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Warsong

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Herzlich Willkommen zu diesem neuen Projekt!

Ich will eigentlich gar nicht viel dazu schwafeln, nur vorweg... es ist ein Versuch, mal in eine ganz andere Richtung zu gehen und diverse Erzählstrukturen und Ideen auszuprobieren.
Und wie immer – der Autor freut sich über Unterstützung, Lob, aber auch konstruktive Kritik!

Da das Ganze einen etwas komplexeren Umfang hat, gibt es ein Glossar - unter dem Reiter "Charaktere" zu finden - in dem bestimmte Begriffe der Story genauer erklärt werden.
Damit viel Spaß beim Lesen ;)
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Der Fluch der Macht

„Dort, wo Tod und Teufel tanzen,

ist der Mensch bald nichts als Staub...“
 


 

Heute, 06.12.2069, 19.48 Uhr, Tokio
 

„... war Boa Hancock an diesem Abend überraschend in Asakusa unterwegs, noch dazu in Begleitung des mysteriösen, bisher eher medienscheuen Marco Phoenix, dem Head of Customer Care und Stellvertreter des CEO der Newgate Corp., dem Marktführer im ostasiatischen Raum für Sicherheits- und Militärtechnik. Die beiden wurden beim Abendessen im Baratié gesehen und schienen, Augenzeugenberichten nach, recht vertraut. War dieses Treffen rein geschäftlicher Natur oder bahnt sich da etwa eine neue Romanze der heißbegehrten Popdiva an? Insiderquellen zufolge soll sie inzwischen von ihrem langjährigen Lover und Millionär Aokiji Kuzan getrennt leben und von Dubai zurück nach Tokio gezogen sein...“
 

Marco betrat die Empfangshalle des Newgate-Tower in Ikebukuro und schüttelte den Regen von seinem langen Mantel. Die warme Luft der Heizung schlug ihm entgegen, genauso wie die Stimme der hochmotivierten Sprecherin der Boulevard-News, die auf einem Fernseher hinter dem Tresen der Sicherheitskraft gerade enthusiastisch ihren Text vortrug und zeitgleich einen Schnappschuss von Marco mit Boa Hancock am Arm einblendete. Und schon geht’s los..., seufzte Marco innerlich. Das hat ja wirklich nicht lang gedauert.
 

Er öffnete seinen Mantel und machte sich dann auf den Weg zu dem großen, stämmigen Sicherheitsmann hinüber, der ihn bisher noch gar nicht bemerkt hatte, sondern dessen Augen gebannt an dem Fernseher hingen, während er genüßlich in einen schokoladenüberzogenen Donut biss. Hinter ihm an der Wand flimmerten die Bilder der Sicherheitskameras, die jeglichen Winkel in und um das Gebäude im Blick hatten.
 

Der offizielle Empfang war an diesem Freitagabend längst verwaist, doch der Geruch von Limette und Lavendel hing noch in der Luft, ein Anzeichen dafür, dass Dadan und ihr Team das Gebäude wohl vor nicht all zu langer Zeit verlassen hatten. Dadan war die treue Seele des Hauses und zuständig für Sauberkeit und Ordnung,- sie war ruppig und unbeugsam wie Gestein, aber zuverlässig wie die Gezeiten selbst.
 

Marco überquerte die Zedernholzbrücke des Foyers, unter der sich ein künstlich angelegter Koiteich ausbreitete und mit seiner grünen Bepflanzung und den träge dahingleitenden, schillernden Fischen ein angenehm beruhigendes Ambiente erzeugte. Edward Newgate hatte ein Faible für die japanische Kultur, für Ästhetik und Detailreichtum, daher war er vor zwanzig Jahren von Amerika nach Japan ausgewandert und hatte den Hauptsitz seiner Firma hier neu aufgebaut.
 

»Oh... Mister Phoenix, Sir...«, Jozu schreckte merklich auf, als er Marco nun doch bemerkte und warf den halb aufgegessenen Donut in die Verpackung unter seinem Tresen zurück. Dann wischte er sich die Hände hektisch an seiner Uniform ab und tastete nach der Fernbedienung, um den Fernseher abzuschalten.
 

»Sie habe ich hier heute nicht mehr erwartet.« Er funkelte grimmig durch die gläserne Eingangstür in die Dunkelheit der lauernden Nacht hinaus und murmelte: »Normalerweise sollte man mich auch unterrichten, wenn jemand das Gelände betritt...«
 

»Izou hat mich definitiv bemerkt, aber er wollte wohl nicht stören bei... den Nachrichten«, meinte Marco mit einem schrägen Lächeln. Der Sicherheitsmann zog ertappt den Kopf ein, ein wahrlich seltener Anblick bei Jozu, der mit seinen beinahe zwei Metern Körpergröße, der stämmigen Statur und dem grimmigen Gesicht sonst eher der war, vor dem andere eingeschüchtert das Weite suchten.
 

