...riko", hörte sie leises Wispern. "Mariko!" "Huch?" Erschrocken fuhr das Mädchen zusammen. "Bi...bist du das?", flüsterte sie. "A...Aoki?" "Du kannst mich hören! Was für ein Glück!" "Aoki! Du... du bist das! Die, die mir diese Visionen schickt! Wer... bist du eigentlich?" Mariko versuchte möglichst leise zu sprechen. Sie kam sich vor, als würde sie Selbstgespräche führen. "Das ist jetzt unwichtig", antwortete die Stimme. "Du weißt, meine Kräfte schwinden. Das ist wohl das erste und letzte mal, dass ich direkt mit dir kommunizieren kann. Ich war bei Garasu um etwas herauszufinden." "Was?", schrie Mariko. Ein paar Leute, die gerade an ihr vorbei gekommen waren, drehten sich fragend nach ihr um. "Es hat mich eine Menge Kraft gekostet, doch ich habe etwas Wichtiges erfahren. Hör mir gut zu, Mariko! Du musst Yue warnen. Sag ihm, ich hätte dich geschickt. Garasu ist eine noch viel größere Gefahr, als wir annahmen. Er weiß davon..." "Wie? Wovon?", fragte Mariko. "Artamilya!" "Arta... was?" "Merk dir einfach diesen Begriff. Und sag es Yue, ich bitte dich!" "Was? Hey, immer mit der Ruhe. Was ist das? Wovon weiß... Hallo? Aoki?" Keine Antwort. "Aoki? Hörst du mich?" Mariko seufzte. "Was soll das alles?", wisperte sie und ging langsam weiter. "Eine noch größere Gefahr, als wir dachten? Wie schlimm kann der Kerl denn noch sein?"
 

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"Mariko!", rief wenig später jemand. Mariko blickte auf und sah Toya und Hiro am Schultor stehen. "Hey, was macht ihr beide so früh schon hier?", wunderte Mariko sich. "Na ja, ich bin gerade dabei, ihm etwas Pünktlichkeit beizubringen", meinte Toya lachend. "Ja, ja, wie lustig", maulte Hiro. "Du hast mich mit Absicht schon drei Stunden früher geweckt." "Selber Schuld! Du hast so geschnarcht, dass ich selber die halbe Nacht kein Auge zu gekriegt hab!", fuhr Toya ihn an. Hiro, der mehr als nur verpennt aussah, humpelte wortlos in Richtung Haupteingang davon. Man konnte ihn jedoch leise meckern hören: "Wenn ich erst wieder gescheit laufen kann, trete ich dir dafür gewaltig in den Arsch, Toya..." "Hey, das hab ich gehört!", plärrte Toya. "Du TUST bloß immer so nett. In Wahrheit bist du das aller größte Arschloch!"
 

Mariko lächelte. "Ach ja", seufzte sie. "Was sich liebt, das neckt sich." "Halt bloß die Klappe, Mariko", rief Toya, der mittlerweile Hiro nachgerannt war, ihr zu. "Auf so einen brutalen Perversling würd ich nie stehen!" Wieder musste Mariko lachen. "Was heißt hier Perversling?", erwiderte Hiro. "Wer ist denn hier derjenige, der auf Sadomaso steht?!" "Bitte? Ich hab mich wohl verhört!"

"Toya", unterbrach Mariko ihn. "Nicht so laut. Dich hört sonst jeder!" Mit kaum leiserer Stimme fügte Toya, an Hiro gewandt, hinzu: "Woher willst du denn bitte wissen, worauf ich stehe?" "Du stehst auf dem Boden, Toya", unterbrach Mariko erneut sein Geschrei. "Und jetzt sei leise! Bitte, die schauen schon alle!" "Ich weiß sehr wohl, worauf du stehst, Kleiner", meinte Hiro und ging bis auf wenige Zentimeter nah an Toya's Gesicht heran. "Auf mich zum Beispiel." Toya wurde rot. Fast aus Reflex verpasste er Hiro eine Ohrfeige und schrie: "Das hättest du wohl gerne, du Perverser! Und was heißt hier überhaupt Kleiner? So viel größer bist du nun auch wieder nicht!"
 

"SAKASA!", plärrte eine Stimme über den Gang. Als Toya sich umdrehte, blickte er in das wütende Gesicht seinen Klassenlehrers. "Erst zu spät kommen und dann auch noch auf dem Gang herum brüllen, wie ein Irrer! Musst du eigentlich alle negativen Eigenschaften von Masanaru abschauen? Und jetzt zieht ihr beiden Rotznasen auch noch Sugenami mit auf euer Niveau herunter?" Toya und Hiro sagten keinen Ton. "Ist es echt schon wieder so spät?", dachte Toya. Wegen ihre Streitereien war ihm gar nicht aufgefallen, dass es schon geläutet hatte. Der Lehrer seufzte. Dann fügte er mit wesentlich ruhigerer Stimme hinzu: "Was soll ich mit euch nur machen? Ich geb's auf. Los! Bewegung! Trödelt nicht noch länger herum!" "Ja, jawohl", stotterten Toya und Hiro beinahe gleichzeitig und gingen mit Mariko und ihren Klassenkameraden, hinter ihrem Lehrer in die Aula.
 

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Es war Mittagspause. Mariko und Toya rannten die Treppen nach unten. Hiro hatte mit seinen Krücken Probleme, ihnen nachzukommen. Plötzlich kam Yue ihnen entgegen. "Hey ihr drei", begrüßte er die anderen. "Wart ihr auf dem Weg zur Sporthalle?" "Ja, Mariko hat gemeint, sie hätte wichtige Informationen", erklärte Toya. "Aber sie wollte nicht damit rausrücken, bevor du da bist." "Worum geht's?", fragte Yue und ging ein Stück an die Seite, so dass er und die anderen nicht den ganzen Gang blockierten. "Das wüsste ich auch mal gerne", seufzte Mariko. "Sagt dir der Begriff Artamilya was?" Yue zuckte zusammen. "Woher...?", fragte er leise. "Nein! Keine Fragen bitte!", unterbrach Mariko ihn. "Ich sag dir was ich weiß und dafür will ich, dass du mir endlich sagst, worum es hier eigentlich geht." "Klar, wird gemacht, Chefin", meinte Yue scherzend. "Also, heute Morgen hat diese Aoki mit mir gesprochen. Sie sagte, Garasu wüsste davon,... von diesem... Arta... irgendwas. Ich glaub es hieß Artamilya, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Das ist eigentlich auch schon alles. Sie sagte, Garasu sei eine größere Gefahr, als wir dachten und ich solle dich nur warnen." Yue blickte starr an Mariko vorbei ins Leere. "Er weiß... davon...", murmelte er geistesabwesend. "O-nii-san! Was ist denn nun dieses Artamilya?", fragte Toya.

Yue seufzte und zog an dem braunen Lederband, was er um den Hals trug. Zum Vorschein kam der große, rote Edelstein. Die Kette, die Toya einst besessen hatte. "Das?", fragte Mariko verwundert. "Ein Stein? Deshalb der ganze Aufwand?" Yue blickte sich rasch um, als wolle er sicher gehen, dass niemand sie beobachtet hatte. Dann ließ er den Kettenanhänger schnell wieder unter dem Hemd verschwinden.

"Nicht irgendein Stein", meinte er dann. "Dieser Edelstein verfügt über das Höchstmaß an Magie. Er besitzt zerstörerische Kräfte." "Aber es ist doch nur...", murmelte Mariko, doch Yue unterbrach sie. "Niemand weiß, wie er entstanden ist. Zumindest niemand, der noch am Leben ist", fuhr er fort. "Es gibt nur einen einzigen auf der Welt und seit ich denken kann, befindet sich dieser eine im Besitz unserer Familie, Toya. Es heißt, wer den Stein besitzt, der ist der wahre Herrscher über die Unterwelt." "Aber, warum... hast du ihn mir damals geschenkt?", fragte Toya. "Ganz einfach. Ich befürchtete, dass Garasu von dieser Waffe wusste. Ich bin der Ältere von uns beiden und somit der rechtmäßige Erbe. Aus diesem Grund hatte Garasu es auf mich abgesehen. Es wäre zu gefährlich gewesen, ihn zu behalten. Du warst der Einzige, dem ich ihn anvertrauen konnte. Weißt du, nicht jeder kann seine Kräfte unter Kontrolle halten."

"Du wusstest, dass Garasu von dem Stein weiß? Und trotzdem hast du ihn Toya gegeben?", meldete sich Hiro zu Wort. "Was, wenn Garasu IHN daraufhin angegriffen hätte? Wolltest du die Aufmerksamkeit auf ihn schieben, damit du selbst außer Gefahr warst?" Hiro's Stimme klang mehr als wütend. "Denkst du allen ernstes, dass ich Toya jemals in Gefahr bringen wollen würde?", konterte Yue. "Ich wusste NICHT, dass Garasu von der Existenz des Steines wusste. Ich hab es nur befürchtet. Und glaub mir, ich hätte den Stein lieber jemand anderem gegeben, aber Toya war nun mal der einzige Verwandte, nachdem unsere Eltern gestorben waren und das Artamilya musste in der Familie bleiben!" Hiro schwieg. Dieses Schweigen bedeutete wohl so viel wie: "Du hast Toya trotzdem in Gefahr gebracht! Das verzeih ich dir nie!"

"Garasu weiß, dass er den Thron nur bekommt, wenn wir tot sind, aber dass er auch weiß, dass er Artamilya dazu braucht... Das macht die Sache noch gefährlicher." Niemand wusste etwas auf Yue's Worte zu sagen. "Ich darf ihn auf keinen Fall in Garasu's Hände geraten lassen", seufzte Yue. Wieder Stille.
 

Dann meldete sich Toya zu Wort. "Gib ihn mir", sagte er. Yue hob den Kopf und blickte seinen Bruder fragend an. Auch Hiro und Mariko drehten sich zu ihm um. "Was?", sagte Yue dann. "Gib mir den Stein", wiederholte Toya. "Es stimmt, Garasu hat es in erster Linie auf dich abgesehen. Also gib ihn lieber mir. Er wird nie darauf kommen, dass du ihn mir anvertraut hast." "Niemals!", widersprach Hiro ihm. "Hast du's noch nicht mitgekriegt? Garasu stellt schon lange keinen Plan mehr auf, in welcher Reihenfolge er uns killt!" "Hiro hat recht", stimmte Yue diesem zu. "Garasu hat schon jeden von uns angegriffen. Er hat versucht uns einzelnd auszulöschen und es ist ihm nur nicht gelungen, weil wir durch mehr oder weniger glückliche Zufälle immer dem jeweils anderen zu Hilfe kommen konnten." "Aber...", murmelte Toya. "Wir sind schon zu oft ganz knapp mit dem Leben davon gekommen", fuhr Yue fort. "Denk nur mal an das jüngste Ereignis. Hiro wäre beinahe gestorben!" Bei diesen Worten zuckte Toya unbewusst zusammen. "Und vorgestern waren er, Mariko und du alle drei in größter Gefahr. Wer weiß, auf wen er es das nächste mal abgesehen hat." "Ich würde mit ziemlicher Sicherheit auf Toya tippen", meinte Hiro. "Denk doch mal nach, Toya. Du warst es doch, der ihn ernsthaft verletzt hat. Du hast seinen Stolz verletzt und deshalb hat er es jetzt speziell auf dich abgesehen." "Ach was, das ist doch nur eine Theorie", erwiderte Toya. "Ach ja?", fuhr Hiro ihn an. "Und was meinst du, warum er MICH angegriffen hat? Und gestern Mariko? Wir sind doch nur seine Köder um dich anzulocken. Er weiß ganz genau, dass deine Freunde dein Schwachpunkt sind."

Toya wusste keine Antwort. "Heißt das...", dachte er plötzlich. "Nur meinetwegen sind... Masa und Mariko... verletzt worden?" "Toya...", begann Yue, doch Toya schnitt ihm das Wort ab. "Dann... ist es meine Schuld", wisperte er. "Dass er euch um eine Haar umgebracht hätte..." "Äh, nein! So hab ich das nicht ge...", sagte Hiro schnell. "Siehst du, Masa? Genau das mein ich! Genau das ist der Grund, warum ich dich von mir fernhalten wollte." Toya ging zu Yue und riss ihm die Kette vom Hals. "Toya!", schrie dieser. "Hör auf mit dem Scheiß! Gib sie sofort wieder her!" Doch Toya reagierte überhaupt nicht auf seine Worte. "Ihr müsst euch von mir fernhalten!", schluchzte er. "Ich will nicht, dass er euch noch mehr weh tut! Also..." "Toya, red nicht so einen Mist!", schrie Hiro ihn an, ließ die Krücken fallen (die Mariko gerade noch auffangen konnte) und packte ihn an den Schultern. "Lass mich los! Es ist aus! Aus und vorbei, klar?! Ich werde euch nicht noch mehr da mit rein ziehen." Er riss sich von Hiro los. "Das beste wird sein, ihr vergesst mich einfach! Vergesst, dass es mich überhaupt jemals gegeben hat!" Und mit diesen Worten rannte er davon.

"Toya!", rief Yue ihm nach. "Komm sofort zurück! TOYA!" Gerade wollte er ihm nachrennen, als ihn jemand an der Schulter packte. Als er sich umdrehte, sah er einen Lehrer hinter sich stehen. "Schrei gefälligst nicht so herum auf dem Gang! Und gerannt wird hier schon gar nicht!"
 

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Toya rannte um die Ecke und knallte prompt mit jemandem zusammen. "Tut mir leid", wisperte er, noch bevor er sein Gegenüber erkannte. "So was, Sakasa", sagte Teruko, während Toya aufstand. "Gut das ich dich treffe. Ich hab dich und Masanaru gerade gesucht." "Was willst du?", fragte Toya genervt und ließ die Kette mit dem roten Anhänger schnell in seiner Hosentasche verschwinden. "Ich hab da etwas, das dürfte dich interessieren", meinte Teruko, hob die Hand und hielt Toya ein Foto entgegen. Toya traute seinen Augen kaum. Auf dem Bild waren er und Hiro zusehen, als sie sich küssten. Das musste gestern hinter der Sporthalle gewesen sein. "Ich war schon immer ein guter Fotograf", scherzte Teruko und grinste hinterhältig. "Guter Spion, wolltest du wohl sagen", antwortete Toya. "Das auch. Also hör mal, du willst sicher nicht, dass dieses nette Foto an die Öffentlichkeit gerät, oder? Und zu diesem Zweck könnten du und dein kleiner Homo-Freund mich doch eigentlich finanziell etwas unterstützen, wenn du weißt, was ich meine." "Der will mich erpressen?", schoss es Toya durch den Kopf.

"Ich denke, ich weiß sehr wohl was du meinst", antwortete Toya trocken. "Aber weißt du irgendwie lässt mich das völlig kalt." "Was?", zischte Teruko. "Mach damit, was du willst. Rahm 's dir von mir aus ein und häng's dir übers Bett. Von mir aus, setz es auch in die Zeitung. Es ist mir egal." "Was? Das glaubst du ja wohl selber nicht", antwortete Teruko überrascht. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass Toya sofort Panik schieben würde. "Doch, es ist so", versicherte Toya ihm. "Ich hab wichtigere Probleme." Und damit ließ er Teruko im Regen stehen.

"Soll es doch die ganze Welt wissen", dachte er. "Ich schätze, ich bin eh so gut wie tot. Sein wir doch mal ehrlich. Ich werde Garasu's nächsten Angriff sicher nicht überleben. Was interessiert mich da noch ein blödes Foto?"
 

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Kurz darauf kamen Hiro, Mariko und Yue den Flur entlang. "Pass in Zukunft besser auf", schimpfte Mariko gerade mit Hiro. "Du kannst nicht einfach so die Krücken wegschmeißen. Auch wenn deine Verletzungen schneller heilen, weil du ein Dämon bist. Wie willst du das den anderen erklären?" Hiro hörte ihr gar nicht richtig zu.

Auf einmal kamen sie an Teruko vorbei. "Hey, Masanaru!", rief dieser, um Hiro zum stehenbleiben zu bringen. "Was?", fuhr dieser ihn nur an. "Schau mal, was ich hier habe!" Er hielt ihm das Foto vor die Nase. "Hmm, sehr hübsch", meinte Hiro nur. "Mach mir bei Gelegenheit 'nen Abzug davon. Ich brauch eh noch ein Bild für meinen Geldbeutel." Und noch bevor Teruko etwas darauf sagen konnte, war Hiro mit Mariko und Yue auch schon weiter gegangen. "Ich fass es nicht!", knurrte Teruko wütend. "Kann man die beiden eigentlich überhaupt nicht schocken?"
 

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Zu Hause bei Familie Sakasa klingelte das Telefon. Toya's Mutter nahm ab. "Was? Toya? Er... ist nicht in der Schule?", fragte sie verwirrt. "Nein, nach Hause ist er nicht gekommen. Ja, natürlich. Auf Wiederhören." Sie legte den Hörer wieder auf. Ihr Gesicht sah mehr als besorgt aus. Am Telefon war jemand von der Schulleitung gewesen. "Seit der Pause verschwunden?", wisperte Toya's Mutter. "Um Himmels Willen... Toya... Wo steckst du?"

Toya ging die Straßen entlang. "Meine besten Freunde angeschrien", dachte er. "Meinen eigenen Bruder beklaut und dann auch noch aus der Schule abgehauen. Oh Mann..." Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Seine rechte Hand umklammerte den großen, ovalen Edelstein. "Hat dieser Stein wirklich so viel Macht?", fragte er sich. "Wenn wirklich nur Familienangehörige seine Macht kontrollieren können, wie will Garasu dann...? Oder will er die Macht gar nicht kontrollieren, sondern sie freilassen und Chaos anrichten? Wahrscheinlich..."

Toya hatte das Gefühl verfolgt zu werden. Eine ganze Weile schon. Er wagte es nicht, sich umzudrehen. Sein Schritt wurde unbewusst schneller. Plötzlich bekam er einen Schlag auf den Hinterkopf. Ein kurzer Schmerz. Dann wurde ihm auch schon schwarz vor Augen.
 

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In der Zwischenzeit waren Yue, Mariko und Hiro auf dem nach Hause Weg. "Yue", begann Mariko. "Hmm..." "Wer ist nun eigentlich Aoki? Ich finde, es wird langsam Zeit, dass du's mir sagst." Sie wusste nicht, ob das der richtige Zeitpunkt war, um ihn darauf anzusprechen. Toya war nach der Pause nicht mehr zum Unterricht erschienen. Alle machten sich Sorgen um ihn. Und doch hielt Mariko diese gedrückte Stimmung und dieses Schweigen einfach nicht mehr aus. "Aoki...", wiederholte Yue. "Ist... Sumi."

Hiro verschluckte sich an seiner Cola, von der er gerade einen Schluck genommen hatte und begann zu husten. "Sumi?", fragte er. "DIE Sumi? Aber ich dachte,..." "Ja, sie ist tot", unterbrach Yue ihn. "Aber ihr Geist lebt noch. Zu Lebzeiten konnte Sumi hellsehen. Sie hat diese Gabe immer gehasst. Sie hat gesagt, es wäre ihre Strafe, die Gott ihr auferlegt hat, weil sie gesündigt hat." "Gesündigt?", wiederholte Mariko fragend. "Sie war mit einem Dämon zusammen", erinnerte Yue sie. "Also wenn das für die Tochter einer streng christlichen Familie keine Sünde ist..." Er unterbrach sein Reden und seufzte. "Ihre Eltern haben diese Beziehung nur ungern zugelassen, aber sie wollten dadurch Frieden schaffen, zwischen der Menschen- und der Dämonenwelt." "Ach so ist das", meinte Mariko leise. "Na ja, sie hat wohl eingesehen, dass diese Fähigkeit ihr nun doch noch nützlich sein konnte. Sie hat vorausgesehen, was Garasu als nächstes vorhatte und es dir mittels Gedankenübertragung gezeigt." "Aber wieso werden ihre Kräfte dann schwächer?", wollte Mariko wissen. "Ich weiß nicht genau", gab Yue zu. "Aber ich schätze, die Gründe warum ihr Geist sich in dieser Welt befindet sind die, dass sie sich für ihren Tod an Garasu rächen und uns gleichzeitig schützen will. Wahrscheinlich rückt die unaufhaltbare Auseinandersetzung näher. Und egal wie es ausgeht, entweder Toya und ich, oder Garasu werden dabei wohl sterben. Sumi's Aufgabe in dieser Welt ist danach erfüllt. Das ist die einzige Erklärung, die ich habe." "Ihr werdet nicht sterben", meldete sich Hiro zu Wort. Yue und Mariko blickten in seine Richtung. Sein Blick war wie hypnotisiert auf den Boden gerichtet. "Das lasse ich nicht zu."
 

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Eine Weile später kam Hiro beim Hause der Sakasa's an. Toya's Mutter öffnete sofort die Tür. "Hiro", schluchzte sie und nahm Hiro in die Arme. "Bin ich froh, dass du da bist. Weißt du nicht, wo Toya sein könnte?" "Er... ist also nicht nach Hause gekommen?", seufzte Hiro enttäuscht. Er hatte gehofft, wenn er heimkommen würde, würde Toya schon längst hier sein. "Nein", wisperte Toya's Mutter. "Die Schulleitung hat angerufen. Seit der Pause scheint jede Spur von ihm zu fehlen. Aber mein Toya würde doch niemals die Schule schwänzen. Oh Gott, wenn ihm nun etwas passiert ist?" Bei dem letzten Satz hielt sie sich die Hände vor das verheulte Gesicht. Auch Hiro jagte dieser Satz noch mehr Angst ein. Trotzdem sagte er: "Keine Sorge." Er machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder zur Tür. "Ich werde ihn finden und wenn ich die ganze Nacht lang suchen muss." "A...aber Hiro!", rief Toya's Mutter ihm nach, doch da wurde die Haustür auch schon zugeschlagen.
 

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Hiro humpelte gerade mal bis zum Tor, dann kam ihm ein Gedanken: "Auf Krücken zu gehen würde viel zu lange dauern", dachte er. "Auch wenn es noch etwas weh tut, ohne geht's schneller." Er legte die Krücken hinter einem der Büsche ab und ging dann auf den Gehsteig. Es tat wirklich noch ziemlich weh. Bis jetzt hatte er zwar ein paar mal auf eigenen Beinen gestanden, aber ohne Krücken zu laufen war doch um einiges schmerzhafter.

"Na toll, mit eingegipstem Arm werd ich gegen Garasu wohl kaum etwas ausrichten können", seufzte er. Im Gegensatz zu seinem Bein, war der Arm jedoch ganz gebrochen. Es war eigentlich noch viel zu früh, um den Gips abzunehmen. Auch für einen Dämon, bei dem selbst solche Verletzungen innerhalb von einigen Wochen heilten. Und trotzdem bog Hiro kurz darauf in eine Seitengasse ein, wo er einen Moment lang unbeobachtet sein konnte. Das Katana leuchtete in seiner rechten Hand auf. "Na, wenn das mal gut geht", murmelte er, drückte den eingegipsten Arm gegen eine Wand und holte aus. Ein Krachen war zu hören. Hiro, der im Moment des Aufschlages die Augen zusammen gekniffen hatte, blickte auf seinen Arm. Der Gips hatte einen Riss. "Ha! Nicht zu fassen. Ich bin selber immer wieder überrascht, was dieses Teil alles kann." Er brach den Gips mit der Hand endgültig auf. "Aua, sieht nicht gut aus", murmelte er mit einem kritischem Blick auf seinen Arm. Er versuchte ihn etwas zu bewegen. Wieder kniff er die Augen zusammen. "Shit", wisperte er. "Okay, jetzt heißt es Zähne zusammen beißen und durch. Denk an Toya, Hiro!" Der Gips viel zu Boden. So schnell es seine Beine zuließen rannte Hiro aus der Gasse.
 

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Langsam kam Toya zu sich. Er öffnete die Augen. Zuerst sah er nur Dunkelheit. Er spürte einen stechenden Schmerz am Hinterkopf. Dann erinnerte er sich. "Ach ja, irgend jemand hat mir was auf den Kopf geschlagen", dachte er. Langsam nahm die Umgebung Form an. Er lag auf einem kaltem Steinboden. Die Wände um ihn herum waren ebenfalls aus grauem Stein. Er setzte sich auf, um sich besser umsehen zu können. Alles sah Tausende von Jahren alt aus.

"Na, ausgeschlafen?", sagte plötzlich eine Stimme. Toya fuhr herum. Wie aus dem nichts erschien Garasu vor ihm. "Gefällt es dir?", fragte er grinsend. "Weißt du wo wir hier sind?" Toya antwortete nicht. "Natürlich weißt du es nicht. Dabei hast du doch hier gewohnt." "Was?", dachte Toya. "Warst wohl nicht so oft im Kerker des Palastes spielen, stimmst? Prinz Toya-sama." "Palast?", wiederholte Toya. "Ganz richtig. Dies hier ist der Königspalast nach 1409." "Wie... ist das... möglich?" "Ganz einfach", antwortete Garasu und hielt das Lederband mitsamt Artamilya hoch. "Damit." Toya riss die Augen auf. "Oh nein! Er muss ihn mir abgenommen haben, als ich ohnmächtig war!" "Entschuldige mich jetzt", fuhr Garasu fort. "Ich muss noch einiges planen. Für die Krönungszeremonie. Schließlich werde ich bald der Herrscher über die gesamte Unterwelt sein." Sein hämisches Lachen erfüllte die alten Gemäuer und hallten von den Wänden wider. "Geduldet euch, mein Prinz. Bald wende ich mich wieder euch zu." Er trat ein paar Schritte zurück und schloss dann hinter sich die schwere Eisentür. Ein Schlüssel wurde im Schloss umgedreht. "Ich wünsche angenehmen Aufenthalt." Garasu's Schritte wurden in der Ferne leiser.
 

Toya sank erschöpft in die Knie. "Ich hab schon wieder alles falsch gemacht", wimmerte er. "Hätte ich Yue den Stein nicht abgenommen,... wäre ich nicht einfach weggerannt, dann hätte Garasu ihn jetzt nicht in die Finger bekommen." Er blickte sich um. Zu allen Seiten befanden sich dicke, metallene Gitterstäbe. "Und jetzt sitz ich auch noch im Kerker meines eigenen Palastes fest. Na toll!"
 

~tbc~

No escape

"Die Kurznachrichten. Gestern Vormittag verließ der siebzehn-jährige Toya Sakasa das Grundstück der Mihoku Oberschule und wird seitdem vermisst. Wer Hinweise auf den möglichen Aufenthaltsort..." "Komm bloß weiter! Das muss ich mir nicht antun", maulte Hiro und ging ohne einen Blick auf den Fernsehbildschirm weiter. Mariko stand noch immer vor dem Schaufenster, in dem auf dem Fernseher gerade diese Nachrichten liefen. "Und nun das Wetter..."
 

Seufzend ging sie Hiro nach. "Masa, lauf nicht so schnell! Denk an dein Bein!", sagte sie zu Hiro, als sie ihn eingeholt hatte. "Du bist gestern bis spät Nachts in der Stadt herum gelaufen. Das hättest du nicht machen sollen! Toya's Eltern hatten schon Angst, du wärst auch noch verschwunden." "Ich wünschte, ich wäre es", seufzte Hiro. "Dann wär ich jetzt vielleicht da, wo Toya ist." "Red nicht so einen Schwachsinn, wer weiß, was mit ihm..." Sie verkniff es sich, den Satz zu beenden. "Du kannst es ruhig aussprechen", meinte Hiro. "Ich mach mir nichts vor. Ich bin mir genau so sicher wie du, dass ihm was passiert ist."

"Hör auf!", schrie Mariko. "Daran dürfen wir nicht einmal denken!" "Wie lange willst du dir noch was vor machen, Mariko? Er hat das Artamilya und Garasu hat doch nur darauf gewartet, ihn mal alleine in die Finger zu kriegen." "Aber...", wimmerte Mariko. "Er ist sicher am Leben! Er MUSS einfach leben!" Hiro schwieg. Was brachte es, sich darüber Gedanken zu machen? Er wünschte, er hätte es einfach aus seinen Gedanken streichen können. Aber es ging nicht. Er konnte an nichts anderes denken als an ihn.

"Ich werde ihn finden", flüsterte er. "Und wenn ich die ganze Welt nach ihm absuchen muss. Ich werde ihn finden und zurück bringen." "Und ICH soll mir nichts vormachen?", schluchzte Mariko. "DU machst dir doch auch was vor, wenn du denkst, dass er noch lebt. Hast du nicht selbst gesagt, du bist sicher, dass Garasu damit zu tun hat? Glaubst du, er nimmt sich das Artamilya und lässt Toya dann laufen?" Mittlerweile war Mariko's Gesicht tränenüberströmt. "Und wie stellst du dir das vor? Wie willst du ihn finden? Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt."

"Sei still!", schrie Hiro sie an. "Er ist nicht tot, klar? Er... darf nicht tot sein..." "Aber... Masa...ich... es... tut mir leid. Ich bin total verwirrt. Ich hab solche Angst... Du kannst das doch sicher verstehen. Nicht nur du, auch Yue und ich machen uns Sorgen um ihn. Und Toya's Eltern sicher auch."
 

"Meinst du, wir kriegen Garasu's Aufenthaltsort irgendwie heraus?", fragte Hiro nach einer kurzen Pause. "Weiß nicht. Wir könnten höchstens in der Schule nach der Adresse von Akari Usami fragen." Prompt blieb Hiro stehen. "Und das sagst du erst jetzt?", sagte er. "Du hast ja vorher nicht gefragt!", erwiderte Mariko. Dann machte Hiro auf dem Absatz kehrt und lief den Weg zurück. "Wo willst du hin?", fragte Mariko. "Noch mal in die Schule. Ich lass mir die Adresse geben und dann gehen wir dort hin." "Was? Aber Masa... Hey, warte auf mich!" Eilig rannte Mariko ihm nach.
 

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Toya war lange ohnmächtig gewesen. Als er aufwachte, erinnerte er sich zuerst an gar nichts. Sein Kopf schmerzte noch stärker als zuvor. Eine eisige Kälte lag in der Luft. Er rieb sich die nackten Arme. Seine Klamotten waren völlig zerrissen. Sein Hemd nur noch ein einziger, blutverschmierter Fetzen. Überall an seinem Körper hatte er Schnittwunden, Blutergüsse und blaue Flecken. Garasu hatte ihn übel zugerichtet. Er war zu ihm gekommen und hatte etwas gesagt, wie: "Dich einfach zu töten, wäre zu langweilig." Dann hatte er begonnen, auf ihn einzuschlagen. Toya hatte versucht, sich zu wehren, doch Garasu hatte ihm einfach das Schwert aus den Händen gerissen. Er war viel stärker, als bei ihrem letzten Aufeinandertreffen. Es musste die Macht des Artamilya sein. Anders konnte Toya es sich nicht erklären.
 

Er versuchte sich aufzurichten, doch dann hielt ihn der stechende Schmerz an seiner Seite davon ab. Wahrscheinlich hatte er mehr als eine gebrochene Rippe. Erschöpft lehnte er sich gegen die kalte Steinwand und legte die Hände auf den Bauch. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er dicke Metallketten um die Handgelenke hatte. Um die Füße ebenfalls. Die Ketten führten zu einem Ring in der Wand. Fesseln hätte Garasu ihn eigentlich gar nicht müssen. In seinem Zustand hätte er es eh nicht weit von hier weggeschafft. Außerdem waren da noch immer die dicken Eisenstäbe und das verschlossene Tor, die ihm die Flucht unmöglich machten. Toya spürte keinen Muskel mehr. "Einfach nicht bewegen", dachte er. "Damit es nicht weh tut." Diese eisige Kälte. Er konnte nicht einmal mehr klar denken. Daran mussten die Schläge auf den Kopf schuld sein. Alle Hoffnung in ihm war längst verschwunden. Alles was blieb, war Kälte. Stille. Und wieder Dunkelheit.
 

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Mariko klingelte bei Yue Sturm. Dieser öffnete kurz darauf die Tür. "Was ist?", fragte er. "Gibt es was Neues von To..." Weiter kam er nicht, denn Mariko unterbrach ihn. "Wir haben uns in der Schule die Adresse von Akari geben lassen. Die haben uns gesagt, sie wäre seit Mittwoch nicht mehr in der Schule gewesen, also konnten wir sagen, wir wollen ihr einen Krankenbesuch abstatten." Hiro stand schweigend neben Mariko und hielt den Zettel mit der Adresse fest in der Hand. "Wir gehen jetzt dahin", meinte Mariko weiter. "Kommst du mit? Wenn wir wirklich auf Garasu treffen, könnten wir deine Hilfe gebrauchen. Masa ist immer noch verletzt und ich kann nicht viel ausrichten." "Natürlich. Ich komme sofort", sagte Yue und verschwand für ein paar Sekunden wieder in der Wohnung. Kurz darauf kam er mit Mantel wieder heraus. Während er die Tür hinter sich abschloss, sagte er: "Bist du sicher, dass du mitkommen willst, Mariko? Das könnte gefährlich werden." "Ach was!", plärrte Mariko. "Denkst du, das weiß ich nicht? Und glaub mir, ich sterbe jetzt schon fast vor Angst. Aber das hält mich sicher nicht davon ab, meinem Toya zu helfen!" "DEINEM Toya?", wiederholte Hiro, während sie sich auf den Weg machten. "Ja, ja, schon gut", seufzte Mariko. "Ich weiß. Ich nehm ihn dir ja nicht weg."
 

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Toya saß auf einer Bank in einem großen Garten. Vielleicht war es auch ein Park. Er wusste es nicht genau. "Da ist er doch, oder?", flüsterte eine Frau einer anderen zu, als sie vorbei liefen. "Der jüngere, der beiden Söhne." "Ja", antwortete die andere. "Es muss schlimm sein, wenn man noch so jung ist und der Vater einfach stirbt." Toya drückte denn großen Teddy, den er wie immer mit sich herum schleifte, noch fester an sich. "Und das nachdem ihre Mutter doch erst letztes Jahr an einer Krankheit gestorben ist. Der Arme." "Man sagt, der König hat die Einsamkeit ohne seine Frau nicht ausgehalten. Deshalb wurde er ebenfalls krank und starb. Er muss sie sehr geliebt haben." "Wirklich? Ich habe Gerüchte gehört, dass in Wirklichkeit ein Attentäter dahinter gesteckt haben soll." "Doch nicht etwa... ER?" "Möglich wär's. Jeder weiß doch, dass dieser Kerl es auf den Thron abgesehen hat." "Also ich mache mir da keine Sorgen. Prinz Yue-sama und Prinzessin Sumi werden unser Reich sicher gut regieren. Yue-sama ist für sein Alter schon sehr erwachsen."
 

"Toya!", rief plötzlich jemand. Toya drehte sich um und sah Hiro auf sich zu kommen. "Hier bist du. Ich hab schon den halben Palast nach dir abgesucht. Ständig haust du ab. Na egal, Yue will mit dir sprechen. Komm schon." Toya blieb schweigend sitzen. "Toya? Hey, was ist los?", fragte Hiro und setzte sich zu ihm auf die Bank. Toya blickte starr auf eines der Blumenbeete vor ihm. Tränen liefen über seine blassen Wangen. "Sag mal, Hiro...", begann er. "Ist Vater wirklich gestorben weil er krank war? So wie Mutter? Oder... hat ihn... dieser Mann... umgebracht?" Hiro riss erschrocken die Augen auf. "Wie... wie kommst du denn darauf?", fragte er. "Ich höre doch ständig diese Gerüchte", antwortete Toya. "Jeder weiß es doch, dass er auf den Thron scharf ist. Meinst du nicht, er wäre in der Lage dafür auch zu töten? Dieser... Garasu?"
 

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Mit einem Mal fuhr Toya aus seinem Traum hoch. "Ich erinnere mich", dachte er. "Das war kurz bevor Garasu bei der Krönungszeremonie meines Bruders, all die Frauen getötet hat. Nur damit er sicher gehen konnte, dass Sumi auch unter ihnen war. Danach hat Masa uns hier hergebracht. Ich bin sicher..." Bei seinem letzten Gedanken, wurde dieser Hass auf Garasu in ihm, immer größer. "Er hat meine Eltern umgebracht!" Er fasste sich mit der Hand an die Stirn. Plötzlich fiel etwas mit einem Klappern auf den Steinboden. Als Toya hinunter blickte, sah er, dass die Kette von seinem Handgelenk gelöst worden war. Er blickte auf die andere Hand. Auch hier waren die Ketten durchtrennt. An den Fußgelenken ebenfalls.
 

"Na, endlich ausgeschlafen?", sagte plötzlich eine Stimme. Als Toya aufblickte, sah er Garasu vor sich stehen. Wie durch einen Reflex drängte er sich noch mehr an die steinerne Wand. "Oh, hab ich dir solche Angst gemacht?", meinte Garasu mit einem spöttischen Ton in seiner Stimme. "Mein armer Prinz." Er schritt langsam auf Toya zu. Dieser drängte sich immer weiter zurück, doch dann saß er im Eck des Kerkers, wo es keine Möglichkeit gab, noch zu entkommen. Seine Hände zitterten so sehr wie noch nie.
 

Sein Puls raste. Doch es war ein anderes Gefühl, als wenn Hiro bei ihm war. Dieses Herzrasen, was er jetzt verspürte, war alles andere als angenehm.

"Du zitterst ja", flüsterte Garasu grinsend und bückte sich zu ihm herunter. "Fürchtest du dich?" Toya antwortete nicht. Er fühlte sich zu schwach, um überhaupt den Mund zu öffnen. Dann legte Garasu ihm die Hand auf die Wange und küsste seine Lippen. Es war ein widerliches Gefühl, doch Toya konnte sich nicht wehren. Er wusste nicht einmal, wie. Doch plötzlich fuhr Garasu zurück. "Du kleine Ratte", zischte er und wischte sich das Blut vom Mundwinkel. Er holte mit der Hand aus und schlug Toya so sehr, dass er auf den Boden des Kerkers knallte. "Was fällt dir ein, mich zu beißen? Du weißt einfach nicht, wann du verloren hast, was?" Er packte Toya am Hals und zog ihn zu sich. "Selbst halbtot geschlagen, wehrst du dich noch mit allen Mittel gegen mich. Ist das der Stolz des Sohnes des ehemaligen Königs?" Toya schwieg. Er blickte Garasu nicht an, sondern drehte den Kopf in eine andere Richtung. "Du bist noch viel schlimmer, als dein Bruder. Deine arroganten Augen. Ich habe diesen Blick schon die ganze Zeit gehasst. Vielleicht sollte ich dir bei Bewusstsein die Augen herausschneiden? Ich könnte eines davon deinem Bruder und das andere deinem kleinen Freund Hiro schicken. Obwohl... schicken muss ich sie eigentlich gar nicht. Ich bin sicher, sie sind schon auf dem Weg hierher."
 

"Was?", schoss es durch Toya's Kopf. "Yue und Masa kommen hier her?" "Na, hast du Angst, dass ich ihnen etwas antue?", fragte Garasu scheinheilig. "Solltest du auch." Er ließ Toya wieder unsanft auf den Boden fallen. "Sobald deine Freunde hier sind, werde ich sie vor deinen Augen, nach der Reihe abschlachten." "Nein!", fiepte Toya, als Garasu ihm schon den Rücken gekehrt hatte. Daraufhin drehte dieser sich noch einmal um. "Ach, hast du deine Stimme doch noch nicht verloren?", sagte er. "Lass... meine... Freunde am... Leben!", keuchte Toya. "Bitte... tu mit mir, was du willst, aber..." "Mal sehen", antwortete Garasu. "Yue muss sterben, damit ich der Herrscher werden kann, aber vielleicht verschone ich ja das Mädchen und deinen Homo-Freund. Kommt ganz darauf an, ob ich gerade gute Laune habe." Er grinste. "Ich habe ein kleines Spiel für euch vorbereitet", fuhr er fort und ging aus der Tür. "Ich lasse das Tor offen. Vielleicht hast du ja Lust, dich ein bisschen in meinem zukünftigen Palast umzusehen. Wer weiß, vielleicht findest du deine Freunde ja." Er lachte und schritt dann die Treppen nach oben. Kurz darauf war es wieder still um Toya.
 

"Sie kommen her?", dachte er. "Ich... darf nicht zulassen, dass ihnen etwas geschieht." Langsam zog er sich auf die Beine. Er stütze sich an der Wand ab und zog sich zum Ausgang. "Auch wenn es vielleicht eine Falle ist", dachte er. "Ich muss versuchen, sie zu finden."
 

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Zur gleichen Zeit erreichten Yue, Hiro und Mariko die Wohnungstür von Akari's, oder besser gesagt, Garasu's Wohnung. Die Adresse hatte sie zu einem großen, alten Hochhaus geführt. Mariko drückte die Klingel. "Ich mag bezweifeln, dass er uns rein lässt, wenn wir ihn ganz lieb bitten", meinte Yue. "Geht zur Seite!" Mariko und Hiro traten von der Tür weg. Yue ging einen Schritt zurück und schlug dann mit dem Fuß die Tür ein. "Cool", staunte Mariko, als die Tür mit Schwung gegen die Wand knallte. "Das will ich auch können." "Dann musst du in deinem nächsten Leben wohl ein Dämon werden", antwortete Yue trocken und betrat die Wohnung.

Sie mussten nicht lange suchen, um fündig zu werden. Im Wohnzimmer leuchtete neben dem Tisch ein schwaches Licht auf. "Das sind wohl die Überreste eines Raum-Zeit-Tores", meinte Hiro, ging darauf zu und ließ das Katana erscheinen. "Mit so etwas seid ihr in diese Zeit gekommen?", fragte Mariko. Ohne auf ihre Frage zu antworten, schrie Hiro: "Öffne dich, Tor zur Galerie der Zeit!", und schlug das Schwert in den Boden. Ein grelles Licht schoss aus der Spitze des Schwertes und formte ein Tor, so groß, dass man ohne Probleme hindurch schlüpfen konnte. "Also, gehen wir", sagte er und wollte schon durch das Tor treten.
 

Doch Yue packte ihm im letzen Moment am Arm. "Warte", sagte er. "Wir haben keine Ahnung, wohin uns das führen wird, klar?" "Vielleicht ist es eine Falle. Vielleicht will Garasu ja, dass wir durch dieses Tor gehen. Und selbst wenn nicht. Es gibt dann vorerst kein Zurück mehr." "Es ist die einzige Möglichkeit, Toya zu finden", sagte Hiro. "Entweder wir finden ihn, oder nicht. Aber wenn wir hier bleiben, finden wir ihn garantiert nicht." "Hiro... hör mal", begann Yue zögernd. "Du bist... verletzt." "Worauf willst du hinaus?" "Mariko und du, ihr könntet momentan beide nicht viel gegen Garasu ausrichten, selbst wenn wir auf ihn treffen würden", fuhr Yue fort. "Aha, da läuft der Hase also lang!", meldete sich Mariko zu Wort. "Du willst uns hier lassen und alleine gehen!" "Ähm, na ja, also...", stotterte Yue. "Vergiss es", schnitt Hiro ihm das Wort ab und riss sich los. "Ich werd nicht hier warten und Däumchen drehen. Ich werde ihn retten und wenn ich dabei draufgehe!" "A...aber...", widersprach Yue, doch Hiro ging einfach durch das Tor. Das Licht flackerte für einen Moment noch mehr auf, dann war Hiro spurlos verschwunden.

Yue blickte Mariko fragend an. "Versuch's erst gar nicht!", sagte diese. "Mich hälst du nicht auf!" Sie blickte besorgt in das Licht. "Sie sind Idioten, alle beide, nicht? Ständig setzten sie ihr Leben für einander aufs Spiel. Wie stünde ich denn da, wenn ich mich jetzt drücken würde? Schließlich sind die beiden meine besten Freunde." Sie lächelte dieses bekannte, bedrückte Lächeln. "Also los! Gehen wir!" Und damit verschwand auch sie in dem Licht. "Ouh Mann", seufzte Yue nur und folgte ihr dann. Hinter ihnen schloss sich das Tor allmählich. Nun war es zu spät. Sie saßen fest, wo auch immer sie waren.
 

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Geschwächt lief Toya den Gang entlang. Alles war menschenleer und verlassen. Die Wände waren bis auf alte, verstaubte Gemälde und Kerzen, deren Licht die einzige Beleuchtung war, völlig kahl. Die Flammen flackerten durch einen Luftzug, von dem Toya nicht wusste, woher er kam. Es war bitterkalt. "Das kann nicht unser Palast sein", dachte Toya. Er kannte sein früheres zu Hause. Die Erinnerungen daran waren längst zurückgekehrt. Wenn er durch das Artamilya wirklich zurück in die Zeit gebracht worden war, in der hier die Königsfamilie gelebt hatte, wieso war es hier dann so verlassen? Der Staub auf den Bildern und auf dem Boden ließ darauf schließen, dass hier schon seit einer Ewigkeit niemand mehr gewesen war.
 

Plötzlich ertönte laut Garasu's Stimme. "Wundert dich die Umgebung?", fragte er. Toya drehte sich um. Niemand zu sehen. Wo war er? Er musste ihn beobachten, aber von woher? "Wir befinden uns nicht in der Vergangenheit", erklärte Garasu. "Es ist immer noch das Jahr 2006. Nur sind wir hier nicht mehr auf der Erde. Das hier ist die Unterwelt, oder besser, was davon übrig ist." "Was?", fragte Toya. "Nachdem der König gestorben, ihr diese Zeit verlassen habt und ich euch gefolgt bin, brachen hier furchtbare Kriege aus. Jeder versuchte mit anderen Vorwänden den Thron für sich zu beanspruchen. Die Verbindung, die einst zwischen der Welt der Menschen und der Unterwelt herrschte wurde zerstört. Die Menschen wollten nichts mehr mit den Dämonen zu tun haben. Um sich aus deren Kriege heraus zu halten, trennten sie die Verbindungen und gewährten den Dämonen seit dem nie wieder Zutritt zu ihrer Welt. Heute ist das Volk der Dämonen viel kleiner, als das der Menschen, und das obwohl wir einst in der Überzahl waren. Die Menschen wissen nicht einmal mehr von unserer Existenz. Der Königspalast steht seit vielen Jahren leer. Die gesellschaftliche Entwicklung ist nicht halb so weit, wie in der Menschenwelt. Es gibt keine großen Fabriken, elektrische Geräte und Ähnliches. Alles ist noch fast so wie damals um 1400. Und das alles nur, weil diese Welt keinen König mehr hat."
 

"Jemanden wie dich kann man unmöglich an die Macht lassen!", schrie Toya, obwohl er nicht wusste, in welche Richtung er es schreien sollte. "Lieber soll das Volk in Provinz leben, als mit dir als Herrscher!" "Unter meiner Herrschaft würden die Dämonen einen Weg in die Menschenwelt finden. Wir würden diese armseligen Kreaturen auslöschen und die Erde übernehmen. So könnte das Volk der Dämonen wieder aufleben!", erklärte Garasu. "Auch wenn wir in der Unterzahl sind. Die Menschen sind schwach im Vergleich zu uns. Und mit der Macht des Artamilya könnten wir..." "Niemals!", unterbrach Toya ihn. "Ich werde nicht zulassen, dass du die Menschen auslöschst!" In Gedanken fügte er hinzu: "Zu viele von ihnen sind mir ans Herz gewachsen." "Idiot!", schrie Garasu wütend. "Es war ein Fehler, sich auf die Seite der Menschen zu stellen, du Verräter! Und jetzt hast du mich auch noch wütend gemacht. Das sieht nicht gut aus, für deine Freunde." "Lass sie in Ruhe!", schrie Toya. Keine Antwort. "Hörst du, Garasu? Es ist noch nicht vorbei! Ich lasse nicht zu, dass du deine Pläne in die Tat umsetzt!" Seine Worte klangen mutig, doch in Wahrheit hatte er Angst. "Was kann ich schon gegen ihn ausrichten?", fragte er sich und ging, ohne zu wissen, wohin er sollte, weiter.
 

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"Alles okay, bei dir, Mariko?", fragte Yue und half Mariko auf die Beine. "Ja, denke schon", antwortete diese. Sie, Hiro und Yue fanden sich auf einem langen Korridor wieder. "Wo sind wir?" "Das ist der Königspalast", erklärte Yue. "Hier haben wir früher gewohnt." "Uuh, sieht ja sehr gemütlich aus", meinte Mariko ironisch und blickte sich um. "Damals sah's hier 'n bisschen anders aus", sagte Hiro. "Was ist hier passiert?", murmelte Yue.
 

"Sie sind also da", murmelte eine Stimme. "Na, das wird ein Spaß..."
 

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"Toya, gute Nachrichten", ertönte wieder Garasu's Stimme auf dem Gang, auf dem Toya sich mittlerweile befand. Prompt blieb Toya stehen. "Unsere Besucher sind eingetroffen." "Was?" "Ich bin so nett und bringe dich zu ihnen." Plötzlich hörte Toya ein krachendes Geräusch unter sich. Als er nach unten blickte, sah er einen Riss, in einem der morschen, hölzernen Bretter. Mit einem lauten "Krach" brach der Boden unter ihm ein. Toya schrie auf, und wollte zur Seite springen, doch es war zu spät und ehe er sich versah, war er auch schon nach unten gestürzt.
 

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Plötzlich hörten Yue, Hiro und Mariko eine laute Stimme, wie aus dem Nichts: "Willkommen in meinem Palast." "Garasu?", rief Yue. Und Mariko fragte verängstigt: "Wo ist er?" "Ich freue mich, dass ihr endlich hier seid. Dann kann das Spiel ja beginnen." "Spiel?", wimmerte Mariko. "Garasu, du elender Scheißkerl!", schrie Hiro. "Was hast du mit Toya gemacht?" "Du willst Toya sehen?", sagte die Stimme. "Gern, wie du willst."
 

Plötzlich erschien weit vor ihnen eine Gestalt. "Toya?", fiepte Mariko. Toya hörte ihre Stimme nur von weit weg, doch er erkannte sie sofort. "Mariko? Yue! Masa!", rief er. "Er lebt!", schoss es durch Hiro's Kopf. Es war, als würde ihm ein riesiger Stein vom Herzen fallen. Ohne nachzudenken rannte er auf Toya zu. "Masa, warte!", rief Mariko ihm nach. Und Yue fügte hinzu: "Das könnte eine Falle sein!" Doch Hiro hörte gar nicht auf ihr Rufen und ehe er sich versah, knallte er gegen etwas und landete auf dem Boden. Ganz plötzlich war wie aus dem nichts ein Eisengitter vor ihm aufgetaucht. "Masa!", schrie Toya und rannte zu dem Gitter, wo er sich nun auf der anderen Seite befand. "Ist dir was passiert?" Hiro gab nur ein leises Grummeln von sich und hielt sich mit der Hand die Stirn. "Shit", zischte er. Dann trat er an die Gitterstäbe und streckte die Hand zu Toya herüber. "Ein Glück. Du lebst", seufzte er erleichtert und legte die Hand auf Toya's Wange. "Bist du verletzt?" "Es geht schon", antwortete Toya. Er war wahnsinnig froh, Hiro zu sehen. "Ich hatte wirklich Angst, ich würde dich nie wieder sehen", schluchzte er. Doch seine innere Stimme sagte ihm, dass sie noch längst nicht außer Gefahr waren. Hiro drückte den Kopf an die Gitterstäbe und küsste leichte Toya's Lippen. Wie gut es sich anfühlte. Es war völlig anders, als bei Garasu.
 

"Na, na. Wir wollen's ja nicht gleich übertreiben, mit der Wiedersehensfreude", ertönte wieder Garasu's Stimme. Erschrocken fuhr Toya hoch. Hiro hielt Toya's Hand fest in seiner. Doch plötzlich zog etwas an Toya's Handgelenken, er wurde zurück geschleudert und knallte gegen die Wand. Wieder hatte er Ketten um die Handgelenke, die ihn an die Wand fesselten. "Toya!", riefen Hiro und auch Yue und Mariko, die mittlerweile zu ihnen gerannt waren.
 

"Die Spielregeln sind einfach", sagte die Stimme. "Das Ziel ist es, Toya Sakasa in den Wahnsinn zu treiben und das schafft man, in dem man seine Freunde vor seinen Augen zu Tode quält." "Zeig dich endlich, du feiges Arschloch!", schrie Hiro. "Und meine Spielfiguren", fuhr die Stimme fort. "...seid ihr drei!"
 

Plötzlich hörten die drei ein Geräusch hinter sich. Als sie sich umdrehten, sahen sie eine der Ritterrüstungen, die sich wie durch Zauberei bewegte. "Passt auf!", schrie Hiro und zog Mariko zur Seite, als der Ritter auf sie zu gerannt kam. Dann zogen er und Yue ihre Schwerter. Der Ritter machte kehrt und stürzte sich auf Yue. Dieser konnte den Schlag des Ritterschwertes abwehren. Doch dann war sein Gegner schneller. Yue's Schwert flog durch die Luft. Und plötzlich bohrte sich das des Ritters in seine Brust. Er riss die Augen auf. "Aaah!", schrie Mariko und wollte zu Yue rennen, doch Hiro hielt sie zurück. Sie hielt sich die Hände vor den Mund, wie sie es immer tat, wenn sie geschockt war. "YUE!!!", schrie Toya und zog an den Ketten. Vergebens. Die Klinge wurde zurückgezogen und genauso plötzlich, wie sie zum Leben erwacht war, stand die Statue nun wieder still. "Level eins beendet", sagte Garasu's Stimme lachend. "Wer hätte gedacht, dass es dich zu erst erwischt, Yue." Yue hielt sich mit den Händen den Bauch. Blut tropfte auf den Boden. "Nein! Yue!", schrie Mariko, riss sich von Hiro los und rannte zu Yue. Gerade war sie vor ihm in die Knie gesunken, da brach, genau wie zuvor bei Toya, der Boden unter ihren Füßen auf. "Passt auf!", schrie Hiro, und rannte zu ihnen, doch es war zu spät. "Kyaaaaaa!", schrie Mariko, als sie zusammen mit Yue in die Tiefe stürzte.

Hilflos stand Hiro am Abgrund. "Das war aber ein kurzer Besuch", lachte Garasu's Stimme. "Auf nimmer Wiedersehen, Yue!"
 

~tbc~

You'll never be alone

"Yu...e", wimmerte Toya. Was war eben geschehen? Yue war verletzt. "Meine Schuld", fiepte Toya. "Das ist... alles meine Schuld." Er ließ den Kopf hängen. Die Tränen ließen ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen.

Auch Hiro wusste scheinbar nicht so recht, was er tun sollte. Schweigend stand er dort und blickte auf das Loch im Boden, wo Mariko und Yue verschwunden waren. Erst nach ein paar Sekunden drehte er sich zu Toya um. "Hör schon auf!", sagte er und ging auf die Eisenstäbe zu. "Es ist überhaupt nicht deine Schuld." Plötzlich riss Toya die Augen auf.
 

"Masa!", schrie er. "Pass auf! Hinter dir!" Hiro drehte sich um, doch es war schon zu spät. Garasu, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war, legte den Arm um Hiro's Hals und drückte zu. Mit der anderen Hand hielt er Hiro's Hände hinter dessen Rücken fest. "Tut mir leid, dass ich euere kleine Unterhaltung schon wieder unterbrechen muss", sagte er grinsend. "Zwei sind schon ausgeschieden. Schade eigentlich. Ich hätte das Mädchen auch gerne vor deinen Augen beseitigt. Aber so bleibt mir immer hin noch eine Spielfigur übrig." "Hör auf!", schrie Toya und zog erneut an den Ketten. "Lass ihn los! Du hast gesagt, du wirst Mariko und ihn verschonen!"
 

Garasu begann zu lachen. "Da hast du mich wohl falsch verstanden", meinte er. "Ich sagte, wenn ich gute Laune habe, vielleicht. Aber du hast dafür gesorgt, dass ich absolut nicht gut drauf bin." "Bitte", schluchzte Toya. "Lass wenigstens ihn gehen. Ich flehe dich an! Ich... tu alles..."
 

"Halt die Klappe, Toya!", rief Hiro ihm zu. "Lieber sterbe ich, bevor du dich seinen Willen fügst!" Garasu's Griff um Hiro's Hals wurde fester. "Dich fragt hier aber niemand", zischte er. An Toya gewandt fuhr er fort: "Tut mir leid, Prinz, aber ihn kann ich unter gar keinen Umständen gehen lassen. Er ist schließlich die wichtigste Spielfigur, in meinem Spiel. Nur mit seiner Hilfe kann ich das Ziel erreichen. Und du hast doch nicht vergessen, was das Ziel ist, oder? Ziel ist es, dich in den Wahnsinn zu treiben. Denkst du ich weiß nicht, dass er hier..." Er blickte auf Hiro herab. "...dein größter Schwachpunkt ist? Er ist dir doch mindestens so wichtig wie dein Bruder, nicht war? Wenn nicht sogar Wichtiger."
 

Offenbar schien das Garasu wirklich sehr zu amüsieren. Er zog einen Dolch aus der Hosentasche. "Also, was soll ich zu erst mit ihm machen?", überlegte er laut. Hiro versuchte Garasu's Griff zu entkommen, doch in diesem Moment ließ dieser Ketten um Hiro's Handgelenke erscheinen, die ihm die Hände endgültig auf den Rücken fesselten. Der gebrochene Arm begann wieder furchtbar zu schmerzen. Hiro verzog das Gesicht. Doch er verkniff sich jeden Laut.

"Oh Mann", seufzte Garasu. "Ihr seid beide ganz schön widerspenstig. Immer muss man euch erst anketten. Also, wo war ich stehen geblieben?" Er legte die Klinge des Dolches an Hiro's Wange. "Ich könnte dich häuten", sagte er. Die schmale Klinge fuhr leicht über Hiro's Gesicht und über seinen Hals. Dann schlitzte Garasu ihm damit das Hemd auf. "Wie wär's, wenn ich deinen schönen Körper ein bisschen verunstalte?" "NEIN!", schrie Toya von seinem Gefängnis aus. "Hör auf!"
 

Wieder musste Garasu lachen. "Aber mein Prinz", kicherte er. "Ich habe doch noch nicht einmal angefangen." Hiro sagte keinen Ton. Ob aus Angst, oder warum auch immer. "Wie soll ich Toya retten, wenn ich nicht mal in der Lage bin, mich selbst zu befreien?", dachte er. Dann trat er mit dem Bein nach hinten, in der Hoffnung Garasu so abschütteln zu können. Doch auch dieser Versuch schlug fehl. Hiro's Füße wurden zusammengezogen. Wieder diese Eisenketten.

Garasu gab ihm einen Schubs und wegen der Fesseln konnte Hiro sich nicht auf den Beinen halten. Er schlug mit dem Gesicht auf den harten Steinboden auf. Wenigstens war er nicht wieder auf den verletzten Arm gefallen. "Willst du dich immer noch wehren?", fragte Garasu. Nun klang seine Stimme wieder aggressiver. Er steckte den Dolch weg und streckte die Hand nach vorn. "Vielleicht sollte ich doch zu härteren Methoden greifen." Der Kreuzstab erschien.
 

Toya fuhr zusammen. Im Unterbewusstsein erinnerte er sich daran, wie Garasu ihn damit zugerichtet hatte. "Dabei wollte ich die Sache etwas ruhiger angehen." Er ging auf Hiro zu und trat ihm mit dem Fuß fest in den Rücken. Toya hörte Hiro Aufschreien. Hiro selbst hörte ein Knacksen. Seine Brust schmerzte. Der Rücken ebenso.
 

Garasu packte ihm am Hals und schleuderte ihn gegen die Wand. "HÖR AUF!", schrie Toya völlig aufgelöst. Er zog an den Ketten. "Lass ihn in Ruhe!" Doch gerade das war es, was Garasu erreichen wollte. Es amüsierte ihn, Toya leiden zu lassen, in dem er Hiro quälte. "Elender Sadist!"
 

Hiro rutschte an der Wand herab. Etwas lief über seine Stirn. Wahrscheinlich Blut. Mit Schmerz verzerrtem Gesicht zog er sich auf die Beine. Noch während er kniete, leuchtete etwas in seiner Hand auf. Garasu ging erneut zu ihm und trat mit dem Fuß auf Hiro's Hand. "Aah", stöhnte dieser und öffnete notgedrungen die Faust, mit der er das Katana umklammert hatte. Garasu stieß es mit dem Fuß weg. "Du lässt wirklich nichts unversucht, was?", sagte er. Toya sah noch die Spitze des Stabes, mit dem Garasu weit ausholte. Wie sie im fahlen Licht schimmerte. Blut spritzte. Hiro sank erneut zu Boden. "MASAAA!!!"

Stille... Dunkelheit... Und wieder diese Kälte...
 

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"O-nii-chan!", rief eine Stimme. "Wach endlich auf!" Langsam öffnete Toya die Augen. Die Tür wurde aufgerissen. Im Türrahmen stand Yue. "Hey, du Schlafmütze! Es ist schon fast Mittag. Wie lange willst du noch pennen?" "Yu...e?", fragte Toya verwirrt. "Was ist...?" "Mariko und Hiro sind unten. Los komm, lass sie nicht warten." Müde rieb Toya sich die Augen und stand auf. Er wusste nicht, was geschehen war. Welcher Tag war heute? Wo war er überhaupt?
 

Am Treppenende sah er Mariko und Hiro. "Toya-chan!", sagte Mariko lächelnd und umarmte ihn zur Begrüßung. "Gehen wir in die Eisdiele?" "Hey, lässt du ihn vielleicht heute noch mal wieder los?", maulte Hiro. "Oh, Verzeihung", sagte Mariko überhöflich und ließ rasch von Toya ab. "Ich vergaß! Er ist ja dein Privateigentum. Wieso hängst du ihm nicht gleich ein Schild um? Vorsicht! Bissiger Besitzer!" Toya musste lachen. "Hey, Yue! Kommst du mit uns?", fragte Mariko, Yue, der gerade die Treppe herunter kam. "Nein, ich hab Sumi versprochen, den Tag mit ihr zu verbringen", lehnte Yue ab. "Sumi?", fragte Toya verwirrt. In diesem Moment kam die Besagte aus dem Wohnzimmer. "Dann gehen wir doch einfach alle zusammen", schlug sie mit einem Lächeln im Gesicht vor. "Wieso nicht? Von mir aus", stimmte Yue zu. "Juhuu!", schrie Mariko. "Es ist lange her, dass wir alle zusammen weg waren." Und so machten sie sich auf den Weg.
 

Als sie so lang liefen und Mariko sich mit Sumi unterhielt, während Yue - etwas genervt, von ihren Frauengesprächen - neben ihnen her trottete, hielt Hiro Toya plötzlich zurück, um ihn zum langsamer laufen zu bringen. "Was ist?", fragte Toya. "Ich... wollte dir nur was sagen", begann Hiro zögernd. Er blickte verlegen auf den Gehsteig. "Ich... liebe dich. Ich meine, ich... ähm, also... nur damit du weißt..." Toya lächelte. Plötzlich drehte Hiro sich zu ihm, legte seine Hände auf Toya's Schultern und küsste ihn. "Und das mitten auf der Straße", dachte Toya und hob die Hand, um Hiro von sich zu drücken. Doch dann ließ er sie, ohne sein Vorhaben in die Tat umgesetzt zu haben, wieder sinken und schloss die Augen. Plötzlich hörte er eine Stimme. "Prinz Toya-sama!" "Nein, ich will nicht", dachte Toya und versuchte nicht auf die Stimme zu hören. "Ich will jetzt nicht..." "Wach auf, Toya Sakasa!" "Masa", flüsterte er. "Ich liebe..."
 

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In diesem Moment schlug Toya die Augen auf. "Was? Was ist passiert? Wo..." "Hast du etwas Schönes geträumt?", wurde er gefragt. Als er sich hastig umdrehte, sah er Garasu hinter sich stehen. "Es... war nur ein Traum." Sein Herz schmerzte. Mehr als all die Wunden, die Garasu ihm zugefügt hatte. "Masa", schluchzte er. "Ja, weine ruhig", sagte Garasu. "Du wirst ihn nie wieder sehen! Weder ihn noch das Mädchen und auch nicht deinen geliebten Bruder."
 

Toya richtete sich auf. In seiner Hand glimmte ein schwaches Licht. Doch das Erwartete geschah nicht. "Du bist zu schwach", sagte Garasu. "Und du kannst dich nicht konzentrieren. Aber mach dir nichts daraus. Ich kann dich beruhigen. Dein läppisches Schwert wäre dir auch keine große Hilfe gewesen." Toya bebte vor Wut. Sein Zorn und die Trauer überwältigten ihn. Ohne nachzudenken stürzte er sich auf Garasu. "Gibt sie mir zurück!", schrie er. "Gib mir meine Freunde wieder zurück!" Ohne große Mühen schleuderte Garasu ihn von sich. Erst jetzt fiel Toya auf, dass sich die Umgebung verändert hatte. Kein steinerner Boden und auch keine Wände. Es war, als würde er einfach im Nichts schweben. Alles um ihn herum war dunkel. Alles was er sah, war Garasu's Gestalt vor sich. "Ich habe etwas für dich vorbereitet, mein Prinz", sagte dieser. "Das dürfte euch interessieren."
 

Und eben so plötzlich wie er erschienen war, war er auch schon wieder verschwunden. "Interessieren?", wiederholte Toya.

Plötzlich sah er Yue vor sich. "Yue!", schrie er glücklich und rannte auf ihn zu. Doch der Angesprochene schlug ohne eine Miene zu verziehen einfach mit der Hand nach ihm, so dass Toya auf den Boden - soweit dieses Nichts einen Boden besaß - fiel. "Aber...", wisperte Toya verwirrt und hielt sich die Hand an die schmerzende Wange. "Was...?" "Was willst du schon wieder, du Nervensäge?", fragte Yue trocken. "Wieso musst mir ständig auf den Wecker gehen? Merkst du nicht, dass ich dich nicht bei mir haben will? Ich hab gehofft, wenn Hiro zu uns kommt, würdest du endlich aufhören, mich zu nerven und ich müsste endlich nicht mehr den Babysitter für dich spielen, aber du klebst ja immer noch an mir wir eine Klette!" "Was? A...aber Yue... das... kannst du doch nicht ernst meinen." "Oh, fängst du jetzt wieder an zu heulen? Natürlich! Du hast immer gleich los geheult. Und dann kam Mami und hat dich getröstet. Du kleines Muttersöhnchen. Dabei warst du immer nur eine Last. Du warst doch immer nur der zweite Sohn. Niemanden hätte es gekümmert, wenn du einfach irgendwann nicht mehr von deinem blöden Versteckspiel aufgetaucht wärst. Ich bin schließlich der älteste Sohn. Um MICH dreht sich alles." "Mein... Bruder", wimmerte Toya und sank in die Knie. "Das... ist doch nicht wahr!" "Klar ist es das! Verdrehe doch nicht wieder die Tatsachen. Das hast du ja schon immer gern getan. Du bist so naiv!"
 

"Hör auf, Garasu!", schrie Toya und hielt sich mit den Händen die Ohren zu. "Du kannst mich nicht täuschen! Mein Bruder würde niemals so etwas sagen. Ich weiß, wie wichtig ich ihm bin! Das hat er mir selbst..." "Wichtig?", wiederholte Yue und lachte. "Die einzige Person, die mir je wichtig war, war Sumi. Das weißt du doch. Und was Garasu betrifft: Es ist doch allein DEINE Schuld, dass wir in dieses Schlamassel herein geraten sind. Du warst ja so blöd, ihm das Artamilya zu überlassen!" "Nein", fiepte Toya. "Yue... das kannst du doch nicht ernst meinen. O-nii-san!" "Hör auf, mich so zu nennen!", schrie Yue. "Es ist eine Schande, dass du mein Bruder bist!"
 

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Langsam kam Mariko zu sich. "Wo bin ich?", fragte sie sich. Dann fiel es ihr wieder ein. "Yue und ich sind... Uaah! Yue! Yue?" Sie blickte sich um. Nichts. Keine Spur von Yue. "Oh Gott, bitte lass ihn noch am Leben sein." Sie wischte sich mit dem Arm über das Gesicht und stand auf. "Ich muss ihn suchen gehen. Und Toya und Masa. Hoffentlich geht es ihnen gut."
 

Sie ging den Gang entlang. Dieses Schloss war für sie ein einziger Irrgarten. Nie würde sie sich hier zu Recht finden. Außerdem war alles staubig und alt. Alles sah gleich aus. Sie traute sich kaum einen Fuß vor den anderen zu setzen. Vorsichtig öffnete sie die Tür, an die sie kam und lugte hinein. Der Raum dahinter lag im Dunkeln. "Hallo?", sagte sie zaghaft. "Yue?" Keine Antwort. "Masa? Toya? Ist hier irgendwer?" Ein knarrendes Geräusch war zu hören. Mariko schlug erschrocken die Tür zu. "Wuaa, ich bin so eine Memme", seufzte sie und ging weiter.
 

Sie wagte es, jede Tür, an der sie vorbei kam, einen Spalt zu öffnen und hinein zu schauen. Doch alles lag im Dunkeln. Manchmal erkannte man in schwachem Kerzenschein verstaubte Möbel. Doch nicht die geringste Spur von ihren Freunden.
 

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Yue öffnete die Augen. In seinem Kopf herrschte völlige Leere. Doch vor sich sah er ein grelles Leuchten. Mit viel Kraftaufwand schaffte er es, den Kopf zu heben. "Sumi?", schrie er verwirrt, als er die besagte Person erblickte. Sumi's lebloser Körper schwebte leicht in der Luft. Sie lächelte ihn freundlich an. "Freu dich nicht zu früh", sagte sie. "Was du siehst, ist nur mein Geist." Langsam richtete Yue sich auf. Sumi fasste mit der Hand nach seinem Gesicht, doch ihre Hand fuhr einfach durch ihn hindurch. "Dies ist das Letzte, was ich für dich tun kann", seufzte sie. Ihr Lächeln beruhigte Yue ungemein. Sumi schloss die Augen. Ein grelles Licht umhüllte Yue. Ein Lichtblitz. Und dann... Stille.
 

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"Sieh's endlich ein, Toya", sagte Yue. "Niemand braucht dich. Wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht ihnen!" Plötzlich erschienen Hiro und Mariko neben ihm. Toya riss die Augen auf. "Ihr...", begann er, doch Hiro unterbrach ihn. "Halt bloß die Klappe!", fuhr er ihn an. "Ich kann dein Gewimmer echt nicht mehr hören. Das musste ich mir lange genug reinziehen!" "Nein, bitte nicht!", dachte Toya. "Ständig muss ich auf dich aufpassen. Denkst du etwa, das macht mir Spaß? Das einzig Amüsante daran war, dich zum Narren zu halten. War echt lustig zu sehen, wie du dir ständig den Kopf darüber zerbrochen hast. Hast du mir echt abgekauft, dass ich in dich verknallt bin?" Hiro lachte. So ein gemeines Lachen kannte Toya gar nicht von ihm. "Ich hab dich doch nur verarscht. In Wahrheit bist du mir echt scheißegal." "Du... lügst", wisperte Toya. "Ganz sicher nicht", erwiderte Hiro.
 

"Und Mariko genauso!" "Klar", meldete sich Mariko zu Wort und schmiegte sich an Hiro. "Ich hab mich doch nur mit dir abgegeben, weil ich Masa liebe. Und er liebt mich auch. Ganz schön blöd von dir, dass du auf seine Späße hereingefallen bist." Völlig fertig schüttelte Toya den Kopf. "Hört auf!", schluchzte er. "Du bist echt so naiv!", sagte Hiro und Yue fügte hinzu: "Keiner braucht dich!" Und Mariko wiederholte trällernd: "Keiner, keiner!" "Masa...", flüsterte Toya. "Du... hast gesagt... du liebst mich..." Erwartungsvoll blickte er in Hiro's Augen. Auch wenn er es wegen der Tränen nur verschwommen sah, fiel ihm dieser eiskalte Blick auf. So kannte er Hiro gar nicht. Hiro lachte. Dann schrie er Toya an: "Ich liebe dich NICHT!"
 

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Auch Hiro kam allmählich wieder zu sich. "Wie lange war ich ohnmächtig?", fragte er sich. Er blickte sich in alle Richtungen um. Er erkannte den Raum sofort. Es war sein altes Zimmer. Das Bett, die Schränke, einfach alles war von einer dicken Staubschicht überzogen. "Hey", sagte plötzlich jemand hinter ihm. Erschrocken fuhr Hiro herum. Hinter ihm stand Toya. "Suchst du etwas?", fragte er lächelnd. "Toya!", rief Hiro erleichtert, stand auf und fiel Toya in die Arme. "Ich hatte solche Angst um dich", seufzte er und legte den Kopf auf seine Schulter. "Hiro, ist schon gut", sagte Toya leise, legte die Arme um ihn und streichelte ihm über dem Kopf. "Jetzt wird alles wieder gut."
 

Schlagartig ließ Hiro ihn los und trat misstrauisch einen Schritt zurück. "Was ist denn?", fragte Toya ihn. "Du... bist nicht Toya", antwortete Hiro und ließ sein Gegenüber keine Sekunde aus den Augen. "Hiro! Was... redest du denn da?", meinte Toya lachend. "Natürlich bin ich Toya. Wer denn sonst?" Blitzschnell ließ Hiro sein Katana erscheinen, doch er streifte sein Ziel nur noch, da sein Gegenüber zu schnell zurück gesprungen war. "Du bist es nicht. Da bin ich ganz sicher." Toya's Lächeln verwandelte sich in ein hinterhältiges Grinsen. Er kicherte leise.
 

"Schön, wie du willst", sagte er. "Aber mich würde trotzdem mal interessieren, wie du mich entlarvt hast." "Ganz einfach", begann Hiro. "Du riechst nicht wie Toya. Du fühlst dich nicht an wie Toya und außerdem hat Toya mich noch kein Mal, seit wir in der Menschenwelt leben, Hiro genannt. Er nennt mich immer nur Masa, aber das konntest du natürlich nicht wissen, Garasu."
 

Garasu nahm wieder seine eigene Gestalt an. "Stimmt", seufzte er. "Ein kleiner, aber anscheinend verheerender Fehler." Plötzlich ertönte ein klickendes Geräusch. Garasu drehte sich um und sah, dass der Türknauf sich gedreht hatte. "Hmm, interessante Wendung", murmelte er und löste sich sogleich in Luft auf. Hiro hielt seine Waffe angriffsbereit vor sich.
 

Doch in ins Zimmer kam niemand anders als Mariko. Ängstlich lugte sie in den Raum. Als sie Hiro sah, stieß sie die Tür auf. "Masa!", schrie sie, rannte auf ihn zu und fiel ihm in die Arme. "Mariko", sagte Hiro. "Was hattest du an, als Toya und ich diesen Sommer mal einfach bei dir durchs Fenster ins Zimmer gestiegen sind?" "WAS?", schrie Mariko und ließ Hiro prompt los. Sie war knallrot. "W...wieso fragst d...du...?" "Weil ich sicher sein will, dass du die bist, die ich denke und nicht Garasu!" "Nu... nur Unterwäsche", stotterte Mariko verwirrt. "Ich war übrigens stinksauer auf dich, als ich endlich aus Toya heraus gequetscht hab, dass du heimlich mein Tagebuch lesen wolltest!" "Ähm, nun ja...", druckste Hiro herum. "E he, he, okay, ich schätze du bist Mariko."
 

