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connectedness

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Erstes Training

Der Wecker klingelte unbarmherzig und riss mich aus meinem, recht kurzen Schlaf. Albträume hatte ich den Rest der Nacht nicht mehr, aber die Hitze ließ mich in meinem Bett hin und her wälzen. Ich musste mir sogar mein Shirt zwischendurch ausziehen und da ich nachts keine BHs trug, war ich fast nackt. Ich schaute rüber zu Kais Bett und zu meinem Glück, war dieses bereits leer. Als ich dann die Dusche hörte, war klar, dass er schon etwas früher aufgestanden sein musste. So schlug ich die Decke beiseite, setzte mich auf und zog mir schnell mein verschwitztes Shirt wieder an. Nur in meinem Schlafshirt und Unterhose fing ich an, mir schonmal meine Klamotten für den Tag zusammen zu kramen, damit ich nach Kai auch erstmal unter die Dusche springen konnte. Da kam mir der Gedanke, dass ich ja mal prüfen könnte, ob das Badezimmer denn überhaupt abgeschlossen sei und musste unweigerlich kichern. >Hmm.. Kai unter der Dusche ist schon eine nette Vorstellung. Ob ich ihn da überraschen sollte?< Dann schüttelte ich den Kopf und murmelte die Gedanken zu Ende: „..lieber nicht! Der würde ausrasten..“
 

„Wer würde ausrasten?“ riss mich Kai aus meinen Gedanken, denn ich bekam gar nicht mit, wann die Dusche aufgehört hatte zu laufen. Er stand im Türrahmen des Badezimmers und trug nur eine Shorts, was mir die Röte ins Gesicht trieb und meinen Mund offenstehen ließ.
 

>WOW! Was für ein Körper!< Ich konnte mich gar nicht satt sehen an diesem durchtrainierten Astralkörper und musste gestehen, dass ich ihn definitiv nicht von der Bettkante schubsen würde. „Gefällt dir, was du siehst?“ fragte er mich in einem gelangweilten Ton, lächelte aber leicht. Ich wusste ganz genau, dass die Frage nicht ernst gemeint und nur eine Anspielung auf meine Frage vom Vortag war. Dennoch schüttelte ich kurz meinen Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können und entschloss mich kurzer Hand, ihm einfach mal ein wenig auf der Nase herum zu tanzen. Ich wollte einfach zu gerne wissen, wie er auf Anmachen von Mädchen reagiert und antwortete: „Jap, ich finde dich äußerst Sexy!“ Ich zwinkerte im zu und konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Das brachte ihn wohl etwas aus dem Konzept, denn er starrte mich ungläubig an und eine leichte Röte bildete sich auf seiner Nase.
 

„Se.. sexy?“ fragte er völlig verwirrt. Irgendwie fand ich das süß!
 

„Ja, Sexy!“ Bestätigte ich und er wandte seinen Blick schnell wieder von mir ab.
 

„Tse!“ war alles, was ich noch von ihm hörte, eher er sich seinen Klamotten widmete. Ich ging grinsend an ihm vorbei ins Badezimmer und gönnte mir erstmal noch eine entspannte heiße Dusche, denn die hatte ich bitter nötig, nach der letzten verschwitzten Nacht.
 

Fertig angezogen, ging ich nach unten in die Küche, wo Hilary, Kyoko, Kenny und Kai bereits am Tisch saßen. „Guten Morgen, Maron.“ begrüßten mich Kyoko mit einem fetten Grinsen im Gesicht. „Guten Morgen. Wieso grinst du so?“ fragte ich irritiert und ich wünschte, ich hätte nicht gefragt.
 

„Naaaa… Wie war eure erste gemeinsame Nacht?“ fragte sie unmittelbar, weswegen sich Kai und Kenny grade an ihrem Kaffee verschluckten. Kenny prustete die Hälfte über den Tisch und Kai schaute sie geschockt an, während Hilary und Kyoko lauthals anfingen zu lachen und ich mit einstimmte, weil ich einfach nicht anders konnte. Dass ich mich die Nacht wegen meines Albtraumes, panisch an ihn festgekrallt hatte, verdrängte ich in diesem Moment.
 