Jozu verzog peinlich berührt das Gesicht. »Tut mir leid, Sir... ich... also das sollte wirklich nicht so aussehen, als würde ich... es kam gerade ganz zufällig...- egal, haben Sie etwas vergessen? Um diese Zeit sollten doch selbst Sie nicht mehr hier sein müssen.« Jozu schob ihm das Pad mit dem Mitarbeiterregister über den Tresen entgegen.
 

»Ich habe noch einen Termin mit Vater. Er erwartet mich«, erklärte Marco, während er seinen Daumen auf das Pad drückte, um sich im Gebäude anzumelden. »Und eigentlich dachte ich, dass meine Affinität für zu viel Arbeit und zu wenig Freizeit allgemein hin bekannt wäre«, scherzte er selbstironisch.
 

»Naja, das vielleicht schon, aber... wenn man die Chance hat mit der schönsten Frau der Stadt auszugehen, würden sich die Prioritäten bei so einigen Männern doch ziemlich ändern«, meinte Jozu mit einem Augenzwinkern.
 

Marco rieb sich angestrengt mit einer Hand die Augen, während er Jozu das Datenpad wieder entgegen schob. »Es war nur ein Essen. Was die Medien daraus machen, ist einfach lächerlich...«, stellte er frustriert klar. Er wusste schon, warum er sich normalerweise aus der Öffentlichkeit fern hielt und die Fäden lieber im Hintergrund zog. So funktionierte sein Leben und so mochte er es – unkompliziert und kontrolliert.
 

»Sie wissen doch, wie das abläuft, Sir. Sensationsgeile Idioten stürzen sich auf jeden Hauch einer Story und machen daraus die ganz große Show. Gelangweilte Hausfrauen brauchen doch irgendwas, worüber sie beim Tee tratschen können.« Jozu hob Marco die Packung mit den bunt glasierten Donuts entgegen, doch der lehnte dankend ab.
 

»Mir wäre es lieber, die Menschen würden diesen Belanglosigkeiten weniger Wert beimessen...«

Jozu zuckte etwas hilflos mit den Schultern. »Ist vielleicht einfacher, als sich mit den wahren Problemen auseinander zu setzen...«

»Wahrscheinlich.«
 

»Ärgern Sie sich nicht, Sie sind immerhin eine gute Abwechslung zu den andauernden Scorn-Angriffen in der Mongolei oder diese brutalen Morden, die in letzter Zeit so häufig Thema in den Medien waren... gut, dass man dieses Schwein endlich gefasst hat. Hoffentlich darf er in Impel Down verrotten!« Obwohl Jozus Stimme finstere Genugtuung vermittelte, war doch das Schaudern herauszuhören, das sie wohl alle befiel, wenn man über Impel Down sprach.
 

Impel Down kam der Hölle auf Erden wohl ziemlich nah und viele Insassen sagten, dass es schlimmer als der Tod sei – dieses Tiefseegefängnis in der Philippinensee, für MAGs und deren „spezielle Bedürfnisse“ ausgelegt. Von dort gab es kein Entkommen und keine Hoffnung, jemals wieder das Tageslicht zu sehen. Die Gefangenschaft dort war eine endlos währende, eisige Dunkelheit, die zurecht gefürchtet wurde.
 

Allerdings hatte der erst kürzlich von der Staatspolizei Japan verhaftete MAG, den die Medien den „Fear-Killer“ getauft hatten, wahrscheinlich auch nichts anderes verdient, denn einige, ziemlich grausame Morde auf der ganzen Welt gingen vermeintlich auf sein Konto. Nun war er offenbar unvorsichtig geworden, nachdem er so lang unerkannt entkommen war - hatte einfach großspurig und selten dämlich in irgendeiner Bar im Rotlichtviertel mit seinen Taten geprahlt.
 

»Sonst ist alles in Ordnung?« Marco ließ seinen Blick aufmerksam über die Aufzeichnungen der Überwachungskameras schweifen.
 

Draußen spazierte gerade Izou vorbei, der durch die dunkle Kleidung im Regen kaum zu erkennen war, mit seinem Scharfschützengewehr über der Schulter und einem der Wachhunde an der Leine, der speziell darauf trainiert wurde, gestaltwandelnde MAGs aufzuspüren. Der schlanke, dunkelhaarige Mann hob die Hand und winkte grinsend in die Kamera, als wüsste er, dass er beobachtet wurde, bevor er sich zu einem der Wachtürme an der Torzufahrt aufmachte.
 

Izou gehörte auch zu Jozus Team. Der Mann war ein hervorragender Scharfschütze, kybernetisch optimiert durch einige kostspielige optische und auditive Sensoren. Es war beinahe unmöglich ungesehen oder ungehört an ihm vorbei zu kommen.
 

