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Vampire Kiss

Vermouth x Jodie, (Curaçao x Kir)
von

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Die Zeit verging. Weiterhin saß die junge Frau allein in dem Zimmer, in dem sie vorhin auch aufgewacht war. Der Klang des Flügels war inzwischen verstummt. Nach wie vor stand die Tür offen, doch eine Person hatte sich nicht daran vorbei verirrt. Jodie konnte nicht sagen, ob sie nun froh darüber sein sollte, oder nicht. Natürlich, sie war nicht besonders scharf darauf, sich wieder einem dieser Vampire gegenüberzusehen, gleichzeitig änderte sich rein gar nichts an ihrer Situation, wenn sie nur allein und vergessen in diesem Wohnzimmer saß.

Die Zeit der Ruhe versuchte sie so sinnvoll wie möglich zu nutzen. Die Kette hielt sie an der Wand, sodass sie den Raum nicht auf den Kopf stellen konnte, doch immerhin ihre Gedanken sortieren konnte sie.

Bei der Auseinandersetzung am Abend, bei der ihre Teamkameraden den Tod gefunden hatten, hätte auch sie leicht sterben können. Doch die Vampire hatten sie verschont und verschleppt. Ursprünglich hatte ihr Ableben sich nur ein wenig herauszögern sollen, da man sie allem Anschein nach als Drink eingeplant hatte, doch eine gewisse Blondine hatte dies zu verhindern gewusst. Genau so wie sie Andres Leben verschont hatte. Jodie hoffte zumindest, dass dem wirklich so war.

Doch um ihren Kollegen zu retten, hatte sie selbst einen hohen Preis bezahlt, indem sie der Vampirin versprochen hatte, alles zu tun, was sie wollte. Ein aus der Not heraus gegebenes Versprechen, welches sie nicht gedachte einzuhalten, solange es vermeidbar war, doch es hatte sie in die Situation gebracht, in der sie sich nun befand.

Um ehrlich zu sein, war die Jägerin sich noch unsicher, was genau nun mit ihr geschehen würde. Keiner der Vampire hatte sie eingeweiht. Lediglich Rena, eine Kollegin aus Japan, hatte sie kennengelernt. Die Ärmste befand sich in einer ähnlichen Situation wie sie selbst, nur das bereits deutlich länger.

Ob es ihr gut ging? Wieder musste sie daran denken, wie eben noch dieser bullige Typ aufgetaucht und die Brünette scheinbar herausgerufen hatte. Verstanden hatte Jodie ihn nicht, doch Rena hatte sichtlich verängstigt gewirkt. Und sie hatte rein gar nichts tun können, um ihr zu helfen. Verdammt...!

Abgesehen von der Unsicherheit, was nun mit ihrer Kollegin geschah, hatte diese ihr zuvor jedoch bereits einige interessante Informationen gegeben. Ein Vampirbiss wandelte nicht automatisch. Das war mehr als beruhigend, auch wenn sich dadurch an ihrer Situation nichts änderte.

Sie hatte in Erfahrung gebracht, dass Rena mit einer Gruppe von japanischen Vampiren erst vor kurzem eingereist war. Was genau Sinn und Zweck dieser Reise war, war Jodie jedoch nicht klar.

Auch hatte die Andere ihr erklärt, dass es sich bei Chris um eine Daywalkerin handelte, die im Gegensatz zu vielen anderen Vampiren, keinerlei Probleme mit Sonnenlicht hatte.

Was für ein beunruhigender Gedanke. Nur gut, dass Daywalker allem Anschein nach mehr als nur selten waren.

Leider hatte Rena ihr nicht noch mehr darüber erzählt und hatte die Fragestunde schließlich abgebrochen. Auch wenn es noch so viel gab, dass die Blondine wissen wollte, sie konnte es der geringfügig Jüngeren nicht wirklich verübeln. Zwar saßen sie gewissermaßen im selben Boot, doch Rena kannte sie kaum. Da war es nur natürlich, dass sie nicht riskieren wollte, sich am Ende noch in Teufelsküche zu bringen.

Weiterhin offen blieb die Frage, was genau Vermouth nun mit ihr vorhatte.

Und was war das vorhin für eine Szene in der Bar gewesen? Alles an dem Gespräch zwischen Gin und der Blondine war merkwürdig gewesen. Was genau hatte der japanische Anführer mit dieser seltsamen Andeutung vorhin gemeint? Höchst wahrscheinlich war es nur irgendetwas Internes zwischen zwei Vampirhäusern, dennoch ging Jodie dieses Gespräch nicht aus dem Kopf.

Als Jägerin war es immerhin ganz normal, alles über den Feind in Erfahrung bringen zu wollen. Und wenn diese Vampire eventuell Probleme untereinander hatten, könnte das für Mondnebel nur von Vorteil sein. Beziehungsweise könnte es das, wenn sie es schaffte, von hier zu fliehen und sämtliche Informationen, die sie hatte sammeln können, weitergeben könnte.
 

Weitere Minuten verstrichen. Das Ticken der Wanduhr machte Jodie fast wahnsinnig. Weiterhin war alles ruhig und niemand verirrte sich auch nur in die Nähe ihres Zimmers.

Da sie sich nicht befreien konnte, hatte die junge Frau sich schließlich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und bewegte sich möglichst nicht. Die Verletzungen, die sie sich in dem Kampf mit Chianti zugezogen hatte, schmerzten, sodass sie besser daran tun würde, sich zu schonen, so lange es ging. Sie musste unbedingt schnellstmöglich wieder zu Kräften kommen.

Vampire verfügten über eine unheimliche Stärke, mit der ein Mensch nicht mithalten konnte. Dennoch wäre es von Vorteil, sich so gut es ging zu erholen, um wenigstens versuchen zu können, sich zu wehren.

