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Spliss

Yaoi - Original (Fortsetzung zu "Haarspaltereien")
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Diese Geschichte gammelt ja nun wirklich schon lange genug auf meinen Festplatten herum. Seit Jahren quäle ich mich damit herum, weil mir auch der Storyverlauf nicht mehr so ganz klar ist. Kapitel 4 ist eigentlich schon lange fertig, war aber so chaotisch und verklausuliert geschrieben, dass ich mich damit irgendwie jahrelang (immer mal wieder, mit langen Unterbrechungen) rumgequält habe.
Irgendwie passiert in diesem Kapitel nicht wirklich etwas. Die Story setzt sich gemächlich fort. Es passiert hauptsächlich Comedy. Und ein neuer Charakter wird eingeführt, der später noch wichtig wird. Yay. Äh..
Ich werde versuchen jetzt nach und nach die Kapitel in eine passable Form zu bekommen. "Spliss" und auch "Haarspaltereien" sind leider glänzende Beispiele dafür, was passiert, wenn man einfach drauf los schreibt und hinterher versucht einen roten Faden zu finden und Sidestories sinnvoll einzuflechten Unentschlossen Und irgendwie hat man das Gefühl seine Geschichte immer mehr zu hassen, je länger man drüber brütet. Kennt ihr das auch? ^^°

(Jetzt auch endlich, der Vollständigkeit halber, bei Animexx.) Komplett anzeigen

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Meister Eder und sein Pumuckl

Kapitel 4: Meister Eder und sein Pumuckl

Alternative Kapitelüberschrift: "Hurra, hurra, der Kobold mit dem roten Haar!"
 

Warnings: Ohrwurmgefahr (nach Lesen der Alternativüberschrift - also, es ist jetzt leider schon zu spät ... MUAHAHA) und verstörende mentale Bilder (nach Lesen des Kapitels), die euch Kindheitserinnerungen auf ewig zerstören werden - ernsthaft!!
 

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Die Nacht bei Richard hatte Mark erwartungsgemäß wenig Schlaf aber viel Bewegung verschafft. Zum Glück hatte er, bevor sein Freund ihn so dermaßen verausgabt hatte, daran gedacht den Wecker zu stellen. Sonst wäre er bestimmt nicht rechtzeitig wach geworden, um es bis neun zur Sporthalle zu schaffen, wo sich sein Karateverein zur gemeinsamen Abfahrt nach Bingen traf.

Allerdings war er dann noch gezwungen von acht bis viertel nach acht gegen die Umklammerung des dösenden Richard anzukämpfen. Letzten Endes halfen ihm nur die erlernten Selbstverteidigungstechniken sich aus dessen Schwitzkasten-Umarmung herauszuwinden. Es war schon erstaunlich – und auch irgendwie beängstigend – wie eisern sich Richard im Schlaf an etwas oder jemandem festkrallen konnte. Da konnte Mark wohl dankbar sein, dass sich Richard – bisher zumindest – noch nicht als Deckendieb entpuppt hatte.

Mark beglückwünschte sich auch zu seiner Geistesgegenwart wohlweislich vor dem Training am Vorabend noch einen zweiten frisch gewaschenen und gebügelten Karate-Gi eingepackt zu haben. Bei seinen Eltern wegen des Anzugs vorbeizuschauen, hätte Mark so knapp vor der Abfahrt gar nicht mehr gepackt. Außerdem wäre sein Trainer sicher alles andere als erbaut darüber, wenn Mark zum Wettkampf im verschwitzten und zerknitterten Karate-Anzug vom Vortag antreten würde. Und eine Chance auf irgendeine Medaille hätte er dann schon mal gleich gar nicht. Kampfrichter verstanden bei sowas wie Trainingskleidung nämlich komischerweise keinen Spaß. – Ganz im Gegensatz zu Mark, der von Richard in der Nacht zuvor derart ausgiebig "beschäftigt" und "abgelenkt" worden war, dass er keinen Gedanken an so etwas Überflüssiges wie Kleidung verschwendet hatte. Wo man so ganz *ohne* doch viel interessantere Dinge machen konnte – vorzugsweise zu zweit.

Schnell musste er seine Gedanken dringlicheren Dingen zu- und von der angenehmen Ablenkung abwenden. Nicht dass er noch in Versuchung geriet, dort mit Richard weiterzumachen, wo sie in der vergangenen Nacht aus schierer Erschöpfung und Müdigkeit hatten aufhören müssen.

