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Neue (und alte) Abenteuer

Szenen, die es nicht in die Hauptfic geschafft haben
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Also erstmal vorne weg: ich wünsche allen ein paar schöne und ruhige Weihnachtstag und falls wir uns nicht mehr lesen, einen guten Rutsch ins kommende Jahr.

Das Kapitel kommt heute (uhrzeittechnisch) etwas spät. Das liegt vor allem daran, dass ich lange mit mir gehadert habe, welches Kapitel ich als nächstes hochladen sollte (man mag es nicht glauben, aber eigentlich hatte alles mal ein System^^'). Daher bekommt ihr nun das hier und mal sehen, was dann als nächstes kommt...

Ganz liebe Grüße und lasst es euch gut gehen ;-) Komplett anzeigen

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Extrakapitel 31 - Minnedienst

Minnedienst

 

-Zorro-

„Lore… was machst du denn hier?“

Er drückte die Hand des anderen weg und drängte sich zwischen ihm und der angelehnten Tür vorbei ins Innere des Hotelzimmers.

„Nur ein Wort und ich hau dir eine rein.“

„Was… für eine freundliche Begrüßung… und dann auch noch so adrett gekleidet… das Werk deiner…“

Er verstummte unter Zorros Blick.

„Ich sagte nur ein Wort!

Dulacre schluckte und zog langsam die Türe zu, musterte ihn jedoch von oben nach unten. Aber es war nicht auf die Art, die Zorro mochte, wenn der andere seine Fertigkeiten bewertete, sondern auf diese Art, wie der Koch, wenn er seine Krawatte für den Tag auswählte.

„Darf ich zumindest fragen, was mir die Ehre deiner Anwesenheit verschafft?“

„Kanan hat angerufen und wir waren in der Nähe“, murrte Zorro und verschränkte die Arme, wandte dem anderen den Rücken zu. „Sie sagte, das hier wäre wichtig und du würdest es verkacken.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kanan solche Ausdrücke verwenden würde.“ Doch nun klang der andere deutlich kühler. „Allerdings missfällt es mir außerordentlich, dass sie meint, sich einmischen zu müssen.“

Zorro entgegnete nichts, während Dulacre hinter ihm beinahe belustigt aufschnaubte.

„Und dass sie darüber auch noch denkt, ich wäre auf deine Hilfe angewiesen… schließlich handelt es hier nicht um ein Wetttrinken.“

„Das würde ich aber gewinnen“, murrte Zorro nachdenklich und wünschte sich, es würde tatsächlich um ein Wettrinken gehen; er hätte jetzt gerne einen Schluck Sake.

„Daran hege ich keinen Zweifel“, bemerkte der andere in seinem Rücken. „Also?“

Zorro rollte nur mit den Augen und sah Dulacre über die Schulter hinweg an.

„Sie sagte, da dein Ruf jetzt noch schlechter wäre als vorher, sei es…“

„Ja?“

Zorro bereute jetzt schon, dass er Kanans Bitte nachgekommen war… Wäre er doch selbst an die Teleschnecke gegangen. Wobei das vermutlich nichts geändert hätte. Seine Wangen wurden heiß und leise grummelte er: „Sie sagte, meine… Anwesenheit würde dich menschlicher wirken lassen und das wäre für die Verhandlungen von entscheidendem Vorteil. Tze, was für ein Schwachsinn!“

Dem anderen entkam ein nachdenklicher Laut. „Damit hat sie tatsächlich nicht ganz Unrecht, ein kluger Gedanke, den man nutzen könnte. Ich bin nur überrascht, dass du dich darauf eingelassen hast, oder hattest du etwa Sehnsucht nach mir?“

Er hoffte sehr, dass dieser Mistkerl diesen Mist sofort bereute. Kalt starrte er ihn nieder. Doch der ehemalige Samurai schien nicht deutlich besser gelaunt zu sein als er selbst.

„Du meine Güte, was für eine Anspannung. Wenn es so furchtbar für dich ist, warum bist du hier? Ich bin durchaus in der Lage, meine Interessen selbst und ohne fremde Hilfe zu vertreten. Du brauchst dich mir nicht verpflichtet zu…“

„Halt die Klappe.“ Tief holte Zorro Luft und winkte ab. „Du kennst Kanan. Natürlich hätte ich nicht ablehnen können – außerdem hat Nami es mitbekommen und ich…“

„Ach, doch die Frau Navigatorin, ich hatte mich schon gewundert, für ihre Verhältnisse ist dein Erscheinungsbild…“

„Noch ein Wort zu Kleid, Schminke oder Haare und ich kick dir zwischen die Beine; fühlt sich mit diesen Schuhen mit Sicherheit richtig gut an.“

Dulacre hob abwehrend seine Hände, seine Augenbrauen wanderten missbilligend nach oben.

„Lorenor, wie du weißt, freue ich mich, dich zu sehen. Aber du bist aus – mehr oder minder – freien Stücken hier und mein Geduldsfaden ist von dieser schnöden Veranstaltung – die auch ich mir nur Herrn Koumyou zuliebe antue - bereits genug belastet. Wenn du mich in irgendeiner Form unterstützen möchtest, bedanke ich mich, aber mir fehlt heute die Gelassenheit, deine schlechte Laune auszuhalten.“

Er sprach wieder besonders geschwollen, was Zorro immer ganz besonders anpisste, aber er wusste auch, dass es ein Zeichen für die schlechte Laune des anderen war, also schnaubte er nur, verschränkte die Arme und wandte sich ab.

„Wann geht es also los?“, murrte er missmutig.

„In zwei Stunden, du bist überaus pünktlich.“

Darauf entgegnete er nichts, was den anderen zum Seufzen brachte.

„Du musst dies nicht tun, Lorenor. Ich verstehe, warum du dich Kanan nicht erwehren konntest, und ich verstehe auch, dass du es gut meinst. Aber du hast oft genug gesagt, dass dieser Teil deiner Vergangenheit hinter dir liegt. Du musst für mich nicht die Maske der Lady Loreen aufrechterhalten.“

Er klang versöhnlich, so unglaublich rücksichtsvoll, dass es Zorro nur noch mehr nervte.