Während sie da saß und die Augen geschlossen hatte, blitzten wieder die Bilder von der Jagt vorhin auf. Die letzten Sekunden ihrer Kameraden. Steve, John und Hayden... sie erinnerte sich daran, was sie bereits alles gemeinsam erlebt hatten und eine erneute Welle der Trauer stieg in ihr auf.

Diese verdammten Vampire hatten die drei Jäger ohne jedes Gewissen ermordet. Sie würde ihre Kameraden und Freunde nie wieder sehen.

Aus den düsteren Gedanken gerissen wurde sie von dem Klang von Schritten. Eine Person mit hohen Absätzen lief über den Flur. Rena? Nein, wohl kaum. Die Brünette hatte flache Schuhe getragen.

Im nächsten Moment bekam Jodie ihre Antwort bereits, als Amerikas Nummer Zwei auf dem Flur auftauchte und schließlich das Zimmer betrat. Sofort spannte die junge Frau sich merklich an und funkelte ihr Gegenüber warnend und skeptisch zugleich an.
 

"Wie ich sehe, hat Kir deine Verletzungen versorgt und wacher als vorhin wirkst du auch wieder, Kätzchen.", ergriff Vermouth das Wort. "Da hat sich wohl schon jemand eingelebt.", verhöhnte sie sie.

Der Blick der Jüngeren verfinsterte sich zusehends. Einerseits war sie zutiefst beunruhigt, denn ihre Situation war nach wie vor katastrophal, doch andererseits schaffte die andere Blondine es auch schon wieder sie vor Wut zum köcheln zu bringen, so offensichtlich, wie Chris auf sie hinabsah.

"Das ist nicht lustig!", fauchte sie verärgert.

"Ich denke, das liegt ganz im Auge des Betrachters.", gab die Schauspielerin zu bedenken.

Inzwischen waren ihre Haare wieder trocken und sie hatte sich erneut umgezogen. Die Bluse und der dazugehörige Rock wirkten nicht unbequem, aber gleichzeitig auch teuer und edel.

Ruhig schritt Chris durch den Raum, blieb in einiger Entfernung zu Jodie stehen und zündete sich eine Zigarette an.

Nur schwer widerstand die Jägerin dem erneuten Drang an ihrem Halsring zu zerren und zu versuchen, sich von der Kette zu befreien. Leider nur waren die letzten Befreiungsversuche nicht von Erfolg gekrönt gewesen und höchst wahrscheinlich würde die Vampirin sich nur über sie lustig machen, weshalb sie sich darauf beschränkte, ihr einen wenig freundlichen Blick zuzuwerfen.

"Was habt ihr mit Rena gemacht?!", ergriff nun Jodie das Wort, die sich nach wie vor Sorgen um die Brünette machte. Sie hoffte, durch Chris in Erfahrung zu bringen, wohin genau Kir gerufen worden war.

Chris jedoch zog lediglich eine Augenbraue hoch. "Die Kleine, die dich verarztet hat? Woher soll ich das wissen? Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen." Besonders besorgt klang ihre Antwort nicht.

"Dieser kräftige, japanischsprachige Typ hat sie herausgerufen. Sie hat unglaublich verstört gewirkt. Also was wird hier gespielt?!", versuchte Jodie es erneut, da sie ihrem Gegenüber die Ahnungslosigkeit nicht abkaufte.

"Kätzchen, also entweder brauchst du ein Hörgerät, oder du bist wirklich schwer von Begriff. Ich habe sie seit vorhin nicht mehr gesehen." Wiederholte die Schauspielerin und blies genüsslich eine Wolke Zigarettenrauch aus. Sie zuckte mit den Schultern. "Aber es ist mir ehrlich gesagt auch egal. Menschen haben unter Vampiren keinerlei Rechte. Die Kleine ist Gins Eigentum, also geht es mich nichts an."

"Wie kann man nur so grausam sein...?" Fassungslos schüttelte Jodie den Kopf.

"Es wundert mich, dass du dir den Kopf über den Verbleib einer Person zerbrichst, die du kaum kennst. Hast du nicht selbst aktuell genügend eigene Sorgen?" Weiterhin ruhte der Blick der Vampirin spöttisch auf ihr.

"Es ist nichts falsch daran, sich um seine Mitmenschen zu sorgen. Erst recht, in so einem elenden Nest wie diesem hier.", stellte die junge Frau entschieden klar. "Aber wo du es schon ansprichst, was genau hast du mit mir vor?"

Einerseits ließ Jodie diese Frage natürlich keine Ruhe, andererseits war sie sich nicht sicher, ob sie die Antwort darauf wirklich kennen wollte.

"Deine Blutgruppe ist recht selten und ist nicht immer auf Lager. Da ist es doch verständlich, dass ich nicht gewillt bin, mit den anderen zu teilen, nicht?", antwortete die Schauspielerin amüsiert.

Wieder musste Jodie an den mehr als schmerzhaften Biss denken und spannte sich unbewusst an. Gleichzeitig erinnerte sie sich jedoch auch daran, was Rena ihr von ihrem Alltag berichtet hatte.

"Ich soll also die private Blutbank für ein schwerreiches Sternchen spielen?", hakte sie verstimmt nach. "Das ist der Grund für all das hier?"

Die andere Blondine betrachtete sie einen Moment lang. Weiterhin wirkte ihr Blick überheblich und amüsiert. "Lass mich lieber dich etwas fragen, Kätzchen. Bist du dir wirklich sicher, das ein schwächliches Ding wie du wirklich Mondnebel angehört?"

Jodie horchte auf, als Chris Mondnebel erwähnte. Was genau wusste sie über die Gruppe? Aber noch viel wichtiger: was fiel der Älteren ein, sich im Bezug auf Mondnebel über sie lustig zu machen?!

"Ihr habt mich vorhin auf dem falschen Fuß erwischt.", murrte sie. "Auch wenn Mondnebels Aushängeschild sicherlich einer der anderen Jäger ist."