Obwohl Marco wußte, dass in jeder Ecke Kameras hingen, das Sicherheitsteam hervorragend und Jozu ein wirklich ausgezeichneter Sicherheitschef war – ein Rang B Crystallomorph, der seine Haut mit Diamant überziehen und damit beinahe unverwundbar werden konnte – musste man doch jederzeit mit den eigenartigsten Dingen rechnen.
 

Durch Whitebeards schlechten Gesundheitszustand könnten sich so einige MAGs ermutigt fühlen, den Thron und die Herrschaft über Ikebukuro an sich reißen zu wollen. Machtkämpfe unter MAGs waren keine Seltenheit und meist hielt sich die Polizei aus diesen Auseinandersetzungen heraus, solange sich die Kämpfe in Grenzen hielten und keine menschlichen Zivilisten involviert wurden.
 

Erst letzten Monat hatte sich ein junger, hitzköpfiger Pyromant Zutritt zum Gebäude verschafft, um dem großen Whitebeard aus einer spontanen Laune heraus die Lichter ausblasen zu wollen. Eine selten dämliche Mutprobe und schlecht geplant, denn er war Hals über Kopf in eine Sitzung geplatzt und von Jimbei, dem Leiter der Personalabteilung und Hydromant, in hohem Bogen wieder vor die Tür befördert worden.
 

»Natürlich, Sir. Keine besonderen Vorkommnisse. Fossa macht gerade seine Runde durch das Gebäude, um nach dem rechten zu sehen«, berichtete Jozu pflichtbewußt und wischte beiläufig die letzten Krümel des Donuts vom Tresen. Dadan würde ihm sonst wohl auch gehörig die Ohren langziehen und vor der hatte sogar ein Hüne wie Jozu Respekt.
 

»Oh, ich sehe gerade, Miss Kalifa hat sich noch nicht ausgebucht. Wahrscheinlich ist sie noch oben im Büro«, bemerkte Jozu nach einem kurzen Blick auf sein Terminal.
 

»In Ordnung, danke. Gute Schicht, Jozu«, verabschiedete sich Marco und ging zu den Aufzügen. Kaum waren die Türen hinter ihm wieder geschlossen, setzte sich der Lift mit einem seichten Sirren in Bewegung.
 

Ein dezentes Blinken am Rande von Marcos Sichtfeld kündigte einen Anruf an. Er fluchte leise und ein Blick auf die Anruferkennung bestätigte seinen Verdacht – um diese Uhrzeit wagte ihn neben Pops meist nur einer zu stören. Da er aber auch genau wusste, dass Ignorieren nur eine Flut an Textmitteilungen zur Folge hätte, nahm er den Anruf notgedrungen entgegen.
 

Das optische Overlay seiner Schläfenimplantate aktivierte sich und die schmalen Brillengläser glitten über seine Augen, auf die nun das halb durchsichtige Bild von Thatch projiziert wurde. Der Marketingmanager der Newgate Corp. hielt sich in seinem Stadtapartment auf, er lümmelte selbstzufrieden auf seiner ausladenden Wohnlandschaft und grinste mit einem Glas Champagner in die Kamera.
 

Das kostspielige Ambiente hinter ihm bestach durch eine Eisskulptur der Aphrodite des Künstlers Aokiji Kuzan, die in einer dramatisch beleuchteten Glassäule dauerhaft unter den Nullpunkt gekühlt wurde. Marco konnte Thatchs Neigung zu solch extravagantem Schnickschnack noch nie nachvollziehen, aber Geschmäcker waren nun mal verschieden.
 

»Ah, der Mann des Abends...«, schnurrte Thatch und überschlug die Beine lässig. »Das war ja ein Geniestreich, du Fuchs!«, meinte er anerkennend.
 

Thatch wirkte frisch und munter, als wollte er die Stadt noch unsicher machen. Sein kostspieliger, dunkelblauer Anzug wies keine einzige Falte auf, sein braunes Haar war modisch zu einer Tolle gekämmt. Er hätte als die perfekte männliche Besetzung für den Werbespot eines teuren italienischen Parfüms herhalten können. »Erzähl mir alles! Und lass' bloß nichts aus, hörst du?! Ich will jedes schamlose Detail erfahren!«
 

Marco wusste, dass es zwecklos wäre, aber er versuchte sich trotzdem im Spiel des Unwissenden und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Rückwand des Lifts. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Thatch...«
 

»Ach komm schon, jetzt verkauf' mich nicht für dumm!« Auf Thatchs Fingerzeig hin schwenkte der Sichtbereich und offenbarte einen Blick auf den riesigen Flatscreen in Thatchs Wohnzimmer. Darauf flimmerte das Bild von Marco und Boa Hancock durch die Abendnachrichten. »Es ist auf allen Sendern. Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus, mein Lieber. Diese Art Publicity wird unsere Aktien mächtig in die Höhe treiben. Gut gemacht!« Thatch prostete ihm mit seinem Champagner zu.
 