Er knurrte und schaute die beiden Mädels mit einem wirklich tödlichen Blick an. Seine Schlagader am Hals pulsierte gefährlich und er stand mit einem Ruck von seinem Stuhl auf und stützte seine Hände, laut knallend auf die Tischplatte. „Haltet die Klappe! Habt ihr nichts Besseres zu tun?“ Unser Lachen verstarb und wir starrten Kai mit großen Augen an. „Getroffene Hunde bellen, Kai!“ gab Hilary nun großmäulig von sich und Kai sah aus, als würde er gleich explodieren. Das war vermutlich etwas zu viel des Guten. Kai nahm sich seine Tasse Kaffee und stapfte wütend aus der Küche in Richtung Veranda.

Dann mischte sich Kenny ein: „Will noch irgendwer Kaffee?“ er versuchte schnell das Thema zu wechseln, schenkte mir und Kyoko noch schnell einen Kaffee ein, doch die Mädels und ich konnten uns ein Kichern nicht verkneifen, beschlossen aber erstmal, das Frühstück zu genießen.
 

Nach dem Frühstück machte ich mich auch auf den Weg auf die Veranda, wo Kai auf dem Boden saß, an der Wand angelehnt, ein Bein angewinkelt und einen Arm darüber gelegt. Er würdigte mich keines Blickes.

„Tut mir leid, Kai.“ entschuldigte ich mich ehrlich. Irgendwie hatte ich direkt nach dem Lachanfall ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber bekommen. Außerdem soll er mich noch trainieren und ich sollte es mir nicht schon direkt am ersten Tag mit ihm verscherzen. Wenn es nicht sogar schon zu spät war…
 

„Bereit für‘s Training?“ fragte er nur kühl, erhob sich und schaute mich von oben herab an.
 

„Klar! Ich freue mich auf das Training mit dir.“ Ich lächelte ihn wieder zuckersüß an.
 

„Hm!“ Er drehte sich von mir weg und ging an mir vorbei und lief zu einer der drei Beyarenen. Ich tat es ihm gleich und lief ebenfalls zu dem Tableau auf dem die Arena stand.
 

„Starte deinen Blade!“ gab er im scharfen Ton von sich und ich war überrascht, dass er selbst nur mit verschränkten Armen da stand und nicht mal den Anschein machte, seinen Starter, geschweige denn seinen Blade raus zu holen. Er schaute mich erwartungsvoll an.
 

„Aber Kai, willst du denn gar nicht..“
 

„Mach schon!“ unterbrach er mich und klang genervt.
 

„Okay, Sensei!“ sagte ich sarkastisch, legte den Blade in den Starter und wartete, dass Kai anzählte. Er schaute mich durchdringend an und sah sehr nachdenklich aus. Ich entschloss, selbst anzuzählen: „Drei.. Zwei.. Eins.. Let ist Rip!“ Mit einem leichten Ruck, beförderte ich den weißen Blade in die Arena und war erstaunt, welch eine Geschwindigkeit mein Blade hatte. Kai starrte auf den Blade und schwieg.
 

„Und was jetzt?“ fragte ich und war verunsichert. Was war wohl sein Plan?
 

„Ruf ihn zurück!“ befahl er harsch.
 

Ich hatte keine Ahnung, wie man das machte. Ich habe es zwar in der Serie immer gesehen, aber in meiner Welt ging so etwas nicht. Aber ein Versuch war es wert. Schließlich wohnte in dem Kreisel ein mächtiges BitBeast inne, dass hoffentlich auf meine Befehle hörte. Also hob ich erstmal schweigend meine Hand, in der Hoffnung, dass WhiteDranzer einfach aus der Arena heraus, in diese springen würde, was aber leider nicht geschah.
 