Für eine Sekunde meinte Jodie echtes Interesse in den Augen ihres Gegenübers aufblitzen zu sehen, ehe das spöttische Funkeln zurück war.

"Du meinst, wir haben dich genau so auf dem falschen Fuß erwischt, wie deine Kameraden?", höhnte die Vampirin. "Sicher, dass euer so genanntes Aushängeschild wirklich so viel talentierter ist?"

Die Tatsache, dass die Andere ihre gefallenen Kameraden erwähnte und sie verspottete, brachte das Fass zum überlaufen. Wie sehr Jodie den elenden Halsring verfluchte, der es in Kombination mit der Kette verhinderte, dass sie sich all zu weit von der Wand wegbewegte.

"Unser Aushängeschild hätte euch verfluchten Kreaturen Kugeln durch die Stirn gejagt, noch ehe ihr ihn überhaupt bemerkt hättet.", fauchte sie.

"Ist das so? Wie interessant.", amüsierte ihre Gesprächspartnerin sich unbeeindruckt.

Jodie beobachtete, wie die andere Blondine ihre Zigarette in den Aschenbecher auf dem Wohnzimmertisch verfrachtete und fasste einen spontanen Entschluss.
 

"Chris.", sprach sie die Andere an, um deren Aufmerksamkeit zu erlangen. Zeitgleich fragte sie sich, ob das wirklich ihre beste Idee gewesen war, hatte sie Renas Warnung doch nicht vergessen. Aber sie musste es riskieren und es wäre nur der Anfang von der Idee, die ihr so spontan gekommen war. Dieses elende Biest machte sich über Mondnebel und die ermordeten Jäger lustig. Jodie kochte innerlich vor Wut.

In der Tat wandte die andere Blondine ihr sofort den Blick zu, kaum das sie sie angesprochen hatte. Für einen kurzen Moment lag in ihrem Blick etwas Warnendes, dann war ihre übliche, überhebliche Mimik zurück. "Was ist?"

Keine Zurechtweisung, keine Korrektur...nichts. Rena hatte ihr gerade noch berichtet, dass es scheinbar nur zwei Personen gab, die die Schauspielerin mit ihrem echten Namen ansprechen durften und doch schien diese sich nicht weiter daran zu stören, dass Jodie ihren Vornamen nutzte.

"Willst du mich eigentlich ewig hier angekettet lassen? Dann stell wenigstens den Verbandskoffer zurück auf den Tisch.", verlangte die Jägerin, klaubte besagten Koffer vom Boden und hielt ihn der Daywalkerin entgegen.

Angesprochene blinzelte überrascht, trat jedoch auf sie zu. "Du bist von der ordnungsliebenden Sorte?"

Gerade, als die Schauspielerin nach dem Verbandskoffer greifen wollte, kam Bewegung in die Jägerin. Dieses verdammte Biest hatte Nerven, sich über ihre toten Kameraden lustig zu machen! Das hier war gerade vermutlich nicht ihre beste Idee, doch wie sollte sie so etwas auf sich sitzen lassen?! Niemand verhöhnte ihre guten Freunde, die heute noch auf so tragische Art und Weise den Tod gefunden hatten.

Zwar hielt die Kette sie in der Nähe der Wand, doch als ihr Gegenüber ihr den Verbandskasten abnehmen wollte, hatte die Schauspielerin sich in ihre Reichweite begeben. So heftig Jodie konnte, trat sie der anderen Blondine gegen den Fußknöchel.

Eigentlich rechnete sie damit, dass ein Vampir so standfest wie ein Baum wäre, doch scheinbar hatte sie die andere Frau so kalt erwischt, dass es ihr tatsächlich gelang, ihr die Beine wegzutreten und sie von den Füßen zu reißen. Mit einem erschrockenen Laut stürzte Chris in ihre Richtung.

Die geringfügig Jüngere ließ ihr keine Zeit sich zu fangen, oder zu reagieren. Beherzt packte sie ihr Gegenüber am Kragen, rollte sich über sie und drückte sie zu Boden.

Höchst wahrscheinlich würde die Vampirin nur wenige Wimpernschläge brauchen, um sie abzuschütteln und sich gänzlich aus ihrem Griff zu befreien, doch die Überraschung in den Augen der Anderen, war Jodie schon Genugtuung genug.

Vermutlich würde sie die Aktion gleich bereits bitter bereuen, doch sie konnte es nicht auf sich sitzen lassen, das jemand Mondnebel, oder die Mitglieder der Gruppe, verhöhnte.

Die Vampirin realisierte ihre Situation und begann gegen den Griff der Jüngeren anzukämpfen. Sie rangen miteinander, wobei Jodie der Älteren eher versehentlich mit dem Fingernagel ihres Daumens über die Wange kratzte.

Die andere Blondine stieß ein verärgertes, nicht menschlich klingendes Fauchen aus und sträubte sich heftig, um sich zu befreien. Jodie hingegen gelang es, die Handgelenke ihrer Gegnerin zu packen und auf den Boden zu drücken. Mit ihrem gesamten Gewicht pinnte sie die Ältere auf dem Boden fest, die Gesichter der beiden nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.

"Wen nennst du hier schwächlich?! Und was fällt dir ein, dich über meine Kameraden lustig zu machen?!", kam es verärgert von der Jägerin.

Ihr Rücken und ihre verletzte Schulter schmerzten bei dem Kräftemessen heftig, doch war es der Vampirin bisher nicht gelungen sie abzuschütteln und sich zu befreien.

Eine Tatsache, die Jodie mehr als irritierte. Vampire waren Menschen eigentlich haushoch überlegen. Es sollte dieser Frau ein Leichtes sein sie abzuwerfen und doch gelang es ihr, ihre Gegnerin unten zu halten und zu Boden zu drücken. Um ehrlich zu sein, gab es Menschen, die deutlich härtere Gegner waren.