»Himmel Herrgott nochmal... was bitte ist so interessant daran, wenn ich mich mit jemanden zum Abendessen treffe?!«, knurrte Marco ehrlich angenervt. Er mochte dieses Leben in der Öffentlichkeit wirklich nicht – jeder Schritt belauert, jedes Wort aufgezeichnet.
 

Thatch - selbst Pops - war viel eher der Mann für Hochglanzmagazine, für Partys und Benefizveranstaltungen, für Interviews und Präsentationen. Marco war bisher stets der Schatten im Hintergrund gewesen, derjenige, der diskret Kontakte knüpfte und dafür sorgte, dass alles reibungslos und nach Plan verlief.
 

Thatch zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte Marco - oder zumindest das holographische Abbild seines Gesichtes - mit einem Blick, als zweifle er ernsthaft an dessen geistiger Gesundheit. »Ich bitte dich... die Popdiva, gerade frisch getrennt von ihrem langjährigen Lebensgefährten, trifft sich mit einem der wohl begehrtesten und mysteriösesten Junggesellen von Tokio, um zu abend zu essen. Du hast recht, was könnte daran schon interessant sein?!«, untermalte Thatch die eher rhetorische Frage durch ein theatralisches Augenrollen.
 

»Du liest eindeutig zu viel in der Klatschpresse...«, urteilte Marco.
 

»Das ist immerhin mein Job«, belehrte ihn Thatch und seufzte nachsichtig. »Du solltest wirklich öfter mal aus der Firma rauskommen. Noch hält man dich vielleicht für interessant, aber du wirst auch nicht jünger und irgendwann wird aus 'mysteriös und begehrt' ganz schnell 'wunderlich und seltsam', mein Freund.«
 

»Danke für dieses lebensrettende Statement... war's das?«, fragte Marco trocken.
 

Thatch zog die Brauen kritisch zusammen, lehnte sich nach vorn und stellte sein Champagnerglas auf dem Couchtisch ab. Er wirkte ernsthaft konsterniert, als er jetzt die Augen zusammenkniff und ihn forschend musterte. »Warte... Moment... du willst mir echt nichts erzählen?! Nicht mal ein bisschen?!«
 

»Nicht wirklich«, beharrte Marco. »Und außerdem gibt es auch nichts zu berichten.«

»Weißt du, das ist nicht fair! Ich erzähle dir auch von jeder meiner Verabredungen!«, klagte Thatch verschnupft.

»Ja... und das jedes Mal völlig ungefragt«, erinnerte ihn Marco mürrisch.

»Och, komm schon, Marco...-«
 

»Schönen Abend noch, Thatch,« beendete Marco das Gespräch entschlossen und leitete weitere Anrufe auf die Mailbox um. Die Brillengläser glitten zurück in die kybernetischen Hüllen an seinen Schläfen. Wenn es um Klatsch und Tratsch ging, war sein Freund wirklich hartnäckiger als jeder Bluthund, der die Witterung aufgenommen hatte.
 

Der Aufzug war in der vorletzten Etage des Gebäudekomplexes angekommen und Marco betrat das weitläufige Vorzimmer des Geschäftsführerbereiches. Champagnerfarbene Töne waren hier vorherrschend und machten den Raum hell und freundlich. Die gläserne Fassade offenbarte einen spektakulären Blick über das nächtliche Tokio. Noch besser konnte die Aussicht nur aus der obersten Etage des Wolkenkratzers sein, auf der Pops' Penthouse und persönliches Reich lag.
 

Marco trat an die gläserne Front heran und gönnte sich einen Moment der Ruhe, indem er die Hände in die Taschen seiner Anzughose schob und den Blick über die Stadt schweifen ließ. Von hier oben wirkte alles so ruhig und geordnet, die vielen, bunten Reklametafeln und leuchtenden Neonfahrzeuge nur noch wie vage Farbkleckse und verwaschene Lichterstreifen – wild verstreute Sternenhaufen, als würde man auf das Licht einer weit entfernten Galaxie blicken.
 

Das Geräusch von High Heels auf dem polierten Marmorboden riss Marco aus seinen Gedanken und ließ ihn sich umwenden. Wenn Jozu ihn nicht vorgewarnt hätte, wäre er vielleicht verwundert gewesen. Kalifa, die persönliche Assistentin des CEO der Newgate Corp. kam gerade aus ihrem Büro.
 