Zorro war schlecht gelaunt. Manchmal hatte er das Gefühl, seine Crewmitglieder oder sonst wer versuchten absichtlich, ihre Route mit den Reisen des ehemaligen Samurais abzugleichen – und vielleicht war das auch wirklich so – und eigentlich kam ihm das auch nur Recht. Aber diese Aktion hier… Nachdem Kanan mit Nami telefoniert hatte, war diese überzeugt gewesen, dass Zorro seinem Partner helfen musste. Zorro sah das etwas anders, aber nachdem so ziemlich alle Crewmitglieder Nami zugestimmt hatten, war er eingeknickt. Doch das hieß nicht, dass er gerne diese Rolle spielte, nein, wirklich nicht.

„Schon okay“, murrte er leise. „Robin hat gesagt, es könnte von Vorteil sein, wenn Lady Loreen sich noch ab und an irgendwo sehen lässt. Sie meinte, dass es uns vielleicht in Zukunft nutzen könnte, wie damals der Tanz mit dem Koch.“

Ein undefinierbarer Laut des anderen ließ Zorro aufhorchen.

„Du siehst das anders?“

„Hm“, kam es von Dulacre. „Ich widerspreche ihr nicht vollständig, aber es scheint mir doch etwas kurzfristig gedacht, was so gar nicht zu Nico Robin passen mag. Zum einen weiß sie, wie wenig du diese Rolle leiden magst, und zum anderen geht die Welt derzeit davon aus, dass Lady Loreen die Bande zu Falkenauge gekappt hat, nachdem die Samurai aufgelöst wurden.“

„Ist doch egal. Sie meinte, es könnte dir helfen, weil Leute so vergessen könnten, dass du nun wieder ein gesetzesloser Pirat bist, und gut ist.“

Nun lachte Dulacre leise auf und als Zorro sich zu ihm umdrehte, zeigte er ihm dieses herablassende Lächeln, welches Zorro gerade so gar nicht leiden konnte.

„Lorenor, sie führt dich vor. Ihre Argumente sind dünn, dienten vermutlich nur dem Zweck, dass du dich auf das Spiel deiner Crew einlässt.“

Irgendwie überraschte diese Schlussfolgerung ihn nicht sonderlich. Zorro mochte nicht so genial sein wie manche andere, aber selbst für ihn war offensichtlich gewesen, dass die anderen ihn nur hatten überreden wollen. Warum sie so einen Terz gemacht hatten, wusste er allerdings nicht und es war ihm auch egal.

„Und? Dann mach ich halt bei diesem blöden Spiel mit“, meinte er unbeeindruckt. „Ist zwar mega nervig, aber wenn es Kanan, Koumyou und dir so wichtig ist.“

Noch während er sprach, verblasste Dulacres Lächeln und errötend wandte er den Blick ab.

„Was denn? Ist es dir jetzt schon zu viel, wenn ich einfach mal versuche, nett zu sein?“

Immer noch mit roten Wangen, lächelte Dulacre zu ihm hinab, auf eine Art, die Zorro immer etwas peinlich war. „Nun ja, das mag sein. Also, wenn du dir wirklich sicher bist, dann würde ich mich sehr freuen, wenn du mich begleiten würdest. So hätte diese ganze unnötige Zeitverschwendung zumindest etwas Gutes.“

„Hab doch gesagt, dass ich deswegen hier bin“, murrte er und verschränkte die Arme, „und solange ich nichts tun muss, sondern einfach die Zeit absitzen kann, ist das schon okay.“

„Nun ja, es wird dich schon fordern, denn ich würde dich bitten, nicht währenddessen einzuschlafen.“ Es war nervig, wie schnell Dulacre wieder in seine besserwisserische Art wechseln konnte.

„Ich kann mit offenen Augen schlafen“, entgegnete Zorro, wohl wissend, dass es ein schwacher Versuch war.

„Aber selbst dann speichelst du bisweilen, und dieses Bild ist nicht unbedingt etwas, was ich der Welt antun möchte.“

„Leck mich doch.“

Er konnte sehen, wie Dulacre missbilligend den Kopf schüttelte, aber dabei auch wieder errötete. Dabei hatte Zorro das mit Sicherheit nicht nett gemeint.

„Was ist denn jetzt los?“

Überrascht sah Dulacre ihn an, seine Wangen nun feuerrot, ehe er ein böses Lächeln zeigte, was Zorro ihm nicht zugetraut hätte: „Dir ist wohl bewusst, dass man dies auch als Einladung verstehen könnte?“

Für einen Moment hatte Zorro keine Ahnung, wovon Dulacre sprach, aber dann verstand er und rollte nur entnervt mit den Augen.

„Ich glaube nicht, dass jemand, der so prüde ist wie du, eine Beleidigung als irgendetwas anderes missverstehen würde“, murrte er kühl.

„Zumindest nicht, wenn es von dir kommt“, stimmte Dulacre zu. „Du magst zwar ein vorlautes Mundwerk haben, aber dafür hast du von anderen Dingen wirklich nicht den Hauch einer Ahnung.“

Ob er damit auf irgendetwas anspielen wollte? Oder neckte er Zorro einfach nur zum Spaß?

„Was auch immer“, zuckte Zorro mit den Schultern. „Aber nur noch mal zum Klarstellen, schlafen, ja?“

Herablassend sah der andere ihn an.

„Nein.“

„Urgh, nicht mal, wenn du redest? Da achtet doch eh niemand auf mich.“

„Nein.“

„Und was ist, wenn…“

„Lorenor“, stöhnte der andere auf, doch seine Mundwinkel zuckten. „Meinetwegen gebe ich dir ein Zeichen, wenn es irgendwann zwischendurch eine unauffällige Möglichkeit gibt, damit du in Gottes Namen etwas dösen kannst, wenn dir das so wichtig ist, aber ansonsten übst du dich bitte darin, wach zu bleiben. Du könntest die Zeit nutzen und dein Observationshaki schärfen.“

Zorro seufzte nur tief, während der andere begann, irgendwelche Papiere wegzuräumen.