Und doch gelang es ihr, trotz ihrer Verletzungen, die Oberhand zu behalten? Chris schaffte es nicht sie loszuwerden. Oder erlaubte die Schauspielerin sich einen Scherz mit ihr und hatte beschlossen, ihr den Erfolg für einen Moment zu lassen, ehe das grausame Echo folgte?

Das erklärte jedoch nicht ihre verärgerte Mimik und die nun wieder stahlblauen Augen. Warum sollte diese Frau ihr wahres Vampirgesicht zeigen, wenn sie nur mit ihr spielte?

"Was ist los mit dir, mh?", höhnte diesmal Jodie, als sie sich langsam bewusst wurde, dass sie die Daywalkerin scheinbar in der Tat überwältigt hatte... und das in ihrer Lage!
 

Plötzlich jedoch spürte sie, wie sich ein Arm um ihre Körpermitte legte und sie hochgehoben wurde. Erschrocken sog die Jägerin die Luft ein. Sie hatte noch nicht einmal gemerkt, dass jemand den Raum betreten hatte und hinter ihr stand!

Überrumpelt ließ sie die Schauspielerin los, ohne dies wirklich zu realisieren.

Die Person, die sie mit einem Arm hochgehoben hatte, zog sie einen Schritt weit weg von der Blondine, ehe sie wieder auf die Füße gestellt wurde. Nach wie vor drückte die Person hinter ihr sie jedoch ohne viel Mühe mit dem Rücken gegen sich und hielt sie fest, überraschenderweise ohne ihr dabei weh zu tun.

Jodie versuchte sich loszureißen... doch dieses Vorhaben war nicht von Erfolg gekrönt. Der Griff war unerschütterlich. Die Muskeln des Arms schienen sich noch nicht einmal anzuspannen, obwohl sie all ihre Kraft in den Versuch legte, zu entkommen.

"Wie hast du es denn geschafft, dich in diese Lage zu bringen, Chris? Die Kleine ist verletzt und gefesselt.", ergriff der Neuankömmling das Wort. Seine Stimme klang amüsiert aber nicht unfreundlich.

Jodie legte den Kopf in den Nacken und versuchte mit einem Blick über die Schulter herauszufinden, wer sie da so mühelos von ihrer Gegnerin gepflückt hatte.

Sie blickte geradewegs in das Gesicht eines jungen Mannes mit hellblonden Haaren, blauen Augen und einem etwas dunkleren Teint. Das der Mann kaum menschlich sein konnte, verriet eigentlich schon seine Kraft. Er strengte sich nicht im geringsten an und dennoch konnte sie sich nicht aus seinem Griff befreien. Außerdem wäre ein weiterer Mensch in diesem Vampiranwesen äußerst unwahrscheinlich. Zumindest kam ihr das Gesicht des Blonden bekannt vor. Das war doch der Fahrer und Bodyguard der Schauspielerin, richtig?

"Sehr witzig, Rei.", murrte Chris derweil verärgert, während sie sich rasch vom Boden aufrappelte. "Wie lange hast du da bitte gestanden und zugesehen?!"

"Oh, nicht lange, wirklich." Harmlos winkte der Blonde ab. "Nur einen Augenblick lang, dann dachte ich mir, dass du wirklich in der Klemme steckst und ich dir lieber ein wenig unter die Arme greife."

Chris grummelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin und strich sich eine verirrte Haarsträhne zurück über die Schulter.

Schließlich wandte der Bodyguard sich Jodie zu. "Und du? Hast du dich in so weit wieder beruhigt, als das ich dich loslassen kann?"

Nun war es an der Jägerin beleidigt den Blick abzuwenden. Trotz der fehlenden Antwort, ließ der Blonde sie wieder los und gesellte sich an die Seite der Schauspielerin.

Wo Jodie die beiden nebeneinander stehen sah, fiel ihr praktisch sofort auf, wie vertraut sie wirkten. Noch dazu hatte Rena ihr vorhin erklärt, dass nur zwei Personen Chris mit ihrem Vornamen ansprechen durften. Ihr Bodyguard hatte sie wie selbstverständlich mit Vornamen angesprochen und auch sie hatte ihn nicht mit irgendeinem alkoholischen Codenamen betitelt, sondern ihn Rei genannt. Scheinbar sein Name.
 

"Ein lebhaftes Exemplar hast du dir da angelacht.", scherzte der Bodyguard an Chris gewandt.

Diese wirkte immer noch verstimmt. "Etwas zu lebhaft, wenn du mich fragst.", murrte sie.

Die Schauspielerin verschränkte die Arme vor der Brust, während Rei ihr eine verirrte, hellblonde Strähne von der Schulter sortierte. Sie ließ ihn.

"Bist du einfach nur dumm, oder wirklich so lebensmüde?", wandte die Vampirin sich an Jodie. Diesmal lag in ihren Augen nicht die übliche Überheblichkeit, sondern viel mehr Missfallen.

"Niemand macht sich über Mondnebel lustig.", antwortete die Jägerin verärgert, ehe sich ein kaum wahrnehmbares Grinsen auf ihre Lippen schlich. "Was war das eben eigentlich? Als ich gegen deine Kameradin mit der eigenwilligen Frisur gekämpft habe, hatte ich das Gefühl gegen eine Mauer zu laufen und du machst dich über mich lustig und bist einem Menschen kräftemäßig unterlegen? Als Daywalkerin?"

Jodie wusste, dass sie sich auf ganz dünnes Eis begab. Sie sollte diese Frau besser nicht unnötig provozieren, saß Chris letztlich am längeren Hebel und doch... sie konnte es nicht lassen. Nicht nach dem, wie die Schauspielerin sie zuvor behandelt hatte.