Er verschwand mit seinen Klamotten vom Vortag im Bad. Bei genug Machogehabe seinerseits würde schon niemand den mangelnden Kleiderwechsel wahrnehmen – oder diesen ignorieren. Hoffte er. Lange hätte er das Zeug ohnehin nicht an, bevor er in Sportkleidung schlüpfen müsste. Und ein echter Kerl zog sich schließlich nicht jeden Tag frische Sachen an, sondern erst dann, wenn er sich selbst nicht mehr darin riechen oder die Kleidung von alleine stehen konnte! Nicht, dass er selbst bisher nach diesem Motto gelebt hätte, aber er kannte - und roch - schließlich genug Typen, um diese These belegt zu wissen.

Seine Jeans und T-Shirts sahen doch eh alle gleich aus. Und ihn störte das auch nicht. In Richards Kleiderschrank des Grauens nach etwas Passendem zu kramen, wagte er nicht. Wer wusste schließlich schon, was für tuntig-schwule Albträume dort auf ihn lauern würden? Die Farbe *Pink* wäre dabei vermutlich noch sein geringstes Problem ...

Als er kurz darauf frisch geduscht und angezogen aus dem Bad zurückkam, lag Richard mit Augenlidern auf halbmast gesenkt im Bett und schmollte, weil man ihm sein liebstes Kuscheltier weggenommen hatte. Mark konnte sich – angesichts dieser Trauermiene – ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Für einen ausgewachsenen und derartig großen Mann, und das in jeglicher Hinsicht seiner Anatomie – Mark errötete bei dem Gedanken –, konnte Richard manchmal wirklich ausgesprochen kindisch sein. Was allerdings wieder irgendwie niedlich war. Sofern man bei jemandem mit Richards Ausmaßen noch von "niedlich" sprechen konnte.

"Was soll das?" Mark wurde von einem zugleich verletzten wie anklagenden Blick getroffen. Vermutlich dachte Richard, Mark könnte es nicht eilig genug haben von ihm wegzukommen. Ändern konnte er es trotzdem nicht. Sein Trainer würde ihn skalpieren, wenn er nicht erschien.

"Ich hab heute 'nen Karatewettkampf in Bingen."

Davon war Richard nun wirklich nicht begeistert. Als Mark sich zu einem Abschiedskuss zu ihm herunterbeugte, klammerte er sich deshalb an ihm fest und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Schon wieder.

"Es ist Sonntag, *muss* das sein? Kannst du das nicht mal ausfallen lassen?"

Mark sah ihn entgeistert und entsetzt über so wenig Wettbewerbssinn an. "Natürlich nicht! Dass ich am Wettkampf teilnehme, stand fest, lange bevor wir in Berlin ..." Er stockte, brach ab und schluckte schließlich den Rest des Satzes herunter. Er musste Richard nicht noch Vorlagen für seine anzüglichen Sprüche liefern. "Also, hör schon auf mit dem Blödsinn!"

"Hm ... Kann ich dann nicht wenigstens mitkommen und mir deine sexy Moves angucken?" Plötzlich schien Richard ein ganzes Stück munterer.

Mark starrte ihn entsetzt an. "Auf gar keinen Fall!", antwortete er vielleicht ein bisschen zu laut, zu schnell, zu panisch. Aber um Himmels willen! Er würde gar nichts hinbekommen, wenn er Richards lüsternen Blick auf sich wüsste! Aber das konnte er Richard auf gar keinen Fall sagen.

Richard brummelte beleidigt und Mark küsste ihn noch einmal zur Besänftigung auf den Schmollmund. "Ach, komm! Heute Abend bin ich ja wieder zurück."

Unwillig ließ sein Freund ihn los und Mark musste nun wirklich zum Treffpunkt flitzen.
 