„Worum geht es bei dieser Versammlung überhaupt?“

„Hat Kanan dir das nicht erklärt?“

„Doch, aber ich hab’s vergessen.“

„Warum überrascht mich das nicht? Es ist eine Versammlung, die mehrere Vertreter verschiedener Inseln ersucht haben, die unter der Schirmherrschaft meines Namens stehen. Sie äußern große Sorge, was die Auflösung der Samurai für meinen Namen und somit für sie bedeuten möge. Das ich alte Tätigkeiten aus meiner Jugend wieder aufgenommen habe, verunsichert sie anscheinend noch mehr, weshalb Herr Koumyou es als notwendig erachtet hat, dass ich persönlich bei diesem Treffen anwesend bin – obwohl er ja nicht ohne Grund mein Stellvertreter ist - um diesen aufgeblasenen Wichtigtuern zu zeigen, dass ihre Sorgen irrsinnig sind. Dabei wird die Anwesenheit meines Partners durchaus von Vorteil sein.“

„Urgh, das hört sich ja richtig langweilig an“, urteilte Zorro, obwohl er schon etwas neugierig war über Dulacres Zeit als Marinejäger, die der andere wie ein veraltetes Hobby abtat und immer recht wenig drüber sprach.

Ebendieser sah von seinen Unterlagen auf und schenkte Zorro dieses böse Grinsen, welches er gut leiden konnte.

„Du warst schon immer ein schlechter Lügner.“

„Aber es wird trotzdem langweilig, oder?“

„Es ist kein Kampf, das sollte deine Frage beantworten.“

 

Ja, das hatte seine Frage beantwortet, nicht, dass er es nicht vorher gewusst hatte.

Zorro hatte eigentlich nie das Gefühl gehabt, besonders gutmütig zu sein, nicht wie Chopper, Vivi oder der Koch, aber gerade wusste er, dass er ein verdammter Heiliger war!

Vielleicht hatte er es verdrängt, vielleicht hatte er es vergessen, vielleicht fiel es ihm erst jetzt auf, da er so viel Zeit wieder auf hoher See und mit seiner Crew verbracht hatte, aber verdammt nochmal, was waren diese feinen Pinkel nervig; Dulacre war da keine Ausnahme. Aber Zorro musste ihm immerhin zugutehalten, dass er noch diese andere Seite hatte, und wann immer Zorro dessen Blick bemerkte, wusste er, wie entnervt der andere ebenfalls war. Dulacre mochte ein feiner Pinkel sein, aber das hielt ihn nicht davon ab, die anderen feinen Pinkel zu verachten, wahrscheinlich sogar deutlich mehr als Zorro es tat.

Immerhin waren die meisten von ihnen etwas diskreter in ihren Fragen und Aussagen gewesen als damals der Bürgermeister, sodass Zorro Verwirrung und Misstrauen einfach ignorieren konnte, während Dulacre darauf ähnlich indirekt antwortete, was bedeutete, dass Zorro nicht wirklich verstand, was der andere antwortete; was ihm auch ziemlich egal war.

Nach unnötig vielen Händeschütteln und Verbeugen saß er nun hier, neben Dulacre und das war der größte Grund, warum Zorro überzeugt davon war, ein verdammter Heiliger zu sein. Lady Loreen hatte den Ruf einer höflichen, adretten Adelsdame. Falkenauge den eines ruchlosen, aufmüpfigen Piraten.

Während Zorro also da saß, in seinen unbequemen Klackerschuhen, seinem luftabschnürenden Mieder, zurechtgemacht wie ein Pudel auf einer Hundeausstellung, hing der ehemalige Samurai neben ihm auf dessen Stuhl, die Füße auf den Tisch vor sich geworfen, auf den hinteren zwei Beinen seines Stuhls kippelnd, die Arme verschränkt und starrte die Redner nieder, wie er es sonst nur bei Marineveranstaltungen getan hatte.

Am Anfang war Zorro irritiert gewesen, schließlich hatte er gedacht, dass der Sinn dieser Veranstaltung wäre, die Inselvertreter zu überzeugen, dass der Name Mihawk immer noch ein verlässlicher Vertragspartner sei, wofür Dulacres Verhalten wahrscheinlich nicht gerade förderlich war – aber was wusste Zorro über sowas schon? – mittlerweile war er nur noch angepisst.

Es war einfach nicht fair. Er machte diesen Mist Dulacre zuliebe mit, der sich selbst in diese Scheiße reingeritten hatte. Aber während Zorro sich noch nicht mal angenehm gegen seinen Stuhl lehnen konnte, ohne dass das Mieder in seinen Rücken drückte, hatte dieser verdammte Mistkerl neben ihm noch nicht mal seinen hässlichen Hut mit der hässlichen Federboa abgesetzt.

Gerade bemerkte er wohl Zorros bösen Blick zum beschissenen Spiel, denn ein Grinsen huschte kurz über seine Züge, während er Zorro wortlos daran erinnerte, dass er sich freiwillig entschieden hatte, diese Rolle nochmal zu spielen, aber noch bevor Zorro überlegen konnte, ob er sich einfach hier vor aller Augen verwandeln sollte, nur um diesem Mistkerl das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, wurde eine kurze Pause ausgerufen.

Es dauerte nur wenige Minuten, da hatte sich der Saal fast vollständig geleert und Zorro begrüßte die Möglichkeit, sich etwas bewegen zu können, bis er sich daran erinnerte, auf welchen Schuhen er das musste.

„Was für ein Mist“, knurrte er leise, während er etwas abseits mit dem ehemaligen Samurai stand, der gegen eine Säule lehnte und die Fremden in Zorros Rücken durchdringend beobachtete, als würde er ein Attentat erwarten. „Und du bist echt ein Arsch, weißt du das?“

„Ich sagte doch, dass deine Begleitung zumindest etwas Gutes hätte. Ich sagte nicht für wen oder was, aber dank dir amüsiere ich mich köstlich“, bemerkte er herablassend, während er weiterhin absolut ausdruckslos den fast leeren Saal begutachtete; die meisten Anwesenden hatten sich in den breiten Korridor zurückgezogen. „Aber du solltest ein bisschen auf deine Wortwahl und deine Mimik achten. Denke daran, dass auch, wenn die meisten Reporter draußen warten müssen, ein paar wenige Zutritt erhalten haben. Wir wollen doch nicht, dass die Massen denken, ich hätte dich entführt.“

„Ach, wollen wir nicht?“, murrte Zorro nur sarkastisch.