„Komm zurück, WhiteDranzer!“ befahl ich und siehe da, der Kreisel sprang hoch und bewegte sich mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit auf mich zu. >Oh nein! Das kommt mir bekannt vor..!“ Ich kniff meine Augen zusammen und musste mit Erstaunen feststellen, dass der Kreisel direkt in meiner Hand gelandet war, die ich noch immer offen vor mich hielt.

„Du bist noch nicht soweit um gegen mich zu kämpfen…“ begann Kai, seufzte und griff sich genervt an seinen Kopf: „Du musst erstmal an deiner Haltung arbeiten und die Grundlagen erlernen. Mr. Dickinson sagte zwar, du wärst eine gute Bladerin, aber das was du hier veranstaltest, kann jedes kleine Kind besser als du!“

Das waren harte Worte. Aber ich wusste, dass er recht hatte. Schließlich war ich ja eigentlich nicht Maron, die gute Bladerin. Ich war ein ganz normales Mädchen, dass nicht mal aus dieser Welt stammte und dann gleich mit einem BitBeast loslegen sollte.
 

„Es tut mir leid. Aber es gibt da etwas, was ich dir erzählen muss…“
 

Er erwiderte nichts und schaute mich wieder erwartungsvoll an. Achja, er war nicht sonderlich redselig und erwartete vermutlich, dass ich direkt drauf los plappern würde.

„Nicht hier. Können wir irgendwo ungestört, außerhalb vom Hüttengelände sprechen?“
 

Kai hob fragend eine Augenbraue, ehe er vom Tableau runter auf die Wiese schritt. „Meinetwegen. Aber wir nutzen die Strecke als Lauftraining zum See.“
 

„Okay, danke dir!“
 

Wir machten uns beide auf den Weg und rannten zum See. Kai war wirklich schnell, ich konnte kaum mit ihm mithalten. Am See angekommen, wartete er schon auf mich und ich war ziemlich aus der Puste. Ich ließ mich erstmal vor Kai auf dem Boden in den Sand sinken und streckte meine Beine von mir. Er tat es mir gleich und setzte sich zu meiner Überraschung, neben mich und trank einen Schluck Wasser aus seiner Sportflasche.
 

„Hör zu Kai…“ begann ich, als ich wieder normal durchatmen konnte: „Das was ich dir erzähle, wirst du mir vielleicht nicht glauben, aber es entspricht der Wahrheit.“
 

Er schaute auf den See und sagte nichts. Also redete ich weiter:

„Ich komme eigentlich nicht aus dieser Welt. Ich bin in dieser Welt im Körper von Maron aufgewacht, als ich im Krankenhaus lag. Ich selbst kann eigentlich gar nicht bladen. Ich weiß, dass das total verrückt klingt und du mir vermutlich nicht glaubst, aber das ist leider die Wahrheit oder zumindest… ...das, was ich glaube, die Wahrheit zu sein.“
 

Kai sah weiterhin auf den See und ich konnte nicht wirklich deuten, ob er mir glaubte. Aber was würde er jetzt mit dieser Information anstellen?
 

„Was ist das für eine andere Welt?“ fragte er mich und ich war überrascht, denn mit der Frage hatte ich nun beim besten Willen nicht gerechnet.
 

„Also.. ähm..“ Ich wollte auf keinen Fall erzählen, dass er in meiner Welt eigentlich nur eine gezeichnete Figur und nicht mal real ist. „Also meine Welt, ist eigentlich die Gleiche wir eure, aber es gibt da keine Beyblades und keine BBA und sowas.“ log ich.
 

„Hm. Verstehe.“
 

Was? Er verstand? Das glaubte ich ihm zwar nicht, war aber froh, dass er mich nicht als komplett verrückt abstempelte. Oder war das Gegenteil der Fall und er dachte, dass ich doch komplett durchgeknallt wäre und schmiedete grade insgeheim den Plan, mich in eine Klapse einweisen zu lassen? Ich seufzte.