Sie hob den Blick von einigen Unterlagen, blieb stehen und wirkte im ersten Moment fast ertappt, bevor sie sich in einer geschäftigen Geste die Brille zurechtrückte und Marco eine dezente Verbeugung entgegen brachte. »Oh, Phoenix-san... guten Abend. Ich... hatten Sie einen Termin?«
 

Sie zog die Stirn kraus und Marco erkannte an dem bläulichen Flimmern ihrer Pupillen, dass sie wohl gerade ihren Kalender checkte, als sie auf ihn zu lief. »Es tut mir leid, es muss mir entfallen sein...«
 

»Nein, alles gut. Vater wollte, dass ich noch einmal vorbei komme. Vielleicht will er die letzten Details wegen der Übergabe nächste Woche besprechen«, wiegelte Marco sofort mit einem leichten Lächeln ab. Whitebeard wollte seinen Rücktritt als CEO nächste Woche bekannt geben und seinen Nachfolger offiziell benennen.
 

Kalifa war die Professionalität in Person und ein persönliches Versäumnis war für sie eine regelrechte Tragödie – Thatch war der felsenfesten Überzeugung, Marco und Kalifa müssten Zwillinge sein, die nur versehentlich bei der Geburt getrennt wurden.
 

Die blonde Frau entspannte sich sofort ein wenig, bewahrte sich aber ihre kompetente, aufmerksame Haltung. Selbst um diese Uhrzeit – nach einem langen Arbeitstag – saßen ihr taubengraues Kostüm und ihre Hochsteckfrisur perfekt. Ihr Äußeres und ihre Arbeit waren stets tadellos.
 

»Aber was machen Sie um diese Uhrzeit noch hier?«, fragte Marco. »Das Wochenende steht vor der Tür. Sollten Sie nicht längst Zuhause bei Ihrer Tochter sein?« Er kannte Kalifas Neigung, das eigene Leben gern mal hinter der Arbeit hinten anzustellen, da sie sich dem Unternehmen stets voll und ganz verpflichtet fühlte. Vielleicht verstanden sie sich deshalb auch so gut.
 

Kalifas strenges, doch recht hübsches Gesicht hellte sich merklich auf und ein zartes Lächeln huschte über ihre Lippen. »Mary übernachtet heute bei einer Freundin, als Belohnung für das letzte, erfolgreiche Schulprojekt. Sie hat den ersten Platz bei dem Wettbewerb erreicht«, erzählte Kalifa nicht ohne eine gehörige Portion Stolz in der Stimme.
 

Marco wusste, dass Kalifa ihre kleine Tochter über alles liebte. Sie war alleinerziehend, hatte eine schwere Trennung hinter sich und mehrere Ortswechsel, bevor sie ihrem Exmann entkommen war und hier in der Firma ihren Platz und eine Möglichkeit gefunden hatte, ihrer Tochter endlich ein normales Leben zu ermöglichen.
 

»Das freut mich«, erwiderte Marco mit einem warmen Lächeln. »Allerdings erklärt das nicht, warum Sie nicht Ihren kinderfreien Abend nutzen, um sich etwas gutes zu tun. Arbeit ist nicht alles, Kalifa. Die Firma wird wahrscheinlich nicht gleich untergehen, nur weil Sie sich mal einen entspannten Abend vor dem Fernseher oder ein Treffen mit Freunden gönnen«, meinte er nun augenzwinkernd.
 

Kalifas Mundwinkel zuckten leicht, bevor sie Marco einen nur allzu wissenden Blick über den Rand ihrer Brille zuwarf. »Bei allem Respekt, Sir - aber das sagen gerade Sie zu mir!?«, fragte sie kritisch. Tatsächlich war es bei weitem nicht das erste Mal, dass sie beide als letztes die Firma verließen.
 

Marco musste nun doch lachen. »Touché! Darauf kann ich wohl kaum etwas erwidern.«
 

Kalifas dunkelbraune Augen fokussierten sich auf das Fenster, fast ein bisschen wehmütig sah sie auf die Stadt hinaus. Ein leuchtend pinkes Neonbanner glitt vorbei und bewarb die Versuchungen eines einschlägigen Nachtclubs in Downtown. »Ich weiß auch nicht... ich glaube, ich hatte heute einfach ein wenig Furcht, nachhause zu gehen. Furcht, dass diese Woche endet...«
 

Marco sah sie forschend von der Seite an. Sie bemerkte seine Aufmerksamkeit und erklärte zögerlich, die Unterlagen im Arm an ihre Brust gedrückt: »Vielleicht ist es lächerlich, bestimmt ist es das, aber... ich mache mir einfach ein bisschen Sorgen. Wir alle hier achten und schätzen Whitebeard-sama sehr, Sie wissen das, Phoenix-san. Es hat sich immer angefühlt wie eine große Familie, nicht wirklich wie Arbeit... und, nun ja... sein Sohn...«
 

Sie unterbrach sich selbst und musterte Marco etwas unsicher aus dem Augenwinkel, doch der sah sie nur weiterhin erwartungsvoll und offen an. Kalifa zog die Schultern ein wenig hoch, als wäre ihr unbehaglich zumute. »Nun, sein Sohn ist... nicht wirklich wie Whitebeard-sama«, umschiffte sie das heikle Thema geschickt.
 