„Vielleicht solltest du dich ein bisschen unter die Leute mischen, deine Rolle spielen und den Argwohn mancher mit deinem ganz eigenen Charme entwaffnen.“

Zorro verstand kaum, was der andere meinte.

„Warum mischst du dich nicht unter die Leute?“, widersprach er daher, teils aus Prinzip, aber auch, weil er es wirklich nicht verstand.

Nun schaute Dulacre kurz zu ihm hinab, ehe er wieder aufsah.

„Aus genau dem gleichen Grund – abgesehen davon, dass ich solche Veranstaltungen nicht ausstehen kann und unnötigen Small Talk verachte – weil ich meine Rolle spiele.“

„Ach?“, zweifelte Zorro verdrießlich.

„Natürlich. Die Vertreter, die mich je kennen gelernt haben, sehen in mir Arroganz, Überheblichkeit, Ungehorsam und Widerspenstigkeit. Sollte sich mein Verhalten jetzt plötzlich verändern, würden sie noch misstrauischer werden. Für sie bin ich der rebellische Sohn aus adeligem Haus, der zu früh seiner Aufgabe anvertraut wurde und auf Abwege geraten ist. Aber das ist ihnen gleich, solange das Adelshaus besteht und mein Name und meine Macht ihnen Schutz und Einfluss sichern. Meine Aufgabe hier ist nicht, sie zu besänftigen oder ihnen das Gefühl zu vermitteln, ich sei ein akzeptabler Mensch, sondern zu zeigen, dass ich genauso gefährlich und grausam bin, wie sie mich kennen.“

Einen Moment hörte Zorro dem einfach nur zu.

„Warum musste ich dann mit?“, meinte er, eher nachdenklich als vorwurfsvoll. „Wenn es eben nicht darum geht, dich menschlicher erscheinen zu lassen?“

„Ist das nicht offensichtlich? Falkenauge gebietet Lady Loreen Schutz, selbst als abtrünniger Schwerverbrecher, während diese immer noch in der gehobenen Gesellschaft willkommen ist. Deine Anwesenheit ist das Sinnbild für das, was diese Leute hier wollen. Meinen Namen, meine Macht, mein Geld und meinen Einfluss, ohne aber ihren Status, ihre Legalität oder ihr Ansehen zu gefährden. Wenn ich ihnen das bieten kann, werden sich ihre Sorgen verstreuen; meine Menschlichkeit spielt für sie dabei keinerlei Rolle.“

„Mann, das ist echt wieder mal anstrengend“, murrte Zorro, ehe er etwas verstand. „Entführt. Deshalb hast du das gesagt. Meine Rolle kann nur funktionieren, wenn die Leute denken, dass Lady Loreen freiwillig bei Falkenauge ist und nicht dazu gezwungen oder sonst was wird.“

Dies brachte ihm ein anmerkendes Nicken des anderen ein – nicht, dass er sich darum scherrte – und Dulacre begegnete wieder seinem Blick.

„Ganz genau. Es spielt uns in die Karten, dass dein letzter Auftritt ohne meine Begleitung war und – zumindest laut der Zeitung – in einem Fiasko endete. Für den ein oder anderen könnte dies der Grund sein, warum Lady Loreen wieder zurückgekehrt ist, Schutz gesucht hat, weil sie ohne Falkenauge in dieser grausamen Welt nicht überstehen kann. Auch dies wieder ein Sinnbild für ihre derzeitige Situation.“

„Ich kotz gleich.“

„Aber wenn du darüber hinaus zeigst, dass diese Liaison in deinem Sinne ist und aus freien Stücken eingegangen wurde, dann werden die unbewussten, inneren Widerstände der Argwöhnischen bröckeln“, sprach der andere weiter und ignorierte Zorros Kommentar, „und genau aus diesem Grund habe ich dich mitgenommen.“

Zorro wollte dem anderen an den Kopf werfen, wie beschissen sein Charakter war, was Dulacre natürlich wusste, da ertönte ein lauter Gong und alle wurden aufgefordert, ihre Plätze einzunehmen.

Also saß Zorro wieder mal da und langweilte sich zu Tode, für gefühlte Stunden und sehnte die nächste Pause – wenn schon nicht das Ende dieses gebrauchten Tages – herbei.

Doch sie ließ auf sich warten und als sie endlich kam, wiegelte er Dulacre mit wenigen Worten ab, denn dieser Körper hatte noch einen weiteren entscheidenden Nachteil gegenüber seines echten. Die Blase war beschissen klein!

Eiligen Schrittes - also so schnell er auf diesen Hacken laufen konnte, ohne dass alle ihn verstört angucken würden - eilte er zu den pompösen Scheißhäusern und hoffte, dass die Schlange nicht unendlich sein würde.

Er hatte Pech.

Dieses Mal erinnerte Zorro sich zwar rechtzeitig daran, welche Toilette er aufsuchen musste, aber er hätte sie auch nicht übersehen, da die Frauen bis nach draußen standen. Leise seufzend reihte er sich ein. Noch so ein Problem, von dem er nie gedacht hätte, dass er sich je damit würde herumschlagen müssen.

Und das Zweite folgte auf dem Fuße, denn kaum hatte er sich hinten angestellt, erkannte ihn natürlich die Ersten und sofort begannen sie, auf ihn einzureden, manche waren zurückhaltend, aber die meisten von ihnen waren ihm deutlich zu neugierig. Zorro konnte nicht wie Dulacre mit Finesse und indirekten Aussagen umgehen, außerdem hatte er überhaupt keinen Bock, sich die Mühe zu machen, irgendetwas zwischen irgendwelchen Zeilen zu lesen, aber er setzte sein falsches Lächeln auf und tat das, weshalb er mitgekommen war.