~*~
 

Bingen erwies sich im Hinblick auf Ablenkung als wenig ergiebig. Während Mark die anderen Teilnehmer geistesabwesend beim Formenlauf beobachtete und darauf wartete, dass er endlich an die Reihe kam, kreisten seine Gedanken in einer Tour um die Ereignisse in Berlin und das Erlebte der letzten beiden Tage dort. Bis dato hatte er es nicht geschafft sich mit Richard über das, was zwischen ihnen nun eigentlich war, auszusprechen. Aber Richard schien das wohl auch gar nicht für nötig zu halten, sonst hätte er das Thema doch sicher schon mal angesprochen. Oder etwa nicht?! Allerdings hatten sie sich bisher auch nur abends getroffen und da schienen sie immer beide ganz andere Bedürfnisse zu haben, als zu reden ... Nicht, dass er sich beklagen wollte!!

Mark war in eine nachdenkliche Trance versunken, als man ihn schließlich aufrief und er seine Katas laufen musste. Das führte dazu, dass er, obwohl er Ablauf und Ausführung seiner Techniken perfekt beherrschte, es gerade noch so auf den dritten Platz schaffte, weil er nicht richtig bei der Sache war. Und dafür konnte er dann noch sehr dankbar sein, denn hätte er nicht zumindest *irgendeine* Medaille abgeräumt, hätte sein Trainer Michael ihm sicher die Gurgel umgedreht.

Zum Glück sprach ihn keiner auf seine ungewohnt schlechte Leistung an. Alle waren wohl froh, als der lange, anstrengende Tag mit den vielen Wartezeiten endlich zu Ende ging.
 

~*~
 

Es war bereits Zeit fürs Abendessen, als Mark mit seinen Vereinskameraden zu guter Letzt an der Sporthalle in Wehrstadt ankam. Er seufzte tief und hoffte, dass Richard ihm nicht allzu böse war, dass er ihn den ganzen Tag allein gelassen hatte. An einem Tag, an dem sie endlich mal ausgiebig füreinander Zeit gehabt hätten. Zeit, um sich auszusprechen ...

Am Eingang zum Friseursalon suchte Mark vergeblich nach einem Klingelknopf, bis ihm schließlich in den Sinn kam, dass es ja auch einen Hintereingang gab, durch den er selbst noch am Morgen zuvor klammheimlich und mucksmäuschenstill verschwunden war. Dort befanden sich dann auch tatsächlich ein Namensschild und eine Schelle.

Noch bevor er überhaupt läuten konnte, ging der Türsummer. Überrascht drückte Mark die Tür auf. Richard hatte ihn wohl schon kommen sehen. Die Eingangstür zu Richards Wohnung im ersten Stock stand auch bereits sperrangelweit für ihn offen und es roch verdächtig nach warmem Essen. Marks Magen knurrt augenblicklich gut vernehmlich. Schließlich hatte der den ganzen Tag über, wegen des verpassten Frühstücks und der sportlichen Betätigung, abgesehen von zwei Bananen noch nichts abbekommen. In dem Moment, in dem er ausgehungert die Küche betrat, wurde er jedoch erst einmal in eine feste Umarmung gezogen und nahezu bewusstlosgeküsst. Er musste lange mit Richard ringen, bis dieser ihn endlich wieder freigab. Dann holte Mark erst einmal schnaufend Luft, bevor er Richard vorwurfsvoll ins Gesicht starrte – und erstarrte.

"Was zum Geier ist denn DAS?!", fuhr er seinen Freund empört an und deutete mit seinem nackten, anklagenden Finger auf ihn, sein Bärenhunger angesichts des ungeheuren Grauens völlig vergessen.

"Huh?" Richard schaute verständnislos zurück. Dann schien ihm plötzlich ein Licht aufzugehen. "Ach, die Haare?" Gedankenverloren zupfte er an den kurzen Strähnen, die ein Farbspektrum von Orange bis Karminrot abdeckten und in unnatürlichen Winkeln vom Kopf abstanden. "Naja ... Ich war einsam und mir war langweilig. Da hab' ich Gabi angerufen und wir haben uns gegenseitig die Haare gemacht."

Mark gelang es nicht gänzlich ein gequältes Stöhnen zu unterdrücken.

/Rot?!! Wieso hat er ausgerechnet *Rot* nehmen müssen?!! Oder vielmehr *Orange*!/

Die grässlich grelle Farbe leuchtete bei Sonnenschein und garantiert auch im Dunkeln. Er würde nachts kein Auge mehr zubekommen ... Aber das war noch nicht alles: Mark fühlte sich durch die orange Haarfarbe unwillkürlich an den Pumuckl erinnert. Es fehlte nur noch das gelbe Hemd und die grüne Hose, um das Erscheinungsbild des kleinen Kobolds abzurunden. Zugegebenermaßen war Richards lange, gerade Nase sehr viel ansehnlicher als die knollige Kartoffelnase des Klabauters. Aber wenn er jetzt noch anfing in einer schrillen Stimme in Reimen zu sprechen, wäre es ganz aus.