Auf einmal ließen Hiro's Kräfte nach. Das Katana verschwand und er sank keuchend in die Knie. "Masa!", schrie Mariko besorgt und kniete sich zu ihm. "Du siehst ganz schön zugerichtet aus." Ihr fielen die Druckspuren um Hiro's Handgelenke auf. "Hat er dich auch gefesselt?" "Nicht so schlimm", sagte Hiro nur und raffte sich wieder auf. "Kannst du gehen?", fragte Mariko besorgt und ließ Hiro sich an ihrer Schulter abstützen. "Dein Bein ist noch verletzt. Du müsstest eigentlich immer noch auf Krücken gehen." "Es... geht schon", antwortete Hiro.
 

"Weißt du wo Yue und Toya sind?" "Keine Ahnung. Aber wir werden sie finden." "Bist du sicher, dass du...", begann Mariko, doch Hiro unterbrach sie. "Ich MUSS, Mariko. Ich weiß selbst, dass es mein Zustand nicht einfach macht, aber solange dieses Herz noch schlägt..." "Ich weiß", seufzte Mariko. Sie lächelte betrübt. "Solange du lebst, wirst du Toya nie im Stich lassen, stimmt's? So warst du ja schon immer." "Endlich hat's mal einer gecheckt", meinte Hiro und rang sich ebenfalls ein Lächeln ab. "Wir finden ihn bestimmt", versuchte Mariko ihm Mut zu machen. Doch in Wirklichkeit war sie sich da leider nicht so sicher. "Also, lass uns gehen."
 

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"Hast du es endlich eingesehen?", fragte Garasu. Mit einemmal waren Yue's, Hiro's und Mariko's Gestalten verschwunden. Toya blickte trübe ins Leere. Alles fühlte sich so leer an. Jedes Gefühl in ihm war wie tot. Er empfand rein gar nichts. Keine Angst vor Garasu oder vor dem Tod. Keine Hoffnung, keine Liebe, nichts. Nichts, nur diesen Schmerz. Es tat weh. Diese Leere in ihm schmerze mehr als alles andere. Es war alles, was geblieben war. "Merkst du jetzt endlich, was du ihnen wert bist?", fragte Garasu. "Es ist völlig egal, was aus dir wird. Niemanden wird es kümmern, wenn du tot bist." "Ja, niemanden wird es kümmern", wiederholte Toya. "Braver Junge", hauchte Garasu und bückte sich zu ihm herunter. Seine Hand berührte leicht Toya's Wange. Er spürte es nicht. "Es gibt keinen, der dich vermissen wird."
 

Plötzlich ertönte eine andere Stimme. "Du irrst dich!", sagte die Stimme trocken. Toya's Blick veränderte sich sofort. Er kannte diese Stimme. Er hatte es immer so genossen, diese Stimme zu hören. Was hatte er sie immer sagen hören? Wie nannte man das doch? Bruder?

Garasu stand auf und blickte auf denjenigen, der offensichtlich hinter Toya stand. "Du...", zischte er. "Du irrst dich...", wiederholte die Stimme. "Es gibt jemanden, für den ist Toya das aller Wichtigste auf der ganzen Welt!" "Ja richtig!", erinnerte Toya sich. "Bruder! Das ist... mein Bruder!" "Yue!", flüsterte er. "Toya! Was hat er dir angetan? Toya? Hörst du mich?" Plötzlich spürte Toya etwas. Eine Empfindung. Etwas lief über seine Wangen. Er weinte.

"Verschwinde!", schrie Garasu. "Es ist zu spät, Yue! Du hast verloren! Er erinnert sich nicht an dich!" "Toya! Sieh mich bitte an!", schrie Yue weiter. Toya drehte sich nicht zu ihm um. "Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Es gibt sehr wohl jemanden, der dich liebt!"
 

"Und dieser jemand bin ich", unterbrach jemand Yue's Satz. "Was?", schoss es durch Toya's Kopf. "Noch so eine bekannte Stimme!" "Mariko?", sagte Yue überrascht, als er Mariko neben sich stehen sah. Er war wirklich froh, sie zu sehen.

"Mariko?", wisperte Toya. Überrascht blickte Garasu auf ihn herab. "Was? Er beginnt sich zu erinnern", dachte er.
 

Und plötzlich hörte Toya eine weitere Stimme. "Hey", sagte diese Stimme. "Mariko, drängelst du dich schon wieder vor?" "Masa?", schluchzte Toya, den Blick noch immer abgewandt. Sein ganzer Körper zitterte. Seine Gedanken waren so vernebelt. Was geschah hier eigentlich? Seine Freunde hatten ihn im Stich gelassen. Oder etwa nicht?

"Hey, Toya!", rief Hiro ihm zu. "Idiot! Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede! Ich hab doch gesagt, du wirst mich nicht mehr los, egal was passiert. Hast du das echt vergessen?" "Nein!", antwortete Toya in Gedanken. "Ich erinnere mich." "Scheiße, weißt du eigentlich wie viel Überwindung es mich gekostet hat, dir das zu sagen und jetzt zwingst du mich dazu, es auch noch zu wiederholen. Und dann noch vor den Anwesenden hier. Mensch, du bist echt der Einzige, der mich immer wieder weich kriegt."
 

Einen Moment herrschte Stille. Dann schrie Hiro: "Ich liebe dich, Toya! Ich liebe dich über alles!" Toya wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Seine Augen röteten sich allmählich vom weinen. "Masa", wisperte er und drehte sich langsam um.
 

"Ha! Es hat geklappt!", freute Mariko sich. "Oh nein!", schrie Garasu aufgebracht. "Ihr werdet meinen Plan nicht noch einmal durchkreuzen." Mit dem Kreuzstab in den Händen stürzte er sich auf Hiro. Doch im letzten Moment wurde ihm die Waffe aus den Händen geschlagen. Schützend stand Yue mit seinem Schwert vor Hiro, der sich alleine sicher nicht mehr gegen Garasu's Angriff hätte wären können. "Yu...e", sagte Garasu zähneknirschend. "Es ist aus." "Ja", antwortete Yue nur. "Und zwar für dich." "Wa...?", begann Garasu.

Weiter kam er nicht. Seine Augen weiteten sich. Erschrocken blickte er auf sich herab. Auf seinem Hemd befand sich ein großer Blutfleck. Er hob die zitternden Hände. In diesem Moment zog Toya sein Schwert zurück. Garasu war so beschäftigt mit Yue und Hiro gewesen, dass er Toya nicht hinter sich bemerkt hatte. "Du hattest recht", sagte Toya matt. "Alles eine Frage der Konzentration. Und wie du siehst, war mir dieses Schwert doch nützlich."

"Hiro!", rief Yue. "Schnell!" "J...ja!", sagte Hiro und ließ Mariko los, die ihn bis jetzt gestützt hatte. Er ging ein Stück von den anderen weg, ließ das Katana erscheinen und hob es hoch in die Luft. Dann schrie er: "Öffne dich, Tor zur Galerie der Zeit!" Toya kannte dieses Licht. Ihm, Hiro und Yue hatte es einst das Leben gerettet. Nachdem sich das Tor geöffnet hatte, schlug Hiro mit dem Schwert quer hindurch, als wolle er es in zwei schneiden. Das Tor verzog sich und bildete eine Wellenform. "Das ist eine Raum-Zeit-Schleife", staunte Yue. "Los! Beeilt euch!", rief Hiro ihm zu. "Nein, niemals", keuchte Garasu. "Ihr werdet mich... niemals..."
 

Er nahm all seine Kräfte zusammen und versuchte sich weg zu teleportieren. Doch es geschah nichts. Yue packte ihn und zog ihn zu der Raum-Zeit-Schleife. "Warte!", rief Mariko und rannte zu ihm. "Lasst mich das machen!" Sie verpasste Garasu einen kräftigen Schubs, so dass er mit Wucht in das grelle Licht geschleudert wurde. Wie ein lauter Schall klang Garasu's Schrei und wurde immer leiser, je weiter sich das Tor schloss. Und dann... war es verschwunden.
 

Der Raum um sie herum nahm allmählich wieder Form an. Sie waren wieder im Palast. Anscheinend in der Eingangshalle. Mit einem Klimpern fiel etwas zu Boden. Mariko bückte sich und hob den roten Stein an der Kette auf. "Hier", sagte sie und hing sie um Yue's Hals. "Das gehört dir."

"Ist es...", begann Hiro. "...vorbei?" Niemand antwortete. Wortlos rannte Toya zu Hiro und fiel ihm in die Arme, woraufhin dieser rückwärts zu Boden fiel. Weinend drückte Toya sich an ihn und schmiegte den Kopf an seinen Bauch. "Hey", sagte Hiro leise und streichelte ihm sanft über den Kopf. "Du zitterst ja wie Espenlaub." Er ließ Toya los, zog seine Jacke aus und legte sie um Toya's nackte Schultern. Dann legte er erschöpft den Kopf an Toya's Schulter und schloss die Augen.
 

"IHR SAUBLÖDEN IDIOTEN!", schrie Mariko so laut, dass es wohl im ganzen Schloss zu hören war. Ein Glück, dass der Palast verlassen war. Sie rannte zu Toya und Hiro und umarmte sie beide. "Ihr seid echt voll krank! Alle beide! Ich HASSE Dämonen!" Mit jedem Wort hörte sich ihre Stimme verheulter an. "Ihr... macht mir echt nichts als Ärger", schluchzte sie. Toya und Hiro konnten sich beide ein Lächeln nicht verkneifen. "Ja, ich hab dich auch lieb, Mariko", meinte Hiro leise. "Ich dich auch", meldete sich Toya zu Wort. "Das ist ja das Problem", plärrte Mariko. "Ich euch nämlich auch! Und wie!"
 

Ohne ein Wort stand Yue hinter den dreien und lächelte erleichtert. Dann ließ Toya von Hiro und Mariko ab und drehte sich zu Yue um. "Komm schon her!", sagte er, ohne vom Boden aufzustehen. "Ich fühl mich nämlich, als könne ich keinen Schritt mehr gehen." Lächelnd ging Yue auf Toya zu. Mit jedem Schritt ging er schneller. Er bückte sich zu Toya, drückte ihn an sich und zog ihn so hoch, dass Toya's Füße den Boden nicht mehr berührten. "Wuuaah", schrie Toya und zappelte mit den Beinen. "Lass... das, Yue!" Yue setzte Toya wieder auf den Boden ab, und drückte ihn noch fester an sich. "Hey, alles klar, Brüderchen?", fragte er. "Logo", antwortete Toya grinsend. "Ging mir nie besser,... Bruder."
 

"Entschuldigt mal, dass ich die Freude trüben muss", meldete Mariko sich zu Wort, die wieder aufgestanden und Hiro auf die Beine geholfen hatte. "Aber warst du nicht schwer verletzt, Yue? Wie kommt es, dass deine Wunde..."

"Vielleicht sollte ICH das erklären", ertönte plötzlich eine Stimme. Und sogleich erschien wieder Sumi's Gestalt in der Halle. "Sumi?", fragte Hiro verwirrt. "Ich habe meine letzten Kräfte benutzt, um Yue zu heilen", erklärte Sumi. "Meine Aufgabe ist hiermit erfüllt. Nun kann ich endlich in Frieden ruhen. Aber zuvor lasst mich noch euere Wunden heilen so gut es geht. Kommt her, ihr drei!" "Oh, ich nicht", sagte Mariko rasch. "Ich bin kaum verletzt. Außerdem hast du für mich schon genug getan. Durch deine Hilfe konnte ich meinen Freunden auch helfen. Endlich kann ich dir dafür danken, Sumi. Vielen Dank."
 

Sie gab Hiro einen leichten Schubs. "So und jetzt kümmere dich um die beiden." "Also schön, kommt zu mir!", sagte Sumi an Toya und Hiro gewandt. Die beiden Angesprochenen gingen auf Sumi zu. Sumi legte eine Hand auf Toya's, die andere auf Hiro's Stirn, und schloss die Augen. Für einen kurzen Moment konnten beide nichts erkennen. Ein Licht, noch viel heller als das des Raum-Zeit-Tores, umhüllte sie. Doch es fühlte sich gut an. Toya spürte, wie die Kälte um ihn sich langsam legte und eine wohlige Wärme ihn einhüllte. Seine Wunden hörten auf zu schmerzen. Auf einmal war das Licht verschwunden. Als Toya die Augen öffnete, sah er Sumi nicht mehr vor sich. "Lebt wohl", hörte er ihre Stimme.

"Sumi!", schrie Yue. "Warte!" "Ach Yue", seufzte Sumi. "Ich befürchtete, ich würde nie die Gelegenheit haben, es dir zu sagen. Aber nun kann ich es endlich loswerden. Kein Glaube der Welt kann mich jemals davon abhalten. Und Gott kann es auch nicht. Ich liebe dich!" "Su...mi", flüsterte Yue. "Ich... dich auch." Keine Antwort.

"Sie wird endlich in Frieden ruhen", seufzte Mariko leise. "Ja", antwortete Yue und lächelte. "Du hast Recht."

Natürlich würde er sie nach wie vor vermissen, doch er ließ sich nichts anmerken. Yue ließ sich überhaupt nie etwas anmerken. Immer hatte er dieses Lächeln. So ein unbeschwertes Lächeln.
 

"Also, gehen wir endlich", sagte er und nahm das Artamilya in die Hände. "Ach ja? Und wie?", fragte Toya. "Na, ihr habt doch gesehen, welche Macht dieses Teil hat. Wenn Garasu es geschafft hat, uns hier herzubringen, werden wir es auch wieder zurück schaffen. Los, kommt her!" Er nahm Toya an der einen, Mariko an der anderen Hand. Eilig griff Toya sich Hiro's Hand und drückte sie fest in seine. Noch immer erschöpft, aber glücklich, lächelte er ihn an. "Was hätte ich getan, wenn ich dieses Lächeln nie wieder gesehen hätte?", dachte Hiro.

Plötzlich entstand ein starker Luftsog um sie herum. Die Erde begann zu beben. Toya fühlte sich, als würden seine Füße vom Boden abheben. Ein Licht strahlte aus dem Edelstein heraus und breitete sich um ihn und die anderen aus.
 

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Das nächste, was Toya wahrnahm, war, dass er aufstand und sich in einem fremden Zimmer befand. "Wir sind wieder in Akari's Wohnung", sagte Hiro. "Bloß schnell weg hier!", meinte Mariko und ging eilig zur Tür. "Ich hab genug!" Gerade wollte Toya ihr nachgehen, da kniete sich Hiro vor ihn hin. "Was ist? Steig schon auf meinen Rücken!", sagte er. "Aber du bist doch auch verletzt", widersprach Toya. "Stimmt, Sumi's Kraft konnten nur noch leichte Wunden heilen, aber es geht schon wieder besser." "Aber du kannst kaum auf eigenen Beinen stehen. Denk doch mal ein dein Bein!", bohrte Toya weiter. "Du kletterst jetzt sofort auf meinen Rücken, oder ich stopf dich zu Garasu in eine Raum-Zeit-Schleife!", scherzte Hiro. Widerwillig gehorchte Toya. Als Hiro sich aufrichtete, sagte er leise: "War natürlich nur ein Scherz. Du weißt, dass würde ich nie machen." "Weiß ich", antwortete Toya und gab Hiro einen Kuss auf die Wange. Prompt wurde Hiro knallrot. "Kyaaa!", quietschte Mariko. "Ich hab's gesehen! Ich hab's gesehen! Wie süß! Ich beide seid ja so zum knutschen!" Nun wurde auch Toya rot. "Ach, halt doch den Mund", maulte er und legte den Kopf auf Hiro's Schulter.
 

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"Den Täter konnte der 17-jährige Toya Sakasa jedoch nicht sehen." "Als ich zu mir gekommen bin, war ich alleine in dieser Wohnung", sagte er. Das Opfer, die gleichaltrige Akari Usami war seid Mittwoch nicht mehr gesehen worden. Am Donnerstag meldete sie sich zum letzten Mal krank. Wahrscheinlich war sie vom Täter zum Anruf in der Schule gezwungen worden. Das Mädchen wurde tot im Schlafzimmer ihrer Wohnung, wo der Täter auch Sakasa hingebracht hatte, aufgefunden..."
 

"Puh", seufzte Mariko und lehnte sich zurück. Es war Sonntagmittag. Toya, Yue, Hiro und Mariko hatten der Polizei erzählen müssen, dass Toya entführt worden war. Eine andere Ausrede war ihnen nicht eingefallen. Der Körper der toten Akari wurde in ihrer Wohnung gefunden.
 

"Wahrscheinlich hat Garasu ihren Körper dort ablegt, bevor er Toya in die Unterwelt verschleppt hat", meinte Yue. "Er hat ja dann keine andere Identität mehr gebraucht." "Bin ich froh, dass wir uns nicht in der Wohnung umgesehen haben, sondern gleich gegangen sind", sagte Mariko. "Ich hätte nicht gerne die tote Akari gesehen." "Endlich ist alles vorbei", seufzte Toya.
 

Er hatte überall Pflaster und einen breiten Verband um den Bauch, da er zwei gebrochene Rippen hatte. Bei Hiro waren es drei. Gegen einen neuen Gips für seinen Arm hatte er sich allerdings gewehrt. "Durch Sumi's Kräfte ist es schon viel besser und außerdem bin ich ein Dämon!", hatte er gesagt. Mariko war mit ein paar Kratzern davongekommen und von Yue's Verletzung war auch nicht mehr viel geblieben.
 

"Ja, es ist vorbei", meinte Yue und schaltete den Fernseher aus. "Mama und Papa kommen sicher nicht so schnell wieder", sagte Toya. "Ich hab ihnen gesagt, sie müssen ganz viel einkaufen, weil ihr heute alle hier übernachtet." "Ach ja, das heißt außer uns ist niemand im Haus", schlussfolgerte Hiro und legte den Arm um Toya. "Ähm, also, Toya... Kommst du mal eben,... nur ganz kurz... mit... nach oben? Ich, äh... muss dir... was zeigen." "Was zeigen? Was denn?", fragte Toya. "Er hat sein Zimmer neu eingerichtet", log Mariko. "Ge...genau!", stimmte Hiro ihr zu. "Und das musst du unbedingt sehen." Und damit zog er Toya auf die Beine und schleifte ihn aus dem Wohnzimmer. "Dein Zimmer neu eingerichtet?", hörten Mariko und Yue, Toya noch sagen, während sie die Treppen nach oben gingen. "Aber das hier ist MEIN Haus und du hast hier gar kein eigenes Zimmer. Du wohnst doch bei mir, weil dein Haus abgebrannt ist, schon vergessen?"

Mariko grinste verschmitzt. "Ach ja", seufzte sie. "Diese beiden..."
 

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Als sie in Toya's Zimmer waren, lehnte Hiro sich gegen die Tür und schloss sie, ohne das Toya es merkte, hinter seinem Rücken ab. "Was willst du denn nun eigentlich?", wollte Toya wissen und setzte sich aufs Bett. "Kommt jetzt wieder irgendeine Diskussion?" "Nein", antwortete Hiro lächelnd und ging zu Toya. "Heute wird nicht diskutiert."

Er bückte sich und küsste Toya. Toya schloss die Augen und erwiderte seinen Kuss. "Ich...", flüsterte er. "...hab dich vermisst." "Ich dich auch", sagte Hiro leise und küsste erst Toya's Wange, dann seinen Hals. Dann fügte er hinzu: "Und das hier... hab ich ganz besonders vermisst." Toya's Herz schlug so schnell, dass es ihm vorkam, als könne er es schon hören. Sanft drückte Hiro ihn an den Schultern aufs Bett. "Wie lange habe ich mich danach gesehnt", flüsterte Hiro. "...hab ich mich,... nach DIR gesehnt!"
 

Er öffnete die Knöpfe von Toya's Hemd, beugte sich über ihn und berührte mit den Lippen seine Brust. "Diesmal hälst du mich nicht zurück." Toya's Atem wurde schneller. "Masa...", hauchte er. "Ich kann deinen Herzschlag spüren", sagte Hiro und legte den Kopf auf Toya's Brust. "Gefällt dir das?" Er zog sein T-Shirt aus und ließ es vom Bett fallen. Toya drehte verlegen den Kopf zu Seite. Doch Hiro legte die Hand auf seine Wange und zog ihn wieder zu sich. Er streifte mit der Zunge sanft über Toya's Lippen. Toya öffnete den Mund. Ihre Zungenspitzen berührten sich. Hiro sah ihm tief in die Augen.
 

"Schau nicht immer weg", flüsterte er. "Ich liebe dich." Unbewusst wandte Toya den Blick wieder ab. "Hey!", sagte Hiro und drehte Toya's Kopf wieder zu sich. "Was ist mit dir? Ich will endlich eine klare Antwort von dir!" "Ich... ähm", begann Toya stotternd. "Ich... lie...be dich auch!" Auf Hiro's Gesicht machte sich ein Lächeln breit. "Wirklich?", fragte er frech. "Wirklich", wiederholte Toya. "Ganz ehrlich?" "Ganz ehrlich!" "Sag's noch mal!"

Anstatt zu antworten schlang Toya die Arme um Hiro, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn. Dann flüsterte er: "Ich liebe dich!" "Danke, das war alles was ich hören wollte", meinte Hiro lächelnd und küsste Toya erneut. Es war ein ziemlich langer, intensiver Kuss. Toya konnte sich nichts Schöneres vorstellen. "Ich... hätte nie gedacht, dass ich jemals so glücklich sein würde", dachte er.
 

Plötzlich spürte er Hiro's Hand auf seinem Bauch. Er streichelte ihn sanft. Als er über den Verband strich, wurde die Empfindung schwächer. Dann berührte er Toya's Hüfte. Mit jeder Sekunde schlug Toya's Herz schneller. Hiro knöpfte Toya's Hose auf und zog sie ihm langsam aus. "Toya", flüsterte er ihm ins Ohr. "Ich... will dir nicht wehtun." "Wirst du bestimmt nicht", versicherte Toya ihm und drückte ihn sanft an sich. "Du würdest mir niemals wehtun..." Vorsichtig legte Hiro wieder die Hand auf Toya's Hüfte und ließ sie dann langsam unter seine Shorts gleiten.
 

"W...warte", stöhnte Toya. "N...nicht so!" Sofort nahm Hiro die Hand zurück. Er sah Toya fragend an. Offensichtlich hatte er furchtbare Angst, etwas falsch zu machen. "Wenn schon, denn schon", sagte Toya. "Was meinst du?" "Hose runter!", nuschelte Toya nur. "Wenn ich keine an hab, dann ziehst du sie gefälligst auch aus!" Hiro lächelte erleichtert. "Ich dachte schon, ich hab ihm weh getan", dachte er, kniete sich hin und zog die Hose aus.

"Oh mein Gott, dieser Körper", dachte Toya und wurde bei diesem Gedanken sofort noch röter. "Als ob ich ihn nicht schon öfter in Shorts gesehen hab. Mist, wieso ist das auf einmal so komisch?" Hiro beugte sich erneut über ihn und küsste ihn. "Du... bist wunderschön", flüsterte er. "Wie... ein Engel." "Ich bin ein Dämon, vergiss das nicht!", meinte Toya lächelnd. Wieder fuhr Hiro mit der Hand in Toya's Shorts. Diesmal hielt er ihn nicht auf. "Aah,... Ma...sa...", stöhnte er. "Hhh..." Er hörte Hiro's leises Stöhnen, wie es an sein Ohr drang. Er legte die Hände auf seinen Rücken und drückte ihn fest an sich. "Ich... kann dein Herz spüren", dachte er. "Masa! Aaah!" Er kniff die Augen zusammen. "Ich liebe dich!"
 

~*~*~*~*~*~*~*~
 

"Sag mal", begann Yue. Er und Mariko saßen sich schweigend gegenüber. "Was treiben die so lange? Wollte er ihm nicht nur kurz was zeigen?" Mariko lachte auf. "Also, man merkt echt, dass du und Toya Brüder seid", sagte sie. "Du stehst auch manchmal ganz schön auf dem Schlauch!" "D...du meinst, sie...", stotterte Yue und wurde prompt rot. "Oh Mann, mein Bruder ist echt schwul." "Also", begann Mariko und stand auf. "Soweit ich weiß steht er nicht auf Männer. Er liebt nur Masa. Und Masa liebt ihn. NUR ihn. So und was machen wir jetzt?"

Sie packte Yue an den Händen und drängte ihn aufzustehen. "Gehen wir ein Eis essen?" "Von mir aus", stimmte Yue ihr zu und sie gingen zur Tür. "Toya trinkt immer Erdbeermichshake, wusstest du das?", sagte Mariko und schloss die Haustür hinter sich. "Echt?", fragte Yue. "Na ja, ich weiß ja nicht besonders viel über sein Leben als Mensch." "Keine Sorge! Ich weiß eine Menge über ihn. Ja, er ist regelrecht verrückt nach Erbeermichshakes. Wahrscheinlich gab' s so was in der Unterwelt nicht. Masa isst eigentlich alles. Ich geb dir einen Tip: Sag nie, du lädst ihn ein! Dann bestellt er nämlich mit Absicht ganz viel und du darfst es dann ausbaden! Mich wundert es, dass er so schlank ist. Toya ist eher wählerisch. Er mag automatisch alles was gut und teuer ist. Könnte daran liegen, dass er eigentlich adelig ist. Bis du auch so?"...
 

~The end~

(Staffel 01)
 

Nachwort:

Vielen Dank, dass ihr bis hier her gelesen habt. *verbeug* Ich hab mich über jeden einzelnen Kommentar gefreut und entschuldige mich hier noch mal dafür, dass ich euch mit dem letzten Kapitel noch mal so lange habe warten lassen.

Die erste Staffel von Devil's Blood ist nun hiermit abgeschlossen.
 

Diese Geschichte ist schon uralt. Und ich hab sie immer noch lieb. Nicht zu fassen. XD DB ist mein bisher längstes Werk mit 43 Kapiteln + bisher 6 Shortstories (incl. einem 20seitigem Special-Ending), wovon momentan eine hier auf mexx zu lesen ist ("You are my hero").

To keep a normally life

Herzlichen Glückwunsch an alle die es bis hier her geschafft haben. Zwischen Kapitel 15 und 16 liegt eine recht lange Zeit, denn HIER beginnt die 2. Staffel. Wünsche euch viel Spaß damit!
 

Kapitel 15
 

To keep a normally life
 

01.04.2007
 

Es war der erste April. Der erste Tag im neuen Schuljahr. Der Frühling ließ die Kirschblüten in ganz Tokio aufblühen. Eine warme Brise wehte an jenem Morgen. Es war fast ein halbes Jahr vergangen, seit... ja, seid damals...
 

"Toya! Masa!", rief Mariko und fuchtelte wie wild mit der ausgestreckten Hand über den Kopf herum. "Guten Morgeeen!!!" - "Morgähn", murmelte Hiro und musste dabei gähnen. "Na, hattet ihr schöne Ferien?", fragte Mariko die beiden, während sie sich gegen das Schultor lehnte. "Hast du dich erholt und neue Kraft für ein letztes, anstrengendes Jahr, geschöpft, Masa?" Sie stupste ihm beiläufig mit dem Ellbogen in die Seite. "War das 'ne Anspielung auf meine Noten?", erwiederte er. Mariko begann zu lachen. "Ach was", antwortete sie rasch. "Nicht doch. Hey, da vorn ist Yue!"

Sie deutete auf die gegenüberliegende Straßenseite. Yue überquerte gerade die Straße und kam auf sie zu. "Guten Morgen, ihr drei", begrüßte er sie. "Na, fit fürs neue Schuljahr? "Was machst du hier?", fragte Toya ohne auf die Frage seines Bruders zu antworten. "Ich wollt euch nur 'nen Besuch abstatten und anschließend was einkaufen", erklärte Yue. "Viel werde ich dieses Jahr eh nicht zu tun haben." "Stimmt ja", erinnerte sich Hiro. "Du hast die Aufnahmeprüfung an deine Wunsch-Uni versiebt." Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Wie konnte dir das passieren? Wo du doch eigentlich fast so ein Streber bist, wie Mariko." Für diese Ansage, bekam Hiro prompt einen Klaps von Mariko verpasst. "Immerhin bin ich nicht strohdoof und schreib nur sechser!", konterte sie. "Ich bin überhaupt nicht doof!", schrie Hiro. "Und wenn dann schreib ich vierer und fünfer!" Toya musste lachen. "Ich find's gar nicht verwunderlich, dass ich es nicht geschafft hab", fuhr Yue fort. "Wie hätte ich auch lernen sollen, neben der ganzen Sache mit Garasu und so... Ich hab viel zu spät angefangen, richtig zu pauken. Aber das passiert mir nicht noch einmal." "Bestimmt nicht", stimmte Toya ihm zu. "Nächstes mal schaffst du es sicher."

"Also", meldete sich Hiro zu Wort. Als er sah, wie Toya seinen Bruder schon wieder ansah, packte er ihn kurzerhand am Arm und zog ihn zu sich. Er kannte diesen Blick und nannte ihn immer "Bruderkomplex-Blick." Es war dieses regelrechte Funkeln in Toya's großen, rehbraunen Augen, mit denen er immer so zu Yue aufblickte. Hiro hasste diesen Blick. Er würde ihn lieben - wie alles an Toya - wenn dieser Blick nur IHM gelten würde. "Wir müssen jetzt gehen", sagte er. "Ja, macht's gut!" Und damit zerrte Hiro, Toya auch schon in Richtung Haupteingang. "Und wehe denen, ich bin nicht mit dir in einer Klasse!", zischte Hiro. "Und mit mir? Mit mir?", quengelte Mariko. "Was ist mit mir? Mich würdest du wohl gar nicht vermissen, was?" "Ganz recht", scherzte Hiro. Wieder patschte Mariko ihm mit der Hand auf den Rücken. "Pah! Wie fies du bist, Masa!" Aber sie wusste ja, dass Hiro nur gescherzt hatte.
 

~*~*~*~
 

Es herrschte ein riesiges Gedränge unter den Schülern. Jeder bahnte sich seinen Weg vor zu den großen Tafeln, an denen die Namen der Schüler aufgelistet und den neuen Klassen zugeteilt waren. Toya wurde von jemandem zur Seite gestoßen. Er spürte, wie Hiro's Griff um seine Hand sich löste. Doch dann waren er und Mariko schon in der Menge verschwunden. Toya versuchte das beste aus seiner Körpergröße zu machen und sich zwischen den anderen Schülern und Schülerinnen hindurch zu drängen. Doch schon bald fühlte er sich, als würde ihm die Luft wegbleiben.

Nach wenigen Minuten packte ihn jemand an der Schulter und zog ihn zurück. Noch ehe er sich versah, wurde er auch schon vor Hiro an sich gedrückt. "Wir sind wieder in einer Klasse", verkündete er glücklich. "Ich auch! Ich auch!", freute auch Mariko sich und fügte an Hiro gewandt hinzu: "Ich werde dir Toya auch dieses Jahr wieder nicht alleine überlassen! Ätsch!" Sie streckte ihm die Zunge raus. "Los, gehen wir in die Klasse!"
 

~*~*~*~
 

"Das Los entscheidet, wer neben wem sitzt" sagte Mariko, die vor der Klasse stand. Groß wählen brauchte sie niemand, denn alle waren sich einig, dass sie wieder die Klassensprecherin sein sollte. "Klasse Idee, Mariko" maulte Hiro, während er sich in die Reihe anstellte. "Hätte SIE nicht einfach entscheiden können, wer wo sitzt? Dann wäre wenigstens sicher gewesen, dass wir nebeneinander kommen." "Du kennst sie doch", antwortete Toya. "Immer gerecht und fair." "Is ja auch alles schön und gut, aber wenn ich deshalb nicht neben dir sitze, ist sie dran!" Toya lächelte. Das war mal wieder typisch Hiro.
 

Nun war Toya an der Reihe. Er nahm ohne groß zu überlegen einen der Zettel vom Pult und faltete ihn auf. "Nummer 14", sagte er und Mariko schrieb es auf ihren Zettel mit dem Klassenplan. Toya schaute, welchen Platz er gezogen hatte. Links, dritte Reihe am Fenster. Letztes Jahr hatte er in der Mitte des Klassenzimmers gesessen. "Na ja, immer hin kann ich da aus dem Fenster schauen, wenn's zu langweilig wird", dachte er und setzte sich. "Toya hat die 14", dachte Hiro und nahm einen Zettel. "Der Platz daneben ist noch frei. Also brauch ich die 15." Bevor er den Zettel auseinanderfaltete, blickte er ihn ein paar Sekunden still an. Eigentlich hatte eine 3 darauf gestanden, doch nun verwischte die Tinte und es stand eine 15 da. Natürlich hatte das niemand gesehen, denn der Zettel war ja noch immer zusammengefaltet. Erst jetzt öffnete Hiro das Papier. Er versuchte überrascht zu tun. "Yes, ich hab die 15!", sagte er und grinste von einem Ohr zum anderen. Mariko blickte ihn skeptisch an, sagte jedoch nichts und notierte einfach Hiro's Platz.
 

"Sag bitte, dass es nur Zufall war", flüsterte Toya, als Hiro sich neben ihn setzte. "Ich müsste lügen, also sage ich nichts", meinte Hiro. "Lass mich ans Fenster! Da fällt's nicht so auf, wenn ich im Unterricht schlafe." Wortlos stand Toya auf und tauschte mit Hiro die Plätze. "Für so eine Kleinigkeit hast du deine Magie eingesetzt?", zischte er. "Hast du schon vergessen, was passiert ist? Wegen der Zeitreise ist von deiner Kraft nicht mehr viel übrig, also verschwende die Magie nicht für so etwas Unwichtiges!" "Denkst du, es ist unwichtig, ob ich neben dir sitze, oder nicht?", fragte Hiro. Toya seufzte. "Also ich für meinen Teil finde das sehr wichtig!"
 

~*~*~*~
 

Der erste Schultag war immer so schön kurz. Würden doch nur alle Tage so schnell vorüber gehen. Es war Nachmittags, als Toya und Hiro sich auf den Weg nach Hause machten. Am ersten Schultag mussten die Klassensprecher gleich wieder länger bleiben, denn es gab eine Menge zu besprechen. Also konnte Mariko die beiden heute nicht begleiten.
 

Toya ging ein Thema nicht mehr aus dem Kopf und er konnte nicht anders, als es noch einmal anzusprechen. "Masa", begann er, während ihr Weg an einer Baustelle vorbei führte. "Sag mal..." "Hey, die haben den Zaun demoliert!", unterbrach Hiro ihn. "Jetzt können wir über den alten Spielplatz gehen. Das ist 'ne Abkürzung. Komm!" Und damit rannte er los.

Toya seufzte nur und folgte ihm dann. Als sie unbemerkt über das Grundstück mit den Kränen und Baggern gelaufen und zwischen ein paar heraus gebrochenen Holzbrettern hindurch geklettert waren, befanden sie sich auf einem alten Spielplatz, der meist unbesucht war. "Was wolltest du sagen?", fragte Hiro, setzte sich auf eine der Schaukeln und schwenkte hin und her.
 

Toya setzte sich auf den Holzzaun. "Ich find es nicht okay, was du heute gemacht hast", begann er. "Was meinst du?", wollte Hiro daraufhin wissen. "Deine Magie. Tu mir den Gefallen und verschleudere sie nicht so. Yue hat mir alles erzählt. Dass dein Leben an diese Kräfte gebunden ist. Du... hättest damals schon sterben können, bei deiner waghalsigen Aktion, uns so eine lange Zeitreise unternehmen zu lassen." Hiro stoppte die Schaukel mit den Füßen und stand auf. "Fängt das schon wieder an?", fragte er. "Mag sein, dass ich hätte sterben können, aber wie du siehst, lebe ich noch. Nur wenn ich das damals nicht getan hätte..." Er ging auf Toya zu und stützte sich mit den Händen am Zaun ab. "...hätte Garasu uns alle drei umgebracht." " Trotzdem", bohrte Toya weiter. "Geh damit nicht so verschwenderisch um. Andere würden sonst was geben, für deine Kräfte. Und wer weiß, wofür du sie irgendwann noch brauchst." Hiro beugte sich näher zu Toya herüber.

"Garasu ist tot, Toya", flüsterte er leise. "Du brauchst keine Angst mehr zu haben!" "W...wieso... Angst?", stotterte Toya. "Na hör mal! Es ist noch nicht lange her, seit ich mit meinen Eltern und meiner Schwester wieder in unserem Haus wohne. Davor hab ich bei dir gewohnt. Schon vergessen?" Toya verstand nicht ganz, worauf Hiro hinaus wollte. "Denkst du, ich hab nicht gehört, wie du im Schlaf gestöhnt hast?" Toya wurde rot. "Der Name Garasu kam jedenfalls oft genug vor. Hätte nichts dagegen, wenn du MEINEN Namen mal so stöhnen würdest. Unter anderen Umständen, versteht sich." Toya schubste Hiro beleidigt von sich. "Ha ha! Sehr witzig!", maulte er. Hiro konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Wieso witzig?", fragte er. "Ich hab's ernst gemeint." Er legte die Hand auf Toya's Wange und gab ihm einen Kuss auf die Lippen. "Garasu ist tot", wiederholte er. "Hab keine Angst mehr!"
 

"Du hast recht", seufzte Toya und hüpfte vom Zaun. "Es ist vorbei." Er rang sich ein Lächeln ab. "Was sollte jetzt schon noch passieren?"
 

In diesem Moment begann die Erde zu beben. "Wuah, ein Erdbeben!" Hiro blickte hinüber zu der Baustelle. Was war das? Dort schien alles gewohnt seinen Gang zu gehen. Keine Spur von einem Beben. Nur um sie herum. Toya verlor das Gleichgewicht und schaffte es gerade noch, sich am Zaun festzuhalten. "Hier geht was nicht mit rechten Dingen zu!", sagte Hiro und legte schützend die Arme um Toya. "Was ist hier los?", wimmerte dieser. "Das... ist doch kein... Erdbeben, oder?" Allmählich verschwammen die Formen um sie herum völlig. Nur noch das grün der Bäume und der sandige Boden unter ihren Füßen. Das blau des Himmels. Alles drehte sich. Das Beben wurde immer stärker. Es tat einen lauten Knall. Wie eine Explosion leuchtete plötzlich ein grelles Licht vor ihnen auf. Toya kniff die Augen zusammen. Das rote Leuchten vor seinen geschlossenen Augen wurde blasser. Und mit einem mal herrschte völlige Stille.
 

~*~*~*~
 

Vorsichtig öffnete Toya die Augen. Die Umgebung sah wieder genauso aus wie vorher. Als wäre nichts geschehen. "Was...", wisperte Toya, doch er verstummte, als er jemanden vor sich erblickte. Auch Hiro, der Toya erst jetzt wieder losgelassen hatte, blickte den Jungen, der vor ihnen stand, ratlos an. Er hatte eine ähnliche Frisur, wie Hiro, doch seine Haare waren kohlrabenschwarz und über seine Schulter hing ein eingeflochtener Zopf. Seine Augen hatten einen violetten Schimmer. Seine Kleidung bestand aus einem alten, ziemlich abgewetztem Umhang. Eine Art Kutte. Er blickte Toya wortlos mit seinen mandelförmigen Augen an. "Du... bist...", sagte er leise. "Toya-sama?" "Wer... bist du?", fragte Toya.

Doch noch bevor der Junge antworten konnte, fielen ihm die Augen zu und er kippte nach vorn. Hiro schaffte es gerade noch, ihn aufzufangen. Der Unbekannte atmete schwer. "Ich... hab's geschafft", stöhnte er. Toya kniete sich zu ihm herunter. "Hey, was ist mit dir?", fragte er. Doch wieder bekam er keine Antwort. Der Fremde löste sich von Hiro, der ihn bis dahin gestützt hatte, packte Toya blitzschnell an den Schultern und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Toya riss erschrocken die Augen auf. Hiro erst recht. "Hey! Was fällt dir eigentlich ein?!", schrie er, packte den Jungen am Hemdkragen und zog ihn zurück.

Doch da dieser sowieso schon, aus welchen Gründen auch immer, geschwächt war, fiel er daraufhin rückwärts in den Sand und blieb regungslos liegen. "Mensch, Masa!", schrie Toya. "Musste das sein? Du siehst doch, dass es ihm nicht gut geht!" "Mann, der Kerl hat dich gerade..." Hiro verkniff es sich, weiter zu sprechen. Toya beugte sich über den Jungen. "Scheint, als wäre er ohnmächtig", stellte er fest. "Daran bin ICH aber nicht schuld!", sagte Hiro schnell. "Los, hilf mir mal!", sagte Toya und versuchte den Ohnmächtigen auf die Beine zu ziehen. "Äh, Toya, was bitte hast du vor?" "Na, wir können ihn ja wohl kaum hier liegen lassen, oder?" Wieder musste Hiro es sich verkneifen, seinem Freund zu widersprechen. Widerwillig nahm er den Jungen am Arm und half Toya, ihn hochzuziehen. "Mann, du bist echt ZU gutherzig! Weißt du das, Toya?", maulte er und in Gedanken fügte er hinzu: "Ich ahne nichts Gutes."
 

~*~*~*~
 

Eine Weile später hatten Toya und Hiro Toya's Haus erreicht. Sie legten den Ohnmächtigen aufs Sofa. "Ich werd tierisch Ärger kriegen, wenn ich gleich am ersten Schultag, schon wieder nicht pünktlich zu Hause bin. Ich hab Mum und Dad versprochen, auf Kari aufzupassen", dachte Hiro und ließ sich auf einen Sessel fallen. "Aber ich lass Toya sicher nicht alleine mit diesem..." Er warf auf einen Blick auf den fremden Jungen. "Irgendwo hab ich das Gesicht doch schon mal gesehen", dachte er. "Was hast du vor, mit diesem Penner?", fragte er Toya. Dieser saß schweigend neben dem Jungen auf dem Sofa und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. "Weiß nicht", sagte er leise, ohne den Blick abzuwenden. "Wieso hast du ihn hier her geschleppt?" "Keine Ahnung. Er... hat mir einfach leid getan. Ich... konnte ihn doch nicht einfach da liegen lassen, oder? Wer weiß, was ihm passiert ist. Vielleicht ist er ausgeraubt worden. Schau ihn dir doch mal an." "Hmm", murmelte Hiro ziemlich desinteressiert. "Sieht halt aus wie 'n ganz normaler Penner."

Toya antwortete nicht. Er blickte weiter in das Gesicht des Jungen. "Komisch", dachte er. "Irgendwie hab ich das Gefühl, ich kenne ihn." "Hey!", sagte Hiro plötzlich so laut, dass Toya, der in Gedanken versunken war, regelrecht zusammenfuhr. "Was?", fragte er. "Was glotzt du den denn so an?" Toya musste grinsen. "Du kannst ihn jetzt schon nicht leiden, stimmt's?" "Wie... wieso?" "Weil er mich geküsst hat", meinte Toya grinsend. "Ich hab doch dein Gesicht gesehen." "Das gefällt dir jetzt wieder, war ja klar!", meinte Hiro beleidigt. "Mich eifersüchtig zu sehen. Das findest du jetzt wieder ganz toll, was?!" Toya musste lachen. "Tut mir leid. Aber du bist manchmal wirklich..." "Ja, was bin ich?", fragte Hiro. "Nichts", seufzte Toya. "Ist schon gut." Er wandte den Blick wieder dem noch immer ohnmächtigem Jungen zu.
 

"Gar nichts ist gut!", widersprach Hiro ihm, beugte sich zu ihm herüber und zog ihn am Arm zu sich. "Aua! Masa! Lass... los!", maulte Toya und versuchte sich von Hiro loszureißen. "Komm her, oder ich nehm dich mit Gewalt!", erwiderte Hiro und zog Toya zu sich auf den Sessel. "Mit... Gewalt? Aber sonst geht's dir noch gut, ja?", sagte Toya und wehrte sich weiter gegen Hiro's Griff. Doch dieser lehnte sich über ihn, so dass Toya unmöglich von ihm loskommen konnte. "Du gehörst mir, klar?", flüsterte er ihm ins Ohr und küsste seine Wange und seinen Hals. Toya wurde rot. "M...asa", hauchte er. "Du... tust mir weh." Hiro's Griff um Toya's Handgelenke lockerte sich. Toya rutschte tiefer in den Sessel. "Niemand außer mir, wird dich je bekommen", flüsterte Hiro und berührte sanft Toya's Lippen. Er fuhr mit der Zungenspitze langsam über seine Oberlippe und drückte ihn fester an sich. Sein Herz schlug schneller.
 

"Wie gemütlich ihr es hier habt", sagte plötzlich eine Stimme. Hiro fuhr blitzartig hoch und drehte sich um. Er blickte in diese violetten Augen. "Sehr hübsches Haus", sagte die Person zu der sie gehörten und setzte sich auf. "Wirklich, sehr hübsch." Er blickte sich nach links und rechts um. "Gefällt mir. So sieht es also hier aus. Kaum zu glauben. Man könnte euch glatt für Menschen halten." "Wer bist du?", fragte Toya ihn und zog sich wieder hoch. Schließlich hatte er mehr im Sessel gelegen, als gesessen. "T...Toya-sama", wimmerte der Unbekannte. "Hast du mich etwa vergessen?" "Äh", stotterte Toya. "Also sollte ich ihn doch kennen?", dachte er. Seufzend fuhr der Junge fort. "Mein Name ist Aoki. Subaru Aoki. Ich bin's Toya! Sumi's Bruder!"
 

~tbc~

Nothing will take you away from me

„Ich wusste es!“, schrie Hiro. „Ich wusste, ich hab dieses Gesicht schon mal gesehen!“ „Subaru“, murmelte Toya. „Sumi’s Bruder!“ Auch er erinnerte sich plötzlich wieder. „Du lebst?“ „Was soll das heißen? Ich bin ein Dämon, schon vergessen?“, erwiederte Subaru. „Natürlich lebe ich! Die paar tausend Jahre... merkt man mir doch gar nicht an, oder?“ „Was willst du und wie bist du hier her gekommen?“, fragte Hiro, der nicht zu verbergen versuchte, dass sich seine Freude über dieses Wiedersehen in Grenzen hielt. „Eigentlich suche ich Yue“, antwortete Subaru. „Aber ich freu mich noch viel mehr, dich zu sehen, Toya-sama!“, meinte er lächelnd an Toya gewandt. Hiro warf ihm einen bösen Blick zu. „Bitte“, meinte Toya. „Lass bloß das '-sama' weg!“ „Alles, was du willst. Ähm, und wo ist jetzt Yue?“ Subaru blickte sich fragend um, als erwartete er, Yue hier im Haus irgendwo vorzufinden. „Ich werde ihn gleich anrufen“, sagte Toya und ging aus dem Zimmer.
 

„Das war immer noch keine klare Antwort“, fuhr Hiro fort. „Sag schon! Was führt dich her? Und was mich noch viel mehr interessiert, wie bist du hier her gekommen?“ „Immer mit der Ruhe, Hiro“, sagte Subaru und lehnte sich zurück. Er machte wirklich nicht den Anschein, als wolle er gleich wieder gehen. Und wie er sich hier häuslich niederließ, gefiel Hiro ganz und gar nicht.
 

~*~*~*~*~*~*~
 

Yue drückte einen Knopf auf seinem Handy und steckte es zurück in die Hosentasche. „Was ist los?“, fragte Mariko, die er getroffen hatte, als sie nach der Versammlung in die Stadt gegangen war. „Du machst so ein erstauntes Gesicht. Ist was passiert?“ Yue schwieg. „Wer war denn dran? Toya?“ „Hmm“, murmelte Yue leise. „Ja und? Ist was passiert?“ „Subaru...“, sagte Yue weiter. „Was macht der denn hier...?“ „Wie? Wer?“, wollte Mariko wissen. „Kommst du mit? Ich geh zu Toya.“ Mit diesen Worten ging Yue davon. „Halt warte! Lauf nicht so schnell!“, rief Mariko und rannte ihm nach.
 

~*~*~*~*~*~*~
 

„Dann war das was wir vorhin gesehen haben ein Raum-Zeit-Tor?“, meinte Toya. Subaru nickte. „Aber wie hast du das geschafft?", fragte Hiro weiter. „Du machst mir nicht weiß, dass du es ganz allein geschafft hast. Auch wenn eine Reise zwischen den Welten nicht so kompliziert ist, wie eine zwischen den Zeiten. Du bist doch nicht mal ein richtiger Dämon.“ „Hey!“, fuhr Subaru ihn an. „Was soll das? Willst du mich beleidigen? Du hast dich echt kein bisschen verändert, Hiro!“ „Ist doch wahr! Du wirst nie ein richtiger Dämon sein!“ „Hört schon auf“, bat Toya die beiden. Doch Subaru tat, als hätte er ihn nicht gehört. „Du erträgst es nicht, was? Du gönnst mir das einfach nicht!“ „Was hat das damit zu tun, du Möchte-gern?!“, zischte Hiro. „AUFHÖREN!“, schrie Toya. „Ihr hört jetzt sofort auf zu streiten, oder ich schmeiß euch raus und zwar alle beide!“ „Aye aye, Sir!“, meinte Subaru grinsend. „Ich tu alles was du willst, Toya.“ „Und du kriegst ihn trotzdem nicht!“, murrmelte Hiro so leise, dass ihn niemand hören konnte.
 

In diesem Moment klingelte es an der Tür. „Das wird Yue sein“, sagte Toya, stand auf und ging zur Tür. Kurz darauf kam Yue ins Wohnzimmer gestürzt. Hinter ihm trotteten Mariko und Toya. „Subaru!“, schrie Yue. Der Angesprochene stand auf, plärrte: „Yue?“ und fiel diesem in die Arme. „Mann, du glaubst gar nicht, wie ich mich freue, dich zu sehen.“ „Äh“, wisperte Mariko. „Hab ich was verpasst?“
 

Wenige Minuten später saßen alle im Wohnzimmer auf dem Sofa. „Also, jetzt wo du da bist, fang ich mal an zu erzählen.“ „Koch mir mal ‘n Kaffee, Toya“, seufzte Hiro gelangweilt. Subaru warf ihm einen beleidigten Blick zu. „Keine Sorge, Hiro. Die Erklärung ist so leicht, dass sogar du es kapieren dürftest“, begann er. „Es stimmt. Jemand hat mir geholfen, herzukommen. Und zwar niemand anderer, als deine Cousine Riku.“ „WAS?“, schrie Hiro. „R...riku, sagst du?“ „Yep“, versicherte Subaru ihm. „Wisst ihr, damals als Garasu den Palast angegriffen hat, und ihr in diese Welt und Zeit geflüchtet seit, dachte man, ihr wärt tot. Aber als Garasu verschwand, war mir klar, dass das mit euch zusammen hängen muss. Schließlich hätte er ganz einfach den Thron übernehmen können, wärt ihr wirklich tot gewesen. Und vor kurzem habe ich die Aura meiner Schwester im Palast gespürt. Als ich hinging, um der Sache nachzugehen, sah ich, wie ihr mit Hilfe des Artamilya verschwunden seit. Seit dem habe ich einen Weg gesucht, euch zu folgen.“ „So ist das also“, murmelte Yue und sah dabei wahnsinnig nachdenklich aus.

„Wisst ihr, nun weiß jeder, dass Garasu tot ist und es herrscht wieder Krieg in der Unterwelt. Niemand hat wirklich noch das Potential dazu, König zu werden, aber jeder versucht es. Darum musste ich euch finden. Letztendlich bekam ich Hilfe von Riku. Sie schaffte es, ein Raum-Zeit-Tor zu öffnen und so konnte ich in diese Zeit gelangen.“ „Aber...“, begann Toya. „Wieso? Ich meine, was sollen WIR denn gegen diesen Krieg tun?“ „Du nicht, Toya“, erklärte Subaru weiter. „Aber Yue! Ich bin gekommen, um Yue zurückzuholen. Er muss wieder in die Unterwelt, um Frieden zu stiften und zu regieren.“ „WAS?“, schrieen Toya, Hiro und Mariko wie aus einem Munde. Yue blickte wortlos auf den Boden. „So was in der Art hatte ich auch erwartet“, murmelte er. Ein paar Sekunden schwiegen alle. Doch dann brach Toya das Schweigen. „NEIN!“, schrie er und sprang auf. „Niemals! Yue wird nicht wieder zurück gehen. Er geht nirgendwo hin, klar?!“ Und damit rannte er aus dem Zimmer. „Toya!“, rief Hiro ihm nach und wollte aufstehen, doch Yue hielt ihn zurück. „Warte!“, sagte er. „Lass mich mit ihm reden, ja?“ Dann verließ auch er das Zimmer.
 

„Outsch“, seufzte Hiro und wandte sich wieder Subaru zu. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. „Du hast dir gerade mächtig Minuspunkte eingefangen, Subaru“, sagte er. „Toya hasst es, wenn jemand versucht, ihm seinen Bruder wegzunehmen.“
 

~*~*~*~*~*~*~
 

Yue klopfte an Toya’s Zimmertür. „Toya? Darf ich rein kommen?“ „Wenn’s sein muss“, bekam er als Antwort. Er öffnete langsam die Tür und schloss sie so leise wie möglich hinter sich. Toya lag auf dem Bett und vergrub den Kopf im Kissen. „Hey“, sagte Yue leise. „Beruhigt dich mal wieder.“ Er setzte sich aufs Bett und legte die Hand auf Toya’s Schulter. Plötzlich fuhr Toya hoch und warf sich Yue in die Arme. „Geh nicht!“, wisperte er. „Bitte, geh nicht weg! Sonst... sonst sehe ich mich gezwungen, mit dir zu gehen und ich würd es echt vorziehen, in DIESER Welt zu bleiben.“ „Du weißt, dass wir die letzten Nachfahren unserer Familie sind, oder?“, seufzte Yue und streichelte Toya über den Kopf. „Und nur wir sind in der Lage, die Unterwelt zu regieren. Wie Garasu diese Macht errungen hat, weiß niemand. Du verstehst doch sicher, dass ich mich für diese Welt verantwortlich fühle, oder? Ich meine, es ist ja auch unsere Heimat.“ „Trotzdem“, erwiderte Toya stur. „Ich will hier bleiben. MIT dir!“ „Hör zu, mach dir mal keine Gedanken. Ich bin sicher, wir finden eine Lösung. Und ich lass dich ganz bestimmt nicht allein. Verlass dich drauf, Toya-chan.“ Toya ließ Yue los und wischte sich übers Gesicht. „Mensch, achtzehn Jahre und heult bei jeder Kleinigkeit los“, meinte Yue lachend und wuschelte seinem Bruder durchs Haar. „Mach dich nicht über mich lustig!“, murrte Toya beleidigt. „Also, komm! Gehen wir wieder runter! Ich schlag vor, Subaru bleibt erst mal hier und wir denken in Ruhe über alles nach.“ „Ja“, sagte Toya zufrieden und stand auf.
 

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„Tut mir leid“, sagte Toya mit gesenktem Blick, als er und Yue wieder im Wohnzimmer bei den anderen waren. „Ich wollte dich nicht anschreien, Subaru.“ „Ach was, ist doch halb so wild“, meinte Subaru lächelnd und warf Hiro sogleich einen siegessicheren Blick zu. „Wow, Toya!“, schrie Mariko. „Weißt du, was Subaru mir erzählt hat? Er war gar nicht immer ein Dämon! Ist ja auch logisch, schließlich ist Sumi - seine Schwester - ein Mensch! Aber Subaru ist ein Dämon! Und weißt du was noch? Seine Eltern waren dagegen, dass er zu einem Dämon wird, weil sie nämlich streng christlich waren. Aber Sumi war mit einem Dämon, als mit Yue liiert und Subaru...“ „Ähm, Mariko“, unterbrach Toya sie. „Freut mich ja, dass die Geschichte dich so fasziniert, aber mir brauchst du das alles nicht zu erzählen. Falls du’s schon vergessen hast, ich bin auch ein Dämon und war damals bei all dem dabei.“ „Ouh“, sagte Mariko etwas enttäuscht. „Ja klar, du hast recht. Aber sag mal...“ Sie wandte sich wieder Subaru zu. „Wie hast du das gemacht? Kann ein Mensch zu einem Dämon werden? Wie geht das? Ich will auch...“ „Denk erst gar nicht dran!“, fuhr Yue sie an. „Subaru, setz ihr ja keine Flausen in den Kopf, klar?!“ „Klar“, meinte Subaru lachend. „Also, zu welchem Ergebnis sind wir jetzt eigentlich gekommen?“ „Zu dem, dass du vorerst bei mir wohnen wirst“, antwortete Yue. „Wir müssen erst mal eine Lösung finden und so lange bleibst du eben hier.“ „Was? Aber in der Unterwelt herrscht Krieg!“ „Der läuft uns eh nicht davon. Also, komm!“ Er zerrte Subaru vom Sofa. „Es ist spät. Wir gehen jetzt. Toya, mach’s gut!“ „Ich geh auch. Hab noch nicht mal Hausaufgaben gemacht“, meinte Mariko und ging nach Yue und Subaru zur Tür. „Und ich, äh... bleib noch da“, sagte Hiro. Subaru warf ihm wieder einen diese unausstehlichen Blicke zu. „Masa! Meine Eltern kommen bald nach Hause. Ich hab den ganzen Tag kaum was gegessen, war noch nicht duschen und Hausaufgaben hab ich auch noch nicht gemacht.“ „Na, ist doch wunderbar. Das können wir alles zusammen machen“, meinte Hiro lachend. „W...wie?“, stotterte Toya verlegen. „Wir machen uns jetzt was zu futtern, dann gehen wir baden und dann machen wir zusammen Hausaufgaben. Um so besser, alleine könnt ich die eh nicht.“ „Zusammen baden?“, wiederholte Toya. „Du kannst mich mal!“ Yue, Mariko und Subaru beobachteten die Diskussion der beiden schweigend. „Was glotzt ihr so?“, schrie Toya. „Öhm, nichts, nichts“, antwortete Yue und zerrte Subaru und Mariko zur Tür hinaus. „Also, schönen Abend noch. Bis demnächst!“ Und damit schlug die Haustür hinter ihnen zu.
 

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„Na also“, sagte Hiro. „Endlich sind sie weg.“ Er drehte sich um und ging in die Küche. „So, was gibt’s zu essen? Ich hab tierischen Kohldampf!“ „Ma-sa!“, zischte Toya. „Wie wär’s, wenn du mich erst mal fragst, ob du noch bleiben darfst?“ „Natürlich darf ich das. Schließlich bin ich dein Freund.“ „Bester oder fester? Worauf war das bezogen?“ „Beides natürlich! Ist doch ganz klar!“ „Das wüsste ich aber!“, meinte Toya und suchte sich in der Küche die nötigen Zutaten zum kochen zusammen. „Hey“, begann Masa, nahm ihm den Topf aus der Hand und stellte ihn auf den Tisch. „Mir scheint, du hättest vergessen, was vor gut einem halben Jahr zwischen uns war!“ Er ging auf Toya zu. Dieser wich zurück, bis er an die Wand gedrückt wurde. „Seitdem tust du, als wär nie was gewesen.“ „W...was war denn schon groß?“, maulte Toya und versuchte Hiro von sich weg zu drücken, der ihm immer mehr auf die Pelle rückte. „Was war?“, wiederholte Hiro beleidigt. „Soll ich dir noch mal ganz genau zeigen, was war? Wir haben miteinander ge...“ „Haben wir NICHT!“, unterbrach Toya ihn. Er blickte verlegen an Hiro vorbei. „Du... hast nur,... hast mich... nur...“ Nun drückte er Hiro endgültig von sich. „Das zählt nicht als miteinander geschlafen, nur damit das mal klar ist! Und jetzt hilf mir gefälligst, wenn du dich schon ständig bei mir mit durchfressen musst!“
 

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Schweigend saßen die beiden sich eine Weile später am Esstisch gegenüber. Von Hiro war kein einziger Laut zu hören. „Wieso ist er auf einmal so still?“, dachte Toya. „Hat er sich mein Gerede vorhin so sehr zu Herzen genommen?“ „Toya“, brach Hiro nach einer Weile das Schweigen und schob den leeren Teller von sich weg. Seine Stimme klang so ungewöhnlich ernst. „Was ist?“, fragte Toya irgendwie eingeschüchtert. Es dauerte ein paar Sekunden bis Hiro antwortete. „Ach nichts“, sagte er mit zaghafter Stimme. „Hat gut geschmeckt. Danke.“ Er stand auf. „Ich geh jetzt lieber. Du musst ja noch duschen und Hausaufgaben machen. Ich halt dich nicht noch länger...“ Plötzlich stand Toya auf, packte Hiro am Kragen und zog ihn zu sich heran. Er musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um an Hiro’s Gesicht heranzukommen. Ohne ein Wort, küsste er ihn. Nicht sehr. Nur ein ganz normaler, einfacher Kuss. Überrascht blickte Hiro in Toya’s Augen. Er lächelte. Wieso? Wieso sagte er nichts? Das war nicht die Situation, in der man nichts sagen sollte. Aber das tat Toya ja ach zu gerne, wie es Hiro vorkam. Ihn einfach, letztendlich völlig ratlos im Regen stehen zu lassen. „A...also, b...bis Morgen“, stotterte Hiro und ging auf den Flur. „Schlaf gut“, sagte Toya, noch während er im Türrahmen stand. Doch die Haustür wurde schon zugeschlagen.
 

Toya seufzte. „Ich benehme mich echt wie das letzte Arschloch!“, schimpfte er mit sich selbst. „Was soll ich nur machen? Was... ist das für eine Beziehung zwischen uns, Masa?“

„Oh, wie ich ihn dafür hasse!“, fluchte Hiro, während er auf dem Weg nach Hause war. „Das werde ich dir nie verzeihen, hörst du, Toya Sakasa? Wieso tust du mir das an, hä? Macht dir das Spaß, mich so zu quälen? Verdammt, überlege dir endlich, was du überhaupt willst!“
 

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Dienstag Morgen. Völlig verpennt saß Hiro, mit geschlossenen Augen und den Kopf auf den Tisch gelegt, an seinem Platz am Fenster. In diesem Moment kam ihr Klassenlehrer ins Zimmer. „Guten Morgen. Wir haben ab heute einen neuen Schüler in unserer Klasse. Er ist erst hier her gezogen und war deshalb gestern noch nicht da.“ Mariko quietschte los, als der Neue in die Klasse kam. Toya riss die Augen auf. „Masa!“, sagte er und schüttelte diesen wach. „Hä, was?“, murmelte Hiro und blickte auf. „DU?“, schrie er. „Hallo!“, sagte Subaru, der neben dem Lehrer vor der Klasse stand und winkte Toya und Hiro zu. „Kennt ihr euch?“, fragte der Lehrer. „Und wie, wir sind die besten...“ „Nur flüchtig!“, unterbrach Hiro Subaru. „Nur vom Sehen, nichts weiter.“ „Na dann setz dich doch gleich hinter die beiden“, schlug der Lehrer vor. „Na ganz toll“, dachte Hiro. „Vorbei ist die schöne Zeit mit Toya. Mein Leben ist echt die Hölle!“ „Was machst du hier?“, flüsterte Toya Subaru zu. „Zur Schule gehen!“, antwortete dieser lächelnd.
 

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„Yue hat gesagt, ich werde ‘ne Weile hier bleiben, also hab ich beschlossen, auch zur Schule zu gehen. Ich hab sogar gefälschte Papiere, ‘nen Ausweis und so“, erzählte Subaru in der Pause beinahe stolz. „Jetzt könnt ich glatt als Mensch durchgehen. Toll, was?“ „Ja, ganz toll!“, brummelte Hiro in sich hinein. „Also, ich freu mich, dass du in unserer Klasse bist, Subaru“, meinte Toya. „Wirklich?“ Subaru strahlte förmlich übers ganze Gesicht. Er nahm Toya’s Hände und drückte sie ins seine. „Ich freu mich auch. Und wie!“ Mehr als nur kritisch beobachtete Hiro diese Szene. Und Mariko war dieser Blick nicht entgangen.
 

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Es war nach der Schule, als Mariko runter zum Fußballfeld lief. Sie hörte den Sportlehrer in seine Trillerpfeife blasen. Die Fußballmannschaft hatte Pause. „Hey, Mariko!“, rief Hiro ihr zu und rannte zum Rand des Feldes. „Hallo!“ „Was machst du hier? Hast du keine AG?“ „Doch, aber wir malen draußen und es fällt niemandem auf, wenn ich mal kurz weg bin“, erklärte Mariko. „Außerdem hab ich extra meine Sachen mitgenommen. Wenn jemand fragt, hab ich hier unten was abgezeichnet.“ Sie hielt ihren Zeichenblock und ein paar Stifte in den Händen. „Und? Was willst du? Mir beim spielen zusehen?“, fragte Hiro und wischte sich mit einem Handtuch über die Stirn. Mariko setzte sich auf die Bank neben ihnen.

„Nein, ich wollte mit dir reden“, sagte sie und fügte hinzu: „Alleine! Das ist nicht leicht, dich ohne Toya zu erwischen.“ „Wieso? Worum geht’s?“, wollte Hiro wissen und setzte sich ebenfalls. „Na ja, um Toya“, erklärte Mariko. „Deswegen darf er ja nicht dabei sein. Genauer gesagt, geht’s um Toya und dich.“ „Aha.“ „Also, dein Blick vorhin spricht ja Bände.“ „Hä?“, fragte Hiro. „Na, wenn Subaru, Toya auch nur anschaut, kochst du über!“ „Ach, was du nicht sagst.“ „Ich will dich mal was fragen. Hast du solchen großen Grund dazu, eifersüchtig zu sein?“, fragte Mariko. Hiro schwieg. „Ich meine, DU bist doch mit Toya zusammen, und nicht Subaru.“ „Bin ich das?“, seufzte Hiro. „Ähm, nun ja“, stotterte Mariko. „Wieso nicht? Ist was passiert?“ Wieder seufzte Hiro, dann begann er: „Er benimmt sich einfach komisch.“ Mariko sah ihn fragend an. „Weißt du, seit damals, und das ist jetzt schon fast ein halbes Jahr her, ist rein gar nichts passiert.“ „Was meinst du?“, wollte Mariko wissen. „Na ja, du weißt schon...“ Hiro blickte etwas beschämt zu Boden. „Gar nichts eben. Ein Kuss, wenn’s hoch kommt.“ „Was? Aber ich dachte, ihr...“ Mariko brach den Satz ab. Was für ein Thema! Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte. „Habt dir damals nicht...“ „Nein, wir habe nicht miteinander geschlafen“, vervollständigte Hiro den Satz. „Zumindest haben wir nicht das gemacht, was für Toya als miteinander schlafen bezeichnet wird.“ Wieder gab er ein lautes Seufzen von sich. „Na ja, eigentlich hat er recht. So richtig dazu zählen tut das nicht.“ „Also“, meinte Mariko neugierig. „Was habt ihr denn dann gemacht?“ Hiro wurde rot. „A...also, äh, ähm, na... jaah...“ Mariko musste lachen. „Ach was, das geht mich gar nichts an.“ „Aber Mariko! Shit, warum benimmt er sich jetzt so? Ich... hab doch nichts Falsches getan, oder?“ Er ließ den Kopf hängen. „Äh, he he...“, kicherte Mariko. „Woher soll ich das wissen? Ich war ja nicht dabei. Und ich denke, das war auch besser so.“ Wieder musste sie kichern. „Also, wenn er gestöhnt hat, dann wird es ihm schon gefallen haben, oder?“ Hiro blickte sie grinsend an. „Du wieder... DAS hab ich mit falsch gemacht, eigentlich nicht gemeint.“ Mariko wurde knallrot. Was für eine peinliche Diskussion!

„Das hätte ich auch nicht gedacht“, sagte sie in Gedanken. „Dass ich mal die Kupplerin zwischen meinen beiden besten Freunden spielen müssen würde... Jedenfalls...“, fuhr sie fort. „Mach dir keine Sorgen. Du kennst doch Toya. Du weißt, wie er in solchen Dingen ist. Er ist halt einfach schüchtern. Subaru ist sicher auch keine Konkurrenz für dich und 'das' wird Toya schon gefallen haben, da bin ich sicher.“ Sie stand auf und musste schon wieder loslachen. „Wem würde es schon NICHT gefallen, mit DIR im Bett...“ Sie musste so sehr lachen, dass sie nicht mehr weiter reden konnte. „Was soll das jetzt wieder heißen?“, fragte Hiro beleidigt. „Tut mir leid“, entschuldigte Mariko sich. „Ist schon gut. Hey, wie wär’s, wenn ich Toya einfach mal frage, ob’s ihm gefallen hat?“ Empört schoss Hiro hoch und schrie: „Bloß nicht!“ Kichernd lief Mariko davon. „Mariko!“, rief Hiro ihr nach. „Wenn du das machst, bist du tot!“ „Werden wir ja sehen!“, rief Mariko. Seufzend ließ Hiro das Handtuch auf die Bank fallen. „Ach ja“, murmelte er. „Wie gut, Freunde zu haben, die einem immer helfen wollen.“ Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Es wird ihm schon gefallen haben“, wiederholte er Mariko’s Worte. Er schüttelte den Kopf. „Pah, wenn ich das wissen will, frag ich ihn selber!“
 

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Toya saß in der Bücherei und blätterte in einem der Bücher. Heute war hier nicht viel zu tun. So kurz nach den Ferien hatten noch nicht viele Schüler Bücher ausgeliehen. Plötzlich ging die Tür auf und Mariko kam herein. „Hallo, Toya!“, sagte sie mit einem Zwitschern in der Stimme. Toya blickte von seinem Buch auf. „Was machst du noch hier?“, fragte Mariko. „Es ist schon spät. Wollen wir gehen?“ Er blickte auf seine Armbanduhr. „Was?“, schrie er und sprang auf. „So spät schon?“ Er blickte nach links und rechts. Die Bücherei war so gut wie menschenleer. Mariko musste lachen. „Typisch“, sagte sie. „Du und deine Bücher. Komm, gehen wir Masa abholen!“
 

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„Warte!“, meinte Mariko und blieb vor der Schule am Getränkeautomaten stehen. „Ich muss eh noch mit dir reden.“ „Hmm? Wieso?“, fragte Toya, kramte ein paar Geldmünzen aus der Hosentasche und steckte sie in den Schlitz des Automaten. „Also, eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich finde, du solltest mal mit Masa reden“, erklärte Mariko. Ein Poltern war zu hören. Toya nahm die Dose aus dem Fach. „Worüber?“, fragte er. „Ähm, also...“ Wieder wusste Mariko nicht genau, wie sie es sagen sollte. „Mensch, so schwer ist das doch nicht!“, sagte sie sich selbst. „Bei Masa hast du’s auch geschafft, Mariko!“ „Na ja, über eure... Beziehung.“ Toya begann zu husten und spuckte die Cola dabei auf den Boden. „WAS?“, hustete er. „Äh“, stotterte Mariko. „Also, ums kurz zu machen... Er ist eifersüchtig auf Subaru und hat wahnsinnige Angst, dich zu verlieren. Also sei so gut und red mit ihm und klär das. Ich will nicht, dass ihr euch am Ende wieder zerkracht. Mittlerweile weiß ich, was dann für ‘ne depressive Stimmung herrscht. Das tut mir nicht gut und euch beiden erst recht nicht.“ Toya war knallrot im Gesicht. Er blickte verlegen zu Boden und schwieg. „Beziehung...“, wiederholte er beinahe unhörbar. „Was heißt denn immer Beziehung? Ich bin nicht schwul. Wann kapiert ihr das endlich?“ Es dauerte ein paar Sekunden, in denen Mariko einfach nur mit ziemlich wütendem Gesichtsausdruck da stand. Und plötzlich machte es 'KLASCH!' „Wie gemein du bist, Toya!“, schrie Mariko. Toya hielt sich die Hand an die Wange, wo sich die Haut rötete. „Empfindest du denn gar nichts für ihn? Überhaupt... gar nichts? Wenn das so ist, warum hast du ihm das dann nicht gleich gesagt? Wieso machst du ihm dann ständig falsche Hoffnungen?“ Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. „Wenn du das alles nicht willst, dann sag es ihm wenigstens! Alles andere ist grausam! Du weißt doch, was er für dich empfindet. Wieso tust du ihm das alles dann an? Wieso bist du so gemein zu ihm? Ich dachte, ihr wärt Freunde! Masa... tut mir wirklich leid!“ Dann rannte sie davon.
 

Wortlos stand Toya da. Seine Augen blickten ausdruckslos ins Leere. Keine Träne? Dabei heulte er doch sonst bei jeder Kleinigkeit los. „Wieso?“, dachte er. „Sag du’s mir doch, Mariko. Wieso tu ich immer all denen weh, die ich liebe?“
 

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Mariko rannte über den Pausenhof, als sie plötzlich mit jemandem zusammenstieß. „Mariko!“, sagte Hiro. „Was machst du hier? Wolltest du nicht Toya abholen?“ Mariko blickte ihn nur kurz an. „Hey, was ist denn passiert? Du weinst ja.“ Er legte die Hände auf ihre Schultern, doch Mariko stieß ihn einfach von sich und rannte weiter. „Mariko!“, rief Hiro ihr nach. „Was hat sie bloß? Ich... hab Mariko noch nie weinen sehen.“ Er beschloss auf dem kürzesten Wege nach Hause zu gehen und sie anzurufen.
 

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Toya saß zu Hause in seinem Zimmer am Schreibtisch. Es war schon spät. Eigentlich hätten seine Hausaufgaben längst gemacht sein sollen. Aber er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Seine Gedanken waren immer noch bei Mariko. Er wollte sie anrufen. Ihr sagen, wie leid es ihm tat. Aber er brachte es nicht fertig. „Sie hat ja recht“, dachte er. „Ich benehme mich wie das letzte Arschloch! Aber das Schlimmste ist, ich kann rein gar nichts dagegen tun. Ich weiß ja nicht einmal, wieso ich es tue.“ Er musste daran denken, wie lange er nun schon mit Mariko und Hiro befreundet war. Sein Blick fiel auf das Foto mit den beiden, dass vor ihm auf dem Schreibtisch stand. „Vielleicht hab ich einfach Angst, meinen besten Freund zu verlieren“, kam es ihm plötzlich in den Sinn. „Zwischen bestem Freund und festem Freund besteht schließlich ein ganz schöner Unterschied. Wer weiß, ob das je gut ginge...“

Toya’s Eltern waren ausgegangen. Er war noch nie gerne allein zu Hause gewesen. Er war überhaupt noch nie gerne alleine gewesen. Allein sein, war für ihn gleichbedeutend mit einsam sein. Und dann auch noch das Geräusch des Regens, der hart gegen die Fensterscheibe prasselte. Es machte ihn irgendwie depressiv. Er ließ den Kopf auf den Schreibtisch sinken. „Unser letztes Jahr“, dachte er. „Die nehmen uns noch mal ganz schön hart dran. Wie ich Englisch doch hasse!“ Er klappte das Buch zu. „Und ich hab keine Ahnung, was ich nach der Schule überhaupt machen soll. Studieren? Aber was?“ Er seufzte. Das war nun wirklich das aller letzte, worüber er nachdenken wollte.
 