Doch sehr schnell, stellte er fest, dass es einfacher war, seine Rolle zu spielen, wenn es sich um nur um einen kurzen Wortwechsel handelte, dem man sich leicht entziehen konnte, aber hier und jetzt konnte er nicht einfach weg und die Themen der Damen waren deutlich vielfältiger als das, was er normalerweise als Lady Loreen gewohnt war.  Sollte das also die Art sein, wie er auffliegen würde? Weil er zusammenhanglosen Gesprächen über Make-Up, Kriegsverbrechen und Wirtschaftskrisen auf einem Klo nicht folgen konnte? Dabei wollte er doch einfach nur seine Blase erleichtern.

Quälend langsam bewegte sich die Schlange vorwärts und Zorro fragte sich, ob er es überhaupt rechtzeitig bis zum nächsten Gong zurück in den Saal schaffen würde, nicht sicher, ob er es überhaupt versuchen wollte.

Endlich hatte er es in den Vorraum der Damentoilette geschafft, aber auch, wenn ihn seine Crew an chaotische Situationen im Bad bereits gewöhnt hatte, so überraschte es ihn dennoch, dass es bei diesen feinen Damen ganz ähnlich ablief; irgendwie beruhigend.

„Lady Loreen, möchten Sie ein Pfefferminz?“

Überrascht sah er von seinem unfreiwilligen Gespräch über die vorangegangene Sitzung auf, als irgendeine Dame ihm ein kleines Döschen hinhielt und es öffnete.

„Uhm, nein da…“

Brauchen Sie Hilfe? Nehmen Sie eine weiße Pastille

Verwirrt starrte er dieses Zettelchen an, welches auf der Innenseite der kleinen Dose klebte – und schloss aus dem Zusammenhang, dass es sich bei Pastillen um die vielen kleinen weißen und grünen Pfefferminzbonbons handelte – und es dauerte einen Moment, bis er kapierte, was diese Frau da tat, und es dauerte noch einen Moment, bis er die Hintergründe erfasste, die Dulacre ihm in ihrem Gespräch vor wenigen Stunden erst erläutert hatte.

„Was soll dieser…?“

Er begegnete dem Blick der Dame, die ihm ein höfliches Lächeln schenkte, aber es erreichte ihre Augen nicht. Sie erinnerte ihn an Nami, an Kanan, und er verstand, dass diese Frau sich wohl wirklich Sorge um ihn machte. Da kapierte er, dass sie versuchte, ihm einen möglichst unauffälligen Weg der Hilfesuche zu geben, da sie wusste, dass die Augen und Ohren eines ehemaligen Samurai überall sein konnten. Und dann wurde ihm bewusst, dass diese Frau sich unter anderem Umständen mit so einer Aktion wirklich in Gefahr bringen könnte.

Hätte sie das in der letzten Pause gemacht, wäre Zorro sich wohl verarscht vorgekommen und hätte nicht kapiert, was sie wollte, aber gerade wurde ihm bewusst, dass Dulacre absolut Recht hatte und diese Frau – wie vermutlich die meisten hier – wirklich dachten, dass er das hilflose Anhängsel Falkenauges war, ein Vogel in einem goldenen Käfig. Diese Frau brachte sich willentlich in Gefahr, um Zorro helfen zu wollen, aber auch, wenn er das respektierte, so machte es ihn auch wütend, diese ganze Situation machte ihn richtig wütend.

Erst nach einer Sekunde wurde ihm bewusst, dass immer mehr Augen auf ihn gerichtet waren und er sich langsam etwas einfallen lassen sollte. Wieder mal war er versucht, sich einfach hier und jetzt zu verwandeln, aber wieder mal schluckte er seine Zorn herunter und spielte mit.

„Vielen Dank“, erwiderte er ihr Lächeln und nahm sich ein grünes Bonbon, zeigte es bewusst deutlich, ehe er es sich in den Mund steckte – es war eklig süß, selbst für Pfefferminze – und schloss dann die dargebotene Dose. „Möchten Sie mich etwas fragen? Sie können ganz offen mit mir reden, wir sind doch hier unter uns.“

Er wusste nicht, was er erwartet hatte, vielleicht einen überraschten Blick, vielleicht eine zögerliche Frage, aber mit Sicherheit nicht ein halbes Dutzend Frauen, die sich um ihn scharrten und ihn nun mehr oder weniger diskret fragten, was denn zwischen Lady Loreen und Falkenauge passiert sei, ob er Hilfe bräuchte, ob er entführt worden wäre, ob er krank wäre und noch so viel mehr.

Minimal überfordert stand er da, so perplex von all diesen Fragen, dass er sie kaum beantworten konnte. Doch mit jeder neuen Frage wurde er wütender und er hatte gar keinen Bock mehr, dass alles kommentarlos runterzuschlucken. Zum Glück wurde er dann erlöst, als er endlich an der Reihe war, und schnell verschwand er in seine halbe Sekunde Frieden. Wobei es ihn deutlich mehr Zeit kostete, sich aus diesem vermaledeiten Fummel zu befreien.

Es nervte ihn, wie sie alle taten, als könnte er sich nicht selbst verteidigen, nicht über sich selbst bestimmen. Sie taten so, als wäre er hilflos Dulacre ausgesetzt, als würde Dulacre ihm zu all dem hier zwingen, und er merkte, wie es ihn anpisste, richtig anpisste. Es mochte gut gemeint sein, aber sie machten sich diese Sorgen nur, weil sie ihn nicht kannten, nur diese Lügengestalt kannten, welche die Zeitungen, welche Eizen, welche nicht zuletzt Dulacre und er selbst aus Lady Loreen geformt hatten. Nicht eine von ihnen würde so einen Mist denken, wenn sie ihn wirklich kennen würden.

Als er ans Waschbecken trat, konnte er die geflüsterten Worte hören, ihre Blicke sehen, es in ihren Fragen wahrnehmen, und auch, wenn die meisten von ihnen es wohl freundlich meinten, so machten sie ihn nur noch wütender.