Viel beängstigender jedoch wie die Vorstellung von Richard als übergroßer Pumuckl-Verschnitt war, was das aus Mark machen würde. /Meister Eder?! Und warum eigentlich nochmal "Meister"?!/

Augenblicklich drehte sich ihm der Magen um und ihm war nicht nur aufgrund des Anblicks der kürbisfarbenen Haare seines Freundes schlecht. Er würde wohl nie wieder an diese ehemals unschuldigen Figuren aus seiner Kindheit zurückdenken können, ohne an eine BDSM-Beziehung der ganz besonderen Art denken zu müssen. Unschöne und viel zu eindeutige Bilder schwirrten in seinem Kopf umher. Es gab einfach Leute, die *wollte* er sich nicht nackt und schon gar nicht beim Sex vorstellen. – Eigentlich die meisten Menschen ... und Trickfilmfiguren.

Es war schon ein absoluter Fluch, wenn man, wie er, einfach *alles* gleich bildlich vor Augen hatte.

Nur mit größter mentaler Anstrengung gelang es ihm schließlich die verstörenden Gedanken zu verdrängen, wenn auch nicht ganz abzuschalten. [1]

Innerlich schwor Mark sich seinen durchgeknallten Friseurfreund ganz sicher nicht mehr alleine oder sich langweilen zu lassen. Den konnte man ja anscheinend keine fünf Minuten aus den Augen lassen, ohne dass er irgendwelchen Mumpitz anstellte! Wie ein kleines Kind oder ein noch nicht stubenreiner Welpe ...
 

"Oh Mann, wär ich bloß nicht zum Wettkampf gegangen!" Unter der scheußlichen Haarfarbe würde er schließlich noch eine ganze Weile lang zu leiden haben. Was war dagegen schon ein Anschiss von seinem Trainer?!

Richard lachte auf. "Ich dachte, dir hätte das Pink nicht gefallen?!"

"Aber *die* Farbe ist ja noch viel, viel schlimmer!" Tatsächlich war das Orange-Rot sehr viel greller und auffälliger als es jeglicher Pinkton jemals sein konnte. Resigniert und niedergeschlagen sank Mark auf einem Küchenstuhl zusammen und barg sein Gesicht in den Händen. Nein, er war nicht melodramatisch; er versuchte lediglich seine Augen vor weiterer Blendung zu schützen. Die nächsten Wochen würde er wohl eine Sonnenbrille mitbringen müssen ...
 

~*~
 

Weil in der darauffolgenden Woche die ersten Abi-Arbeiten geschrieben wurden, hatte Mark keinen Unterricht mehr und verbrachte die Tage mit Lernen – und Karate – und die Nächte bei Richard. Jeden Vormittag schlich er sich daheim zurück auf sein Zimmer.

Montags begab er sich direkt nach dem abendlichen Karatetraining zum Frisiersalon. Es war gutes Timing, wie er fand, denn es war kurz nach acht – kurz nach Ladenschluss – und so musste er nicht wieder Gabis penetrantem, wissenden Blick standhalten. Diese Frau war ihm irgendwie unheimlich, fast noch unheimlicher als Bine.

/Kein Wunder! Wenn man nur von so gruseligen Weibern umgeben ist, MUSS man ja zwangsläufig schwul werden!/

Als er zielstrebig auf die Glastür des Salons zulief, rannte er beinahe in einen anderen Mann herein. Dieser stand, in enge, schwarze Ledermotorradkluft gekleidet, rauchend an die Wand gelehnt und hatte seine langen Beine weit von sich gestreckt, gerade so, als lege er es darauf an als Stolperfalle zu agieren und nichtsahnende Mitmenschen zu Fall zu bringen.

Auch sein Motorrad hatte er taktisch klug mitten im Weg geparkt, so dass man nicht richtig in den Frisiersalon rein- oder rauskam.

"'Tschuldigung", nuschelte Mark trotzdem automatisch, als er gegen ihn stieß und dabei selbst ins Straucheln geriet.