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In diesem Moment ertönte die Klingel. Toya zuckte zusammen. Wie laut ein einfaches Läuten der Tür, in einem großem, dunklem und völlig stillem Haus doch wirkte. Er stand auf. Beim nach draußen gehen, warf er einen Blick auf die Uhr. „Schon halbelf?“, murmelte er. „Wer kommt denn um die Zeit noch?“ Seine Eltern konnten es noch nicht sein. Die würden sicher länger ausbleiben.

Als er die Tür geöffnet hatte, stand Hiro draußen im Regen. Seine Haare waren klatschnass und sein T-Shirt klebte an ihm wie eine zweite Haut. „Masa!“, sagte Toya überrascht. „Was willst du denn? Um diese Zeit.“ Hiro antwortete nicht. „Und wieso hast du keinen Schirm? Los, komm rein! Du erkältest dich noch.“ Hiro sah Toya schweigend an. Doch dann betrat er ohne ein Wort das Haus. Toya rannte die Treppen nach oben. Eigentlich ging er davon aus, dass Hiro ihm folgen würde, als er sich jedoch umdrehte, sah er Hiro noch immer unten im Gang stehen. „Was ist? Komm endlich!“ Seufzend verdrehte er die Augen und lief die Treppe wieder nach unten. „Ist was passiert?“, fragte er, als er vor Hiro inne hielt. Er wischte ihm mit der Hand ein paar Regentropfen aus dem Gesicht. „Komm, ich geb dir erst mal ein Handtuch.“ Er nahm Hiro an der Hand und schleifte ihn nach oben in sein Zimmer. Dann ging er ins Bad um ein Handtuch zu holen.
 

„Was hat er denn?“, dachte er, als er auf dem Gang stand. „Er ist so ruhig...“

Zurück in seinem Zimmer, warf er Hiro, der auf dem Schreibtischstuhl saß, das Handtuch über den Kopf und setzte sich aufs Bett. „Also“, begann er. „Hat’s dir die Sprache verschlagen?“ „Ich muss mit dir reden“, sagte Hiro völlig klanglos und trocknete sich die Haare ab. „Hast du... mit Mariko gesprochen?“, fragte Toya vorsichtig. „Ja, allerdings“, versicherte Hiro ihm und warf das Handtuch auf den Boden. „Und ich bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie dir eine reingehauen hat. Das spricht mir nämlich aus der Seele und zwar mehr, als ich es je selbst ausdrücken könnte.“

Toya blickte entgeistert ins Leere. „Was?“, dachte er. „Was hat er da gerade gesagt?“ „Willst... du mich... schlagen?“, wisperte er leise. „Wenn du willst,... dann tu’s doch!“ Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Dieses Lächeln passte nicht zu diesem Blick. Es war ein ausdrucksloser, nein, beinahe verzweifelter Blick. „Du... brauchst dich nicht zurückzuhalten, nur weil ich klein und schwächlich bin.“ Toya’s Stimme wurde immer lauter, während er sprach. Letztendlich schrie er unter Tränen. „Tu, was du willst! Ich meine,... ich hab es ja verdient!“
 

Hiro stand vom Schreibtischstuhl auf und ging zu Toya ans Bett. Er packte ihn an den Schultern und schubste ihn nach hinten, so dass er aufs Bett fiel. Dann legte er sich über ihn und küsste ihn. „Was ist los?“, dachte Toya. „Wieso benimmt er sich so komisch?“

Natürlich, es war nicht ihr erster Kuss. Aber dieses mal war etwas anders. Es war kein bisschen wie sonst. Weder sanft noch zärtlich. Ganz im Gegenteil.

Mit einem mal riss Hiro Toya’s Hemd auf. Toya zuckte zusammen. „Wa...was soll das?“, stotterte er. „W...wieso tust du das?“ „Du hast es doch selbst gesagt“, meinte Hiro trocken und wiederholte Toya’s Worte: „Tu, was du willst!“ Er legte den Kopf auf Toya’s Bauch und küsste ihn. „Du hast es dir selbst zuzuschreiben, also jammere jetzt bloß nicht herum! Du weißt, dass ich dir niemals weh tun könnte.“ Toya’s Puls raste. Was geschah hier? „Du weißt, dass ich dich liebe und mir kommt es langsam so vor, als würdest du das schamlos ausnutzen“, fuhr Hiro fort, richtete sich auf und zog T-Shirt und Hose aus. „Das... ist nicht wahr!“, wisperte Toya und schüttelte den Kopf. Doch Hiro sprach einfach weiter. „Du denkst, du kannst mit mir machen, was du willst. Je nach Lust und Laune tust du mal auf gut Freund, nur um mich dann wieder eiskalt abzuservieren.“ „Was redest du denn da?“, sagte Toya mit Tränen in den Augen. „Das stimmt doch gar nicht.“ „Und wo wir schon mal beim Thema sind“, fuhr Hiro fort, als hätte er Toya’s letzte Worte einfach überhört. Er öffnete die Knöpfe von Toya’s Hose. „Subaru kotzt mich an! Und das du so nett zu ihm bist, kotzt mich noch mehr an! Er wird dich niemals bekommen, klar?“ „Wie...so schreist du so?“, wimmerte Toya. Doch Hiro schrie einfach weiter. „Niemand wird dich bekommen! Du gehörst mir! Mir ganz allein!“

Plötzlich brach er schluchzend zusammen und ließ den Kopf auf Toya’s Brust sinken.
 

Toya konnte ihn hastig atmen hören. Er spürte wie sein Atem warm über seinen Körper strich. Ihm wurde heiß. Er kniff die Augen zusammen. „Bloß nicht, Toya!“, redete er auf sich selbst ein. „Denk an was anderes! Denk an was total Unästhetisches! Oh Gott! Masa, halbnackt,... auf mir... und ich... ich hab ja auch kaum noch was an.“ Mit jeder Sekunde schlug sein Herz schneller.

Etwas Feuchtes lief über seine Brust. „Tränen?“, schoss es ihm durch den Kopf. „Weint er?“ Er führte die zitternden Hände zu Hiro und legte sie auf seine Schulterblätter. Wie warm er sich anfühlte. So schön warm. „Hör auf, Toya!“, befahl er sich selbst. „Oh nein, bitte nicht! Wenn ich jetzt... nein, er wird es sehen! Wie peinlich! Bitte nicht!“ Er hielt den Atem an, presste die Beine zusammen und drückte Hiro fest an sich. „Zu...spät...“
 

Hiro stützte sich mit den Armen links und rechts von Toya ab und blickte ihn mit knallrotem Gesicht an. „T... Toya“, stotterte er. Sein Blick schweifte nach unten. „NICHT!“, schrie Toya, drehte sich zur Seite weg und warf rasch die Bettdecke über sich. „Schau gefälligst weg!“, murmelte er ins Kissen. „To...ya, du hast doch nicht etwa einen...“ „HALT DIE KLAPPE!“ „Okay, du hast einen...“ Toya schwieg. „Wie peinlich!“, dachte er immer wieder. „Wie peinlich! Ich möchte sterben!“
 

Auf Hiro’s Gesicht machte sich plötzlich ein Grinsen breit. Er kroch unter die Bettdecke, legte von hinten die Arme um Toya und hauchte ihm ins Ohr: „Ich will mit dir schlafen!“ „WAS?“

Toya zuckte zusammen. „Was hat er da gerade gesagt?“ Noch bevor Toya groß darüber nachdenken konnte, fuhren Hiro’s Hände langsam auf seinem Körper herab. Hiro spürte, wie Toya zitterte. „Was ist?“, flüsterte er. „Ich hab dich doch schon mal da angefasst.“ Toya spürte, wie die warmen Hände seines Freundes sanft seine Haut streichelten und dann allmählich in seine Shorts griffen. Ein leises Stöhnen entwich seinen Lippen. Hiro zog ihm vorsichtig die Shorts aus. Dann seine eigenen.
 

Draußen war es mittlerweile dunkel. „Gut so“, dachte Toya. Es war Vollmond. Zumindest sah es so aus. Das Mondlicht schien fahl ins Zimmer. Das einzige Licht im Raum.

„Dreh dich um!“, flüsterte Hiro und küsste zärtlich Toya’s Hals. Wortlos drehte Toya sich auf den Bauch und stütze sich mit den Händen auf dem Bett ab. Er spürte Hiro’s Körper, wie er sich sanft an den seinen presste. Seine Hände hielten ihn fest umschlungen.

„Ma...sa“, stöhnte er. „Aaah...“ Seine Hände krallten sich in das Kopfkissen. Hiro’s eine Hand strich über Toya’s Wange. Er beugte sich nach vorn und küsste seine Lippen. Die andere Hand hatte er noch immer zwischen Toya’s Beinen. Toya’s Aufstöhnen unterbrach ihren Kuss. „Hhhhn... hör... nicht... auf! Aah...“ „Oh Gott“, dachte Toya. „Ich... komme...“ „Toya“, hauchte Masa.

Er spürte etwas Feuchtes an seiner Hand. „Ich... verliere den Verstand.“ Plötzlich spürte Toya etwas zwischen den Schenkeln. Beinahe wie ein Stoß. Er kniff die Augen zusammen. Seine Hände krallten sich noch fester in den Stoff des Kissens. Es tat weh. Sehr sogar. Und dennoch wollte er nicht, dass Hiro jetzt aufhörte.

Hiro stöhnte auf. „Hahhh... Toyaaa...“ Allein seine Stimme brachte Toya zum beben. Wie konnte sich etwas, das so falsch war, nur so unheimlich gut anfühlen? „Wieso?“, dachte Toya. Doch auf einmal konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. Nein, vielmehr... er wollte es nicht...
 

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Es war irgendwann spät in dieser Nacht. Das Geräusch des Regens, der noch immer gegen das Fenster prasselte, hatte Toya aufgeweckt. Es hagelte. Toya ließ die Augen geschlossen. Er lag ruhig mit dem Kopf auf Hiro’s Brust. Sein Herz schlug noch immer so schnell. „Ich hab das nicht nur geträumt, oder?“, fragte er sich selbst. „Nicht zu fassen, dass das vorhin wirklich passiert ist.“ Langsam öffnete er die Augen und hob den Kopf. Er blickte in Hiro’s schlafendes Gesicht. Wie süß er aussah... Toya zog sich ein Stück nach oben und küsste sanft Hiro’s Lippen. „Du bist alles, was ich habe“, flüsterte er, auch wenn er sicher war, dass Hiro schlief und ihn nicht hören konnte. „Du bist... alles, was ich liebe. Ich... liebe dich sogar viel mehr, als du denkst.“
 

Hiro war sich nicht sicher, ob er es nur geträumt hatte. Waren Toya’s Worte nur ein Traum? Wahrscheinlich. „Selbst wenn es so wäre. Toya würde nie so etwas sagen“, dachte er und ließ die Augen geschlossen. „Schade eigentlich.“ Ein paar Sekunden später war er auch schon wieder eingeschlafen. Toya hingegen lag noch immer wach. Das Prasseln des Regens hörte sich nicht mehr so traurig an. Die Dunkelheit war nicht mehr gleich Einsamkeit. Es fühlte sich so gut an. Sein ganzer Körper. So... entspannt. So warm. Er fühlte sich so geborgen. Wie lange war es her, dass er ruhig einschlafen konnte, ohne sich irgendwelche Sorgen zu machen? Wenn auch oft unnötige Sorgen. Es war sicher schon fast ein dreiviertel Jahr her. Aber jetzt, in diesem Moment. Wie beruhigend es doch war, Hiro’s Puls zu fühlen. Seinen Atem zu spüren. Seine Wärme. Seinen Geruch. Er ließ den Kopf wieder auf Hiro’s Brust sinken und schloss die Augen. Ein erleichtertes Seufzen entwich ihm. Kurz darauf war er wieder eingeschlafen.
 

~tbc~

Under control

Toya dachte etwas gehört zu haben. Das Telefon? Oder hatte er es sich im Halbschlaf nur eingebildet. „Toya!“, rief plötzlich eine Frauenstimme. Seine Mutter. Also doch nicht eingebildet. Verschlafen rieb Toya sich die Augen. „Toya!“ „Ja doch... is ja gut“, murmelte Toya und stand auf. Durch die Vorhänge schien das Licht der Morgensonne. „MORGENSONNE?“, schoss es Toya durch den Kopf. Er fuhr herum. Ein Blick auf den Wecker verriet ihm, dass es schon viel zu spät war. „MASA!“, schrie er und schüttelte diesen wach. „Es ist morgens! Wir haben verpennt!“ „TOYA!“, rief Toya’s Mutter abermals. Derweil war Hiro aufgewacht. „Was ist?“, fragte er gähnend. „Steh auf! Und zwar schnell!“, schrie Toya. „Verdammt, wie soll ich meinen Eltern erklären, dass du völlig nackt bei mir im Bett liegst?! Jetzt MACH SCHON!!!“ „Toyaaaaaaa!!!“ „Jaah Mama!“
 

Toya’s Mutter wollte gerade die Treppe hoch laufen, als Toya den Kopf aus der Tür streckte. „Was denn?“ „Ist Hiro bei dir?“, fragte Frau Sakasa. „Seine Mutter hat gerade angerufen. Er ist gestern abend nicht nach Hause gekommen und angeblich wollte er zu dir.“ „Äh, ähm,...“, stotterte Toya. „Äh, j...jaah... Ja, er ist hier. Wir, äh... sind gestern wohl über den Hausaufgaben eingenickt. E... he he...“ Toya’s Mutter seufzte. „Das sieht euch wieder ähnlich“, sagte sie, schien sich jedoch mit dieser Erklärung zufrieden zu geben und ging zur Haustür. „Ich geh jetzt zur Arbeit. Dein Papa musste heute schon früher weg“, sagte sie und öffnete die Tür. „Beeilt euch! Ihr seid spät dran. Und sagt Hiro’s Mutter noch Bescheid. Sie macht sich sonst noch mehr Sorgen.“ „Machen wir“, meinte Toya winkend.
 

Die Haustür wurde zugeschlagen. Erleichtert atmete Toya auf. „Puh, das war knapp“, schnaufte er und schloss die Zimmertür wieder. Als er sich umdrehte, saß Hiro, der sich in der Zwischenzeit angezogen hatte, am Schreibtisch. „Sag mal“, meinte er. „Hast du Englisch? Kann ich abschreiben?“ Toya hatte das Gefühl, er würde jede Sekunde überkochen. „Du blöder Idiot!“, schrie er. „Ist dir eigentlich klar, was hier los gewesen wäre, wenn die uns zusammen im Bett erwischt hätten? Du bist echt nicht mehr ganz dicht, in so einem Moment an Hausaufgaben zu denken!“

Während er so weiter schimpfte, suchte er sich Klamotten aus dem Schrank. Denn bis jetzt hatte er nur die Bettdecke um die Hüfte gewickelt. „Einmal!“, zeterte er. „Einmal und NIE WIEDER! Ich hab die Schnauze voll. Das reicht! Ich brauch so was nicht. Viel zu viel Stress für mich!“ „Wieso?“, unterbrach Hiro ihn. „Hat’s dir nicht gefallen?“ Toya wurde rot. Er klatschte Hiro die Bettdecke ins Gesicht. „Halt endlich die Klappe, oder ich stopf sie dir!“, brüllte er. „Womit?“, fragte Hiro grinsend. „Ach übrigens. Du bist... na ja, wie soll ich sagen... im Moment... leicht unbekleidet, wenn du weißt, was ich meine. Also wenn du nicht willst, dass ich ‘n Ständer krieg, solltest du dir vielleicht besser was anziehen.“ Toya blickte an sich herunter, als würde er erst jetzt merken, dass er die Bettdecke - seine einzige Bekleidung - gerade weggeworfen hatte. Mit wütendem und zugleich knallrotem Gesicht hielt er sich die Klamotten vor sein bestes Stück und rannte aus dem Zimmer. „Du Perverser!“, konnte Hiro ihn noch schreien hören. Dann wurde die Badezimmertür mit einem lauten Knall zugeschlagen.
 

„Ach jaah“, seufzte Hiro und grinste dabei immer noch von einem Ohr bis zum anderen. „Ich liebe es, wenn er wütend ist. Da sieht er einfach zum anbeißen scharf aus...“
 

Es dauerte eine ganze Weile, bis Toya aus dem Bad kam. „Vielen Dank auch, dass du so lange getrödelt hast, dass ich jetzt keine Zeit mehr hab“, maulte Hiro, der schon in Hemd und Hose mit Schultasche im Flur stand. „Na, bist du jetzt wenigstens fertig mit deiner morgendlichen Schönheitspflege?“ „Was heißt hier Schönheitspflege?“, maulte Toya. „Entschuldige mal, aber soweit ich mich erinnern kann, bist DU schuld daran, dass ich mich jetzt wahnsinnig dreckig fühle!“ „Wie bitte? Dreckig? Na vielen dank auch!“, antwortete Hiro beleidigt. „Ach, vergiss es. Komm, lass uns endlich gehen!“
 

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„Einen wunderschönen Guten Morgen, wünsche ich“, sagte Hiro so hochgestochen, dass es sich mehr als ironisch anhörte und gab Mariko einen Kuss auf die Hand. Woraufhin diese ihn völlig entgeistert anstarrte. „Sag mal“, meinte sie an Toya gewandt. „Hast du ihm irgendwas verabreicht?“ „Nicht das ich wüsste“, antwortete Toya. „Könnte allerdings auch sein, dass ich gestern Abend so betrunken war, dass ich mich weder daran erinnere, was ich getan hab, noch daran, überhaupt etwas getrunken zu haben.“ „Wieso?“, fragte Mariko. Auf ihrem Gesicht machte sich ein Grinsen breit. Sie blickte zu Hiro, der mittlerweile damit beschäftigt war, jedem in der Klasse einzelnd einen guten Morgen zu wünschen.

„Ist was passiert?“, fragte sie scheinheilig und stupste Toya mit dem Ellbogen in die Seite. „Etwas... was du mir vielleicht erzählen möchtest, Toya-chan?“ Toya wurde rot. „Ach, jetzt hör bloß auf zu schleimen!“, maulte Toya. „So wie du dich gestern noch benommen hast.“ „Hey!“, erwiderte Mariko. „Ich war halt sauer. Tut mir leid. Ich hab mich doch schon mal entschuldigt!“ Toya gab als Antwort nur ein Seufzen von sich. „Also, sag schon! So wie der sich heut benimmt...“, sie blickte erneut zu Hiro. „...hat mein kleiner Aufstand eure Beziehung schon ein ganzes Stück weiter gebracht, oder?“ Toya blickte beschämt zu Boden. „Als ob dich das was anginge“, nuschelte er. „He he“, kicherte Mariko. „Du brauchst mir auch gar nichts zu erzählen, Toya-chan! Euer Verhalten spricht Bände. Sowohl das des Idioten da drüber, als auch deines.“ „Meines?“, wiederholte Toya fragend und blickte auf. „Wie verhalte ich mich denn?“ „Ganz einfach“, bemerkte Mariko. „Du wirst noch schneller rot als sonst. Dabei dachte ich, es gäbe dazu gar keine Steigerung mehr.“ „D...das ist nicht wahr!“, stotterte Toya und wurde dabei prompt noch röter. Mariko musste lachen. „Du bist wirklich süß, Toya!“, sagte sie.
 

„Toyaaaa!!!“, ertönte plötzlich ein Schrei. Als der Angesprochene sich umdrehte, stand Subaru hinter ihm. „Sag mal“, begann er und grinste dabei von einem Ohr bis zum anderen. „Hast du heute schon was vor?“ „Ähm“, überlegte Toya. Doch noch bevor er antworten konnte, sprach Subaru weiter: „Nicht? Gut! Dann gehst du mit mir in die Stadt?“ Er setzte sich falsch herum auf seinen Stuhl. „Weißt du, Yue hat mir zwar ‘n paar Klamotten von sich geliehen, aber ich brauch dringend eigene. Außerdem kenn ich mich in dieser Welt absolut nicht aus. Ich weiß nur eins: Ich hab jede Menge von dem was ihr hier Yen nennt. Scheint aber irgendwie nicht so wertvoll zu sein, wie Gold. Na ja, egal.“ „G...gold?“, stotterte Mariko. „Ja, klar. Womit denkst du denn, dass man in meiner Heimat bezahlt? Jedenfalls nicht mit Papierscheinen!“ Mariko wurde blass. „Du... hast... Gold? Richtiges Gold?“

Subaru holte einen ein braunes Ledersäckchen aus der Tasche und kippte etliche Münzen auf den Tisch. „Ja und?“ „Wuuaaa! Subaru! Pack das wieder weg!“, schrie Toya. „Nicht zu fassen“, dachte er. „Ist seine Zeit als Mensch schon so lange her, dass er nicht mal unsere Währung kennt?“ „Erklär mir das, Toya!“, sagte Mariko völlig perplex. „Wieso...?“ „Na hör mal, meine Eltern und meine Schwester sind menschlich gewesen und schon seit über Tausenden von Jahren tot“, erklärte Subaru. „Was denkst du, wer die ganze Kohle geerbt hat?“ Mariko wurde immer blasser. „A...aber das heißt ja, das du... steinreich sein musst, Subaru.“ Subaru musste lachen. „Also wenn dich das schon beeindruckt... Was denkst du, wie reich der hier ist?“ Er deutete auf Toya. „Er und Yue sind die letzten Nachfahren seiner Familie, schon vergessen? Ich würde mal meinen, sie sind in etwa die reichsten Dämonen der Welt!“ „D...der... W...we...we...“, stotterte Mariko und blickte abwechselnd Toya und Subaru entgeistert an. „Ähm,... na jaah“, murmelte Toya verlegen. „Los! Gehen wir in die Unterwelt und holen uns, was euch zusteht!“, schlug Mariko vor und zerrte an Toya’s Ärmel.

Seufzend stütze Subaru den Kopf mit der Hand ab. „Tja, ich würde sagen, es gibt hier nur einen Dämon, der arm ist wie ‘ne Kirchenmaus.“ Er blickte grinsend hinüber zu Hiro, der immer noch ziemlich gute Laune hatte. „So arm, dass seine Eltern ihn weggeben mussten...“ „Hör auf!“, schrie Toya und stand wütend auf. „Hör auf! Das ist nicht fair! Er... kann überhaupt nichts dafür, klar?“ Mit jedem Wort wurde seine Stimme leiser. „Tut mir leid“, sagte Subaru beschämt. Wortlos setzte Toya sich wieder hin.
 

„Hey, der Lehrer ist da!“, sagte Mariko, stand auf und ging zu ihrem eigenem Platz. „Was für ein wunderbarer Morgen! Und ich bin ausnahmsweise nicht zu spät gekommen“, sagte Hiro und setzte sich. „Hey“, sagte Subaru, zu Toya, der sich schon umgedreht hatte. „Gehst du jetzt mit, oder was?“ „Von mir aus“, sagte Toya zu. „Mit?“, fragte Hiro. „Wohin?“ „Subaru die Stadt zeigen“, meinte Toya knapp. Hiro blickte in etwas belämmert an, sagte jedoch nichts.
 

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In der Zwischenzeit an einem völlig anderem Ort, irgendwo in Tokio. Ein großes, mehrstöckiges Gebäude. „Katsumoto Investigation-Laboratory of DNA“, stand auf dem riesigen Firmenlogo, welches ganz oben angebracht war. Es handelte sich also um ein Forschungsinstitut.
 

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„Herr Katsumoto“, sagte ein Junge, schätzungsweise 14 Jahre alt, als er in den verdunkelten Raum mit den zahlreichen, von Forschen besetzten Computern, und riesigen Monitoren kam. Er ging auf einen dicklichen Mann mit rotem Anzug zu. „Schicken sie heute Nachmittag jemanden in die Stadt.“ Der Mann drehte sich von dem Monitor, auf den er bis dahin geschaute hatte weg, und blickte nach unten, auf den Jungen, der um einiges kleiner war, als er. „Um wen geht es?“, fragte er. „Toya Sakasa und Subaru Aoki.“ „Aoki?“, wiederholte der Mann. „Die beiden wären ein toller Fang, wenn ich das sagen darf“, murmelte er in seinen Schnauzbart. „Gerade Aoki,... sagtest du nicht, er sei noch nicht von Geburt an so gewesen?“ „Ja“, sagte der Junge. Seine Augen glänzten wie Türkise. Es war ein beinahe beängstigender Glanz. „Trotzdem. Ich erlaube euch nicht, dass sie es heute tun. Das wäre zu riskant. Behalten Sie, sie einfach im Auge.“ „Ganz wie du willst“, sagte der Mann. Sein Verhalten diesem kleinen Jungen gegenüber war merkwürdig respektvoll. Der Junge drehte sich wortlos um.

„Ichiro!“, rief der Mann ihm nach. Der Angesprochene blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. „Wieso tust du das?“, fragte Herr Katsumoto. „Ich meine, was für einen Profit schöpfst du daraus?“ Der Junge sah nachdenklich aus. Er strich sich die halblangen Haare, die die gleiche Farbe hatten, wie seine Augen, aus dem Gesicht und murmelte: „Ich tue es für meine Welt“, antwortete er. „Deine... Welt?“, wiederholte der dicke Mann fragend. Doch Ichiro verließ wortlos den Raum.
 

„Wer zum Teufel ist dieser Bengel?“, fragte Herr Katsumoto sich. „Taucht hier einfach so auf... Niemand weiß woher er überhaupt kommt. Aber wenn es stimmt, was er sagt, wird das womöglich die ganze Geschichte der Menschheit verändern. Und es gibt Beweise.“ Ein hinterhältiges Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. „Bald bin ich der reichste Mann der Welt...“
 

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„Die Legende vom Geschlecht der Dämonen“, überlegte Ichiro, während er den Gang entlang ging. „Vor vielen Jahren haben Menschen und Dämonen im Einklang mit einander gelebt. Bis zum großen Krieg. Und als die Verbindung zusammenbrach, wurden die Dämonen von aller Welt vergessen. Was heute bleibt, ist die Legende... und die Unwissenheit, dieser dummen Kreaturen, genannt Menschen. Doch schon bald ist es soweit. Meister... bald ist der Thron euer und die Menschenwelt ein für alle male Geschichte.“
 

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Hiro saß auf den Treppenstufen vor dem Schultor und brummelte etwas unverständliches in sich hinein. „Subaru die Stadt zeigen“, „...will ihn doch nur rum kriegen...“ und „Mieser, kleiner Schleimer“, waren Bruchstücke, die darauf schlossen, dass Hiro mal wieder tierisch eifersüchtig auf Subaru war.
 

„Einen schönen guten Tag, wünsche ich, Masa!“, sagte eine Stimme hinter ihm. Als er aufblickte, sah er Mariko, die sich über ihn beugte. „Was ist? Keine gute Laune mehr?“, fragte sie. „Na und wie!“, maulte Masa. Mariko setzte sich neben ihn. „Wieso bist du noch da? Wo ist To... hups!“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund und nuschelte: „Ach ja, stimmt ja... Mit Subaru zum Big shopping...“ „So nennst du das also?“, seufzte Hiro. „Na ja, du kannst es ja auch Subaru’s-Versuch-Toya-rumzukriegen-Nummer-1609 nennen, wenn dir das lieber ist.“ „Ist es nicht“, versicherte Hiro ihr. „Ach komm, lass den Kopf nicht hängen“, versuchte Mariko ihn aufzuheitern. „Toya ist einfach zu naiv. Er merkt nicht mal, wie Subaru ihn anmacht. Er würd’s nicht mal merken, wenn es plötzlich rote Rosen regnen würde, die den Satz 'Toya, ich liebe dich' formen würden. Hi hi, stell dir das mal bildlich vor!“, meinte sie lachend. „Komisch“, sagte Hiro ironisch. „Ich find das irgendwie überhaupt nicht witzig.“

„Ach komm“, seufzte Mariko und tätschelte ihm über den Rücken. „Was willst du noch für Beweise? Er hat doch mit dir geschlafen, oder? Also! Das beweist doch wohl endgültig dass... was ist?“, brach Mariko den Satz ab. „Wieso schaut du so?“ Hiro blickte Mariko mit einem beinahe tödlichem Blick an. „Woher... weißt du...?“, brummelte er. „Hat Toya... dir das... gesagt?“ Mariko musste grinsen. Dann brach sie in lautes Gelächter aus. „WAS?“, schrie Hiro. „Was ist so witzig daran?“ „Ich wusste es ja gar nicht!“, brachte Mariko unter lachen hervor. „Aber so wie’s aussieht lag ich völlig richtig!“ Hiro wurde rot. „Oh Mann!“, zischte er. „Ich weiß echt nicht, was daran so lustig sein soll!“ „Naaaa? Wie war’s? Erzähl schon!“, kicherte Mariko. „Du hast sie wohl nicht mehr alle! Du kriegst nicht mal ein einziges Wort von mir zu hören!“ „Ein Wort!“, wiederholte Mariko und begann erneut zu lachen. „Ein Wort, wie Uuuuh oder Aaah!“ „MA-RI-KO!!!“, brüllte Hiro. „Mann, ich wusste gar nicht, dass du so kindisch bist!“

„Nein!“, widersprach Mariko ihm. Und von einer Sekunde auf die andere war sie wieder völlig ernst. „DU bist kindisch! Du und Toya! Ihr benehmt euch wie Mittelschüler! Wenn man euch drauf anspricht werdet ihr knallrot und streitet alles ab. Mensch, ihr seid achtzehn! Achtzehn!!! Wo ist das Problem?“ „Das Problem ist, wir sind beide Kerle“, antwortete Hiro. „Und es kann ja nicht jeder so offen über so was reden, wie du!“ Mariko seufzte. Sie wandte den Blick von Hiro ab. Ihr Schweigen war für Hiro ein Zeichen dafür, dass sie seine Antwort akzeptiert hatte. Nach ein paar Sekunden sagte Mariko: „Weißt du, ich find euch echt süß!“
 

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„Mir reicht’s!“, schrie Hiro, ohne auf Mariko’s letzten Wort einzugehen und stand auf. „Ich geh jetzt nach Shibuya!“ „Wie?“, fragte Mariko und stand ebenfalls auf. „Und wenn ich ganz Tokio nach ihnen absuchen muss, ich werde sie finden! Und du kommst mit mir!“ Er packte Mariko am Arm. „A...aber Masa!“, stotterte Mariko. „Willst du ihnen etwa nachspionieren?“ „Und wenn schon!“, erwiederte Hiro. „Toya ist MEIN Freund! Und ich will, dass das gefälligst auch so bleibt!“ „Und wieso muss ICH mit? Ich halte absolut nichts vom Detektiv spielen!“ „Weil ich keine Geld für den Shinkansen hab, und du schon! Darum!“, meinte Hiro und zerrte Mariko mit sich. „Nicht mal das kannst du dir leisten?“, hörte man noch Mariko’s, sich entfernendes, Gezeter. „Penner!“
 

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„Ich muss schon sagen“, begann Subaru, nachdem er und Toya gerade ein weiteres Geschäft verlassen hatten. „Komische Sachen tragt ihr hier.“ Er blickte an sich herunter. XXL-Hosen, ein dunkelblaues T-Shirt, ebenfalls mindestens zwei Nummern zu groß, dazu eine falsch herum aufgesetzte Cappy und Turnschuhe, die alleine schon ein Vermögen gekostet hatten. „Aber irgendwie gefällt ’s mir“, meinte er. „Ja, steht dir gut“, sagte Toya. Und das fand er wirklich. „Das ist genau Masa’s Style“, dachte er. „Vielleicht können die beiden sich deshalb nicht leiden. Sie sind sich einfach zu ähnlich. Aber Masa ist...“ Plötzlich musste er an die letzte Nacht denken. Sie Herz schlug schneller.

„Toya?“, sagte Subaru und riss ihn damit aus dem Gedanken. „Was?“ „Woran hast du gerade gedacht?“ „Hä? Wieso?“, fragte Toya. „Na ja, du sahst gerade so in Gedanken versunken aus.“ „Ach, äh... an... nichts Bestimmtes“, log Toya. Doch kaum hatte er den Satz beendet, da fragte Subaru auch schon: „An Hiro?“ Toya war überrascht. „Kann der Typ hellsehen?“, fragte er sich selbst. „Liebst du ihn?“, fragte Subaru plötzlich. „Was?“, sagte Toya erschrocken. „A...also... Su...“, stotterte er, doch Subaru schnitt ihm das Wort ab. „Ich hab mich in dich verliebt“, sagte er, ohne rot zu werden. „WAS?“ Völlig entgeistert blieb Toya stehen. „Ich war schon damals in dich verliebt“, fuhr Subaru fort und blieb ebenfalls stehen. „A...aber... Su... Subaru, also... ich, ähm...“, stotterte Toya, ohne wirklich zu wissen, was er sagen wollte.

Doch noch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, packte Subaru ihn auch schon an den Schultern, zog ihn zu sich heran und küsste ihn. Toya zuckte erschrocken zusammen. Doch dann besann er sich und stieß Subaru von sich. „Tut mir leid“, sagte er mit gesenkten Blick. „Aber ich... liebe jemanden anderen.“ Subaru lächelte. „Hab auch nichts anderes erwartet“, sagte er. „Aber ich musste dich einfach küssen.“ Er drehte Toya den Rücken zu und ging weiter. Wortlos trabte Toya hinterher. „Erwarte ja keine Entschuldigung, denn ich bereue es absolut gar nicht!“ Nun musste auch Toya lächeln. „Und ich gebe dich nicht kampflos auf, klar?“, meinte Subaru weiter. „Ich werd Hiro im Auge behalten. Und wehe er behandelt dich nicht so gut, wie du’s verdienst! Dann nehm ich dich ihm weg, nur damit du’s weißt!“ „Danke für die Vorwarnung“, meinte Toya lachend.
 

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„Sag mal, sind alle Dämonen schwul?“, fragte ein großer, kräftiger Mann mit schwarzem Anzug und schwarzer Sonnenbrille, einen etwas Kleineren, der die selbe Kleidung trug. Die beiden Männer standen um eine Ecke und hatten Toya und Subaru schon die ganze Zeit beobachtet. „Woher soll ich das wissen?“, antwortete der Kleinere. Daraufhin klappte der größere Mann das Fernglas in seinen Händen zusammen. „Hey, schau mal!“, sagte der kleinere und deutete in Toya’s und Subaru’s Richtung. Dann sprach er in das kleine Funkgerät, das er bei sich trug: „Sie treffen sich mit den anderen.“ „Behaltet sie im Auge!“, sagte eine tiefe Stimme aus dem Lautsprecher. „Verstanden. Over."
 

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Plötzlich standen Toya und Subaru, Hiro und Mariko gegenüber. „Wie klein die Welt doch ist“, zischte Hiro. „Und? Was treibt ihr so?“ Er warf Toya einen ebenso tödlichen Blick zu, wie auch Subaru. „Ehehe, nichts weiter... und... ihr?“, antwortete Toya. Er konnte Hiro kaum in die Augen sehen, nach diesem mehr oder weniger unfreiwilligem Seitensprung. „Auch nichts weiter“, sagte Mariko und sah dabei ziemlich genervt aus. „Also, wie ich sehe, habt ihr schon mehr als genug gekauft“, meinte Hiro und blickte erst an Subaru herab, dann auf die Einkaufstaschen, die die beiden mit sich schleppten. „Na dann können wir ja jetzt gehen.“

Ohne eine Antwort abzuwarten packte er Toya am Arm und zerrte ihn mit sich, woraufhin Toya eine der Taschen aus der Hand fiel. „Mann, lass mich los!“, sagte er sichtlich genervt, riss sich von Hiro los und hob die Tasche wieder auf. „Was wollt ihr eigentlich hier?“, fragte er. „Kommt ganz drauf an“, fauchte Hiro und stichelte gleich weiter: „Was wollt IHR den hier?“ Der Ton in seiner Stimme machte Toya nur allzu deutlich, dass er prinzipiell dagegen war, dass Toya und Subaru auch nur mit einander kommunizierten. „Shoppen!“, antwortete Toya knapp. Hiro’s Eifersucht regte ihn so auf, dass er sich beherrschen musste nicht auch noch zu sagen: „Was geht dich das überhaupt an?“ Er verkniff es sich, um keinen Streit zu provozieren. „Gut, wir auch“, sagte Hiro.

„Wir sind sowieso fertig“, meldete sich Subaru zu Wort. „Dank Toya kenn ich jetzt jeden Laden hier und den ganzen Rest der Stadt.“ „Na ja, alles sicher nicht“, meinte Toya lachend. Und Hiro verspürte plötzlich das Gefühl einfach ganz laut loszuschreien. „Schön, wenn ihr fertig seid, dann...“, begann er und versuchte dabei so ruhig wie irgend möglich zu klingen. Doch Subaru unterbrach ihn. „Nicht ganz“, sagte er. „Eigentlich wollte ich Toya jetzt auf ein Eis einladen. Als kleines Dankeschön sozusagen.“ „Ach jaah?“, zischte Hiro. „A...aber das ist doch nicht nötig“, meinte Toya. „Magst du kein Eis?“, fragte Subaru ihn und tat als wären Hiro und Mariko gar nicht da. „Doch schon. Also,... okay, von mir aus.“ „Ja?“, freute Subaru sich. „Gut dann...“, er wandte sich wieder Hiro und Mariko zu. „Wenn ihr uns jetzt entschuldigen würdet.“ Als er sich auch noch bei Toya einhakte, riss Hiro endgültig der Geduldsfaden. „Ach so ein Zufall aber auch“, sagte er mit bebender Stimme. „Wir wollten nämlich auch gerade in die Eisdiele. Also,...“ Er nahm Toya’s Hand. „Ich schlage vor, wir gehen alle zusammen, oder?“ Subaru war von diesem Vorschlag sichtlich nicht sehr angetan. Aber er hielt es für klüger, nicht zu widersprechen. „Klasse Idee“, log er. „Also gehen wir.“
 

Und damit wurde Toya regelrecht von den beiden - Subaru zu seiner Rechten, Hiro zu seiner Linken - davon geschleift. „Mariko...“, dachte er. „Lass mich bitte nicht allein mit ihnen!“ Mariko blickten den dreien grinsend nach. „Hach ja“, seufzte sie. „Wozu ins Kino gehen, oder Mangas lesen, wenn ich statt dessen täglich diesen Beziehungsknatsch miterleben darf?“ Dann folgte sie den dreien.
 

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„Sie gehen anscheinend in eine Eisdiele“, sagte der große, kräftige Mann in Anzug in das Funkgerät. Er und sein Partner wollten gerade hinterher gehen, als Ichiro’s Stimme ertönte: „Das ist zu auffällig“, sagte er. „Lassen wir’s für heute gut sein. Rückzug. Over.“

Der kleine, dickliche Mann seufzte. „Wieso müssen wir die ständig überwachen? Außer das sie schwul sind, haben wir bis jetzt nicht viel herausgefunden.“ „Idioten!“, schrie Ichiro’s Stimme in den Lautsprecher. „Das hab ich gehört! Wir müssen ihre Persönlichkeiten studieren, damit wir über ihre Fähigkeiten Bescheid wissen. Wenn wir sie einfangen wollen, müssen wir vorbereitet sein! Aber davon habt ihr Volltrottel natürlich keine Ahnung! Und jetzt seht zu, dass ihr eure lahmen Hintern hier her bewegt!“ Ein leises Klacken im Hörer war zu hören. „Oh Mann“, seufzte der kleine Dicke. „Wieso lässt der Chef sich das gefallen, von diesem kleinen Scheißer?“ „Ganz einfach, weil dieser kleine Scheißer mittlerweile das ganze Institut kontrolliert, falls du’s noch nicht mitgekriegt hast“, antwortete der Große. „Also, gehen wir.“
 

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„Du bist der geborene Anführer“, sagte Herr Katsumoto schmunzelnd, lehnte sich in seinem Sessel zurück und zündete sich eine dicke Zigarre an. „Tja“, meinte Ichiro grinsend. „Von nichts kommt nichts. Nur wer die Schwächeren kontrolliert kommt weiter im Leben. Wer Mitleid und Barmherzigkeit zeigt, zeigt auch Schwäche.“ Herr Katsumoto lächelte siegessicher. „Meine Rede, Partner“, sagte er und legte die Beine auf den Schreibtisch. „Meine Rede...“
 

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„Und dann hab ich gesagt: Tut mir leid, aber ich bin noch nicht so lang in dieser Welt. Du hättest seinen Blick sehen sollen! Der hatte ja keine Ahnung dass...“ Toya musste lachen. „Und lass mich raten, du hast ihn einfach im Regen stehen lassen.“ „Na, aber hallo! Denkst du, ich hab ihm erst noch erklärt wer ich bin?“ Subaru verstellte seine Stimme und sagte: „Also, Herr Polizist. Um es genau zu sagen, ich bin ein Dämon. Ich komme aus der Unterwelt und da gibt’s leider keine Ampeln. Also, woher soll ich wissen, dass...“
 

Normalerweise freute es Hiro ja immer, Toya lachen zu sehen. Wie gesagt. Normalerweise. „Oh Mann, der wirkt ja beinahe so unbeschwert wie bei Yue!“, kam es ihm in den Sinn. „Oh mein Gott, er wird in Subaru doch wohl nicht so ‘ne Art Yue-Ersatz gefunden haben! Oh bitte nicht noch so einer!“

Mariko saß neben Hiro und blickte ihn schweigend an. Er war jedoch so in Gedanken, dass er es nicht einmal bemerke. „Aber Yue ist sein Bruder. Da kann ich das gerade noch akzeptieren“, dachte Hiro weiter. „Nur dass er sich mit Subaru so gut versteht, stinkt mir schon gewaltig! Noch dazu, weil Subaru es total auf ihn abgesehen hat. Aber ich lass ihn mir nicht wegnehmen!“

„Hey!“ Hiro fuhr regelrecht aus seinen Gedanken hoch. „Was?“, fragte er und drehte sich zu Mariko um. Diese stützte gelangweilt den Kopf mit den Händen ab. „Dein Eis schmilzt.“ „Was? Äh, oh...“ Mit einem Blick auf den halbvollen Eisbecher vor sich, musste Hiro feststellen, dass Mariko recht hatte. „Egal, ich hab eh keinen Hunger mehr.“ Er schob den Eisbecher weg. „Was? Du und keinen Hunger? Steht etwa die Apokalypse bevor?“ Hiro seufzte. Ein Blick auf Toya und Subaru die sich nach wie vor so angeregt unterhielten, dass sie Mariko’s und Hiro’s wenige Worte gar nicht gehört hatten, verriet Mariko sofort, was mit Hiro los war. „Oh Mann“, seufzte sie. „Toya“, unterbrach sie das Gespräch. „Könnt ihr nicht auf dem Weg weiterreden? Ich will heute noch mal nach Hause.“ „Ähm, ja klar“, antwortete Toya. „Also, gehen wir!“
 

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Der Heimweg war keineswegs anders verlaufen als Hiro befürchtet hatte. Das aller Schlimmste war, dass Mariko als erstes in eine andere Richtung gehen musste. In ihr hatte Hiro wenigstens einen Ansprechpartner gehabt. Und nun schlürfte er alleine hinter Toya und Subaru her. Er musste sich beherrschen, nicht vor Freude in die Luft zu springen, als sie die Stelle erreichten, wo Subaru ebenfalls einen anderen Weg einschlagen musste. Es war schon komisch. Das letzte mal, als er so erleichtert war, dass er endlich mit Toya alleine sein konnte, war Yue an genau dieser Kreuzung abgebogen. Subaru wohnte ja jetzt bei Yue. Es gab eigentlich nur einen Unterschied: Yue hasste Hiro nicht halb so sehr, wie Subaru. Vielleicht lag es wirklich nur daran, dass Yue Toya’s Bruder war.
 

„Hallo! Erde an Hiro!“, riss Subaru Hiro aus den Gedanken. „Was?“ „Ich hab Tschüss gesagt!“, meinte Subaru winkend. „Sayonara! Bis Morgen!“ „Ähm, ja. Ciao!“, nuschelte Hiro und sah mit Freude, wie Subaru ihm endlich den Rücken kehrte.
 

Komisch. Plötzlich war es so ruhig. Weder Hiro, noch Toya, der sich vorher so angeregt mit Subaru unterhalten hatte, sagte auch nur ein Wort. Toya für seinen Teil hatte ein schlechtes Gewissen. „Der einzige Grund, warum ich ihn nicht beachtet hab, war doch eigentlich, weil ich ihm nicht mal in die Augen schauen kann“, dachte Toya. „Eigentlich Schwachsinn. Ich kann ja nichts dafür, dass Subaru mich geküsst hat.“ „Wieso sagt er denn nichts?“, fragte Hiro sich und begann allmählich, sich Sorgen zu machen. „Ob er sauer auf mich ist?“ „Mann, wie blöd, so schweigend neben ihm herzugehen“, dachte Toya. Er hatte noch nie etwas mehr gehasst als dieses peinliche Schweigen. Doch glücklicherweise schaffte Hiro es dann doch seinen Mut zusammen zunehmen.
 

„Toya“, begann er, wobei seine Stimme sich ziemlich schüchtern anhörte. „Hmm?“, murmelte Toya und blickte dabei nicht mal vom Asphalt auf. Hiro’s Hände zitterten. „D...darf i...ich... d...deine Hand nehmen?“ Toya zuckte erschrocken zusammen. Nein, das hatte er nun wirklich nicht erwartet. „Es dämmert doch schon und hier läuft sowieso keine Menschenseele vorbei“, dachte Hiro, um diese dämliche Frage wenigstens vor sich selbst zu rechtfertigen. Er bereute es schon wieder, gefragt zu haben. Doch dann murmelte Toya leise: „Hmm.“ „Was?“, schoss er Hiro durch den Kopf. „Er hat 'Hmm' gesagt? Das heißt 'Ja'!“ Zögernd griff er nach Toya’s Hand. Als sich ihre Finger berührten nahm Toya Hiro’s Hand und drückte sie fest in seine. „Was für zierliche Finger er doch hat“, dachte Hiro. „Ich hab beinahe Angst, ihn zu zerbrechen.“ Toya’s Herz schlug schneller. Wieso wusste er selbst nicht. Es war doch nur Händchenhalten, nichts weiter. „Wie kindisch“, dachte er sich.
 

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„Bin wieder da!“, schrie Toya noch im Hausflur. Seine Mutter streckte den Kopf aus der Küche. „Hallo, Schatz. Hallo, Hiro. Wo wart ihr denn so lange?“ „In der Stadt“, antwortete Toya und ging die Treppen nach oben. Hiro folgte ihm wortlos. „Wieso bin ich eigentlich mit hergekommen?“, fragte er sich. „Ich hab Toya nicht mal gefragt...“ Wortlos schloss er hinter sich Toya’s Zimmertür. Toya ging ans Fenster und ließ die Jalousien herunter.
 

„Also frag schon“, seufzte er. „Fragen?“, wiederholte Hiro. „Was denn fragen?“ Lächelnd drehte Toya sich um. „Na du warst doch nicht zufällig mit Mariko in der Stadt. So blöd bin ich nun auch wieder nicht. Ist doch klar, dass du Subaru und mir hinterher spioniert hast.“ „Na entschuldige mal, dass ich ‘s nicht so gern hab, wenn mein Freund sich nebenbei mit anderen Kerlen vergnügt!“, platze es aus Hiro heraus.

Toya blickte ihn beinahe entgeistert an. „Wie bitte?“, fragte er. „Komm, findest du nicht, dass du ‘s jetzt etwas übertreibst?“ „Nein, find ich überhaupt nicht!“, fuhr Hiro ihn an. „Es liegt doch auf der Hand, dass Subaru scharf auf dich ist! Du bist anscheinend der Einzige, der ‘s noch nicht gemerkt hat!“ „Hab ich wohl!“, konterte Toya. „Er hat’s mir nämlich selbst gesagt!“ Hiro stockte der Atem. „Er hat... was?“, fragte er. „Er... hat mir gesagt, dass er sich in mich verliebt hat“, wiederholte Toya mit nun wesentlich leiserer Stimme. „Na ganz toll!“, schrie Hiro. „Und lass mich raten, das gefällt dir wunderbar. Wo du dich doch so toll mit ihm verstehst. Und jetzt willst du mir sicher nur noch sagen, dass das gestern nur ‘n One-night-stand für dich war!“ Toya war heiß. Sein Puls raste und sein ganzer Körper zitterte. „Musst du eigentlich immer alles übertreiben?“, schrie er. „Egal was ist. Ständig spielst du mir Eifersuchtsszenen vor, als wären wir schon so gut wie verheiratet! Und immer provozierst du Streit. Du brauchst das wohl um glücklich zu sein, oder was? Du bist echt streitsüchtig!“ „Aha, ich bin also streitsüchtig?“, wiederholte Hiro. „Und wer provoziert hier wen?“
 

„Hör auf!“, schrie Toya plötzlich. Als er spürte, wie er anfing zu weinen, hielt er sich schnell die Hände vors Gesicht. „Hör auf! Bitte...“, schluchzte er. „Zu spät“, fügte er in Gedanken hinzu. „Und schon wieder fang ich an zu heulen, wie ein kleines Kind...“ „Jedes mal, wenn ich mit dir reden will, fangen wir nur an zu streiten“, brachte er unter Tränen hervor. Er ging auf Hiro zu und fiel ihm in die Arme. „Wenn das alles ist, was dabei raus kommt, wenn wir reden, dann... dann will ich überhaupt nicht mehr mit dir reden. Dann...“ Er knöpfte den ersten Knopf von Hiro’s Hemd auf. „...dann machen wir lieber nur noch das, wobei man nicht zu reden braucht. Wenn... dich das glücklicher macht...“ Wütend packte Hiro, Toya’s Hände, so dass dieser ihn nicht weiter ausziehen konnte. Mit Tränen in den Augen blickte Toya Hiro an. „Er... hat mich geküsst...“, schluchzte er. „Er... hat mich einfach... Ich... wollte das nicht... Hiro... Bitte glaub mir! Es... tut mir leid...“
 

Wortlos schlang Hiro die Arme um Toya und küsste ihn. Toya schloss die Augen. Unbewusst hielt er einen Moment die Luft an. Wie anders Hiro’s Küsse in letzter Zeit waren. So... wild... beinahe zügellos. Es raubte Toya regelrecht den Verstand. Allein seine Küsse. Ganz egal, wie sie waren. „Na?“, hauchte Hiro ihm ins Ohr. „Ist sein Geschmack jetzt weg?“ Toya atmete schnell. Seine Wangen waren gerötet. „Willst du nicht wissen, was ich ihm geantwortet habe?“, flüsterte er und schmiegte den Kopf an Hiro’s Brust. „Ich hab gesagt: Tut mir leid, aber ich liebe jemanden anderen.“ Hiro lächelte erleichtert. Er senkte den Kopf und legte ihn auf Toya’s. „Ich liebe dich“, seufzte er.
 

Eine Weile standen sie einfach so da. Dann begann Hiro plötzlich: „Hey, du hast mich vorhin Hiro genannt!“ „Ach ja? Ist mir nicht aufgefallen“, antwortete Toya. „Sag’s noch mal!“ „Was? Hiro?“ Hiro seufzte. „Wie schön sich das anhört, wenn du es sagst.“ Toya musste lachen. „Was ist daran denn so toll?“, fragte er. „Nicht der Name!“, sagte Hiro. „Sondern wie du ihn aussprichst.“ „Ich spreche ihn doch auch nicht anders aus, als alle anderen.“ „Idiot! Das mein ich doch auch gar nicht. Ich meine, weil es deine Stimme ist. Deshalb hört es sich schön an.“ Wieder musste Toya kichern. „Du bist wirklich ein Idiot!“, meinte er. „Darf ich trotzdem weiter Masa sagen? Ich hab mich daran gewöhnt.“ „Du darfst auch Geliebter sagen, Toya, Schatz“, schlug Hiro ihm vor. „Ähm, ich denke ich bleib lieber bei Masa“, antwortete Toya.
 

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Schlagartig ließ Hiro Toya los. „Ja?“, fragte Toya. Seine Mutter öffnete die Tür und lugte ins Zimmer. „Bleibst du noch zum Essen, Hiro?“, fragte sie. „Äh“, überlegte Hiro und blickte zu Toya, dann wieder zu dessen Mutter. „Nein, ich denke, ich werd langsam gehen. Meine Eltern machen nur wieder Stress, wenn ich so spät komm.“ „Ist wohl besser so“, meinte Toya’s Mutter und fügte lachend hinzu: „Sonst schlaft ihr mir nur wieder über den Hausaufgaben ein.“ Und damit schloss sie die Tür hinter sich.
 

„Hä?“, fragte Hiro an Toya gewandt. „Kleine Notlüge“, erklärte dieser. „Hätte in dem Fall wohl kaum die Wahrheit sagen können.“ „Was?“, fragte Hiro grinsend und zog Toya wieder an sich. „Dass wir wilden, hemmungslosen Sex hatten?“ Toya wurde rot. „Also, so bezeichnest du das also?! Ich weiß ja nicht, ob das die passenden Ausdrücke dafür sind.“ „Wie würdest du es denn beschreiben?“, fragte Hiro ihn. „Zärtlich? Leidenschaftlich? Oder einfach nur...“ Er gab ihm einen Kuss auf die Wange und hauchte ihm ins Ohr: „Heiß?“ Sofort wurde Toya noch röter. „Hör auf so eine Stimme zu machen! Du hörst dich ja an wie in ‘nem Porno!“ „He he, törnt dich das etwa an?“, meinte Hiro grinsend und umfasste mit den Händen Toya’s Hüften. „Ich hab gesagt, du sollst aufhören!“, sagte Toya nur. Doch er konnte nicht abstreiten, dass Hiro eigentlich völlig richtig lag mit seiner Annahme. „Ach komm schon! Sei nicht so spießig! Ich weiß doch ganz genau, was du willst.“ „Gut, dann merk ‘s dir fürs nächste mal!“, sagte Toya und drückte Hiro von sich. „Du solltest echt gehen, sonst kriegst du nur wieder Ärger mit deinen Eltern.“

Hiro streckte sich und gähnte. „Ja, leider wahr“, seufzte er. „Also mach’s gut. Und träum was Schönes, mein Schatz.“ Er legte die Hände auf Toya’s Wangen und küsste ihn. „Nur ‘n kleiner Gute-Nacht-Kuss, ja?!“ Toya streichelte mit der Hand über Hiro’s Haare und flüsterte: „Bis Morgen.“ „Bye!“ Dann ging Hiro aus dem Zimmer.
 

~*~*~*~*~
 

Toya seufzte erleichtert. „Jetzt bin ich doch froh, dass ich’s ihm gesagt hab“, dachte er. „Eigentlich konnte ich ja auch gar nichts dafür.“ Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Masa’s Küsse sind wirklich ganz anders...“
 

~*~*~*~*~
 

Glücklich lief Hiro den Weg entlang. „Wieso hab ich mir eigentlich solche Gedanken gemacht?“, dachte er. „Nichts und niemand auf der Welt wird uns jemals trennen. Auch du nicht, Subaru.“ Plötzlich musste er an Toya’s Worte denken. 'Dann merk ‘s dir fürs nächste mal!' Fürs nächste mal! Fürs nächste mal!!! Das hieß dann wohl, es hatte ihm gefallen! „YES!“, schrie Hiro. „Strike!“
 

~tbc~
 

Wow mir fällt beim Durchlesen auf wie uralt diese Geschichte eigentlich schon ist!!! Ich mag sie zwar immer noch aber der Schreibstil ist einfach grottig. Deshalb, und auch weil sich die Leserzahl hier in Grenzen hält habe ich beschlossen die 3. Staffel nicht auf mexx hochzuladen. Aber keine Sorge, die 2. (das is dieser hier ^_~) wird noch fertig gemacht und ich lass euch nicht ohne Abschluss stehen.
 

Danke an alle Leser!!!

Poison - Unkown enemy

Am Donnerstagnachmittag stand Yue am Schultor und wartete. Als er Toya, Hiro und Mariko aus dem Schulhaus kommen sah, rief er schon von weitem: „Toya-chan!“ Toya erblickte seinen Bruder sofort. Er rannte zu ihm und sagte mit diesem Lächeln im Gesicht: „Hallo, was machst du hier?“ Doch noch bevor Yue auf seine Frage antworten konnte, kamen auch Hiro und Mariko zu ihnen. „Toya-chan“, meinte Hiro kichernd. „Mensch Yue, er ist achtzehn! Findest du nicht, dass er zu alt ist, für -chan?“ „Na und?“, antwortete Yue. „Für mich wird er immer mein kleine Bruder bleiben.“ „Ach wie toll“, meinte Toya kleinlaut.
 

„Ähm, also“, fuhr Yue fort. „Habt ihr Subaru gesehen? Ich wollte ihn eigentlich abholen.“ Mariko zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Hab nicht drauf geachtet, wo er nach dem Gong hin ist.“ Yue seufzte. „So was, dabei haben wir extra dafür gesorgt, dass er zu euch in die Klasse kommt...“ „Dafür gesorgt?“, wiederholte Hiro fragend. „Hast du das vergessen?“, fragte Yue. „Subaru ist doch viel jünger als ihr.“ „Echt?“, sagte Mariko überrascht. „Na ja, als Mensch wäre er in etwa sechzehn. In Dämonenalter wird das natürlich anders gezählt.“ „Hmm, er sieht viel erwachsener aus, als er ist“, meinte Mariko. „Sagt mal, Jungs. Seid ihr Dämonen nicht so gut wie unsterblich?“ „Nicht wirklich“, antwortete Yue und Hiro fügte hinzu: „Man altert nur einfach viel langsamer. Und außerdem gilt das nicht für uns. Das ist nur so, solange man in der Unterwelt ist.“ „Aha“, staunte Mariko. „Aber wieso altert ihr jetzt wie Menschen? Ich meine, biologisch gesehen, seid ihr doch trotzdem noch Dämonen“, wollte Mariko weiter wissen. Das war wieder eines ihrer Fachgebiete. Der dämonische Organismus schien sie einfach zu faszinieren. „Ich würde eher sagen, Dämonen in menschlichen Hüllen“, versuchte Yue ihre Frage zu beantworten. „Subaru ist das beste Beispiel. Ich meine, sind dir nie seine Ohren aufgefallen?“ „Seine Ohren? Nö, wieso? Er hat doch immer die Haare drüber.“ „Sie sind spitz“, sagte Hiro knapp. „Wie die eines Dämons. Subaru war ja nicht immer so. Deshalb hat er keine besonders großen dämonischen Kräfte und deshalb konnte er in dieser Welt auch keine menschliche Form annehmen.“ Mariko schwieg kurz, als müsse sie über das, was Hiro gesagt hatte, nachdenken. Dann zog sie ihn zu sich und zupfte ihn am Ohr. „Aua, was soll das?“, schrie Hiro. „Hmm, deine sehen aber ganz normal aus.“ Sie warf einen Blick auf Toya. „Deine auch. Auch wenn du ein bisschen Segelohren hast.“ Toya wurde rot. „Wie gemein!“, wimmerte er. „Das hab ich doch gerade versucht, dir zu erklären“, sagte Hiro genervt. „Yue, Toya und ich haben unsere Körper eben den menschlichen angepasst. Das ist alles.“ „Cool“, staunte Mariko. „Geht das auch rückgängig machen?“ „Klar, natürlich“, meinte Yue. „Wie cool! Dann habt ihr’s ja an Halloween viel leichter!“ Hiro seufzte. „Ist das alles, was für dich zählt?“ Mariko musste lachen.
 

„Na, wie läuft ‘s denn so in Dämonologie?“, fragte plötzlich jemand. Als die vier sich umdrehten, stand Subaru hinter ihnen. „Macht’s dir Spaß, dich über meine mangelnden Verwandlungskünste lustig zu machen, Hiro?“ Er sah wirklich etwas beleidigt aus. „Hey, Mariko. Ich hab sogar spitze Eckzähne! Wie ein Vampir. Pass bloß auf, sonst beiß ich dich!“ Hiro konnte sich ein kichern nicht verkneifen. „Natürlich! Aber was für spitze Beißerchen! Sind mindestens so ausgeprägt wie deine dämonischen Kräfte.“ Das brachte das Fass zum überlaufen. „So was muss ich mir nicht sagen lassen, von ‘nem Penner wie dir!“, fuhr Subaru ihn an. „Ach, find dich doch einfach damit ab. Du warst nie ein richtiger Dämon, und du wirst auch nie einer sein!“, konterte Hiro. „Du Parasit! Du hast schon immer davon gelebt, dich bei Toya durchzufressen. Ich hab ehrlich gesagt gar nicht erwartet, dass es in dieser Welt und dieser Zeit anders sein würde!“ „AUFHÖREN!“, schrie Toya. „Auszeit! Und zwar alle beide!“ Mit einem mal waren die beiden Streithähne mucksmäuschenstill. „Wow“, staunte Mariko. „Toya magische Kräfte haben echt eine Wahnsinns Wirkung auf die beiden!“ Yue musste lachen. „Ich glaube dazu braucht es nicht viel Magie, Mariko.“
 

„Limonade! Frische Limonade! Probieren sie die neue Limonade von KK. Heute gibt es ein Glas umsonst!“ Dieser Werbespruch lenkte besonders Hiro’s Aufmerksamkeit auf sich. Er stammte von einem kleinen Stand, der auf der anderen Straßenseite aufgebaut war. „Oh, da gibt’s was kostenlos!“, sagte er. „Los, wir holen uns was!“ „Hey, wer als erster ‘n Glas kriegt, kriegt ein Date mit Toya!“, schlug Subaru vor. „Top! Die Wette gilt!“, willigte Hiro ein und rannte, ohne groß auf die vorbeifahrenden Autos zu achten, über die Straße. „Hey, was soll das?“, maulte Toya. „Wie wär’s, wenn die mich auch mal fragen würden?“ Yue musste wieder lachen. „Ach was soll’s? Holen wir uns auch was?“
 

Als Yue, Toya und Mariko auf die andere Straßenseite gekommen waren, hatten Hiro und Subaru bereits Gläser in den Händen. „Ha! Ich war erster!“, verkündete Hiro stolz. Subaru blickte etwas belämmert und schlürfte die Limonade.
 

„Die schmeckt wirklich gut!“, meinte Mariko, kurz darauf zu einem der beiden Verkäufer. Einer von ihnen war groß und muskulös, der andere klein und dicklich. „Äh, ja... he he“, stotterte der Größere. „Das freut uns!“ Natürlich erkannte weder Mariko, noch einer der anderen, dass es eben die beiden Männer waren, die ihnen schon gestern nachspioniert hatten.

Plötzlich ertönte der Schulgong. „Ouh, die AGs fangen an“, sagte Mariko. „Ich hab Kochen. Also, wir sehen uns dann morgen! Macht’s gut, Jungs!“ Und damit rannte sie über die Straße, zurück ins Schulhaus. „Und ich hab Schach“, sagte Toya und folgte ihr. „Was für eine tolle Verabschiedung“, seufzte Hiro und blickte ihm beinahe sehnsüchtig nach. Subaru stupste ihm grinsend mit dem Ellbogen in die Seite. „Na?“, kicherte er. „Kein Abschiedskuss, was? Ätsch! Pech gehabt!“ „Na und?“, plärrte Hiro. „Du hast schließlich auch keinen gekriegt!“ „Ähm, Leute“, sagte Yue leise, wurde allerdings von den beiden Angesprochenen einfach überhört. „Möchte-gern-Dämon!“ - „Parasit!“, konnte Yue sie abwechselnd schimpfen hören. „Bitte, könntet ihr... jetzt endlich... aufhören... zu streiten!“
 

„Wie schäbig“, maulte der große Mann. „Jetzt müssen wir uns schon als Limonaden-Verkäufer ausgeben, nur um denen was zu verabreichen...“ „Echt“, stimmte der kleinere ihm zu. „Ich hasse diesen Job!“ Der Kräftigere zog das bekannte Funkgerät aus der Tasche und sprach hinein: „Sie haben’s alle getrunken. Das Mädchen auch. Ist das schlimm?“ „Das macht nichts“, antwortete Ichiro’s Stimme. „Das Mädchen spielt keine Rolle.“ „Wow, er hat mal nichts zu meckern!“, flüsterte der große seinem Partner zu.
 

Es war spät geworden. Mariko und Toya waren auf dem Weg nach Hause. „Toya-chan“, begann Mariko plötzlich. „Wieso müsst ihr eigentlich alle immer -chan sagen?“, entgegnete Toya. „Na ja, weil du eben einfach so süß bist, schätze ich“, antwortete Mariko. „Sag mal, ist zwischen dir und Masa wieder alles in Ordnung?“ „Äh, in Ordnung?“, fragte Toya. „Sollte etwas nicht in Ordnung sein?“ In Gedanken fragte er sich selbst: „Wieso muss sie eigentlich immer mit diesem Thema anfangen?“ „Gestern war er wieder von einer Sekunde auf die nächste wahnsinnig schlecht gelaunt. Das hast du ja auch mitbekommen und du weißt ja auch warum, oder?“ „Schon“, murmelte Toya. „Wegen Subaru.“ Mariko schwieg. Offensichtlich erwartete sie noch eine genaue Antwort. Deshalb sagte Toya kurz: „Wir haben geredet. Keine Sorge, es ist alles okay.“ „Ja? Das freut mich!“, sagte Mariko erleichtert. „Wieso... interessiert dich das eigentlich so sehr?“, wollte Toya wissen.

Er blickte die ganze Zeit so verträumt auf den Weg vor sich. „Was für eine blöde Frage“, bemerkte Mariko. „Weil ihr beide meine besten Freunde seid. Ist doch klar.“ Sie blieb stehen. Sie waren an der Stelle, wo Mariko in eine andere Straße einbiegen musste. „Ich...“, sagte sie leise. „Ich hab euch beide wirklich... sehr gern...“ Sie blickte etwas beschämt auf den Boden. „Äh, Mariko“, stotterte Toya etwas ratlos. „Wirst du jetzt etwa rot?“ Er musste lachen. „Ha ha, aber über mich machst du dich immer lustig, ja?! Du bist echt...“ Er brach den Satz ab, als Mariko ihm plötzlich um den Hals fiel. „Mariko...“, sagte Toya verunsichert. „Du und Masa“, seufzte Mariko. „Ihr seid echt unverbesserlich.“ „Hä? Wieso?“ „Na denk doch mal nach! Wie oft musste ich eurer Beziehung schon auf die Sprünge helfen?“ Sie ließ Toya los und klopfte sich stolz mit der Hand auf den Brustkorb. „Hach“, sagte sie. „Wenn ihr mich nicht hättet.“ Toya sah sie etwas unbeholfen an. „Ach egal“, meinte Mariko. „Alles, was ich damit sagen will, ist... ich will dass ihr glücklich seid. Das ist alles. Ihr... seid immer für mich da, wenn ich euch brauche und ihr haltet immer zu mir. Ich... wüsste nicht, was ich ohne euch machen würde. Und ich kann mich nie revanchieren. Deshalb... möchte ich alles tun, was in meiner Macht steht, damit ihr glücklich sein könnt.“ „Mariko“, flüsterte Toya. „Danke...“ Mariko musste lachen. „Ach was. Was bedankst du dich denn jetzt? Wir sehen uns dann in der Schule, ja, Toya-chan? Also, mach’s gut!“ Und damit kehrte sie ihm den Rücken. Toya stand ein paar Sekunden regungslos da. „Alles, was ich will, ist dass ihr glücklich seid“, hallten ihre Worte in seinem Kopf wider. „Ach Mariko“, seufzte er. „Was tu ich denn schon für dich?“
 

„Irgendwie fühl ich mich die ganze Zeit so komisch“, dachte Mariko, während sie das letzte Stück zu ihrem Haus alleine ging. „Als würde irgend etwas passieren. So wie damals...“ Sie dachte an die Visionen, die Sumi ihr geschickt hatte. „Ach Unsinn. Garasu ist tot und Sumi’s Geist ist frei. Sie treibt sich schon lange nicht mehr hier herum... wo auch immer ein Toter hingeht, wenn sein Geist befreit ist.“ Doch der Gedanke ließ sie nicht mehr los. „Seltsam...“, dachte sie. „Woher kommt dann diese Vorahnung? Mein Instinkt sagt mir, ich sollte nicht nach Hause gehen.“ Sie dachte kurz nach. „Yue!“, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. „Genau, ich geh zu Yue! Mit wem kann man besser über Sumi reden, als mit ihm und Subaru. Er ist schließlich ihr Bruder. Dämon hin oder her.“ Damit war es beschlossene Sache. Sie machte auf dem Absatz kehrt und machte sich auf dem Weg zu Yue’s Wohnung.

Es war einer dieser Abende, wo Hiro gelangweilt in seinem Zimmer, auf dem Fußboden vor seiner Play Station hockte. Die Augen fielen ihm fast zu und die laute Musik, die aus der Stereoanlage dröhnte diente nur noch dem Zweck ihn wach zu halten, weil er trotz Müdigkeit das Spiel zu Ende spielen wollte. „Hiro!“, ertönte plötzlich die Stimme eines kleinen Mädchens. Dann ging die Zimmertür auf und Hiro’s kleine Schwester, Kari, lugte herein. In der Hand hielt sie das schnurlose Telefon. „Onii-san!!!“, brüllte sie. Erst jetzt drehte Hiro sich zur Tür um. „TE-LE-FON!“, schrie Kari. Hiro krabbelte zur Anlage und drehte die Musik leiser. „Was?“, fragte er. Das kleine, blonde Mädchen verdrehte die Augen und hielt ihm das Telefon entgegen. „Hier! Toya is dran“, maulte sie. „Sag das doch gleich!“, fuhr Hiro sie an, riss ihr beinahe das Telefon aus der Hand und drängte sie zur Tür hinaus.
 

„Deinen Musikgeschmack hab ich noch nie verstanden“, sagte Toya, ohne vorher auch nur „Hi“ zu sagen. „Ist nichts Neues für mich“, antwortete Hiro und drückte bei seinem Spiel Pause. „Ich hab gerade erfahren, dass meine Eltern übers Wochenende wegfahren“, wechselte Toya das Thema. „Hast du Lust, zu mir zu kommen?“ Hiro’s Augen funkelten regelrecht. „Klar! Sicher doch!“, sagte er schnell. Er konnte es natürlich nicht sehen, aber in diesem Moment lächelte Toya beruhigt. Er hasste es nach wie vor, alleine zu Hause zu sein. „Kochst du mir dann was?“, fragte Hiro. Toya verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts. „Pfannkuchen, oder wie das heißt“, meinte Hiro weiter. „Mensch, sag mal!“, schrie Toya in den Hörer. „Wenn du nicht gerade an Sex denkst, dann an Essen, oder?“ „Und? Wo liegt das Problem?“ „Du versuchst es ja noch nicht mal abzustreiten!“ „Also, ganz stimmt das ja auch nicht. Wenn, dann musst du ‘s schon spezifizieren.“ „Wie?“, fragte Toya. „Sex mit DIR und Essen von DIR!“, meinte Hiro. Toya wurde rot. „Ich hätte dich nicht fragen sollen“, seufzte er. „Nein, nein! Nimm’s ja nicht wieder zurück!“, sagte Hiro schnell. „Okay, okay. Hör zu! Ich werd meine Finger bei mir lassen und auch nicht den ganzen Tag von Essen reden, okay? Vorausgesetzt du willst das so... das heißt, ich könnte meine Finger auch...“ „HALT DIE KLAPPE!“, schrie Toya. „Das ist dein Lieblingsspruch, was?“, lachte Hiro. „Ach was“, antwortete Toya. „Also, ich wollt dir nur Bescheid sagen, ja? Also... nimm dir nichts anderes vor!“ „Mach ich nicht“, versprach Hiro. Dann fügte er hinzu: „Hey, kann ich dich mal was fragen?“ Toya ahnte nichts gutes. Wenn Hiro schon so anfing... „Hmm“, murmelte er nur. „Was hälst du eigentlich von Telefonsex?“ Wieder wurde Toya rot wie eine Tomate. „Perverser! Ich leg auf!“ „Neiiiiin! Sorry, Toya! Nicht auflegen!“ Klack.
 

„Ich fass es nicht. Er hat wirklich aufgelegt“, seufzte Hiro. „Das war doch nur Spaß.“ Er legte das Telefon neben sich und ließ sich zurück aufs Bett fallen. „Ein Wochenende ganz allein mit Toya“, dachte er und dabei machte sich auf seinem Gesicht ein Grinsen breit. „Jackpot!“
 

Auch Toya saß zu Hause in seinem Zimmer und legte das Telefon gerade weg. Er krabbelte unter die Bettdecke und zog sie bis zum Kinn hoch. Mit der Hand tastete er nach dem Lichtschalter. Mit einem Klick war dunkel im Raum. „Ich bin fix und fertig“, dachte er. „Dabei ist es noch gar nicht spät. Normalerweise gehe ich viel später schlafen. Komisch, ich fühl mich wie ausgelaugt.“ Er dachte an Hiro’s Worte. „Telefonsex.“ Wieder wurde er rot. „Dieser Lüstling!“
 

Mariko war auf dem Weg zu Yue. Sie fühlte sich schwindelig und wusste selbst nicht warum. „Irgendwas stimmt hier doch nicht“, dachte sie. „Ich... muss durchhalten!“
 

Subaru und Yue waren derweil bei Yue zu Hause. Subaru lag müde auf dem Sofa herum. „Was machen wir jetzt eigentlich?“, fragte er. Yue, der bis gerade eben noch mit Hausarbeit beschäftigt war, setzte sich auf den Sessel. „Du bist der einzig rechtmäßige Erbe. Du bist für die Unterwelt verantwortlich.“ „Ich weiß“, seufzte Yue. „Aber ich kann verstehen, dass du diese Welt ins Herz geschlossen hast. Weißt du, ich habe es vor den anderen nicht erwähnt, aber...“ Er unterbrach den Satz kurz, bevor er weiter sprach. „Es wird gemunkelt, dass Garasu gar nicht tot sei.“ „Was?“, sagte Yue erschrocken. „Du kennst seine Macht“, fuhr Subaru fort. „Wir dürfen ihn nicht unterschätzen.“ „Du hast recht“, stimmte Yue ihm zu, wobei seine Stimme traurig klang. „Ich hatte gehofft, mir würde eine andere Lösung einfallen, aber...“ „...es bleibt mir wohl keine andere Wahl.“ „Willst du... Toya hier zurücklassen?“, fragte Subaru vorsichtig. „Ja“, antwortete Yue entschlossen. „Er und Hiro... sie leben mittlerweile in dieser Welt. Ich kann sie da nicht einfach herausreißen. Sie haben Freunde und Familie hier.“ Subaru seufzte und schloss die Augen. „Er wird es nicht verstehen“, meinte er. „Ich weiß“, musste Yue sich eingestehen.
 