Die andere Blondine wirkte in der Tat verärgert, doch noch ehe sie antworten konnte, mischte ihr Bodyguard sich ein. Er legte der Vampirin neben sich eine Hand auf die Schulter und blickte Jodie gelassen an. "Das hast du schon ganz treffend festgestellt. Sie ist dir kräftemäßig unterlegen, weil sie eine Daywalkerin ist. Sehstärke und Geruchssinn eines Daywalkers sind fast 4 Mal so ausgeprägt wie die eines A-Klasse Vampirs, doch dafür gleichen Schnelligkeit und Kraft der eines ganz normalen Menschen."

Schon fand der Ellbogen der Schauspielerin seinen Weg in die Seite ihres Begleiters. "Halt die Klappe! Was willst du ihr als nächstes verraten? Vielleicht meine PIN?!", blaffte Chris Rei an.

Dieser wirkte weiterhin unbekümmert, rieb sich jedoch kurz über die Rippen.

"Jetzt bleib locker. Solange Curaçao und ich an deiner Seite sind, musst du dir um deine Sicherheit keine Sorgen machen."

"Du wolltest sagen, so lange Curaçao an meiner Seite ist, muss ich mir keine Sorgen machen. Im Gegensatz zu dir plaudert sie wenigstens keine Informationen unbedacht aus."

"Wie herzlos.", weiterhin wirkte Rei viel mehr amüsiert als tatsächlich verletzt.

"Wie wahr, meinst du wohl."

Nach wie vor wurde Jodie das Gefühl nicht los, dass die beiden sich wirklich gut kennen mussten, so wie sie sich gaben. Zankten wie ein altes Ehepaar und gleichzeitig standen sie in einem so geringen Abstand zueinander, wie es nur Personen taten, die wirklich vertraut miteinander waren.

Spontan fragte Jodie sich, ob der junge Mann wirklich nur der Bodyguard der Schauspielerin war.

Doch es gab Wichtigeres als das. Die Information, dass Daywalker zwar schärfere Sinne als gewöhnliche Vampire hatten und sich problemlos der Sonne aussetzen konnten, hatten sie mehr als überrascht. Was jedoch noch viel überraschender war, war die Schattenseite dieser allem Anschein nach sehr seltenen Vampirart. Die Stärke eines Daywalkers unterschied sich also in keinster Weise von der eines Menschen? Das war wirklich interessant.

Das bedeutete zwangsläufig auch, dass diese Vampirin kräftemäßig in der Tat nicht mehr als eine verzogene Schauspielerin war, deren Hauptaugenmerk darauf lag schön auszusehen. Auch wenn sie mehr als einflussreich innerhalb der Vampirgesellschaft zu sein schien.

Jodie bezweifelte, dass man ihr weitere Fragen diesbezüglich beantworten würde. Chris wirkte bereits jetzt alles andere als erfreut darüber, dass ihr Bodyguard diese Schwäche einfach so preisgegeben hatte.

"Und was ist mit dir? Solltest du nicht angeblich krank im Bett liegen?", wandte die Jägerin sich direkt an Rei.

Noch hatte keiner der beiden Vampire Anstalten gemacht, ihr für die vorherige Aktion wirklich den Kopf abreißen zu wollen, auch wenn sie sich nicht sicher war, wie lange dies noch so blieb.
 

"Krank im Bett?", wiederholte der Blonde und grinste schief. "Die Fenster von meinem Wagen wurden ausgebessert. Wie du dir als Jägerin vielleicht denken kannst, ist es für einen Nicht-Daywalker ungesund tagsüber das Haus zu verlassen."

Das erklärte natürlich, warum Rei Chris erst am Abend von der Veranstaltung abgeholt hatte, die Schauspielerin sich auf dem Hinweg jedoch von einer anderen Person hatte fahren lassen.

Interessant war es allerdings auch, dass es besonderes Fensterglas, oder aber Schutzfolien geben musste, welche es Vampiren ermöglichte bei Tag Auto zu fahren.

"Aber zurück zum ursprünglichen Thema.", ergriff Chris das Wort. Unmerklich spannte Jodie sich an. Der Blick der Älteren verriet, dass sie den Angriff eben nicht so einfach vergessen hatte.

Fragend sah die Schauspielerin ihren Bodyguard an. "Hat die Kleine bei der Aktion gerade Spuren in meinem Gesicht hinterlassen? Ich werde das Gefühl nicht los."

"Einen Kratzer auf deiner Wange, wenn du es genau wissen willst.", bestätigte Rei ihr ohne lange zu zögern.

Die Mimik der Blondine wurde missfallender. "Na das kann ich ja gerade noch gebrauchen."

Nun wandte sie sich Jodie zu. "Arm her.", befahl die Vampirin ihr.

"Meinen A- HEY!", noch ehe die Jüngere ihren Satz hatte beenden können, hatte Chris beherzt nach ihrer rechten Hand gegriffen und sie zu sich gezogen.

Jodie konnte dabei zusehen, wie sich die grünen Augen ihres Gegenübers schlagartig stahlblau verfärbten. Der Magen der Jägerin verkrampfte sich in unguter Vorahnung.

Sie sträubte sich gegen den Griff der Anderen, von der sie nun wusste, dass sie ihr kräftemäßig unterlegen war. Leider nur traf dies nicht auf ihren Bodyguard zu.

Rei griff nach ihrem Arm und hielt ihn ohne jede Mühe fest. Erneut stellte Jodie fest, dass sein Griff wie Stahl war. Egal wie sehr sie sich zu befreien versuchte, seine Hand hielt ihren Arm umschlossen.

Sie bemerkte, wie die Daywalkerin ihr Handgelenk mit dem Blick anvisierte. Das ungute Gefühl wuchs nur noch, als sie sich an den schmerzhaften Biss von vor ein paar Stunden erinnerte. Ihr Hals pochte an dieser Stelle nach wie vor.