Zügig verließ er das Bad und stakste zurück in den Versammlungsraum, doch jetzt bemerkte er es erst, diese Augen, die auf ihm lagen, manche herablassend, manche mitfühlend, Getuschel hinter vorgehalter Hand, aber laut genug.

Auch das hatte er vergessen, verdrängt, vielleicht nie so deutlich wahrgenommen. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie die Welt ihn in diesem Körper sah. Vielleicht hatte es sich auch nochmal verändert, seitdem Dulacre seinen Titel als Samurai verloren hatte, doch obwohl es nur eine Rolle war, nur dem Zweck gedient hatte, die Verbindung zwischen Lorenor Zorro und Lady Loreen zu verschleiern, merkte Zorro, dass er es nicht abhaben konnte.

Ja, Lady Loreen war nur eine Kunstfigur, mochte ja sein, aber er war immer noch selbst in diesem Körper und selbst wenn nicht, er fand es absolut beschissen, dass die Welt nicht wahrhaben wollte, dass die Beziehung zwischen Lady Loreen und Falkenauge auf Augenhöhe ablaufen konnte.

Wütend stapfte er zu seinem Platz, gerade noch rechtzeitig, um den lauten Gong zu hören, ignorierte Dulacres Versuch, ihn anzusprechen. So saß er da und brodelte innerlich.

Immer wieder kamen ihm die Worte des Kochs in den Kopf. Tja, wie sollte die Welt sehen, wie er wirklich war, wenn er immer sein Bestes tat, dies zu vermeiden?

Er wusste nicht, ob es etwas Gutes oder etwas Schlechtes wäre, wenn die Welt die Wahrheit herausfinden würde, und er wusste auch immer noch nicht, ob er es überhaupt wollte, schließlich hätte es nicht nur Vorteile, nein, je nach Gegner hätte es deutliche Nachteile für ihn. Taktisch gesehen war es wohl klüger, wenn nicht jeder Vollidiot seine Schwachstelle kannte. Dennoch hatte er auch echt keinen Bock mehr sich diesen dummen Gerüchten aussetzen zu müssen, egal welcher Körper. Er musste das ändern. Nein, er würde das ändern, heute, ein für alle Mal. Auch, wenn er noch keine Ahnung hatte, wie er das umsetzen sollte.

Vielleicht war der letzte Vortrag gefolgt von der letzten Diskussionsrunde deutlich kürzer als die vorrangegangenen gewesen, vielleicht war Zorro auch nur abgelenkt gewesen, aber irgendwann erhoben sich alle und dieser Teil des Tages war geschafft. Jetzt musste Zorro nur noch das Bankett über sich ergehen lassen und dann konnte er endlich aus diesen Klamotten raus. Aber vorher musste er noch eine weitere Sache irgendwie überstehen.

„Du scheinst ja noch schlechter gelaunt als zu Beginn“, bemerkte Dulacre leise, während er Zorro in den unnötigen Mantel half, den er für die zehn Meter durch den Vorhof zum Restaurant tragen musste.

„Naja, du hast doch gesagt, ich solle mich unter die Leute mischen“, murrte Zorro und schenkte vorbeigehenden Anzugmännern ein freundliches Lächeln, ehe er Dulacre niederstarrte.

„Ach, dir war vorher nicht bewusst, wie sie von dir reden“, stellte Dulacre zutreffend fest, doch bevor Zorro etwas entgegnen konnte, kam eine großgewachsene Dame vorbei und richtete ein paar unwichtige Fragen an den ehemaligen Samurai, welcher diese auf seine übliche herablassende Art beantwortete, ehe er sich einfach abwandte und Zorro mit einer einladenden Geste den Weg wies.

Innerlich mit den Augen rollend, folgte Zorro diesem Angebot und schritt an Seite des Herrn der fünf Inseln den breiten Korridor entlang. Wieder konnte er diese Blicke sehen, das Getuschel hören.

„Weißt du, was mich an meisten anpisst?“, entkam es ihm so leise, dass niemand außer Dulacre direkt neben ihm es hören konnte.

„Soll ich eine Auflistung erstellen?“ Der andere schien trotz des nervigen Tags recht gut gelaunt. „Chronologisch oder nach Alphabet?“

„Wenn ich dir jetzt hier eine reinhaue, meinst du, sie würden aufhören, Lady Loreen als hilfloses Spielzeug zu sehen?“

„Wohl eher nicht“, entgegnete der andere, der Zorros Worte tatsächlich ernst nahm. „Es würde wie ein verzweifelter Selbsthilfeversuch wirken, dem ich mich natürlich in Gesellschaft nicht erwehren würde. Aber gewiss würden viele sich in ihren Vermutungen bestätigt sehen, wenn Lady Loreen danach wieder für mehrere Wochen oder gar Monate in der Öffentlichkeit nicht auftreten würde.“

Zorro schnalzte nur missbilligend mit der Zunge. Dann traten sie nach draußen und wurden sofort von unzähligen Kamerablitzen und lauten Rufen der Reporter begrüßt, die Stellungnahmen von Dulacre und Inselvertretern haben wollten, die Posen haben wollen, die Interviews und Antworten wollten.

Dulacre neben ihm seufzte leise auf, ignorierte sie und schritt weiter.

„Hey, warte mal“, murrte Zorro und verwundert sah Dulacre zu ihm hinab. „Komm mal her.“

„Was ist denn? Lass uns drinnen weitersprechen, nicht hier… vor ihnen.“

Zorro schüttelte den Kopf und winkte den anderen zu sich hinunter. Missbilligend trat der ehemalige Samurai an ihn heran und neigte leicht den Kopf, damit Zorro ihm besser ins Ohr flüstert konnte.

„Bitte, was auch immer du mir zu sagen hast, das hier ist nicht…“

Es brauchte nur eine Sekunde. Zorro packte den anderen am Hinterkopf, mit der anderen Hand Dulacres Handgelenk, zog ihn noch näher und dann knallte er ihre Lippen aufeinander.