Plötzlich klingelte es an der Tür. „So spät noch Besuch?“, dachte Yue sich, stand jedoch wortlos auf und ging zur Tür. Als er sie nur einen Spalt öffnete, wurde sie von seinem Gegenüber aufgerissen. Noch ehe Yue reagieren konnte, packte ihm der Mann im schwarzen Anzug an den Schultern und knallte ihn gegen die Wand. „Gut gemacht und jetzt verpasst ihm die Spritze!“, sagte Ichiro, der nach dem größeren der beiden Männer, zusammen mit dessen Partner zur Tür hereinkam. „Was zum...“, fluchte Yue und versuchte sich loszureißen, doch sein Gegenüber war groß und kräftig. Er erkannte in ihm den Mann vom Limonadenstand. Der kleine Dicke schaffte es, Yue eine Spritze in den Oberarm zu rammen. „Perfekt“, sagt Ichiro völlig ruhig und schloss hinter sich die Eingangstür. „Was ist das?“, dachte Yue. „Ein Gift? Ich fühl mich so...“ Ihm wurde schwindelig.
 

In diesem Moment kam Subaru aus dem Wohnzimmer. „Yue? Wer war denn an der T... YUE!“ „Schnappt ihn euch!“, befahl Ichiro seinen zwei Untergebenen. „Shit, wer seid ihr Mistkerle?“, schrie Subaru. Als einer der beiden Männer ihm zu nahe kam, holte er aus und wollte ihm einen Tritt verpassen. Doch der kleinere Mann war schneller und ehe Subaru sich versah, hatte er auch schon die Nadel der Spritze ihm Arm stecken. „Keine Sorge“, sagte Ichiro grinsend. „Es wird nicht weh tun.“
 

Plötzlich ging erneut die Haustür auf. Als Ichiro und die beiden Männer sich umdrehten, blickten sie in Mariko’s entsetztes Gesicht. „Mari...ko?!“, keuchte Yue. In dem kurzen Moment, wo die Männer abgelenkt waren, raffte Subaru sich auf, und packte den Kleineren von hinten im Genick. Sein Partner hatte sich gerade umgedreht, als er etwas kaltes an seiner Kehle spürte. Er blickte herunter und sah die Klinge von Yue’s Schwert. „Eine Bewegung und du bist tot!“, keuchte er. Lang hielt er der Wirkung des Giftes nicht mehr stand. Genauso wenig wie Subaru. „Mariko! Lauf!“ Ohne zu überlegen rannte Mariko aus dem Zimmer. „Was soll ich denn jetzt machen?“ Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. „Masa! Ich muss... Masa holen! Und Toya!“ Gerade wollte sie los rennen, als ihr plötzlich schwarz vor Augen wurde. Sie suchte nach einem Halt. Doch noch bevor sie die Hand nach der Wand ausstrecken konnte, verlor sie auch schon das Gleichgewicht. Und das Bewusstsein.
 

„Verdammten Idioten!“, schrie Ichiro. „Tut doch was!“ „Das... würde ich euch nicht raten“, stöhnte Subaru und trat seiner Geisel mit voller Wucht zwischen die Beine. Der kleine, dicke Mann, schrie vor Schmerzen und sank dann zu Boden. Die Klinge von Yue’s Schwert drückte sich leicht in die Haut des zweiten Mannes. Der Mann zitterte am ganzen Körper und plötzlich wurde er ohnmächtig. „Was... willst du jetzt... tun? Du Pimpf?“, keuchte Subaru. Ichiro wich verärgert zurück. „Wer bist du? Und was willst du von uns?“, fragte Yue. Ichiro biss sich auf die Unterlippe. Blitzschnell duckte er sich, packte seine beiden Komplizen am Kragen und - Wusch - löste er sich mitsamt Gefolge in Luft auf.
 

Erschöpft sank Subaru in die Knie. Yue lehnte sich gegen die Wand. „Was jetzt?“, fragte Subaru. „Wir müssen... Toya und Hiro warnen“, keuchte Yue und raffte sich auf. Er blickte an sich herunter und zog das Artamilya an seinem Band unter dem T-Shirt hervor. Er hob es auf Brusthöhe vor sich und schloss die Augen. Ein grelles Licht strahlte aus dem Kristall hervor. Subaru kniff die Augen zusammen. Es geschah ganz schnell. Nur ein kurzer Augenblick, dann war das Licht wieder verschwommen. Subaru öffnete die Augen und richtete sich auf. Die Müdigkeit war verschwunden. „Was...“, begann er. „Was war das?“ „Das Artamilya hat ungeheure Kräfte“, sagte Yue nur und ließ den Anhänger wieder unter seinem T-Shirt verschwinden. „Es... hat auch heilende Kräfte?“, fragte Subaru erstaunt. „Wenn du wüsstest...“, antwortete Yue und ging auf den Flur. „Mariko!“ Langsam öffnete Mariko die Augen. „Was... ist... passiert?“, fragte sie verwirrt. „Sag bloß!“, staunte Subaru. „Die Kraft des Artamilya hat sie auch erreicht?“ „Subaru! Bleib du mit Mariko hier! Ich fahre zu Toya und Hiro.“ „Fahre?“, wiederholte Subaru fragend und half Mariko auf die Beine. „Hier auf der Erde gibt es etwas, das nennt sich Motorrad“, meinte Yue und rannte auch schon davon. „Motorrad? So was hat der?“, murmelte Subaru und schleppte Mariko zurück in die Wohnung.
 

„Ein Fehlschlag?“, murmelte Herr Katsumoto in seinen Schnauzbart. „Hmm, das sogar einem Genie wie dir so etwas passieren kann.“ Ichiro stand mit beschämten Blick vor ihm. „Sie sind stärker als ich dachte“, bemerkte er. „Es war ein Fehler, sie zu unterschätzen.“ „Dann mach es nächstes mal besser. Wir haben schließlich eine Abmachung.“ „Ja.“ Damit verließ Ichiro den Raum. „Abmachung, pah!“, dachte er. „Dass ich nicht lache! Ich brauche diesen machtgierigen Idioten doch nur, damit er für mich eine Möglichkeit findet, sie auszulöschen. Auch wenn er dann über uns Dämonen Bescheid weiß, für den Meister wird er keine Gefahr darstellen. Und die Erforschung der dämonischen DNA wird ihm dann nichts mehr nützen. Denn wenn die Thronerben, Yue und Toya erst tot sind, ist die menschliche Rasse sowieso dem Untergang geweiht.“

Wieder klingelte bei Hiro das Telefon, dass noch immer auf dessen Bett lag. Etwas genervt drückte Hiro wieder Pause und ging ans Telefon. „Jaah?“, sagte er etwas genervt in den Hörer. „Hiro?“, antwortete Yue’s Stimme. Im Hintergrund waren laute Motorengeräusche zu hören. „Ist alles okay bei dir? Du musst zu Toya! Beeile dich! Ich bin auf dem Weg, aber du bist näher dran!“ „Was?“, fragte Hiro. „Was ist denn...?“ „Später! Mach schon! Geh endlich!“ „Äh, j...ja, ist gut!“ Klack.
 

Hiro rannte aus dem Zimmer. „Was ist bloß los?“, dachte er und beeilte sich, aus dem Haus zu kommen. „Toya... hoffentlich ist nichts passiert!“

Eine Weile später klingelte es bei Toya Sturm. Als seine Mutter die Tür öffnete, standen Yue und Hiro draußen. Yue hatte Hiro auf dem Weg getroffen und auf dem Motorrad mitgenommen. „Ist Toya da?“, fragte Hiro. „Ähm, ja. Er ist oben“, sagte Frau Sakasa etwas verwundert. Yue zum Beispiel kannte sie ja kaum. Ohne ein weiteres Wort rannten Hiro und Yue in das Haus und die Treppen nach oben.

Die Zimmertür wurde aufgerissen. „Toya!“ Erschrocken fuhr Toya aus dem Halbschlaf hoch. „Yue? Masa? Was macht ihr denn hier?“, fragte er überrascht. Yue atmete erleichtert auf. „Gott sei dank“, seufzte er, ging zu Toya und nahm ihn in den Arm. „Hä? Was ist denn los?“
 

Eine gute Stunde später war endlich wieder Ruhe eingekehrt in Yue’s Wohnung, wo nun er, Subaru, Mariko, Toya und Hiro im Wohnzimmer saßen. „Also, offensichtlich haben sie’s auf uns abgesehen“, schlussfolgerte Subaru und beobachtete mit kritischem Blick, wie Toya erschöpft den Kopf auf Hiro’s Schulter gelegt hatte. „Kluger Junge!“, stichelte Hiro schon wieder. „Da das eindeutig die Typen vom Limonadenstand waren, bin ich sicher, dass sie uns schon was in die Limo gemischt haben“, meinte Yue. „Schließlich haben wir uns alle vorher schon so komisch gefühlt.“ „Ich eigentlich kaum“, widersprach Hiro. „Na ja, ich hab auch nicht viel gemerkt. Ich schätze das liegt daran, dass das Gift bei Menschen schneller wirkt. Das menschliche Imunsystem ist wesentlich schwächer. Mariko ist ein Mensch und Subaru war mal einer.“ „Und warum ging es mir dann so schlecht?“, wandt Toya ein. „Ich bin kein Mensch und war auch nie einer.“ „Du bist halt ‘n Schwächling“, meinte Hiro und wuschelte ihm durchs Haar. „Wie gemein!“, maulte Toya. „Geht’s dir immer noch so schlecht?“, fragte Yue Toya. Toya seufzte und schloss kurz die Augen. „Ach was, ich denke nicht, dass das an dem Gift liegt. Das Artamilya hat schon geholfen. Ich bin nur müde.“ „Also... wer sind die Typen eigentlich?“, fasste Subaru das Thema wieder auf. „Der kleine mit den grünen Haaren muss ein Dämon sein“, bemerkte Yue. „Anders kann ich mir das nicht erklären. Er hat sich und die beiden Kerle einfach weg gebeamt.“ „Die anderen beiden waren hundert Prozent keine Dämonen. Ziemlich lasche Kerle“, fügte Subaru hinzu. „Aber das würde ja bedeuten, dass außer euch noch ein Dämon in der Menschenwelt ist“, sagte Mariko beunruhigt. „Aber wie kann das sein?“, fragte Toya. Yue seufzte. Sein Blick sah mehr als besorgt aus. „Ich wünschte, ich wüsste es“, sagte er leise.
 

Es war bereits spät in der Nacht, als Hiro und Toya auf dem Weg nach Hause waren. „Du bist so still“, sagte Hiro. Toya hatte den ganzen Weg kaum ein Wort gesprochen. „Du machst dir Sorgen, stimmt’s?“ „Ich hatte gehofft, es wäre vorbei“, wisperte Toya. „Ich dachte, wenn Garasu tot ist, konnten wir... endlich ein normales Leben führen.“ „Hast du... Angst?“ Toya antwortete nicht. Hiro blieb einfach stehen. Als Toya sich zu ihm umdrehte, sagte er: „Brauchst du nicht. Ich bin doch bei dir.“ Toya rang sich ein Lächeln ab. „Komm her, ich nehm dich Huckepack!“ „Was?“ „Du bist doch müde, oder?“ „J...ja, schon, aber...“, stotterte Toya. „Es geht schon. So müde bin ich nun auch nicht.“ Hiro ließ nicht locker. „Ich trag dich aber gern Huckepack!“, sagte er. „Los! Komm schon her!“ Bevor Toya erneut widersprechen konnte, hatte Hiro ihn auch schon auf die Arme genommen. „Hey! Lass mich runter!“, protestierte Toya und zappelte mit den Beinen. „Wenn uns jemand sieht.“ „Ach was, hier läuft doch um diese Zeit kaum jemand vorbei“, beruhigte Hiro ihn. „Lass mir doch auch mal meinen Spaß.“ „Spaß?“, wiederholte Toya und hörte auf sich zu wehren. Er legte die Arme um Hiro’s Oberkörper und lehnte den Kopf auf den seinen. „Masa... ich wünschte, ich könnte auch immer so optimistisch sein wie du.“ „Hä? Wieso?“, fragte Hiro. „Dass du nach so einem Vorfall gleich wieder an Spaß denken kannst...“ „Glaub mir, dass ist reines Prinzip“, meinte Hiro. „Gerade wenn so etwas passiert, will ich meinen Spaß haben und besonders die Zeit mit dir genießen. Weißt du...“ Seine Stimme hörte sich plötzlich traurig an. „Weil mir dann klar wird, dass es jeden Tag vorbei sein könnte.“ Toya stockte der Atem. „Vor...bei?“, flüsterte er und krallte die Finger in Hiro’s T-Shirt. „Na ja, für den Fall, dass ich Morgen im Kampf draufgehen würde, würd ich doch heute noch ‘n schönen, letzten Tag haben wollen“, erklärte Hiro. „Klappe!“, maulte Toya und schmiegt den Kopf an Hiro’s Wange. „Red nicht so einen Unsinn! Und... red bloß nicht vom Sterben!“ „Okay, dann behalt ich’s für mich.“ „Ich will nie wieder kämpfen müssen, Masa“, dachte Toya. Dann gab er Hiro einen Kuss auf die Wange.
 

„Ziemlich ungünstiger Moment“, brummelte Subaru und lief nachdenklich in Yue’s Wohnung auf und ab. Yue war gerade erst zurück gekommen. Er hatte Mariko nach Hause gebracht. „Jetzt fällt dir die Entscheidung sicher noch schwerer, was?“ „Allerdings“, sagte Yue. „Wir wissen nicht, was das für eine Bedrohung ist, aber dass du sie jetzt nicht hier alleine lassen willst, ist nur zu verständlich.“ „Warten wir noch etwas ab“, beschloss Yue. „Vielleicht löst sich das Problem von ganz alleine.“ „Vielleicht“, wiederholte Subaru. „Vielleicht...“
 

~tbc~

Farewell - Parting-kiss

„Guten Morgen!“, begrüßte Hiro, Mariko mit einem strahlendem Gesicht. Es war Freitagmorgen. Der Freitag, den Hiro sehnlichst erwartet hatte. „Na, was strahlst du denn schon wieder so?“, fragte Mariko grinsend, während sie weiter in Richtung Schule liefen. „Toya’s Eltern sind am Wochenende weg“, flüsterte Hiro ihr zu, verstummte jedoch sofort, als Toya sie einholte. „Renn doch nicht so schnell!“, keuchte er. „Da kommt ja keiner nach.“ „Wir kommen sonst zu spät“, sagte Hiro und rannte zum Schultor. Dicht gefolgt von Toya, der ihm nach rief: „ICH komm nur zu spät, weil ich wieder auf DICH warten musste!“ „Was für eine harmonische Atmosphäre“, dachte Mariko lächelnd. „So sollte es immer sein.“
 

~*~*~*~*~
 

„Du hast übertrieben“, stöhnte Toya völlig außer Atem und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Diesmal ist es noch gar nicht so spät.“ „Der Lehrer ist noch nicht da“, meinte Mariko. „Also gibt’s auch keine Strafarbeit.“

„Hey, ihr drei!“, begrüßte Subaru sie. „Wie geht’s? Habt ihr heute Nachmittag schon was vor? Gehen wir wieder zusammen in die Stadt?“ „Vergiss es...“, begann Hiro, wurde jedoch von Toya übertönt: „Gern, warum nicht?“, sagte er und warf Hiro einen bestimmenden Blick zu.
 

In diesem Moment kam der Lehrer ins Klassenzimmer. „Hey“, flüsterte Toya, Hiro zu. „Wir gehen alle zusammen, klar? Ich werde dir beweisen, dass du keinen Grund zur Eifersucht hast!“
 

„Heute Nachmittag findet das Nachsitzen für die Schüler statt, die ich während dieser Woche ermahnt habe“, verkündete ihr Lehrer. Ein strenger, mürrischer Mann. „Also die, die zu oft ihre Hausaufgaben vergessen haben.“ Hiro hob erschrocken den Kopf. „Was?“, sagte er. „Oh nein!“ „Was ist?“, fragte Toya. Dann hörte er, wie ihr Lehrer, Hiro’s Namen mit vorlas. „Du musst schon wieder nachsitzen?“, fauchte Toya ihn an. „Das ist ja wohl nicht dein ernst!“ „Wüäääh! Wie fies!“, wimmerte Hiro und ließ den Kopf auf den Tisch sinken. „Pah! Denk ja nicht, dass ich deshalb jetzt nicht in die Stadt gehe!“, zischte Toya. „Ich muss so oder so für heute Abend Zutaten fürs Essen einkaufen. Gerechte Strafe, weil du nie deine Hausaufgaben machst. Geh ich eben mit Mariko und Subaru allein.“ „Mit... Subaru...“, nuschelte Hiro. „A...lleine... buhuhu... wie gemein!!!“ Auf Subaru’s Gesicht machte sich ein siegessicheres Grinsen breit. „Ätsch!“, flüsterte er Hiro, der vor ihm saß, zu.
 

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Nach der Schule verließen Toya, Mariko und Subaru gemeinsam das Gebäude. Schon vom Eingang aus, sah Toya seinen Bruder Yue am Tor warten. „Hey, bist du wieder nur aus Langeweile hier?“, fragte er ihn lächelnd. „Wie wär’s mit einem Hallo?“, meinte Yue beleidigt. „Halloooo“, maulte Toya. „Besser?“ „Ja, viel besser. Mensch, dir muss man echt Manieren beibringen“, sagte Yue gespielt beleidigt. Toya musste lachen. „Ich bin eigentlich nur hier, um Subaru abzuholen.“ „Ach ja?“, fragte Subaru. „Was gibt’s?“ „Erzähl ich dir auf dem Weg“, antwortete Yue knapp. „Los komm!“ „Warte!“, hielt Subaru ihn auf. „Ich wollte mit Toya und Mariko in die Stadt. Kommst du mit?“ „Nein, wir müssen jetzt heim. Und zwar dringend!“ „Was ist denn so dringend?“, wollte Toya wissen. „Ist jetzt egal. Ihr müsst euch beeilen, sonst verpasst ihr die U-Bahn und müsst auf die nächste warten.“ Mariko blickte auf ihre Uhr. „Ja, er hat recht“, stellte sie fest. „Also macht’s gut.“ Gerade wollte Toya erneut den Mund aufmachen und widersprechen, als Yue ihn plötzlich umarmte. „Ich hab dich lieb, Brüderchen“, flüsterte er, dann zerrte er Subaru mit sich davon.

Völlig perplex stand Toya da. „Was ist denn mit dem los?“, dachte er laut. Mariko zuckte mit den Schultern. „Wer weiß. Also, lass uns gehen.“
 

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„Hey, du kannst ja richtig süß sein, wenn du willst“, meinte Subaru zu Yue auf ihrem Weg. „Was soll’s?“, seufzte Yue. „Ich werde ihn sowieso nie wieder sehen...“ Subaru stockte der Atem. „Heißt das du...“, begann er, doch Yue unterbrach ihn. „Ja“, seufzte er. „Ich werde mit dir gehen. Als der älteste Sohn und Thronerbe, habe ich Verpflichtungen. Ich kann nicht einfach das tun, was ich lieber will.“ „Trotz des Vorfalls von gestern?“, fragte Subaru besorgt. „Wer auch immer es hier auf der Erde auf uns abgesehen hat, schlimmer als Garasu kann er nicht sein und mit dem hat Toya es auch aufgenommen. Außerdem hat er ja noch Hiro. Die beiden werden das schon schaffen.“ Yue’s Worte klangen entschlossen, beinahe als würde er sich gar keine Sorgen machen. Doch dieser Anschein täuschte gewaltig...
 

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„Irgendwie hab ich so ein komisches Gefühl, was Yue betrifft“, dachte Toya, während er mit Mariko in der Stadt war. Sie waren gerade in einem Supermarkt. Toya musste noch einige Zutaten einkaufen. Schließlich wollte er heute Abend für Hiro kochen. Allein der Gedanke daran machte ihm Vorfreude. Kochen war eigentlich nur reine Notwendigkeit. Wenn man gut essen wollte, musste man eben auch gut kochen können. Aber für Hiro zu kochen war etwas anderes. „Toya? Hey, Toya! Hörst du mir überhaupt zu?“ „Was? Ähm, Entschuldigung.“ Beleidigt sah Mariko ihn an. „Mensch, was ist denn los? Du bist die ganze Zeit schon so abwesend.“ „Ähm, nein. Es ist... nichts“, murmelte Toya. „Ich hab dich gefragt, ob wir nachher zu Yue gehen. Subaru wird enttäuscht sein, dass er nicht mitkonnte. Außerdem interessiert mich, was es so dringendes gab.“ „Ja, mich auch“, stimmte Toya ihr zu. „Also gut. Gehen wir als nächstes in die Spielhalle!“, schlug Mariko vor.
 

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Wenig später waren sie auch schon am besagten Ort. Vor der Spielhalle hatten sich etliche Jugendliche versammelt. „Mann, wieso ist das heute so voll hier?“, wunderte Mariko sich und stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Menge hinwegsehen zu können. „Woooow, die haben das neue Underground Force! Der Wahnsinn! Masa wird durchdrehen, wenn ich ihm sage, dass wir es schon vor ihm gespielt haben. Los komm! Ich muss da unbedingt rein!!!“ Und damit verschwand Mariko in der Menge. „So etwas passt gar nicht zu Mariko“, dachte Toya. „Das macht sie nur, um Masa eins auszuwischen.“
 

Er wollte sich gerade durch die Menge drängen, als plötzlich jemand seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Auf der anderen Straßenseite stand ein Junge, etwas jünger als er selbst. Der stechende Blick seiner türkis schimmernden Augen schien ihn regelrecht zu durchbohren. Toya wusste selbst nicht wieso, doch er machte prompt auf dem Absatz kehrt und überquerte die Straße.

„Na, hast du den Köder geschluckt?“, sagte der Junge, bei dem es sich um Ichiro handelte, wandte den Blick von Toya ab und ging davon. Toya folgte ihm, bis er vor einem großen Gebäude stehen blieb. „Hey“, sagte Ichiro und drehte sich um. Toya erschrak fürchterlich. „Oh, eh, Entschuldigung“, stotterte er und dachte dabei: „Wieso bin ich ihm überhaupt gefolgt?“ „Komm mal mit!“, sagte Ichiro nur, und ging in das Gebäude. „Hä?“, fragte Toya, dachte jedoch nicht weiter darüber nach und folgte dem Fremden. Er achtete nicht einmal darauf, wo er gerade gelandet war. Hoch oben am Gebäude hing das Schild. „Katsumoto Investigation-laboratory of DNA.“
 

Toya folgte Ichiro die Treppen nach oben und sah gerade noch, wie dieser in einem Raum verschwand. „Was soll das?“, dachte Toya. „Was will der Kerl von mir?“ Er öffnete die Tür und ging hinein. Plötzlich schlug hinter ihm die Tür zu. Es war stockfinster. „Wo... bin ich?“, fragte Toya. Seine Stimme echote im Raum wider. Er drehte sich um und griff nach der Türklinke. Doch es half kein Rütteln und ein Ziehen. „Abgeschlossen?“ Plötzlich ergriff ihn die Panik. Leises Gelächter war zu hören. „Hallo? Wer ist da?“, schrie Toya. Etwas berührte seinen Arm. Toya zog ihn zurück, doch er konnte es nicht abschütteln. Genauso passierte es mit seinem rechten Arm. Und plötzlich wurde er zurückgezogen und knallte gegen etwas. Sein Rücken schmerzte.
 

Das Licht ging an. Er sah Ichiro sich gegenüberstehen. Offenbar war er in einer Art Labor. Überall standen Schreibtische, Reagenzgläser und seltsame Apparate. Er blickte auf seine Arme. Handschellen. Er war gefesselt! „Was soll das?“, schrie er. „Mach mich sofort los!“ Ichiro grinste. „Hätte nicht gedacht, dass das so einfach wird. Dass du dich mit einer einfachen Hypnose hier her schleifen lassen würdest... Und du willst DER Toya sein? Prinz Toya, der Bruder des Thronerben Yue?“ Er lachte auf. „Das soll ja wohl ein Witz sein!“ „Woher... weißt du...?“, begann Toya zögernd. „Du bist... du musst der sein, der uns angegriffen hat! DU warst das! Du hast die Limonade vergiftet.“ „Oh! Nicht so harte Worte!“, sagte Ichiro und schritt auf Toya zu. „Es war doch nur ein ganz harmloses Gemisch. Löst ein bisschen Müdigkeit aus. Ich wollte euch doch nur schwächen. Die eigentliche Todesspritze, hab ich nur deinem Bruder und diesem Subaru injiziert. Aber leider hat dein Bruder das Artamilya...“ „Wer bist du?“, fragte Toya und versuchte so furchtlos wie nur irgend möglich zu wirken. „Gestatten“, sagte Ichiro und verbeugte sich. „Mein Name ist Koizumi. Ichiro Koizumi. Dämon spezialisiert auf Zeit- und Raumzauber.“

Toya zuckte zusammen. „Ich plante schon so lange, etwas zu unternehmen. Aber ich wusste nicht, ob an den Gerüchten, dass ihr noch lebt, etwas dran ist. Als ich neulich beobachtete, wie Subaru Aoki durch ein Raum-Zeit-Tor in diese Welt ging, wusste ich, dass es wahr sein musste.“ „Was... willst du von mir?“, fragte Toya. „Ganz einfach: Dich töten!“, sagte Ichiro knapp. „Oder was dachtest du? Kartenspielen?“ Er ging gelangweilt vor Toya auf und ab und begann zu erzählen: „In dieser Welt gibt es einen Mann, namens Katsumoto. Er ist der Chef dieses Laboratoriums. Ein ziemlich machtgieriger Mann. Ich habe ihm von uns erzählt. Natürlich war er begeistert. Er gab mir die nötige Ausrüstung, die ich brauchte um dich und deine Freunde auszuspionieren und ich versprach ihm dafür ein paar Dämonen zum sezieren. Wunderbarer Deal, was?“ „Se...zieren?“, wiederholte Toya zaghaft. „Ich musste auf Nummer Sicher gehen, wenn ich euch auslöschen wollte. Deshalb hielt ich es für klüger, euere Stärken und Schwächen genau zu studieren. Herr Katsumoto wird euch als Versuchskarnickel benutzen. Ihr werdet jämmerlich zu Grunde gehen. Eine kurze Zeit wird dieser arme Irre in Saus und Braus leben und sich für den Größten halten. Aber nicht lange...“

Ichiro verstummte kurz. Dann sprach er weiter: „Wenn ihr erst tot seid, wird mein Meister endgültig zu den Lebenden zurückkehren. Und dann ist diese niedere, menschliche Rasse nur noch Vergangenheit.“ „Dein... Meister?“ Toya kam ein grauenvoller Gedanke. „Du meinst doch nicht etwa...“ „Garasu-sama“, unterbrach Ichiro ihn. „Ich wusste es!“, schrie Toya. „Ich wusste, er ist nicht tot! Aber mir hat ja niemand geglaubt!“ „Ouh, dass er nicht tot ist, ist nur halb die Wahrheit. Ich würde sagen, er ist weder tot noch lebendig“, korrigierte Ichiro ihn. „Im letzten Moment gelang es mir, meinen Meister, mit meiner Magie aus der Raum-Zeit-Schleife zu befreien. Doch sein Zustand war fürchterlich. Was von ihm übrig ist, ist kaum mehr eine runzelige, alte Hülle. Er nährt sich vom Fleisch und Blut niederer Dämonen. Nur das hält ihm am Leben. Menschenblut ist nicht gut genug. Aber schon bald wird er wieder ganz der Alte sein, glaub mir.“ Toya wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Wieso...“, wimmerte er. „Wieso Masa? Und wieso Mariko und Subaru?“ „Damit Garasu an die Macht kommen kann müssen Yue und ich sterben, das weiß ich längst. Aber wieso die anderen? Du hast sie auch vergiftet.“ „Wieso? Hmm, gute Frage“, meinte Ichiro. „Also ich würde sagen dieser Magier, Hiro und deine kleine Freundin, nur deshalb weil sie sich eingemischt haben. Und Subaru Aoki ist etwas ganz Besonderes. Er ist die Belohnung für Katsumoto. Ein Mensch, der zu einem Dämon wurde. Denkst du nicht, dass das für einen Genforscher ein guter Ansporn ist?“

Plötzlich hatte Toya eine Idee. Er wusste nicht, ob es funktionieren würde, aber einen Versuch war es alle male wert. „Wenn ich...“, begann er mit leiser Stimme. Sein Blick war starr auf den Boden vor sich gerichtet. „Wenn ich dafür sorge, dass Masa und Mariko sich nicht einmischen,... verschonst du sie dann?“ Ichiro lachte. „Wieso sollte ich?“, fragte er. Ganz offenbar amüsierte Toya’s Vorschlag ihn köstlich. „Weil ich... ich weiß, wie ein Mensch zu einem Dämon werden kann“, log Toya. Plötzlich wurde Ichiro hellhörig. „Und auch wie ein Dämon zu einem Menschen werden kann“, setzte Toya noch eins drauf. „Ich verfügte über diese Magie.“ „Du... tust was?“ „Du hast es vorhin selbst gesagt. Du hast mehr erwartet, von jemandem wie mir. Gut, ich bin auf deine Hypnose hereingefallen, aber DAS ist meine besondere Fähigkeit“, fuhr Toya fort. „Es gibt nicht viele, die das können. Und man kann es auch nicht lernen. Also was sagst du?“ Ichiro schwieg. „Lass mich gehen und ich sorge dafür, dass Masa und Mariko sich raus halten. Wenn du sie verschonst, komme ich freiwillig mit dir und tue was du willst.“

Wieder bekam Toya keine Antwort. „Eine Welt voller Dämonen. Die Menschen müssten nicht sterben. Sie könnten werden wie ihr“, redete Toya auf ihn ein. „Das Geschlecht der Dämonen ist klein. Viel kleiner als das der Menschen. Es würde Generationen dauern, bis es wieder so viele gäbe.“ „Ein starkes Volk für meinen Meister...“, dachte Ichiro. Dann sagte er: „Ich gebe dir drei Tage. Heute mitgezählt. Am Sonntag hole ich dich zurück.“ Ichiro schnipste mit dem Finger. Sofort sprangen die Handschellen auf. Toya atmete erleichtert auf. Er war frei! „Drei Tage“, wiederholte Ichiro. „Tu bis dahin was du willst!“
 

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Mariko war auf dem Weg zu Yue. „Komisch, ich konnte Toya einfach nicht mehr finden“, dachte sie. „Er wird mich in der Menge auch gesucht haben. Wahrscheinlich ist er schon zu Yue gegangen.“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Hmm, Masa müsste gleich aus haben. Er wollte doch heute zu Toya. Ich werde ihn gleich abholen.“ Und damit beschloss sie, einen kleinen Umweg zur Schule zu machen.
 

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Als sie sie erreichte hörte sie gerade das Läuten und kurz darauf kam auch schon Hiro über den Schulhof auf sie zu. „Hi! Wolltest du nicht mit Toya und Subaru in die Stadt?“, fragte er verwundert. „Subaru konnte nicht mit und Toya hab ich irgendwie aus den Augen verloren“, erklärte Mariko. „Aber wir wollten zu Yue. Ich nehme an, er ist schon dort. Kommst du mit?“ „Von mir aus“, stimmte Hiro ein. Er war wirklich froh, zu hören, dass Subaru nun doch nicht mit Toya unterwegs gewesen war.
 

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Wenige Zeit später bei Yue. „Also“, sagte Subaru seufzend. Er stand vor einem Raum-Zeit-Tor, welches Yue mit Hilfe des Artamilya geöffnet hatte. „Auf geht’s. Jetzt gibt’s kein zurück mehr.“ Gerade wollte er einen Fuß in das helle Licht setzen, als es plötzlich klingelte.

„Perfektes Timing!“, schnaufte er. Yue drehte sich wortlos um und ging zur Tür. Er war schon die ganze Zeit so schweigsam gewesen. Vor der Tür standen Mariko und Hiro. „Hi hooo!“, sagte Mariko lächelnd. „Na wie geht’s? Ist Toya schon da?“ „Äh, ähm“, stotterte Yue und versuchte den Blick auf das Leuchten, dass das Tor aus dem Wohnzimmer ausstrahlte, so gut wie möglich mit seinem Körper zu verdecken. „Toya? Nein, wieso sollte er hier sein?“, fragte er. „Na ja, wir wollten zu dir, also... Moment mal! Was ist los? Du wirkst so nervös. Und was ist das für ein Leuchten da hinter dir?“ „Äh,...“

Plötzlich schoss es wie ein Blitz durch Hiro’s Kopf. Er schob Yue zur Seite und drängte sich in die Wohnung. „Hiro! Nicht!“, rief Yue ihm nach, doch es war schon zu spät. Mit verschränkten Armen und mürrischem Blick stand Hiro vor dem Rau-Zeit-Tor. „Ich hätt’s wissen müssen“, sagte er. Mariko machte große Augen, als sie die Lichtquelle erblickte. „Yue“, sagte Subaru leise. „Ohne Toya etwas zu sagen“, flüsterte Hiro leise. „Du müsstest doch am besten wissen, wie er reagiert hätte!“, versuchte Yue sich zu rechtfertigen. „Komm, sei froh drüber“, meldete sich Subaru zu Wort. „Wenn wir weg sind hast du deinen Toya wieder ganz für dich alleine.“ „Aber das wird ihn nicht glücklich machen!“, schrie Hiro ihn an. „Wenn er erfährt, dass ihr weg seid... Es wird ihn nur wieder traurig machen und ich hab echt keine Lust mehr, ihn immer nur traurig zu sehen! Ich weiß nicht, wie ihr das anstellt, aber ihr schafft es immer, ihn zum Lachen zu bringen. Wenn ihr geht, dann wird er nur wieder weinen! Und das will ich nicht! Ich will...“ Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser. „Ich will... dass er glücklich ist...“ „Masa“, sagte Mariko tröstend und legte den Arm auf Hiro’s Schulter. Yue sagte kein Wort. Auch Subaru nicht.
 

Wortlos ließ Yue sein Schwert erscheinen. Er legte das Artamilya auf den Fußboden und holte aus. „NICHT!“, schrie Subaru. Mariko schrie auf. „Yue! Was tust du da?“ Ein Splitter flog durch die Luft. Yue fing ihn auf. Aus dem Artamilya war nur ein einziges Stück heraus gebrochen. „Wahnsinnig hart das Zeug“, sagte Yue kalt. Mariko blickte ihn schockiert an. Los, gib mir dein Katana!“, forderte Yue Hiro auf. Etwas ratlos ließ Hiro die Waffe erscheinen und hielt sie Yue entgegen. Dieser nahm das Schwert und drückte das Artamilya ans Ende des Griffes. Ein rotes Schimmern leuchtete um den Kristall auf. Und im nächsten Moment war der Splitter mit dem Schwert verschmolzen. „Auch ein einzelner Splitter dieses Kristalls verfügt noch über außerordentliche Kräfte“, erklärte Yue und gab Hiro das Schwert zurück. „Der Kristall verstärkt somit deine Zauberkräfte. Du kannst damit sowohl Kontakt zu mir aufnehmen, als auch durch Raum und Zeit reisen. Allerdings ist von deiner Magie nicht mehr viel übrig. Also nutz den Splitter nicht zu sehr aus. Es könnte dich dein Leben kosten.“ „Das heißt mit anderen Wort, er hat aus so einer wahnsinnig mächtigen Waffe gerade eben ein Walkytalky gebastelt!“, seufzte Subaru kopfschüttelnd. „Du wirst Toya nichts sagen“, fuhr Yue fort, als hätte er Subaru’s zynische Bemerkung überhört. Er wandte sich Mariko zu. „Und du auch nicht! Es ist nur eine Sicherheitsmaßnahme. Falls etwas passiert könnt ihr mit mir in Kontakt treten.“ „Aber... Yue“, wimmerte Mariko. Ihre Augen sahen glasig aus. Hiro sagte nichts mehr. Er ließ das Katana wieder verschwinden.
 

„Wir gehen jetzt.“ Damit packte Yue, Subaru am Handgelenk und schubste ihn zum Tor. „A...also, macht’s gut!“, stotterte Subaru. „Mariko! Du solltest besser kein Dämon werden wollen. So toll ist das nicht! Und... Hiro... pass mir ja gut auf Toya auf, ja?“ Hiro antwortete nicht. Und ehe er sich versah, war Subaru auch schon verschwunden.

Yue stand Hiro und Mariko schweigend gegenüber. Dann murmelte er: „Lebt wohl.“ Seine Stimme klang traurig, aber auch eiskalt. Hiro sah ihn nicht einmal an. Er konnte hören, dass Mariko weinte. Das grelle Licht leuchtete noch einmal auf. Dann wurde es immer kleiner und verschwand letztendlich vollkommen.
 

Weinend sank Mariko in die Knie. „Und diesmal war es ein Abschied für immer“, schluchzte sie. „Er wird nicht zurückkommen.“ „Kann dir ja mal mein Walkytalky ausleihen“, sagte Hiro trocken und ging in Richtung Ausgang. Wütend stand Mariko auf und folgte ihm. „Was soll das?“, schrie sie. „Lässt dich das völlig kalt?“ „Was denn? Dank des Splitters können wir ihn doch sogar besuchen!“ „Können wir nicht!“, widersprach Mariko ihm. „Theoretisch schon, aber praktisch nicht! Hast du nicht kapiert, was Yue gemeint hat?“ Hiro antwortete nicht.

Er ging wortlos den Flur entlang. „Es wird dich umbringen, wenn du es tust!“, schrie Mariko. „Du hast deine Kräfte verloren! Wann siehst du das endlich ein? Was an dir noch dämonisch ist, sind nicht mal Ohren oder spitze Zähne! Du... BIST kaum noch ein Dämon!“ Blitzartig fuhr Hiro herum und drückte Mariko gegen die Wand des Treppenhauses. Mariko zuckte erschrocken zusammen. Als sie ihn anblickte, riss sie sprachlos die Augen auf. Seine Ohren waren spitz. Ebenso wie seine Eckzähne. „Was ist?“, hauchte er. „Hast du Angst vor mir? Natürlich hast du Angst. Ich bin ein Dämon! Und du nur ein kleines, schwächliches Mädchen. Was glaubst du, was ich dir antun könnte?“ Mariko lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Diese Seite an Hiro hatte sie noch nie zuvor gesehen. „Soll ich dich beißen?“ Er kam ihrem Hals mit den spitzen Zähnen bedrohlich nahe. Mariko’s Herz schlug schneller. Hatte sie tatsächlich Angst? Vor Hiro? Unsinn! „Ich bin zwar kein Vampir, aber Dämonen trinken auch Blut“, sagte Hiro. „Masa“, wimmerte Mariko. Eine ihrer Tränen tropfte auf Hiro’s Wange. „Hör... auf! Bitte!“
 

Prompt wandte Hiro sich von ihr ab. Seine Gestalt war wieder vollkommen die eines Menschen. Er kehrte Mariko den Rücken zu und ging die Treppen nach unten. „Toya kann genauso aussehen, wenn er will“, sagte er, ohne sich umzudrehen. Langsam folgte Mariko ihm. „Kaum zu glauben, oder? Das so ein lieber Junge wie er, auch ein Dämon sein soll. Du solltest uns besser nicht unterschätzen, Mariko.“ „Masa“, dachte Mariko, schaffte es jedoch nicht, ihre Gedanken auszusprechen. „Es... tut mir leid!“
 

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„Ich muss Masa und Mariko los kriegen“, dachte Toya, als er in der U-Bahn saß. „Ich sag Yue was passiert ist. Zusammen werden wir diesen Ichiro schon aufhalten. Und selbst wenn uns das so schnell nicht gelingt, wird er am Sonntag in dieses Labor eindringen und mich wieder raus holen. Vorerst muss ich also nur den Lockvogel spielen. Zu zweit werden wir diesen Pimpf schon erledigen. Trotzdem muss ich sicher gehen, dass Masa und Mariko nichts geschieht. Wenn ich Subaru schon nicht schützen kann...“ Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihm breit, als er daran dachte, wie er Mariko und Hiro loswerden sollte. Ganz besonders was Hiro betraf. Ihm die Wahrheit sagen konnte er unmöglich. Hiro würde sich nur tierisch aufregen und Toya erst recht nicht mehr von der Seite weichen. „Bleibt mir eigentlich nichts anderes übrig, als ihn anzulügen... und knallhart Schluss zu machen. Oh Mann...“
 

Die U-Bahn hielt. Toya stand auf und ging nach draußen. „Dabei wollte ich doch nur ein ganz normales Leben führen“, dachte er. „Ich will von diesem ganzen Dämonengetue nichts mehr hören. Ich wünschte, ich könnte wirklich Dämonen zu Menschen machen. Dann hätte ich mich längst zu einem gemacht.“
 

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Besorgt lief Hiro in Toya’s Zimmer auf und ab.

„Hallo Hiro! Ist Toya nicht bei dir?“, hatte Toya’s Mutter gesagt. „Wenn er noch in der Stadt ist, wird er sicher bald kommen. Geh doch schon mal hoch in sein Zimmer. Macht es dir etwas aus, solange alleine im Haus zu sein? Wir müssen nämlich langsam los.“
 

Und nun saß er da und weit und breit keine Spur von Toya. „Na toll!“, dachte er sich und ließ sich rückwärts aufs Bett fallen. Er drehte sich um und kuschelte sich ins Kissen. „Wie gut das riecht“, dachte er. „Alles riecht so gut nach Toya! Oh Mann, ich krieg schon von seinem Geruch fast ‘nen Ständer!“

Ein Geräusch ließ Hiro hochfahren. Es hatte sich angehört wie das Zuschlagen der Haustür. Oder hatte er es sich nur eingebildet?
 

Nein, tatsächlich ging kurz darauf die Zimmertür auf. Erstaunt blickte Toya ihn an. „Du bist schon hier?“, fragte er überrascht und schloss hinter sich die Tür. „Schon ist gut!“, meinte Hiro und stand auf. „Schon mal auf die Uhr geschaut? Deine Eltern sind schon lange weg. Wo hast du denn so lange gesteckt. Ich hab mir Sorgen gemacht.“ „Tut... mir leid“, sagte Toya zögernd. Er wusste nicht, wie er es ihm sagen sollte. Er wusste nicht, was er tun sollte. Hiro legte sanft die Arme um ihn und küsste ihn. Noch Sekunden vorher war jeder Muskel in Toya’s Körper angespannt gewesen. Er konnte nicht dagegen tun. Ein Kuss von Hiro und er vergaß alles andere. Er ließ sich einfach fallen. Es tat so wahnsinnig gut. Es fühlte sich an wie... Es war zum verrückt werden! „Masa“, seufzte er und drückte ihn schweren Herzens von sich. Doch Hiro ließ nicht von ihm ab. „Wie hab ich mich danach gesehnt, alleine mit dir zu sein“, hauchte er ihm ins Ohr. „Ich liebe dich so sehr!“

„Hör auf!“, schrie Toya und stieß ihn von sich. Hiro blickte ihn entsetzt an. „Was... ist denn los?“, fragte er kleinlaut. „Fass... mich nicht an“, schluchzte Toya. „Fass... mich nie wieder an, hörst du?!“ „A...ber...“, stotterte Hiro. Doch Toya unterbrach ihn. „Es ist aus!“, sagte er knapp. „Ich... hab’s versucht. Ich hab wirklich versucht,... deine Gefühle zu erwidern. Ich dachte, ich könnte unsere Freundschaft retten. Die Freundschaft, die du mit deinen perversen Gefühlen kaputtgemacht hast.“ „Was sagst du da?“, wisperte Hiro. „Aber es geht nicht!“, fuhr Toya fort. Er blickte starr auf den Boden. Er konnte Hiro nicht ansehen. Unmöglich. „Es geht nicht... Ich... kann deine Spielchen nicht mitspielen, so sehr du es dir auch wünscht. Weil ich...“ „Nicht heulen, Toya!“, befahl er sich selbst. „Du darfst jetzt nicht heulen! Auf gar keinen Fall!“ „Ich...“ Seine Hände zitterten. Nein, sein ganzer Körper. Sein Puls raste förmlich. „Ich empfinde absolut gar nichts für dich!“ Das war’s! Es war ganz einfach über seine Lippen gekommen. Ganz einfach so. Dieser Satz. Und nun herrschte Stille. „Komm schon“, drängte Toya ihn in Gedanken. „Sag etwas! Irgendwas! Ich... ich will nicht, dass du mich jetzt weinen siehst! Wenn du jetzt siehst, dass ich weine, dann glaubst du mir doch nicht mehr!“
 

„Ich empfinde nichts für dich!“, hallte es in Hiro’s Kopf. „Ich empfinde nichts für dich! ...absolut gar nichts! ...empfinde... nichts! NICHTS!!!“ Wortlos stand Hiro da. „Sag etwas!“, dachte Toya. „Bitte...“ Doch seine Bitte blieb unerhört. Wortlos ging Hiro auf ihn zu. Nein, er ging vorbei. Toya ging einen Schritt von der Tür weg. Die Tür knallte hinter Hiro zu. Und wieder. Stille.
 

Ein paar Sekunden stand Toya einfach nur regungslos da. Dann, plötzlich sank er in die Knie und vergrub den Kopf zwischen den Beinen. „Masa“, schluchzte er. „Es... tut mir so leid.“ Die Tränen klebten ihm den langen Pony an Stirn und Wange. „Ich... kann nicht mehr... Ich... halt das nicht mehr aus! Masa!“
 

~*~*~*~*~
 

„Ich empfinde absolut gar nichts für dich!“ Es war über eine Stunde vergangen, seit dem Hiro nach Hause gegangen war. Er hatte sich ohne ein Wort in sein Zimmer eingeschlossen und auch nicht auf das Klopfen seiner Eltern oder seiner Schwester reagiert. Jetzt war es wieder still. Sie klopften nicht mehr. „Teenager“, hatte sein Vater kopfschüttelnd gesagt. „Wer weiß, vielleicht ist er nur ein eine Schlägerei geraten und will sich nicht zeigen.“
 

„...absolut gar nichts!“ Hiro stand in seinem Zimmer und blickte in den Schrankspiegel. „...nichts... absolut gar nichts!“ Ein „Ich hasse dich!“, wäre ihm lieber gewesen. Aber DAS! „Ich empfinde nichts“, Heißt das nicht, es ist einem egal? Es kümmert einen gar nicht? „Als ich ihn geküsst habe... und er mich... als wir miteinander geschlafen haben... hat ihm das alles nichts bedeutet?“ Erneut liefen Tränen über Hiro’s Wangen. Seine Augen waren schon die ganze Zeit gerötet. Er dachte, es wäre vorbei. Wenn man mindestens eine Stunde pausenlos geweint hatte, mussten einem dann nicht irgendwann die Tränen ausgehen? Sein Kopfkissen war völlig nass. Eigentlich war das der einzige Grund gewesen, warum er aufgestanden war. Das Kissen an sich gedrückt und geweint... das hatte er seit Jahren nicht mehr.

„Wieso hat er es dann getan?“, fragte er sich. Diese Verzweiflung. Wieso konnte es nicht einfach aufhören? Es tat so weh. Es war so ein leeres Gefühl in der Magengrube. Nein, höher. Im Herz. „Ich hab versucht unsere Freundschaft zu retten, oder so. Was soll das? Das ist doch Schwachsinn! Wenn ich ihm so egal bin, wieso war er dann die ganze Zeit mit mir befreundet? Hat ihm das alles nie etwas bedeutet? Hab... ICH ihm nie etwas bedeutet?“

Und plötzlich konnte er nicht mehr an sich halten. Sein eigenes Spiegelbild ekelte ihn an. Er holte aus und schlug mit der Faust gegen das Glas. Es zersplitterte. Scherben flogen durch die Luft und fielen zu Boden. Ein paar Kleine schnitten seine Wangen und seinen Hals blutig. In der, noch immer zur Faust geballten, Hand steckten Blut getränkte Glasscherben. Das Blut tropfte auf den Boden. Langsam rutschte Hiro am Spiegel herab auf die Knie. Es tat nicht weh. Er fühlte überhaupt nichts. „Und wenn ich mir jetzt und hier die Pulsadern aufschneiden würde?“, schoss es ihm durch den Kopf. „Ob es weh tun würde? Toya...“ Er zog einer große Scherbe aus der Hand. Da war kein Schmerz. Da war nichts. „...absolut gar nichts...“
 

~tbc~

Resurrection

Die große, alte Tür zum Balkon wurde geöffnet. Yue ging nach draußen und beugte sich übers Geländer. Was für ein ödes, trockenes Land. Alles sah so grau in grau aus. Der Himmel war mit dunklen Regenwolken überzogen, doch kein Tropfen fiel herab. Es war eine einzige Dürrelandschaft. Die Kriege hatten aufgehört. Doch sie hatten ihre Zeichen hinterlassen. Der Geruch von Blut lag noch in der Luft. Was war nur aus diesem Ort geworden? Yue konnte es kaum fassen.
 

~*~*~*~
 

„Was schaust du so?“, fragte plötzlich jemand. Als Yue sich umdrehte, stand Subaru hinter ihm. Er trat neben ihn und blickte ebenfalls auf das Land vor ihnen. „Als ich mit Toya, Hiro und Mariko hier war, um Garasu zu töten“, begann Yue. „...hab ich nicht gewusst, wie es hier aussieht.“ „Klar, der Palast liegt auf einem Berg und du hattest wohl kaum Zeit, um aus dem Fenster zu schauen“, antwortete Subaru. „Nicht zu fassen, wie schnell man mit Magie den Palast wieder bewohnbar gemacht hat.“ „Es sieht immer noch ziemlich heruntergekommen aus, wenn du mich fragst. Aber auch hunderte von Dämonen können nicht in einer Woche alles wieder aufbauen. Schließlich war das Gebäude abbruchreif.“ „Hmm“, murmelte Yue. „Keine Sorge, bald wird es hier wieder wie neu aussehen. Schließlich bist DU jetzt wieder hier.“ „Hmm.“ Subaru konnte Yues Laune schon gar nicht mehr mit ansehen. „Hey“, sagte er mit tröstender Stimme und legte den Arm auf seine Schulter. „Zieh nicht so ein Gesicht! Es wird schon alles gut gehen. Und wenn hier wieder alles ins Reine gekommen ist, gehen wir Toya und die anderen besuchen, ja?“ „Ich mach mir aber trotzdem Sorgen um ihn. Ich rede mir zwar ein, dass er ja kein kleines Kind mehr ist und dass er auf sich aufpassen kann, aber nach der Sache neulich...“ „Ist doch logisch, das du dich sorgst“, meinte Subaru. „Er ist schließlich dein kleiner Bruder und nicht nur das. Er ist überhaupt dein einziger noch lebender Verwandter. Aber übertreibe es nicht, mit dem Sorgen machen, sonst kriegst du in deinem jungen Alter schon Falten.“ Er versuchte, Yue mit seinem eigenen Lachen wenigstens zum Lächeln zu bringen, doch er schaffte es nicht. „Morgen ist die Krönungszeremonie“, wechselte er das Thema. „Also schlaf dich heute besser aus.“ Damit verließ er den Balkon.
 

~*~*~*~
 

Es war spät morgens, als Toya langsam die Augen öffnete. Er hatte wahnsinnige Rückenschmerzen und sein Schädel brummte. Was beides nicht verwunderlich war, wenn man auf dem Boden geschlafen hatte. Er raffte sich auf und warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb zehn. Das heißt er hatte höchstens zwei Stunden geschlafen. Das letzte Mal, als er auf die Uhr geschaut hatte, war es ungefähr halb acht. Die ganze Nacht hatte er kein Auge zugetan und letztendlich hatte er sich vor seine Stereoanlage auf den Boden gesetzt und sich all die Lieder angehört, die ihm sonst immer gute Laune gemacht hatten. Stundenlang. Doch jedes Lied erinnerte ihn irgendwie an Hiro und machte alles nur noch schlimmer. Er schaltete die Anlage aus. Ein Lied von Hiros Lieblingsband brauchte er sich jetzt nicht auch noch anzutun. Eigentlich mochte er diese Musik gar nicht. Er hatte es nur immer wegen Hiro gehört. Was fand der nur an dieser Band? Für Toya klang jedes Lied gleich. Eine Endlosschleife, bestehend aus „Boom boom boom.“ Von einer Melodie konnte da wirklich nicht die Rede sein.

„Was ist gestern eigentlich passiert?“, fragte er sich plötzlich. „Wieso mach ich mir solche Sorgen? Es ist doch nur vorübergehend. Wir haben Garasu schon einmal besiegt. Da werden wir doch wohl mit diesem Pimpf fertig werden.“
 

Er wühlte in seinem Nachtkästchen und holte eine Schachtel Schmerztabletten hervor. Manchmal kam es ihm so vor, als wären diese Tabletten sein Hauptnahrungsmittel. „Wenn es doch nur eine Sicherheitsmaßnahme ist, nur um ihn zu schützen...“, dachte er. „Wieso fühl ich mich dann, als würde ich ihn nie wiedersehen?“ Er schluckte eine der Tabletten und nahm einen Schlug Wasser. Wie konnte sogar Wasser so einen abartigen Nachgeschmack haben? Eigentlich schmeckte es doch nach gar nichts.

Plötzlich kam ihm ein Gedanke: „Stimmt ja, ich muss Yue anrufen und ihm alles erzählen. Heute ist Samstag. Am besten wir machen uns auf den Weg und erledigen die Sache sofort.“
 

Er ging die Treppen nach unten und zum Telefon. Wie leer es war, ganz alleine in diesem großen Haus. Wäre das alles nicht passiert, würde er wahrscheinlich gerade jetzt versuchen, Hiro wachzurütteln. Dann würde er sicher wieder irgendwas vor sich hin murmeln, wie: „Noch fünf Minuten, Mama!“ Und Toya würde ihm dann die Bettdecke wegziehen und ihn anbrüllen: „Idiot, ich bin nicht deine Mama! Und jetzt steh auf, oder ich frühstücke ohne dich!“ Bei dem Gedanken daran hätte Toya am liebsten schon wieder los geheult. Bevor das geschehen konnte, nahm er schnell den Telefonhörer ab und wählte Yues Nummer.
 

Das Telefon in Yue’s Wohnung klingelte. Mindestens zehnmal. Dann legte Toya seufzend auf. „Wo steckt der bloß?“, fragte er sich. „Na ja, es ist Samstagmittag. Vielleicht ist er mit Subaru irgendwo hin.“

Eigentlich hatte er überhaupt keinen Hunger, doch er entschloss sich trotzdem, sich in der Küche etwas zum essen zu suchen. Immer wenn er nichts frühstückte, wurde ihm schlecht. Und das war wirklich das letzte, was er jetzt brauchen konnte.
 

Gerade, als er den Kühlschrank geöffnet hatte, klingelte das Telefon. „Vielleicht ist das Yue!“, dachte Toya und ging zurück auf den Flur. Doch noch bevor er den Hörer abnehmen konnte, schaltete sich der Anrufbeantworter ein. „Im Moment ist leider niemand zu Hause. Wenn sie eine Nachricht hinterlassen, rufen wir baldmöglichst zurück.“ „Toya?“ Toya zuckte zusammen, als er Hiros Stimme erkannte. „Wenn du da bist,... geh bitte ran!“ Wie leise er klang. Es war komisch, ihn so zu hören. Toya stand da wie erstarrt. Allein seine Stimme zu hören, brachte seinen Puls wieder zum rasen. „Ich... kann verstehen, wenn du nicht mit mir reden willst“, sagte Hiro. „Ich... kann auch verstehen, wenn du mich nie wieder sehen willst, aber... ich... Lass mich... wenigstens kurz deine Stimme hören... nur... ganz kurz. To...ya...“ Ein leises Schluchzen war zu hören. „Weint er etwa?“, dachte Toya. Dass ihm selbst Tränen über die Wangen liefen, merkte er gar nicht. „Es... tut mir leid!“ Er weinte tatsächlich! Das konnte man nun deutlich hören. „Ich... kann nicht...“ Hier brach der Satz ab. „Ich... liebe dich!“ - Klack -
 

Völlig fertig brach Toya am Boden zusammen. „Wieso entschuldigt ER sich denn?“, dachte er. „ICH bin doch der, der sich entschuldigen sollte!“ Er fühlte sich sowieso schon wie der letzte Dreck. Nach diesem Anruf erst recht. „Ich hätte so gerne mit ihm gesprochen“, wisperte er. „So gerne...“
 

~*~*~*~
 

Hiro legte das Telefon weg. Um seine rechte Hand trug er einen Verband. Seine Mutter hatte sich tierisch erschrocken, als er gestern mit blutüberströmter Hand aus dem Zimmer gekommen war. „Es war ein Unfall“, hatte er gesagt. Und sie hatte es ihm sogar geglaubt. „Wieso hab ich ihn eigentlich angerufen?“, fragte er sich. „War doch klar, dass er nicht dran geht.“
 

~*~*~*~
 

Am Nachmittag war Toya auf dem Weg zum einkaufen. Auch wenn er eigentlich gar keine Lust dazu hatte. Aber gestern hatte er nicht alles eingekauft. Schließlich war da diese Sache gewesen. Danach war er sofort nach Hause gefahren. Wie hätte er da noch ans einkaufen denken können?
 

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Zur gleichen Zeit waren jedoch auch Hiro und Mariko in der Nähe unterwegs. Mariko hatte Hiro angerufen und ihn gefragt, ob er und Toya etwas mit ihr unternehmen wollten. Daraufhin hatte Hiro nicht anders gekonnt, als ihr alles zu erzählen.
 

„Wie kommt er plötzlich auf so einen Schwachsinn?“, seufzte Mariko, während sie mit Hiro die Straße entlang lief. Hiro sagte kein Wort. Es ihr zu erzählen, war schon genug gewesen. Darüber reden wollte er erst recht nicht. „Hey, schau bitte nicht so deprimiert!“, sagte Mariko zu ihm. „Ich bin sicher, das hat einen Grund. Du bist ihm ganz bestimmt nicht egal, glaub mir! Da bin ich ganz sicher.“ „Wie kannst du da so sicher sein?“, fragte Hiro. „Na ja“, überlegte Mariko. „Ich kenn doch Toya! So wie du mir das erzählt hast... So was würde Toya nie sagen, schon gar nicht zu dir!“ Wieder antwortete Hiro nicht. Er blickte nur geistesabwesend auf den Gehweg. „Masa“, sagte Mariko leise. „Er liebt dich!“ Allein diese Worte, brachten Hiros Herz zum schneller schlagen. Da war dieses Kribbeln im Bauch. Eigentlich hatte Hiro immer gedacht, dass wäre nur so ein Spruch, der in jedem zweiten, kitschigem Lovesong vorkam, aber es stimmte tatsächlich. Kribbeln im Bauch. Besser konnte man es gar nicht formulieren. „Ich weiß es“, seufzte Mariko. „Wieso sagt er so was dann? Ich versteh ihn einfach nicht...“
 

Plötzlich blieb Hiro wie angewurzelt stehen. Mariko, die ebenfalls abwesend auf den Weg geschaut hatte, knallte gegen seinen Rücken. „Au! Hey, was is...“, begann sie, verstummte jedoch schlagartig, als sie aufblickte.

Ihnen gegenüber stand Toya. Diese Blicke. Mariko hatte noch nie gesehen, dass Hiro und er sich so angesehen hatten. Was war das für ein Blick? Hiro fühlte sich, als würde sein Herz aufhören zu schlagen. „T...To...ya...“, stotterte er. Toya spürte, wie seine Hände zu zittern begannen, wie sie es in letzter Zeit oft taten. Er wandte rasch den Blick ab. Mariko wagte es nicht, auch nur einen Ton von sich zu geben. Dabei hatte sie sich vor wenigen Sekunden noch geschworen, sie werde Toya ganz sicher darauf ansprechen, wenn sie ihn sehen würde. Wortlos ging Toya an ihr und Hiro vorbei. Ein paar Sekunden stand Hiro da und drehte sich nicht einmal um. Doch dann fuhr er blitzschnell herum und rief: „Toya! Warte!“ Toya beschleunigte seinen Schritt, doch plötzlich packte Hiro ihn am Arm und zog ihn zurück. „Lass mich los!“, schrie Toya und wehrte sich, doch Hiro war stärker als er. Toya fiel der Verband um Hiros Hand auf. „Hör mir doch wenigstens mal zu!“, schrie Hiro ihn an. „Nein! Lass mich! Ich... will nicht mit dir reden! Ich will dich nie wieder sehen!“ Das war zu viel! Ohne ein weiteres Wort, packte Hiro ihn an den Schultern und küsste ihn. Toyas Atem schien auszusetzen. „Was tust du da, Idiot?“, fragte er sich. Ihm wurde furchtbar heiß. Der Geschmack von Salzwasser drang an Hiros Lippen. „Tränen?“, schoss es ihm durch den Kopf. Schlagartig löste er die Lippen von Toyas. Er blickte in dessen weinendes Gesicht. Dann riss Toya sich los und rannte so schnell er konnte davon.
 

Schweigend stand Hiro da und blickte ihm nach. Mariko seufzte. „Das war das erste mal, dass ich gesehen hab, wie ihr euch geküsst habt“, wisperte sie. „Ich wünschte nur, das wäre unter anderen Umständen passiert.“ Wieder bekam sie keine Antwort. „Masa“, fuhr sie fort. „Ich werde mit ihm reden, ja? Ich ruf ihn später an.“ „Tu was du willst“, antwortete Hiro und blickte dabei noch immer starr in die Richtung, in die Toya gerannt war.
 

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„Dummer Junge“, sagte Ichiro grinsend und schaltete den Monitor aus. Gerade eben hatte er darauf Toya, Hiro und Mariko beobachtet. „Denkt er wirklich, es würde etwas bringen, wenn er seine Freunde schützt? Früher oder später wird mein Meister sie alle so oder so töten. Schließlich waren sie alle es, die ihm das angetan haben.“
 

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Wieder musste Toya den Hörer auflegen, ohne Yue erreicht zu haben. Er hatte es im Laufe des Tages alle halbe Stunde probiert. „Vielleicht ist sein Telefon kaputt“, kam es ihm in den Sinn. Plötzlich klingelte es. Er wollte schon abheben, doch dann dachte er, es könne wieder Hiro sein. Dann war es vielleicht besser, nicht abzunehmen. Der Anrufbeantworter. „Hallo? Hier ist Mariko. Hör mal, Toya...“ - Klack - „Hi, Mariko!“, sagte Toya. „Ouh, wie nett, dass du auch schon abnimmst!“, fauchte Mariko. „Sag mal, weißt du, wo Yue ist?“, fragte Toya ohne auf das Gezeter einzugehen. Marikos Atem stockte. „Äh“, begann sie zögernd. „Er... ist nicht zu Hause.“ „Jaah, das weiß ich schon. Aber wo ist er? Er hat den ganzen Tag nicht gehört.“ „Ich hab ihn und Subaru seit gestern nicht mehr gesehen.“ Mariko beschloss so schnell wie möglich das Thema zu wechseln. Erstmal war sie keine besonders gute Lügnerin und zweitens hatte sie sowieso wegen etwas anderem angerufen. „Jetzt mal was anderes“, begann sie. „Was geht denn eigentlich mit dir ab? Bist du besoffen, oder wieso redest du so ‘nen Scheiß?“ Scheiß? Dass er ein solches Wort aus Marikos Mund hörte. „Dass ich das noch erleben darf!“, dachte er sich. „Du meinst das mit Masa?“, fragte er mit zaghafter Stimme. „NEIN! Ich mein, was du heute zu Mittag gegessen hast!“, plärrte Mariko. „Frag nicht auch noch so blöd!“ In diesem Moment fiel Toya ein, dass er auch Mariko irgendwie loswerden musste. Er hatte gehofft, sie würde sich automatisch nicht mehr einmischen, wenn er den Kontakt zu Hiro abbrach, aber eigentlich hätte ihm klar sein müssen, dass sie sich gerade jetzt in die Sache hineinhängen würde. Also, musste er es anders anstellen. „Was mischst du dich eigentlich da ein?“, fragte er trocken. „WAAAAAS?“, schrie Mariko in den Hörer. „Ich hör ja wohl nicht richtig! Wieso? Ja, dreimal darfst du raten, du Klugscheißer!“ Solche Worte! Aus Marikos Mund! „Weil ich das echt beschissen von dir find!“ Outsch! Das saß! Sie war wirklich wütend. „Du gehst mir auf die Nerven!“, sagte Toya. „Wieso sagst du so etwas?“ „Wieso? Wieso? Wieso? Du redest schon genau so dämlich wie er! Du kotzt mich echt an!“ Mariko verschlug es die Sprache. „Aber... Toya, du...“ Eigentlich wollte sie sagen: „Wieso benimmst du dich auf einmal so anders?“ Doch das wäre ja nur wieder eine Warum-Frage gewesen. „Das du so gemein bist“, wisperte sie. „...hätte ich echt nie gedacht! War dein ganzes lieber-Junge-Getue die ganze Zeit nur eine Masche?“ „Wenn du’s so ausdrücken willst...“, antwortete Toya. „Du bist echt das Letzte!“
 

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Mariko knallte den Hörer hin. „Das fass ich einfach nicht!“, dachte sie. „Wieso hin oder her! Es MUSS einen Grund geben! Ich kann nicht glauben, dass er sich von heute auf morgen so verändert hat. Das kann nicht sein!“

„Du hast recht“, dachte Toya und legte seufzend auf. „Ich bin wirklich das aller Letzte.“ Er dachte wieder an die Begegnung mit Hiro. „Er hatte einen Verband um die Hand“, erinnerte er sich. „Ob er sich etwas angetan hat? Meinetwegen?“ Dieser Gedanke verstärkte sein schlechtes Gewissen nur noch mehr. „Einfach nicht mehr daran denken, Toya“, sagte er sich selbst.
 

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Es war Sonntag. Allmählich stieg Panik in Toya auf. Was, wenn er Yue nicht mehr rechtzeitig erreichen würde? Er war früh aufgestanden und hatte sich auf den Weg gemacht. Wenn er ihn nicht anrufen konnte, dann musste er eben zu ihm gehen.
 

Die Türklingel läutete. Stille. Keine Reaktion. Keine Antwort. Wieder klingelte Toya. „Verdammt, wo steckst du nur?“, dachte er laut. Er schlug mir der Faust gegen die Tür. „Yue! Hier geht’s um Leben und Tod, also lass mich jetzt nicht im Stich!“
 

„Wolltest du Abschied nehmen?“, sagte plötzlich eine Stimme hinter Toya. Hastig fuhr er herum. Er blickte in Ichiros grinsendes Gesicht. „Na, hast du mich vermisst?“, fragte dieser. Toya schluckte. „Mist!“, dachte er. „Was mach ich denn jetzt?“ „Wie ich sehe, hast du dein Vorhaben in die Tat umgesetzt“, fuhr Ichiro fort. „Ich werde mein Versprechen halten. Solange deine Freunde sich mir nicht in den Weg stellen, werde ich sie verschonen. Aber...“ Er schubste Toya gegen die Tür zu Yues Wohnung. Für jemanden von seiner Größe, war dieser Ichiro wirklich stark. „...sollten sie sich doch einmischen...“, flüsterte er Toya ins Ohr. Er musste sich auf die Zehen stellen, um ihn überhaupt zu erreichen. „...dann sind sie...“ Er fuhr sich mit dem Zeigefinger waagerecht über die Kehle. „...mausetot!“ Toya konnte es sich nicht erklären. Allein die Stimme dieses Jungen, ließ ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Ichiro wandte sich von ihm ab. „Also“, sagte er und griff nach Toyas Hand. „Gehen wir!“ Und mit einem Mal hatten sie sich beide in Luft aufgelöst. Spurlos verschwunden. Als wären sie nie da gewesen.
 

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Das Klopfen an der Tür riss Yue aus den Gedanken. „Herein“, murmelte er. Subaru lugte zur Tür hinein. „Es geht gleich los“, sagte er. „Bist du fertig?“ Yue blickte auf sich herab, als wüsste er die Antwort auf Subarus Frage selbst nicht. Er trug ein langes, orange, braunes Gewandt aus Seide und einen Umhang. Beides aufwendig verziert und bestickt. Solche Kleidung, wie man sie damals als Adliger getragen hatte. Alles andere als Yues Geschmack. Er hatte sich viel zu sehr an irdische Kleidung gewöhnt. „Kommst du?“, fragte Subaru. „Ja“, antwortete Yue trocken und ging zur Tür hinaus.
 

Es war ein mehr als unangenehmes Gefühl. Während er hinter Subaru die lange, breite Treppe herunter lief, ruhten alle Blicke auf ihm. Die große Halle des Königspalastes war voll von Menschen. „Der König!“, hörte Yue immer wieder Rufe. Subaru kam sich vor wie ein Bodyguard, wie er da vor Yue herging. Als Yue auf dieser Art Bühne stand, wurde es mit einem mal still im Saal. Das Unbehagen in ihm wuchs. Es war nicht nur diese Aufregung. Da war noch etwas anderes. Irgendein seltsames Gefühl in ihm. Etwas stimmte hier nicht. Woher kam diese dunkle Aura? „Dieses Land“, begann er. „...hat lange genug gelitten.“ Diese dämliche Rede. Dass er sich freuen würde, seine Nachfolge endlich anzutreten und all das. Eine einzige Lüge.
 

„Wie wahr“, hauchte eine Gestalt inmitten der Menschenmenge. Das Gesicht der Person war durch die Kapuze der langen, schwarzen Kutte, verhüllt. Das Gewandt sah alt und zerschlissen aus. „...gelitten...“, wiederholte die Gestalt. Die Stimme klang wie ein Keuchen. Als müsse die Person sich anstrengen, überhaupt sprechen zu können. Als wäre sie über die Jahre eingerostet. „Aber das hat jetzt ein Ende.“ Die Gestalt bahnte sich einen Weg durch die Menge. Durch den gebückten Gang wirkte sie alt und zerbrechlich.
 

„Entschuldigung“, sagte einer der Wachposten, ein großer, stämmiger Mann, zu der verhüllten Person, als diese die Bühne erreicht hatte. „Hier dürfen sie nicht hinauf.“ Ein rotes Leuchten blickte den Wachposten von unter der Kapuze aus an. Blitzschnell fuhr eine knochige Hand unter dem Umhang hervor und griff nach der Kehle des Mannes. Die dürren Finger drückten sich in die Haut. Fester und immer fester. Tiefer, so tief, bis Blut aus der aufgerissenen Haut quoll. Der Mann keuchte auf. Versuchte, die Gestalt von sich zu stoßen. Doch wieder aller Erwartungen, war der Fremde viel stärker. Ein letztes Keuchen, dann ließ der Täter von dem Opfer ab. Der Leichnam sank zu Boden.

Erst jetzt drehte sich ein weiterer Wachposten um, und bemerkte als erster das Geschehen. „Hey! Was soll das!“, schrie er. „WACHEN!“ Doch zu spät. Der Mann wurde in hohem Bogen durch die Luft geschleudert und knallte gegen die Wand, am anderen Ende des Saales. Das Knacken der Wirbelsäule war zu hören. Dann rutschte der Tote zu Boden. Panisch rannte die Menge durcheinander. Frauen kreischten. Die Sicherheitsbeamten, die versuchten, den Fremden aufzuhalten, fielen ihm nach und nach zum Opfer. Und wieder wurde Blut vergossen. Wie in Trance stand Yue auf der Bühne. Was ging hier vor? Was geschah hier? Direkt vor seinen Füßen landete ein abgetrennter Arm auf dem Boden. „Yue!“, schrie Subaru. Yue fuhr herum. Eilig rannte Subaru auf ihn zu. „Schnell, wir müssen hier verschwinden!“ „Ver...schwinden?“, wiederholte Yue. „Einfach verschwinden?“ Wie konnte er? Erst sollte er hier her zurückkommen und Frieden in dieses Land bringen und nun... einfach verschwinden? Und dieses Massaker seinen Lauf gehen lassen? Damit ein Blutbad entstand, so wie damals... Das Bild dieser unzähligen, toten Frauen, die an der Decke aufgehängt waren, schoss Yue durch den Kopf. Und inmitten all dieser Frauen... Sumi. Nein, so etwas durfte kein zweites Mal passieren!
 

Die Menschen waren aus dem Palast geflohen. Niemand stand dem Unbekannten mehr im Weg. Die die es wagten, hatten längst ihren letzten Atemzug getan. Die Leuchtenden Augen unter der Kapuze blickten starr auf Yue. Und in diesem Moment wusste er es. „Garasu!“, flüsterte er. Er erinnerte sich an diese Szene. Vor Monaten war es gewesen. Sein Bruder, Toya, wie er dem Feind das Schwert in den Rücken rammte und Hiro, der das Raum-Zeit-Tor geöffnet hatte. Mariko, die Garasu den Gnadenstoß versetzt hatte. Toya! Hiro! Mariko! Nein, das durfte nicht geschehen! Es durfte nicht alles umsonst gewesen sein! Sein Bruder. Seine Freunde. Er musste sie schützen! „Yue!“, schrie Subaru. „Beeil dich!“ Yue griff nach dem Artamilya, dass er um den Hals trug. Er ließ den Blick keine Sekunde von Garasu ab. Mit einem Mal strahlte der Kristall hell auf. „Yue, was hast du vor?“, hörte Yue, Subaru rufen. „Ein Raum-Zeit-Tor?“ „Subaru“, wisperte Yue. „Warne Toya, Hiro und Mariko!“ „W...was? A...aber, was ist mit dir? Was hast du...“ Weiter kam Subaru nicht. Yue versetzte ihm einen Stoß, so dass er geradewegs in das Licht des Raum-Zeit-Tores stolperte. Das Leuchten wurde schwächer. Bis es sich das Tor letztendlich vollständig hinter Subaru geschlossen hatte. Wenigsten ihn hatte Yue retten müssen. Das hier war nicht Garasu, so wie sie ihn kannten. Es war anders. Diese Aura. Yue konnte es sich selbst nicht erklären.
 