"Vergiss es! Bleib weg von mir!" Ärgerlicherweise klang ihre Stimme nicht so verstimmt, wie Jodie es sich gewünscht hatte, sondern viel mehr schrill vor aufsteigender Panik.

Sie wollte die Andere mit ihrer freien Hand abwehren, doch schon hatte der Bodyguard sich auch ihr anderes Handgelenk geschnappt und hielt es fest. Sie saß in der Falle.

Die junge Frau sah, wie die andere Blondine sich zu ihrem Handgelenk beugte. Für einen kurzen Moment konnte sie die scharfen, perlweißen Vampirfänge aufblitzen sehen, als sie den Mund öffnete, dann durchfuhr ihr Handgelenk ein scharfer Schmerz.

Jodie schrie auf. Reflexartig versuchte sie erneut den Arm zurückzuziehen, doch nicht nur, dass Rei sie festhielt, die Vampirin verstärkte den Biss nur noch. Sie spürte, wie die beiden scharfen Reißzähne sich tiefer in ihren Arm bohrten.

Die Jägerin biss die Zähne zusammen. Egal wie sehr sie versuchte, ihren Arm zurückzuziehen, Chris Bodyguard hielt sie mühelos fest.

Hatte sie vorhin schon gedacht, dass der Biss in ihren Hals schmerzhaft gewesen war, so revidierte sie dieses Urteil nun. Die Zähne von diesem elenden Biest in ihrem Handgelenk zu spüren war schlimmer, viel schlimmer!

In den aktuell stahlblauen Augen der anderen Blondine konnte sie wieder diesen Hohn aufblitzen sehen, als sie direkten Blickkontakt suchte.

Rei hingegen verzog leicht das Gesicht. "Du weißt, dass du ihr weh tust, Chris, oder?"

Es brauchte einen Moment, bis Chris ihm antworten konnte, bohrten ihre Zähne sich doch aktuell in Jodies Handgelenk.

Die junge Frau konnte förmlich dabei zusehen, wie der Kratzer auf der Wange der Schauspielerin immer blasser wurde und schließlich ganz verschwand. Binnen ein paar Sekunden wohlgemerkt.

Hätte der aktuelle Schmerz in ihrem Handgelenk nicht gerade ihr Denken bestimmt, die Jägerin hätte diese rasche Selbstheilung höchst wahrscheinlich sogar faszinierend gefunden.

Schließlich lockerte die Vampirin den Biss, fuhr mit der Zunge über die Bisswunde und ließ ganz los.

Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern, als sie Rei musterte. "Und? Was kümmert es mich? Vielleicht löst der Schmerz ja einen gewissen Lernprozess bei diesem dummen Kätzchen aus."
 

Verärgert funkelte Jodie ihr Gegenüber an, welches zwei Schritte auf Abstand ging und sich einmal genießerisch über die Lippen leckte.

Auch der Bodyguard ließ sie nun wieder los und trat einen Schritt zurück.

Sofort zog die junge Frau ihren Arm zu sich und musterte ihr Handgelenk. Die Fangzähne hatten zwei Löcher in ihrer Haut zurückgelassen. Die Bisswunde blutete noch leicht und schmerzte auch weiterhin höllisch. Diese verdammte...!

Diesmal war Jodie klug genug sich einen Kommentar zu sparen. Sie funkelte ihr Gegenüber lediglich verärgert an und hielt ihr verletztes Handgelenk.

Erneut suchte Chris Blickkontakt, doch diesmal war etwas anders als sonst. Ohne es zu merken, hielt Jodie für einen Moment die Luft an.

Die Mimik der Schauspielerin war nicht so arrogant und spöttisch amüsiert wie sonst, nein, der Blick der nun wieder grünen Augen wirkte ähnlich kalt wie vorhin in der Bar, als sie Gin die Stirn geboten hatte. Der Anderen war nicht zum Scherzen zu Mute, ihr war es ernst, so viel war klar.

So sehr die überhebliche Art der Älteren sie zuvor auch zur Weißglut getrieben hatte, schlagartig wünschte Jodie sich die arrogante, verzogene Schauspielerin zurück. Der Blick der Vampirin war aktuell ähnlich hart und kalt wie der des japanischen Vampirfürsten.

"So, nun wo von deinem kleinen Aufstand nichts mehr zu sehen ist, helfe ich deinem eingeschränkten Denken noch einmal auf die Sprünge, da du scheinbar nicht dazu in der Lage bist, logische Zusammenhänge von allein zu erfassen.", ergriff Chris das Wort.

Jodie starrte sie an, einerseits verärgert über die Wortwahl der Anderen, andererseits alarmiert über deren plötzliche Ernsthaftigkeit.

"Das du dich in einem Vampiranwesen befindest, solltest du inzwischen gemerkt haben, allerdings denke ich, dass dir nicht klar ist, was das für dich bedeutet. Also noch einmal zum Mitschreiben: Vampire töten Menschen. Vampire töten insbesondere Vampirjäger. Das du noch lebst, hast du einzig und allein meinem guten Willen zu verdanken. Dafür, dass dein Kollege noch lebt, kannst du dich ebenfalls bei mir bedanken.

Aber eure Leben liegen in meinen Händen, das solltest du nicht vergessen. Ich kann deinen Kollegen und dich zerquetschen wie lästige Fliegen, wenn ich es für angebracht halte."

Die Vampirin schritt auf Jodie zu und blieb genau vor ihr stehen. Zwar hatte Chris sich erneut in ihre Reichweite begeben, diesmal jedoch hielt die junge Frau still und erstarrte förmlich, als ihr Gegenüber Zeigefinger und Daumen an ihr Kinn legte und dieses leicht hoch schob.