Er konnte die Panik in den Augen des anderen sehen, der sich erst wegziehen wollte, aber Zorro bedeutete ihm wortlos, das nicht zu wagen, bevor er selbst seine Augen schloss, Dulacre nicht loslassend.

Die plötzliche Stille, die für zwei ganze Herzschläge anhielt, dröhnte in seinen Ohren, ehe die Kameras wie wild klickten und ein lautes Meer an Stimmen unverständliche Dinge brüllte.

Im nächsten Moment ließ Zorro den anderen los und beobachtete breit grinsend, wie Dulacre puterrot auf zwei Schritte Abstand sprang. Doch Zorro war noch nicht fertig. Während Dulacre noch verdaute, was gerade passiert war, packte Zorro seine Hand und zog ihn mit sich zu den Treppen, die zum Restaurant heraufführten.

 

„Was sollte das, Lorenor?!“, herrschte Dulacre ihn an, kaum dass die Zimmertüre zufiel. Hatte sich diese Worte vermutlich das ganze Essen über zurechtgelegt. „Wie konntest du so etwas tun? Du weißt doch, wie ich…!“

„Komm mal runter, es war nur…“

„Ein Kuss! In der Öffentlichkeit! Vor Kameras! Ist dir nicht bewusst, was das bedeutet?!“ Dulacre holte tief Luft und schritt durch den Raum, fuhr sich durchs Haar, offensichtlich erschüttert. „Peinlich und unangebracht. Ich dachte, du wolltest mich unterstützen, und dann stellst du mich so bloß. Du weißt, was ich von Intimität in der Öffentlichkeit halte, und nun wird es morgen in allen Zeitungen sein, wie…“

„Wie Lady Loreen Falkenauge küsst, genau“, murrte Zorro kühl und stellte sich dem anderen in den Weg, damit er aufhören musste, herumzutigern.

„Wieso hast du das getan? Wolltest du mich vorführen? War dies eine Art Racheakt?“

„Jetzt reg dich ab und hör verdammt nochmal zu!“ Zorro war überrascht, wie ehrlich bestürzt der andere klang. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Dulacre sich so aufregen würde, vielleicht hatte er Dulacres Standesdünkel oder was auch immer es war unterschätzt. Kopfschüttelnd seufzte er und verschränkte die Arme.

Mitten im Luftholen unterbrach der andere sich, schürzte die Lippen und wandte den Blick ab.

„Na denn, erkläre dich, Lorenor. Wieso wolltest du mich so blamieren?“

Laut stöhnte Zorro auf. „Lass dieses Drama. Ich hab dich nicht blamiert, sondern genau das gemacht, was du wolltest.“

„Ha!“, kam es ungläubig von dem anderen mit zuckenden Mundwinkeln. „Und wie kannst du auch nur eine Sekunde…?“

„Weil nicht jeder so tickt wie du!“, unterbrach Zorro ihn hart. „Ich weiß, dass du prüde wie sonst was bist und ich weiß, dass dieser Mist dir mit Sicherheit unangenehm war, aber genau deshalb wusste ich, dass es funktionieren würde.“

Die Panik und Missbilligung war etwas aus Dulacres Gesicht gewichen und misstrauisch begegnete er Zorros Blick, während er die Arme verschränkte.

„Wie meinst du das? Das was funktionieren würde?“

Zorro suchte nach den passenden Worten.

„Also, um es kurz zu machen. Du wolltest, dass die Leute nicht mehr denken, Lady Loreen wäre gezwungenermaßen bei Falkenauge, und mich pisst an, dass sie alle denken, du könntest mich zu irgendetwas zwingen, als wäre ich dir unterlegen, nur irgendein hilfloses Spielzeug.“ Er schnaubte auf. „Also habe ich genau das gemacht, was du nie tun würdest – nicht mal zur Show – und alle Bilder werden es genauso zeigen. Sie alle werden zeigen, dass Lady Loreen den Kuss initiiert hat, dass Falkenauge überrascht, verlegen und peinlich berührt war.“

Er begegnete dem Blick des anderen ernst.

„Ja, ich weiß, es mag dir unangenehm sein, aber dieser beschissene Kuss zeigt, dass Lady Loreen freiwillig bei Falkenauge ist, und dass ich nicht dein hilfloses Spielzeug bin, sondern dein ebenbürtiger Partner!“

Tief holte er Luft, wusste nicht, was er erwarten sollte, während sie einander anstarrten in gefühlten Minuten der Stille.

Doch dann entkam Dulacre ein seltsamer Laut, der fast einem überraschten Auflachen glich. Er strich sich durch Haar und Bart, verweilte mit Daumen und Zeigefinger am Kinn und dann fiel sein Blick wieder auf Zorro.

„Was denn?“, murrte Zorro. Dieser Blick war ihm unangenehm und er konnte nicht einschätzen, was diese Reaktion bedeuten sollte. Er hatte nicht unbedingt beabsichtigt, den anderen in eine unangenehme Situation zu bringen, aber er war tatsächlich ziemlich überzeugt von seinem Plan, und es war ja auch nicht so, als ob Dulacre so einen Mist noch nie mit Zorro abgezogen hatte.

Als hätte der andere seine Gedanken gelesen, zeigte er plötzlich dieses überhebliche Grinsen, welches Zorro schon so halbwegs leiden konnte.

„Ich scheine wirklich einen schlechten Einfluss auf dich zu haben, Lorenor. Oder hat dich der Coup deiner Crew auf Maribelle zu einem solchen Verhalten inspiriert?“

„Hä? Wovon redest du?“

„Na, von deinem Kalkül, du hast die Massen und mich analysiert, mich manipuliert, zu meinem eigenen Wohl, wenn auch nicht ganz uneigennützig.“ Dulacre zuckte mit den Schultern und schritt dann durch den Raum zu einem Sekretär mit Alkohol. „Es ist, als hättest du dich meines Verstandes bedient, um diesen Plan zu entwickeln. Und du hast Recht, er wird ein voller Erfolg sein. Der erste richtige Kuss von Lady Loreen und Falkenauge in der Öffentlichkeit, kurz nachdem Gerüchte sich verbreiteten, er würde ihre missliche Lage ausnutzen. Tatsächlich hätte ich es nicht besser machen können und tatsächlich hätte ich es nie getan.“

Er wandte sich wieder um und bot Zorro ein Glas mit goldener Flüssigkeit an.