Marco konnte das spöttische Schnauben gerade noch so zurückhalten. Das war wirklich sehr diplomatisch ausgedrückt... und noch dazu war es eine maßlose Untertreibung. Weevil Newgate war das völlige Gegenteil von Edward Newgate – verzogen, laut, gedankenlos, ein Sturkopf und Prolet. Aber das würde und sollte er so wohl nicht sagen.
 

»Nun, er ist nicht unbedingt das, was wir uns alle wünschen, doch ich denke, er wird diesem Posten schon gerecht werden. Vielleicht sollten wir ihm eine Chance geben, an seinen Aufgaben zu wachsen«, leierte Marco steif herab und war sich sofort bewusst, dass er diese hohle Phrase in letzter Zeit wahrlich ziemlich häufig benutzt hatte.
 

Kalifa zog die Brauen hoch und wirkte alles andere als überzeugt, doch sie ersparte ihnen beiden, dieses Thema weiter vertiefen zu müssen. Sie wusste, dass Marco zu freundlich war, um sich öffentlich über Weevil zu beschweren und sie war sich auch bewusst, dass sie keinen Einfluss auf gewisse Dinge hatte.
 

»Ich denke, Sie wissen, dass sich alle hier wünschen, Sie würden die Position des CEO übernehmen, Phoenix-san.« Kalifa ließ Marco gar keine Zeit für eine Erwiderung. »Ich werde die letzten Unterlagen noch fertig machen, dann gehe ich. Einen schönen Abend noch, Sir.« Damit war sie verschwunden und ließ Marco wieder allein mit seinen Gedanken.
 

Natürlich, Whitebeard und er hatten schon über diese Option gesprochen, doch es standen viele rechtliche Hürden im Weg, denn Weevil war nun einmal Edward Newgates Sohn, er bestand großspurig auf sein Erbe und Marco hatte als Ziehsohn kaum das Recht, Ansprüche zu stellen... ganz zu schweigen von der medialen Schlammschlacht, die Weevil unter Garantie lostreten würde.
 

Eigentlich war Marco auch zufrieden mit seinem Leben, so wie es gerade war – aber er wollte und konnte das drohende Unheil in Form von Weevil Newgate, das wie ein Damoklesschwert über ihnen schwebte, auch nicht einfach ignorieren. Er würde versuchen müssen, ihm ein guter Berater zu sein, um das Schlimmste zu verhindern und hoffen, dass Weevil seine menschlichen Schwächen überwinden konnte...
 

Bevor die Grübeleien Marco übermannen konnten, ging er ins Büro des CEO, schnappte sich die Unterlagen von dem übervollen Schreibtisch, um die sein Vater ihn noch gebeten hatte und machte sich auf in Richtung von dessen Penthouse.
 

Dafür betrat er den Lift erneut und hielt sein Gesicht vor den integrierten Netzhautscanner, um Zutritt zur obersten Etage zu erhalten. Dort trat Marco in den einladenden Eingangsbereich, der durch eine massive Gesteinswand - die einen natürlichen Wasserfall nachbildete - vom Rest der Wohnung abgetrennt war und Privatsphäre zusicherte. Leise plätscherte das Wasser über das schwarze Lavagestein und indirekte Beleuchtung setzte die weißen Orchideen in Szene, die wie Ranken am Fels entlang wuchsen.
 

Marco schlüpfte aus seinen Schuhen und betrat die kostbaren Tatami Matten des Wohnbereiches, umrundete die raumteilende Gesteinswand und vor ihm öffnete sich der riesige Wohn- und Essbereich des Penthouses. Alles war schlicht und funktionell eingerichtet, nicht überladen, aber auch nicht ungemütlich. Ein großes Bild der letzten Firmenweihnachtsfeier mit allen Beschäftigten hing an der Wand – Whitebeard im Kreis seiner Mitarbeiter, wie sie ihm zuprosteten und er glücklich in die Kamera lächelte.
 

An einer weiteren Wandhalterung war ein antikes Bisento befestigt, ein Geschenk von Marco an seinen Vater und darunter stand ein einzelner, gerahmter Schnappschuss, der Marco auf der Feier zum Abschluss seines Studiums zeigte. Bilder von Edward Newgates Exfrau oder seinem Sohn gab es keine. Das machte Marco zwar irgendwie stolz, beschämte ihn aber auch gleichzeitig, da er sich manchmal fragte, ob er nicht doch mit ein Grund für das schlechte Verhältnis der Drei war.
 

Das Wohnzimmer war wie zu erwarten leer, der Fernseher aus und die Küche ebenso kalt. Ein Teller mit Essen stand unangerührt und abgedeckt auf der Anrichte.
 