Die Gesichter der beiden Frauen trennten nur wenige Zentimeter. In den grünen Augen ihres Gegenübers konnte Jodie aktuell nur Kälte und Grausamkeit lesen.

"Solltest du noch ein einziges Mal die Hand gegen mich erheben, oder dir in irgendeiner Art und Weise einfallen lassen aufmüpfig zu sein, werde ich dafür sorgen, dass du es bitter bereust. Da dir so viel an deinem Kameraden liegt, denke ich, dass er der erste sein wird, der das nächste Mal wegen deinem Sturschädel zu leiden haben wird. Und dich werde ich dabei zusehen lassen, wie meine Leute ihm jeden Knochen im Leib brechen. Überleg es dir also gut, Kätzchen."

Verdammt... dieses eiskalte Monster! Jodie spürte gleichermaßen Angst und Hass in sich aufsteigen, als sie in das makellose, wunderschöne Gesicht dieser skrupellosen Kriminellen blickte.

Äußerlich bildschön, aber innerlich verdorben wie ein verfaulter Apfel, kam es ihr spontan in den Sinn.

"Verdammt, was willst du von mir?", zischte die junge Frau. Weiterhin waren ihrer Stimme der aktuelle Stress und ihre Angst anzuhören.

"Was ich von dir will? Das Leben als private Blutbank wäre auf Dauer sicherlich etwas zu entspannt. Warum ich dich am Leben gelassen habe, darfst du schön selbst herausfinden. In der Zwischenzeit wirst du für mich arbeiten.", stellte Chris schließlich fest.

Ungläubig blickte Jodie sie an. "...Bitte was?", hakte sie noch einmal nach um sich sicher zu sein, sich nicht verhört zu haben.

Sofort musste sie wieder an Rena denken und daran, was ihre japanische Kollegin ihr erzählt hatte.

Scheinbar war sie nicht die Einzige, die diesen Vergleich in Gedanken gezogen hatte.

"Du hast mich schon verstanden. Und glaub mir, ich weiß, dass du temperamentvoller und widerborstiger bist als Gins kleines Eigentum, aber du solltest dich am Riemen reißen, wenn du möchtest, dass du das hier überlebst. Oh und an die Gesundheit deines Kollegen solltest du selbstverständlich auch denken." Der letzte Satz der Schauspielerin klang beinahe harmlos, auch wenn er alles andere als das war.

Jodie hatte das Gefühl, als wäre die Temperatur im Raum spontan im 30 Grad gesunken.
 

Schließlich konnte sie beobachten, wie die Kälte aus dem Blick der Daywalkerin wich und dem üblichen, überheblichen Gesichtsausdruck Platz machte. Fast so, als wäre nie etwas geschehen.

Fast schon aufmunternd tätschelte Chris ihr die Wange, ehe die Schauspielerin wieder etwas mehr auf Abstand ging und ihr zuzwinkerte.

"Nun dann, Kätzchen, ich will dein Denken ja nicht gleich überfordern. Lass diese Informationen für heute erst einmal sacken, damit solltest du beschäftigt genug sein."

In aller Seelenruhe zündete Chris sich eine Zigarette an. "Du solltest versuchen noch etwas Schlaf zu bekommen. Morgen wird dein Tag früh genug beginnen."

Die Schauspielerin warf ihr einen Luftkuss zu, doch die Provokation ging diesmal vollkommen an Jodie vorbei. Die junge Frau fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes erschlagen.

Die Drohung der Daywalkerin, als sie zuvor die Regeln klargestellt hatte, war bitterer Ernst. Der Stimme der Anderen hatte der für sie so typische, neckende Unterton gefehlt. Chris hatte eiskalt geklungen. Sie scherzte nicht damit, dass sie Andre oder ihr etwas antun würde, wenn Jodie noch einmal rebellierte.

Vielleicht mochte die Daywalkerin ihr kräftemäßig unterlegen sein, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass das verdammte Biest brandgefährlich war. Sie war skrupellos und Amerikas Nummer Zwei. In dieser Position würde Chris sich wohl kaum selbst die Hände schmutzig machen müssen, wenn sie ihr schaden wollte.

Erst jetzt, wo die Schauspielerin sich zum Gehen gewandt hatte, realisierte Jodie, wie tief sie wirklich in der Tinte saß.

"Rei, kommst du? Ich will noch in den Weinkeller, um die aktuellen Bestände zu kontrollieren. Morgen früh werde ich nicht mehr dazu kommen, unseren Leuten die Aufträge, wie das Lager aufzustocken ist, weiterzugeben. Das will ich heute noch erledigt wissen.", wandte die Blondine sich von der Tür aus an ihren Bodyguard.

Weinkeller...das Lager aufstocken... Jodie war sich ziemlich sicher, dass es hier nicht um echten Wein ging, sondern darum, neue Opfer für die Bar zu besorgen. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr speiübel. Und mit welcher Selbstverständlichkeit dieses Monster mit dem Engelsgesicht davon sprach!

"Ich komme gleich nach, Sekunde. Wartest du unten in der Halle auf mich?", antwortete ihr Bodyguard ihr.

"Sicher, aber trödel nicht herum." Chris blies etwas Zigarettenrauch aus, warf Rei einen kurzen Blick zu und lief schließlich los.
 

Der Blonde sah seiner Kameradin einen Moment lang nach, dann seufzte er, pflückte einen Verband aus dem Verbandskoffer und reichte ihn Jodie. "Für dein Handgelenk.", stellte er fest.

Skeptisch nahm die junge Frau den Verband entgegen und musterte ihr Gegenüber kühl.

"Du kannst mich Bourbon nennen.", stellte Chris Bodyguard sich ihr schließlich vor. Bourbon? Schon wieder so ein alkoholischer Codename. Hatte die Schauspielerin ihn eben nicht noch Rei genannt? Aber gut.