„Allerdings war der Preis doch recht hoch. Du hast mich von meiner eigenen Medizin kosten lassen und sie schmeckt wahrlich bitter. Nicht oft passiert es, dass jemand es schafft, mich zu manipulieren. Du hast mich darüber hinaus auch noch bloßgestellt. Ein durchaus grausamer Plan.“

„Du übertreibst“, murrte Zorro und packte das Glas. „Sorry, ich wusste nicht, dass es dir so unangenehm sein würde, und ich hab auch nicht wirklich versucht, hier irgendein Meisterwerk auf die Beine zu stellen. Es war einfach nur eine Idee und ich wusste, du würdest sie ablehnen. Aber hey, ich überlebe dieses Kleid hier und sämtliche Artikel, die über mich verfasst werden. Ich finde, da bist du mit einem Kuss noch ziemlich gut weggekommen.“

„Da gehen unsere Meinungen wohl ziemlich auseinander“, seufzte der andere und ließ sich auf einen breiten Sessel fallen. „Wie dem auch sei, wie lange hast du noch vor, zu bleiben?“

„So lange, wie ich muss“, murrte Zorro nur und tat es Dulacre gleich.

„Und das soll bedeuten?“

„Na, die anderen sind weitergesegelt, nur für den Fall, dass dein Treffen hier die Marine auf den Plan rufen würde.“

Dulacre schnaubte auf.

„Sie verlassen sich also darauf, dass ich dich morgenfrüh hinterher bringe?“

„Machst du’s nicht?“

„Ich habe auch nicht unbegrenzt Zeit, weißt du?“

Zorro grinste, wusste, dass der andere es nicht ernst meinte.

„Aber ich bin schon überrascht“, kam es dann von Dulacre, der sein Glas begutachtete. „Mir ist bewusst, dass Lady Loreen dir eher ein Dorn im Auge ist als alles andere. Ich hätte nie gewagt, dich in dieser Gestalt zu küssen.“

Wieder mal verstand Zorro ihn nicht.

„War es etwa ein Problem für dich?“, fragte er also nach.

„Was? Nein, nein, zumindest nicht dieser Teil war daran problematisch“, wiegelte der andere direkt ab und begegnete seinem Blick. „Ich hatte nur nicht erwartet, dass du so etwas nur für einen Plan bereit wärest zu tun, erst recht nicht in dieser Gestalt.“

„Keine Ahnung, wovon du redest“, murrte Zorro und nippte an seinem Whiskey. „War ja nicht unser erster Kuss, oder? Und ganz gleich welcher Körper, ich bin immer noch ich, und ich habe kein Problem, dich zu küssen. Du bist derjenige, der daraus ein Problem gemacht hat.“

„Weil spätestens übermorgen die ganze Welt sehen wird, wie wir Intimitäten miteinander austauschen. Ist dir das nicht unangenehm?“

„Ist mir scheißegal, was die Welt sehen wird“, widersprach er. „Aber langsam nervt es mich, wie sie alle meinen, sich einmischen zu müssen, wie sie glauben, unsere Beziehung beurteilen zu können. Ich schäme mich nicht, weder dich zu küssen noch dein Partner zu sein, und wenn die Welt schon was sehen will, dann halt das. Hauptsache ich kriege keine nervigen Rettungsangebote mehr, während ich einfach nur aufs Klo will.“

Das sicherte sich einen überraschten Blick des anderen.

„Oh, das ist also passiert?“, fragte er belustigt nach, obwohl er zunächst wohl etwas anderes hatte sagen wollen.

Mit einem leisen Seufzen begann Zorro zu erzählen, nahm es bereitwillig hin, wie Dulacre ihn auslachte, gönnte es ihm. Denn er wusste, dass spätestens in zwei Tagen, wenn sie die Thousand Sunny erreichen würden, es Dulacre sein würde, der im Boden versinken wollte, während Zorros Crewmitglieder ihm die Zeitung unter die Nase reiben würden.

Schmunzelnd leerte er sein Glas. Der verdammte Koch hatte wohl Recht gehabt. Es war an der Zeit, dass Zorro der Welt zeigte, wer er wirklich war, und ganz gleich welcher Körper, er war weder hilflos noch schüchtern. Heute war ein erster Schritt in diese Richtung gewesen, ungeplant, zu Dulacre Lasten, aber für einen Moment konnte Zorro diesen Körper etwas besser leiden und er wusste, dass dieses Gefühl wiederkommen würde, sobald er die Zeitung sehen würde.

Doch sein Gedankengang wurde unterbrochen, als Dulacre ihm plötzlich dieses sanfte Lächeln schenkte und direkt wurden Zorros Wangen warm.

„Was?“, murrte er.

„Ach nichts, ich habe nur ein bisschen über deine Worte nachgedacht“, bemerkte der andere. „Du sagtest, dass du der Welt zeigen wolltest, dass du mein Partner bist. Nicht, dass Lady Loreen Falkenauges Partner ist. Es war keine Show, zumindest nicht nur, oder?“

Seufzend rollte Zorro mit den Augen und erhob sich.

„Du redest schon wieder irgendeinen Schwachsinn. Lady Loreen und Falkenauge sind mir sowas von egal. Ich habe diesen ganzen Mist nur abgezogen, weil du mein Partner bist. Und jetzt komm mit!“

„Wohin?“ Vor einer Sekunde war der andere noch errötet, jetzt schaute er Zorro misstrauisch hinterher.

„Zum Bett, ich bin müde und du musst mir aus diesem beschissenen Kleid raushelfen. Nami hat es so eng geschnürt, ich hab das Gefühl, dass mir die Schulterblätter absterben.“

Mit einem leisen Lachen folgte ihm der andere und irgendwie war Zorro trotz allem deutlich besser gelaunt als noch am Morgen. Nein, wenn er ehrlich war, dann war er richtig gut gelaunt.



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