„Wie... kameradschaftlich...“, hauchte Garasu. Noch immer stand er da, das Gesicht verhüllt, inmitten der Leichen. Und plötzlich war er verschwunden. Yue hielt die Luft an. Von einer auf die nächste Sekunde stand Garasu plötzlich vor ihm. Er richtete sich auf. In voller Größe, war er um einiges größer, als Yue. Yue rührte sich nicht vom Fleck. Er wusste, jede Bewegung würde von seinem Gegenüber erwartet und jeder Angriff pariert. Blitzartig packte Garasu Yue am Hals. Es war so wahnsinnig schnell geschehen, dass Yue gar nicht hätte ausweichen können. Erschrocken blickte er auf Garasus Hand. Alles was geblieben war, war eine faltige, halb verweste Haut, die sich über die Knochen zog und eher wie ein alter Lappen über einem Skelett hing. „Fürchtest du dich?“, keuchte Garasu. Wie nah er vor ihm stand. Und dennoch erkannte Yue kein Gesicht unter der Kapuze. „Dies ist die Gestalt, die du mir geschenkt hast. Sieh ruhig genau hin! Das ist es, was du aus mir gemacht hast!“ Er hob die zweite knochige Hand zum Kopf und zog die Kapuze herunter. Yue bekam wahrhaftig einen Schock. Ein vertrocknetes Gesicht, hervorstehende Wangenknochen. Die Haut von Warzen und Narben übersät. An einigen Stellen aufgerissen, so dass das wenige, blanke Fleisch hervorquoll. Die Augen, wie in einen leeren Schädel eingesetzt. Das eine, gerötet, von zahlreichen, geplatzten Adern, und die Iris so schwarz, dass man den Übergang zur Pupille nicht erkennen konnte. Das andere weiß schimmernd, wie ein Glasauge. Fahles, zerzaustes, lichtes Haar hing wie einzelne Fäden vom Kopf bis über den Rücken. Die Krähenfedern ließen dieses Erscheinungsbild wirken wie ein gerupftes Huhn. „Dachtest du, du wärst mich schon los?“, sagte die kratzige Stimme. „Nein, so schnell wirst du mich nicht los!“ Garasu legte den Kopf auf Yues Schulter. Die knochigen Finger lockerten ihren Griff um seinen Hals. „So schnell nicht, mein König. Mein Yue-sama...“
 

~*~*~*~
 

Als Subaru zu sich kam befand er sich in Yues Wohnung. Ein paar Sekunden lang, wusste er nicht, wie ihm geschehen war. Dann schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. „Hiro! Ich muss Hiro finden!“ Mit diesem Gedanken rannte er aus der Wohnung. „Mit seinem Katana haben wir vielleicht eine Chance, zurückzugehen“, dachte er sich. „Dann könnten wir Yue retten!“
 

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„Im Moment ist leider niemand zu Hause. Wenn sie eine Nachricht hinterlassen, rufen wir baldmöglichst zurück.“ - Piep - „Hallo, Toya! Hier ist Mama. Dein Vater und ich haben beschlossen noch etwas länger hier zu bleiben. Wir kommen erst nächste Woche nach Hause. Hast du dir was zu Essen gekauft? Für den Fall, dass das Geld nicht reicht, wir haben dir was auf dein Konto überwiesen, ja? Aber gebe es ja nicht sinnlos aus, hörst du?! Mach deine Hausaufgaben und geh nicht so spät ins Bett! Also bis nächste Woche. Mach’s gut, mein Schatz.“ - Klack -
 

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Es klingelte an der Tür. „Mist, wenn er nicht zu Hause ist“, dachte Subaru. Er hatte beschlossen zu Toya zu gehen, da er nicht wusste, wo genau Hiro wohnte. Auch wenn der Weg zu diesem um einiges kürzer gewesen wäre. „Zum Glück hab ich Yues Zweitschlüssel mitgenommen.“ Er suchte hastig nach Yues Schlüsselbund und schloss dann die Tür auf. „TOYA!“, schrie er. Keine Antwort. „Mist!“ Die Haustür knallte wieder zu. „Dann muss ich wohl doch Hiros Haus suchen. Die Straße weiß ich ja. Ich werd’s schon finden.“
 

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Langsam öffnete Toya die Augen. Er spürte die Fesseln um seine Handgelenke. Schon wieder angekettet. Noch dazu ein paar Meter über dem Boden. „Na, endlich aufgewacht?“, hörte er Ichiros Stimme. „Hast du deinen Bruder gesucht?“ „Was?“ „Du hast im Schlaf seinen Namen gerufen. Mann, hast du aber ‘nen Bruderkomplex!“ Toya kam ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn Ichiro mit Yues Verschwinden zu tun hatte? „Wo... ist er?“, fragte er mit leiser Stimme. „Was weiß ich, wo mein Meister ihn hingebracht hat“, antwortete Ichiro Schulter zuckend. Also doch! „Also, hör mal“, fuhr Ichiro fort. „Bevor ich dich Katsumoto übergebe, und ihn dich zerstückeln lasse, hast du noch eine kleine Verabredung mit meinem Meister.“„Was?“ Mit jeder Sekunde stieg die Panik in Toya mehr und mehr an. Was sollte er tun? Sein Plan war gescheitert! Er saß hier fest! Und Yue war wahrscheinlich schon längst tot! Nein! Daran durfte er nicht einmal denken.

„Also, komm mit!“, sagte Ichiro. Das gewohnte Finger schnipsen ließ die Handschellen aufspringen. Toya fiel auf den Fußboden. Immerhin hatte man ihn nicht höher an die Wand gehängt. Der Sturz war so schon schmerzhaft genug gewesen. Er hatte erwartet, Ichiro würde ihn wieder mit sich schleifen. Umso mehr wunderte er sich, als er ihm einfach den Rücken kehrte.
 

Sie verließen den kahlen Raum durch eine dicke Metalltür. Toya folgte ihm wortlos. Was blieb ihm auch anderes übrig. Immer wieder suchten seine Blicke jeden Winkel der kalten, verputzen Wände ab. Doch nirgends schien sich eine Fluchtmöglichkeit zu erbieten. Und selbst wenn. Was nütze es ihm, davon zu laufen? Er befand sich in einem riesigen Forschungsgebäude. Und er wusste nicht einmal, in welchem der zahlreichen Stockwerke er sich befand. Bis er den Ausgang gefunden hätte, wäre er schon längst wieder eingefangen worden. Und wenn er hier blieb? Vielleicht konnte er Yue finden. Ein Funken Hoffnung bestand noch. Er folgte Ichiro eine enge Treppe herab. Die Stufen waren schmal und hoch, so dass Toya aufpassen musste, dass er nicht stolperte. Ihre Schuhe hinterließen bei jedem Schritt ein klopfendes Geräusch auf den steinernen Stufen. Die Decke über ihnen war so tief, dass er sich beinahe ducken musste, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Er machte sich kleiner als nötig, als die Anzahl der Spinnennetzen und deren Bewohnern über ihm zunahm, mit jeder Stufe, die er tiefer kam. Er hasste Spinnen! Er hasste überhaupt alle kleinen, kriechenden Insekten und Krabbeltiere.
 

Ihm war diese Treppe ewig lang vorgekommen. Er war sich ziemlich sicher, dass sie nun im Keller des Gebäudes waren. Unten angekommen standen sie vor einer Tür. Ichiro klopfte und öffnete die alte Holztür dann, ohne auf eine Antwort zu warten. „Meister“, sagte er. Diesen zaghaften Ton hörte Toya zum ersten Mal, in dieser sonst so bestimmenden Stimme. „Ich habe ihn hergebracht.“ Toya erhaschte einen Blick durch den offenen Türspalt. Der Raum dahinter sah aus, wie in einem altertümlichen Palast. Es war ziemlich düster. Nur das flackernde Licht einiger Kerzen erleuchtete den Raum. Ein aufwendig verzierter Schrank aus Ahornholz stand an der einen Wand. Daneben ein Bett, mit einem bordeauxrotem Vorhang. Die andere Hälfte des Zimmers konnte Toya nicht sehen.
 

„Bring ihn zu mir!“, sagte eine kratzige Stimme. Toyas Herz schien eine Sekunde lang auszusetzen. Diese Stimme! Es kam ihm in diesem Moment vor, als hätte er sich nie etwas mehr gewünscht, als diese Stimme nie wieder hören zu müssen. „Wie ihr wünscht“, antwortete Ichiro, packte Toya unsanft am Handgelenk und zerrte ihn in den Raum. Toya sah, das jemand auf dem Bett saß. Der Vorhang war halb zurückgezogen. Als die Person aufstand, erkannte er ihn sofort. Er sah genau so aus, wie vor einem halben Jahr. Als Toya selbst ihn getötet hatte. Oder zumindest gedacht hatte, er hätte es. Wie war das möglich? Er hatte selbst gesehen, wie Garasu in die Raum-Zeit-Schleife gezogen worden war! Er müsste längst tot sein! Garasu wischte sich mit der Hand über den Mund. Was war das? Blut? Das Hemd, die schneeweißen Haare, das Gesicht und die Hand waren blutverschmiert. Das war es, wie man sich einen Dämon wirklich vorzustellen hatte.
 

Garasu ging vom Bett weg und schritt vor den großen Spiegel, rechts davon. Mit einem zufriedenen Lächeln begutachtete er sein Spiegelbild. „Schon viel besser“, sagte er und strich sich mit der Hand über die Wange. Damit hatte er das Blut noch mehr verschmiert. „Wie schön weich. Nicht zu fassen. Der Unterschied zwischen herkömmlichen Dämonenblut und diesem...“ Er leckte sich mit der Zunge über die Hand. „Was für ein Genuss.“ Er drehte sich um und blickte auf Toya. „Prinz Toya-sama! Wie schön, euch zu sehen! Ich habe euch wirklich vermisst, muss ich sagen.“ Toya sagte keinen Ton. Garasu ging zurück zum Bett und bückte sich nach etwas, dass Toya hinter dem Vorhang nicht sehen konnte. „Dank deinem Bruder geht es mir schon viel besser“, sagte Garasu und hob jemanden auf die Arme.
 

Als er vom Bett zurückwich, erbot sich Toya ein grauenvoller Anblick. Unfähig, sich zu bewegen, blickte er auf den scheinbar leblosen Körper seines Bruders, den Garasu auf den Armen trug. Seine Kleidung hing in Fetzen von ihm herab. Die seidigen, schwarzen Haare waren völlig zerzaust. Hals und Oberkörper blutüberströmt. Es fühlte sich an, als würde das Blut in Toyas Adern zu kochen beginnen. Einige Sekunden war er wie gelähmt, dann schrie er laut: „YUE!!!“ Er riss sich von Ichiro los und rannte zu Garasu. Dieser ließ Yue unsanft zu Boden fallen. Toya sank vor ihm in die Knie. Doch dann wurde er von Garasu am Arm gepackt und wieder auf die Beine gezerrt. „Was hast du ihm angetan?!“, schrie Toya mit verheulter Stimme. Er schlug auf Garasu ein und versuchte sich loszureißen, doch Garasu grinste nur amüsiert. „Du Bastard! Ich bring dich um!“ „Kümmere dich um ihn“, sagte Garasu und blickte dabei zuerst auf Ichiro, dann auf Yue. „Sehr wohl“, antwortete Ichiro, tat ein paar Schritte nach vorn und hab Yue hoch. Er hievte ihn über die Schulter und verließ dann den Raum. Die Tür schlug hinter ihm zu.
 

Garasu schleuderte Toya aufs Bett. Als Toya sich mit den Händen auf dem Lacken abstützte, fasste er in eine feuchte Lache aus Blut. Er konnte nicht mehr klar denken. Was geschah hier? Was hatte Garasu getan? Was hatte er Yue angetan? „Dafür wirst du büßen!“ Ohne es wirklich geplant zu haben, ließ Toya das Schwert in seiner Hand erscheinen. Das Schwert, das sein Bruder ihm einst geschenkt hatte.

Er stand auf und stürzte sich auf Garasu. Doch kurz vor dessen Kehle, wurde die Klinge des Schwertes von ihm zurückgehalten. Mit der bloßen Hand. Blut lief seinen Arm herab, wo die Klinge sich in die Haut gedrückt hatte. „Wie ich ihn vermisst habe“, hauchte Garasu und packte Toyas Hände, die das Schwert fest umklammerten. „Deinen arroganten Blick.“ Ohne große Mühen öffnete er Toyas Faust, so dass das Schwert mit einem Klimpern zu Boden fiel.

„Du und dein Bruder, ihr seid wahrlich etwas Besonderes“, meinte Garasu, während er sich bückte um die Waffe aufzuheben. Er bewegte sich so völlig gelassen, als hätte er gar keinen Gegenangriff zu befürchten. „Wieso spielt ihr immer mit solchen gefährlichen Dingen?“, fragte er und fuhr mit der Klinge über Toyas Wange, so dass sie einen Schnitt hinterließ. Toya verzog nicht einmal eine Miene. „Die Klinge ist scharf, mein Prinz. Ihr könntet euch verletzen.“ Garasu warf das Schwert hinter sich. Es knallte an die Wand und blieb dann am Boden liegen.

„Ich musste mich vom Fleisch anderer Dämonen ernähren“, sagte Garasu. „Das Blut meinesgleichen trinken. Aber es war das einzige, was mich am Leben hielt.“ Er gab Toya einen Schubs, so dass er rückwärts stolperte und erneut aufs Bett fiel. „Das war wirklich eine schlimme Zeit“, fuhr Garasu fort und kniete sich über ihn. „Aber dank dem Blut deines Bruders geht es mir jetzt schon wieder viel besser. Am Anfang hab ich mich richtig davor geekelt, Dämonenblut zu trinken. Ich hab mich gefühlt, wie ein... Kannibale! Aber es ist wirklich gesund. Und ich muss sagen, dein Bruder hat äußerst gut geschmeckt.“ Er beugte sich immer tiefer zu Toya herab. „Ganz anders als die anderen. Liegt das daran, dass er und du der Königsfamilie entstammen? Ich spüre richtig, wie meine Macht zunimmt. Das verdanke ich nur meinem geliebten Yue-sama.“

„Die Raum-Zeit-Schleife hat wohl dein Gehirn verschrumpeln lassen“, fuhr Toya ihn an. Garasu grinste nur. „Eigentlich wollte ich deinem Bruder noch ein bisschen mehr entlocken, wenn du verstehst.“ „Was?“ „Weißt du, warum ich ihn noch nicht getötet habe? Na, was denkst du? Ich hätte ihn genauso gut hier liegen und verbluten lassen können. Wieso denkst du wohl, hab ich das nicht?“ „Dann lebt er also noch?“, schoss es Toya durch den Kopf. „Ich hab einfach eine Schwäche für ihn“, meinte Garasu lächelnd. „Vielleicht töte ich ihn gar nicht. Ich könnte ihn mir als Sklaven halten, was meinst du?“ „Du... perverses Arschloch!“, zischte Toya. Garasu lachte auf. „Bist du eifersüchtig?“, fragte er leise und kam Toyas Gesicht dabei gefährlich nahe. „Keine Sorge. Ich mag dich doch genau so wie ihn!“ „Oh Mann, der Typ ist ja noch verrückter geworden, als er eh schon war!“, dachte Toya angewidert. „Bei Yue konnte ich nicht weitermachen, weil er durch den Blutverlust bewusstlos geworden ist“, sagte Garasu. „Einen Ohnmächtigen zu vergewaltigen wäre langweilig gewesen. Er hätte die Erniedrigung ja gar nicht richtig miterlebt. Wie gut, dass ich dich noch habe.“ „Was?“, schrie Toya. „Wird das ein Spaß werden, mich an dir zu vergehen!“ „Nein! Lass... mich los!“ Wieder versuchte Toya, sich zu wehren, doch Garasu hielt seine Hände fest ans Bett gedrückt. „Hör auf! Du elender Bastard!“ Er spürte Garasus Zunge, wie sie über seinen Hals streifte und die Feuchte, Kälte hinterließ. „Aufhören! Nein! Nicht!“ Es war vergebens. Gegen Garasus Stärke konnte er unmöglich ankommen. „Irgendjemand... helft mir doch!“, flehte er in Gedanken. „Yue... Masa! Irgendwer...“
 

~tbc~

Hopeless love

Es klingelte an Hiros Haustür Sturm. Als die Tür geöffnet wurde, stand Subaru einem kleinen, blonden Mädchen gegenüber. „Äh, hallo!“, sagte er. „Ist Hiro da?“ „Ja“, antwortete Kari, ging zur Seite und ließ Subaru herein. „Bist du ein Freund von ihm?“, fragte sie. „Ähm, ja, könnte man so sagen“, meinte Subaru. „Sein Zimmer ist die Treppe hoch, die erste Tür rechts.“ „Danke.“
 

Die Zimmertür wurde aufgerissen. Mariko, wie so häufig mit einem Buch in der Hand, drehte sich zu Tür um. Ebenso Hiro, der am Schreibtisch vor einem Schulheft saß. „Subaru!“, schrie Mariko, stand auf und rannte zur Tür. „Was machst du hier?“ „Ist Toya nicht hier?“, fragte Subaru, ohne auf Marikos Frage zu antworten. „Ähm, nein. Wieso? Was ist denn pa...“ „Garasu“, unterbrach Subaru sie. „Er ist zurück!“ „WAS?“, schrie Hiro und sprang sofort auf. „Ich war bei Toya zu Hause, aber er ist nicht da“, erklärte Subaru. Noch wärend Subaru sprach, stürmte Hiro an ihm vorbei und zur Tür hinaus. „Wir müssen ihn finden und zwar schnell!“ - „Was ist passiert?“, wiederholte Mariko ihre Frage. „Während der Krönungszeremonie hat Garasu den Palast angegriffen“, erklärte Subaru. „Wo ist Yue?“ Subaru schwieg. Er blickte betrübt auf den Boden. „Subaru! Sag mir sofort, wo Yue ist!“ „Ich... weiß es nicht“, seufzte er. „Er hat mich im letzten Moment hier her zurückgeschickt und gesagt, ich solle euch warnen. Ich... hab keine Ahnung, was danach passiert ist.“
 

In diesem Moment kam Hiro mit dem Telefon am Ohr zurück ins Zimmer. „Er geht nicht dran“, sagte er kopfschüttelnd. „Hätte ich dir auch sagen können. Ich hab Yues Zweitschlüssel. Das Haus war menschenleer.“ „Idiot!“, fuhr Hiro ihn an. „Auf seinem Handy mein ich!“ Er drückte einen Knopf und legte das Telefon weg. „Verdammt“, fluchte er und ließ sich auf den Schreibtischstuhl nieder. „Was machen wir jetzt?“ „Vielleicht ist er nur irgendwohin gegangen und hat das Handy nicht dabei“, versuchte Mariko, sich selbst und die beiden Jungs zu beruhigen. „Garasu ist doch in der Dämonenwelt und nicht hier, oder?“ „Und was ist mit diesem Typ von neulich?“, meinte Subaru. „Die vergiftete Limonade und dieser kleine Scheißer mit den grünen Haaren. Das muss doch irgendwie zusammenhängen.“ „Im Moment können wir nichts weiter tun, als abwarten“, seufzte Mariko. „Wir haben nicht mal einen Anhaltspunkt. Wir könnten ganz Tokyo nach Toya absuchen.“ Hiro saß schweigend am Schreibtisch. Er stützte den Kopf mit den Händen ab. Seine Augen starrten nachdenklich ins Leere.

„Falsch!“, sagte Subaru plötzlich. „Etwas können wir doch tun! Das Katana, Hiro! Wir müssen Yue helfen!“ „Nein!“, schrie Mariko. „Wenn wir in die Dämonenwelt gehen, dann könnte Masa...“ Ihre Stimme wurde leiser. „...er könnte... sterben!“ Wortlos stand Hiro auf und streckte die Hand nach vorn. Mit einem fahlen Leuchten erschien das Katana mit dem Splitter des Artamilya. „Keine Sorge“, sagte er. „Ohne Toya geh ich nirgendwo hin. Außerdem wissen wir nicht mal, wo Yue jetzt ist. Wir sollten erst mal versuchen, Kontakt aufzunehmen.“ Er legte die Hände links und rechts über den Splitter des Kristalls, welcher daraufhin rot zu schimmern begann. Subaru und Mariko blickten erwartungsvoll in das Licht. Nach einer Weile ließ Hiro die Hände seufzend sinken. „Nichts“, murmelte er. „Ich kann nicht mal seine Aura spüren.“ Subaru lehnte sich seufzend gegen die Wand. „So bringt uns das gar nichts“, sagte er. „Es wäre viel zu riskant, einfach so, ohne jeden Hinweis, in die Dämonenwelt zu gehen.“ Hiro ließ das Katana wieder verschwinden. „Was ist passiert, dass ich ihn nicht mal orten kann?“, dachte er laut und setzte sich wieder. „Solange er das Artamilya bei sich trägt, müsste die Verbindung funktionieren“, meinte Subaru. Dann riss er die Augen auf. „Es sei denn...“ „Was?“, fragte Mariko zögernd. „Wenn er das Artamilya gar nicht mehr hat...“
 

Und so verstrichen einige Minuten. Niemand sagte etwas. Niemand wusste, was er hätte sagen können. „Masa“, schreckte Mariko diesen aus den Gedanken hoch. „Meinst du, Subaru und ich können heute bei dir übernachten? Nur für den Fall, dass...“ Weiter sprach sie nicht. „Hmm“, murmelte Hiro nur und fügte hinzu: „Sag’s ruhig. Auch dein Optimismus hat seine Grenzen. Falls doch was passiert ist, das wolltest du doch sagen.“ „Masa“, wisperte Mariko. „Tut mir leid!“ „Sagt mal“, unterbrach Subaru die beiden. „Ist irgendwas passiert, wovon ich nichts weiß?“ Wütend stand Hiro auf und schlug mit den Händen auf den Schreibtisch. „Er liebt mich nicht!“, schrie er Subaru an. Dieser blickte ihn nur entgeistert an. „Wen auch immer er gemeint hat, als er zu dir gesagt hat, er würde jemanden anderen lieben, mich ganz bestimmt nicht!“ Schon wieder. Schon wieder bebte sein ganzer Körper vor Wut. Wenn er nur daran dachte... Es auszusprechen war noch härter. Aber es war eben die Realität. Vielleicht sollte er sich einfach damit abfinden?! Was blieb ihm schon anderes übrig? „Freu dich doch drüber“, schluchzte er. „Du bist doch scharf auf ihn. Siehst du? Von mir hast du jedenfalls keine Konkurrenz mehr zu erwarten.“ Es kam ihm plötzlich alles so logisch vor. Es passte doch alles wunderbar zusammen. Toya hatte ihn die ganze Zeit nur ausgenutzt. Er mochte Subaru! Nicht ihn. Es war schwer zu glauben, dass sein bester Freund ihn so hintergangen haben sollte. Aber es war die einzige, logische Erklärung. Subaru wusste nicht, was er sagen sollte. „Hör auf, Masa!“, meldete Mariko sich zu Wort. „Bitte, hör auf dich selbst zu bemitleiden! Das... bringt doch jetzt nichts.“
 

Es war spät abends, als Mariko den Hörer weglegte. „Er hört immer noch nicht“, seufzte sie. „Vielleicht schläft er ja schon“, sagte Subaru. „Das Telefon hätte ihn doch aufgeweckt. Der Anrufbeantworter erst recht. So wie ich drauf geschrien hab...“
 

In der Zwischenzeit im Keller des Forschungsinstituts. Toyas Handgelenke schmerzten. Die engen Ketten, die ihn ans Bett fesselten hatten ihm die Haut blutig gerissen, als er versucht hatte sich zu wehren. „Dein Zappeln ist ja unerträglich“, meinte Garasu kopfschüttelnd. „Wieso muss ich dich immer erst ohnmächtig schlagen und anketten, bis du Ruhe gibst?“ „Ich... war ohnmächtig?“, dachte Toya.

Erst jetzt erinnerte er sich richtig, was geschehen war. Der Gedanke an Garasus Berührungen versetzte ihm eine Gänsehaut. Wie er sich davor ekelte. Es war ein Alptraum. Ein Alptraum, der noch nicht vorbei sein sollte. „Ich könnte mir eigentlich doch deinen Bruder vornehmen“, überlegte Garasu laut. „Vielleicht hat Ichiro ihn in der Zwischenzeit wieder wach gekriegt. Ichiro ist wirklich eine große Hilfe. Er ist nicht nur spezialisiert auf Zeit- und Raumreisen, er hat auch erstaunliche heilende Kräfte. Wenn Yue wieder bei Bewusstsein ist, könnte ich doch...“ „Lass gefälligst deine dreckigen Finger von ihm!“, fuhr Toya ihn an. Garasu lachte laut auf. Er setzte sich aufs Bett, beugte sich über Toya und legte die Hand auf dessen Wange. „Nicht zu fassen“, hauchte er. „Selbst jetzt, wo du an mein Bett gefesselt und mir ausgeliefert bist, wagst du es noch, mir zu drohen?!“ Seine Hand fuhr langsam über Toyas Hals. „Was für schöne, weiche Haut du doch hast. Wie gerne würde ich sie dir bei lebendigem Leibe abziehen.“ Allein bei dem Gedanken daran, wurde Toya speiübel. Was war dieser Kerl nur für ein perverser Sadist?

Garasu griff nach etwas, das auf dem Nachttisch neben dem Bett lag. Als Toya den Kopf drehte, sah er, dass es ein Dolch war. Er zuckte zusammen. „Was ist?“, fragte Garasu trocken. „Hast du etwa Angst?“ Angst war gar kein Ausdruck. Niemals hätte er es Garasu gegenüber zugegeben, aber er hatte noch nie zuvor solche Angst gehabt. Nicht vor dem Tod, nein vielmehr vor den Schmerzen, die Garasu ihm zufügen würde. Ihn einfach zu töten wäre barmherzig gewesen. Aber Garasus sadistische Ader verbot es ihm geradezu, Toya kurz und schmerzlos zu töten. Es amüsierte ihn doch regelrecht, sein Opfer leiden zu sehen. „Erinnerst du dich?“, begann Garasu und legte die Klinge des Dolches an Toyas Schläfe. „Wie du mir damals das Schwert in den Rücken gerammt hast?“ Die Klinge schnitt durch den Stoff von Toyas Hemd und entblößte seinen Oberkörper. „Das hat ganz schön wehgetan, weißt du? Nicht dass das alleine mich hätte töten können, aber es hat trotzdem weh getan.“ Toya spürte den Druck der spitzen Klinge auf seiner Brust. Er blickte wortlos an die Decke. Wagte es nicht einmal, herabzublicken. Der Druck nahm zu. Blut trat aus der Schnittwunde hervor. Garasu senkte den Kopf und leckte es wortlos ab. „Es schmeckt fast noch besser als das deines Bruders“, flüsterte er. „Eine andere Blutgruppe?“ Toya gab keinen Ton von sich. Seufzend hob Garasu den Kopf. „Was soll ich nur mit dir anstellen, als Rache für die Schmerzen, die du mir zugefügt hast? Ich hab genug Waffen hier. Was soll ich dir denn nur wo hineinrammen?“ Er stützte sich auf dem Bett ab und beugte sich wieder zu Toyas Kopf herab. „Weißt du, es ist nicht wirklich Hass, was ich für dich empfinde“, flüsterte er. „Ich liebe dich auch. Sonst wäre ich doch nicht so zärtlich zu dir.“ Seine Lippen berührten leicht Toyas eigene. Dieser drehte rasch den Kopf weg. Doch Garasu hielt ihn mit den Händen fest. Er presste die Lippen erneut auf Toyas. „Wenn du dich wehrst, wird es nur weh tun“, hauchte er. „Also mach den Mund auf!“ Plötzlich fuhr Garasu hoch. Er wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel. „Gebissen hast du ja schon immer gern, was?“ „Du... bist völlig verrückt“, sagte Toya trocken. „Noch psychopathischer als damals.“ „Was hast du erwartet?“, fragte Garasu und fuhr mit der Hand über Toyas Bauch. „Weißt du, wie viele Jahre für mich vergangen sind? Eingesperrt in einem schwarzen Loch, wo die Jahre in Sekunden vergingen und mir doch erschienen, wie eine Ewigkeit. Selbst ein Dämon verfällt irgendwann dem Alter und dem Tode. Und auch dem Wahnsinn.“

Plötzlich spürte Toya, wie Garasu ihm die Hose auszog. „Hör auf!“, schrie er und versuchte mit den Beinen nach Garasu zu treten. „Nein! Aufhören!“ „Hör du lieber endlich auf, dich zu wehren!“, erwiderte Garasu. „Das bringt doch sowieso nichts.“ Die Hose fiel zu Boden. „Oh, dieser Blick“, seufzte Garasu. „Habe ich deinen Stolz noch immer nicht gebrochen?“ Er sah Toya hämisch grinsend an. „Das wirst du niemals!“, zischte Toya. „Ziemlich mutige Wort für jemanden in deiner Situation“, bemerkte Garasu und begann sich selbst zu entkleiden. Toya wandte den Blick ab. Er spürte die Berührung von Garasus Händen an seiner Hüfte. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er konnte sich nicht einmal rühren. Er hatte noch nie solche Scham empfunden, wie in diesem Moment – und als dann auch noch das letzte Stück Stoff von seinen Hüften gezogen wurde. „Was sehe ich denn da?“, sagte Garasu. Der Ton in seiner Stimme klang wie der eines Kindes, das gerade ein Spiel gewonnen hatte. Was war das hier für ein perverses Spiel? „Weinst du etwa?“ Toya kniff die Augen zusammen. Garasu packte ihn unsanft am Kinn und drehte Toyas Kopf in seine Richtung. „Los, mach die Augen auf!“ Wortlos öffnete Toya die Augen. Sein Blick war verzweifelt und zugleich wutentbrannt. „Du siehst aus, wie ein ungezähmtes Tier“, meinte Garasu grinsend. Dann küsste er wieder Toyas Lippen. Toya zuckte zusammen. Er spürte Garasus Hände über seinen Körper fahren. „Nein! Nicht!“, wimmerte er. Niemand durfte ihn dort berühren! Niemand, außer... „Masa!“, schoss es ihm durch den Kopf. „Bitte, hilf mir!“ „Hör auf!“ Mit Gewalt drückte Garasu Toyas Beine auseinander. „NEIN!“, schrie Toya panisch. Er wehrte sich so gut es ging. Die Ketten rieben an seinen Handgelenken. „Lass mich los!!! Aaaah! Auaaa...“
 

Montagmorgen. Hiro, Mariko und Subaru waren extra früher aufgestanden und hatten sich auf den Weg zu Toyas Haus gemacht. Nachdem auf ihr Klingeln niemand aufgemacht hatte, holte Subaru nun den Schlüssel hervor und schloss die Tür auf. Dass Toya, Yue einen Zweitschlüssel gegeben hatte, hatte Hiro gar nicht gewusst. Einen Moment lang war er eifersüchtig gewesen und hatte sich gefragt, warum er selbst keinen hatte. Doch dann sagte er sich, dass das hier absolut der falsche Moment für Eifersucht war.

Gemeinsam betraten die drei das Haus. „Toya!“, rief Mariko. „Frau Sakasa? Hallo?“ „Hey, schau mal“, sagte Subaru plötzlich. „Da ist ‘ne Nachricht auf dem Anrufbeantworter.“ „Los, drück schon drauf!“, drängte Hiro ihn und drückte dann selbst hastig den Abhörknopf. „Hallo, Toya! Hier ist Mama. Dein Vater und ich haben beschlossen noch etwas länger hier zu bleiben. Wir kommen erst nächste Woche nach Hause.“ „Na toll!“, seufzte Hiro, der auf einen Hinweis gehofft hatte. „Das war wohl nichts“, meinte Subaru. In diesem Moment kam Mariko die Treppen herunter. „Oben ist er auch nicht“, sagte sie. „Also bis nächste Woche. Machs gut, mein Schatz.“ „Das ist nur ‘ne Nachricht von seinen Eltern“, erklärte Hiro ihr. „Gehen wir.“
 

Nach der Schule waren die drei auf dem Weg nach Hause. Mariko schwänzte zum ersten Mal sogar die Klassensprecherversammlung. Sie war den ganzen Tag keine Sekunde von Hiro und Subaru gewichen. Ständig redete sie den Jungs ein, es wäre sicher nichts Schlimmes passiert, aber mit jeder Sekunde glaubte sie weniger an ihre eigenen Worte. „Sag mal, brauchen die nicht eine schriftliche Entschuldigung?“, fragte sie die beiden Jungs nach einer Weile. „Normalerweise ruft die Schulleitung zumindest zu Hause an, wenn jemand unentschuldigt fehlt.“ „Ich hab die Unterschrift gefälscht“, meinte Hiro. „So was kannst du?“, fragte Subaru. „Was meinst du, wie oft wir schon die Unterschriften unserer Eltern gefälscht haben?“ „Mensch, du verdirbst den armen Toya ja total!“, meinte Mariko kopfschüttelnd. Sie dachte daran, wie Toya bei ihrem Telefonat mit ihr umgesprungen war. Aber sie war nicht wirklich böse auf ihn. Sein seltsames Benehmen. Es musste mit seinem Verschwinden zu tun haben. „Toya verschwindet irgendwie ziemlich oft“, dachte sie. Plötzlich fiel ihr ein, wie sie sich neulich in der Stadt auch schon aus den Augen verloren hatten. „Komisch. Wieso hab ich dabei so ein seltsames Gefühl?“
 

Plötzlich hörte sie einen schrillen Piepton in den Ohren. „Aaah, was... ist das?“ Sie hielt sich die Hände an den Kopf und sank in die Knie. „Mariko!“, schrien Hiro und Subaru gleichzeitig und bückten sich nach ihr. „Was ist denn los?“ Vor Marikos zusammengekniffenen Augen ergaben sich Bilder. Wie ein Film lief es wahnsinnig schnell vor ihr ab. Toya! Garasu! Was war das für ein Gebäude? DNA-Forschungslabor? Das kannte sie doch! Sie wusste wo dieses Gebäude stand.

Mit einem Mal sah sie wieder klar. Hiro und Subaru knieten vor ihr. „Geht es dir gut?“, fragte Subaru. „Was war das?“, wisperte Mariko. Es war genau wie damals. Diese Bilder. Wie eine Vision. Aber das war unmöglich! Sumi war tot! „Mariko, was ist denn?“ „Ich hab ihn gesehen“, fiepte Mariko. „Toya! Ich denke, ich weiß wo er ist.“
 

Plötzlich packte jemand die drei am Kragen und zog sie in eine Seitengasse. Als Hiro sich umdrehte, traute er seinen Augen kaum. Ihnen gegenüber stand ein Mädchen, etwa in ihrem Alter. Es trug ein Bikinioberteil und sehr knappe Hotpants. Die dicken, blonden Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden und reichten bis über den Rücken. Das Mädchen lächelte und blickte die drei mit ihren großen, giftgrünen Augen an. „Na endlich!“, sagte sie mit heller, klarer Stimme. „Endlich hab ich euch gefunden! Ich bin schon seit Stunden in dieser riesigen Stadt unterwegs. Schau Subaru, ich hab mir sogar irdische Kleidung gekauft, damit ich nicht so auffalle.“ Subaru blickte das Mädchen sprachlos an. „Damit fällst du fast noch mehr auf!“, schrie er sie an. „Irgendwie hat das Raum-Zeit-Tor sich an einer anderen Stelle geöffnet, als geplant, sonst hätte ich euch eher gefunden“, überlegte das Mädchen laut. „Raum-Zeit-...Tor?“, stotterte Mariko. „Wa...wa...was...?“ „Hiro!!!“, plärrte das Mädchen dann und fiel Hiro um den Hals. „Wir haben uns ewig nicht gesehen. Ich freue mich wirklich! Mein Gott, du siehst ja so menschlich aus!“ „Ganz im Gegensatz zu dir“, maulte Hiro und drückte das Mädchen von sich. Er legte ihr die Hände aufs Gesicht. Mariko sah, wie die Ohren des Mädchens ihre spitze Form verloren. „So ist’s besser“, meinte Hiro. „A...aber, aber“, stotterte Mariko. „Was? Wer? Wie?“ „Mariko, das hier ist meine Cousine Riku. Subaru ist damals mit ihrer Hilfe hier hergekommen, erinnerst du dich?“ „Wow, ihr könntet glatt als Zwillinge durchgehen! Die sieht ja aus wie du in weiblich!“, staunte Mariko und fügte an Riku gewandt hinzu: „Äh, ähm, ja. Ha...hallo!“ „Waaaa!“, plärrte Riku. „Ist sie etwa ein, ein, ein... Oh mein Gott! Sie IST ein... ein Mensch! Wahnsinn! Darf ich dich mal anfassen?“ Sie tippte Mariko auf den Oberarm. „Mensch, sie fühlt sich deshalb auch nicht anders an“, seufzt Hiro. „Noch ein Dämon“, wimmert Mariko völlig perplex. „Was willst du eigentlich hier?“, fragte Subaru. „Euch helfen, was sonst?“, antwortete Hiros Cousine. „Nach diesem Vorfall bei der Zeremonie ist Yue-sama verschwunden. Alle fürchten sich, weil Garasu wieder zurück ist. Und als du auch noch verschwunden warst, hab ich mir gedacht, ich komm mal her und such dich.“ „Komm mal her“, wiederholte Mariko. „Das hört sich an, als wär das so leicht.“ „Ist es auch“, stimmte Riku lächelnd zu. „Zeitreisen sind schwer, aber Raumreisen kriegt jeder gescheite Magier mit ein bisschen Übung hin!“ „Gib nicht so an“, sagte Subaru. „Du hast selbst fast ein halbes Jahr gebraucht, um es zu lernen.“ „Ach was! He, he!“, kicherte Riku. „Aber gut dass du da bist, dann kannst du uns ja gleich zurück bringen“, fuhr Subaru fort. „Stop!“, meldete Hiro sich zu Wort und wandte sich dann Mariko zu. „Was hast du vorhin gesagt, Mariko? Du weißt, wo Toya ist?“ „Ich bin nicht sicher. Das war gerade so komisch. Wie eine Vision! Aber das geht doch nicht, schließlich ist Sumi...“ „Egal, einen Versuch ist es wert. Also, wo?“ „Das DNA-Forschungslabor.“ „WAS?“, schrie Hiro. „DNA?“ „Wenn wir die U-Bahn nehmen sind wir schnell da.“ „Dann beeilen wir uns“, sagte Subaru. Und damit rannten die drei los. „Hey, wartet auf miiiich!“, plärrte Riku und rannte ihnen nach. „DNA!“, schrie Hiro wieder. „Wehe die haben ihm was angetan! Ich bring sie alle um, ich schwörs! Jeden einzelnen!“
 

Das nächste, was Toya wahrnahm, war dass er wieder in dem kahlen Raum war, wo Ichiro ihn anfangs festgehalten hatte. Es konnte natürlich auch ein anderer sein. Er mochte zu bezweifeln, dass in einem Labor nicht fast jeder Raum ähnlich aussah. Er wollte nicht daran denken, was geschehen war. „Katsumotos Leute haben dir 'n ganzen Haufen Blut abgenommen“, sagte plötzlich eine Stimme. Als Toya aufblickte, sah er Ichiro. „Sehr praktisch, dass du und dein Bruder verschiedene Blutgruppen haben. Sehr hilfreich für Katsumotos Forschungen. Er fängt mit den harmlosen Tests an. Wenn er mit dir fertig ist, wird nicht mehr viel von dir übrig sein. Für Garasu-sama hast du deinen Zweck ja schon erfüllt.“

Toya schauderte es, als er daran erinnert wurde. Er fühlte sich so dreckig. Ja, dreckig war der richtige Ausdruck. Dasselbe hatte er zu Hiro gesagt, nachdem sie... aber das hier war etwas anderes. Zu Hiro hatte er es nur gesagt, um ihn zu ärgern. Diesmal fühlte er sich wirklich so. Und er hatte die dumpfe Vorahnung, dass sich dieses Gefühl nicht einfach mit Wasser abwaschen ließ.
 

„Was ist? Hat es dir nicht gefallen?“, fragte Ichiro. „Soweit ich weiß treibst du’s doch öfters mit Typen.“ Toya standen Tränen in den Augen. „Och, fängst du jetzt an zu heulen? Du Armer“, zog Ichiro ihn auf. „Sei nicht traurig! Freu dich lieber! So wie's aussieht wirst du deine Freunde gleich wiedersehen.“ „Was?“ Toya fuhr erschrocken zusammen. „Was sagst du da?“ „Sieh selbst!“ Ichiro deutete auf einen der Monitore hinter ihnen im Raum. Der Eingang des Gebäudes war darauf zu sehen. Waren das...? Nein! Das durfte nicht sein! Hiro! Mariko! Subaru! „Was machen die denn hier?“, dachte er panisch. „Tja, Pech für sie, was?“, meinte Ichiro grinsend. „Ich hab gesagt, ich lasse sie in Ruhe, solange sie sich nicht einmischen. Aber das war’s dann wohl.“ „Nein!“, schrie Toya. „Bitte! Gib mir noch eine Chance! Ich... werde sie wegschicken! Bitte! Tu ihnen nichts!“ Ichiro grinste schadenfroh. „Hmm, könnte amüsant werden, das mit anzusehen. Also gut, von mir aus. Ich bringe dich zu ihnen.“
 

Hiro, Mariko, Subaru und Riku standen ratlos in der riesigen Eingangshalle. Links und rechts führten große Treppen in obere Stockwerke. Dann war da noch ein Aufzug. „Und weiter?“, fragte Hiro. „Tut mir leid“, seufzte Mariko. „Mehr hab ich nicht gesehen.“ Subaru kaute nachdenklich auf seinem Fingernagel herum. „Seltsam“, murmelte er dann. „Was denn?“, fragte Riku. „Dass wir so einfach hier rein gekommen sind. Ich seh hier keine Menschenseele.“ „Hmm, du hast recht.“
 

„Was wollt ihr hier?“, sagte plötzlich eine Stimme. Als die vier aufblickten, sahen sie Toya am oberen Ende einer der Treppen stehen. „Toya!“, riefen Hiro, Mariko und Subaru wie aus einem Munde. Wortlos ging Toya die Treppen hinunter. Als er einige Meter vor ihnen stehen blieb, kam Hiro auf ihn zugerannt. „Bleib wo du bist!“, schrie Toya ihn an. Prompt blieb Hiro stehen. „A...aber Toya“, stotterte er. „Wir haben uns Sorgen gemacht“, sagte Mariko, wagte es jedoch nicht, näher zu treten. „Was ist passiert?“ „Das geht euch doch einen Scheißdreck an“, fuhr Toya sie an. „Tut mir leid, dass ich euch enttäuschen muss, aber ihr habt euch umsonst gesorgt. Ich bin freiwillig hier.“ „WAS?“ „Sag mal, haben die dich einer Gehirnwäsche unterzogen?“, schrie Hiro wütend. „Du willst es einfach nicht kapieren, was?“, meinte Toya an ihn gewandt. Plötzlich kam ihm eine Idee. „Okay, wenn dir meine Abfuhr nicht reicht... Du kannst gern noch mehr hören. Also, wenn du’s genau wissen willst, ich habe jemanden anderen gefunden.“ Hiro traute seinen Ohren kaum. Ichiro, der vom oberen Treppenende alles beobachtet hatte, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dieses Schauspiel verlangte ja geradezu nach seinem Auftritt. „Ganz recht“, meldete er sich zu Wort. Erst jetzt bemerkten die anderen ihn. „Er hat jemanden gefunden und zwar mich“, fuhr Ichiro fort, während er die Treppe nach unten ging. „Du?!“, zischte Hiro. „Der Giftmischer!“, schrie Mariko. Und auch Subaru erkannte ihn sofort. „Toya, das ist nicht dein ernst.“ „D...doch“, sagte Toya mit zaghafter Stimme und entschied sich, Ichiros Spielchen mitzuspielen. Es war ein unbehagliches Gefühl, wie Ichiro die Arme um ihn legte, doch er wehrte sich nicht. Nach allem, was geschehen war, war das hier das reinste Vergnügen. „Nimm gefälligst deine Finger von ihm!“, schrie Hiro, Ichiro an. „Fass ihn nicht an, oder ich breche dir jeden Knochen einzelnd du Pimpf!“ Ichiro grinste amüsiert. „Und was würde dir das bringen?“, fragte er gelassen. „Denkst du, dein Liebster würde dann zu dir zurückkommen?“ „Vergiss es“, sagte Toya. „Haut einfach ab. Und zwar alle!“ Ichiro legte ihm den Arm auf den Rücken und sagte: „Komm, wir gehen!“ Wortlos kehrte Toya seinen Freunden den Rücken.
 

„TOYA!“, rief Hiro ihm nach. Ohne sich umzudrehen, blieb Toya stehen. „Wenn das wahr ist“, begann Hiro. „Wenn das, das Ende ist, dann... ist das hier vielleicht die letzte Chance, dir das zu sagen. Also tu mir den Gefallen und hör... mir nur ein einziges Mal noch zu!“ Niemand sagte auch nur ein Wort. Ichiro stand schweigend neben Toya, der Hiro und den anderen nach wie vor den Rücken kehrte. Hiro fasste sein Schweigen als Einwilligung auf. „Also...“, murmelte er. „Ich... kann verstehen, wenn du mich hasst. Du hast Recht! Ich hab unsere Freundschaft kaputtgemacht. Ich... hätte dir niemals sagen sollen, dass ich dich liebe. Vielleicht wäre das besser gewesen, aber... ich...“ Seine Stimme wurde immer leiser. Zum Teil war es Absicht. Er hoffte, so verbergen zu können, dass weinte. Doch dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten. „Ich bereue nicht, dass es passiert ist!“, schrie er. „Ich bereue nicht, dass ich es dir gesagt hab, weil... Es hat so wehgetan. Diese ewige Heimlichtuerei. Ich hab’s nicht mehr ausgehalten, deshalb musste ich es dir sagen. Und als du... als es zumindest so schien, als ob du meine Gefühle erwidern würdest, da... da war ich so glücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben! Ich war so glücklich. Ich wünschte, wir hätten immer so zusammen bleiben können. Ich kann nicht glauben, dass du so herzlos bist! Dass du mich die ganze Zeit verarscht hast! So bist du nicht, Toya! Und selbst wenn...“ „Ich kann nicht mehr“, schoss es Hiro durch den Kopf. Er sank auf dem kalten Boden in die Knie. „Selbst wenn es so ist... Ob ich dir nun egal bin, oder ob du mich hasst. Das spielt im Endeffekt keine Rolle, denn...“ Er vergrub den Kopf in den Händen. „Ich liebe dich nun mal! Nein, ich... ich bin besessen von dir!“
 

Toya hörte das Weinen seines Freundes. Er musste sich wirklich beherrschen, sich nicht umzudrehen. „Ich... kann nichts dagegen tun! Ich hatte gehofft, es würde irgendwann einfach aufhören, aber das tut es nicht! Immer wenn ich denke, ich könnte dich nicht noch mehr lieben, beweise ich mir selbst im nächsten Moment das Gegenteil. Seit ich denken kann, waren wir immer zusammen. Ich kann nicht von heute auf morgen ohne dich leben, Toya! Das geht einfach nicht! Tut mir leid, dass ich dich so nerve. Aber ich hab vor nichts auf der Welt mehr Angst, als davor, ohne dich sein zu müssen! Lieber sterbe ich! Bitte, Toya... ich... ich tu alles... alles, was du willst, aber...“

Nun war es zu spät. Diesmal war er wirklich am Ende. Die zitternden Arme, mit denen er sich am Boden abstützte, drohten zusammenzubrechen. „...aber“, schluchzte er. „Bitte... verlass mich nicht!!!“ Lautlos liefen die Tränen über Toyas Gesicht. Oder war sein eigenes Schluchzen in dem Hiros untergegangen? „Bevor du mich verlässt“, schluchzte Hiro. „...bring mich lieber um!“

„Nein Toya!“, sagte Toya zu sich selbst. „Gib jetzt bloß nicht nach!“ „Bist du endlich fertig, mit deinem Geschwafel?“, fragte Ichiro ziemlich angewidert. „Ich will bei dir sein, Masa“, sagte Toya in Gedanken. „Ich will, dass du mich in die Arme nimmst! Ich... halt’s nicht mehr aus!“ „Los, komm, Toya!“, sagte Ichiro und nahm ihn am Arm.
 

Doch in diesem Moment riss dieser sich los, und rannte davon. Als Hiro, Ichiro rufen hörte: „Toya, komm sofort zurück!“, blickte er überrascht auf. Toya fiel ihm geradewegs in die Arme. „Toya?!“, wisperte Hiro. „Es tut mir so leid“, heulte Toya. Dann drückte er seine Lippen auf Hiros. „Oh Gott, was tue ich hier?“, schoss es ihm durch den Kopf. „Ich mache ja alles zunichte! Nicht doch! Ich darf das nicht!“ Schweren Herzens löste er die Lippen wieder von seinem Freund. „Nein“, sagte Hiro nur. „Schau mich nicht so an! Ich lasse dich nicht los! Nie wieder!“

„Das werden wir ja sehen!“, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Toya wurde am Arm gepackt und von Hiro weggezogen. Hiro gegenüber stand niemand geringeres als Garasu. „Meister!“, schrie Ichiro offensichtlich ebenso überrascht, wie all die anderen Anwesenden. „Du gehörst jetzt mir, hast du das schon vergessen?“, sagte Garasu zu Toya und hielt ihn nun an den Haaren fest. „Aua! Lass mich los!“, schrie Toya. Plötzlich fuhr Garasu blitzschnell herum und hielt den Arm schützend vor sich. Die Klinge von Hiros Katana knallte dagegen. Blut spritzte Hiro ins Gesicht, doch Garasu schien die Wunde gar nicht zu stören. „Was?“, dachte Hiro. „Wie konnte er diesen Angriff voraussehen?“ „Lass ihn sofort los!“, sagte er. Garasu grinste nur. Mit einem Mal riss er Hiro das Schwert aus den Händen und warf es in hohem Bogen weg. „Wie oft willst du das noch probieren, du dummer Junge?!“, sagte er trocken und wandte sich wieder Toya zu. „Ihn küsst du also freiwillig, ja? Und ich muss mir alles von dir erzwingen.“ Und damit drückte er Toya einen Kuss auf die Lippen. „Also dann“, fuhr er an Hiro und die anderen gewandt fort. „Es war schön, euch alle mal wieder getroffen zu haben. Wenn ihr uns jetzt entschuldigen würdet. Ichiro, wir gehen.“ „Jawohl, Meister.“ Und damit löste Ichiro sich in Luft auf. „Nein! Toya!“ Zu spät. Auch Garasu war verschwunden. Mitsamt Toya in seiner Gewalt.
 

Wortlos stand Hiro da. Erst jetzt hörte er Marikos leises Wimmern hinter sich. Er war sich sicher, dass sie sich gerade in diesem Moment die Hand vor den Mund hielt. Subaru sagte keinen Ton. Genauso wenig Riku. Hiro fühlte sich, als würde ihm gerade bei lebendigem Leibe das Herz herausgerissen. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles, was in seinem Kopf Platz fand, war nur dieser eine Name. „Toya!“
 

~tbc~

Rescue

„Erstaunlich“, murmelte Katsumoto in seinen Schnauzbart. Er stand hinter seinen Angestellten und blickte nachdenklich auf einen der Monitore. „Die einzelnen Chromosomen setzen sich ganz anders zusammen als bei einem Menschen. Die Zellteilung läuft anders ab...“ Toya hörte die Stimmen nur leise. Wie lang war er schon hier? Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Die meiste Zeit war er nicht bei Bewusstsein. Er vermutete, dass die Mittel, die man ihm spritzte daran schuld sein mussten. „Ich habe dafür gesorgt, dass du deine dämonische Gestalt wieder annimmst“, sagte plötzlich jemand.

Toya wusste sofort, dass diesmal er angesprochen worden war. Er drehte den Kopf. Dass Ichiro ihm gegenüberstand wunderte ihn gar nicht. Offenbar war dieser der einzige, der überhaupt mit ihm sprach. Katsumoto und seine Leute behandelten ihn wie ein Tier. Hielten sie ihn für eine wilde Bestie, weil er ein Dämon war? Dachten sie, er würde kratzen und beißen, wenn sie ihn von der Kette lassen würden? Dass er ihre Sprache zu verstehen schien, war für diese Menschen wohl so etwas wie ein Wunder. „Mit einem menschlichen Körper hätten die hier nicht viel anfangen können“, erklärte Ichiro ihm. „Außerdem siehst du mit den Reißzähnen eh viel süßer aus.“ Er lachte spöttisch. „Das war wirklich eine tolle Show, die du da abgezogen hast. Wolltest du deine Freunde nicht vergraulen? Ist dir wohl nicht so leicht gefallen, was? Das hat man ja gesehen. Ich hoffe, du hast aus deinem Fehler gelernt. Sollten sie noch mal hier auftauchen, werde ich keine Gnade mehr walten lassen.“ Die Gewissheit, dass seine Freunde anscheinend noch einmal heil davon gekommen waren, beruhigte Toya etwas. „Wo... ist Yue?“, fragte er. „Dein Bruder ist mit meinem Meister in dessen Palast. Garasu-sama hat darauf bestanden ihn mitzunehmen. Katsumoto war vielleicht sauer, dass er eines seiner Versuchskarnickel verloren hat. Aber mit Garasu-sama würde er sich niemals anlegen. Dein Bruder hat wirklich Glück, dass mein Meister ihn so mag. Ich denke er wird ihn wesentlich besser behandeln als die Leute dich hier.“ Er ging etwas näher zu Toya heran, so dass niemand der Forscher ihn hören konnte. „Ich bin gekommen, um dir Lebe wohl zu sagen. Meine Aufgabe hier ist zu Ende. Ich gehe zurück in die Dämonenwelt, um meinem Meister zu dienen. Yue ist in seiner Gewalt und du bist so gut wie tot. Es kann sich nur noch um wenige Tage handeln, bis Garasu-sama die Welt der Dämonen beherrscht. Und soll ich dir was sagen?“ Er legte eine kurze Pause in seine Stimme. „Dann werden deine Freunde genauso sterben, wie dieses ganze Ungeziefer, genannt Menschen.“ „Nein! Du... hast gesagt, du verschonst sie!“ Ichiro lachte auf. „Ich wollte eine Gegenleistung, schon vergessen?“, sagte er. „Menschen zu Dämonen zu machen. Du sagtest du könntest das, aber ich weiß schon längst, dass du mich angelogen hast. Trotzdem, es war amüsant, deine Bemühungen mit anzusehen.“ Wieder lachte er. Er drückte die Handschellen an Toyas Handgelenke. Es brannte, als das Metall die aufgeraute Haut berührte. Toya kniff die Augen zusammen, verkniff es sich jedoch, auch nur einen Laut von sich zu geben. „Na dann, auf nimmer wiedersehen, Toya-chan! War nett, die kennengelernt zu haben.“ Und damit kehrte er Toya den Rücken. Toya ließ den Kopf sinken.
 

In diesem Moment kam einer der Männer in diesen weißen Kitteln zu ihm. „So, dann wollen wir mal sehen, wie dein Körper darauf reagiert“, sagte er. In dieser Stimme lag kein Hauch von Mitleid. Als würde es ihn nicht kümmern, selbst wenn Toya von - was auch immer er ihm diesmal verabreichte - sterben würde. Was waren das für Kreaturen, die jemanden so für ihre Zwecke behandelten? Wenn Menschen so waren, dann würde es vielleicht wirklich besser sein, sie auszulöschen. Dämon hin oder her. Ein Dämon zu sein, hieß doch nicht gleich, ein Teufel zu sein. Etwas Böses... Nein, so waren sie nicht! Sie waren doch auch nicht anders, als Menschen. Garasu, Ichiro und diese Forscher, DAS waren die wahren Teufel! Diese Menschen sollten genauso ausgelöscht werden, wie Garasu! Eine ungeheure Wut stieg in Toya auf. Waren das die Menschen, für die er, Yue und Hiro, Garasu schon einmal vernichtet hatten? Waren das die Kreaturen, die er gerettet hatte? Und das hier war der Dank dafür? „Lasst mich los!“, schrie er und verpasste dem Forscher mit dem Fuß einen Tritt in den Magen. Der Geschlagene wich zurück. Die Spritze fiel aus seinen Händen und zerbrach. „Katsumoto-sama!“, rief ein anderer Forscher, der das Geschehen beobachtet hatte. Der dickliche Mann drehte sich um. „Lasst mich hier raus, ihr elenden...“, schrie Toya. „Verabreicht ihm ein Schlafmittel“, sagte Katsumoto trocken. Zwei der Männer mit den weißen Kitteln packten Toya links und rechts und hielten ihn fest. Ein dritter kam mit einer weiteren Spritze auf ihn zu. Toya spürte einen kurzen Stich im Oberarm. „Und bindet seine Beine auch noch fest“, hörte er Katsumoto sagen. „Ich will hier raus!“, dachte er. Das Mittel musste stark sein. Es wirkte schnell. „Bitte, holt mich hier raus!“ Sterben wäre barmherziger gewesen, als noch länger an diesem Ort bleiben zu müssen. „Ich kann nicht mehr.“ Und wie so häufig wurde es wieder dunkel vor seinen Augen.
 

Es war Donnerstag. Drei Tage waren vergangen, seit dem Hiro, Mariko, Subaru und Riku, Toya gesehen hatten. „Wir können nichts tun“, hatte Mariko gesagt. „Nicht nur Garasu und dieser Junge, sondern auch all die anderen Personen in diesem Forschungsinstitut stehen gegen uns. Einfach das Gebäude zu stürmen würde überhaupt nichts bringen.“ Aber was sollten sie sonst tun? „Auf ein Zeichen von Yue warten“, dachte Hiro, auf dem Weg nach Hause. „So ein Schwachsinn. Riku ist extra noch mal zurückgegangen und hat ihn gesucht. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Nicht mal seine Aura hat sie aufgespürt. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass er überhaupt noch lebt.“ Gestern war Riku von ihrer Botentour zurückgekehrt. Keine Spur von Yue, aber sie hatte stattdessen Garasus Aura in der Dämonenwelt gespürt. Das hieß also, dass Garasu wieder dort war. Was plante dieser Kerl? Hiro kam es vor, als würde er zwischen den Welten reisen, wie es ihm gerade passte. „Wir können doch nicht einfach da stehen und gar nichts tun!“, dachte er. „Wenn Subaru und Mariko nicht wollen, dann muss ich eben alleine was unternehmen. Ich kann nicht noch länger auf ein Wunder warten.“ Am Donnerstag hatten sowohl Mariko, als auch neuerdings Subaru, AGs. Deshalb hatte Hiro bis heute gewartet. So konnte er sicher gehen, dass sie sein Vorhaben nicht behindern würden. Er konnte Toya nicht einfach dort lassen. In diesem... diesem Knast, wie es ihm vorkam. Ein Forschungslabor. Das klang in seinen Ohren wie die reinste Folterkammer.
 

Er hatte sein Haus gerade erreicht. „Hiro, bist du das?“, rief eine Frauenstimme aus der Küche. Dann lugte Hiros Mutter in den Flur. „Was macht die denn hier?“, wunderte er sich. Dann fiel ihm wieder ein, dass sie heute ihren freien Tag hatte. „Na toll!“, dachte er sich. „Sag mal, willst du Toya zum Essen einladen?“, fragte seine Mutter. „Ich hab ein bisschen zu viel gemacht, also, wenn du willst...“ „Toya ist krank“, murmelte Hiro nur und ging die Treppen hoch. „Ach ja?“ „Ja, er war die ganze Woche nicht in der Schule.“ „So lange? Hoffentlich ist es nichts Schlimmes. Richte ihm gute Besserung aus, ja?“ Hiro antwortete nicht. Er warf die Schultasche in eine Ecke seines Zimmers, holte eine kleine Pappschachtel aus dem Schrank und rannte wieder aus dem Zimmer.
 

„Du, ich kann leider nicht mitessen“, sagte er zu seiner Mutter, die gerade dabei war, seiner Schwester einen Teller hinzustellen. „Was? Aber wieso denn nicht?“ „Ich muss...“, er überlegte kurz. „Toya die Hausaufgaben bringen. Also, bis später!“ „Hiro, warte!“, rief seine Mutter noch, doch die Haustür wurde schon zugeschlagen. „Irre ich mich, Kari, oder hatte er gar keine Hefte dabei?“ Kari schaute etwas unsicher. Dann zuckte sie wortlos mit den Schultern.
 

Gerade als Hiro auf sein Fahrrad gestiegen war, sagte plötzlich jemand hinter ihm: „Du gehst noch mal da hin, oder?“ Hiro drehte sich um. Hinter ihm stand Riku, wieder in Hotpants, doch diesmal trug sie dazu wenigstens ein T-Shirt. „Was machst du denn hier?“ „Ach, ich lauf halt ‘n bisschen in der Gegend herum. Schließlich hab ich keine Schule.“ „Hmm“, murmelte Hiro. Er befürchtete, dass seine Cousine mit ihm gehen wollen würde. Umso überraschter war er, als Riku nur sagte: „Pass auf dich auf!“ „Mach ich.“ Er trat in die Pedale und fuhr an ihr vorbei. „Hiro!“, rief sie ihm dann nach. Hiro bremste. „Was denn noch?“ „Ich soll dir etwas ausrichten, von deinen Eltern“, rief Riku. „Es tut ihnen leid, was damals passiert ist!“ Hiro traute seinen Ohren kaum. „Es... tut ihnen leid?“, wiederholte er ihre Worte in Gedanken. Doch dann drehte er sich wortlos um, und fuhr davon.
 

„Es ist ihnen wirklich nicht leicht gefallen, ihn wegzugeben“, dachte Riku, während sie ein paar Sekunden da stand und Hiro nachblickte. „Aber sie hatten wenig Geld und ich denke, für Hiro war es das Beste. Sonst... hätte er seinen Toya wahrscheinlich niemals kennen gelernt.“
 

„Garasu-sama wird stolz auf mich sein“, dachte Ichiro, als er im Keller des Gebäudes stand. In dem dunkeln Raum, wo Garasu sich bis vor kurzem versteckt hatte, hatte Ichiro nun ein Raum-Zeit-Tor geöffnet. „Meine Aufgabe ist erfüllt. Ich kann es kaum erwarten, in den Palast zurückzukehren.“ Dann schritt er durch das Tor, welches sich kurz darauf hinter ihm schloss.
 

Eine Weile später, kam Subaru von Nachmittagsunterricht zurück. Er schloss die Tür zu Yues Wohnung auf. „Hey, Riku!“, rief er. „Du bist ja schon wieder zu Hause. Hast du zufällig irgendwo Hiro gesehen?“ Riku hatte in den letzten Tag hier gewohnt. Wo hätte sie auch sonst hin gesollt? Wie so häufig saß sie vor dem Fernseher, von dem sie am meisten fasziniert war. „Ich hab ihn angerufen, weil ich mich mit ihm treffen wollte, aber seine Schwester hat gesagt, er wäre nach der Schule gleich wieder weggegangen“, erklärte Subaru und ließ sich aufs Sofa fallen. „Hab keine Ahnung, wo er sein könnte“, log Riku ohne eine Miene zu verziehen. „Hmm“, überlegte Subaru. „Dabei wollte ich ihm sagen, dass wir wohl am besten in die Dämonenwelt gehen werden.“ „Was?“, fragte Riku. „Na ja, du hast gesagt, Garasu ist wahrscheinlich dort. Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als ihn doch anzugreifen. Auch ohne Yues Hilfe.“ Riku sagte nichts. Sie blickte nur nachdenklich ins Leere. „Mariko hat Recht. Das Forschungslabor anzugreifen würde nicht bringen. Aber wenn es uns gelingt Garasu aufzuhalten, können wir vielleicht Yue und Toya retten.“ Seine Worte klangen entschlossen, doch eigentlich machte Subaru sich keine großen Hoffnungen. Er und Hiro alleine konnten Garasu kaum aufhalten und Rikus Magie war auch nur eine kleine Hilfe. Er wollte Mariko nicht sagen, dass er sie hier zurück lassen wollte. Sie würde sich nur aufregen. Deshalb war es wohl das Beste, ihr nichts von ihrem Vorhaben zu erzählen. Sie war ein Mensch. Was konnte sie schon ausrichten? Es wäre zu gefährlich, sie mitzunehmen. Aber egal, wie riskant es war, Garasu anzugreifen, in einem Punkt teilte Subaru, Hiros Meinung: Sie konnten nicht länger tatenlos bleiben.
 

In der Zwischenzeit hatte Hiro sein Ziel erreicht. Er stellte das Fahrrad in einer Seitenstraße, wenige Meter neben dem großen Gebäude ab und ging das letzte Stück zu Fuß. Die große Glasschiebetür ging auf. Langsam betrat Hiro die Eingangshalle. Hier sah absolut gar nichts nach einem Labor aus. Vorsichtig blicke Hiro sich in alle Richtungen um. Sicherheitskameras! „Das hätte ich wissen müssen“, dachte er, als ihm der schwarze Kasten an der Decke auffiel. „Dafür ist es jetzt zu spät.“ Er ging eine der breiten Treppen nach oben. Welche er nahm, war egal, denn sie führten beide auf einen Gang, der nach links und nach rechts weiter führte. Hiro konnte gar kein Ende erkennen. An der Decke waren Lampen angebracht. Fenster gab es nur in diesem Vorraum, wo die Treppen hingeführt hatten. Hiro warf einen Blick auf das Schild neben dem Fahrstuhl. „20 Stockwerke?“, dachte er laut. „Verdammt, wie soll ich ihn denn hier finden?“
 

In diesem Moment ging ziemlich weit hinten im Gang eine Tür auf. Blitzartig fuhr Hiro herum. Ein dürrer Mann mit Brille und Anzug trat mit einem Stapel Unterlagen auf dem Arm, auf den Gang. „Na wer sags denn?“, sagte Hiro sich und ging langsam auf den Mann zu. Dieser schien ihn nicht gesehen zu haben, denn er ging wortlos in die andere Richtung davon. Als Hiro noch ein paar Meter von ihm entfernt war, rief er: „Entschuldigen sie, bitte!“ Der Mann blieb stehen und drehte sich um. Hiro hielt vor ihm inne. „Kann... ich ihnen helfen?“, fragte der Mann etwas verunsichert. „Ja, allerdings.“

Von einer Sekunde auf die nächste, hatte Hiro den schwächlichen Mann im Schwitzkasten und hielt ihm die Klinge des Katanas an die Kehle. Der Mann zitterte vor Angst. „Also, sie wissen doch ganz sicher etwas über die Forschungen, die zur Zeit hier vorgenommen werden, oder?“, sagte Hiro leise. „B...bitt...tte, tö...töten sie m...ich n...nicht!“, stotterte der Mann nur. „Das fasse ich mal als Ja auf“, meinte Hiro. „Also, ich suche jemanden, namens Toya.“ „T...To...ya?“, wimmerte der Mann. „I...ich weiß wirklich ni...nicht...“ „Ich nehme nicht an, dass ihr hier mehrere Dämonen gefangen haltet, oder?“ „Dä...Däm...m...“, stotterte der Mann. „E...er ist, i...in La...la...“ „Bitte etwas schneller!“, drängte Hiro ihn. „Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.“ Er drückte die Klinge etwas fester an den Hals des Mannes. „Labor zwölf!“, antwortete der Angestellte. „Im zweiten St...“ Plötzlich ließ er den Kopf sinken. Hiro nahm das Schwert herunter. „Ohnmächtig“, seufzte er. „Was für eine Memme. Ich schätze mal, zweiten Stock, wollte er sagen.“ Er ließ den Mann los, so dass er zu Boden fiel.
 

Als er den Gang nach vorn in Richtung Fahrstuhl lief, ertönte plötzlich eine Sirene. „Mist! Ich schätze, daran sind diese scheiß Überwachungskameras schuld!“, durchfuhr es Hiro. Von links und rechts stürmten Männer in schwarzen Anzügen und dunkeln Brillen, mit Schlagstöcken bewaffnet, die Treppen hinauf. Und ehe Hiro sich versah, war er auch schon umzingelt. Er warf einen Blick hinter sich. Die Treppe, die weiter nach oben führte war nur wenige Schritte entfernt. „Keine Bewegung!“, befahl einer der Männer. „Wirf das Schwert weg und nimm die Hände hoch!“ Wortlos ließ Hiro das Schwert fallen. Mit einem dumpfen Klimpern landete es neben ihm auf den Fließen. Er tat, als wolle er die Hände hochnehmen, doch dann griff er blitzartig nach etwas und zog die kleine Pappschachtel aus der Hosentasche. „Was ist das?“, schrie einer der Männer. „Lass das sofort fallen!“ Einige der Wachen waren ihm noch näher auf die Pelle gerückt. „Das hättet ihr wohl gerne“, zischte Hiro, griff in die Schachtel und warf etwas mit voller Wucht vor die Füße der Männer. Es knallte und blitzte auf. Die Männer wichen erschrocken zurück. Diese Gelegenheit nutze Hiro, hob das Katana auf und rannte die Treppen nach oben. „Stehenbleiben!“, hörte er die Rufe. „Wozu Knallerbsen alles gut sein können“, dachte er und war in diesem Moment froh, die Schachtel von zu Hause mitgenommen zu haben. Die Männer waren ihm schon wieder auf den Fersen. „Labor zwölf? Zwölf?“ Es war nicht gerade leicht, im Rennen auf die Schilder an den Stahltüren zu achten. Doch plötzlich blieb Hiro stehen. „Zwölf! Bingo!“ „Da vorn ist er!“, hörte er einen seiner Verfolger rufen.
 

Er drückte die Türklinge herunter und rannte in den Raum. „Was zum Teufel...?“, fuhr Katsumoto ihn an. Vor dem Chef des Institutes sah Hiro, Toya. Er war mit den Armen an die Wand gefesselt und hing wenige Meter über dem Fußboden. Die Beine waren mit einem dicken Strick zusammengebunden. Seine Augen waren geschlossen. „TOYA!“, schrie Hiro und rannte auf ihn zu. Doch noch bevor er ihn erreichte, kamen die Männer mit ihren Schlagstöcken ins Labor gestürmt. Die Forscher, die sich vorher mit Katsumoto in diesem Raum befunden hatten, waren verängstigt zurückgewichen. „Schafft mir diesen Kerl aus dem Weg!“, befahl Katsumoto seinen Leuten. „Das ist einer von diesen Dämonen, also fangt ihn lebend!“ „Das hättest du wohl gerne, du Mistkerl!“, schrie Hiro und holte mit dem Schwert aus. Katsumoto sprang zurück. Hiro verfehlte ihn nur um wenige Zentimeter. Rasch drehte er sich um und hielt das Schwert schützend vor sich. Der Schlagstock einer der Männer knallte gegen die Klinge. So wich Hiro ihnen allen aus und schlug jeden einzelnen zurück. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, jemanden ernsthaft zu verletzen, doch die besonders hartnäckigen hatten dann doch die Klinge des Katanas zu spüren bekommen. „Überleben werden sie’s schon“, dachte Hiro. Und selbst wenn nicht, störte es ihn wenig. „Nehmt ihm endlich das Schwert weg, ihr unfähigen Idioten!“, schrie Katsumoto aufgebracht.

Toya hatte die Augen noch geschlossen, doch er hatte die Worte des Mannes, im Halbschlaf gehört. „Schwert?“, schoss es ihm durch den Kopf. Er öffnete die Augen. Sein Kopf dröhnte. Die Bewegungen und der Raum um ihn herum waren fast weiß. Das grelle Licht blendete ihn. Erst langsam nahm er die gewohnten Farben war. „Masa?“, wisperte er. Er war sich nicht sicher. Es war so verschwommen. Doch dann sah er, wie einer der dunkeln Gestalten, hinter Hiro mit seiner Waffe ausholte. Schnell trat er mit den Beinen nach vorn und traf den Mann am Kopf, woraufhin dieser zur Seite geschleudert wurde.
 

Hiro drehte sich um. „Toya!“, rief er überrascht und zugleich erleichtert, als er sah, dass Toya bei Bewusstsein war. „Du bist es wirklich“, wisperte Toya. „Masa!“

„Geht weg da!“, schrie plötzlich eine Stimme. Die zwei Wachen, die Hiro gerade erneut angreifen wollten wichen zurück. Als Hiro sich umdrehte, saß er dass einer der Männer eine Pistole auf ihn richtete. Ein Knall ertönte. Toya kniff die Augen zusammen. Mit einemmal war es still im Raum. Niemand sagte etwas. Vorsichtig öffnete Toya die Augen wieder. Doch was sie ihm offenbarten konnte er kaum glauben. Hiro stand regungslos da. In einer Hand hielt er das Schwert. Den anderen Arm hatte er ausgestreckt und die Hand zu einer Faust geballt. Er öffnete sie. Mit einem leisen Klimpern fiel etwas zu Boden. Die Kugel? Er hatte die Kugel aufgefangen? Toya konnte es kaum glauben. Anscheinend genauso wenig, wie die anderen Anwesenden. „Ihr erforscht doch Dämonen“, sagte Hiro trocken. „Dann notiert euch, dass man uns mit solchen Waffen nicht aufhalten kann.“ Er drehte sich um und richtete die Hand auf Toya. Der Knoten des Seiles um Toyas Beine löste sich. „Achtung, ich fang dich auf!“ Die Handschellen sprangen auf. Toya fiel herunter und landete direkt in Hiros Armen. Er drückte ihn fest an sich. „Los, lass uns hier abhauen!“ Er nahm Toyas Handgelenk und zerrte ihn aus dem Raum.
 

Die Tür knallte hinter ihnen zu. Keiner der Angestellten sagte einen Ton. Bis Katsumoto plötzlich schrie: „Was glotzt ihr so? Ihnen nach und zwar dalli!“ „J...ja, Boss!“
 

Hiro und Toya rannten die Treppe nach unten ins Erdgeschoss, als sie merkten, dass die Wachen ihnen schon wieder auf den Fersen waren. „Hätte mich gewundert, wenn die schon aufgegeben hätten!“, schrie Hiro. „Los schnell!“ Toya rannte so schnell er konnte, doch er spürte seine Beine kaum. Alles in ihm war wie gelähmt. „Ich... kann nicht mehr!“, keuchte er, als sie gerade das Gebäude verlassen hatten. „Es ist nicht weit! Halt durch!“, bat Hiro ihn und zog ihn weiter hinter sich her. Dann erblickte er die Seitenstraße, wo er sein Fahrrad abgestellt hatte. Er zog Toya um die Ecke und stieg aufs Fahrrad. „Los, steig auf!“ Hastig kraxelte Toya auf den Gepäckträger. „Festhalten!“
 

Einer der Wachen stolperte rückwärts, als Hiro und Toya, auf dem Fahrrad aus der Gasse geschossen kamen. „Mist, zu Fuß holen wir die niemals ein!“ „Ihr scheiß Missgeburten! Ihr seid Schuld, wenn ich diesen Monat kein Gehalt bekomme!!!“

Auch als sie ihre Verfolger längst abgehängt hatten, verlangsamte Hiro sein Tempo nicht. Obwohl Toya nicht schwer war, konnte Hiro mit ihm auf dem Gepäckträger nicht so schnell fahren, wie sonst. „Masa“, wisperte Toya und krallte die Finger noch fester in Hiros Hemd. „Sie sind weg. Soll ich nicht lieber absteigen?“ „Nein!“, sagte Hiro rasch. „Du bleibst schön da sitzen.“ Toya gehorcht wortlos. Er lehnte den Kopf an Hiros Rücken und schloss erschöpft die Augen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals in seinem Leben so erleichtert gewesen zu sein.
 

Der Weg kam ihm kürzer vor, auch mit dem Fahrrad hätte es seiner Meinung nach länger dauern müssen. Er hatte wirklich jegliches Zeitgefühl verloren. Hiro stützte ihn an den Schulter an und hob ihn vom Gepäckträger. Er legte Toyas Arm um seinen Hals und schleifte ihn ins Haus. Im Flur stand Kari. Sie blickte ihren Bruder wortlos an. „Was ist denn mit Toya?“, fragte sie. „Äh“, stotterte Hiro. Das kleine Mädchen seufzte. „Ich sag Mama und Papa nichts“, meinte sie und tapste davon. „Danke, Kari!“, sagte Hiro leise und half Toya die Treppen nach oben.