"Vorsicht, Süßer!", grinste der Fremde und zwinkerte ihm verführerisch zu, während er mit einem Griff zu Marks Oberarm verhinderte, dass dieser der Länge nach hinfiel.

Mark blinzelte überrascht und sah hoch in die dunklen Augen und das leicht mokierende Grinsen des anderen Mannes.

"Hast du es so eilig zu deinem Lover zu kommen, mein Hübscher?!"

Spätestens jetzt glotzte Mark wirklich. Woher zum Henker wusste dieser ihm völlig fremde Spinner, dass er einen Freund und keine Freundin hatte, hä?! Konnte man es ihm jetzt etwa schon vom Gesicht ablesen, oder was?! Vermutlich stand es ihm auf die Stirn tätowiert und er hatte es nur noch nicht bemerkt, weil er so selten in den Spiegel schaute. /Mein Name ist Huber. Bert Huber. Schwulibert Geilhuber. Wenn du ebenfalls vom anderen Ufer bist, dann tu dir bitte keinen Zwang an und quatsch mich einfach blöd von der Seite an!/

Irgendwas in der Art musste es sein, anders konnte er es sich beim besten Willen nicht erklären. Es war nämlich nicht grade so, als würde er übermäßig auf sein Äußeres achten oder sich tuckig kleiden. Vielleicht verbreitete er jetzt neuerdings irgendwelche schwulen Schwingungen, die andere Schwule auffangen oder aufspüren konnten?! Ein beängstigender Gedanke ...
 

Der fremde Motorradfahrer schien jedenfalls keiner von Richards Angestellten zu sein – zumindest hatte ihn Mark bisher noch nie im "Beautiful Hair" gesehen und die Farbe seines langen Zopfes wies keinerlei Spuren phosphoreszierender, augenkrebsverursachender Neontöne auf und schien in ihrem schlichten Dunkelbraun natürlichen Ursprungs zu sein.

Mark musterte ihn kritisch. Nein, dieser Typ sah absolut nicht nach Friseur aus – wenn er auch unter Garantie schwul war. Denn ein Hetero riss solche anzüglichen Sprüche nicht gegenüber einem anderen, zudem fremden Mann und starrte ihm auch nicht so aufdringlich eindringlich in die Augen ... und auf andere Körperstellen.

Echt jetzt, was gaffte der Typ so blöde?

/Bin ich vielleicht ein Ausstellungsstück bei "Körperwelten"?!/
 

In diesem Moment realisierte Mark wieder in welcher Lage er sich befand, denn der penetrante Kerl hielt noch immer sein Handgelenk fest. Mark errötete und riss an seinem Arm, im vergeblichen Versuch sich zu befreien.

"Laber keinen Scheiß!", zischte er wütend. "Und nimm gefälligst endlich deine Wichsgriffel von mir!"
 

Der Motorradfahrer schmunzelte selbstgefällig. Na sowas, da hatte er sich wohl einen kleinen Möchtegern-Hetero geangelt! Das fand man auch nicht mehr alle Tage. Und dabei steigerte es bei der Jagd doch so entschieden den Spaß!

"Ganz ruhig, Schnucki! Ich tu' dir schon nix an. – Es sei denn, du bittest mich drum." In einem anzüglichen, breiten Grinsen entblößte er seine perlweißen Zähne, ließ Mark aber schließlich los. Dann hob der Kerl beschwichtigend die Hände, als könne er kein Wässerchen trüben. Mit einer übertrieben lasziven Bewegung, frisch einem schlechten Porno entsprungen, fuhr er sich durch die langen, glänzenden Strähnen, die seinem Haarband entwichen waren.

Mark schenkte ihm ob dieser lächerlichen Darbietung einen abschließenden tödlichen Blick und betrat, ohne ihn noch weiter zu beachten, den Salon.
 

Bis auf den milchgesichtigen Azubi, /Dominik/, erinnert sich Mark, der gerade emsig damit beschäftigt war Haare am Boden zusammenzukehren, war niemand mehr da – nicht einmal Richard.