Die integrierte KI der Wohnung aktivierte sich und projizierte das Bildnis eines jugendlichen Mannes mit kinnlangen, braunen Haaren und einem freundlichen, offenen Gesicht in die Mitte des Wohnzimmers. »Guten Abend, Mister Phoenix. Newgate-sama erwartet Sie bereits in seinem Arbeitszimmer«, berichtete ihm die künstliche Intelligenz.
 

»Haruta, wann hat Vater die letzte Mahlzeit zu sich genommen?«, fragte Marco und hing seinen Mantel über einen der Stühle am Küchentresen.

Der halb durchsichtige, junge Mann verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Am Morgen um exakt 08.43 Uhr. Er hatte einen French Toast und einen doppelten Espresso.«

»Hat er seine Medikamente genommen?«

Die KI blinzelte kurz und das Holo flackerte. »Ich habe ihn daran erinnert...« Das war wohl die diplomatische Version von einem 'Nein'.

»Natürlich...«, seufzte Marco.
 

Dezente, klassische Musik wehte aus dem hinteren Teil der Wohnung zu Marco heran und der machte sich mit einem resignierten Kopfschütteln auf den Weg zu Pops' Arbeitszimmer, das als erstes vom Flur abzweigte, bevor sich die Wohnung im hinteren Teil in ein geräumiges Wellnessbad und ein Schlafzimmer mit Panoramablick öffnete.
 

»Du hast wieder nicht zu Abend gegessen... und hat dein Arzt nicht eigentlich gesagt, dass du dich schonen und regelmäßig deine Medikamente nehmen sollst?!«, murrte Marco säuerlich und warf die verlangten Dokumente auf den Schreibtisch, an dem Edward Newgate über der Arbeit saß. Selten brachte ihn etwas aus der Ruhe, doch die Beratungsresistenz seines Ziehvaters schaffte das sehr oft.
 

Dessen war sich Edward Newgate auch bewusst, doch er blickte nur flüchtig von der holographischen Projektion auf, an der er konzentriert arbeitete und wischte Marcos Bedenken mit einem lapidaren Handwedeln beiseite.
 

»Dieser Quacksalber kann mich mal! Wenn meine Zeit reif ist, werde ich mich mit einer Heizdecke und Herztropfen in den Park zurückziehen und Tauben füttern, bis ich sterbe... aber bis dahin mache ich, was ich für richtig halte, Kind. Also sei keine Glucke, Marco.« Damit war die Diskussion beendet und Marco wusste, dass es sinnlos wäre, weiter diskutieren zu wollen... immerhin hatte er das in den letzten Monaten sehr häufig versucht.
 

Obwohl sie nicht wirklich verwandt waren, hatten sie doch über die Jahre ihrer Zusammenarbeit eine sehr enge Bindung entwickelt, die dem Verhältnis zwischen Vater und Sohn sehr nahe kam. 2047 waren sie in den USA aufeinander getroffen, Newgate hatte sein Potential erkannt und ihn unter seine Fittiche genommen. Sie hatten schon so einige Hochs und Tiefs der Vergangenheit zusammen durchgestanden, achteten und respektierten sich gegenseitig.
 

So oft wünschte Marco in letzter Zeit, er könnte seine Fähigkeiten nun nutzen, um Whitebeards Leiden zu lindern, doch gegen den natürlichen Alterungsprozess eines Körpers konnten selbst begabte HeilerMAGs wenig ausrichten... und schon gar nicht gegen die wuchernden Tumore, Folgen der Genveränderung durch Element Alpha, die einige der ursprünglichen MAGs plagte, die das Alpha Serum noch selbst zu sich genommen hatten.
 

Es war frustrierend für Marco, der Krankheit seines Vaters hilflos begegnen zu müssen und doch war Whitebeard mit dem Lauf der Dinge völlig im Reinen. Er pflegte oft zu sagen, dass niemand die Macht besitzen sollte, den Tod zu betrügen.
 

Wenn man den Gründer und Chef der Newgate Corp. so ansah, wollte man kaum glauben, dass der Mann inzwischen über siebzig Jahre alt war und The Fall noch persönlich erlebt hatte – noch immer war Edward Newgate eine ehrfurchtgebietende Gestalt und Persönlichkeit, großgewachsen, kräftig, mit wachen, klugen Augen und einem beeindruckenden, weißen Schnurrbart, der ihm unter seinen Angestellten und Geschäftspartnern den Spitznamen „Whitebeard“ eingebracht hatte.
 

Oberflächlich wirkte der alte Mann völlig fit, doch Marco wusste, dass dem nicht so war. Pops' Gesundheitszustand hatte sich in den letzten Jahren rapide verschlechtert, was schlußendlich der Hauptgrund war, weswegen er den Vorsitz des Konzerns nun an den Nagel hängen musste. Man würde ihn wahrscheinlich nie völlig von der Firma trennen können – „nur über seine Leiche“, wie er oft zu sagen pflegte – aber er würde kürzer treten und den Posten des CEO gezwungenermaßen abtreten.
 