In seinem Zimmer legte er Toya vorsichtig aufs Bett. „Bist du... verletzt?“, fragte er. „Es geht schon“, antwortete Toya. „Außer ein paar Kratzern fehlt mir nichts.“ Hiro blickte auf den Schnitt auf Toyas nackter Brust. Er war mindestens fünf Zentimeter lang. „Und was ist das?“, murmelte er. „Einer dieser Kratzer“, gab Toya nur als Antwort. „Brauchst du sonst irgendwas?“, fragte Hiro. „Willst du ein Bad nehmen? Oder hast du Hunger? Willst du was trinken oder...“ Toya lächelte. Er setzte sich auf und schlang die Arme um Hiro. „Toya“, wisperte dieser. „Du siehst... noch viel dünner aus als sonst.“ Er legte vorsichtig die Arme auf Toyas Rücken. „Was haben sie dir angetan?“ Er hörte Toya leise weinen. Sein Hemd wurde an der Schulter feucht. Er streichelte Toya leicht über den Kopf. „Scht, ist ja gut“, flüsterte er. „Jetzt wird alles wieder gut.“ Sanft küsste er ihn auf die Stirn. Toya drückte sich fest an ihn. „Du hast ja eine Gänsehaut. Kein Wunder, so halbnackt. Und deine Hose ist auch total zerrissen. Komm, ich geb dir ein paar Klamotten von mir. Auch wenn die dir ein bisschen zu groß sein dürften.“ Er stand auf und ging zum Kleiderschrank. Nach kurzem Suchen warf er ein Hemd und eine Hose aufs Bett. „Hier, zieh das an. Ich bring dir was zu essen.“ Und damit verließ er das Zimmer.

Toya wischte sich die Tränen ab. „Jetzt hast du mir schon wieder das Leben gerettet, Masa“, dachte er und griff nach den Klamotten. „Wenn du nicht wärst, wäre ich schon lange tot. Und ich kann dir gar nichts im Gegenzug geben.“
 

Ein paar Minuten später kam Hiro mit einem Teller zurück in Zimmer. Toya saß mit nichts weiter als Hiros Hemd bekleidet, auf dem Bett. Hiro wurde prompt rot. „Äh, ähm, Toya“, stotterte er. Dieser hob den Arm. „Ist mir wirklich viel zu groß“, sagte er und deutete auf den viel zu langen Ärmel. „Die Hose kannst du erst recht vergessen. Da pass ich zweimal rein.“ „Tut mir leid“, meinte Hiro lachend. „Was anderes hab ich nicht.“ Er stellte den Teller auf dem Nachtkästchen ab und setzte sich neben Toya.

„Masa“, begann dieser. „Es... tut mir leid.“ „Was?“ „Was ich zu dir gesagt habe.“ Er griff nach Hiros Hand. Auf den Wunden an den Knöcheln hatte sich ein Grind gebildet. „Was hast du gemacht?“ „Ach, das waren nur ein paar Scherben“, erklärte Hiro und deutete hinüber zum Schrank, wo bis heute noch die Überreste des zerbrochenen Spiegels zu sehen waren. „Idiot“, seufzte Toya und führte Hiros Hand an seine Wange. „Du machst mir nicht weiß, dass das keine Absicht war.“ „War’s ja auch“, gab Hiro zu. „Wieso tust du so was?“ „Hab ich dir doch schon mal gesagt. Weil ich nicht ohne dich leben kann.“ Eine Träne lief über Hiros Hand, die Toya fest an seine Wange drückte. „Es tut mir so leid“, wisperte er. „Ich wollte das nicht. Aber... sie haben gesagt,... wenn du ihnen in die Quere kommst, bringen sie ich um, deshalb wollte ich...“ Weiter kam er nicht. Die Tränen hinderten ihm am sprechen. Wieder fiel er Hiro in die Arme. Er schmiegte den Kopf an dessen Brust. „Ich hatte solche Angst! Sie hätten von mir aus alles mit mir machen können, solange sie dich in Ruhe gelassen hätten!“ „Sag so was nicht!“, meinte Hiro mit tröstender Stimme. „Es war schrecklich!“, schluchzte Toya. „Sie haben mir ständig Blut abgenommen und mir irgendwelche Mittel gespritzt. Ich war die ganze Zeit benebelt und angekettet und Garasu...“

Weiter sprach er nicht. „Garasu?“, wiederholte Hiro. „Was hat dieser Mistkerl dir angetan?“ Toya zitterte am ganzen Körper. „Er hat m...“, stotterte er und klammerte sich noch mehr an Hiro fest. „Er hat... nichts... Es war nichts weiter...“ Hiro sagte keinen Ton. Natürlich glaubte er Toya das nicht. „Sag die Wahrheit!“, flüsterte er. Toya drückte sich fest an Hiros Körper. „Hat mich...“, nuschelte er kaum hörbar. „Vergew...“ Hiros Atem stockte. „Er hat was?“, schrie er und packte Toya an den Schultern. „Hey, sieh mich an!“, sagte er und legte die Hände auf Toyas Wangen. „Was hat er dir angetan? Hat er dich...“ Toya wandte den Blick beschämt ab. „Er hat dich vergewaltigt?!“ Toyas Gesicht glühte geradezu. Er konnte Hiro nicht in die Augen sehen. Hiro konnte es nicht fassen. Er drückte Toyas Kopf sanft auf seine Schulter und fuhr ihm mit den Händen durchs Haar. „Ich schäme mich so“, schluchzte Toya. „Es tut mir leid, Masa. Ich... wollte nicht...“ „Warum entschuldigst du dich?“, unterbrach Hiro ihn. „Dich trifft doch keine Schuld.“ „Aber ich hab trotzdem ein schlechtes Gewissen! Ich fühl mich so dreckig! Ich will... mit niemandem anderen... schlafen, als mit dir!“

Wortlos streichelte Hiro Toyas Rücken. Er ließ die Hand über seinen Hals zu seinem Gesicht streifen. Dann schloss er die Augen und berührte leicht Toyas Lippen. Wie trocken und rau sie sich anfühlten. Toya öffnete sie leicht und erwiederte Hiros Kuss. Ihre Zungen suchten einander. Immer und immer wieder streichelten sie einander gegenseitig. Hiro bewegte die Lippen langsam auf Toyas. Dieser ließ sich erschöpft nach hinten aufs Bett fallen. Und endlich wusste er, dass er der Müdigkeit der letzten Tage ohne Angst nachgeben konnte. Er spürte Hiros Hand, die sanft auf seinem Bein nach oben fuhr. Bis sie die Innenseite seiner Schenkel erreichte. „Ich wäre gestorben, hätte ich dich nicht wieder gefunden“, flüsterte Hiro ihm ins Ohr. Dann senkte er den Kopf zwischen Toyas Beine. Toya wurde heiß. Dieses Gefühl war ganz anders, als bei Garasu. Kein Vergleich. Hiro verteilte unzählige Küsse auf Toyas Schenkeln. Wie seine Lippen immer wieder über seine Haut streiften, wie Federn. Seine Haare kitzelten ihn. Doch umso höher Hiro ging, desto unruhiger wurde Toya. Und plötzlich sagte er: „Hör auf!“ Ein Zittern lag in seiner Stimme. „Bitte nicht. Ich... will das n...“ Sofort hob Hiro den Kopf. „Tut mir leid“, wisperte Toya mit Tränen in den Augen. „Ich... kann das jetzt nicht.“ „Hör endlich auf, dich ständig zu entschuldigen!“, sagte Hiro lächelnd, wischte Toya die Tränen ab und gab ihm einen leichten Kuss. „Es ist schon gut. Mir tut’s leid, dass ich immer alles überstürzen muss. Ich bin nur so froh, dich wiederzuhaben.“ Toya lächelte erleichtert. Hiro stand vom Bett auf. „So und jetzt iss erst mal, sonst wird es noch kalt. Ich ruf in der Zwischenzeit Subaru und Mariko an.“ Und damit ging Hiro zur Tür. Doch Toya hielt ihn auf. „Masa!“, rief er und fügte leise hinzu: „Danke!“ Hiro lächelte nur und schloss dann hinter sich die Tür.
 

Auf dem Flur blieb er kurz stehen. Plötzlich holte er aus und schlug mit der Faust gegen die Wand. „Dieser dreckige Mistkerl“, fluchte er zähneknirschend. „Das werde ich dir nie verzeihen, Garasu! Dafür bring ich dich um!“
 

Eine gute halbe Stunde später wurde plötzlich die Tür zu Hiros Zimmer aufgerissen. „TOYA!“, schrie Mariko und rannte zum Bett. „Pssst! Nicht so laut!“, zischte Hiro und stand hastig vom Bett auf. „Er ist gerade erst eingeschlafen!“ „Oh, tut mir leid“, sagte Mariko und schlug sich die Hand vor den Mund. „Wie hast du das bloß angestellt?“, fragte Subaru kopfschüttelnd. Riku schloss leise hinter sich die Tür und warf Hiro dann ein erleichtertes Lächeln zu. „Na ja, ich bin rein gestürmt, hab ‘n bisschen Radau gemacht und hab Toya raus geholt“, sagte Hiro matt und wandte den Blick dabei keine Sekunde von Toya ab, der schlafend, zusammengerollt wie ein Baby, neben ihm auf dem Bett lag. „Mensch“, seufzte Mariko lächelnd. „Du bist mir einer. Von so etwas wie Angst hast du wohl noch nichts gehört, was? Oder Vorsicht. Gibt es solche Begriffe eigentlich in deinem Hirn?“ „Nicht in dem Teil, der ständig an Toya denkt“, meinte Hiro lachend. „Und das ist leider alles was ich im Kopf hab.“ „Tja“, seufzte Subaru und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Dann kann ich ja wohl einpacken, was? Herzlichen Glückwunsch, du führst wirklich, was den Kampf um Toya angeht.“ „Könnt ihr euere dämlichen Konkurrenzkämpfe nicht einmal vergessen?“, schimpfte Mariko. „Sei doch einfach mal froh, dass er wohlbehalten zurück ist.“ „Bin ich doch!“, maulte Subaru.
 

~tbc~

Sleepless

Eine Weile später saßen Hiro, Mariko, Subaru und Riku und Hiros Zimmer. Niemand sagte etwas. Mariko saß neben dem schlafenden Toya und ließ ihn wie eine besorgte Mutter keine Sekunde aus den Augen. Subaru und Riku saßen am Bettende und Hiro - falsch herum - am Schreibtisch. Sie hatten lange darüber geredet, was sie jetzt tun sollten. Immerhin war Yue noch immer spurlos verschwunden. Aber das Toya wieder bei ihnen war, änderte die Situation trotzdem. Vielleicht wusste er in der Zwischenzeit mehr als sie?

Mariko rieb sich die Augen. „Mann, vom ständigen Toya-beim-Schlafen-zuschauen, werde ich schon selber müde“, sagte sie beinahe flüsternd. „Du kannst ja heim gehen“, meinte Hiro. „Ich ruf euch an, wenn er wach ist.“ „Ja ja, du willst ihn nur wieder für dich alleine haben!“, meckerte Mariko. „Aber das kannst du vergessen, ja? Er braucht jetzt seine Ruhe und keine deiner perversen Sexspielchen!“ „Ha ha!“, maulte Hiro. „Für wie sexsüchtig hälst du mich eigentlich?“ „Nicht sexsüchtig“, korrigierte Mariko ihn. „Ich halte dich für Toya-süchtig.“ Riku und Subaru mussten lachen. „Toya-süchtig?“, wiederholte Riku. Ob das ansteckend ist? Subaru scheinst du ja auch schon infiziert zu haben.“ „Mich auch!“, wandte Mariko ein und hob die Hand. „Hmm“, Riku blickte nachdenklich auf den schlafenden Toya. „Ja, ich kann dich verstehen. Er sieht wirklich süß aus!“ „Könntet ihr das gefälligst lassen?“, brummelte Hiro. „Ha! Er ist eifersüchtig!“, kicherte Riku.
 

In diesem Moment kam Toya zu sich. Als er die Stimmen seiner Freunde hörte, öffnete er die Augen und setzte sich auf. „Da habt ihrs!“, sagte Hiro. „Jetzt habt ihr ihn aufgeweckt!“ Toya rieb sich gerade die Augen, als Mariko ihm plötzlich um den Hals fiel. „Toya!“, schluchzte sie. „Hey, Mariko! Schön dich zu sehen“, murmelte Toya noch etwas benommen. „Blödmann! Wie oft muss ich dir noch sagen, du sollst mir nicht immer solche Sorgen machen?“ „Tut mir leid.“ „Hey, Hiro!“, sagte Subaru an diesen gewandt. „Wenn die ihn umarmen darf, dann darf ich aber auch!“ Toya lächelte, dann ließ er Mariko los und legte die Arme um Subaru. „Dich hab ich auch vermisst“, sagte er. Subaru wurde rot. „O...okay, das reicht“, stammelte er und drückte Toya von sich. „Hiro erwürgt mich sonst noch!“ „Keine Sorge“, grummelte Hiro von seinem Platz am Schreibtisch aus. „Ich behalte euch im Auge.“ Plötzlich stach Toya, Riku ins Auge. Sie saß am Bettrand und blickte ihn mit großen Augen an. „Und wer bist du?“, fragte Toya. „Waaaahnsinn“, staunte Riku und rückte näher zu Toya heran. „Was für schöne Augen! Ihr seid von Nahem ja noch viel hübscher, Prinz Toya-sama!“ Toya blickte sie fragend an. Schließlich hatte er sie vorher noch nie gesehen. Sollte er dieses Mädchen kennen? „Ich will auch knuddeln!“, wimmerte Riku und ehe er sich versah, fiel sie ihm auch schon um den Hals. Toya saß völlig perplex da. Riku nahm seine Hand und schüttelte sie aufgeregt. „Es ist mir eine Ehre! Soooo eine Ehre, euch kennenzulernen, Prinz Toya-sama! Das letzte Mal als ich euch gesehen hab, wart Ihr ein paar tausend Jahre jünger und saht auch viel dämonischer aus. Das war auf so ‘ner Feier. Da hab ich euch auf dem Balkon vom Palast gesehen. Oh, Entschuldigung, wie unhöflich von mir! Ich heiße Riku! Ich bin eine Magierin so wie der da!“ Sie deutete fuchtelnd auf Hiro. „Ich bin seine Cousine! Wenn Ihr ihn heiratet, sind wir verwandt!“ Genauso plötzlich, wie sie danach gepackt hatte, ließ sie Toyas Hand nun wieder los, klatschte sie auf ihre eigene Wange, drehte den Kopf weg und wisperte: „Mein Gott! Das ist ja der Waaaahnsinn! Das werden mir meine Freundinnen niemals glauben!“ „Hei...heirat...?“, stotterte Toya. „Wie... wa... wo...?“ „Ähm, also Riku hat mir geholfen in euere Welt zu kommen“, erklärte Subaru. „Und jetzt ist sie mir gefolgt.“ „Krieg ich ein Autogramm? Krieg ich? Krieg ich?“, jauchzte Riku. „Sie ist ein Fan von dir!“, flüsterte Subaru, Toya zu. „Riku, könntest du das bitte lassen?“, maulte Hiro genervt. „Du kannst ihn ruhig duzen, er ist auch nur ein Mensch... äh, Dämon... und lass das -sama weg!“ „Wuuaaaah! Ich soll DU sagen???“, fiepte Riku und hielt sich beide Hände auf die geröteten Wangen. „Ja, gut dann sag ich du! Okay, alles klar?!“ Sie wandte sich wieder Toya zu und schüttelte seine Hand. „Darf ich du sagen? Wirklich? Echt? Du! Darf ich? Darf ich?“ „Ähm, ja,... klar“, stotterte Toya. „Waaaaaahnsinn!!!“
 

Es dauerte ein paar Minuten, bis Riku sich wieder gefasst hatte. Und nun saß sie mit großen Augen dicht neben Toya auf dem Bett und gab sich ihrem Fantum hin, der darin bestand, Toya fasziniert anzustarren. Diesem war das allerdings mehr als unangenehm.
 

„Also“, begann Hiro. Er hielt es für die schwerste Aufgabe, Toya zu erklären, dass Yue nach dem Angriff von Garasu verschwunden war. „Toya, als du mich neulich nach Yue gefragt hast“, meldete sich Mariko zu Wort. „Da hab ich gelogen. Ich... wusste sehr wohl, wo er war.“ „Was?“, sagte Toya überrascht. „Es tut mir leid.“ „Er ist mit mir zurück in die Dämonenwelt. Er hielt es für besser, dir nichts davon zu sagen“, erklärte Subaru. „Aber dann hat Garasu den Palast angegriffen. Yue hat mich durch ein Raum-Zeit-Tor hier her zurück geschickt, um euch zu warnen, aber als ich hier ankam, warst du schon verschwunden.“ „Das heißt, Yue...“, begann Toya, doch Hiro unterbrach ihn. „Er ist seit diesem Angriff spurlos verschwunden. Wir haben versucht Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt.“ „Ich... weiß doch, wo er ist!“, erwiderte Toya.
 

„WAS?“, schrien alle Anwesenden wie aus einem Munde. „Garasu hat ihn in seiner Gewalt. Ich hab ihn gesehen. Im Keller des Labors!“ „Das heißt er ist noch dort?“, fragte Mariko. Toya schüttelte den Kopf. „Nein, Ichiro hat gesagt, Garasu wäre mit ihm zurück in den Königspalast gegangen. Er hat Yue ziemlich übel zugerichtet, aber er lebt noch!“ „Ichiro?“, fragte Hiro. „Ja, so heißt dieser Pimpf, der mich überhaupt erst in dieses Labor geschleppt hat. Er ist ein Magier, spezialisiert auf Zeitzauber“, erklärte Toya. „Er war es, der Garasu aus der Raum-Zeit-Schleife zurückgeholt hat.“ „Das erklärt natürlich Einiges“, meinte Hiro. Und Subaru fügte hinzu: „Für einen Zeitzauberer ist das natürlich kein Problem.“ „Ich wusste gar nicht, dass es so etwas noch gibt!“, mischte Riku sich ein. „Ist auch eine ziemlich seltene Fähigkeit. Zeitreisen sind für jeden Magier eine große Herausforderung. Aber wenn dieser Pimpf darauf spezialisiert ist, ist es für ihn ein Kinderspiel.“ „Deshalb muss Garasu ihn für sich arbeiten lassen!“, meinte Toya. „So kam er wahrscheinlich damals schon von 1400 in unsere Zeit, auch ohne das Artamilya.“ Subaru seufzte. „Na da hält er sich aber ein schönes Schoßhündchen.“ „Also ist Yue bei Garasu im Palast“, murmelte Mariko und blickte besorgt ins Leere. „Keine Sorge“, sagte Toya. „Ich bin sicher, Yue lebt und wir werden ihn da raus holen!“ „Woher willst du wissen, dass Garasu ihn nicht schon längst getötet hat?“, schluchzte Mariko. „Ganz einfach. Weil er mich auch nicht getötet hat“, antwortete Toya. „Ich denke mittlerweile, er will uns gar nicht töten. Viel lieber würde er Yue und mich als seine Gefangenen im Keller des Palastes einsperren. Dieses perverse Schwein... findet es doch viel amüsanter uns zu quälen, als uns einfach zu töten.“ Auch wenn Toya es nicht aussprach, wusste Hiro genau, dass er auf die Vergewaltigung anspielte. Er sah es in seinen Augen. „Dieser Sadist“, fiepte Mariko. „Also, ich würde sagen, uns bleibt nichts anderes übrig, als diesem Mistkerl mal die Leviten zu lesen, was meint ihr?“, meinte Hiro bestimmend und stand auf. „Wir gehen in die Unterwelt und treten ihm mal gewaltig in den Arsch!“ „Seit wann denn so arrangiert, Hiro?“, fragte Subaru ihn. „Ähm, na ja...“ „Ich weiß schon“, unterbrach Mariko ihn. „Jetzt wo Toya wieder da ist, bist du zu allem bereit, hab ich Recht?“ Hiro musste lachen. „Jaah, also auf in den Kampf!“

„Immer mit der Ruhe“, unterbrach Subaru ihn. „Schon mal auf die Uhr geschaut? Was wollen wir eueren Eltern erzählen, wenn wir jetzt einfach verschwinden? Außerdem musst du davon ausgehen, dass wir so bald nicht wieder kommen werden und Toya sollte sich noch etwas ausruhen.“ „Hmm, auch wieder wahr“, stimmte Mariko ihm zu. Doch Hiro hatte schon eine Idee. „Ich weiß! Toyas Eltern sind nicht da! Am besten wir gehen Morgen nach der Schule zu ihm und sagen unseren Eltern, wie übernachten bei ihm.“ „Meine Eltern müssten schon längst zurück sein“, sagte Toya. „Ach ja, das weißt du ja noch gar nicht“, erinnerte Mariko sich. „Wir waren in deinem Haus und haben dich gesucht. Deine Eltern haben auf den Anrufbeantworter gesprochen und gesagt, dass sie länger bleiben. Sie kommen erst am Wochenende heim.“ „Das trifft sich doch ganz gut. So kriegen weder sie, noch Marikos oder meine Eltern was mit“, meinte Hiro. „Also warten wir bis Morgen“, endete Subaru. „Ist wohl besser. Ruh dich noch etwas aus, Toya!“ „Mach ich.“ „Wir machen uns wohl jetzt besser auf den Weg“, sagte Mariko und stand vom Bett auf. „Also bis Morgen in der Schule.“ Sie umarmte Toya abermals und flüsterte: „Ich bin froh, dass du wieder da bist.“ „Los komm, Riku!“, sagte Subaru. Schweren Herzens stand auch Riku auf. „Bis dann!“, sagte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Bye bye!“
 

Subaru, Mariko und Riku trampelten die Treppe herunter. „Tschüss, Frau Masanaru!“, rief Mariko in die Küche. Als diese sich umdrehte, waren die drei schon zur Tür hinaus. „Sag mal, wer war denn jetzt alles da?“ „Mariko und ein Junge und ein Mädchen, die ich nicht kenne“, meinte Kari, die ihrer Mutter beim Abwasch half. „Toya ist noch oben.“ „Toya?“, wiederholte Hiros Mutter. „Ich dachte, der wäre krank?“
 

„Ich sollte auch langsam gehen“, meinte Toya derweil zu Hiro und stand ebenfalls auf. „Auf keinen Fall!“, antwortete Hiro und hielt ihm am Arm fest. „Du bleibst gefälligst hier! Denkst du wirklich, ich lasse dich gehen, nach allem was passiert ist?!“ „Aber Ichiro und Garasu sind doch längst wieder in der Dämonenwelt. Was soll schon passieren?“, bohrte Toya weiter. „Dank diesem Pimpf sind die schneller wieder hier, als du denkst“, erwiderte Hiro und fügte leise hinzu: „Und wieso nennst du den überhaupt beim Vornamen?“ „Ganz einfach, weil ich mir den Nachnamen nicht gemerkt hab“, seufzte Toya und ließ sich wieder auf dem Bett nieder. „Bist du eifersüchtig?“ „Pah, was heißt schon Eifersucht? Das letzte mal, als ich diesen kleinen Scheißer gesehen hab, hat er sich als neuer Macker ausgegeben und Garasu hat sich mit dir vergnügt, während ich hier herum gesessen und Däumchen gedreht hab.“ „Du tust ja gerade so, als hätte mir das gefallen“, sagte Toya leise. „Es... war ein Alptraum!“ „Toya“, sagte Hiro, und griff nach Toyas Handgelenk. Doch dieser zog es rasch zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er Verbände um beide Gelenke trug. „Ich hab sie dir verbunden“, sagte Hiro. „...als du geschlafen hast.“ Toya schwieg. „Wie hast du dich gewehrt, dass du dich so verletzt hast?“ „Was sollte ich sonst tun? Es einfach über mich ergehen lassen? Ich hätte mir am liebsten die Hände abgehackt, um von dort wegzukommen.“ „Ouh und das du dann wohl an Blutverlust gestorben wärst, daran hast du wohl nicht gedacht, Idiot?“ „Glaub mir, sterben wäre besser gewesen, als dort zu bleiben“, seufzte Toya. Hiro sagte nichts. Er legte wortlos die Arme um ihn und küsste ihn. „Tut mir leid“, flüsterte er. „Was?“, fragte Toya. „Dass ich dir nicht eher geholfen hab. Ich wusste nicht, wie ich dich da raus holen sollte.“ „Denkst du echt, ich mach dir Vorwürfe, dass es gedauert hat?“, meinte Toya lachend. „Ich bin froh, dass du mich überhaupt da raus geholt hast. Nachdem, was ich zu dir gesagt hab, hätte ich es dir nicht übel genommen, wenn du dich nicht mehr um mich geschert hättest.“ „Du bist wirklich ein Idiot“, meinte Hiro kopfschüttelnd und drückte Toya aufs Bett. „Ich hab es dir schon mal gesagt.“ Er legte sich über ihn und küsste seinen Hals. „Auch wenn du mich hassen würdest,... ich würde dich überall finden. Ganz egal, was...“ Weiter kam Hiro nicht, denn Toya legte die Arme um ihn, zog ihn zu sich heran, und küsste ihn. „To...ya“, flüsterte Hiro.
 

„Hiroooooooooooooo!!!“, ertönte plötzlich ein Schrei. Hiro fuhr hoch. Die Tür wurde aufgerissen. Kari blickte ihren Bruder wortlos an. Dieser war immer noch über Toya gebeugt. „Lass ihn los und kommt essen!“, sagte Kari nur. „Ich hab Mama gesagt, dass Toya mit isst, ja?“ Und damit machte sie kehrt und ging den Flur entlang davon.
 

„Mo... Moment, Kari!“, rief Hiro ihr nach, stolperte vom Bett und rannte aus dem Zimmer. An der Treppe bekam er seine Schwester zu fassen. „Äh, ähm, also Toya und ich, äh...“ „Was gehen mich eure Perversionen an?“, unterbrach Kari ihn. „Ist mir doch egal, was ihr treibt.“ „Äh, Kari...“, stotterte Hiro. Er war völlig überrascht vom Verhalten seiner Schwester. Sonst rannte sie doch immer sofort zu seinen Eltern und plapperte alles aus. Gerade hatte sie Hiro und Toya zusammen im Bett erwischt und das schien sie gar nicht zu stören? „Bist du’s wirklich?“, fragte Hiro und stupste ihr mit dem Finger gegen die Stirn. „Auaaa, lass das!“, quietschte Kari. „Mamaaaaa!!! Hiro ärgert miiiich!!!“ „Okay, du bist es!“ „Hört auf euch zu streiten!“, rief Hiros Mutter aus der Küche. Und sein Vater fügte hinzu: „Kommt endlich essen!“ „Dass mit Toya ist nicht zu übersehen“, sagte Kari leise. „Dachtest du, ich merk das nicht? So blöd bin ich nun auch wieder nicht. Ich bin ja kein Baby mehr. Aber mir ist das egal.“ „Nicht zu übersehen?“, wiederholte Hiro. „Klar, du benimmst dich ja schon ganz anders, wenn man nur über ihn spricht“, versicherte Kari ihm. „Und jetzt kommt endlich essen.“
 

Damit tapste sie die Treppe herunter. „Kari“, sagte Hiro. „Ich halte dicht“, rief seine Schwester ihm grinsend zu. „Was krieg ich dafür? Kaufst du mir was zum Naschen?“ „War ja klar, dass du nicht umsonst so nett bist!“, fuhr Hiro sie an. Kari lachte nur und verschwand dann in der Küche. Hiro ging seufzend zurück in sein Zimmer. „Oh Mann“, dachte er. „Sie wird wirklich langsam erwachsen.“
 

„Toya, soll ich dir was hochbringen? Oder gibst du dich ausnahmsweise mit ‘ner zu großen Hose zu frieden und kommst mit runter?“ „Das zweite“, antwortete Toya und stand vom Bett auf.
 

„Toya bleibt noch ein bisschen länger“, sagte Hiro zu seinen Eltern. „Er muss etliche Hefteinträge nachholen.“ „Was hattest du denn?“, fragte Hiros Mutter Toya, und reichte ihm eine Schale Reis. „Äh, ähm“, stotterte Toya, doch Hiro unterbrach ihn. „Grippe“, sagte er rasch. „Oh und geht es dir jetzt besser?“ „Ja, danke“, antwortete Toya. „Aber morgen solltest du noch mal zu Hause bleiben von der Schule“, meldete sich Hiros Vater zu Wort. „Auf den letzten Tag in der Woche kommt es nun auch nicht mehr an, was? Kuriere dich lieber richtig aus! Soll ich dich später heimfahren? So spät nachts brauchst du ja nicht mehr heim laufen.“ „Ich mach das schon, Papa!“, mischte Hiro sich ein, noch bevor Toya antworten konnte. „Hmm“, brummelte sein Vater. „Na schön.“
 

Er war beinahe enttäuscht. Schließlich spielte er genauso gern wie seine Frau die Elternrolle für Toya. Doch seit Hiro seinen Motorradführerschein hatte, nahm er seinen Eltern die Freude am Chauffeur spielen auch noch größtenteils ab. Nicht immer, denn meist hatte er sowieso kein Geld für Benzin. Das war auch der Grund gewesen, warum er bei seiner tollkühnen Rettungsaktion mit dem Fahrrad fahren musste. Es war einer dieser Tage gewesen, wo er es hasste, ständig pleite zu sein!
 

„Fährst du mich nun heim, oder hast du deine Eltern mal wieder angelogen?“, fragte Toya, kurz nachdem Hiro später die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte. „Gelogen natürlich“, sagte Hiro, als wäre es nicht selbstverständlich. „Ich kann ihnen ja wohl kaum sagen, dass du so krank bist, dass du nicht in die Schule kannst, aber so gesund, um bei mir zu übernachten.“ „Auch wieder wahr“, stimmte Toya ihm zu. „Aber ich kann doch Morgen in die Schule!“ „Nichts da! Du bleibst schön hier und ruhst dich aus!“ „Und wenn ich nicht will?“ „Was interessiert mich das? Du hörst gefälligst auf mich!“ Als Hiro, Toyas wütenden Blick bemerkte, fügte er kleinlaut hinzu: „Ausnahmsweise!“ Toya seufzte. „Ausnahmsweise“, wiederholte er und gab sich damit geschlagen. „Sehr gnädig, eure Hoheit“, scherzte Hiro und ging zum Schreibtisch. „Und jetzt leg dich schlafen. Ich muss noch Hausaufgaben machen. Wenn dich die Schreibtischlampe stört, geh ich ins Wohnzimmer.“ Toya konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Seit wann machst du denn freiwillig Hausaufgaben?“, fragte er und setzte sich aufs Bett. „Seit ich wegen dem Nachsitzen nicht mit dir weg konnte“, antwortete Hiro.
 

„Das Licht stört mich nicht“, wechselte Toya das Thema und zog sich die viel zu groß geratene Hose aus, die nur mit Hilfe eines Gürtels einigermaßen an ihm gehalten hatte. „Glaub mir, ich fühl mich immer noch so müde, dass ich sogar neben ‘nem intakten Presslufthammer schlafen könnte.“ „Sag mal“, begann Hiro. „Machst du das mit Absicht?“ „Was?“, wollte Toya wissen. „Na, dich vor mir ausziehen. Willst du mich provozieren, oder bist du wirklich so naiv?“ Toya wurde rot. „Ha, ha!“, maulte er. „Das musst du grade sagen. Ich wette du hast mir mit Absicht zu große Klamotten gegeben!“ „Gar nicht wahr! Was kann ich dafür, wenn du ‘ne halbe Portion bist“, verteidigte Hiro sich. „Na ja, fürs Bett scheint dir ‘ne halbe Portion ja zu reichen!“, erwiderte Toya und drehte sich beleidigt weg. „Außerdem ist dein XXL Hemd so lang dass man auch ohne Hose nichts sieht und Shorts hab ich auch an, also beschwere dich n...“
 

Toya erschrak, als Hiro plötzlich von hinten die Arme um ihn legte. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er vom Schreibtisch aufgestanden war. „Du bist wirklich zu süß für diese Welt“, flüsterte Hiro und schmiegte sich an ihn. „Ein Glück, dass du dir nicht vorstellen kannst, was ich mir mit dir schon alles vorgestellt hab.“ Toya wurde knallrot. „Wa... was soll da... das denn heißen?“, stotterte er. „Verschone mich bloß mit deinen perversen Gedanken!“ „Du hast recht“, seufzte Hiro. „Über so etwas redet man nicht.“ Leise flüsterte er Toya ins Ohr: „Wir sollten es einfach tun!“ Toya stieß mit dem Ellbogen nach hinten und traf Hiro im Magen. „Auaaa!“, wimmerte dieser. „Selber Schuld“, brummelte Toya. „Perverser!“ „Was ist daran pervers, wenn ich mit dir schlafen will?“, protestierte Hiro. „Dass du es den ganzen Tag von früh bis spät willst!“, konterte Toya und drehte sich erst jetzt zu ihm um, so dass sie sich gegenüber saßen.“ „Übertreibe es nicht!“, maulte Hiro beleidigt.

„Du lässt dich aber auch wunderbar provozieren“, meinte Toya lachend. Er beugte sich zu Hiro herüber und fuhr ihm mit der Zunge über die Lippen. „Was soll das nun wieder?“, fragte Hiro, der sich allmählich ziemlich verarscht vorkam. Doch Toya antwortete nicht. Er griff nach Hiros Hand, legte sie auf seinen nackten Oberschenkel und ließ sie darauf nach oben streicheln. „Verdammt! Und wie er das mit Absicht macht!“, dachte Hiro mit pochendem Herzen. „Er provoziert mich doch nur!“ Toya ließ seine Hand erst los, als sie sich gefährlich weit oben an der Innenseite seines Schenkels befand. „Was ist?“, flüsterte er. „Das ist es doch, was du wolltest.“ Hiro rutschte noch näher zu ihm heran und küsste sanft seine Lippen, während er die Hand unter Toyas Hemd zum Bund seiner Shorts gleiten ließ. Doch in diesem Moment legte Toya seine eigene Hand auf Hiros und hielt ihn zurück.

„Stop!“, sagte er. „Bis hier her und keinen Schritt weiter!“ Er ließ Hiro los und kroch unter die Bettdecke. „Also dann! Mach mal schön deine Hausaufgaben!“ Hiro kochte gerade zu. War es vor Erregung oder vor Wut über Toyas Verhalten? „Du willst mich ärgern, was?“, sagte er gereizt und stand vom Bett auf. „Kann sein“, nuschelte es unter der Decke hervor, die Toya sich bis über die Ohren hoch gezogen hatte. „Du geniest es doch nur, mit anzusehen, wie ich dir mit jeder Sekunde mehr und mehr verfalle.“ Toya kicherte. „Kann schon sein“, sagte er erneut. „Und soll ich dir was sagen?“, fuhr Hiro fort. „Du machst deine Sache gut! Du tust immer eins auf lieber Junge, aber in Wahrheit kannst du einen ganz schön verführen.“ „Verführen?“, wiederholte Toya und drehte sich auf die andere Seite.

Er sah, dass Hiro wieder falsch herum auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch saß. „Na klar, was sonst? Obwohl du mittendrin aufgehört hast, war das gerade der erste Schritt, mich zu verführen.“ Toya musste lachen. „Ich, dich verführen?“, sagte er. „Okay, dann verspreche ich dir, irgendwann bring ich es zu Ende, ja?“ „Was?“, fragte Hiro. „Ich werde dich verführen!“ Hiro wurde rot. Toya drehte sich wieder um. „Aber erst mal lass ich dich noch ‘ne Weile zappeln. Das find ich nämlich um ehrlich zu sein, auch ganz amüsant!“ „Wusst ich’s doch! Du tust nur immer so brav!“, meinte Hiro. „Das hab ich dir doch schon längst gesagt, oder? Ich bin nicht so brav, wie du denkst.“ „Nein, du bist genau so ein Sadist, wie Garasu!“, maulte Hiro. „Dir macht es Spaß, mich leiden zu sehen.“ „Also, wenn du das mit den Leiden vergleichen willst, die Garasu mir zugefügt hat...“, antwortete Toya gereizt. „Außerdem hab ich dich schon mal ran gelassen, also beschwer dich nicht!“ „Denkst du etwa, ein Mal Sex reicht mir ein Leben lang aus?“ Wieder wurde Toya rot. „Ende der Diskussion“, sagte er knapp. „Mach endlich deine Hausaufgaben!“

Hiro verdrehte genervt die Augen, drehte sich dann jedoch trotzdem auf dem Stuhl um, und wandte sich seinen Büchern zu.
 

„Ich will ihn doch nicht ärgern“, dachte Toya, bevor er einschlief. „Ich bin nur nicht sicher, ob ich überhaupt mehr will. Zumindest im Moment. Und nach dieser Sache mit Garasu...“ Er verfluchte seine Gedanken, dass sie ihn nun wieder an diesen Namen erinnert hatten. Es brachte all die Erinnerungen zurück, die er versucht hatte, zu verdrängen. Solange Hiro bei ihm war, war alles gut. Er musste nicht daran denken. Aber als er jetzt so im Bett lag...
 

Plötzlich ging das Licht immer Zimmer bis auf die Lampe am Schreibtisch aus. Toya öffnete die Augen. „Mir reicht das kleine Licht“, sagte Hiro, der zum Lichtschalter neben der Tür gegangen war, leise. „So kannst du sicher besser schlafen.“ Toya sah Hiro im Schatten der Lampe näher kommen. Er beugte sich zu ihm herunter und gab ihm einen Kuss. „Träum was Schönes!“, flüsterte er und ging zurück zum Schreibtisch. „Masa“, dachte Toya. „Was würde ich nur ohne dich machen?“
 

Irgendwann um 1400. Toya erkannte sich selbst, als kleines Kind. Er wusste sofort, dass es eine Erinnerung an seine Zeit als Dämon sein musste. Das erkannte er an den langen, seidenen Gewändern, die er trug. Als Mensch wäre er damals vielleicht zehn gewesen. Er saß hinter einem Rosenbusch und lugte zwischen den Ästen hindurch. Neben ihm saß Hiro. Auch er schien etwas zu beobachten. Yue und Sumi waren zusammen im Schlossgarten.

„Du“, flüsterte Toya, ohne den Blick von den beiden abzuwenden. „Wieso machen die das dauernd?“ „Was denn?“, flüsterte Hiro zurück. Wieso flüsterten sie überhaupt? Yue und Sumi waren viel zu weit weg, um sie hören zu können. „Küssen“, antworte Toya. „Mein Bruder und Sumi küssen sich ständig! Da schau! Schon wieder!“ „Was weiß ich denn?“, sagte Hiro. „Hast du schon mal jemanden geküsst?“, wollte Toya wissen. „Ich mein, außer deine Mama oder deinen Papa, oder so.“ „Nö“, sagte Hiro knapp und wandte den Blick von Yue und Sumi ab. „Du?“ Toya schüttelte den Kopf. „Nur Yue,... auf die Backe. Aber das zählt wohl nicht.“ „Nee, tut’s nicht“, stimmte Hiro ihm zu.

Einen Moment lang herrschte Stille zwischen den beiden, dann sagte Toya: „Hey! Wollen WIR uns mal küssen?“ Hiro blickte ihn beinahe empört an. „Das geht doch nicht!“, sagte er. „Wieso soll das nicht gehen?“ „Na, weil das nur zwischen Männern und Frauen geht!“ „Quatsch, das geht auch so! Jetzt stell dich nicht so an!“

Hiro blickte verlegen an Toya vorbei. War es nur ein kindisches Spiel, oder hatte er Toya damals schon geliebt?

„Los komm her!“ Toya rückte ihm auf die Pelle. Kurz bevor ihre Lippen sich berührten, hielt er inne. „Man macht dabei doch die Augen zu, oder?“, fragte er etwas unsicher. „I... ich glaub schon“, stotterte Hiro. „Also, mach sie zu!“ Toya kniff die Augen zusammen. Dann berührten sich ihre Lippen. Ein paar Sekunden saßen sie so da. Dann ließ Toya von Hiro ab. Er war knallrot im Gesicht.

„Wow“, staunte er. „Da...das gefällt mir!“ Hiro blickte ihn, mit ebenfalls tomatenrotem Gesicht, an. Toyas Gesicht war dem seinen noch immer gefährlich nahe. „Ich...“, hauchte Toya. „...will... noch mal!“ Langsam führte er den Mund erneut zu Hiros Lippen. Hiro konnte es sich nicht verkneifen, die Zunge ins Spiel zu bringen.

Als sie Toyas Lippen berührten, wich dieser zurück. „Iiiih, was soll das denn?“, fragte er. „Na ja“, begann Hiro. „Dein Bruder und Sumi tun das auch immer.“ „Ach wirklich? Hmm...“ Toya leckte mehr oder weniger probeweise mit der Zunge über Hiros Lippen. Es sah wirklich etwas unbeholfen aus. „So etwa?“ „Ja, ich schätze schon“, flüsterte Hiro und schloss die Augen. Toya konnte spüren, wie sein Herz schneller schlug. Eine weitere Berührung. Es fühlte sich gut an. Allmählich verstand er, warum sein Bruder und Sumi sich ständig küssten.

Zögernd legte Hiro die Hand auf Toyas Wange. Ging das zu weit? Nein! Toya legte die Hände auf Hiros Schultern. Es war ein gefährliches Spiel, das sie das spielten. Würde man sie erwischen, müsste Hiro sicher sofort den Palast verlassen. Er würde Toya nie wieder sehen. Nie wieder. Mit diesem Gedanken drückte er Toya von sich weg. Dieser blickte ihn fragend mit seinen großen, rotbraunen Augen an.
 

„Prinz Toya-sama!“, rief plötzlich eine grelle Stimme. Erschrocken fuhren sowohl Toya, als auch Hiro zusammen. Toya sprang auf die Beine. Als er über den Busch lugte, sah er eine der Hofangestellten auf sich zukommen. „Da steckt ihr!“, sagte die Frau aufgeregt. „Wieso müsst ihr eigentlich ständig Verstecken spielen?“ Sie seufzte. „Los kommt ins Schloss. Das Essen ist angerichtet. Euere Eltern erwarten euch schon.“ „J...ja, ist gut!“, antwortete Toya und wartete, bis die Angestellte sich wieder zum gehen umdrehte. Dann blickte er nach unten zu Hiro, der noch immer hinter dem Rosenbusch versteckt, saß. „Komm, gehen wir essen! Ich hab tierischen Hunger!“ Und damit ging er davon. Langsam folgte Hiro ihm.
 

Das Vogelzwitschern weckte Toya auf. Die Jalousien waren schon hochgezogen worden und das fahle Licht der Morgensonne strahlte ins Zimmer. Toya drehte sich auf die andere Seite. Wie spät war es? Er sah auf den Wecker. „Zehn Uhr?“ Ihm fiel ein Zettel auf, der auf dem Nachttisch lag. Müde rieb er sich die Augen, griff nach dem Zettel und setzte sich auf. „Du hast so süß geschlafen, dass ich dich nicht wecken wollte. Meine Eltern wissen nicht, dass du noch da bist, also warte bitte, bis sie auf der Arbeit sind, bevor du aus dem Zimmer gehst. Bediene dich ruhig am Kühlschrank. Duschen kannst du natürlich auch. Hiro.“ Seufzend legte er den Zettel weg. „Ich muss wirklich fest geschlafen haben, wenn ich nicht mal gemerkt hab, wie er aufgestanden ist.“
 

Während er aufstand, erinnerte er sich an seinen Traum von letzte Nacht. Wie lange war es her? Über ein halbes Jahr und noch immer waren nicht alle seine Erinnerungen zurückgekehrt. Viele solche Szenen aus dem Alltag lagen noch im Dunkeln. Dabei waren es gerade diese alltäglichen Situationen, die ihm so unendlich wichtig erschienen. Das war damals sein erster Kuss gewesen. Bei dem Gedanken daran, musste Toya lachen. Eigentlich war es nur ein Spiel gewesen. Damals hatte er es nicht ernst genommen. Hiro zu küssen, einfach so. Was war schon dabei? Ob Mann oder Frau, was kümmerte ihn das? Woher sollte ein kleines Kind, dass seit seiner Geburt, abgeschieden von der restlichen Bevölkerung, mit dem engsten Familienkreis, in einem Palast aufgewachsen war, so etwas wissen? Hiro war sein einziger Freund gewesen. Im Palast gab es sonst niemandem in seinem Alter. Und überhaupt. Die einzigen Kinder, mit denen er sonst zu tun hatte, waren Söhne und Töchter, anderer, reicher Familien. Die meisten waren arrogante, verzogene Kinder gewesen, die nichts als den Luxus kannten, in dem sie aufgewachsen waren. Hiro war einfach anders. Während er so darüber nachdachte, kam es ihm plötzlich komisch vor. „Seit wann vermisse ich ihn denn, wenn er nur ein paar Stunden weg ist?“, dachte er. „Ich werde echt von Tag zu Tag schlimmer!“
 

„Wie geht es Toya?“, fragte Mariko, in der Mittagspause. „Schon besser“, antwortete Hiro. „Er hat noch tief und fest geschlafen, als ich heute Morgen weg bin.“ „Sag bloß? Du hast nicht verschlafen und dann wütend herum geschrien und deine Mutter dafür verantwortlich gemacht, dass sie dich nicht geweckt hat?“ Hiro blickte sie mürrisch an. „Ha ha!“, maulte er. „Siehst du mal, wie gut es ist, dass ich Toya hab. Am Ende schafft er es noch, dass ich vernünftig werde.“ „Brrr“, sagte Mariko kopfschüttelnd und tat, als würde ihr ein Schauer über den Rücken laufen. „Oder... verantwortungsbewusst!“ „Wuaaa! Jetzt übertreib’s mal nicht! Das schafft keiner!“ Sie musste lachen.
 

„Hi, ihr zwei! Was ist so komisch?“, wollte Subaru wissen und setzte sich zu ihnen. „Nichts“, meinte Mariko lachend. „Heute Nachmittag geht’s los“, wechselte Subaru das Thema. Mariko murmelte nur: „Hmm.“ Sie machte damit mehr als deutlich, dass sie nicht daran erinnert werden wollte. „Bist du sicher, dass du mitkommen willst?“, fragte Hiro sie. „Na klar!“, antwortete Mariko entschlossen. „Auch wenn ich nicht viel ausrichten kann. Du weißt doch selbst wie das ist. Du kannst es auch nicht lassen, Toya ständig zu retten.“ Hiro musste grinsen. „Und was hat das damit zu tun?“, fragte er. Mariko wurde rot. „Sag bloß“, meldete Subaru sich zu Wort und stupste sie mit dem Ellbogen an. „Hast du dich etwa in Yue...“ „Halt die Klappe!“, unterbrach Mariko ihn. „Ich gehe nur mit, weil äh... Falls ich wieder eine Vision hab! Vielleicht kann ich euch trotzdem helfen! Wir haben ja neulich gesehen, dass ich immer noch diese Kräfte hab. Es steckt immer noch ein Teil von Sumi in mir!“ „Ja klar, und deshalb erhoffst du dir Chancen bei Yue“, meinte Hiro lachend. „Sei endlich still, oder ich erzähl Toya was von deinen perversen Vorstellungen!“ „WAAAAS?“, schrie Hiro. „Wage es! Und außerdem hast du keine Ahnung von meinen...“ Er verstummte, als er merkte, dass sich einige ihrer Mitschüler nach ihnen umgedreht hatten. Offenbar hatten sie Marikos Worte gehört. Seufzend brach er den Satz ab. „Geht dich ja auch gar nichts an“, brummelte er beleidigt. Mariko und Subaru mussten lachen.
 

An diesem Tag wurde viel gelacht. Es war ein aufgesetztes Lachen. Eigentlich taten sie es nur, um ihre Aufregung zu unterdrücken. Niemand wollte daran erinnert werden, was ihnen bevorstand. Niemand.
 

Toya stand in der Küche am Herd. Aus lauter Langeweile hatte er beschlossen, für Hiro zu kochen. „Wie kann der Typ sich nur jeden Mittag von Fertigpackungen ernähren?“, fragte er sich.
 

In diesem Moment hörte er, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Er lugte vorsichtig hinaus auf den Flur. Schließlich konnte es auch sein, dass Hiros Schwester Kari früher nach Hause kam. Mist, daran hatte er gar nicht gedacht. Sie wusste doch gar nicht, dass er noch hier war. Was würde sie sagen, wenn sie ihn plötzlich in der Küche am Herd erblicken würde?

Glücklicherweise war es Hiro, der zur Tür herein kam. „Mann, riecht das lecker!“, sagte er. „Was hast du gemacht...“ Weiter kam er nicht, denn Toya kam schon auf ihn zu gerannt, fiel ihm um den Hals und küsste ihn innig. „Wow“, sagte Hiro leise. „Also an so eine Begrüßung könnt ich mich glatt gewöhnen. Willst du nicht hier einziehen?“ Toya blickte ihn lächelnd an. „Irgendwann werden wir zusammen in ein schönes, kleines Haus ziehen. Dann kannst du jeden Tag für mich kochen, ja?“ „Na klar, ich spiele für dich die Hausfrau“, lachte Toya und verdrehte die Augen. „Wieso nicht? Du kochst doch so gerne.“ Er legte sanft die Arme um Toyas Hüften. „Und dann werden wir heiraten, ja?“ Toya begann zu lachen. „Na sicher!“, sagte er. „Du Traumtänzer! Wir sind hier in Japan, klar?!“ „Willst du mich etwa versetzen?“, flüsterte Hiro. „Was hat das damit zu tun?“ „Idiot! Das war gerade ein Antrag, okay?“ „Ein Antrag?“ Hiro seufzte. „Also schön“, sagte er und ließ Toya los. „Ich geb’s zu, das war auch nicht gerade romantisch. Ich komm heim, du begrüßt mich mit dem Kochlöffel in der Hand...“ Toya blickte auf den Löffel in seiner Hand. Ihm war erst jetzt aufgefallen, dass er ihn noch hatte. Hastig versteckte er die Hand hinter dem Rücken. „In so einem Moment macht man niemandem einen Antrag. Aber keine Sorge, irgendwann werde ich das wiederholen und zwar richtig.“ Er gab Toya einen Kuss auf den Mund. Dann flüsterte er. „Und dann schenke ich dir einen Ring.“ Toya wurde rot. „Traumtänzer“, seufzte er. „Los, komm, das Essen wird sonst kalt.“ Und damit ging er zurück in die Küche. „Nenn mich ruhig Traumtänzer“, sagte Hiro leise. So leise, dass Toya ihn nicht hören konnte. „Aber irgendwann, werde ich dich glücklich machen.“ In Gedanken fügte er hinzu: „Wir werden zusammen glücklich sein. Und nichts wird mich je wieder von dir trennen...“
 

Es war am frühen Abend. In der Zwischenzeit waren Hiro und Toya zu diesem nach Hause gegangen. Er hatte seine Eltern angerufen und sie gefragt, wann sie nach Hause kommen würden. Sonntagabend. Bis dahin hatten sie Zeit. Denn Toya konnte unmöglich schon wieder eine Ausrede erfinden, wo er sich herumtrieb. Allmählich würden ihm seine Eltern nicht mehr glauben.

„Sie sind spät dran“, nuschelte Toya. Er hatte den Finger an den Mund gelegt, und lief aufgeregt im Zimmer hin und her. „Hey“, begann Hiro, der auf dem Sofa saß. „Hast du nicht selbst gesagt, du bist sicher, dass Yue lebt?“ Toya antwortete nicht. „Wieso bist du dann so nervös?“ Er blieb stehen. „Entschuldige mal, Mister Ich-bin-so-cool-ich-hab-vor-nichts-Angst!“, zischte er. „Aber ich freue mich nicht besonders auf das Wiedersehen mit Garasu.“
 

Hiro packte ihn am Handgelenk und zog ihn zu sich. Toya verlor das Gleichgewicht und fiel aufs Sofa. „Letztes mal hast du ihn nicht so sehr gefürchtet“, sagte Hiro und beugte sich über Toya. „Und damals war es dein erster Kampf.“ Toya blickte besorgt an Hiro vorbei. „Er ist stärker“, wisperte er leise. „Viel stärker.“ Hiro wusste nicht was er sagen sollte. „Es ist wegen dieser Vergewaltigung, hab ich Recht?“ Er spürte, dass Toya zusammenzuckte. „Du hast seit gestern, seit du es mir gesagt hast, kein Wort mehr darüber verloren. Denkst du, ich merke nicht, wie du dich damit herum quälst?“ Toya spürte, wie ihm heiß wurde. Seine Augen fühlten sich so feucht an. „Du musst nicht ständig versuchen, stark zu sein“, sagte Hiro leise. „Wenn dir zum Heulen zu Mute ist, dann heul doch! Und wenn du reden willst,...“ Toya schluchzte. Er wollte sich mit der Hand übers Gesicht wischen, als Hiro seine Hand zurück hielt. Er bückte sich und leckte eine Träne von Toyas Wange. „Ich bin immer für dich da!“ „Masa“, flüsterte Toya. „Du brauchst keine Angst zu haben! Ich werde nicht zulassen, dass dieser Dreckskerl dich auch nur noch einmal anfasst. Er wird dir nie wieder wehtun. Das lasse ich nicht zu!“ Er legte den Kopf auf Toyas Brust. „Ich bringe jeden um, der es wagt, dir weh zu tun. Das verspreche ich dir!“ Toya sagte nichts. Er wollte etwas sagen. Er wollte „Danke“, sagen. Doch es ging nicht. Geräuschlos liefen die Tränen über sein Gesicht. Er hatte die Arme um Hiro geschlungen, der über ihm lag. „Danke, Masa“, sagte er in Gedanken. „Danke...“
 

Es klingelte. Hiro stand auf. „Wurde aber auch Zeit“, sagte Toya und ging zur Tür.

„Tut mir soooo leid!“, entschuldigte Mariko sich. „Es ist meine Schuld, dass wir so spät sind.“ „Deine Schuld?“, wiederholte Hiro und lehnte sich gegen den Türrahmen. „Ich hätte auf Subaru oder Riku getippt, aber sicher nicht auf dich.“ „Sie konnte sich nicht entscheiden, was für Waffen sie mitnehmen sollte“, erklärte Subaru. „Waffen?“, fragte Toya. Mariko, Riku und Subaru betraten die Wohnung. Nachdem sie die Tür geschlossen hatten, holte Mariko etwas aus der großen Plastiktüte, die sie bei sich hatte. Eine Holzkiste. Sie öffnete sie. Ein Dolch kam zum Vorschein. „Mariko!“, rief Toya erschrocken. „W... Wie kommst du...? Wie seid ihr da dran gekommen?“ Subaru grinste. „Mit den richtigen Adressen und gefälschten Ausweisen, die für Riku ein Kinderspiel waren, lässt sich so Einiges arrangieren“, meinte er. „Ich wollte nicht völlig wehrlos da runter gehen“, fügte Mariko hinzu. „Eine Pistole wäre mir ja lieber gewesen, aber Subaru hat gesagt, das würde nichts bringen.“ „Hätte es auch nicht“, stimmte Hiro zu.
 

„Schaut! Schaut! Ich hab auch was!“, meldete Riku sich zu Wort. Sie hüpfte auf der Stelle herum und hielt zwei Wurfsterne in den Händen. Toya und Hiro rissen die Augen auf. „WAS?“, schrien sie wie aus einem Munde. „Die Dinger sind doch verboten!“ Riku grinste stolz. Wie ein kleines Kind, das mit seinem neusten Spielzeug angab. „Die hab ich von zu Hause mitgebracht“, erklärte sie. „Die sind toll! Ich hab sie verzaubert. Schaut mal!“ Zack! Toya blieb fast das Herz stehen, als einer der Wurfsterne haarscharf an ihm vorbei sauste und in der Wand hinter ihm stecken blieb. „Bist du verrückt?“, schrie Hiro seine Cousine an. „Wenn du ihn getroffen hättest!“ Plötzlich zischte etwas an Hiro vorbei. Als er sich umdrehte, sah er, wie der Wurfstern wieder in Rikus Hand landete. „Cool, was?“, sagte diese. „Keine Sorge, ich kann mit den Dingern umgehen. Denkst du, ich hätte Toya-sama wirklich in Gefahr gebracht? Das würde ich niiiiiiiiemals tun! Niiiiiiiiiiiemals!“ Hiro verdrehte die Augen. „Seht ihr? Sehr praktisch. Sie fliegen immer zu mir zurück. Egal, wo sie stecken bleiben. Egal, ob in Garasus Bauch, oder in seinem Arm, oder im Auge, oder dazwischen, oder...“ „Bitte“, unterbrach Mariko sie. „Lass diese Aufzählungen, ja?“ Riku zuckte mit den Schultern. „Seit ihr endlich so weit?“, meldete Subaru sich zu Wort. „Wir haben schon viel zu viel Zeit vertrödelt.“ „Ja“, stimmte Toya ihm zu. „Also, gehen wir.“ Subaru wandt sich Hiro zu. „Hiro“, sagte er. Dieser nickte nur. „Wo öffnen wir das Tor?“, fragte er und blickte sich um. „Am besten oben im Flur“, meinte Toya und ging die Treppen nach oben. „An der Treppe ist am meisten Platz und da sind keine Fenster, also kann man es von draußen nicht sehen.“ Die anderen folgten ihm die Treppe nach oben.

Das Katana erschien in Hiros Händen. Toya fiel der rote Splitter daran auf. „Was ist das?“, fragte er. „Ähm, das ist...“, zögerte Hiro. „Ein Splitter des Artamilya“, vervollständigte Mariko den Satz. „Damit sollten wir mit Yue in Kontakt stehen. Aber wir konnten keine Verbindung zu ihm herstellen.“ Toya antwortete nicht. Es ärgerte ihn, dass er so etwas, seiner Meinung nach, Wichtiges, erst jetzt erfuhr. Hiro hob das Schwert nach oben und rief: „Tor zur Galerie der Zeit, öffne dich!“ Das Schwert wurde in den Boden gerammt. Das grelle Licht erschien, wie gewohnt. „Mariko“, sagte Hiro und blickte dabei starr auf das Licht. „Es gibt kein Zurück.“ „Das weiß ich längst“, sagte Mariko entschlossen und fügte hinzu: „Gehen wir!“ „Bei drei!“, sagte Riku. Sie wirkte als Einzige gar nicht, als hätte sie Angst. „Eins...“, begann sie. Hiro zog das Schwert aus dem Boden und ließ es verschwinden. „Zwei...“ Plötzlich spürte er etwas an seiner Hand. Als er sich umdrehte, sah er Toyas ängstlichen Blick, wie er in das Licht starrte. Seine zitternde Hand suchte die, Hiros. Wortlos drückte Hiro sie fest in seine. „Drei!“ Das Leuchten breitete sich aus, als die Fünf gleichzeitig durch das Tor sprangen. Es wirkte wie ein riesiges Maul. Weit aufgerissen. Als würde es sie verschlingen. Und dann wurde es hinter ihnen dunkel.
 

~tbc~
 

Nachwort: Ich lade die Kapis momentan hoch, ohne sie vorher noch mal genau durchzulesen. Sie sind so alt, dass mir beim Durchlesen nur viel zu viele Fehler auffallen und wenn ich die alle korrigieren will, sitz ich ewig und ich möchte endlich mal fertig werden mit der Story. >< Sagt, merkt man den Unterschied sehr? Wenn die Qualität darunter leidet, werd ich mir doch mehr Zeit nehmen. û_u

See you in hell

Im Keller des Königspalastes. Man hörte nur Schritte, die auf den alten, steinernen Treppen auftraten. Die Luft war kalt und feucht. Beinahe modrig. Garasu blieb vor den breiten Gitterstäben des Verlieses stehen. Er legte die Hand um eine der Stangen und blickte in die Zelle. „Du bist selbst Schuld“, sagte er leise, beinahe tröstend. In diesem Moment blickte die im Schatten sitzende Gestalt auf so dass man das blutverschmierte Gesicht sehen konnte. Yue! „Glaub mir, ich hätte dich viel lieber oben bei mir im Schlafzimmer, als hier unten. Aber du musstest dich ja ständig wehren. Was blieb mir anderes übrig als dich hier einzusperren?“ Yue schwieg. Er stand nicht einmal vom kalten Steinboden auf. Blickte seinen Feind nur kalt an. „Weißt du“, fuhr Garasu fort. „Hier habe ich vor einem halben Jahr dieser Zeitrechnung, deinen Bruder gefangen gehalten.“ Wieder erhielt er keine Antwort. „Ein halbes Jahr ist nur vergangen. Für mich waren es Tausende, aber Tausende von Jahren!“ ... „Wieso sagst du nichts? Bist du sauer? Ist das meine Strafe? Dass du nicht mehr mit mir redest?“ ... Garasu seufzte. „Wieso findest du dich nicht damit ab, Yue? Du hast verloren. Ich muss dich nicht töten, um an deine Macht zu gelangen. Es reicht, wenn ich dich hier einsperre. So lange du nur unter meiner Gewalt bist, steht mir nichts im Wege.“

„Doch“, sagte Yue leise. „Was?“ „Doch!“, wiederholte Yue seine eigenen Worte, nun um einiges lauter. „Es gibt etwas... was du nicht bedacht hast.“ „Ach ja? Und was soll das sein?“ „Toya!“ Diesmal war es Garasu der schwieg. „Er hat dich schon einmal besiegt und er wird es wieder tun.“ Garasu bis sich auf die Unterlippe. Doch dann verzog sich sein Mund zu einem siegessicheren Grinsen. „Du denkst wirklich, dieser Knirps könnte mir etwas anhaben? Gut, er ist mir als Geißel entwischt, aber was kümmert mich das? Ich habe doch den besten Köder, den es gibt, um ihn wieder hier her zu locken. Dich!“ ... „Er wird kommen... und mir direkt in die Falle laufen. Wie wär’s? Ihr könntet euch ja eine Zelle teilen? Wenn ich gnädig bin, erlaube ich das. Vielleicht sollte ich euch aber auch so weit wie möglich auseinander stecken, damit du deinen geliebten Bruder nie wieder siehst.“ Garaus blickte nachdenklich nach oben. „Hmm, mal sehen. Von seinem kleinen Freund Hiro, muss ich ihn auch trennen. Ich mag es einfach, ihn zu quälen. Fast noch mehr als dich.“ Er lehnte den Kopf an die Gitterstäbe. „Ach was rede ich denn da?“, seufzte er. „DICH quäle ich überhaupt nicht gerne.“ Er blickte Yue lächelnd an. „Dich mag ich wirklich sehr, Yue.“ Er trat einen Schritt vom Gitter zurück. „Wer weiß“, murmelte er. „Vielleicht kannst du meine Gefühle eines Tages erwidern.“ Er lachte gehässig auf. „Du wirst ja lange genug Zeit dazu haben.“ Yue hörte, wie sich sein Lachen mit dem Klacken, das seine Schritte verursachten, allmählich leiser wurde. Und am Ende war es wieder völlig still.
 

Mariko öffnete die Augen. Die rieb sich den schmerzenden Rücken, auf dem sie wohl gelandet sein musste. Sie blickte sich um. „Au, aua!“, hörte sie die quietschende Stimme von Riku hinter sich jammern. Subaru stand schon auf den Beinen. „Also“, maulte Mariko. „Mit dem Artamilya war die Landung wesentlich schmerzfreier.“ „Beschwer dich nicht auch noch“, murmelte Hiro und stand auf. Er blickte nach rechts und links. „Was ist?“, fragte Mariko, als sie seinen suchenden Blick bemerkte. „Toya“, wisperte Hiro nur. Wie schnell so etwas Panik bei ihm auslöste. „Wo ist Toya?“, fragte er mit zitternder Stimme.

„Hier!“, bekam er als klägliche Antwort. Er drehte sich um. Subaru, Riku und Mariko ebenfalls. Sie sahen, wie Toya, mit Schmerz verzerrtem Gesicht, aus einem ziemlich großen Rosenbusch gekrochen kam. „Autsch“, zischte er und zupfte sich ein paar Dornen aus dem Oberarm. „Wieso muss so was immer mir passieren?“, meckerte er. Mariko hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht lachen zu müssen. „Ja, ja, lacht ruhig!“, sagte Toya beleidigt. „Such dir nächstes mal bitte einen anderen Landeplatz aus, ja, Masa?“ „Tut mir leid“, sagte Hiro und musste sich dabei selbst das Lachen verkneifen. „Darauf hab ich keinen großen Einfluss.“ „Wir sind beim Palast gelandet“, meldete Subaru sich zu Wort und blickte nach oben. Wo die steinernen Mauern des Schlosses in die Höhe ragten. „Das wollten wir doch, oder?“ „Wo genau sind wir?“, wollte Riku wissen. Sie blickte sich um. Es schien eine Art Garten zu sein. Doch die meisten Blumen wirkten verdorrt. Nur wenige, - eine davon war der Rosenbusch gewesen, in dem Toya gelandet war - waren erblüht. „Im Schlossgarten“, sagte Toya. „Garten?“, wiederholte Mariko. „Das ist ein Park, kein Garten. Und hier bist du aufgewachsen, ja? Na, das sieht dir ähnlich!“ „Wieso sieht...“, begann Toya, wurde jedoch von Subaru unterbrochen. „Das ist doch jetzt egal“, sagte er. „Wir müssen Yue finden. Er muss irgendwo im Palast sein.“ „Ich kann seine Aura spüren“, bemerkte Riku anscheinend ziemlich stolz. „Ja, ich bin auch sicher, dass er hier ist“, stimmte Toya ihr zu. „Aber wo sollen wir anfangen zu suchen? Der Palast ist riesig und sicher auch nicht mehr völlig unbewohnt. Es ist besser, wenn wir uns von niemandem erwischen lassen“, überlegte Hiro laut. „Im Keller“, sagte Toya knapp. „Am logischsten wäre es, wenn Yue im Verlies ist. Da hat Garasu mich damals doch auch festgehalten.“ „Stimmt, das klingt logisch.“ Wieder meldete Subaru sich zu Wort: „Aber da kommen wir unmöglich hin. Wir müssten mitten durch die Eingangshalle stiefeln.“ „Hmm“, brummelte Hiro und sah dabei ziemlich nachdenklich aus. „Ich weiß es!“, sagte Toya plötzlich. „Es gibt noch einen Weg!“ „Was?“, fragte Hiro. Toya lächelte. „Daran kannst du dich wohl nicht mehr erinnern“, meinte er zu ihm. „Mein Geheimgang!“ „Geheim...“, wiederholte Mariko. „Na klar! Ich hab mich doch damals ständig irgendwo versteckt. Und dabei hab ich eines Tages einen Geheimgang gefunden. Na ja, um ehrlich zu sein haben wir ein bisschen nachgeholfen, damit es ein richtiger Gang wurde.“ Bei diesen Worten ging Hiro plötzlich ein Licht auf. „Du meinst...“, begann er. „Genau den“, antwortete Toya, noch bevor Hiro geendet hatte. „Meinst du echt, der existiert noch?“ „Einen Versuch ist es wert.“ „Hallo?“, mischte Mariko sich ein. „Könntest du uns jetzt auch mal aufklären?“ „Kommt mit!“, sagte Toya und rannte davon.
 

Garasu saß gelangweilt in einem großen, leeren Saal, auf einem Thron. In seinen Händen hielt er eine goldene Krone. Beinahe verträumt sah er das Schmuckstück an. „Bald ist es so weit“, sagte er leise zu sich selbst. Und in Gedanken fügte er hinzu: „Wenn ich dich endlich habe, Toya,... Dann steht meiner Herrschaft nichts mehr im Wege.“ Er blickte auf das Artamilya, das er um den Hals trug. „Ich könnte sie gar nicht töten“, überlegte er. „Yue und Toya... ihr beide seid mein Lebenselixier. Ohne eure Macht, würde mir dieses Schmuckstück auch nicht viel nützen.“ Damals, bevor er in der Raum-Zeit-Schleife gefangen gewesen war, hätte er Yue und Toya einfach töten können. Ihnen das Artamilya entreißen und Herrscher werden können, doch nun... Nun war alles anders. Sein Körper war um Tausende von Jahren älter. Seine Kräfte ließen von Tag zu Tag immer mehr nach. Er fuhr sich mit der Hand über die Wangen. Bildete er es sich nur ein, oder war die Haut schon wieder so schlaff? Es waren allein Yue und Toya, die ihn am Leben halten konnten. Die letzten noch Lebenden der Königsfamilie. Ihr Fleisch. Ihr Blut. Ihre Körper. Sie waren jung, und stark. Sie hatten die Lebensenergie, die er brauchte. Er würde sie sich als Gefangene halten. Und sie würden ihn ewig jung halten. „Ewig“, flüsterte Garasu und blickte erneut auf das rote Schimmern des Artamilyas. „Ich werde ewig herrschen.“
 

Toya und die anderen hatten eine Stelle, an der Schlossmauer erreicht. An dieser Stelle stand eine Bank, zirka einen Meter Abstand zur Wand. Dahinter ragte Efeu vom Boden aus, die Wand hinauf. Toya kniete sich auf den Boden und kroch hinter die Bank. „Da war mal ein richtiger Tunnel. Als ich ihn damals entdeckt hab, war er ziemlich heruntergekommen. Kaum noch zu Benutzen“, erklärte Toya, während er den Vorhang aus Efeu zur Seite schob. „Ich hab’s Masa gezeigt und er hat mit Hilfe seiner Magie alles stabilisiert, damit es sicher ist und nicht einstürzt, wenn man durchkriecht.“ „Toya, das ist Jahrhunderte her“, redete Hiro auf ihn ein. „Schau dir an, wie das alles zerfallen ist. Es ist viel zu gefährlich da durchzukriechen. Was, wenn er einstürzt, während wir noch drin sind?“ „Wer sich nicht traut, kann ja da bleiben!“, sagte Toya grinsend und verschwand auch schon in der runden Öffnung, die sich hinter der Efeuwand verborgen hatte. „Toya!“, schrie Hiro und bückte sich. „Komm sofort da raus!“ „Ich denk ja gar nicht dran!“, hörte er Toyas Stimme echoen. „Du legst jetzt gefälligst auf der Stelle den Rückwärtsgang ein, oder ich...“ „Oder?“ „Oder ich komm und hol dich!“ „Dann komm doch!“ Genervt stand Hiro auf. „Er benimmt sich wie ein Kleinkind“, meckerte er. „Das hat er früher ständig gemacht. Sich immerzu versteckt.“ „Tja“, seufzte Mariko und schob Hiro zur Seite. „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig.“ Die ging in die Knie und kroch in den Tunnel. „Ma...Mariko!“, rief Hiro. „Wuaaa! Ihr macht mich echt fertig.“ Und ehe er sich versah, war auch Riku an ihm vorbei gehuscht. Subaru lachte. „Los, komm. Wir haben keine andere Wahl, oder?“, meinte er. Genervt gab Hiro sich geschlagen und krabbelte ebenfalls in die Tunnelröhre. Nach ihm, Subaru, der versuchte, das Efeu so gut es ging wieder vor den Eingang zu rutschen, so dass der Tunnel unentdeckt blieb.
 

Yue hatte lange Zeit da gesessen. Und gewartet. In seinem Gefängnis. Worauf er gewartet hatte, wusste er selbst nicht. Vielleicht auf die Stille. War diese nicht schon eingetreten, als Garasu gegangen war? Nein, was er erwartete, war eine andere Art von Stille. Die Stille, die einen spüren ließ, dass man alleine war. Ganz alleine. Er war sich sicher, dass Garasu ihn beobachtete. Er hatte es einfach im Gefühl. Aber ebenso war er sich sicher, dass sein Bruder Toya, und die anderen auf dem Weg hier her waren. Er würde sie in Gefahr bringen, wenn er nichts unternähme. Er war hier gefangen und der perfekte Köder. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als etwas zu unternehmen. Garasu hatte einen Fehler begangen. Einen großen Fehler. Er hatte den Schlüssel an der Wand gegenüber hängen lassen. Der Schlüsselbund war ein großer, metallener Ring. Yue richtete sich auf und ging nach vorn zu den Gitterstäben. Es war zu weit weg. Mit der bloßen Hand hätte er die Wand niemals erreichen können. In seiner rechten Hand glimmte etwas auf. Das Schwert. Diese Waffe hatte Garasu ihm nicht nehmen können. Sie war ein Teil von ihm. Sie erschien nur, wann er es wollte. Er hielt das Schwert so weit hinten wie möglich am Griff fest und streckte den Arm zwischen den Gitterstäben hindurch. Haarscharf! Gerade so erreichte die Spitze der Klinge, die Wand. Jetzt hieß es ruhig bleiben. Würde er gegen den Ring stoßen, würde der Schlüssel zu Boden fallen. Wer weiß, ob er ihn dann noch erreichen konnte. Er versuchte die Hand so still wie möglich zu halten, doch das war leichter gesagt, als getan. Die Klinge berührte die Wand, in der Mitte des Ringes. Er ließ sie vorsichtig an der Wand nach oben fahren, bis sie das Metall des Schlüsselbunds erreichte. Der Ring wurde angehoben. Er rutschte über die Klinge. Geschafft! Yue hielt die Klinge senkrecht, so dass der Schlüssel direkt zu ihm rutschte. „Ich sollte mich nicht zu früh freuen“, sagte er sich selbst und schloss das alte, rostige Schloss auf. Die Gittertür ging mit einem leisen Quietschen auf. Yue ließ den Schlüssel in seiner Hosentasche verschwinden und ging so leise wie möglich die Treppen nach oben.
 

Nur wenige Sekunden später wurden ein paar Steine aus der Steinwand des Verlieses geschoben. „Du hast mehr Glück als Verstand!“, flüsterte Hiro. Toya kletterte aus dem Loch. Nach ihm, Mariko, Riku, Hiro und zuletzt Subaru. „Was, wenn die wieder befestigt worden wären?“, schimpfte Hiro mit Toya. „Dann wären wir eben wieder zurück gekrochen“, sagte Toya gelangweilt. Subaru war derweil damit beschäftigt, die Steine wieder in die Mauer zu schieben, so dass der Eingang versperrt wurde. „Hätte nicht gedacht, dass ich das noch erleben würde“, sagte Mariko. Als sie merkte, wie ihre Stimme in den hohen Verliesen widerhallte, wurde ihre Stimme leiser. „Toya geht ein Risiko ein und Masa ist vernünftig. Das Leben ist aber auch zu verrückt.“ „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze“, maulte Hiro. „Wo sind wir?“, fragte Riku. „Im Keller“, antwortete Toya. Er blickte sich um. Enttäuscht stellte er fest: „Anscheinend hab ich mich geirrt. Yue ist nicht hier.“ „Er ist sicher irgendwo im Palast“, ermutigte Subaru ihn. „Gehen wir ihn suchen“, schlug Hiro vor. „Wir müssen versuchen, nicht erwischt zu werden, aber ich erhoffe mir da nicht zu viel.“
 

„Solltest du auch nicht“, unterbrach plötzlich jemand ihre Diskussion. Alle drehten sich zur Treppe um, wo sie niemand anderer als Garasu, erwartete. Allein bei seinem Anblick, zuckte Toya kaum merkbar zusammen. Von allen, stand er, Garasu am Nähesten. Er wich einen großen Schritt zurück, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. „Was ist?“, fragte Garasu. „Freust du dich nicht, mich wiederzusehen, Toya?“ Niemand sagte etwas. „Ich darf doch du sagen, oder?“, fuhr Garasu fort. „Wo wir doch jetzt so ein inniges Verhältnis haben!“ Toya griff nach Hiros T-Shirt. Wie ein verängstigtes Kind, das nach Hilfe suchte. Hiro packte ihn an der Schulter und drängte sich vor ihn. Er hielt das Katana vor sich und sagte: „Wieso nimmst du es nicht zur Abwechslung mal mit jemandem von deiner Stärke auf, Garasu?“ Garasu grinste. „Willst du damit sagen, dass du meine Stärke hast?“, fragte er provozierend. Wortlos rannte Hiro auf ihn zu.