„Bitte erzähl den anderen nichts davon. Schließlich hat mich Mr. Dickinson nur in euer Team geholt, weil er denkt, dass ich gut bladen kann, was diese Maron vermutlich auch kann, aber ich eben nicht. Ich verspreche dir, dass ich ganz fleißig trainieren werde. Ich tu‘ alles, was du willst, aber bitte schick mich jetzt nicht heim oder weise mich in eine Klapse ein.“ flehte ich ihn an und sah ihn mit meinem größten Hundeblick an, der mir zur Verfügung stand.
 

Er sah mit abschätzig an: „Alles, sagst du?“
 

Ich nickte eifrig und bestätigte: „Alles! Bitte, Kai!“
 

„Na gut. Unter einer Bedingung.“
 

„Welche?“
 

„Wenn die drei Monate vorbei sind, musst du mich vor dem Turnier in einem Match schlagen, um zu beweisen, dass du WhiteDranzer und unserem Team würdig bist. Sonst war’s das, klar?“
 

„Super! Danke dir, du bist der aller Beste!“ jubelte ich und umarmte ihn überschwänglich.

Er hatte damit nicht gerechnet, denn sein ganzer Körper versteifte sich und nach einem kurzen Moment, schob er mich langsam von sich.
 

„Oh, entschuldige! Ich bin nur so glücklich, dass du mir glaubst und ich bei euch bleiben darf!“
 

Er erhob sich elegant aus dem Sand auf seine Beine und ich sah zu ihm hinauf. Wie ich es mir immer gedacht habe, ist er im inneren ein wirklich guter Kerl. Ich hätte aber schon fast damit gerechnet, dass er ablehnt und mich an Mr. Dickinson verraten würde. Es war schwer ihn einzuschätzen, aber es war umso schöner für mich, dass das Gespräch positiv verlief. Aber wieso hatte er nicht weiter nachgefragt? Ich wusste ja, dass er nicht sehr gesprächig war und man ihm alles aus der Nase ziehen musste, aber er hatte sich einfach mit dem, was ich ihm erzählt habe, zufrieden gegeben. Ob da mehr dahinter steckte? Oder es war ihm einfach egal…
 

„Maron!“ rief er und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ich erwachte aus meiner Trance und sah, dass er schon einige Meter weit weg war, während ich noch immer im Sand saß.

Ich stand auf und klopfte den Sand von mir ab: „Ja, ich komme!“

Wir rannten wieder zurück zur Hütte und da es schon mittags war, entschlossen wir, erstmal etwas zu essen, bevor es dann an das Grundlagentraining für mich ging. Die anderen waren auch alle inzwischen im Garten eingetrudelt und aus der Hütte kam uns ein leckerer Duft entgegen. Ich begrüßte kurz alle und ging dann zur Küche, um zu schauen, woher dieser Duft kam. Dort traf ich auf Tyson, der am Tisch saß, während er mit dem Besteck ungeduldig auf den Tisch klopfte und Ray, der am Herd stand. Er lächelte mich an: „Hi Maron! Schön, dass ihr zum Essen hier seid. Ich habe uns was leckeres zubereitet!“
 

„Hallo Ray, das riecht wirklich gut! Was hast du denn leckeres gemacht?“ fragte ich neugierig und blieb vor dem Esstisch stehen.
 

„Es gibt Dim Sum mit verschiedenen Füllungen. Lasst euch überraschen.“
 

„Egal, was Ray kocht! Es schmeckt immer klasse!“ grinste Tyson: „Wie war das Training mit Kai?“ Er lächelte verschmitzt und seine Augen wurden zu engen Schlitzen.
 

„Wir sind erstmal nur ein paar Runden um den See gelaufen. Ich bin auch ziemlich fertig, Kai ist wirklich schnell.“
 

Ray unterbrach uns: „Maron, sagst du bitte den anderen Bescheid, dass das Essen fertig ist?“
 

Ich nickte und ging in den Garten und trommelte alle zusammen. Es dauerte keine fünf Minuten, da saßen alle am reich gedeckten Tisch.