Er warf ihr einen fast schon mitleidigen Blick zu. Geheucheltes Mitleid, da war Jodie sich ganz sicher. "Du magst gerade vielleicht einen anderen Eindruck gewonnen haben, aber Chris ist nicht das Monster, für das du sie hältst. Sie ist vielleicht nicht gerade ein Engel und sie kann etwas launisch sein, aber in ihrer Haut möchte aktuell wirklich niemand stecken."

Rasch sammelte der Vampir das verstreute Verbandsmaterial vom Boden auf, legte es zurück in den Koffer und stellte diesen schließlich auf dem Tisch ab.

ETWAS launisch? Jodie glaubte sich verhört zu haben. Diese Frau war der Teufel und nichts anderes!

"Ihr Vampire seid doch alle gleich.", fauchte sie daher verärgert.

Ohne wirklich auf diesen Einwand einzugehen, sammelte Rei ein Kissen und eine zusammengefaltete Wolldecke vom Sofa und reichte sie der Jägerin.

Etwas perplex nahm die junge Frau Decke und Kissen entgegen, ehe ihr klar wurde, was es damit auf sich hatte. Sie war immer noch an die Wand gekettet, das Sofa in unerreichbarer Ferne. Außer dem nackten Fußboden hatte sie hier nicht all zu viel und das würde sich allem Anschein nach bis zum nächsten Morgen auch nicht ändern. Urg...

"Wenn du verstehen willst, was hier gespielt wird, dann solltest du dich erst einmal ganz einfach darauf einlassen, so verrückt das gerade auch für dich klingen mag."

Jodie zog eine Augenbraue hoch. Bitte was? Sie sollte sich darauf einlassen, dass sie als private Blutbank und Hausmädchen für diese verzogene Schauspielerin herhalten sollte?! Nicht, dass ihr in ihrer aktuellen Situation wirklich eine Wahl blieb, dennoch war dies ein Gedanke, mit dem sie sich nur äußerst ungerne anfreundete, auch wenn sie wusste, dass es vorerst ihr Alltag werden würde, zu tun was Chris sagte, wenn sie verhindern wollte, dass Andre oder sie zu Schaden kämen.

"Wartet Chris nicht schon auf dich? Vielleicht bist du ja der Nächste, dem sie die Augen auskratzt, wenn du dich nicht beeilst.", murte die Jägerin vor sich hin.

Wiedererwartend reagierte Bourbon nicht angesäuert, sondern lachte lediglich, als hätte sie einen Witz gemacht. "Das vielleicht nicht, aber bessere Laune bekommt sie mit Sicherheit nicht, wenn ich mich nicht langsam auf den Weg mache.", stellte er schließlich fest. "Also dann, ruh dich aus, der morgige Tag wird wahrscheinlich ein Kulturschock für dich."

Mit diesen Worten machte auch der blonde Bodyguard sich auf den Weg und zog die Tür hinter sich zu.
 

Jodie blieb allein zurück. Lediglich die Wanduhr tickte weiterhin im Takt und genau so nervtötend wie zuvor.

Einen Moment lang blieb sie noch stehen wo sie war, lauschte in die Dunkelheit und drückte Decke und Kissen an sich, ohne es wirklich zu bemerken.

Nichts, nur Stille und die Wanduhr. Keins dieser Biester schien mehr in der Nähe zu sein.

Sie spürte, wie die Anspannung langsam von ihr wich und ihr Körper förmlich danach schrie, dass sie sich setzte.

Da die Kette sie weiterhin einschränkte, setzte die junge Frau sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Ihre Verletzungen schmerzten, ihr Handgelenk seit ein paar Minuten nun ebenfalls.

Wo war sie hier nur hineingeraten? Sie seufzte und spürte, wie langsam aber sicher die Verzweiflung in ihr aufstieg. Sie war die Gefangene einer Daywalkerin, die zwar nicht stärker als ein gewöhnlicher Mensch war, dafür aber um so einflussreicher innerhalb der amerikanischen Vampirgesellschaft. Und ein Gewissen hatte dieses Monster ebenfalls nicht.

Ab Morgen würde sie sich von der Schauspielerin herumschicken lassen müssen und zudem saß sie in diesem Vampirnest fest. Eine Katastrophe!

Sie lebte noch, aber leider traf das nicht auf ihre Kollegen zu. Ihre guten Freunde waren tot. Andre lebte höchst wahrscheinlich nur noch so lange, wie sie es schaffte dieses verzogene Sternchen nicht zu verärgern.

Im Normalfall hätten Bourbons Worte ihr zu Denken gegeben, doch aktuell hatte sie diese erfolgreich bei Seite gedrängt.

Jodie spürte, wie ihr in diesem Raum die Decke auf den Kopf fiel. Angst und Verzweiflung drohten sie zu überwältigen. Diese elende Hilflosigkeit.

Sie war ganz allein in dieser Hölle auf Erden, ausgeliefert dem guten Willen einer Vampirin, die selbst von deren Bodyguard als launisch bezeichnet wurde.

Geistesabwesend verband sie ihr Handgelenk, dann schob sie ihre Brille hoch auf den Kopf und vergrub ihr Gesicht in dem Kissen, welches sie umarmte.

Die junge Frau spürte, wie Tränen in ihren Augen aufstiegen.

"James..., Shu..., holt mich hier raus...!", wimmerte sie.

Der heutige Tag hatte so normal begonnen und war als ihr schlimmster Alptraum geendet.

Sie wusste, dass sie versuchen musste diesen Vampiren irgendwie zu entkommen, doch aktuell hatte sie keine Idee, wie genau sie das schaffen sollte.

Die Blondine kauerte sich noch ein wenig mehr zusammen, während die Verzweiflung sie überrollte wie ein Tsunami, nachdem sie das Ausmaß der Schwierigkeiten, in denen sie steckte, erst wirklich realisiert hatte.



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