Er holte aus. Doch sein Angriff wurde abgewehrt. Mit bloßen Händen drückte Garasu das Schwert zu ihm zurück. „Yue zu verletzen, um Toya zu schwächen“, sagte Hiro zähneknirschend und versuchte, gegen den Druck, den Garasu auf das Schwert ausübte, standzuhalten. „Und sich dann einfach an ihm zu vergreifen... das werde ich dir niemals verzeihen!“ „Weißt du...“, begann Garasu. Scheinbar mühelos stieß er Hiro mitsamt dem Katana von sich, so dass Hiro zu Boden knallte. „Es interessiert mich nicht, ob du mir verzeihst“, endete Garasu. Toya und Mariko halfen Hiro auf die Beine. Plötzlich sauste etwas an ihnen vorbei und blieb in Garasus Brust stecken. Ein Wurfstern?! Überrascht drehten Hiro, Toya und Mariko sich um. Tatsächlich stand Riku nur knapp hinter ihnen. Den zweiten Wurfstern hielt sie bereit zum Werfen in der Hand. Garasu blickte an sich herunter. Er verzog nicht einmal eine Miene, als er sich die spitze Waffe aus der Haut zog. „Hmm, interessant“, sagte er. „Habt ihr Unterstützung bekommen?“ Der Wurfstern begann sich zu drehen und schlitze Garasu die Hand auf. Als er daraufhin los ließ, flog die Waffe wie auf Kommando, zu ihrem Besitzer zurück. „Ja, das ist wirklich höchst interessant“, sagte Garasu erneut. Er wischte sich die blutige Hand an seinem weißen Hemd ab. Dann zuckte er mit den Schultern. „Egal, das wird euch nicht viel nützen. Aber so hab ich wenigstens noch etwas mehr Zeitvertreib, bis zur Krönungszeremonie. Ich habe mir nämlich etwas ganz Besonderes für euch ausgedacht.“ Wieder dieses heimtückische Grinsen. Wie Toya dieses Gesicht verabscheute. „Ichiro!“, sagte Garasu nur, woraufhin jemand hinter ihm die Treppe herunterkam.
 

„So sieht man sich wieder“, sagte Ichiro zu den anderen. „Er hat sich etwas für euch ausgedacht“, erklärte Garasu. „Ihr wisst ja, dass es mir von Grund auf zu langweilig ist, jemanden einfach so zu töten. Darum werden wir erst mal ein kleines Spiel spielen. Was haltet ihr davon?“ Niemand sagte etwas. „Fang an, Ichiro!“ „Jawohl, Meister!“ Der Angesprochene schloss die Augen und richtete die Hände auf Toya und die anderen. Toya spürte ein Pochen im Kopf. Auf einmal war es stockfinster um ihn herum. Er konnte nicht einmal die Hand vor Augen erkennen. Hiro, Mariko, Subaru und Riku war es nicht anders ergangen.
 

„Über dieses Mädchen weiß ich nichts“, sagte Ichiro. „Was sollen wir mit ihr machen?“ „Finde heraus, was ihr Schwachpunkt ist“, befahl Garasu. „Das dürfte doch ein Leichtes für dich sein. Und dann schicke ihr genau so einen Alptraum wie den anderen.“ „Jawohl, Meister.“ Und damit ging Ichiro die Treppen nach oben. Garasu ging ein Stück weiter den Gang entlang. Vor der Zelle, aus der Yue entkommen war, blieb er stehen. „Du Narr“, dachte er laut. „Denkst du wirklich, wegrennen bringt dir etwas?“ Es schien ihn gar nicht zu kümmern, dass Yue die Flucht gelungen war. „Ich werde dich ja doch wieder einfangen“, sagte er. „In deinem Zustand kommst du sowieso nicht weit.“
 

Das nächste, was Mariko wahrnahm, war, dass sie sich in der Schule befand. Sie war irritiert. War sie nicht gerade eben noch in der Unterwelt gewesen? „Hey, Toya“, flüsterte sie Toya zu, der gegenüber von ihr saß. „Was machen wir hier?“ „Was wir hier machen?“, wiederholte Toya fragend. „Was meinst du? Wir gehen zur Schule, was sonst?“ Mariko blickte ihn verwundert an. „Aber was ist mit Garasu?“ „Wie kommst du denn jetzt darauf?“, wollte Toya wissen. „Garasu ist seit einem halben Jahr tot.“ Mariko wusste keine Antwort. Wie war das möglich? Hatte sie sich all das nur eingebildet? War alles nur ein Traum gewesen? Sie blickte sich in der Klasse um. Hiro war ebenfalls da. Doch keine Spur von Subaru. „Wo ist Subaru?“, flüsterte sie Toya zu. „Wer?“, fragte Toya zurück. Mariko antwortete nicht. „Und wenn ich wirklich alles nur geträumt habe?“, dachte sie. Konnte das sein?

„Sugenami!“, sagte ihr Lehrer laut. Mariko fuhr aus ihren Gedanken hoch. „Ja!“, antwortete sie rasch. Ihr Lehrer kam gerade auf sie zu und drückte ihr die Klassenarbeit in die Hand. „Volle Punktzahl!“, lobte der Lehrer sie. „Wie immer“, seufzte Hiro. „Hätte ich doch bloß auch so gute Noten!“

Es war Nachmittag. Mariko ging gerade über den Pausenhof. Sie hatte wie so häufig noch Unterricht gehabt. Toya und Hiro waren schon nach Hause gegangen. Plötzlich hörte sie jemanden rufen: „Sugenami!“ Sie drehte sich um und sah vier Mädchen auf sich zukommen. Sie kannte sie nur vom sehen her. „Kommst du mal mit? Wir müssen dich was fragen“, meinte eines der Mädchen. „Ähm ja“, sagte Mariko zögernd. Als Schülersprecherin war es für sie nichts Seltenes, dass Schüler, die sie kaum kannte, sie ansprachen.

Sie folgte den Mädchen über den Hof. Hinter dem Gebäude, beim Schulgarten blieben sie stehen. „Also, was ist?“, wollte Mariko wissen. „Sei ehrlich“, begann eines der Mädchen. „Du treibst es doch mit den Lehrern, oder?“ Mariko riss empört die Augen auf. „WAS?“, schrie sie. „W... Wie kommt ihr denn darauf?“ „Tu nicht so scheinheilig!“, fuhr eines der Mädchen sie an. „Schau dich doch an!“ Sie zerrte Mariko an den Haaren. „Auaa! Lass mich los!“, schrie Mariko und stieß das Mädchen, welches um einiges größer war als sie, von sich. Sie war sich sicher, dass sie und ihre Freundinnen aus einer höheren Klasse sein mussten. „Mit deinen hellen Haaren und den Sommersprossen. Jeder mag dein hübsches, europäisches Gesicht. Ist natürlich von Vorteil, so auszusehen. Du machst einfach jeden schwach und angelst dir so gute Noten! Kleine Schlampe!“ „Das ist doch Schwachsinn!“, schrie Mariko wütend. „Ich bin nicht so...“ Weiter kam sie nicht, denn ihr Gegenüber, anscheinend die Anführerin der Clique, verpasste ihr eine schellende Ohrfeige. „Solche Weiber kotzen mich echt an!“, zischte die Fremde und schubste Mariko so sehr, dass sie rückwärts ins Gras fiel. „Hört auf!“, schluchzte Mariko. Sie versuchte, sich zu beherrschen. Sie zum Heulen zu bringen war doch gerade das, was diese Mädchen erreichen wollten. „Und zu allem Überfluss hast du drei Freunde gleichzeitig! Noch dazu drei der beliebtesten Jungs an der ganzen Schule!“ „Was redet ihr denn da?“, wimmerte Mariko. „Masanaru Hiro zum Beispiel“, mischte sich eine der anderen ein, die mit ihren Freundinnen die ganze Zeit schweigend hinter ihrer Anführerin gestanden hatte. „Das Sportas.“ „Und Sakasa Toya, der absolute Mädchenschwarm“, fügte eine zweite hinzu. „Oder der mysteriöse Garasu Yue!“, meinte die dritte. Nun meldete sich wieder das erste Mädchen zu Wort, welches Mariko geschlagen hatte. „Du musst dich ja echt für die Größte halten! Alle Jungs sind scharf auf dich und du hast dir mal eben die drei besten raus gesucht.“ „Das ist nicht wahr!“, schrie Mariko und stand auf. „Sie sind meine Freunde! NUR meine Freunde, weiter nichts! Ich hab mit keinem von ihm je was gehabt!“ „Lügnerin!“, fuhr das Mädchen sie an. „Wir werden dir deine Arroganz schon noch austreiben.“ Sie packte sie an den Schultern und zog sie mit sich. „Lass mich looos!“, schrie Mariko und versuchte sich loszureißen, doch dann hielten die anderen drei Mädchen ihre Arme und Beine fest. Zu Viert hoben sie Mariko hoch. Ihr half kein Zappeln und kein Schreien. Hier hinten war um diese Zeit sicher niemand mehr, der sie hätte hören können. Dann wurde sie in hohem Bogen durch die Luft geschleudert und knallte auf dem Rücken, mitten in einem Blumenbeet auf. Sie hörte das Gelächter der Mädchen. „Wenn du so weiter machst, landest du nächstes mal im Teich!“, drohte eines ihr. Dann kehrten sie ihr den Rücken und ließen sie einfach liegen.

Erst jetzt kamen Mariko die Tränen. „Was kann ich denn dafür?“, schluchzte sie und rappelte sich auf. Ihr Rücken schmerzte. Ihre gesamte Schuluniform war voll von Grasflecken und Erde. „Was kann ich für meine deutsche Mutter und für meine Noten?“ Sie schaffte es nicht, sich aufzurichten. Stattdessen sank sie völlig aufgelöst zurück in die Knie. Sie hielt sich die dreckigen Hände vors Gesicht. „Was kann ich denn dafür?“, fragte sie sich immer wieder selbst. Wieso hackten immer alle auf ihr herum? Es stimmte schon, sie hatte niemanden. Außer den Jungs hatte sie niemanden. Natürlich kamen da Gerüchte auf, wenn ein Mädchen nur mit Jungs befreundet war. Aber es war nicht so, wie alle dachten. Würde sie ewig so gehänselt werden? Solange sie mit Toya, Hiro und Yue befreundet war? Für eine Sekunde kam ihr ein absurder Gedanke. „Würde es aufhören, wenn ich NICHT mehr mit ihnen befreundet wäre?“
 

„Ich freue mich wirklich, dass du und mein Bruder euch so gut versteht“, sagte Sumi lächelnd. Sie und Yue gingen gerade gemeinsam im Schlossgarten spazieren. „Er ist wirklich sehr nett“, sagte Yue. „Ja, das stimmt“, seufzte Sumi.

Es war am Abend, in einem großen Palast im Menschenreich. Es klopfte an Subarus Zimmertür. „Herein“, sagte dieser. Daraufhin kam seine Schwester Sumi ins Zimmer. „Hallo“, sagte sie und schloss hinter sich die Tür. Sie setzte sich auf den Sessel, der in einer Ecke des Raumes stand. „Und?“, fragte sie. „Wie hat es dir gefallen? Du warst heute das erste Mal in der Unterwelt.“ „Es ist der Wahnsinn“, antwortete Subaru ohne groß überlegen zu müssen. „Einfach stark! Diese Dämonen verfügen über riesige Kräfte!“ „Ja, das tun sie“, stimmte Sumi ihm zu. „Yue ist toll“, meinte Subaru weiter. „Erst hatte ich ja bedenken, als du sagtest, du seist mit einem Dämon liiert. Aber jetzt wo ich ihn kennengelernt habe, denke ich anders darüber.“ „Und was denkst du jetzt?“, wollte Sumi wissen. „Dass er meine Schwester verdient hat“, meinte Subaru lächelnd. „Und das mag was heißen, ja? Dich verdient schließlich nicht jeder!“ Sumi musste kichern. „Danke“, sagte sie. „Ich hatte auch Bedenken“, gab sie zu. „Ich hatte Angst, dass du ihn nicht mögen würdest. Du weißt ja, dass Mutter und Vater eigentlich nicht viel davon halten.“ „Ja, ich weiß“, seufzte Subaru. „Sie lassen es nur zu, um den Frieden zwischen Menschen und Dämonen zu bewahren.“ Sumi ließ den Kopf hängen. Sie sagte nichts. „Keine Sorge“, tröstete Subaru sie. „Es wird schon alles gut gehen!“
 

„Du willst WAS?“ Ein beinahe hysterischer Schrei dröhnte durch das Schloss. „Niemals! Vergiss es! Das lasse ich nicht zu!“ „Du kannst nicht dagegen tun, Mutter!“, rief Subaru seiner Mutter nach, die wütend die Treppen nach oben stapfte. „Und wie wir das können“, schimpfte Sumis und Subarus Vater derweil weiter mit seinem Sohn. „Wir werden das niemals dulden, hörst du? Einen Dämon zu heiraten, oder einer zu sein, das ist ein großer Unterschied!“ „Sumiiiiiiiiiiii!!!“, schrie deren Mutter. Sumi öffnete ihre Zimmertür. „Komm SOFORT herunter!“ „J..., ja Mutter“, stotterte Sumi verwirrt und rannte eilig die Treppen nach unten. „Da siehst du’s! Da siehst du, was du deinem Bruder für Flausen eingeredet hast!“, schrie ihre Mutter. „Ich wusste es! Ich WUSSTE dass, das nicht gut gehen wird! Eine Beziehung mit einem Dämon! Einem Dämon!“ Sie begann zu weinen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Gott erbarme dich!“ Sumi blickte sich fragend um. „Was ist denn los?“, fragte sie mit zaghafter Stimme. „Dein Bruder will ein Dämon werden!“, klärte ihr Vater sie auf. „Was?“ Fragend blickte Sumi, Subaru an. „Es stimmt“, versicherte dieser ihr. „Ich habe lange nach einem Zauber gesucht, der so etwas kann und ich habe ihn gefunden.“ „Subaru...“, wisperte Sumi. „Ich will so sein wie er, O-nee-san!“, schrie Subaru. „Seit ich Yue zum ersten Mal gesehen hab, wollte ich so sein wie er!“ Sumis Mutter war in Tränen ausgebrochen. „Ich will über die gleichen Zauberkräfte verfügen, ich will dort leben und...“ Er wandte sich seinen Eltern zu. „Ihr werdet mich nicht aufhalten!“ Nun kamen auch Sumi die Tränen. Ein lautes „Klatsch“ ertönte. Sein Vater hatte Subaru eine schallende Ohrfeige verpasst. „Verschwinde!“, schrie er ihn an. „Los, hau ab! Wenn du das wirklich tust, will ich dich in diesem Hause nie wieder sehen!“ „Aber Vater...“, wimmerte Sumi und wollte auf ihren Vater einreden. „Halt den Mund, Sumi!“, unterbrach ihr Vater sie. „Deine Ehe ist etwas anderes. Wir haben keine andere Wahl! Wir können uns keinen Krieg erlauben. Aber dass Subaru lieber einer von diesen, diesen...“, weiter sprach er nicht. Offenbar suchte er eine geeignet Beleidigung für die Dämonen. „Eine solche Sünde wird Gott niemals vergeben!“ „Schön“, zischte Subaru. Dann schrie er: „Ich scheiß auf eueren Gott!“ Und damit kehrte er seiner Familie ein für alle male den Rücken und rannte aus dem Schloss.

Seine Mutter war in Tränen aufgelöst. Sein Vater kochte geradezu vor Wut. Und Sumi stand nur schweigend da. Mit einem Ausdruck der Verzweiflung in ihren glasigen Augen. Sie fühlte sich so schuldig. Es war doch ihre Schuld, oder etwa nicht? Sie hatte ihren Bruder mit in die Unterwelt genommen und ihm alles dort gezeigt. Sie rannte die Treppen nach oben und schlug die Zimmertür zu. War es falsch gewesen, was sie getan hatte? Dabei hatte sie es doch nur gut gemeint. Und was sollte sie nun tun?

„Ich verstehe“, murmelte Yue, nachdem Sumi zu ihm gegangen und ihm alles erzählt hatte. „Meine Eltern haben ihn verstoßen und enterbt“, seufzte Sumi. „Lass den Kopf nicht hängen“, tröstete Yue sie und legte die Arme um sie. „Ich werde mit ihm reden. Er wird schon wieder zur Vernunft kommen.“ „Zu spät“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Als die beiden sich umdrehten, stand Subaru vor ihnen. „Es ist schon zu spät“, wiederholte er. Sumi traute ihren Augen kaum. Seine Ohren und Zähne waren spitz, wie... die eines Dämons! „Subaru!“, wisperte sie. „Wie du siehst, bin ich jetzt kein Mensch mehr“, meinte Subaru. „Wie um alles in der Welt hast du...“ begann Yue. „Ja ich weiß“, unterbrach Subaru ihn. „Du bist überrascht, wie ich das geschafft habe. Tut mir leid, ich kann dir die Namen meiner Helfer nicht nennen. Schließlich ist es ein verbotener Zauber, den nicht viele beherrschen. Und noch weniger, die es wagen, ihn anzuwenden. Ich gebe zu, es war riskant.“ „Riskant?“, wiederholte Sumi aufgebracht. „Du hättest genauso gut sterben können!“ „Ich weiß“, sagte Subaru und ließ den Kopf hängen. „Aber du musst mich verstehen, O-nee-san. Ich wollte nicht länger in diesem Käfig eingesperrt sein. Als Mensch hätte ich später das Thronerbe annehmen müssen, aber als Dämon geht das nicht.“ „Dann... hast du es deshalb getan?“, fragte Sumi. „Du WUSSTEST, dass Vater es nicht dulden wird?“ „Natürlich“, antwortete Subaru. „Lieber schlage ich mich auf der Straße durch, als weiter im Hause unserer Eltern zu leben.“ Er kehrte ihnen den Rücken. „Warte, Subaru!“, rief Sumi ihm nach. Doch ihr Bruder hörte nicht auf sie.

Es wurde Winter. Subaru hatte seitdem auf der Straße gelebt. Irgendwo dort unten, in der Welt der Dämonen, zu denen er jetzt gehörte. Er hatte weder seine Schwester, noch seine Eltern oder Yue je wiedergesehen. Manchmal fragte er sich, ob es falsch gewesen war, was er getan hatte. In den besonders kalten Nächten kamen ihm Zweifel. Nun hatte er niemanden mehr. Er hatte alles verloren. Seine Familie. Seine Freunde. Einfach alles. Selbst sein Leben. Und dafür hatte er ein neues bekommen. Dieses hier. Irgendwo in den Slums. Wo genau, wusste er selbst nicht einmal...
 

~tbc~

Illusion

„Es funktioniert einwandfrei“, stellte Ichiro fest, während er die Träume der anderen beobachtete. „Jeder von ihnen wird im Traum mit seinen schlimmsten Erinnerungen und Ängsten konfrontiert. Sie werden nur noch ein Haufen psychisch Kranker sein, wenn ich mit ihnen fertig bin.“

„Ichiro!“ unterbrach ihn plötzlich eine Stimme. Als er sich umdrehte erblickte er seinen Meister Garasu hinter sich. „Mir scheint, du hättest eine Kleinigkeit vergessen.“ „Was... was meint Ihr, Garasu-sama?“, fragte Ichiro vorsichtig. „Dieser Mann,... Katsumoto“, begann Garasu. „Wir sollten ihn sofort töten, damit er nichts ausplaudert.“ „Ist das nicht egal?“, fragte Ichiro. „Ihr werdet das Menschenvolk doch sowieso auslöschen, oder nicht?“ „Schon, aber wenn er ihnen von der Existenz der Dämonen erzählt, können sie sich auf unseren Angriff vorbereiten. Auch wenn sie schwach sind, sie sind in der Überzahl. Es würde die Sache nur erschweren, also... unterbreche das hier und gehe zurück.“ „Ja, natürlich“, sagte Ichiro gehorsam. „Töte jeden, der davon weiß.“ „Jawohl!“ Gerade wollte Ichiro zum Gehen ansetzen, als Garasu sagte: „Ach ja und wenn du zurück bist...“ „Ja?“ „Dann finde Yue für mich. Er muss noch irgendwo im Palast sein.“ „Wie ihr wünscht.“ Im nächsten Moment war Ichiro auch schon spurlos verschwunden.

„Ich mach mir doch nicht selbst die Mühe“, dachte Garasu. „Viel lieber beobachte ich die Träume dieser Narren. Yue wird mir so oder so nicht entwischen.“
 

Es war vor vielen Jahren, als Riku noch sehr klein war. Sie kam gerade nach Hause. „Riku!“, rief ihre Mutter und nahm das Kind rasch in die Arme. „Was ist denn, Mama?“, fragte Riku, als sie das Schluchzen ihrer Mutter vernahm. „Wo warst du? Ich habe mir Sorgen gemacht?“, weinte ihre Mutter. „Ich dachte schon, dir wäre etwas passiert!“ „Tut mir leid. Ich war nur spielen“, beruhigte Riku sie. „Es herrscht Krieg!“, schrie Rikus Mutter sie an. „Ich will nicht, dass du draußen herum rennst! Ich will nicht noch jemanden verlieren!“ Sie sank vor ihrer Tochter in die Knie und ließ den Kopf hängen. „Noch jemanden?“, dachte Riku erschrocken. „Mama, was meinst du mit...“ „Dein Vater“, schluchzte die Frau. „Er... ist tot...“ Riku riss die Augen auf. Sie glaubte nicht, was sie da hörte. „Tot!“, schallte es in ihrem Kopf. „Tot!“ Ihr wurde schwindelig. „Riku?“, fragte ihre Mutter. „Kleines?“ Noch bevor sie hätte antworten können, wurde sie auch schon ohnmächtig.

„Papa!“, rief sie im Traum ihren Vater. „Papa, wo gehst du hin?“ „Ich muss in den Krieg ziehen, mein Schatz.“ „In den Krieg? Aber das ist doch gefährlich! Wieso machst du das, Papa?“ „Alle Männer müssen das machen“, erklärte ihr Vater ihr. Seine Gestalt erschien ihr verschwommen, doch sie erkannte seine Stimme klar und deutlich. „Damit sie ihre Frauen und Kinder beschützen können.“ „Beschützt du Mama und mich?“ „Natürlich, mein Schatz!“ „Aber sei vorsichtig!“ „Ganz bestimmt.“ Er bückte sich und umarmte seine Tochter. „Papa“, sagte Riku. „Wenn ich groß bin, werde ich auch kämpfen, so wie du!“ Rikus Vater lächelte. „Ich bin sicher, du wirst einmal eine gute Magierin werden, genau wie deine Mutter!“ „Und ein Krieger, genau wie du!“, fügte Riku hinzu. „Ganz bestimmt!“

Sie öffnete die Augen und stellte fest, dass sie in ihrem Bett lag. Tränen klebten angetrocknet auf ihren Wangen. „Papa“, wimmerte sie leise.
 

In der Zwischenzeit war Ichiro wieder im Menschenreich. Um genauer zu sein, im Forschungsinstitut. Es war ein kurzer Auftrag. Es würde nicht lange dauern. „Erstmal knöpfe ich mir Katsumoto vor“, überlegte er und machte sich auf zum Büro des Chefs.

Wenig später klopfte er an dessen Tür. „Ja bitte“, sagte die tiefe, rauhe Stimme. Ichiro öffnete die Tür und betrat den Raum. „Du?“, schrie der dicke Mann, als er ihn erblickte. Er stand von seinem Schreibtisch auf. „Du! Bring mir gefälligst meine Dämonen zurück! Wir hatten eine Abmachung! Was ist daraus geworden?“ „Deine Dämonen?“, wiederholte Ichiro. Es waren solche Worte, die ihn wahrlich auf die Palme brachten. „Deine Dämonen? Denkst du dummer Mensch wirklich, ein Dämon könnte jemals dein Eigentum sein?“ Er lächelte kaltherzig und ging auf Katsumoto zu. „Du hast dir den Deal doch selbst versaut“, sagte er. „Du hättest mit Toya Sakasa alles machen können, solange er am Ende nur tot gewesen wäre!“ In Gedanken fügte er hinzu: „Yue hätte genügt, um Garasu-sama Kraft zu geben. Toya hätte ruhig sterben können!“ „Er ist entkommen!“, schrie Katsumoto aufgebracht. „Ja, und damit ist unsere Abmachung nichtig“, fuhr Ichiro fort. „Du bist nur noch ein armer Irrer. Selbst wenn ich dich am Leben lassen würde, würde dir niemand deine Geschichte von den Dämonen glauben. Du hast keine Beweise.“ „Und ob ich die habe!“, schrie Katsumoto ihn an. „Ich war bereits mitten in meinen Untersuchungen. Ich habe Blutproben und...“ „Sei still“, unterbrach Ichiro ihn und zog einen Dolch hervor. „Wa... was soll das?“, stotterte der Chef des Instituts, verängstigt. „Setz dich hin!“, befahl Ichiro ihm. Eingeschüchtert gehorchte der Mann und setzte sich zurück in den Bürosessel. „Dein Wissen wird dir leider nichts mehr nützen“, flüsterte Ichiro und hielt ihm die Klinge an die Kehle. Katsumoto standen Schweißperlen auf der Stirn. „Nimm das weg!“, befahl Katsumoto. „Schluss mit den Scherzen! Nimm das Ding von mir!“ „Du hast Recht. Schluss mit den Scherzen“, stimmte Ichiro ihm zu. „Machen wir endlich mal ernst.“ Blut spritzte über den Schreibtisch und färbte den teuren Anzug des Mannes rot, als es aus seiner aufgeschlitzten Kehle lief. Ichiro wischte das Blut am Ärmel des Toten, von der Klinge des Dolches. „Das war Schritt Nummer eins“, sagte er trocken und verließ das Büro.
 

Als er auf dem Gang war, kam ihm plötzlich ein Angestellter entgegen. Dieser bemerkte die Waffe in Ichiros Hand. Er blickte erschrocken, sagte jedoch nichts, sondern rannte wortlos an Ichiro vorbei und in das Büro seines Chefs. „Katsumoto!“, konnte Ichiro ihn schreien hören. Dann ertönte der Alarm. Die Türen im Gange wurden aufgerissen und einige Angestellte, Forscher und auch Sicherheitspersonal kamen auf den Korridor gestürmt. „Fangt diesen Bengel!“, hörte Ichiro die Rufe. Er richtete nur die Hand nach oben, woraufhin etwas an der Decke aufflammte. „Feuer!“, schrien die Personen im Gebäude. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus. Der Feueralarm ertönte. „Keiner wird hier lebend herauskommen“, sagte Ichiro. „Dieses Feuer wird erst ausgehen, wenn das gesamte Gebäude abgebrannt ist. Vorher wird kein Wasser es aufhalten können.“ Bevor die Flammen auch ihn erreichten, löste er sich in Luft auf.
 

Yue hatte sich in einem kleinen Raum, irgendwo im Schloss versteckt. Die Flucht war ihm nur zum Teil gelungen. Auf halbem Wege hatten die Schmerzen seiner Verletzungen ihn überwältigt und er hatte sich ein Versteck suchen müssen, um zu verschnaufen. Er konnte nicht lange hier bleiben. Was, wenn Garasu seine Aura spüren und ihn finden würde? Er wusste nicht, was er tun sollte. Einerseits musste er schnellstens hier weg, aber andererseits, konnte er Toya und die anderen nicht im Stich lassen. Ob sie schon hier waren? Er musste sie finden und in Sicherheit bringen. Aber in seinem Zustand konnte er unmöglich kämpfen. „Verdammt“, dachte er. „Was mach ich jetzt nur?“
 

Auch Hiro fand sich in der Zwischenzeit an einem anderen Ort und zu einer längst vergangenen Zeit wieder. Er war damals ungefähr neun, oder gerade zehn Jahre alt gewesen. Als Dämon natürlich schon viel älter, aber im Menschenalter hätte es in etwa dem entsprochen.

Es war spät nachts, als er aus dem Schlaf aufwachte. Seine Zimmertür war nur angelehnt und so hörte er aus dem Nebenzimmer Geräusche. Ein leises Schluchzen. „Mama?“, dachte er und kroch aus dem Bett. Er schlich sich zur Tür und lugte hinaus. Das Nebenzimmer war kaum größer, als sein eigenes, kleines Zimmer, dass er sich mit seiner jüngeren Schwester und seinem noch jüngerem Bruder teilen musste. Er erkannte seine Eltern, seine dämonischen Eltern, die an dem alten Holztisch einander gegenüber saßen. „Ich kann das nicht“, schluchzte seine Mutter und stützte den Kopf auf den dünnen Armen ab. „Wir können ihn nicht einfach weggeben!“ Sie blickte ihren Mann, Hiros Vater verzweifelt an. „Ich wünschte es gäbe eine andere Lösung“, seufzte dieser. „Aber so kann es unmöglich weiter gehen.“ „Natürlich, es ist ein großartiges Angebot. Wir müssten uns geehrt fühlen, dass der König gerade unseren Sohn ausgewählt hat“, wisperte Hiros Mutter. „Ausgewählt?“, dachte Hiro. „Er ist begabt. Sowohl als Magier, als auch als Kämpfer“, sagte sein Vater. „Und im Palast hätte er doch sicher ein viel besseres Leben als hier.“ „Aber ich ertrage das nicht“, schluchzte Hiros Mutter. „Ich kann das nicht! Wir können doch nicht unser eigenes Kind einfach... einfach... verkaufen!“ „Aber überlege doch mal! Für Hiro wäre es sicher das Beste! Und wir hätten dann genug Geld, um unsere anderen beiden Kinder großzuziehen.“

Ein paar Tage später. „Hiro!“, rief dessen Vater. „Komm bitte mal her. Deine Mutter und ich müssen mit dir reden!“ Gehorsam kam Hiro zu seinen Eltern in die Küche. Und obwohl er schon ahnte, worum es gehen würde, setzte er sich, ohne zu fragen an den Tisch. „Du weißt, dass der König schon vor Wochen begonnen hat, einen geeigneten Leibwächter für seine beiden Söhne zu finden, oder?“ „Ich weiß“, sagte Hiro nur. „Nun, wir bekamen neulich die Nachricht, dass er dich gerne für diesen Job hätte.“ Hiro blickte schweigend zu Boden. „Hiro, wir dürfen uns wirklich geehrt fühlen!“ sagte sein Vater schnell, als wolle er seinen Sohn damit aufheitern. „Tut mir leid“, entschuldigte er sich dann. „Deine Mutter und ich haben lange darüber nachgedacht, aber wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es besser ist, wenn du gehst.“ „Sieh mal, Hiro“, meldete seine Mutter sich zu Wort. „Du wirst im Königspalast leben! Etwas Schöneres könntest du dir gar nicht wünschen. Du wirst ein viel besseres Leben haben, als hier.“ Als Hiro nicht antwortete, fragte sein Vater ihn: „Und, was sagst du dazu?“ Hiro stand vom Stuhl auf und ging zur Tür. „Keine Einwände“, murmelte er nur.

Wenig später ging er alleine durch die Straßen. Er wollte einfach alleine sein, und über alles nachdenken. Zu Hause konnte er nie für sich alleine sein. Mit zwei jüngeren Geschwistern, auf die er ständig aufpassen musste, und dann noch in einem so kleinen Haus. Da war Privatsphäre nahezu unmöglich. Er erinnerte sich an die Worte seiner Eltern: „Du wirst ein viel besseres Leben haben.“ Für ihn klang das wie eine Ausrede. SIE würden ein besseres Leben haben, OHNE ihn. War das nicht der springende Punkt? Wie viel Gold sie wohl dafür bekamen? Er wollte es gar nicht wissen. Von der eigenen Familie so verraten und im wahrsten Sinne des Wortes verkauft. Er hatte sich noch nie so dreckig gefühlt.
 

Ichiro war in der Zwischenzeit zurück im Königspalast. „Ich habe den Auftrag ausgeführt, Meister“, verkündete er. „Gut, dann geh jetzt Yue suchen“, befahl Garasu ihm, worauf ihm Ichiro folgsam den Rücken kehrte.
 

Toya blickte immer wieder nach links und rechts, während er durch die große Halle schlich. Man durfte ihn jetzt nicht erwischen. Er öffnete das große Tor und ging nach draußen. „Geschafft!“, freute er sich und rannte so schnell er konnte, den Berg hinunter, auf dem der Palast lag. „Denen werde ich es zeigen“, sagte er sich. „Die denken, ich bin zu klein, um alleine runter in die Stadt zu gehen. Aber das kann ich sehr wohl!“ Er zog sich die Kapuze tief ins Gesicht, damit man ihn nicht erkannte. Er war schließlich der Prinz. Man würde ihn sofort erkennen.

In der Stadt sah er ein paar Kinder Seilspringen spielen. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Es hatte überhaupt noch nie mit Kindern in seinem Alter gespielt. Also fasste er sich ein Herz und sprach die Kinder an.

„Hallo“, sagte er. „Was macht ihr da? Kann ich mitspielen?“ Die Kinder hielten das Seil an, worauf hin das Mädchen, das gerade gesprungen war, beinahe darüber gestolperte wäre. „Wer bist du denn?“, fragte eines der Kinder. „Dich hab ich hier noch nie gesehen.“ „Ich, äh“, überlegte Toya, doch noch bevor er antworten konnte, rannte eines der Kinder zu ihm und zog ihm die Kapuze herunter.

„Aa!“, kreischte ein Mädchen los. „Dich kenn ich! Du bist doch...“ „Das ist Prinz Toya-sama“, unterbrach eines der anderen Kinder das Mädchen. „Was macht DER denn hier?“ „Hey, musst du nicht eigentlich da oben in deinem Palast sein?“ „Ähm, ja schon“, stotterte Toya herum. „Aber ich wollte mal sehen, wie es hier unten so ist.“ Ein Junge verdrehte die Augen und sagte: „Ach komm, du feiner Pinkel! Geh doch lieber wieder hoch in dein Schloss!“ Die anderen Kinder mussten lachen. „Genau! Iss lieber wieder von deinem goldenen Teller!“, kicherte eines der Mädchen und ein zweites fügte hinzu: „Und lass dir deine teuren Kleider waschen!“ Toya wusste nicht, was er sagen sollte. Wieso sagten sie so etwas? Er hatte ihnen doch gar nichts getan. „Los, hau ab! Du gehörst hier nicht her!“, schrie ein großer, dicklicher Junge und schubste Toya. Die Mädchen begannen erneut zu lachen. „Er hat den Prinzen geschubst!“, kicherten sie. „Na, was ist? Willst du dich angeben, weil du so viel Kohle hast?“ „N...nein“, stotterte Toya eingeschüchtert. „Also, verpiss dich!“ „Ja, los! Mach ‘ne Fliege!“ Enttäuschte drehte Toya sich um und rannte davon. „Wieso sagen die so was?“, fragte er sich. „Ich hab doch gar nichts Schlimmes gemacht.“
 

Es war auf der Erde. Kurz nachdem Toya durch das Raum-Zeit-Tor dort hingelangt war. In der Pause verkroch sich Toya immer in irgendeinem Eck, damit seine Klassenkameraden ihn in Ruhe ließen. Doch leider gelang es ihm nicht immer. Diesmal erwischte man ihn hinter der Schule. „Da ist ja unser Mädchen!“, riefen ein paar Jungs ihm nach. Toya ging schneller, doch die Jungs folgten ihm, und riefen: „Warte doch mal, Weichei!“ Kurz darauf hatten sie ihn eingeholt und hielten ihn an den Armen fest. „Was ist denn? Warum rennst du denn weg?“, fragte ihn einer der Jungs. „Lasst mich los!“, sagte Toya, anstatt zu antworten. „Na, wie viele Geschenke hast du denn heute wieder von unseren Mädchen bekommen, hä?“

Als Toya wieder nicht antwortete, schlug ihm einer der Jungs mit der Faust in den Magen. Die anderen beiden ließen ihn los, so dass er nach vorn in die Knie sank. „Das findest du wohl ganz toll, dass alle Mädchen dich so mögen. Dabei könntest du glatt selbst als Mädchen durchgehen.“ „Zum Glück bist du keines, sonst dürften wir dich nicht verprügeln!“, spotteten die Jungs. Er wurde erneut in den Magen getreten. Er hielt sich die Hände an den Bauch. Spürte, wie er keine Luft mehr bekam. Tränen liefen über seine Wangen. „Hört... auf“, keuchte er. „Lasst... mich...“ „Oh, fängst du an zu heulen?“, veräppelte einer der Jungs ihn. „Du Armer!“

„Nicht“, sagte Toya noch im Schlaf. „Aufhören! Lasst mich in Ruhe!“ „Das ist... nur ein Traum“, sagte er sich. „Es ist nur ein Alptraum!“
 

Garasu hatte seine Hypnose beobachtet. „Was?“, wunderte er sich. „Wieso weiß er, dass es nur eine Illusion ist?“

„Es stimmt, ich bin oft gehänselt und verprügelt worden“, sagte Toya, während er immer noch am Boden lag und sich den Magen hielt. „Aber das ist doch vorbei!“ „Falsch!“, schrie einer der Halbstarken. „Es wird sich nie ändern!“ „Doch“, widersprach Toya. „Du kannst mich nicht täuschen, Garasu!“
 

Garasu glaubte kaum, was er da sah. Wie konnte er sich unter Hypnose noch gegen ihn wehren?

„Ich bin nicht so hilflos, wie du denkst“, sagte Toya. „Und ich bin nicht alleine!“

Er hörte ein Knallen. „Aaah!“, schrie einer der Jungs. Als Toya aufblickte, sah er, wie der Junge sich die blutende Nase hielt. Er drehte sich um, um zu sehen, wer ihn geschlagen hatte. „Masa?!“ Hinter ihm stand Hiro. „Wie oft hab ich euch schon gesagt, ihr sollt euere dreckigen Griffel von ihm lassen?“, fuhr er die Jungs an. „Mensch, Masanaru!“, sagte einer der Kumpel, des Geschlagenen. „Verderb und doch nicht immer jeden Spaß.“ „Genau“, fügte der dritte hinzu. „Wieso hälst du immer zu diesem Weichei?“ „Ganz einfach“, sagte Hiro. „Weil er mein Freund ist, deshalb! Und jetzt seht zu, dass ihr schleunigst Land gewinnt, oder ich poliere jedem von euch einzelnd die Fresse!“ „Ja, ja“, gaben die Jungs sich geschlagen und zogen von dannen. Der eine hielt sich immer noch die blutende Nase.

„Masa?“, fragte Toya. „Was machst du in meinem Traum?“ „Was soll denn das für eine Frage sein?“, erwiderte Hiro und zog seinen Freund auf die Beine. „Denkst du, mich hält so eine Illusion davon hab, dir zu helfen? Das ich nicht lache!“
 

Und in diesem Moment öffnete Toya die Augen. Er fand sich in einem Raum des Palastes wieder. Früher war hier sein Schlafzimmer gewesen, da war er sich sicher. „Wo sind die anderen?“, fragte er sich und blickte sich um. Er war alleine. „Ich muss sie finden!“
 

„Dieser miese, kleine...“, fauchte Garasu. „Wie hat er das geschafft? Ichiros Illusion hätte seine Psyche schwächen müssen. Na warte, dir werde ich’s zeigen!“
 

Gerade wollte Toya zur Tür gehen, als vor dieser plötzlich, wie aus dem Nichts, Garasu erschien. „Alle Achtung“, sagte er. „Deine Psyche scheint stärker zu sein, als ich dachte.“ Allein sein Anblick genügte, damit Toyas Herz schneller schlug. „Wo... sind die anderen?“, fragte er und versuchte dabei so furchtlos wie möglich zu klingen. „Tut mir leid“, antwortete Garasu. „Ich mag bezweifeln, dass du sie jemals wieder sehen wirst.“ Und mit diesen Worten ließ er den Kreuzstab in seiner Hand erscheinen. „Keine Angst. Ich brauche dich und Yue, um am Leben bleiben zu können. Also werde ich dich nicht töten“, erklärte er. „Aber ich sollte zumindest dafür sorgen, dass du zu schwach bist, um noch abzuhauen.“ Toya ließ ebenfalls seine Waffe erscheinen. Zum zweiten Mal stand er seinem Feind alleine gegenüber. Dabei hatte er gerade das so sehr gefürchtet. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Also“, sagte er. „Worauf wartest du? Greif schon an!“
 

Yue hörte jemanden an seinem Versteck vorbei laufen. „Toya hat es also geschafft, sich meiner Hypnose zu widersetzen“, dachte die Stimme laut. Yue erkannte sie sofort, auch wenn er sie noch nicht oft gehört hatte. Ichiro! Er wurde noch hellhöriger. „Wie konnte das passieren? Kann es sein, dass ich ihre Kräfte unterschätzt habe?“
 

„Das ist Hiro. Er wird ab jetzt bei uns wohnen, also sei nett zu ihm!“ Hiro würde diesen Moment niemals vergessen. Als er ihn das erste Mal sah. Seine blasse Haut, seine großen, rehbraunen Augen, die beinahe so rot zu schimmern schienen, wie seine Haare. Sein makelloses, wunderschönes Gesicht. „Hallo!“, sagte er mit diesem unwiderstehlichen Lächeln. „Ich bin Toya! Freut mich, dich kennen zu lernen!“ „To...ya“, flüsterte Hiro im Schlaf.

Von diesem Tag an war alles anders. Das Leben im Königspalast war nicht zu vergleichen mit seinem bisherigen. Was wäre gewesen, wenn seine Eltern ihn damals nicht weggeschickt hätten? Das wurde ihm in plötzlich klar. Dann hätte er Toya niemals kennengelernt. Niemals. Und in diesem Moment, dankte er seinen Eltern dafür. Es war nicht so, dass nun alles vorbei war. Nur weil er nicht mehr bei seiner Familie war. Er hatte jetzt eine neue Familie. Ein neues Leben. Toya! Toya war alles, für das es sich lohnte, zu leben. Er wollte ihn beschützen. Die ganze Zeit. Solange er lebte. Für immer. „Toya“, wisperte er. Noch im Schlaf lief ihm eine Träne über die Wange. „Wo... bist... du?“

Und in diesem Moment riss er die Augen auf. „Wo bin ich?“, fragte er sich und blickte sich im Raum um. Er musste nach wie vor irgendwo im Palast sein. „Ich muss Toya und die anderen finden.“ Und damit rannte er aus dem Zimmer.
 

Einer dieser eiskalten Abende. Subaru saß wie so oft, verwahrlost am Straßenrand. Plötzlich hörte er jemanden seinen Namen rufen. Er glaubte erst, sich verhört zu haben. Wie lange war es her, dass jemand seinen Namen gerufen hatte. Als er aufblickte, sah er zwei Personen auf sich zukommen. Als sie näher kamen, erkannte er seine Schwester Sumi, und Yue. „Subaru!“, rief Sumi, fiel vor ihrem Bruder in die Knie und schlang die Arme um ihn. „Endlich! Endlich habe ich dich gefunden! Wo warst du die ganzen letzten Wochen? Hier auf der Straße? Du Dummkopf! Wieso hast du das gemacht?“ Subaru wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte eigentlich gedacht, seine Familie hätte ihn längst vergessen. „Du hättest doch zu uns kommen können.“ „Sumi“, sagte Yue. „Er wird noch erfrieren. Komm, wir bringen ihn so schnell wie möglich ins Schloss.“ Sumi richtete sich auf und Yue zog Subaru auf die Beine. „Ich lasse dich nicht hier auf der Straße sitzen!“, sagte Sumi und legte ihm ihren Mantel um. „Du bist schließlich mein Bruder.“
 

„Du kannst hier im Schloss wohnen“, sagte Sumi zu Subaru, der noch immer in eine Decke eingewickelt am Kamin saß. „Yue hat alles arrangiert. Also mach dir keine Sorgen.“ „Ich will keine Almosen annehmen“, sagte Subaru. „Keine Widerrede! Du bleibst hier bei Yue“, sagte Sumi bestimmend. „Nur weil du jetzt ein Dämon bist, heißt das noch lange nicht, dass du nicht mehr mein Bruder bist! Für mich macht das keinen Unterschied, das weißt du doch. Ob Mensch oder Dämon. Das ist mir bei dir genauso egal, wie bei Yue.“ „Sumi“, seufzte Subaru. „Danke!“
 

„Hör auf zu weinen“, sagte jemand zu Riku. Als sie sich umdrehte, stand Subaru hinter ihr. Neben ihm Hiro. „Du kannst jetzt doch nicht hier herum heulen!“, meinte Hiro. „Du hast deinem Vater doch versprochen eine starke Kriegerin zu werden!“ „Genau! Also wach endlich auf, aus diesem Traum!“
 

„Mariko!“, riefen Toya, Hiro und Yue wie aus einem Munde und rannten auf ihre Freundin zu. „Hey, was ist denn passiert?“, fragte Toya und nahm die weinende Mariko in den Arm. „Toya“, schluchzte Mariko. „Immer lästern alle über mich. Dabei sind dass doch alles nur Vorurteile!“ „Lass dich doch von denen nicht unterkriegen“, meldete Hiro sich zu Wort. „Die sind doch nur neidisch.“ „Genau“, stimmte Yue ihm zu. „Nächstes Mal schlag doch einfach zurück. Auch ein feines Mädchen wie du, darf sich in solchen Situationen wehren.“ „Du brauchst doch nicht solche Zicken als Freunde“, sagte Toya und half Mariko beim Aufstehen. „Du hast doch uns!“
 

„Was soll das?“, schrie Ichiro, als er feststellen musste, dass die Macht seiner Illusionen bei keinem seiner Opfer gewirkt hatte. „Verdammt! Das wird Garasu-sama gar nicht gefallen. Jeder von ihnen hat durch die jeweils anderen die Kraft dazu gehabt, meiner Illusion zu widerstehen! Welche Kraft verbirgt sich hinter diesem Bande, namens Freundschaft?“
 

„Subaru!“, rief Mariko. Gerade als sie zu sich gekommen und hinaus auf den Korridor gegangen war, sah sie Subaru den Gang entlang gehen. Sie rannte auf ihn zu und fiel ihm in die Arme. „Oh Gott, bin ich froh, dich zu sehen!“, sagte sie außer sich. „Mariko!“ „Ich hatte einen Alptraum“, erklärte Mariko. „Und als ich aufgewacht bin, wart ihr alle weg.“ „Dann ging es dir wie mir“, seufzte Subaru. „Also hast du auch keine Ahnung, wo die anderen sind?“ Subaru schüttelte den Kopf. „Gehen wir sie suchen.“

Sie gingen durch den Palast. Subaru kannte sich ja dort aus. Es kam ihnen beiden komisch vor, dass sie niemanden trafen. Keine Spur von Garasu oder sonst wem. Weder auf dem Gang, noch in den Zimmern, die sie betraten.

Doch plötzlich ging einige Meter vor ihnen eine Tür auf. Subaru und Mariko blieben stehen. Sie rechneten mit nichts Gutem. Doch dann erblickten sie niemanden geringeren als... „Riku!!!“ Die Angesprochene drehte sich um. „Da seid ihr ja!“, sagte sie. „Was ist passiert?“ „Keine Ahnung“, meinte Subaru. „Anscheinend hatten wir alle einen Alptraum und wurden voneinander getrennt.“ „Einen Alptraum?“, wiederholte Riku. „Ich hatte auch einen! Ich hab von damals geträumt. Als mein Papa gestorben ist. Und dann war ich so traurig. Ich hab mich so einsam gefühlt. Es war, als hätte alles keinen Sinn mehr und ich wollte gar nicht mehr aufwachen.“ „Du... wolltest nicht mehr aufwachen?“, wiederholte Mariko. „Ja, du hast Recht. So ähnlich war es bei mir auch! Ich dachte, vielleicht wäre es besser, wenn ich meine Freunde nie wieder sehe.“ „Und ich hatte sowieso keine Hoffnung mehr“, stimmte Subaru zu. „Das waren keine normalen Alpträume“, schlussfolgerte Mariko. „Jemand hat versucht, uns zu täuschen und zu schwächen.“ „Dann ist es Hiro und Toya sicher auch so ergangen!“, sagte Riku. „Na hoffentlich sind die beiden auch wieder aufgewacht!“
 

Der Kampf zwischen Toya und Garasu war in vollem Gange. „Du hälst dich gut“, sagte Garasu, als Toya einen weiteren seiner Schläge parierte. „Für eine halbe Portion!“ Er traf Toya an der Seite. „Aaah“, schrie dieser daraufhin und wich zurück. „Gib dich endlich geschlagen! Ich will dir nicht noch mehr wehtun müssen.“ „Nie...mals!“, keuchte Toya. „Ich...gebe nicht auf!“ Garasu grinste amüsiert. „Wie du willst“, sagte er und holte erneut zum Schlag aus.
 

„Mir ist der Palast damals ja schon groß vorgekommen, aber irgendwie wirkt er jetzt noch größer“, dachte Hiro, während er eine der Treppen nach oben ging. „Sie müssen hier oben sein. Ich hab doch sonst schon alles auf den Kopf gestellt.“
 

„Schaut mal da vorn!“, flüsterte Mariko plötzlich und hielt Subaru und Riku fest, so dass sie stehen blieben. Sie deutete auf einen Schatten an der Wand, gegenüber der Treppe. „Da ist jemand!“ „Garasu?!“, fiepte Riku. Und noch ehe jemand etwas sagen konnte, schleuderte sie auch schon einen ihrer Wurfsterne in die Richtung ab.

„Wuah!“, schrie Hiro, sprang zurück und stolperte dabei fast die Treppe herunter. Der Wurfstern blieb im Pfosten der Treppe stecken. „Das ist doch Rikus...“, dachte Hiro und rief dann: „Riku!“ „Huch? Das ist doch Hiros Stimme!“, sagte Riku überrascht und rannte zur Treppe. „Tatsächlich! Hiro!“ „Du dämliche Kuh!“, plärrte Hiro. „Um ein Haar hättest du mich aufgespießt!“ „Tut mir leid“, entschuldigte Riku sich und zog ihre Waffe aus dem Pfosten. „Dein Schatten sah nur so groß aus. Da hab ich dich für Garasu gehalten.“ „Dabei sind Schatten oft größer, als die Person, zu der sie gehören“, meinte Mariko, die gerade mit Subaru zu ihnen gekommen war. An Hiro gewandt fügte sie hinzu: „Lass mich raten. Du hattest auch eine Art Alptraum?“ „Äh, ja, woher...?“, begann Hiro. Doch noch bevor er geendet hatte, unterbrach Subaru ihn. „Hatten wir alle“, schnaufte er. „Wo ist Toya?“, wollte Hiro wissen. „Ist er nicht bei euch?“ Mariko schüttelte den Kopf. „Nein, wir wurden alle getrennt“, erklärte sie. „Wo habt ihr schon überall gesucht? Ich war unten. Da scheint niemand zu sein.“ „Dann bleibt nur noch der Gang übrig“, sagte Riku und deutete auf den Gang, rechts von der Treppe. „Da war Toyas Zimmer!“, erinnerte Hiro sich. „Nichts wie hin!“
 

Gerade wurde Toya erneut von seinem Gegner zu Boden gerissen. Noch bevor er aufstehen konnte, holte Garasu erneut aus. Toya rollte sich am Boden weg, doch er wurde trotzdem getroffen. Er spürte ein Schmerzen in den Beinen. Der Kreuzstab hatte ihm die Kniekehlen aufgeschlitzt. „Was sagst du jetzt?“, meinte Garasu lachend. „Denkst du immer noch, du könntest fliehen oder gar gegen mich gewinnen? Jetzt, wo du nicht einmal mehr laufen kannst.“ Er beugte sich über Toya, welcher sich gerade auf den Rücken drehte. „Gib endlich auf!“, hauchte Garasu. Doch Toya dachte nicht einmal daran. Er griff nach dem braunen Lederband, dass Garasu um den Hals trug. Die Schnurr riss durch. „Das Artamilya?“, sagte Garasu. „Denkst du, es würde dir jetzt noch nützen? Du weißt nicht einmal, wie man seine Kräfte einsetzt. Also, sei ein braver Junge und gib es wieder her.“ Toya drückte den Kristall an sich.
 

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. „TOYA!“, schrien Hiro, Mariko, Subaru und Riku wie aus einem Munde. Mariko wusste selbst nicht, was sie tat. Sie zog ohne zu Überlegen ihren Dolch aus der Tasche und schleuderte ihn auf Garasu. Dieser wich gelassen zur Seite, so dass der Dolch ihn nicht einmal streifte. „Wie witzig“, sagte er offensichtlich amüsiert. „Jetzt versucht sogar ein Mensch mich zu besiegen.“ Mariko stand wortlos da. Dann sah sie etwas neben sich aufleuchten. Hiros Katana. „Ich mach dich kalt, du scheiß Dreckskerl!“, fuhr er Garasu an. „Los, komm her, wenn du dich traust!“

Grinsend ließ Garasu, Toya einfach liegen und ging auf Hiro zu. Mariko rannte an ihm vorbei und zu Toya. Doch plötzlich hielt Garasu inne. „Diese Aura“, schoss es ihm durch den Kopf. „Garasu-samaaaa!“, rief jemand von unten. Es war Ichiros Stimme. „Yue ist hier! Er versucht zu fliehen!“ „Yue?“, wiederholte Mariko. „Hmm, sieht so aus, als müsste ich mich doch erst um einen anderen Gast kümmern“, meinte Garasu und ging schnurstracks am Hiro, Subaru und Riku vorbei.
 

Hiro ließ die Waffe fallen und rannte zu Toya. „Toya“, sagte er leise und legte die Hand auf dessen Wange. „Er scheint größtenteils in Ordnung zu sein“, beruhigte Mariko ihn. Auch Subaru und Riku kamen näher. „Es tut mir so leid“, wisperte Hiro mit Tränen in den Augen. „Dabei hab ich dir versprochen, dass Garasu dir nie wieder...“ „Mach dir keine Vorwürfe“, sagte Toya mit schwacher Stimme. „Es... geht mir gut! Los, kommt! Wir müssen,... Yue... helfen!“ „Du hast Recht.“ Hiro stand auf und zerrte Toya auf die Beine.

„Nicht so hastig“, sagte plötzlich jemand. Im Türrahmen stand Ichiro. „Mein Meister hat befohlen, euch hier festzuhalten, bis er mit Yue fertig ist.“ „Geh mir ja aus dem Weg zu Pimpf!“, schrie Hiro ihn an und stützte Toya, der wegen seiner Verletzung nicht richtig laufen konnte, ab. „Hiro“, flüsterte Mariko. „Hau mit Toya ab!“ „Was?“ „Wir halten hier so lange die Stellung“, fügte Subaru hinzu. „Aber...“ „Geht schon! Wir wollen auch mal zeigen, was wir können!“, drängte Riku sie und warf beide Wurfsterne in Richtung Tür. Ichiro sprang zur Seite. Die Sterne blieben im Türrahmen stecken. Nun war der Weg frei. „Passt auf euch auf!“, sagte Hiro und rannte mit Toya aus dem Raum. „Hey!“, hörten sie Ichiro. „Stehengeblieben!“ „Nichts da!“, schrie Mariko. „Jetzt nimmst du’s erst mal mit uns auf!“
 

~tbc~

Final Battle

„Du hast wohl immer noch nicht genug“, sagte Garasu, als er Yue in der großen Eingangshalle erreichte. Yue drehte sich um, sagte jedoch nichts. „So stehen wir uns also erneut gegenüber“, fuhr Garasu fort und ging auf ihn zu. „Aber diesmal wird unser Kampf anders enden. Du weißt, dass ich dich für meine Zwecke lebend brauche. Also, wieso gibst du nicht einfach auf?“ Wieder erhielt er keine Antwort. „Willst du nicht wissen, was mit deinem Bruder passiert ist?“ „Toya!“, schoss es Yue durch den Kopf. „Wo ist er?“, sagte er mit tiefer Stimme. Garasu deutete mit dem Zeigefinger nach oben. „Wenn du jetzt brav bist, wirst du ihn vielleicht sogar wieder sehen. Ihr könntet euch ja eine Zelle teilen. Was meinst du?“ Yue wusste nicht, was er tun sollte. Hatte er überhaupt eine Chance gegen Garasu zu gewinnen? Oder sollte er einfach fliehen? Nein, er konnte Toya und die anderen nicht im Stich lassen. „Wie ich sehe, willst du immer noch nicht aufgeben?“, sagte Garasu grinsend und richtete die Spitze des Kreuzstabes auf Yue. „Dann lass uns dieses Spiel beenden!“
 

In der Zwischenzeit standen Subaru, Mariko und Riku einem ebenfalls mächtigen Gegner gegenüber. Ichiro war ein Magier. Man konnte nie wissen, welche Tricks er auf Lager hatte. „Wie lächerlich“, schnaubte Ichiro. „Denkt ihr wirklich, ihr hättet auch nur die geringste Chance gegen mich? Eure einzige Stütze, Hiro, der ebenfalls ein Magier ist, hab ihr gehen lassen.“ Riku ließ ihre Wurfsterne, die noch im Türrahmen steckten, zu sich zurück fliegen. Ichiro wich zur Seite, als die Wurfgeschosse an ihm vorbei zischten. Dann fuhr er fort: „Obwohl ihr selbst mit ihm keine Chance gehabt hättet. Im Gegensatz zu ihm bin ich nämlich bei voller Stärke.“ „Na da bin ich mal gespannt!“, schrie Subaru und ging auf Ichiro zu. Er holte aus und - traf mitten ins Leere. Er stolperte und schaffte es gerade noch das Gleichgewicht zu halten. Als er sich umdrehte, sah er wie Ichiro hinter ihm wieder aufgetaucht war. Er grinste siegessicher. „Mit solch primitiven Methoden wollt ihr mich besiegen? Das ich nicht lache!“ Und prompt löste er sich erneut in Luft auf. Nur wenige Sekunden stand er plötzlich hinter Mariko.
 

„Mariko!“, schrie Riku. „Pass auf!“ Doch es war schon zu spät. Noch bevor Mariko hatte reagieren können, hatte Ichiro sie auch schon von hinten festgehalten. Zum Glück hatte Mariko vorher, als sie zu Toya geeilt war, ihren Dolch aus der Wand gezogen und hielt ihn nun angriffsbereit in der Hand. Sie musste nur kurz nach hinten ausholen. „Aah“, schrie Ichiro und ließ sie los. Als Mariko sich umdrehte, sah sie, dass sie ihn an der Seite verwundet hatte. Doch der Ausdruck des Schmerzes auf seinem Gesicht hielt nicht lange an. Grinsend hielt er die Hand über die Wunde an seiner Hüfte. Mit einem fahlen Leuchten schloss sich die Wunde daraufhin wie von selbst. „Waas?“, schrie Mariko. „Er kann sich heilen?“ In Gedanken fügte sie hinzu: „Aber wie sollen wir ihn aufhalten, wenn er sich immer wieder heilen kann?“ In diesem Moment kam Riku eine Idee. „Subaru!“, schrie sie. „Greif ihn an!“ Subaru blickte sie kurz fragend an, zögerte dann jedoch nicht länger, obwohl ihm nicht ganz klar war, was Riku damit bezwecken wollte. Erneut griff er seinen Gegner an. Und wieder wich Ichiro ihm geschickt aus. Doch plötzlich riss er die Augen auf. Hinter ihm stand Riku. Um Ichiros Handgelenke, die sie ihm auf den Rücken gedreht hatte, befanden sich orange leuchtende Ketten. Riku hielt ihre Hände in wenigen Zentimetern über Ichiros, um ihren Zauber besser unter Kontrolle zu haben. „Was...?“, stotterte Ichiro. „Hiro ist nicht der einzige Magier, vor dem du dich in Acht nehmen solltest“, sagte Riku stolz. Da sie selbst eine Magierin war, hatte sie schnell durchschaut, dass Ichiro für jeden seiner Zauber seine Hände brauchte. „Du kannst mich nicht aufhalten!“, schrie Ichiro und versuchte, einen Gegenzauber einzusetzen. Doch die magischen Fesseln lähmten seine Kräfte.
 

„Subaru!“, schrie Riku und schleuderte Ichiro gegen die Wand, ohne ihn dabei ein einziges Mal zu berühren. „Halt ihn fest! Ich kann nicht mehr lange!“ Subaru rannte zu Ichiro und hielt seine Hände über seinem Kopf fest an die Wand gedrückt. „Los Mariko! Benutz deinen Dolch!“, forderte Riku, der von der Anstrengung des Zauber schon die Schweißperlen auf der Stirn standen, Mariko auf. „W... was?“, stotterte diese und blickte verunsichert auf den Dolch in ihrer Hand. „A... aber er kann sich doch heilen!“, sagte sie. „Du musst ihn an den Händen treffen!“, erklärte Riku ihr. „Waaas?“, schrie Mariko. „Ich soll ihm die Pulsadern aufschlitzen?“ Sie sah ziemlich angewidert aus. „Beeil dich!“, rief Subaru ihr zu. Er sah, dass Riku sich schwer tat, den Zauber aufrecht zu halten. Ichiros Kräfte waren groß. „Damit kommt ihr nicht durch!“, schrie er und spreizte die Finger. Wieder misslang ihm sein Gegenzauber. „Okay“, sagte Mariko zögernd und ging zu Ichiro und Subaru, der ihn fest hielt. Sie holte aus und kniff dabei die Augen zusammen. Sie hörte Ichiro aufschreien. Subaru ließ ihn los, woraufhin er sofort zu Boden fiel. Mariko drehte sich um, ohne die Hände herunter zu nehmen und steuerte auf die Tür zu. Riku musste sie an der Hand nehmen, damit sie nicht gegen die Wand knallte. Als sie den Raum verlassen hatten, schloss Subaru hinter ihnen die Tür. Erst jetzt nahm Mariko die Hände herunter. Es hatte ihr gereicht, ihn schreien zu hören. Sehen musste sie das nun wirklich nicht auch noch. „Iiiih, also sauber machen will ich da drin nicht unbedingt“, meinte Riku. „Los, wir müssen zu den anderen“, sagte Subaru und rannte über den Flur.
 

Toya und Hiro erreichten die große Halle. „Yue!“, rief Toya, seinem Bruder zu, und rannte die Treppe schneller herunter, als sein Zustand es ihm erlaubte. Garasu unterbrach seinen Kampf mit Yue und wandt sich Toya und Hiro zu. „Es hätte mich gewundert, wenn ihr nicht gekommen wärt“, sagte er grinsend und wirkte keineswegs, als würde es ihn stören, dass er nun noch mehr Gegner hatte. Er streckte die Hand nach Toya aus. Hiro riss Toya zur Seite, weil er mit einem von Garasus Magieangriffen rechnete. Doch stattdessen geschah etwas mit dem Raum hinter den beiden. Die Treppe verschwamm und der Raum begann sich allmählich völlig zu verzerren. „Ich habe diesen Ort in eine andere Dimension verlegt“, erklärte Garasu und ließ die Hand sinken. „Euere Freunde können hier jetzt nicht mehr hinein und ihr auch nicht mehr hinaus.“ Toya blickte auf die Umgebung hinter sich. Es sah aus, wie das Universum, wie eine Art schwarzes Loch. Er ging ein paar Stufen weiter die Treppe herunter. Er hatte mehr Angst, in dieses Loch zu stürzen, als davor, Garasu näher zu kommen.
 

„Jetzt hab ich euch alle endlich da, wo ich euch haben wollte“, sagte Garasu. „Ich muss mich nur noch kurz um Yue kümmern, dann seid ihr dran. Es wird nicht mehr lange dauern.“ Und damit wandte er sich wieder Yue zu. Doch Sekunden vorher hatte dieser zum Schlag ausgeholt. Garasu wich zurück, als er die Klinge des Schwertes auf sich zukommen sah, doch er schaffte es nicht mehr auszuweichen. Die Klinge traf ihn am Hals. Garasu fasste sich mit der Hand an die besagte Stelle. Er lächelte. „Yue, Yue, Yue“, seufzte er. „Du musst noch viel lernen.“ Er tippte mit dem Finger an eine bestimmte Stelle am Hals. „Du musst die Hauptschlagader treffen“, meinte er. „Sonst bring es doch gar nichts.“ Er holte ebenfalls aus, und versuchte Yue an eben dieser Stelle zu treffen, doch Yue parierte den Schlag mit seinem Schwert. Toya wollte seinem Bruder zu Hilfe eilen, doch Hiro hielt fest. „Warte“, sagte er. „Jetzt da planlos hin zu rennen, wäre sinnlos.“ Widerwillig blieb Toya stehen. Er wusste nicht wieso, aber er spürte, dass Garasu geschwächt war. Seine Aura war schwächer, als vorhin, als ER gegen ihn gekämpft hatte. Yue sah zwar auch ziemlich übel zugerichtet aus, aber Garasus lockeres Gemüht war eindeutig nur Fassade. Er wollte nicht, dass jemand merkte, dass auch er erschöpft war. Doch Toya spürte es ganz sicher. Nur, war er schwach genug, dass Yue ihn besiegen konnte? Es blieb ihm wohl nicht anderes übrig, als abzuwarten.
 

Währenddessen erreichten Subaru, Mariko und Riku die Treppe. „Was ist das denn?“, fragte Riku, rannte voraus und blieb kurz vor dem verzerrten Raum stehen. Sie streckte den Zeigefinger aus und berührte schon fast das Dimensionsloch. Doch im letzten Moment zerrte Subaru sie zurück. „Pass gefälligst auf!“, fuhr er sie an. „Garasu muss den Raum verzerrt haben“, sagte er. „So kommen wir da niemals durch.“ „Na toll“, schnaufte Mariko. „Und was jetzt?“
 

Zur gleichen Zeit war der Kampf zwischen Garasu und Yue in vollem Gange. Und plötzlich geschah es: Yue wurde von Garasu getroffen und knallte mit dem Rücken auf den harten Steinboden. Das Schwert schlitterte klirrend über den Boden. Garasu schritt auf Yue zu und hielt ihm die Spitze des Kreuzstabes an den Hals. „Eine falsche Bewegung“, sagte er grinsend. „...kann manchmal schon tödlich sein, wie du siehst.“ „Yue!“, rief Toya und ging zögernd ein paar Schritte nach vorn. „Toya!“, sagte Hiro eindringlich und wollte ihn erneut zurück halten.

Garasu holte mit dem Kreuzstab aus. Toya rannte los. „YUE!“, schrie er. Doch er erreichte ihn nicht mehr rechtzeitig. Der Stab bohrte sich in Yues Brust.

„NEIN!“, schrie Toya. Als er Garasu erreichte, zog dieser blitzschnell den Stab aus Yues Körper, fuhr herum, und...

„TOYAAA!“, schrie Hiro. Toya spürte einen Schmerz, unterhalb der Brust. Für einen Moment dachte er, ein klirrendes Geräusch zu hören. Oder hatte er sich das nur eingebildet? Alles begann sich zu drehen. Die große Halle verschwamm vor seinen Augen. Es tat weh. Was genau wehtat, wusste er nicht. Was war geschehen? Hatte Garasu ihn getroffen? Er sah das schwarze Loch am Treppenabsatz. Es kam ihm vor, als würde er hineinstürzen. Er verlor das Gleichgewicht und sank in die Knie. Er spürte noch, wie er seine Hände zu der schmerzenden Stelle führte. Er wollte nach unten blicken und sehen, was passiert war. War er schwer verwundet? Ob er so noch gegen Garasu kämpfen konnte? Doch noch bevor er die Antwort erfuhr, fielen ihm auch schon die Augenlieder zu.

„TOYAAA!“ Hiro rannte so schnell er konnte zu Toya. Kurz bevor er ihn erreichte, stolperte er und fiel vor ihm auf die Knie. „Toya“, schrie er wieder. Er spürte, wie sein ganzer Körper zitterte. Seine Augen waren aufgerissen und ihr glasiger, verzweifelter Blick fiel auf Toya herab. Was war gerade geschehen? Er wusste es nicht. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Nur im Unterbewusstsein hörte er das Lachen seines Feindes hinter sich. Er sah, wie er seine zitternde Hand zu Toyas Wange gleiten ließ. Dass er selbst für diese Bewegung verantwortlich war, nahm er gar nicht mehr war. Kurz bevor seine Hand die blasse Haut berührte, hielt er inne.

Er griff nach dem Kreuzstab, der neben Toya auf dem Boden lag, fuhr herum und holte aus. Mit einemmal verstummte Garasus Gelächter. Seine Augen weiteten sich. Der Mund stand ihm ebenso offen, wie Hiro. Ein blutroter Faden legte sich quer über seinen Hals. Hiro wusste nicht was geschehen war. Hatte er ihn etwa getroffen? Garasus Pupillen wanderten nach unten. Er hob die Arme hoch, als müsse er testen, ob sein Körper ihm noch gehorchte. Doch plötzlich kippte sein Kopf nach hinten. Das blutige Fleisch kam mitsamt den Knochen zum Vorschein. Die letzten Hautfäden wurden vom Gewicht des Schädels durchtrennt. Und der Kopf fiel leblos zu Boden. Erst langsam lockerten sich die angespannten Muskeln und die Arme sanken an den Seiten des Körpers herab. Und wenige Sekunden später verlor auch der Körper das Gleichgewicht und fiel in sich zusammen.
 

Hiro starrte wortlos ins Leere. Er konnte es nicht fassen. War Garasu tot? War es wirklich vorbei? Der Raum um ihn herum begann sich zu verformen. Die Treppe nahm allmählich wieder ihre ursprüngliche Form an. Bis letztendlich alles wieder so aussah wie vorher.

Hiro ließ den Kreuzstab fallen. Mit einem Scheppern landete er auf dem Boden. Mit noch immer offenstehendem Mund drehte Hiro sich zu Toya um und ließ sich erneut auf die Knie fallen. Er blickte ihn wortlos an, als wartete er darauf, dass Toya die Augen öffnen würde. „Hey“, flüsterte er. Wieder wanderte seine Hand zu Toyas Wange. Doch diesmal hielt er nicht inne. Wie kalt sich seine Haut anfühlte. Noch viel kälter als sonst. Er sah so blass aus. „Es... ist vorbei“, wisperte Hiro. „Du kannst die Augen jetzt wieder aufmachen.“ Eine Träne tropfte auf Toyas Hals. „Los, mach die Augen auf!“
 

„Hi...ro“, hörte er plötzlich eine Stimme. Rasch blickte er auf. Er sah, wie Yue sich gerade auf die Beine zog. Er war also nicht tot! Anscheinend nur schwer verletzt. „To...ya“, keuchte er. „Was... ist mit ihm?“ Hiro antwortete nicht. Yue richtete sich auf und wollte zu ihm und Toya herüber gehen, doch zirka einen Meter vor ihnen brach er erneut zusammen und blieb am Boden knien.
 

In diesem Moment kamen Mariko, Subaru und Riku die Treppe herunter gestürmt. „Yue!“, schrie Mariko. „Masa! Alles okay?“ Als sie Toya am Boden liegen sah, blieb sie schlagartig stehen. „Toya“, fiepte sie. „Was... ist passiert?“ Wieder antwortete Hiro nicht. Er sah sie nur für einen Moment, verzweifelt nach Hilfe suchend an, bevor er sich wieder Toya zuwandte.

Subaru erblickte Garasus Leiche, drehte sich dann jedoch angewidert weg und stellte sich möglichst so hin, dass Mariko und Riku dieser Anblick erspart blieb.
 

„Toya!“, schluchzte Hiro und beugte sich noch näher zu ihm herunter. „Hey, verarsch mich nicht! Los, mach endlich die Augen auf!“ Mariko hielt sich die Hände vor den Mund. „Nein“, wisperte Hiro und legte den Kopf auf Toyas Brust. „Nein, du darfst jetzt nicht tot sein. Bitte, Toya...“ Er krallte die Arme in Toyas zerrissenes, blutverschmiertes Hemd. „NEIN!!!“ Sein Schrei hallte in den hohen Gemäuern wieder. „Wenn... wenn du jetzt tot bist,... wofür hab ich denn dann gekämpft? Soll das etwa alles umsonst gewesen sein?“ Während er sprach wurde seine Stimme immer leiser. Er drückte sich noch fester an Toyas Körper. „Bitte, mach die Augen auf! Toya, bitte...“ ... „Ich... liebe dich!“ flüsterte er letztendlich. „Ich... liebe dich so sehr. Ich... hab doch immer nur gelebt, um dich zu beschützen! Das kann nicht alles umsonst gewesen sein!“ Sekunde für Sekunde kam ihm immer wieder neu dieser eine unerträgliche Gedanke. „Wenn er tot ist,...“ „Wenn ich ihn nie wieder sehen werde,... nie wieder seine Stimme hören,... nie wieder sein Lächeln sehen,... ihn nie wieder berühren können werde... nie wieder... nie wieder... NIE WIEDER!!!“ „TOYAAA!“ Mariko zuckte zusammen, als sie Hiro wieder schreien hörte. Er schlug mit der Faust neben Toyas Gesicht auf den Boden. Blut quoll aus mehreren Wunden an seinen Knöcheln. Er krallte die Finger noch fester in Toyas Hemd. Der Stoff unter seiner Wange wurde feucht von seinen Tränen. „Toyaaa...“ Sein Schrei ging in lautes Schluchzen über. Und für ein paar Minuten herrschte vollkommene Stille. Nichts war zu hören. Nichts, außer diesem verzweifelten Schluchzen.
 

Plötzlich spürte Toya etwas. Es tat weh. Seine Beine taten weh, da wo Garasu sie ihm aufgeschlitzt hatte. Sein ganzer Körper. Er hörte Hiros Stimme. „Toya.“ Er wusste nicht ob es real war. Es war wie im Halbschlaf, wenn man nicht wusste, ob etwas wirklich geschah, oder ob man es nur träumte. Aber selbst wenn er träumte. Das bedeutete immerhin dass er noch lebte. Oder... nicht? Was war eigentlich passiert? Garasu hatte ihn getroffen, oder? Und dann? Er erinnerte sich nicht. Er spürte das Gewicht von Hiros Kopf auf seinem Bauch. Spürte, wie sich etwas in die Ärmel seines Hemdes krallte.
 