Mark haderte noch mit sich, ob er den Milchbubie nach dem Aufenthaltsort seines Freundes verhören oder ihn einfach selbst suchen gehen sollte, als Richard ihm die Entscheidung abnahm, indem er genau in diesem Moment aus der Teeküche trat und ihn anstrahlte. "Du bist spät", meinte er ein wenig vorwurfsvoll und schloss Mark dann ungeachtet Dominiks Anwesenheit in die Arme, um sein Gesicht gleich darauf mit vielen kleinen Küssen zu traktieren.

"Nette Begrüßung", brummelte Mark und versuchte sich von Richard loszumachen.

Gefühlsduseleien vor den Augen anderer – selbst wenn es nur Dominik war, der eh schon über sie Bescheid wusste – waren Mark überaus unangenehm, weil peinlich, schienen Richard aber nicht das Geringste auszumachen.

Mark beruhigte es ein wenig, dass zumindest Dominik die ganze Situation mindestens ebenso unbehaglich wie ihm selbst zu sein schien, denn dieser räusperte sich verlegen und murmelte dann etwas von wegen, dass er fertig sei und *dringend* nach Hause müsse.

"Ist gut!", rief ihm Richard hinterher, als sein Azubi schon die Tür nach draußen geöffnet hatte – bereit zur Flucht. "Bis morgen dann!"
 

Kaum war die Tür hinter Dominik ins Schloss gefallen, grinste Richard lüstern und leckte sich hungrig über die Lippen. Dann stürzte er sich wieder wie ein Besessener auf Mark.

Der hing noch immer in dessen Armen und war dem Ansturm an wilden Küssen hilflos ausgeliefert. Mark versuchte seine Angst vor einem frühzeitigen Erstickungstod zu unterdrücken. Er hatte noch viel zu viel vor – im Leben allgemein und mit seinem unersättlichen Geliebten im Speziellen –, um jetzt schon den Löffel abzugeben.
 

Die Beiden fuhren trotzdem erst auseinander, als von draußen ein wütender Schrei ertönte.

"Verschwinde und lass mich endlich in Ruhe!"

Unverkennbar war dies die Stimme von Dominik. Mark fragte sich, wer oder was den Milchbubie wohl so sehr aufgeregt hatte, dass er dermaßen laut und schrill geworden war. So kräftige Stimmbänder hätte er dem Bürschchen ja gar nicht zugetraut, so verschüchtert und kleinlaut, wie der zwei Tage zuvor aus der Küche gestürzt war, als er Mark und Richard beim Rummachen erwischt hatte.

"Aber Schnuckel, du weißt doch, dass ich dich immer noch liebe. Wie soll ich dich da so einfach vergessen können?!"

Mark blinzelte. Das war doch dieser Motorradfritze mit dem Zöpfchen von gerade eben! Und der war wohl ... der Ex-Stecher vom Milchgesichtchen?!

Mark grinste. Na, das passte ja jetzt wieder!

Trotzdem war die Konzentration an Schwulen in dieser Gegend schon irgendwie bedenklich.

/Es muss irgendwas im Wasser sein .../

So gesehen, bestand die Gefahr, dass sich Rheinhessen irgendwann in absehbarer Zeit in karges, unbewohntes Ödland verwandeln würde. Gäbe es da nicht seine nymphomanisch veranlagte Schwester, mit der edlen Aufgabe betraut dies zu verhindern.

Mark musste den plötzlich aufkommenden Brechreiz unterdrücken. Angesichts *dieser* apokalyptischen Bedrohung wäre ihm das Aussterben der rheinhessischen Ureinwohner dann doch wieder lieber ...
 

"Der schon wieder!", stöhnte Richard indessen und griff sich theatralisch seufzend an die Stirn, womit er Mark aus seinen düsteren Zukunftsvisionen für Deutschlands größte Weinbauregion riss.

/Schon wieder??/ Mark fühlte sich in eine dieser schauerlichen Telenovelas versetzt.

Richard, der seinen fragenden Blick wohl richtig deutete, nickte ernst. "Ja. Er kommt jeden Abend hier vorbei, um Dominik von der Arbeit abzuholen. Gerrit heißt er, glaub' ich, Dachdecker von Beruf."