Nach dem Mittagessen waren wir alle wieder im Garten. Kyoko kam zu mir: „Hey. Wo wart ihr heute Vormittag? Ihr wart nach dem Frühstück recht schnell verschwunden.“
 

„Wir sind nur um den See gelaufen.“
 

„Wie romantisch!“ ihre Augen funkelten.
 

„Nix da romantisch! Wir sind gerannt und ich konnte kaum Schritt halten mit Kai. Der ist sportlich einfach im Vorteil gegenüber mir. “ schnaubte ich: „Und jetzt hör auf, alles mit Romantik zu verbinden. Wir sind schließlich zum Trainieren hier!“

>Obwohl die Aussicht am See schon irgendwie romantisch war. Nur er und ich…< dachte ich mir, aber ich würde ihr auch vorerst nicht erzählen, was ich mit Kai dort besprochen hatte. Es war einfach besser, wenn nicht zu viele bescheid wüssten, nachher würden sie mich doch noch als durchgeknallt bezeichnen und einweisen wollen.
 

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich nach hinten um. Es war Kai und er sah mich kühl an: „Wir sind nicht zum Plaudern hier, sondern zum Trainieren. Wir gehen jetzt in den Wald, wo wir unter uns sein werden.“ Er ließ meine Schulter wieder los.
 

Kyoko verstand natürlich wieder alles zweideutig: „Ohoo.. du willst mit Maron alleine sein ja? Nur du und sie, ganz romantisch im Wald…“ Dann verzog sie ihr Gesicht und spinnte weiter: „Oder willst du sie dort umbringen und irgendwo unter einem Baum verscharren?“ Sie lachte.
 

„Du hast wirklich eine blühende Fantasie.“ entgegnete ich genervt.
 

„Hm. Das Letztere..“ antwortete er daraufhin knapp und Kyoko und mir blieb der Mund offen stehen. Mit solch einem Sarkasmus hätte ich dann doch nicht gerechnet. Sein Blick wirkte allerdings sehr kalt und ich machte mir fast schon Sorgen, dass er das ernst meinen könnte. Er drehte sich wieder um und war dabei, das Gelände zu verlassen. Es war klar, dass er mir die Grundlagen beibringen musste, ohne, dass es alle mitbekamen. Da war also der Wald beziehungsweise ein Training außerhalb des Geländes am sinnvollsten, wenn er mich nicht tatsächlich killen und verscharren wollte.
 

„Ich muss los, Kyoko. Wir sehen uns sicher heute Abend. Bis später!“ verabschiedete ich mich, winkte ihr zu und lief schnell Kai hinterher, der nicht auf mich wartete und seinen Weg fortführte. Sie stand da und sah noch immer etwas verdutzt aus, doch nach einem kurzen Moment lächelte sie und winkte mir zurück.

Im Wald kamen wir an eine kleine Lichtung, die hell war und viel Platz zum Austoben bot. Er blieb stehen: „Stell dich in zehn Meter Abstand vor den Baum dort!“ befahl er mir und zeigte auf einen großen, stämmigen Baum der genau gegenüber von ihm, einige hundert Meter weiter entfernt stand. Ohne weitere Fragen zu stellen, tat ich, was er sagte und stellte mich vor den Baum.
 

Kai stellte sich neben mich: „Wir beginnen mit deiner Starttechnik.“ Daraufhin zog er seinen Starter heraus, setzte seine Reißleine und dann seinen Blade ein und startete diesen gekonnt und elegant direkt auf den Baum. Dranzer flog mit einer rasanten Geschwindigkeit auf den Baum zu und fuhr diesen entlang vom Boden hinauf zur Baumspitze, hob dann über den Baum ab und flog wieder rasant den Baum hinab und über den Boden zurück zu Kai, in dessen geöffnete Handfläche er dann sprang und dort zum Stillstand kam.