Und dann öffnete er die Augen. Über ihm erblickte er die Decke der riesigen Halle. Er erkannte die alten Zeichnungen, die dort oben vor langer Zeit angemalt worden waren. Das fahle Licht schien durch die hohen Fenster auf ihn herab. Es musste Abend sein. Der Himmel war blutrot. Er senkte den Kopf und sah Hiro, der weinend auf ihm lag. Er versuchte den Arm zu heben, doch der dabei entstehende Schmerz zwang ihn dazu, die Bewegung einzustellen.

„Masa“, flüsterte er mit geschwächter Stimme. Hiro zuckte erschrocken zusammen. Rasch hob er den Kopf. Für ein paar Sekunden blickte er stumm in Toyas Augen, die ihn lächelnd ansahen. Er wusste nicht, was er in diesem Moment dachte. Wortlos fiel er Toya um den Hals und weinte. Noch immer hielt Mariko sich die Hände vor den Mund. Tränen liefen über ihr Gesicht. Doch nun weinte sie vor Freude. „Es tut mir leid“, schluchzte Hiro. „Ich bin ein miserabler Bodyguard.“ Mit letzter Kraft legte Toya die Arme um Hiro. Es tat weh, bei jedem Zentimeter, den er versuchte, sich zu bewegen, doch das war ihm egal. „Du bist nicht mein Bodyguard“, sagte er leise. „Du bist mein bester Freund und das ist alles was zählt.“ Wortlos krallte Hiro sich noch mehr an Toya.

„Au!“, stöhnte dieser. „Oh, hab ich dir weh getan?“, fragte Hiro besorgt und ließ ihn sofort los. „Tut mir leid!“ Toya lächelte nur. „Ist... schon gut“, seufzte er. „Es ist vorbei“, weinte Hiro. „Es ist vorbei. Garasu ist tot.“ Erst jetzt erblickte Toya die Leiche ihres Feindes am Boden. Doch er empfand kein Glück darin. Weder freute er sich über seinen Tod, noch tat er ihm leid. Nein, da war nichts. Keine einzige Empfindung. Weder Hass, noch Mitleid.

„Toya“, meldete Yue sich nun zu Wort. Toya drehte sich um. „Yue!“, schrie er glücklich. „Du lebst!“ Er rutschte mehr oder weniger auf dem Boden zu Yue herüber und fiel ihm in die Arme. „Bin ich froh!“, keuchte er. „Ich dachte schon, ich hätte dich verloren.“ „Und ich dachte, ich hätte DICH verloren“, erwiderte Yue erleichtert. „Ich bin froh, dass du lebst, Brüderchen.“

„Und ich erst!“, mischte Mariko sich ein und Riku fügte hinzu: „Ich auch! Ich auch!“ Dann stürmten beide gleichzeitig auf ihn zu und umarmten ihn. „Au!“, stöhnte Toya. „Ups“, sagte Mariko und ließ Toya los. „Entschuldige!“ Nun kam auch Subaru auf sie zu. „Du siehst nicht so aus, als würdest du noch viel mehr Umarmungen aushalten“, meinte er lachend. „Also verschieben wir das wohl lieber auf später.“ „Toya“, meldete sich Hiro nun wieder zu Wort.

„Sag mal, wie hast du das eigentlich überlebt?“ „Er hat Recht“, stimmte Yue ihm zu. „Wie es scheint hat Garasu dich frontal getroffen. Selbst ein Dämon hätte das niemals überleben können.“ Toya blickte an sich herunter und zog etwas an einer Kette hervor. „Das Artamilya?“, schrien alle gleichzeitig überrascht. „A...aber ich dachte, Garasu hat...?“, begann Yue verwirrt. „Ich habe es ihm in unserem Kampf abgenommen“, erklärte Toya stolz. Der Kristall in der goldenen Fassung war in unzählige Splitter zerbrochen. Subaru legte nachdenklich den Finger ans Kinn. „Die Macht des Steines muss den Stoß abgefangen haben“, schlussfolgerte dann. „Aber jetzt ist er kaputt“, seufzte Riku. „Das ist vielleicht auch besser so“, fand Yue. „Das Artamilya war viel zu mächtig und somit zu gefährlich.“

Plötzlich wurde Toya schwindelig und er geriet ins Schwanken. Hiro nahm ihn in den Arm und hielt ihn fest. „Wir sollten ihn so schnell wie möglich nach Hause bringen“, sagte er zu den anderen. „Ja“, seufzte Riku. „Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen.“ Toya blickte sie einen Moment lang fragend an. Dann fiel es ihm wieder ein. „Stimmt ja, du bleibst hier in der Dämonenwelt.“ „Jep“, sagte Riku strahlend. „Aber keine Sorge. Wir werden uns ganz sicher wieder sehen.“ Toyas Blick fiel auf Subaru. „Schau mich nicht so an“, maulte dieser. „Ich begleite euch. Yue kann mich später auch noch zurück bringen. Dazu reichen selbst die Splitter des Artamilyas noch aus.“
 

„Also los!“, sagte Hiro und ließ sein Katana erscheinen. Riku schritt ein Stück zurück. „Tor zur Galerie der Zeit, öffne dich!“ Die Spitze des Katanas wurde in den Boden gerammt. Riku sah, wie ihre alten und neu gewonnenen Freunde in dem grellen Licht verschwanden. Sie winkte lächelnd, obwohl sie sicher war, dass die anderen das durch das Licht hindurch schon nicht mehr sehen konnten. Im Stillen liefen Tränen über ihr Gesicht. Und ehe sie sich versah war sie alleine im Königspalast.

Sie ging zum großen alten Tor und zog es auf. Die Tür öffnete sich mit einem lauten Knarren. Als sie draußen auf dem Berg stand, sah sie, dass die Sonne blutrot hinter dem Schloss verschwand. Sie blickte zum Himmel. „Papa“, sagte sie leise. „Ich habe tapfer gekämpft.“ Sie richtete den Blick auf den Berg, den sie nun nach unten ins Dorf gehen musste. Hiermit war ihr Abenteuer beendet und sie würde nach Hause zurückkehren. Mit neu gewonnenen Erfahrungen und vor allem mit vielen neuen Freunden. „Papa, ich hoffe, du bist stolz auf mich!“, rief sie, blickte dabei ein letztes Mal nach oben und hob die Hand zum Himmel, als wolle sie etwas weit entferntes erreichen. Dann machte sich dann auf den Weg.
 

Hiro landete unsanft auf dem Hintern und rutschte die oberste Treppenstufe herunter. Er schaffte es gerade noch, sich am Geländer festzuhalten. „Alle heil angekommen?“, hörte er Subaru fragen. Er stand auf und sah sofort, dass Yue den bewusstlosen Toya auf den Armen trug. „Keine Sorge“, beruhigte Yue ihn. „Er ist nur ohnmächtig.“ Und damit ging er den Flur entlang, stieß mit dem Fuß die Tür zu Toyas Zimmer auf und legte ihn dort aufs Bett. Hiro, Mariko und Subaru folgten ihm. „Es geht ihm sicher bald wieder besser“, sagte Yue.

„Und was ist mit dir?“, fragte Mariko und wandte sich dabei Yue zu. „Du bist doch auch verletzt.“ „Ach was“, meinte Yue und winkte mit der Hand ab. „Mir geht’s prima.“ „Ach ja?“, fragte Subaru und stupste ihm mit dem Ellbogen in die Seite. „AUA!!!“, schrie Yue und verzog das Gesicht. Subaru grinste. „Klar, SO prima geht’s dir.“ Er packte ihn am Arm und schleifte ihn zur Tür hinaus. „Wir gehen jetzt nach Hause und da ruhst du dich gefälligst aus!“, schimpfte er. „Komm Mariko!“ Mariko blickte abwechselnd zu Toya, dann wieder zur Tür, bevor sie entschied, dass es wohl an der Zeit war, Hiro und Toya jetzt alleine zu lassen. „Ähm“, sagte sie. „O...okay, ich komme!“ Und damit folgte sie Yue und Subaru. „Kümmere dich gut um Toya!“, hörte Hiro sie noch rufen. Dann wurde unten die Haustür zugeschlagen.

Gerade als Hiro sich auf die Bettkante setzte, öffnete Toya die Augen. „Hey“, sagte er mit zaghafter Stimme. Hiro drehte sich um. Toya lächelte. „Alles klar, Kumpel?“, fragte er. Hiro musste ebenfalls lächeln. „Ouh Mann“, seufzte er. „Du hast vielleicht Nerven.“ Toya drückte sich mit den Armen am Bett ab und setzte sich wenigstens halbwegs aufrecht hin. Dann legte er den Kopf an Hiros Rücken. „Garasu hat gesagt, ich könnte die Macht des Artamilya gar nicht einsetzten“, begann er. „Aber ich finde, ich habe sie bestmöglich eingesetzt, oder?“ „Ja, allerdings“, stimmte Hiro ihm zu. „Immerhin hat es dir das Leben gerettet.“ Für ein paar Sekunden saßen sie schweigend so da.

Dann fasste sich Hiro ein Herz. „Es tut mir leid“, flüsterte er und ließ den Kopf hängen. „Was denn?“, wollte Toya wissen. „Ich hab dir versprochen, dass dir nie wieder jemand wehtun wird. Aber ich konnte dich wieder nicht beschützen.“ „Unsinn“, antwortete Toya. Erst jetzt drehte Hiro sich zu ihm um. „Ohne dich wäre ich jetzt ganz sicher tot. Du warst es, der Garasu besiegt hat. Für mich bist DU der größte Held von allen.“ Hiro lächelte. Als eine Träne über seine Wange glitt, fragte Toya tröstend: „Hey, was ist los?“ „Wieso weinst du?“ „Na, dreimal darfst du raten!“, lachte Hiro und rieb sich die Augen. Er nahm ihn in die Arme und drückte ihn sanft an sich. Dann schloss er die Augen und küsste Toyas Lippen. Wortlos erwiederte Toya seinen Kuss. Er legte die Arme um Hiros Rücken. Dann fielen sie zusammen nach hinten aufs Kissen.
 

Es war bereits Nacht geworden. Yue stand in seiner Wohnung am Fenster und blickte in den wolkenlosen Sternenhimmel. Er trug einige Verbände, die Subaru ihm größtenteils schief gewickelt hatte. „Diesmal ist er endgültig tot, oder?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Ohne sich umzudrehen antwortete Yue: „Ja, ganz sicher. Hiro hat ihm den Kopf abgeschlagen. Das überlebt nicht mal ein Dämon wie Garasu.“ Subaru trocknete sich mit einem Handtuch die nassen Haare ab. Offenbar war er gerade aus der Dusche gekommen. „Aber irgendetwas hast du doch noch vor, oder?“, meinte er grinsend. „Ich kenn dich doch.“ „Ja“, seufzte Yue lächelnd. „Meine Aufgabe... ist noch nicht ganz erfüllt...“
 

~tbc~

Gonna make you happy!

Eine Woche war vergangen. Es war Samstag. An diesem Tag machte sich Yue mit Subaru ein letztes Mal auf in die Unterwelt.
 

„Es hat sich verändert“, sagte Yue, als er vorm Tor des riesigen Palastes stand. Der Palast war vollständig wieder aufgebaut worden und sah beinahe aus wie neu. „Ja“, stimmte Subaru ihm zu. „Erstaunlich was man alles innerhalb einer Woche erreichen kann, wenn man nur deinen Namen erwähnt.“ Yue blickte ihn skeptisch an. „Du bist für sie schon lange der einzig wahre König“, meinte Subaru lächelnd. Dann öffnete er das Tor. „Komm schon! Diesmal wird uns niemand deine Krönungszeremonie vermasseln.“ Yue lächelte erleichtert. Ja, diesmal würde alles friedlich verlaufen.
 

In der Zwischenzeit auf der Erde. Toya rannte die Straße entlang. Als er um die Ecke bog, gab es plötzlich einen Knall. Toya hatte nicht einmal mehr gesehen, mit wem er zusammengestoßen war, bevor er rückwärts auf den Boden knallte. „Autsch“, wimmerte er und hielt sich den schmerzenden Rücken. „Nichts so stürmisch, Toya-chan“, hörte er sein Gegenüber sagen. Als er aufblickte sah er Hiro, hinter ihm Mariko. „Masa, Mariko“, nuschelte er und stand auf. „Was rennst du denn so?“, wollte Mariko wissen. „Hast du’s eilig?“ Toya nickte hastig. „Yue, dieser Mistkerl“, maulte er. „Er will ohne mich gehen!“ „Ohne dich gehen?“, wiederholte Hiro. „Wohin denn?“ Toya schnipste ihm mit dem Finger gegen die Stirn. „Hallo? Hast du vergessen welcher Tag heute ist? Morgen findet in der Unterwelt die Krönungszeremonie statt! Bei Yue zu Hause macht niemand auf und auf seinem Handy hört er auch nicht. Ich wette, er und Subaru sind heute schon weg!“ Mariko riss die Augen auf. „Stimmt ja!“, rief sie. „Das war heute! Oh Gott, wie konnte ich das nur vergessen?“ Sie warf Hiro einen tödlichen Blick zu. „Du bist schuld!“, fauchte sie. „Waaaas? Ich? Wieso das denn?“, schrie dieser empört. Mariko überkreuzte die Arme vor der Brust. „Na, auf irgendjemanden muss ichs ja schieben.“ - „Tut mir ja sehr leid, dass ich euren Streit unterbrechen muss“, meldete Toya sich wieder zu Wort. „Aber wenn wir uns nicht beeilen, schaffen wir es nicht mehr.“ „Beeilen?“, wiederholte Hiro fragend. „Womit beeilen? Du weißt doch genau, dass die Macht des Artamilya-Splitter in meinem Katana schon fast verbraucht ist. Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss, aber zu dritt krieg ich uns niemals da hin.“ Toya griff in seine Hosentasche und holte ein paar leuchtend rote Splitter heraus. „Damit müsste es gehen.“ „Aber wo hast du die denn her?“, staunte Mariko. „Hab ich Yue geklaut. Er würd mir ja sonst nie welche abgeben.“ Er verdrehte die Augen. „Von wegen, gefährlich. Der gönnt mir bloß nichts. Geizhals!“ Hiro seufzte. „Also schön.“ Er nahm Toya die Artamilya-Splitter aus der Hand. „Suchen wir uns ‘ne leere Gasse und zwar schnell.“ Toya lächelte zufrieden. „Danke, Masa!“ Er gab ihm einen Kuss auf die Wange. Hiro wurde rot. „Los, kommt schon!“, rief Toya und rannte voraus. Hiro konnte Mariko kichern hören. „Hey“, fuhr er sie an. „Was ist so witzig?“ „Wie niedlich!“, kicherte Mariko mit vorgehaltener Hand.
 

Im Schloss herrschte derweil große Aufruhr. Der Palast war so belebt, wie schon lange nicht mehr. Überall wuselten Angestellte herum, dekorierten die große Halle, und schmückten alles feierlich. Yue kam dieses Theater mehr als übertrieben vor. „Findest du das nicht etwas zu protzig?“, fragte er Subaru, der damit beschäftigt war, das gesamte Personal auf Trab zu halten. „Nö, wieso?“, antwortete er. „Immerhin wirst du bald König sein! Das muss gefeiert werden!“ Yue seufzte. „Oh Mann...“
 

„Subaru!!! Yue-sama!!!“, hörten sie plötzlich ein grelles Rufen. Als sie sich umdrehten, sahen sie Riku auf sich zu rennen. Sie fiel Subaru um den Hals, welcher dabei fast das Gleichgewicht verlor. „Schön euch zu sehen.“ Dann verbeugte sie sich vor Yue. „Eure Hoheit.“ „Oh bitte, hör bloß auf!“, bat Yue sie genervt. Riku lachte und stichelte gleich weiter. „Wie ihr wünscht, eure Hoheit.“ Sie blickte sich in der großen Halle um. Dann fuhr sie fort. „Entschuldigt, dass ich so spät komme. Eigentlich wollte ich euch bei den Vorbereitungen helfen, aber ich war noch bei meinem Onkel und meiner Tante. Ach ja, ich soll Hiro was ausrichten.“ Sie blickte sich fragend um. „Wo ist er? Und Toya? Und Mariko?“ „Ähm, die sind nicht mitgekommen“, sagte Subaru schnell. Yue hatte entschieden, dass es das Beste war, wenn Toya, Hiro und Mariko überhaupt nicht mehr in die Unterwelt kamen. Hier lagen zu viele negative Erinnerungen. Auch wenn im Palast nicht mehr die geringste Anzeichen auf den hier ausgetragenen Kampf vorzufinden waren. „Oh, wie schade“, murmelte Riku. „Na ja, kann man wohl nichts machen.“

„Und wie man da was machen kann!“, entgegnete plötzlich jemand. Riku drehte sich um. Hinter ihr standen Toya, Hiro und Mariko. Ihr Gesicht begann zu strahlen. „Toya!“, rief sie und umarmte diesen. „Hiro, Mariko! Ich freu mich so!“ Yue blickte seinen Bruder skeptisch an. Er konnte sich nicht erklären, wie er hier hergekommen war. Wütend ging Toya auf ihn zu und kniff ihn in die Wange. „Aua!“, sagte Yue. „Was soll das?“ - „Blödmann!“, maulte Toya. „Mich einfach zurückzulassen. Du bist echt das Letzte!“ „Du weißt genau, dass ich es nicht böse gemeint hab!“, verteidigte Yue sich. „Ist mir doch egal wie du’s gemeint hast! Ich bin dein Bruder und außerdem dein letzter noch lebender Verwandter! Ich habe ein Recht darauf, bei deiner Krönung dabei zu sein!“ Yue seufzte. „Wie bist du eigentlich her gekommen?“ „Mit ein paar Splittern und Masas Hilfe“, erklärte Toya. „Du solltest die besser verstecken, wenn du nicht willst, dass ich sie finde.“ Wieder seufzte Yue. „Na wie auch immer. Jetzt ist es auch egal.“ „Das sehe ich auch so“, meldete sich Subaru zu Wort. „Komm mit, Mariko! Ich zeige dir dein Zimmer.“ Und damit ging er die breite Treppe nach oben. Toya rannte an ihm vorbei und verschwand dann oben in seinem früheren Zimmer. „In diesem Palast gibt es ja genügend Gästezimmer“, meinte Subaru und führte Mariko in eines davon.

„Wow“, staunte diese, als sie nach Subaru den Raum betrat. Das Zimmer war riesig. In der Mitte stand ein großes Himmelbett. Der Schrank, die Kommode und alle anderen Dinge sahen wahnsinnig wertvoll aus. „Genau wie ich mir ein Märchenschloss immer vorgestellt habe“, meinte sie. „Irgendwie kam es mir letztes Mal als ich hier war so düster und alt vor.“ - „Alt ist es ja auch“, sagte Subaru. „Das Düstere kam wohl daher, dass Garasu da noch hier gehaust hat.“ - „Mag sein. Aber jetzt finde ich es hier wunderschön. Hey, wo führt die Tür hin?“ Sie rannte zu der Tür, die vom Zimmer aus in ein nächsten führte. „Wahnsinn! Ein extra Bad! Das ist ja wie in einem Hotel.“ Subaru lachte. „Gewöhne dich nicht zu sehr daran. Es ist nur bis Morgen dein Zimmer. Nach der Zeremonie geht’s wieder ab nach Hause.“ „Alles klar“, versicherte Mariko ihm.
 

Es war bereits abends, als es an Toyas Zimmertür klopfte. „Ja?“, fragte dieser. Hiros Stimme antwortete. „Ich bin’s. Kann ich rein kommen?“ - „Hmm.“ Als Hiro die Tür öffnete, lag Toya, die Arme hinter dem Kopf verschränkt auf dem Bett. „Na“, begann Hiro und schloss hinter sich die Tür. „Bist du jetzt zufrieden?“ Toya lächelte. „Hi“, sagte er lächelnd. „Ich bin schon richtig aufgeregt wegen Morgen. Dabei geht es doch eigentlich um Yue. Wie muss er sich dann erst fühlen?“ Hiro lachte. „Das möchte ich gar nicht wissen.“ „Mein Bruder ist der König der Unterwelt“, fuhr Toya stolz fort und starrte an die Decke über sich. „Das hört sich schon irgendwie cool an, oder?“ „Schon“, stimmte Hiro ihm zu und setzte sich aufs Bett. „Auch wenn er keine Königin hat.“

„Verkuppeln wir ihn halt mit Mariko. Die scheint ihm ja nicht abgeneigt zu sein“, schlug Hiro ihm vor. Toya musste lachen. „Ja, allerdings.“ Leise fügte er hinzu: „Aber ich denke, wir sollten das Mariko und Yue überlassen. Ich misch mich da nicht ein. Aber ich hoffe, er findet bald eine nette Freundin.“ „Ja“, stimmte Hiro ihm zu. „Wir könnten auch Mariko mit Subaru verkuppeln!“ Toya setzte sich im Bett auf und blickte Hiro fragend an. Dann begann er erneut zu lachen. „Ja klar, oder Riku und Subaru. Hauptsache wir verkuppeln jemanden, was?“ Hiro grinste. „Na, wieso denn nicht? Wir haben ja jetzt nichts mehr zu tun.“ „Haben wir nicht?“, fragte Toya. „Na ja, Garasu ist endgültig tot. Der Kampf ist jetzt vorbei und wir können wieder ein ganz normales Leben führen.“

„Hmm, und deshalb haben wir nichts mehr zu tun?“, flüsterte Toya. „Was meinst du?“ - „Ich meine, du hörst dich an, als hätten wir nie etwas anderes zu tun gehabt, als gegen Garasu zu kämpfen.“ - „Hm.“ Hiro blickte etwas nachdenklich ins Leere. „Spielst du jetzt auf was Bestimmtes an?“, fragte er dann. Toya blickte scheinheilig nach oben. „Na ja, ähm...“, begann er zögernd. Dann kroch er auf Hiros Schoß. „Ich dachte, jetzt wo Garasu wirklich tot ist, könnten wir...“ Er strich mit dem Zeigefinger über Hiros Hemd. „Könnten wir...?“, drängte Hiro ihn, legte die Arme um ihn und zog ihn noch näher an sich heran. „Ähm...“ Toya wurde rot. „Was hab ich mir eigentlich dabei gedacht, so ein Thema anzufangen?“, schimpfte er in Gedanken mit sich selbst.

„Ach, vergiss es.“ Er wollte aufstehen, doch Hiro hielt ihn fest und schubste ihn aufs Bett. Dann beugte er sich über ihn und öffnete die Knöpfe seines Hemdes. „H...hey, Masa!“, stotterte Toya. „Wa...was soll das?“ „Du hast doch gerade selbst gesagt...“, meinte Hiro und küsste Toyas Hals. „Was hab ich gesagt?“, fragte Toya und drückte ihn von sich. Doch Hiro ließ sich nicht abwimmeln. „Wir könnten...“ wiederholte Hiro Toyas Worte, streifte ihm das Hemd über die Schultern und küsste seine Brust. „Woher willst du wissen, dass ich DAS gemeint habe?“, protestierte Toya. Doch obwohl er es abstritt, spürte er, wie sein Herz plötzlich schneller schlug.

Als Hiro mit der Hand in seine Hose fasste, stöhnte er plötzlich auf. „Siehst du?“, meinte Hiro grinsend. „Ich weiß doch genau, was du willst?“ „Denkst... du?“, wisperte Toya und legte die Arme um ihn. Dann schubste er ihn von sich, drehte ihn auf den Rücken und setzte sich auf ihn. „Aha, interessant“, meinte Hiro. „Und was soll das nun werden, wenn ich fragen darf?“ Toya grinste ihn verschmitzt an. „Was wohl?“, sagte er, beugte sich zu Hiro hinunter und streifte mit der Zunge über seine Lippen. „Ich hab dir doch mal was versprochen“, flüsterte er. „Ich werde dich verführen.“ „Ver... verführen?“, wiederholte Hiro knallrot. „Äh, ähm Toya. A...alles klar mit dir?“ „Klar ist alles klar. Was denkst du denn?“, maulte Toya. „Du benimmst dich irgendwie seltsam“, fand Hiro.

„Bitte“, seufzte Toya und stand auf. „Wenn du nicht willst...“ - „Da...das hab ich nicht gesagt!“, erwiderte Hiro schnell und zog Toya zurück aufs Bett. „A...also, ich, ähm...“ Toya lächelte. „Du hälst mich immer noch für ein liebes, braves Mädchen, was?“, meinte er seufzend. „Nein, tu ich nicht“, antwortete Hiro. „Na dann... ist das hier doch kein Problem für dich, oder?“ Hiro wurde rot. „Seit wann werde ich eigentlich rot?“, fragte er sich. „Er benimmt sich wirklich komisch.“ Plötzlich machte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit. „Nicht das mir das nicht gefallen würde.“

„Hey“, riss Toya ihn aus den Gedanken. „Hast du etwa Nasenbluten?“ Hiro fasste sich mit der Hand an die Nase. „Ha...hab ich gar nicht“, schniefte er. „Na dann...“, flüsterte Toya ihm ins Ohr und küsste ihn. Hiro spürte, wie Toya ihm das T-Shirt auszog. Sein Herz schlug schneller. „To...ya“, sagte er leise. Wieder streiften Toyas Lippen seine Haut. Seinen Hals, dann langsam auf seinem Bauch nach unten. „Oh Gott, oh Gott, oh Gott!“, sagte er in Gedanken. „Shit, wieso bin ich so aufregt? Es ist doch nicht das erste mal, dass...“ Er überlegte kurz. „Aber es ist das erste mal, dass ER...“ Seine Muskeln verkrampften sich. „Mist, beherrsch dich, Hiro!“, befahl er sich selbst.

Toya hatte ihm die Hose ausgezogen. „Bi...bist du sicher, da... dass, da... dass...“, stotterte Hiro. Toya musste lachen. „Oh Mann“, sagte er. „So hab ich dich ja noch nie erlebt. Du bist ja richtig nervös!“ „Muss wohl daran liegen, was du da gerade mit mir machst“, schnaufte Hiro. Toya kroch wieder ein Stück nach oben. „Gefällt’s dir?“, fragte er leise und wurde dabei selbst rot. „Wenn ich was falsch mache, musst du’s mir sagen!“ Er drückte sich an Hiros Oberkörper. Hiro legte die Hände auf seine Wangen, woraufhin Toya den Kopf hob. Er berührte leicht seine Lippen. Dann wurde ihr Kuss immer intensiver. Während ihrem Kuss zog Hiro Toya die Jeans über die Hüften und streichelte seine Schenkel.

„Nein!“, stöhnte Toya und riss sich von ihm los. „Hör auf! Ich hab gesagt, ICH will DICH verführen! Also vermassele mir jetzt nicht die Tour!“ Hiro lächelte. „Hey, wir haben die ganze Nacht lang Zeit“, kicherte er. „Die ganze Nacht?“, wiederholte Toya. „Willst du mich umbringen?“ Er legte den Kopf auf Hiros Schulter. Seine Hand streifte auf Hiros Seite nach unten und in seine Shorts. Hiro kniff die Augen zusammen und zuckte zusammen. „Verdammt, ich muss mich beherrschen!“, sagte er sich. „Aah!“ Toya wurde prompt noch röter, als er Hiros Stöhnen hörte. Er spürte sein Herz schlagen. Es war ein beruhigendes Gefühl. Und er hörte, wie Hiro schneller atmete. „Hhn, To...ya!“ Hiro drückte Toya fest an sich und schloss die Augen. „Oh Mann, nicht jetzt schon!“, dachte er. Toya spürte etwas Feuchtes an seiner Hand. Wieder stöhnte Hiro. Plötzlich zog Toya die Hand aus Hiros Shorts und wischte sie sich am Bettlacken ab. „Tut... mir leid“, flüsterte Hiro. „Was denn?“, fragte Toya und schmiegte den Kopf noch mehr an Hiros Schulter. „Na, dass ich... jetzt schon...“ Toya kicherte. „Ach was“, seufzte er und küsste Hiro auf den Mund. Dann flüsterte er: „Idiot!“
 

Das Vogelzwitschern weckte Hiro am nächsten Morgen schon ziemlich früh auf. Sein Arm, auf dem Toya mit dem Kopf lag, war eingeschlafen. Er spürte dieses widerwärtige Kribbeln. Vorsichtig zog er den Arm weg. Toya murmelte etwas in sich hinein und Hiro dachte erst, er hätte ihn aufgeweckt. Doch dann schlief er ruhig weiter. Hiro, der halb auf der Seite lag, fand diese Pose plötzlich furchtbar unbequem. Er drehte sich auf den Rücken.

Etwas rutschte vom Bett und fiel auf den Boden. Hiro drehte sich auf die andere Seite und blickte nach unten. Es war seine Hose gewesen. Ihm fiel eine kleine Schachtel auf, die wohl beim herunterfallen aus der Hosentasche gerutscht sein musste. Es traf ihn wie ein Blitz. „Natürlich!“, dachte er. „Das hab ich ja total vergessen.“ Er beugte sich nach unten und hob die Schachtel auf. Dann legte er sich wieder auf den Rücken und öffnete die dunkelblaue, Schachtel. Er nahm einen der beiden goldenen Ringe, die darin steckten, heraus, legte die Schachtel auf den Nachtisch und begutachtete den Ring. „Dafür ist mein letztes Taschengeld flöten gegangen“, dachte er laut.
 

In diesem Moment hörte er neben sich ein Brummeln und ein Wälzen. „Toya?“, sagte er im Flüsterton. „Bist du wach?“ Ein „Hmm“, welches sowohl „Ja“ als auch „Nein“ heißen konnte, kam als Antwort. Als Hiro sich umdrehte, sah er, dass Toya sich auf die andere Seite gedreht hatte. Er legte von hinten die Arme um ihn und schmiegte den Kopf an sein Schulterblatt. „Morgen“, flüsterte er und küsste zärtlich Toyas Nacken. „Hmm“, murmelte Toya wieder. Als Hiros Lippen sich von seiner Haut lösten, sagte er im Halbschlaf: „Nicht aufhören!“ Hiro konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dann küsste er seine Schulter. Langsam nach oben bis zu seinem Hals. Toyas Augen waren noch immer geschlossen. Er gab nur wieder diesen Murmeln von sich. Hiro musste kichern. „Du kannst ja schnurren wie ein Kätzchen“, sagte er und begann Toyas Bauch zu streicheln.

„Toya?“, flüsterte er nach einer Weile wieder. Die gleiche Antwort: „Hmm?“ „Liebst du mich?“ „Hmm.“ Hiro seufzte. „Toyaaa!“, maulte er. „Wach schon auf!“ Er stupste ihm mit dem Finger an die Stirn. „Sag’s mir!“ „Was denn?“, murmelte Toya, und öffnete langsam die Augen, als Zeichen, dass er nun halbwegs wach war. „Sag mir, was du für mich empfindest!“ „Warum denn?“, fragte Toya. „Warum? Warum?“, wiederholte Hiro genervt. „Muss es dafür ‘nen bestimmten Grund geben? Ich würd’s einfach gern mal wissen.“ Toya seufzte. „Ich liebe dich.“ Hiro lächelte zufrieden. „Wirklich?“ - „Hmm...“ - „Wuaaah! TOYA! Du pennst ja schon wieder ein!“, schrie Hiro.

„Menno, schrei doch nicht so! Ich bin ja nicht taub!“, maulte Toya. Anders als Hiro brauchte er früh immer eine halbe Ewigkeit, um aus dem Bett zu kommen. „Tut mir leid“, brummelte Hiro beleidigt. „Aber ich hab dich was gefragt, und du pennst ein, ohne mir zu antworten.“ „Ich hab doch schon geantwortet“, erwiderte Toya. Hiro seufzte. „Mei... meinst du es wirklich... ernst?“ Toya seufzte. Er legte die Hand auf Hiros Eigene, die immer noch auf seinem Bauch ruhte. „Ganz ehrlich“, sagte er leise und streichelte Hiros Handrücken. „Ich liebe dich,... Masa...“ Dann schloss er die Augen wieder.

Hiro öffnete die Faust, in der er immer noch den Ring hielt. „Willst du...“, begann er zögernd. „Hmm?“, fragte Toya. „Was?“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis Hiro weiter sprach. „Willst du... mich... heiraten?“ Toya begann plötzlich zu Husten, woraufhin Hiro ihn los ließ. „WAS?“, schrie Toya und drehte sich erst jetzt zu Hiro um. „WIE bitte?“ Hiro blickte errötetet an ihm vorbei. „Ich... ich hab doch gesagt, ich... mach dir... ‘nen richtigen Antrag, wenn... wenn die Situation besser passt.“ Toya seufzte. „Hättest du mich das nicht gestern Abend fragen können? BEVOR wir... du weißt schon... Ich finde DIE Situation hätte besser gepasst.“

„Entschuldige mal!“, verteidigte Hiro sich. „Deshalb bin ich ja gestern Abend überhaupt erst zu dir gekommen. Aber du musstest mich ja so aus dem Konzept bringen, dass ich es vergessen hab!“ „Wie kann man vergessen, wenn man sich vorgenommen hat, jemandem einen Antrag zu machen?“, erwiderte Toya. „Moment... Ich hab dich aus dem Konzept gebracht?“ Er musste grinsen. Hiro wurde noch röter. „Ja und?“ Toya lachte und gab Hiro einen Kuss. Er legte den Kopf an seine Brust, so dass Hiro sein Gesicht nicht sehen konnte.

Dann flüsterte er: „Ja!“ - „Ja?“, wiederholte Hiro, der mit den Händen durch Toyas Haar streichelte. „Was Ja?“ „Idiot!“, seufzte Toya. „Die Antwort auf deine Frage!“ Hiro riss die Augen auf. „Wi...wirklich?“, sagte er aufgeregt, drückte Toya von sich und sah ihm in die Augen. Toya lachte los. „Was freust du dich so? Geht doch sowieso nicht. Also ist es doch egal, was ich antworte.“ - „Ist es nicht“, widersprach Hiro ihm und griff nach seiner Hand. Toya blickte nach unten und sah, wie Hiro ihm den Ring an den Finger steckte. „Ma...sa...“, sagte er leise und wurde rot. „Frag nicht, wie viel mich das gekostet hat“, maulte Hiro. „Aber ich versichere dir, der war schweineteuer. Wenn du ihn verlierst, krieg ich die Krise!“ Toya spürte wie sein Herz vor Freude schneller schlug. Er rieb sich die Augen.

„Hey!“, sagte Hiro. „Heulst du etwa?“ Tatsächlich liefen ein paar Tränen über Toyas Wangen und tropften aufs Kissen. Doch er lächelte glücklich. Plötzlich fiel er Hiro um den Hals und drückte ihn an sich. „Danke“, wisperte er. „Ich... liebe dich, Masa!“ Hinter Hiros Rücken betrachtete er beinahe stolz den goldenen Ring an seinem Finger. Hiro war das ganze fast schon peinlich. Doch er war wahnsinnig glücklich. „Ich dich auch“, flüsterte er und drückte Toya an sich. „Ich dich auch...“
 

Es klopfte an der Tür. „Ja?“, rief Toya und löste sich von Hiro. „Seht zu das ihr langsam mal raus kommt aus eurem Liebesnest!“, hörten sie beide Subaru von draußen rufen. „Typisch“, seufzte Hiro und verdrehte die Augen. „Wir kommen gleich!“, rief Toya zurück und setzte sich auf. „Ich leg euch was vor die Tür. Rein kommen will ich jetzt lieber nicht“, rief Subaru noch. Dann war es wieder still.

Toya stand auf, wickelte sich die Bettdecke um und ging zur Tür. „Hey, lass die Decke da!“, protestierte Hiro. Toya öffnete die Tür und sah einen Stapel Klamotten auf dem Boden liegen. Er hob ihn auf und schloss hinter sich die Tür. „Anzüge“, murmelte er und warf Hiro ein paar der Klamotten zu. „Stimmt, bei so einer Veranstaltung kann man nicht mit Alltagskleidung antanzen. Daran hab ich gar nicht mehr gedacht.“ - „Hm“, murmelte Hiro, der noch immer auf dem Bett saß, und begutachtete den schwarzen Anzug, mit einem Blick der in etwa aussagte: „Viel zu fein für mich!“ „Ich geh jetzt duschen“, sagte Toya und verschwand mit samt dem zweiten Anzug im Bad.
 

Hiro ließ sich seufzend wieder aufs Bett fallen und legte den Anzug neben sich. Er drehte sich zur Seite und bemerkte die Ringschachtel auf dem Nachttisch. Er griff danach, holte den zweiten Ring heraus und steckte ihn sich an den Ringfinger. Dann drehte er sich wieder auf den Rücken. Im Bad nebenan begann das Wasser zu rauschen. Hiro streckte die Hand nach oben aus, spreizte die Finger und begutachtete den Ring. „Oh Mann“, seufzte er glücklich. „War das ein Traum, oder hat er mich gestern wirklich...“ Er rollte sich zusammen und quietschte vor Freude. „Nein, er hat es wirklich getan! Oh Mann! Und jetzt hat er auch noch Ja gesagt! Ja, ja, JAAA!“
 

Nach einer Weile waren sowohl Toya als auch Hiro fertig angezogen. Gekämmt und gestriegelt, hätte man beinahe sagen können. Toya stand Hiro, den man wirklich selten mit Anzug und Krawatte zu Gesicht bekam, wortlos gegenüber. „Was starrst du mich so an?“, fragte Hiro irritiert. Toya hielt sich lachend die Hand vor den Mund. „Entschuldige“, fiepte er. „In dem Anzug siehst du nur so ungewohnt aus.“ „Um nicht zu sagen, lächerlich, was?“, schmollte Hiro. „Ach Quatsch“, sagte Toya schnell und tätschelte Hiros Schulter. „Du siehst toll aus!“ Er verstummte für ein paar Sekunden. Dann sagte er leise: „Das nächste Mal, wenn ich dich in so ‘nem Aufzug sehe, will ich dass das bei unserer Hochzeit ist.“ Hiro blieb der Mund offen stehen. „Na klar!“, lachte er dann. „Dann ziehst du aber ein Brautkleid an.“ Toya tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. „Bei dir piepst wohl. Wovon träumst du nachts?“ Toya wollte sich umdrehten, doch Hiro schlang die Arme um seine Hüfte und zog ihn zu sich. „Von dir!“, flüsterte er ihm ins Ohr. Toya wurde rot. Er streichelte mit der Hand über Hiros Wange. Dann sagte er: „Komm schon, du Charmeur! Gehen wir!“
 

Die beiden waren gerade auf den Gang gekommen, als ihnen Riku entgegen rannte. „Da seid ihr ja endlich!“, keuchte sie und sah aus, als hätte sie gerade ein Rennen durch den gesamten Palast veranstaltet. „Ich hab gestern vergessen, dir was auszurichten, Hiro!“, fuhr sie fort. Hiro blickte sie fragend an, doch Riku zögerte. „Ähm“, nuschelte sie mit einem Blick auf Toya. „Sag schon!“, drängte Hiro sie. „So schlimm, dass Toya es nicht wissen darf, wird’s wohl nicht sein.“ „A...also“, begann Riku. „Deine Eltern... wollen dich sehen.“ Hiro riss die Augen auf. Für ein paar Sekunden herrschte völlige Stille. „Meine... Eltern...?“, wiederholte Hiro und blickte teils überrascht, teils traurig. „Geh zu ihnen, Hiro! Ich weiß, was damals war, aber...“, bat Riku ihn. Es schien Toya, als war es einer der seltenen Moment, in denen Riku ernst, ja beinahe besorgt aussah. „Bitte versöhne dich wieder mit ihnen! Taku und Yakiko würden sich sicher auch freuen.“ Taku und Yakiko waren Hiros jüngerer Bruder und jüngere Schwester. Toya kannte sie nur von Hiros Erzählungen. Hiro blickte betrübt zu Boden. „Wieso sollte ich?“, murmelte er. „Wieso sollte ich zu ihnen gehen?“ Riku antwortete nicht. Toya überlegte kurz, und griff dann nach Hiros Hand. „Masa“, sagte er leise. Hiro blickte auf. „Tust du’s für mich?“ Wortlos sah Hiro Toya in die Augen. In diese Augen, denen er keinen Wunsch abschlagen konnte. „Bitte“, sagte Toya. „Geh zu deiner Familie!“ Wieder ließ Hiro den Kopf hängen. Nach einer Weile seufzte er: „Na schön.“ - „Jippie!“, freute Riku sich und hüpfte in die Luft. „Aber bildet euch ja nichts Falsches ein!“, sagte Hiro rasch. „Ich tu’s nur für dich, Toya! Damit du’s weißt! Nur weil ich bei dir nie Nein sagen kann!“ Toya lachte. „Wie praktisch!“
 

Als sie wenig später alle durch die Eingangshalle gingen, trafen sie Subaru, Mariko und Yue, der ein ziemlich festliches Gewandt trug. „Hey, seid ihr auch schon auferstanden von den Toten?“, begrüßte Mariko sie lachend. „Guten Morgen“, antwortete Toya. „Hey, ich bring die beiden noch wohin, ja? Es wird nicht lange dauern! Sind bald wieder da!“, erklärte Riku und tänzelte dabei um Subaru herum. „Lass das!“, maulte dieser. „Also, bis später!“ Und damit hüpfte sie zum Tor hinaus und zog Hiro und Toya gleich mit sich. „Hey!“, rief Subaru ihnen nach. „Wo geht ihr hin?“ - „Kommt nicht zu spät!“, fügte Yue hinzu, obwohl er sich sicher war, dass die drei ihn schon nicht mehr hören konnten. Das große Tor schlug hinter ihnen zu. Mariko seufzte. „Tja Jungs“, sagte sie. „Dann müssen wir wohl alleine weiter machen. Hopp, hopp! Wir haben noch eine Menge vorzubereiten.“ Subaru verdrehte genervt die Augen. Yue seufzte. „Mensch, die hetzt uns aber ganz schön“, flüsterte Subaru Yue zu, als Mariko sich umgedreht hatte. „Liegt wohl in ihrer Natur“, flüsterte Yue zurück. „Habt ihr was gesagt, Jungs?“, fragte Mariko. „Was steht ihr denn noch hier herum? Yue, kannst du deine Rede schon auswendig?“
 

Derweil warteten Hiro und Toya vor dem Schloss auf Riku. „Ich hab was vergessen“, hatte sie gesagt und war zurück gerannt. Nun kam sie mit einem schwarzen Stapel, von dem man nicht erkennen konnte, was es war, auf den Händen, wieder zurück. „Hier!“, sagte sie und knallte Toya und Hiro jeweils einen der Stapel ins Gesicht. „Zieht die über, sonst erkennt euch jeder.“ Toya faltete den Stoff auseinander. Das Stoffbündel erwies sich als eine lange, schwarze Kutte mit Kapuze. Toya kannte diese Gewänder. Damals hatte fast jeder sie getragen. Nur reiche Leute trugen bunte Gewänder. Toya hatte fast immer diese schwarzen Sachen angehabt, um sich unters Fußvolk zu mischen. Wortlos zog er sich die Kutte über den Anzug. „Oh Mann“, sagte Hiro und blickte an sich herunter. „Das weckt Erinnerungen.“ Als Toya zu ihm herüber sah, erschrak er zuerst. „Was ist?“, fragte Hiro. „Nichts“, sagte Toya, zog sich die Kapuze ins Gesicht, und pustete eine seiner Haarsträhnen, die ihm in die Augen hing, zur Seite. Hiro wurde rot. „Du siehst genau so aus wie damals“, sagte er. Toya blickte ihn mit ebenfalls rotem Gesicht an. „Du doch auch!“, meinte er. „Ähm, hallo!“, unterbrach Riku die beiden. „Entschuldigt, dass ich euch unterbrechen muss, aber wenn wir nicht langsam losgehen, kommen wir womöglich nicht rechtzeitig zurück.“ „Du hast Recht! Tut mir leid“, sagte Toya an Riku gewandt. „Also, gehen wir!“ Er griff nach Hiros Hand. Erst war Hiro verunsichert, doch dann kam ihm plötzlich ein Gedanke. „So erkennt uns hier eh keiner. Das heißt wir können in der Öffentlichkeit Händchen halten.“ Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. „Daran könnte ich mich gewöhnen.“
 

In der Stadt hörte Toya oft Leute über die Zeremonie reden. Yue würde eine Rede halten, am Balkon, so dass alle vor dem Schloss, ihn hören konnten. Anscheinend hatten alle hier vor, nach oben zum Schloss zu gehen. Die ganze Stadt schien regelrecht auf die Krönung ihres neuen Königs zu fiebern. Toya kam sich vor, als wäre er im Mittelalter gelandet. Es war nicht gelogen gewesen, was man ihm erzählt hatte. Hier war seit dem großen Krieg und dem Tod des damaligen Königs – Toya’s Vater - alles so geblieben, wie es war. Häuser aus Holz. Händler in dreckigen Kutten, die Karren mit ihren Waren vor sich herschoben, Kinder, die auf der unbelebten, holprigen Straße spielten und Frauen, die mit gebundenen Körben einkaufen gingen. Von Farbfernsehen oder Handys konnte man hier anscheinend nur träumen. So etwas wie Industrie und riesige Fabriken gab es nicht. Nur kleine Dörfer und Städte. Aber irgendwie sah alles so friedlich aus.

„Aber den Weg hast du noch nicht vergessen, oder?“, riss Riku Toya aus den Gedanken. „Wie könnte ich“, antwortete Hiro ihr. Toya spürte, wie Hiro seine Hand fester drückte. Ob Hiros Elternhaus hier in der Nähe war? Er wusste ja nicht, wo Hiro früher gewohnt hatte.

Sie erreichten das Ende der Fußgängerzone, soweit man es als solche bezeichnen konnte. Der Weg wurde schmäler. Links und rechts begannen Wiesen und Felder. Der Weg erinnerte an einen Wanderpfad, bei dem zwischen den einzelnen Steinen Unkraut wucherte. Offensichtlich kamen sie in ein Wohngebiet. Die Häuser sahen alle gleich aus, fand Toya. Klein und schäbig. Ein ganzes Haus war hier nicht größer als drei Zimmer im Palast. Drei Zimmer, die Toya wohl damals locker für sich allein beansprucht hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie in so einem mickrigen Haus eine Familie mit drei Kindern leben konnte. Hiros Fall bewies wohl, dass es tatsächlich nicht so einfach war.
 

Plötzlich blieb Hiro stehen und ließ Toyas Hand los. Toya blickte auf. Sie standen vor einem dieser Häuser. Es hatte einen Holzzaun, einen schmalen Weg, der vom Tor bis zur Haustür führte und an der linken Hauswand hatte wohl jemand, der keine Ahnung von so etwas hatte, versucht, ein weiteres Zimmer, anzubauen. Toya hätte am liebsten darauf gewettet, dass dieses Zimmer bei Regen nicht trocken blieb. Riku rannte durch das offenstehende Gartentor und die knapp zwei Meter weiter zur Haustür. Sie klopfte dreimal an und rief: „Oooonkel! Taaaante!“ - „Du brauchst wirklich nicht mitzukommen“, sagte Hiro zu Toya, ohne den gerade nach vorn gerichteten Blick, abzuwenden. „Ich will aber“, antwortete Toya. „Oder... willst du mich nicht dabei haben?“ - „Nein“, sagte Hiro klanglos und senkte den Kopf. „Das... hab ich nicht gesagt.“ Als er das knarrende Geräusch einer sich öffnenden Tür hörte, blickte er rasch auf. Eine ältere Frau, mit feinem, blondem Haar, das sich an manchen Stellen gräulich färbte, stand im Türrahmen. Sie war klein und wirkte im Ganzen recht dürr. „Riku“, sagte sie. „Hallo, mein Kind. Bist du schon wieder da? Wolltest du nicht im Schloss bleiben?“ Riku lächelte. „Ich hab jemanden mitgebracht“, sagte sie und trat zur Seite. Hiro blickte seine Mutter wortlos an. Er spürte, wie sein Herz vor Aufregung schneller schlug. Riku packte ihn am Arm und zog ihn zur Tür. „Nicht so schüchtern!“, sagte sie. Hiros Mutter blickte fragend. Hiro hatte den Blick wieder auf den Boden gerichtet und die Kapuze verdeckte sein Gesicht. „Nun stell dich nicht so an!“, schimpfte Riku und zog ihm die Kapuze vom Kopf. „Hey, was soll das?“, fuhr Hiro sie an. Doch dann hörte er, seine Mutter schluchzen: „Hi...ro“, sagte sie leise und hielt sich beide Hände vor den Mund. „Du... bist es... mein... Hiro.“ Hiro wagte es nicht einmal, seine Mutter anzusehen. „Um Himmels Willen“, weinte diese. „Du... bist... so groß...“ Sie lächelte. „Wie dein Vater.“ „Wessen Vater?“, rief eine Stimme aus dem Haus. Und kurz darauf trat ein großer, schlanker Mann mit Vollbart neben Hiros Mutter. Er blickte seinen Sohn wortlos an. Dann lächelte er und sagte nur: „Ich bin froh, dass du gekommen bist,... mein Sohn.“ Er ging an der noch immer weinenden Frau vorbei, legte den Arm um Hiro und zog ihn ins Haus. „Komm schon! Wir müssen uns ja nicht zwischen Tür und Angel unterhalten.“ Und damit verschwand Hiro mit seinen Eltern im Haus. Toya stand wortlos vor dem Tor. „Hast du Wurzeln geschlagen?“, rief Riku ihm zu. „Komm schon!“ zögernd folgte Toya ihr ins Haus.
 

„Es ist zu lange her“, sagte Hiros Vater mit rauchiger Stimme und setzte sich an den Küchentisch. Seine Frau setzte sich neben ihn, Hiro auf den Stuhl gegenüber. Toya blieb im Türrahmen stehen, als er sah, dass nur noch einer der hölzernen Stühle leer war. „Lass nur“, sagte Riku als sie seinen Blick bemerkte. „Setz dich! Ich hol mir schon noch ‘nen Stuhl!“ Wortlos setzte Toya sich neben Hiro, welcher daraufhin sofort, beinahe verängstigt, wie es Toya vorkam, nach dessen Hand griff. Toya drückte sie in seine und ließ sie auf seinem Bein liegen. Riku kam derweil aus einem Nebenzimmer wieder, stellte einen kleinen Hocker neben Toya und setzte sich darauf. „Ich sagte doch“, begann sie. „Ich schlepp ihn her.“ - „Und wer bist du?“, fragte Hiros Mutter, die sich nun allmählich wieder beruhigt hatte. „Ein Freund von Hiro?“ Toya versteckte sein Gesicht unbewusst noch mehr. „Ist schon okay, Toya“, seufzte Hiro. „Nimm die Kapuze ab!“ Wortlos gehorchte Toya und zog die Kapuze herunter. Hiros Mutter riss die Augen auf und schlug sich erneut die Hände vor den Mund. Sein Vater wirkte einen Moment lang, als wolle er aufspringen. „Prinz... To... To...Toya-sama!“, stotterte seine Mutter. „Wen habt ihr denn erwartet? Den Kaiser von China?“, murmelte Hiro. „E... es tut uns wirklich leid“, begann Hiros Vater. „Wir haben nicht einmal einen Tee im Haus. Meine Kinder sind gerade einkaufen, also entschuldigt bitte...“ Toya schüttelte rasch den Kopf. „Ach was“, sagte er. „Das ist doch auch gar nicht nötig.“ - „Hört mal“, meldete Riku sich zu Wort. „Mag sein, dass ihr mit solch hohem Besuch nicht gerechnet habt, aber wir für unseren Teil haben nicht viel Zeit. Also...“ - „Ähm, ja natürlich.“ „Am besten wir lassen euch jetzt mal alleine.“ Und damit stand sie auf und nahm Toyas Arm. Hiro wollte Toyas Hand erst nicht loslassen, entschied sich dann jedoch trotzdem dazu. Es wäre wohl ein zu großer Schock für seine armen Eltern, wenn sie sehen müssten, wie ihr verlorener Sohn mit dem Prinzen Händchen hielt.

„Also“, begann Hiros Vater erneut. „Deine Mutter und ich freuen uns wirklich, dich zu sehen.“
 

„Muss nicht leicht für ihn sein“, sagte Riku, nach dem sie die Tür zum Nebenraum geschlossen hatte. Der Raum war nicht größer als der vorherige. Darin standen nur zwei Betten und auf ein paar Stühlen lagen dreckige Klamotten. Riku ließ sich auf eines der Betten fallen. „Früher stand hier noch ein Bett mehr“, sagte sie. „Masas?“, fragte Toya. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie und wo Hiro gelebt hatte, bevor er in den Palast gezogen war. Hiro hatte nie davon erzählt. Und Toya hatte nie gefragt. Jetzt wo er sah, wie arm die meisten Leute hier waren, fühlte er sich richtig schäbig. Er hatte da oben ein schönes Leben geführt, während hier Armut herrschte. Und plötzlich verstand er diese Straßenkinder, die ihn damals beschimpft hatten und nicht bei sich haben wollten. Es war ganz selbstverständlich, dass bei solchen Zuständen Eifersucht entstand. Er konnte es ihnen nicht übel nehmen. „Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht“, sagte Riku. Toya fuhr herum. „Damals, als Krieg war, war es viel schlimmer. Aber jetzt geht es.“ „Was meinst du?“, fragte Toya. „Die Armut“, erklärte Riku und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Dir muss es hier ganz schön schäbig vorkommen, was?“ Sie lächelte. „Du bist es nur nicht gewohnt, deshalb. Eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Nur eben altmodisch. Im Vergleich zur Menschenwelt.“ - „Hm.“ „Verstehst du jetzt, warum seine Eltern ihn weggegeben haben?“, fragte Riku. „Manche Eltern haben ihre Kinder noch als Babys ausgesetzt, weil sie sie einfach nicht ernähren konnten. So was war damals keine Seltenheit. Aber Hiros Eltern sind nicht so. Sie hätten so etwas niemals tun können. Dazu liebten sie ihre Kinder viel zu sehr.“ Sie unterbrach ihre Geschichte und schnaufte. „Im Palast hatte Hiro ganz sicher ein besseres Leben als hier.“ „Ja“, stimmte Toya ihr zu. „Bestimmt.“
 

„Ich kann es einfach nicht glauben“, sagte Hiros Vater. „Du warst es, der Garasu besiegt hat...“ - „Na ja“, murmelte Hiro, der seinen Eltern gerade alles erzählen musste, was passiert war. „Mehr oder weniger.“ - „Nicht so bescheiden! Du bist ein Held!“ „Ich wär euch dankbar, wenn ihr das für euch behalten würdet“, meinte er. In diesem Moment ging die Tür auf und ein junges Mädchen mit orangen, geflochtenen Zöpfen und einem Kleid mit Schürze kam herein. Sie war in etwa 16 Jahre alt. In einer Hand trug sie einen braunen, geflochtenen Korb. Hinter ihr trabte ein Junge, der Hiro sehr ähnlich sah, außer dass er hellbraune Haare und dunklere Augen hatte. Er war schätzungsweise 13 Jahre alt. Das Mädchen musterte Hiro eindringlich. „Wir... haben Besuch?!“, sagte sie dann. „Ich mache sofort Tee.“ „Yakiko!“, hielt ihr Vater sie auf, als sie schon an ihm vorbei rauschte und den Wasserhahn aufdrehte. „Willst du deinem Bruder nicht mal Hallo sagen?“ - „Bruder?“, fragte Yakiko und drehte sich überrascht um. Auch der Junge im Türrahmen horchte nun aufmerksamer. „Bist du...“, begann er dann. „Hiro?“ Hiro lächelte. Wieso tat es ihm so weh, dass seine eigenen Geschwister sich nicht an ihn erinnern konnten? Es war doch ganz logisch. Sie waren damals fünf und acht Jahre alt gewesen. Zumindest wäre das ihr Alter als Menschen gewesen. In der Zwischenzeit waren hier so viele Jahre vergangen. „O-nii-san!“, rief Yakiko plötzlich und fiel Hiro um den Hals. „Du bist es! Du bist wieder da!“ Zögernd kam auch Hiros Bruder auf ihn zu und klammerte sich an seinen Arm. „Ya-chan, Taku“, sagte Hiro. „Ich bin so froh, euch zu sehen.“ - „Wie geht es dir?“, fragte Yakiko und ließ Hiro wieder los. Auf ihrem Gesicht hatte sich ein strahlendes Lächeln breit gemacht. „Wie ist es im Palast? Und auf der Erde? Wie sehen Menschen aus? Echt ganz normal? Oder ist das nur Verkleidung?“ Hiro lachte. „Sie sehen nicht anders aus, als die Menschen, die du früher hier gesehen hast“, erklärte er. „Keine Angst, das sind keine Monster.“ - „Was ist mit deinen Zähnen passiert?“, fragte Taku plötzlich. „Und warum sind dein Ohren so komisch?“ Hiro seufzte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er hatte seine dämonische Gestalt wieder angenommen. „Besser so?“, fragte er. Taku lächelte. „Ja, besser!“

„Lange können wir ihnen nicht mehr geben“, meinte Riku und ging im Zimmer auf und ab. „Wir müssen jetzt langsam zurück zum Schloss.“ Sie lehnte sich gegen die Tür und hörte das Gerede der Familie. Dann ging sie weiter hin und her. Toya wusste, dass es sich nicht gehörte, zu lauschen, aber vor lauter Langeweile, legte er trotzdem ein Ohr an die dünne Holztür.

„Wieso bleibst du nicht hier bei uns?“, schlug Hiros Mutter ihm vor. Toya riss die Augen auf. „Die Zeiten haben ich geändert. Wir haben einiges angespart. Davon könntest du dir sogar ein eigenes kleines Haus kaufen.“ „Ja, bleib bei uns!“, freute Yakiko sich und zupfte am Ärmel ihres Bruders. „Biiiitteee, O-nii-san!“ - „Ähm, also...“, begann Hiro zögernd. Toyas Herz schlug schneller. „Es... tut mir leid“, hörte er Hiro sagen. „Aber ich habe jemanden gefunden, mit dem ich zusammen sein möchte.“ - „Waaaah!“, kreischte Yakiko. „Hast du etwa eine Freundin? Ist sie ein Mensch?“ Hiro versuchte eine Antwort zu umgehen. „Also, ich muss zurück in die Menschenwelt. Gemeinsam mit dieser Person, versteht ihr?“ Yakiko seufzte. „Schade,... aber stellst du sie mir mal vor?“ Sie blickte ihren Bruder erwartungsvoll an. „Ein Mensch“, sagte Taku spöttisch. „Pah!“ - „Aber Taku!“, tadelte seine Mutter und fügte an Hiro gewandt hinzu: „Du musst ihn verstehen. Er kennt die Menschen nur aus der Zeit, als wir Krieg gegen sie führten.“ - „Hiro“, meldete sich sein Vater wieder zu Wort. „Ich möchte, dass du weißt, dass du hier jeder Zeit willkommen bist.“ - „Ich danke euch“, antwortete Hiro. „Und ich... ich möchte euch dafür danken, dass ihr mich damals in den Palast geschickt habt.“ - „Hmm?“ Seine Mutter schaute ihn fragend an. „Wieso das denn auf einmal? Ich dachte du warst immer so unglücklich darüber?!“ Hiro lächelte. „Ja, zuerst schon, aber...“ Er überlegte kurz. „Hättet ihr mich damals nicht dort hingeschickt, dann hätte ich die wichtigste Person in meinem Leben niemals kennengelernt.“ - „Ist sie wohl eine Angestellte im Palast?“, fragte Yakiko. „Also doch ein Dämon“, fügte Taku hinzu.

Toya atmete erleichterte auf. Einem Moment hatte er wirklich Angst gehabt, Hiro würde hier bleiben wollen. Aber das würde er nicht. Nein, er hatte sich gerade gegen seine Familie und für ihn entschieden. „Die wichtigste Person in meinem Leben“, überdachte Toya, Hiros Worte. Dabei musste er lächeln. „Das bin ich für dich also,... Masa...“
 

„So, das muss reichen!“, riss Riku ihn aus den Gedanken, stieß ihn zur Seite und schlug die Tür auf. „Hiro!“, sagte sie. „Oh, hallo Yakiko! Hallo, Taku!“ Sie ging an den beiden vorbei und zog Hiro am Ärmel. „Wir müssen leider gehen.“ - „Ähm, ja klar“, antwortete Hiro und stand auf. Noch ehe Toya sich die Kapuze überziehen konnte, stotterte Taku auch schon: „Wa...wa... was macht de... der Prinz hier?“ Yakiko starrte Toya mit rotem Gesicht und offenem Mund an. „Ähm, wir müssen los!“, sagte Hiro rasch und schob Toya zur Tür hinaus. „Vergiss uns nicht, O-nii-san!“, rief Yakiko ihm nach. „Werd ich ganz sicher nicht.“ Und seine Mutter rief: „Mach’s gut, mein Schatz!“ „Ich bin froh, dass wir uns wieder vertragen haben!“, fügte sein Vater hinzu. „Lebt wohl!“, rief Hiro, während Riku ihn schon davon schleifte. „Lebt wohl!“
 

Auf dem Weg zurück zum Königspalast sagte kaum jemand etwas. Es war später Nachmittag, als sie ihr Ziel erreichten. „Waaas?“, schrie Riku und blickte auf die Menge, die sich vor dem Schloss versammelt hatte. „Schon so viele da?“ „Wir kommen anscheinend zu spät“, fügte Toya seufzend hinzu, als er sah, wie Yue auf dem riesigem Balkon stand. „Tut mir leid“, sagte Hiro. „Das ist nur meine Schuld.“ „Ach was, halb so wild. Schleichen wir uns hinten herum!“
 

Es war nicht leicht gewesen, sich den Weg durch die Menge zu kämpfen und dabei unentdeckt zu bleiben. Sie gingen ganz außen ums Schloss herum und durch einen anderen Eingang hinein. Als sie den Raum erreichten, wo Yue am Balkon stand, war dessen Rede schon zu Ende. Er hatte diesen langen, roten, seidigen Umhang an, den Toya von seinem Vater kannte. Er trug die Krone und das Zepter. Toya lächelte. „Tja, wir haben wohl den Hauptteil verpasst.“ - „Echt, sorry!“, entschuldigte Hiro sich abermals. „Ich hab doch schon gesagt, das macht nichts!“, antwortete Toya.
 

Die Menge applaudierte. Die Schrei und Rufe wurden lauter. Yue winkte und trat dann vom Balkon zurück. „Du warst toll!“, sagte Subaru, der im Hintergrund auf dem Balkon gestanden hatte. Als er Toya, Hiro und Riku erblickte, wurde sein Gesichtsausdruck zornig. „Wo habt ihr gesteckt?“, schrie er sie an. Mariko schlurfte hinter ihm ins Zimmer. „Erst führst du dich auf, Yue würde ohne dich gehen und dann bist du selbst nicht pünktlich“, meckerte sie. „Das war meine Schuld“, meldete sich Hiro zu Wort. Doch Toya drängelte sich vor ihn. „Ach was, das ist doch jetzt nicht so wichtig. Immerhin sind wir jetzt da. Herzlichen Glückwunsch, Yue! Du bist jetzt offiziell der Herrscher der Unterwelt.“ - „Danke“, sagte Yue lächelnd. „Du hast das Beste der Rede verpasst“, meinte er. „Als ich ihnen gesagt hab, dass ich trotzdem auf die Erde zurück kehren und nur gelegentlich hier her kommen werde.“ Toya lächelte zufrieden. „Na also! Das ist doch eine tolle Lösung. So hat dieses Land seinen König und ich behalte meinen Bruder.“ - „Und wenn was ist, dann erstatte ich Bericht!“, schrie Riku und hob die Hand. „Fein, dann kann ich ja doch auf der Erde bleiben“, meinte Subaru. „Wenn es dich nicht stört, niste ich mich noch ‘ne Weile bei dir ein, Yue.“ „Klar, kein Problem.“ „Hey“, meldete Mariko sich zu Wort. „Das ist unser letzer Abend hier. Gehen wir in den Saal zu den Gästen. Wir haben etliches zu feiern. Yues Krönung, Subarus offiziellen Einzug bei Yue, den Tod Garasus und Ichiros und unseren Sieg!“ „Jaaah!“, rief Riku und hüpfte in die Luft. „Feiern! Feiern! Feiern!!!“ Und damit rannte sie aus dem Raum. „Kommt, feiern wir!“, hörte man sie noch rufen.
 

Es war bereits dunkel. Toya saß auf dem Steinboden des Balkons im obersten Stockwerk und ließ die Beine zwischen den Gitterstäben hindurch baumeln. Es war eine dieser wunderschönen Nächte. Der Vollmond wirkte riesig, als stünde er direkt über dem Palast und die Sterne strahlten so hell, dass Toya das Licht der Fackeln beinahe unnötig erschien. Unten war das Fest noch im vollen Gange. Was Toya betraf, so hatte dieser schon zu viel getrunken. Und bei ihm war es schon zu viel, wenn er nur an einem Glas mit alkoholischem Inhalt, nippte. Hier oben, so weit wie möglich weg von dem Lärm konnte man am ehesten wieder einen klaren Kopf bekommen. Toya seufzte und legte den Kopf an das Gitter vor sich.
 

„Hallo!“, sagte plötzlich jemand hinter ihm. Erschrocken fuhr Toya zusammen und drehte den Kopf um. Hinter ihm stand Mariko. Sie trug ein schönes, rotes Kleid und hatte die Haare hochgesteckt. „Na?“, sagte sie und drehte sich im Kreis. „Wie sehe ich aus?“ Toya lächelte. „Wunderschön“, sagte er. Offenbar zufrieden mit dieser Antwort setzte Mariko sich neben ihm auf den Boden. „Das Kleid...“, begann Toya. „...hat mal meiner Mutter gehört. Also, meiner dämonischen Mutter.“ - „Echt?“, fragte Mariko. „Ist es okay, dass ich es...?“ „Ja, sicher“, antwortete Toya, noch bevor sie geendet hatte. „Du siehst wirklich toll darin aus!“ Mariko lachte. „Soll das heißen, ich sehe sonst NICHT toll aus?“, fragte sie und spielte die Beleidigte. „Nein, du bist eigentlich immer sehr hübsch“, sagte Toya ehrlich. „Findest du?“ - „Klar!“ - „Ich finde, du bist auch sehr hübsch, Toya!“ Toya blickte sie skeptisch an. „Ist das ein Kompliment, wenn man das als Typ gesagt bekommt?“ - „Wieso denn nicht?“, meinte Mariko lächelnd und blickte dann zum Himmel. „Sag mal“, begann sie dann. „Was ist das für ein Ring?“ Toya zuckte zusammen. Er blickte auf den goldenen Ring an seinem Finger. „Ach, das...“, murmelte er. „Schon okay“, unterbrach Mariko ihn. „Du brauchst gar nichts zu sagen.“ Für ein paar Minuten schwiegen sie beide. Dann sagte Mariko: „Hätte gar nicht gedacht, dass Masa so romantisch sein kann.“ Toya wurde rot. Woher wusste sie eigentlich immer alles? Waren das die Kräfte, die Sumi bei ihr hinterlassen hatte? Oder hatte sie einfach ein Gespür für so etwas. „Woher...?“, begann Toya, doch er wurde wieder unterbrochen. „Weibliche Intuition“, sagte Mariko und stand auf. „Das Feuerwerk fängt gleich an. Masa sucht dich schon im ganzen Schloss. Ich glaube er dreht durch, wenn er es nicht mit dir gemeinsam anschauen kann.“ Sie ging zur Tür, die vom Balkon führte. „Ich geh dann mal. Bis später, Toya!“
 

Toya seufzte. Er nahm den Ring vom Finger und betrachtete ihn genauer. Plötzlich fiel ihm etwas auf. Er hielt den Ring ins Licht der Fackeln um es besser erkennen zu können. In der Innenseite stand etwas. „Ich liebe dich für immer. Hiro.“ Toya wurde rot, doch er konnte sich sein Lächeln nicht verkneifen. „Idiot“, seufzte er grinsend. Glücklich steckte er den Ring wieder an seinen Finger.
 

„Da bist du ja!“, sagte plötzlich jemand. Toya blickte nach oben und sah, dass sich Hiro über ihn beugte. „Ich hab dich gesucht.“ Er setzte sich neben ihn. Wider Toyas Erwartungen, sagte er nichts. Toya schwieg ebenfalls und legte nur den Kopf an Hiros Schulter. Hiro legte den Arm um ihn. Toya streckte den Arm aus und spreizte die Finger. „Du hast den Ring gravieren lassen“, sagte er. „Hab ich erst jetzt gemerkt.“ Hiro sagte nichts. Toya nahm Hiros Hand und zog ihm seinen Ring vom Finger. Er drehte ihn im Mondlicht. „Bei dir steht nichts drin“, stellte er fest. „Was sollte ich denn da schon eingravieren lassen?“, fragte Hiro. Toya steckte ihm den Ring wieder an den Finger. In diesem Moment hörten sie ein Zischen und einen Knall. Am Himmel explodierte etwas und strahlte violettes Licht aus. „Das Feuerwerk fängt an“, dachte Toya. Er schmiegte sich an Hiro und sagte leise: „Wenn wir zu Hause sind, lasse ich deinen Ring auch gravieren.“ Ein weiteres Knallen. Blaue und rote Funken sprühten. „Ach ja?“, fragte Hiro. „Und was steht dann da drin?“ Toya ging mit dem Gesicht nahe an Hiros heran. „Ich liebe dich, bis in alle Ewigkeit, dein Toya... du Vollidiot!“ Hiro lächelte. „Steht das ’Vollidiot’ dann auch mit drin?“ - „Klar! Was denkst du denn?“, sagte Toya bestimmt und schloss die Augen. Dann küsste er Hiros Lippen. Mit einer weiteren Explosion ergoss sich ein goldener Regen über ihnen. Wie unzählige Sterne die von dort oben auf sie herabfielen. So nah, dass Toya das Gefühl hatte, sie auffangen zu können. Er schlang die Arme fest um Hiro. Es war dieser Abend, an dem er erkannte, dass man sich nicht gleich die Sterne vom Himmel holen musste um glücklich zu werden. Nein, vielmehr musste man seinen eigenen Stern finden. Sein Glück um das man kämpfen musste um es für sich zu gewinnen. Und als ihnen die Sterne vom Himmel geradewegs in die Hände fielen, wurde ihm eines klar: Er hatte sein Glück schon längst gefunden.
 

~The end~
 

Nachwort: Danke an alle, die DB gelesen und vor allem auch kommentiert haben. ;__; Es ist uralt und es ist schlecht. Ich hab die FF vor~ eh~ viiie~len Jahren getippt. ^^' Danke an alle, die mir ens geschickt und mich zum Hochladen gezwungen haben. XD Die dritte Staffel werde ich aber nicht mehr hochladen. Die Story ist was den Schreibstil angeht, einfach nicht mehr zufriedenstellend genug für mich, um sie hochzuladen. War sie in Staffel 2 auch nicht, aber ich wollt's nicht mitten drin enden lassen. Habt Verständnis! X3 Lest bitte meine neueren Werke! Ich schwör, die sind besser! *__*v



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Von:  ayumi-can
2011-09-12T15:16:02+00:00 12.09.2011 17:16
...du vollidiot!!!!^^
was soll dass? die storry ist doch super ich weiß gar nicht was du hast. ich finde sowohl die idee als auch deinen schreibstiel umwerfend. bitte, bitte lade doch die dritte staffel hoch oder schick mir wenigstens einen link wenn die schon irgendwo ist. bitte~ *dich auf knien anfleh* ich hab die storry in drei tagen durchgelesen wei sie mich nicht mehr losgelassen hatte. ich finde du hast auch die charaktere sehr gut herausgearbeitet so das man sich gut in die hineinversetzen konnte.

liebe grüße

ayumi-can

p.s. sorry das ich erst jezt ein kommi dazu schreibe, aber wie gesagt die storry war so fesselnd...^^
Von:  Alexa_Sasako
2010-11-27T19:59:31+00:00 27.11.2010 20:59
Hey,

deine Geschichte ist super. Hab sozusagen drei bis vier Tage gebraucht, um sie durchzulesen, hat sich aber gelohnt. Wollte Abends gar nicht mehr aufhören und das nächste Kapitel anfangen.

Hoffe, das die dritte Staffel irgendwann kommt. Freue mich schon darauf.

Schöne Grüße

YukiMilo
Von:  CataleyaLiu
2007-11-24T09:52:46+00:00 24.11.2007 10:52
heul
sry das ich erst jetzt schreibe aber konnte eine weile nicht ins internet aber jetzt für eine weile nur
wow der feind ist tot freudensprünge aber das toya beinahe tot war ist dramatisch
bin schon auf das letzte gespannt
bis dann
Von:  Karin21
2007-11-20T14:52:47+00:00 20.11.2007 15:52
Es wird immer spannender. Ich hoffe das du bald weiterschreibst und uns nicht so lange warten läst. Ich kann es kaum erwaren. :)
Von:  CataleyaLiu
2007-10-29T15:43:35+00:00 29.10.2007 16:43
wer hätt das gedacht, toya wird befreit
war aber nicht im letzten kapitel, dass er gaararu gehört,
egal
ich freu ich schon auf das nächste
hoffentlich ist meine vermutung, dass toya gaararu gehört noch nicht abgeschlossen und er verlangt dann von toya, wieder zu ihn zu gehen
wäre doch ein vorschlag oder nicht

egal
warte halt auf ein neues kapitel

bis dahin,bussi
Von:  Karin21
2007-10-27T16:05:18+00:00 27.10.2007 18:05
Ich freue mich das dass jetzt doch so schnell mit dem nähsten Käpe ging. Es wird aber auch spannend. Hoffentlich geht es Yue gut.
Von:  Karin21
2007-10-24T17:33:32+00:00 24.10.2007 19:33
Super. Fantastisch
Ich freue mich riesig das du weitermachst. Das ist einfach
Mega, Ultra Genial.
Vielen Dank.
Ich freue mich schon auf dein nähstes Kapi
Von:  CataleyaLiu
2007-10-17T11:36:13+00:00 17.10.2007 13:36
wie lange wird es denn dauern
kannst du mir die ganze geschichte nicht schon schicken, per email,
muss du aber nicht wenn du nicht willst
zwing dich nicht dazu sondern ich bitte dich darum
würde mich freuen

auf jeden fall bin ich erst spät auf deine ff gekommen
deshalb war ich irririert mit den staffeln und so
aber allgemein hat die mir gefallen

cu
Von:  CataleyaLiu
2007-10-15T12:15:54+00:00 15.10.2007 14:15
ich wollte dir fragen, ob du mir die ganze fanfic schicken kannst mit der 3.staffel natürlich
würde mich sehr darüber freuen
Von: abgemeldet
2007-02-13T06:05:12+00:00 13.02.2007 07:05
Was ist den los? Bitte Bitte Bitte Mach weiter dies ist eins meiner absoluten faforiten. Also bitte bitte bitte Mach weiter. ich habe mich sooooooooooooooooooooo gefreut als es ein neue Kapis gab. Mach weiter bittttttttttttttttttttttttttte


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