/Dachdecker? Der Kerl ist *Dachdecker*?!/ Mark sah seinen Freund seltsam an. /Was ist dieser Schuppen hier eigentlich? Der geheime Stützpunkt der Innung schwuler Handwerker?/

Richard schien seine Verstörtheit jedenfalls nicht zu bemerken, denn er fuhr ungehindert fort. "Dominik war ewig lang mit dem Typ, zusammen – jedenfalls schon bevor er letzten Sommer bei mir die Lehre angefangen hat. Und vor etwa einem Monat hat Dominik anscheinend aus heiterem Himmel mit ihm Schluss gemacht. Seitdem hängt der hier *ständig* rum. Fast jeden Abend das gleiche Theater."

Richard lächelte mitfühlend. "Irgendwie tut er mir ja leid. Er versucht echt alles, um Dominik zurückzubekommen – demletzt [2] ist er hier sogar mit 'nem gigantischen Strauß weißer Rosen aufgetaucht." Schwärmerisch verträumt schloss Richard die Augen, drückte Mark noch fester an sich und legte sein Kinn auf dessen Haarschopf. "Ist das nicht romantisch?! Ich liebe weiße Rosen! Sie stehen für Unschuld und Reinheit. Als Geschenk symbolisieren sie platonische Bewunderung, unstillbare Sehnsucht und unerschütterliche Treue."
 

/Soso, Unschuld, Reinheit und Treue/, dachte sich Mark. Sein Freund, die wandelnde Enzyklopädie für Blumensprache und anderen nutzlosen Schmalzkram, redete ganz bestimmt von einem anderen Gerrit.

Abgesehen davon konnte Mark nicht nachvollziehen, was an diesem Gemüse mit dem penetranten Geruch und den furchtbaren Dornen so toll sein sollte, wagte es jedoch nicht Richards Erzählung und beinahe andächtige Stimmung zu zerstören. Manchmal hatte der einfach komische Anwandlungen ... Wobei gerade das ihn – unter anderem – so süß machte. Mark schmunzelte bei dem Gedanken. Er selbst konnte es ja überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihn "süß" nannte. Aber zu Richard passte die Bezeichnung irgendwie – ohne dass sie in irgendeiner Form beleidigend geklungen hätte. Und das, obwohl man einen Kerl von Mitte zwanzig mit großer, athletischer Statur in der Regel nicht mit solch einem Begriff in Verbindung brachte.

Möglicherweise sollte er sich eher mal Gedanken darüber machen, dass er zum wiederholten Male innerhalb weniger Tage in Begriffen über Richard dachte, die sonst nur für Tierbabys reserviert waren ...
 

"Außerdem ... versteh ich nicht, warum Dominik mit ihm Schluss gemacht hat", fuhr Richard fort, nichts von Marks abschweifenden Gedankengängen ahnend. "Wo Gerrit ihn doch ganz offensichtlich so sehr liebt und so viel Zeit darauf verwendet ihm nahe sein zu können."

"Vielleicht sollte er einfach anderen Leuten ein bisschen weniger 'nah' sein", murmelte Mark mehr zu sich selbst hinter zusammengebissenen Zähnen.

"Was?!" Richard schaute Mark mit aufgerissenen Augen an, sein Gesicht ein einziges Fragezeichen. Sofort errötete dieser. Richard musste nun wirklich nichts von Gerrits plumpem Annäherungsversuch wissen. Die Sache war ihm auch so schon peinlich genug, ohne dass Richard ihn noch dafür auslachte.

Was war nur so gründlich bei ihm schiefgegangen, dass er plötzlich so eine unheimliche Anziehungskraft auf alles Schwule dieser Welt ausübte?

"Ach, nichts", bemühte er sich deshalb so schnell und unverkrampft wie möglich hinterherzuschieben.

Richard beäugte ihn noch eine Weile kritisch, sagte aber nichts mehr.

"Komm", meinte Mark schließlich, vom Thema ablenkend. "Ich hab Kohldampf, lass uns zu Nacht essen."
 

– Ende Kapitel 4 –
 

Fußnoten:
 

[1] Na, hasst ihr mich schon?! ;-) Wie gesagt: Das Warning "verstörende mentale Bilder, die euch Kindheitserinnerungen auf ewig zerstören werden" war durchaus ernst gemeint. Und wem das noch nicht hart genug war, der google bitte mal nach der Kurzgeschichte "Grauen in Herzchenpapier" von Katja und Mareen. Zu finden unter anderem bei "Archive of Our Own".
 

[2] demletzt: umgangssprachlich für "letztens"
 

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Erstveröffentlichung: 07.07.2016 (auf boyxboy.de)



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