Ich staunte. Es sah so einfach aus, aber ich war mir sicher, dass das eine enorme Kontrolle über den Blade voraussetzte. Kai sah mich erwartungsvoll an.
 

„Okay, ich versuche es!“ Ich nahm meinen Starter, setzte meinen Blade und die Reißleine ein und startete meinen Blade, der sich ebenfalls schnell, aber langsamer als Kais Dranzer, auf den Baum zubewegte, am Stamm hinauffuhr und nach der Hälfte wieder herunterfuhr und zu mir zurückkam, mir aber nicht in meine Hand zurück sprang.
 

„Deine Körperspannung ist miserabel!“
 

Ich probierte es nochmal und spannte meine Muskeln mehr an und konzentrierte mich, der Blade fuhr diesmal weiter den Stamm hoch, doch ansonsten passierte das Gleiche, wie vorher. Ich probierte es wieder und wieder, doch ich bekam einfach nicht genug Spin für meinen Blade und erreichte die Krone des Baumes nicht. Kai seufzte genervt auf und griff sich mit einer Hand an seinen Kopf. Dann hob er seinen Starter hoch und hielt ihn mir vor die Nase. Ich hob fragend eine Augenbraue: „Soll ich etwa deinen Starter nehmen?“ Er sah mich nur durchdringend an und hielt ihn mir weiter hin, also nahm ich ihn und steckte meinen Blade ein.
 

Ich fokussierte mein Ziel und konzentrierte mich. Dann zog ich mit aller Kraft an der Reißleine und siehe da, WhiteDranzer schoss den Baum entlang, bis zur Krone, hob ab und kam wieder runter und zurück zu mir. Er sprang sogar in meine Hand zurück. Ich jubelte und sprang in die Luft vor Glück: „Juhuuu! Hast du das gesehen? Dein Starter ist der Wahnsinn!“
 

„Meine Reißleine ist länger und der Starter verfügt über eine äußerst präzise Zielweise.“ sagte er gelangweilt, aber ich hätte schwören können, dass er gelächelt hat, als mein Blade zurückkam.
 

„Ich werde Kenny sagen, dass er dir auch einen Präzisionsstarter geben soll. Du wirst also vorerst mit meinem Starter üben.“
 

„Danke, danke, danke! Ich könnte dich echt abknutschen dafür!“ und musste breit grinsen. Er war wirklich ein toller Trainer. Kai schaute mich verwirrt an und ich merkte, was ich gesagt hatte und er hatte wohl nicht verstanden, wie ich das gemeint hatte. Er räusperte sich.
 

„Freu‘ dich nicht zu früh. Das ist erst der Anfang.“
 

So trainierten wir noch den restlichen Tag immer wieder den gleichen Move, bis ich ihn einwandfrei beherrschte, bis es schließlich dämmerte und wir erste Regentropfen abbekamen.
 

„Kai, lass uns gehen, es fängt zu regnen an. Außerdem ist es schon spät und ich habe Hunger und bin müde. Meine Arme tun auch schon weh, ich habe morgen bestimmt fiesen Muskelkater.“
 

„Meinetwegen.“ Entgegnete er und stapfte los, Richtung Hütte.
 

Ich lief ihm nach, da es aber mittlerweile schon relativ dunkel war, sah ich nicht wirklich viel und stolperte unglücklich über eine dicke Wurzel und knickte mit meinem Fuß weg. „AUTSCH!“ rief ich schmerzerfüllt auf und sackte zu Boden. Ich wollte direkt wieder aufstehen, aber knickte sofort wieder um. „Argh, verdammt!“ Ich hielt meinen Knöchel und merkte, dass ich mir meine Knie beim Sturz aufgeschrammt haben musste.

