Ein Licht in der Dunkelheit
Ich bin auf einer Brücke, die über einen Fluss hier in Russland führt. Dort sitzend lasse ich meine Beine am Rand runter baumeln. Sie hat kein Geländer, da nicht gerade viele Leute in diese Gegend kommen und somit keine Gefahr besteht, dass jemand abstürzt. Außerdem ist sie sehr breit, aber auch hoch.
Ich schaue runter in den Fluss. Normalerweise ist hier die Strömung sehr stark, doch da es Anfang Winter ist, liegt eine dünne Eisschicht auf der Wasseroberfläche, die den Fluss etwas beruhigt. Dennoch kann es sehr gefährlich sein, wenn man da rein stürzt. Das man es überlebt ist eher unwahrscheinlich.
Da es Nacht ist, wirkt das Wasser düster. Wie lange ich schon drauf schaue? Ich weis es nicht! Aber das ist auch egal! Warum ich das mache? Na ja, um sicher zu gehen. Das es auch wirklich klappt. Denn ich hab mir vorgenommen, meinem Leben heute ein Ende zu setzen. Weshalb? Ganz einfach! Weil es keinen Sinn hat! Mein Leben kein Wert. Ich hab keinen Wert! Bin einfach nur nutzlos.
Mich wird eh keiner vermissen. Ich hab keine Familie und auch keine Freunde die traurig sein würden, wenn es mich nicht mehr gibt. Ich bin allein. Und laut Boris, einfach zu nichts zu gebrauchen. Also? Warum sollte ich dann auch weiter leben?
Langsam bilden sich Tränen in meinen Augen und kleine Perlen wandern meinen Wangen hinunter. Ich fühle mich schon seit längerer Zeit so leer! Und auch Schmerzen. Doch keine, die von den Verletzungen im Training oder von denen die mir Boris immer zufügt, kommen. Sie sind innerlich. Manchmal fühlt es sich an, als ob man mir ein Messer in den Bauch jagt, doch das stimmt nicht. Ich glaube eher, dass mein Herz und meine Seele bluten. Die Einsamkeit erdrückt mich einfach! Es tut weh, zu wissen, dass einen keiner mag. Man von allen gehasst wird.
Das ist auch ein Grund, warum ich nicht mehr leben will! Ich halte diese Schmerzen einfach nicht mehr aus. Will endlich davon erlöst werden!
Früh fällt es mir schon immer schwerer aufzustehen. Will weiter schlafen, denn dann fühle ich keine Schmerzen. Dann ist alles gut. Deshalb werde ich es jetzt auch tun. Dem ganzen ein Ende machen. Also stehe ich auf und schließe kurz meine Augen. Gedanken um das Team brauch ich mir keine zu machen. Ich habe Bryan eine Nachricht hinterlassen, wo ich ihm gebeten habe, ab jetzt das Team zu leiten. Er wird mich sicher verstehen.
Mit ausgebreiteten Armen lasse ich mich nach vorne fallen, hinein in die Tiefe, den erlösenden Tot erwartend. Doch bevor ich falle, zieht mich jemand zurück. Und ich merke wie ich nach hinten kippe. Erschrocken reiße ich meine Augen auf und sehe in Bryan's Gesicht. Was macht der denn hier! Wir befinden uns beide auf den Steinboden und ich sitze auf seinen Schoß. Bei der Erkenntnis, merke ich, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Wie gut, dass es Dunkel ist, so kann er es nicht sehen. Aber warum ist er hier? Und warum hat er mich davon abgehalten zu springen? Um das heraus zu finden schnauze ich: "Was sollte das!"
Er schaute die ganze Zeit auf den Boden, doch jetzt sieht er mir direkt in die Augen. Und ich erschrecke, da ich in ihnen Tränen sehe. Er weint! Doch weshalb? Etwa wegen mir? Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen sauer auf ihn zu sein, da er mich schließlich davon abgehalten hat zu springen. Doch jetzt kann ich es nicht mehr.
"Tu... tu es ... bitte nich¬¬¬t¬!", sagt er leise. Seine Stimme hat dabei einen flehenden Unterton.
"Warum nicht? Mein Leben hat doch eh keinen Sinn. Und außerdem: Wen interessiert es, ob ich lebe, oder nicht!", erwidere ich gleichgültig.
"Mich interessiert es! Ich will nicht, dass du stirbst. Ich brauche dich doch!" Bei den letzten Satz drückt er mich fest an sich. Ich bin jetzt einfach zu verwirrt um mich dagegen zu wehren. Deshalb schließe ich meine Augen und atme seinen Duft ein. Er riecht irgendwie gut! Außerdem ist er schön warm. Oder kommt mir das nur so vor, weil mir selbst eiskalt ist?
"Wozu brauchst du mich?", frage ich ihn leise, nach einer Zeit des Schweigens.
"Weil... weil ich ... dich Liebe!", antwortet er genauso leise. Weil er mich liebt? Ist das sein ernst? Ich hebe etwas meinen Kopf, damit ich ihn in die Augen sehen kann.
"Verarscht du mich jetzt, oder ist es dein ernst?", erkundige ich mich ungläubig.
"Ich meine es ernst. Ich liebe dich wirklich. Von ganzen Herzen!", erwidert er und beugt sich zu mir runter. Dann küsst er mich sacht. Seine Lippen sind so schon warm und weich. Ich kann ihnen einfach nicht widerstehen und erwidere den Kuss. Jetzt wird er mutiger und stupst mit seiner Zunge leicht meine Lippen an. Ich öffne diese einen kleinen Spalt und er taucht in meinen Mund ein, den er gleich anfängt zu durchforschen. Dann neckt er meine Zunge und es entbrannt ein heißes Zungenspiel.
Als wir uns wieder von einander lösen, fragt Bryan: "Du... du bleibst ... doch jetzt bei mir, ... oder? Du bringst ... dich doch ... jetzt nicht mehr ... um." Dabei kullern ihn wieder Tränen über den Wangen. Ich wische ich diese sacht weg und beruhige ihn: "Keine Sorge. Ich werde es nicht tun. Für dich, werde ich weiter leben." Er lächelt mich jetzt an und drückt mich wieder fest an sich.
