Seven
Nur wenige Tage später saß Lelaine wieder in ihrem Zimmer und lernte.
Die kleine Schreibtischlampe tauchte nur einen geringen Teil des Zimmers in gelbes Licht.
Im Haus war es still, ihre Eltern saßen unten im Wohnzimmer und sahen fern.
Draußen allerdings regnete es in Strömen. Dicke schwere Regentropfen trommelten gegen die Fensterscheiben, liefen in langen in farblosen Bahnen am Glas hinab oder bildeten unzählige große Perlen. Die mächtigen grauen Wolken hatten dafür gesorgt, dass es noch schneller und vor allem noch dunkler als sonst geworden war.
Konzentriert studierte Lelaine das vor ihr aufgeschlagene Buch.
Sie hasste Physik. Und wie sie es hasste! Die komplizierten Formeln... Sie verstand es einfach nicht! Sie seufzte entnervt.
Ein heftiger Windstoß trieb einen besonders großen Wasserschwall gegen das Fenster.
Das mochte sie am Herbst: Wenn es draußen ungemütlich war, war es im haus dafür besonders angenehm!
Es klopfte an der Scheibe.
Lelaine drehte sich auf ihrem Stuhl herum. Sie hatte beinahe damit gerrechnet, das er kam.
Tatsächlich hockte Cathan auf der Fensterbank, völlig durchnäßt, seine schwarze Kleidung ließ ihn fast mit der Dunkelheit hinter ihm verschwimmen.
Er winkte ihr zu.
Sie spürte seinen Blick auf ihrem Körper.
Schlagartig wurde ihr heiß. Verlegen sprang sie auf und eilet ans Fenster um ihm zu öffnen.
Freute sie sich ihn zu sehen?
Nein, das konnte doch nocht sein!
Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf.
Bestimmt nicht! Immerhin hätte er sie fast umgebracht!
Er sah vielleicht gut aus, aber...
Gefolgt von Unmengen von Regentropfen sprang Cathan ins Zimmer. Wasser lief über sein Gesicht, tropfte von seinen Haaren und seiner Kleidung auf den Boden.
"Guten Abend." Er lächelte sie an.
Irgendwie wirkte es...sinnlich. So vollkommen durchnässt... Der Anblick hatte etwas. Er sah richtig sexy aus.. verdammt, was dachte sie da eigentlich?
"Guten Abend.", sagte sie schnell und drehte sich hastig um, trat an ihren Kleiderschrank und zog ein Handtuch hervor, dass sie ihm zuwarf."Hier, trockne dich ab."
Nur nicht mehr in seine Richtung blicken!
Während er sich mit dem Handtuch abrieb, entdeckte er das Buch auf dem Schreibtisch.
"Ich hoffe, ich halte dich von nichts Wichtigem ab?" Er klang zögerlich.
Sie warf dem Buch einen vernichtenden Blick zu und seufzte:"Nein, keine Sorge. Ich komme sowieso nicht weiter."
Schweigen folgte.
Lelaine fühlte sich seltsam.
Sie hatte keine Angst mehr vor Cathan. - Nicht viel jedenfalls. Mit ihm reden zu können...Und der Anblick, wie er da so nass im Zimmer stand...Mühsam verdrängte sie den Gedanken und schaute verlegen zur Seite.
Nicht hinsehen!
Warum war das bloß zu schwer? Aus den Augenwinkeln blinzelte sie zu Cathan hinüber.
Verdammt!
"Wollen wir uns nicht zusammen setzen?" Seine Stimme klang so angenehm.
Ihr Herz klopfte schneller.
Was sollte sie tun?
Weiter untätig im Zimmer herum stehen? Dabei fühlte sie sich auch nicht gerade wohl.
"Gern.", erwiderte sie zaghaft.
Warum hatte sie das gesagt?
Einer von ihnen konnte sich doch auch an ihren Schreibtisch setzen!
Cathan ging hinüber zum Bett und nahm Platz..
Lelaine zögerte noch etwas.
Ihr wurde heiß.
Sollte sie wirklich zu ihm hinüber gehen?
Sie zwang sich dazu, einmal tief durch zu atmen.
Warum war sie nur so aufgeregt.?
Er war ein Vampir.
Ein Vampir. Gefährlich, aber sonst nichts weiter.
Sie schaffte es, einen Fuß vor den anderen zu setzen und ging langsam auf ihn zu.
Ein Schritt.
Noch einer.
Und ein letzter.
Er saß nur wenige Zentimeter entfernt.
Lelaien wollte einen Schritt an ihm vorbei machen um sich ein gutes Stück von ihm entfernt hinzusetzen. Nur noch ein Schritt an ihm vorbei!
Als sie sich direkt vor ihm befand, ergriff er urplötzlich ihren Arm und zog sie heftig zu sich.
Durch die plötzliche Bewegung stolperte sie ein wenig, sein Griff wurde fester, eine kühle Hand auf ihrer viel zu heißen Haut. Er zog sie weiter, direkt auf seinen Schoß.
Lelaines Herz klopfte als wollte es Zerspringen, die Hitze, die durch ihren Körper raste, wurde schlimmer. Starr und verkrampft saß sie auf Cathans Schoß, spürte die Feuchtigkeit, die von seiner Kleidung auf ihre kroch. Seine Hand ruhte noch immer auf ihrem Arm und hielt sie fest. Sie wollte gerade protestieren, als er sich zu ihr beugte, seine Zähne aufblitzten und er zubiss.
Verblüfft hielt sie still, während er ihr Blut trank.
Damit hatte sie nicht gerechnet.
Dabei hätte sie doch wissen müssen, dass er nur ihr Blut trinken wollte!
Sie sagte sich selbst, dass sie darüber nicht enttäuscht war.
Ganz bestimmt nicht.
Nicht ein bißchen.
Oder...
Sie versuchte sich schnell abzulenken.
Sie lehnte an seiner kräftigen breiten Brust, seine nassen Haare kitzelten sie in Gesicht und Nacken. Wie schon einmal bemerkte sie den angenehmen Geruch, der von ihm ausging.
Ohne das sie es selbst bemerkte, seufzte sie leise.
Der Biss dauerte länger an als beim letzten Mal.
Schon bald fiel es ihr schwer die Augen offen zu halten. Schatten tanzten vor ihren Augen, das Zimmer wurde immer dunkler.
Cathan hielt sie noch immer in seinen Arm.
Sie fühlte sich...wohl.
Irgendwann fielen ihr die Augen zu und sie schlief ein.
Cathan blieb noch lange unbewegt sitzen, einen Arm um sie gelegt, die eine Hand auf ihrem Arm. Ihr Kopf war an seine Brust gesunken. Dünne Blutfäden liefen langsam ihren Hals hinab, aber sie atmete gleichmäßig, eine Hand hatte sich
unbemerkt in sein Hemd geklammert.
Die Minuten glitten dahin, wurden zur Stunde.
Erst dann hob er sie vorsichtig hoch, legte sie aufs Bett.
Cathan betrachtete sie noch einen Moment, riss sich los, löschte das Licht und sprang mit einem geschmeidigen Satz aus dem Fenster hinaus in die Nacht und den Regen.