Kai, der das Dilemma mitbekommen hatte, kehrte um und kam zu mir zurück. Ich sah zu ihm hoch: „Ich kann nicht laufen, das tut wirklich weh. Kannst du mir bitte helfen und mich stützen?“ Er sagte nichts, bückte sich zu mir herab und hob mich auf seine Arme. „Huch…“ entwich es mir vor Verwunderung. Er sah mich kurz an: „Halt dich an mir fest.“ sagte er in einem ruhigen Ton und ich legte daraufhin meine Arme um seinen Hals. So trug er mich den ganzen Weg zur Hütte. Mein Herz klopfte wie wild und ein angenehmer Duft stieg mir in meine Nase. Er roch wirklich gut, nicht nach einem Parfüm, ich konnte nicht beschreiben was es war, aber es war sehr angenehm. Vermutlich das Waschmittel seiner Klamotten oder einfach nur sein Eigengeruch…

„Danke!“ flüsterte ich ihm zu, doch bekam keine Antwort, was ja nichts Neues für mich war. So lehnte ich auch meinen Kopf an seine Brust und hörte seinen gleichmäßigen Herzschlag. Kai wirkte mit seiner Art sehr beruhigend auf mich, weswegen ich meinen Schmerz am Fußgelenk kaum noch wahrnahm.
 

Dort angekommen, kamen auch schon Kenny, Hilary und Kyoko auf uns zu.
 

„Was ist passiert? Wieso trägst du Maron?“ fragte Hilary.
 

„Ich bin gestürzt, weil ich bei der Dunkelheit im Wald eine Wurzel übersehen habe und kann leider nicht richtig mit dem Fuß auftreten.“ antwortete ich, noch immer in Kais Armen, der vor den dreien stehen blieb und keine Anstalten machte, mich herunter zu lassen.
 

„Sollen wir einen Arzt rufen?“ fragte Kyoko.
 

„Sagt Hiro Bescheid. Ich bringe sie auf’s Zimmer.“ entgegnete Kai und ging an ihnen vorbei und brachte mich, wie angesagt, auf unser Zimmer und setzte mich auf meinem Bett ab. Dann hockte er sich vor mich auf seine Knie und zog mir meine Schuhe vorsichtig aus. „Autsch!“
 

„Sei nicht so zimperlich!“ sagte er, sein Ton blieb aber ruhig. Dann sah er sich mein Fußgelenk an, welches leicht gerötet und geschwollen war und bewegte meinen Fuß leicht hin und her und hoch und runter. Bei der letzten Bewegung durchzuckte mich ein leichter Schmerz und ich zog reflexartig meinen Fuß zurück.
 

„Es ist nicht gebrochen. Vermutlich nur eine leichte Zerrung.“ Stellte er fest.
 

„Bist du auch noch Arzt?“ scherzte ich und er reagierte sogar darauf: „Nein, aber wenn es gebrochen wäre, hättest du stärkere Schmerzen und das Gelenk wäre definitiv stärker geschwollen oder sogar offen.“
 

Hiro und Kyoko betraten das Zimmer: „Ich habe gehört, was passiert ist. Ist der Fuß gebrochen? Brauchen wir einen Arzt?“ fragte Hiro und sah sich ebenfalls meinen Fuß an.
 

„Nein.“ Kam es knapp von Kai und Hiro redete weiter: „Der Fuß sollte gekühlt und zwei bis drei Tage nicht belastet werden. Dann sollte es wieder gehen. Maron, ich gebe dir niedrig dosierte Schmerztabletten, wenn du nichts dagegen hast. Hast du irgendwelche Unverträglichkeiten?“
 

„Nein. Du kannst mir was geben. Danke euch.“
 

Hiro und Kai verließen das Zimmer, Kyoko hingegen setzte sich neben mich auf’s Bett. „Ach Maron, hast du ein Glück!“
 

„Das nennst du Glück? Was ist denn daran Glück? Du verwechselst das ja offensichtlich mit Pech!“
 

„Naja, so wie Kai dich getragen und sich um dich gekümmert hat, hast du offensichtlich bei ihm ein Stein im Brett! Ich glaube, er mag dich.“
 

„Hm…“ Ich überlegte kurz: „Naja, er ist wirklich ziemlich fürsorglich, trotz seiner eisigen Art.“
 

Sie lächelte mich an und mir fiel ein, dass sie sich ja mit Tyson ziemlich gut verstand und noch nicht wirklich etwas darüber erzählt hat, ob sie ihm schon näher kommen konnte. Ich wusste ja, dass sie sehr verknallt in ihn war.

„Sag mal, Kyoko. Wie läuft’s eigentlich mit dir und Tyson? Ihr versteht euch ja wirklich gut.“
 

Sie wurde leicht rot und verschränkte ihre Finger ineinander.
 

„Es ist klasse, Maron. Wir haben viel miteinander gesprochen und obwohl es den Anschein hat, dass er außer bladen und essen an nichts anderes denken würde, habe ich mit ihm ausgemacht, dass wir uns nach den drei Monaten, bevor das große Turnier anfängt, daten werden.“
 

„Das ist ja klasse!“ freute ich mich.
 

„Pssst. Das soll erstmal keiner wissen. Vor allem nicht Hilary. Ich glaube nämlich, dass sie auch auf ihn steht.“
 

Die Tür öffnete sich und Kai kam herein und hielt etwas in seinen Händen. Sie stand vom Bett auf und ging zur Tür. „Ich lasse euch dann mal alleine.“ Dann grinste sie, zwinkerte Kai zu und ging an ihm vorbei, hinaus auf den Flur. Kai ignorierte das, kam näher und stellte ein Tablett auf meinen Nachttisch, auf dem Essen, eine kleine Tablette und ein Glas Wasser standen. Das Kühlpad, was er zusätzlich in der Hand hielt, legte er sachte auf mein Fußgelenk und hielt es kurz fest.
 

„Leg deinen Fuß auf’s Bett, dann rutscht das Kühlpad nicht herunter.“
 

Ich tat, was er mir sagte. Kai drehte sich um und wollte grade gehen, als ich ihm an seinem Handgelenk festhielt: „Kai? Was wird aus unserem Training?“ fragte ich. Er drehte sich langsam zu mir um.
 

„Das musst du wohl erstmal aussetzen. Oder willst du im Sitzen trainieren?“
 

„Das ist eine tolle Idee. Aber dann müsstest du mich beim Laufen unterstützen.“
 

Er hob eine Augenbraue, da merkte ich, dass sein Vorschlag nicht ernst gemeint war.
 

„Oh…“ sagte ich knapp.
 

„Ich überlege es mir.“ sagte er dann und verließ wieder das Zimmer.
 

Nun war ich erstmal alleine. Komisches Gefühl. Das war das erste Mal, dass ich alleine war, seit ich in dieser Welt aufgewacht war. Ich aß das Essen und nahm die Tablette mit dem Wasser ein. Dann schaute ich mich vor Langeweile im Zimmer um und öffnete die Schublade meines Nachtisches und entdeckte dort, zu meiner Verwunderung leere Blätter und einen Bleistift. Ich habe in meiner Welt oft Animefiguren gezeichnet. Ob ich das hier auch könnte? Ich nahm mir Stift und Papier, legte das Tablet darunter, das mir als Tisch diente und zeichnete drauf los. Ich zeichnete Kai in einer eleganten Pose, wie er grade seinen Blade in den Starter legte und dabei leicht über seine linke Schulter blickte, während sein Schal seinen Körper leicht umspielte. Auch die Schattierungen gelangen mir sehr gut. Als ich schließlich müde wurde, was mir beim Zeichnen öfters passierte, wenn ich das Abends oder früh morgens tat, legte ich die Zeichnung und den Stift auf meinen Nachttisch, zog mich halbwegs aus, legte mich hin und schlief direkt ein. Ich bekam natürlich nicht mehr mit, wie Kai später am Abend das Zimmer betrat.



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