Die Newgate Corp. brauchte einen starken Anführer, der den Konzern nach außen hin vertreten und Neider sowie Rivalen auf Abstand würde halten können.
 

Leider hatte Weevil weder das Format, noch den Ehrgeiz und den eisernen Willen seines Vaters – von seinem Rang als MAG mal ganz abgesehen. Edward Newgate war ein Erdmanipulator, ein Rang A Geomant. Zu seinen besten Zeiten war er mit einer Gruppe anderer Geomanten fähig gewesen, die instabilen Kontinentalplatten unter Japan wieder zu stabilisieren und zu verhindern, dass das Inselreich irgendwann im Meer versinken würde.
 

Weevil dagegen... er brachte es gerade nur auf einen D Rang als Geomant, von seinen Führungsfähigkeiten und seinen sehr offensichtlichen Charakterschwächen einmal ganz abgesehen. Das Einzige, was er irgendwie erfolgreich zustande brachte, war eine zweifelhafte Präsenz in den sozialen Medien, für die er mit seinen eher mittelmäßigen Fähigkeiten effektheischende Videos produzierte. Viele mochten ihn für seine große Klappe und seine dämlichen Aktionen.
 

Marco konnte verstehen, dass sich die Mitarbeiter wie Kalifa Sorgen machten. Ohne Whitebeard, der mit seinen Angestellten ein beinahe familiäres Verhältnis geführt hatte, würde es wohl nie mehr sein wie zuvor...
 

»Wie lief dein Abendessen?«, fragte Whitebeard scheinbar beiläufig, doch Marco war sich des lauernden Blickes unter den dichten, weißen Brauen sehr wohl bewusst, obwohl der alte Mann weiterhin mit der holographischen Miniaturstadt beschäftigt war, die das nächste Großprojekt des Konzerns darstellte.
 

Newgate Corp. investierte in eine völlige neue Produktionsstrecke, die gerade in der Tokyo Bay entstand – eine eigene, kleine Stadt, unabhängig und autonom, mit Wohneinheiten für die Arbeiter und Angestellten. Eine Möglichkeit, die rasch wachsende und aus allen Nähten platzende Metropole Tokio zu entlasten, Wohnraum zu schaffen und diesen durch Wind- und Wasserkraft auf lange Sicht mit Energie zu versorgen.
 

Die erste Präsentation ihres neuesten Projektes, des NG-100, war ein voller Erfolg gewesen. NG-100 war eine unabhängig interagierende, humanoide Robotereinheit, die speziell für den Kampfeinsatz gegen Scorn entwickelt wurde. Die Produktion sollte nun erstmalig in Serie gehen.
 

Marco ließ sich auf den Stuhl fallen, der vor dem Schreibtisch stand, knöpfte seine Anzugjacke auf und zog den Umschlag aus der Innentasche, den Boa Hancock ihm gegeben hatte. Gewisse Dinge teilte man heutzutage doch lieber noch auf altmodischem als digitalem Wege mit. Er reichte diesen an Whitebeard weiter und sah seinen Vater dabei vorwurfsvoll an.
 

»Du hast mich den Schlangen zum Frass vorgeworfen...«, beschwerte sich Marco düster, schlussendlich aber wenig überrascht. Edward Newgate hätte es wohl nie so weit gebracht, wenn er Menschen nicht bedenkenlos wie Schachfiguren einzusetzen wüsste... allerdings besaß Marco sonst auch das Privileg, dem Feld außen vor zu bleiben. »Aber sie ist geneigt, dein Angebot anzunehmen und einen Teil der Grundstücke ihrer Familie an dich abzutreten.«
 

Whitebeards Mundwinkel hoben sich amüsiert, er nahm den Umschlag entgegen, öffnete ihn und überflog den Inhalt rasch. Ein selbstzufriedener Ausdruck legte sich auf seine kantigen Züge. »Ich wusste, dass es sich auszahlen würde, dich zu schicken. Und dieser Auftrag wird wohl kaum der Unangenehmste für dich gewesen sein, nicht wahr?«, mutmaßte Whitebeard mit einem listigen Funkeln in den Augen. »Die Lady ist wahrlich die schönste Frau, die ich je gesehen habe... und ich habe schon so einige gesehen.«
 

Marco lockerte seine Krawatte und stieß den Atem genervt aus, während er einen Arm über der Stuhllehne bettete. »Ja, sie ist hübsch«, räumte er ein. »Aber dafür hängt mir jetzt gefühlt die halbe Boulevardpresse der Stadt im Nacken und morgen sinniert man wahrscheinlich schon darüber, wie unsere Kinder mal aussehen werden...«, mutmaßte er verstimmt.
 

Whitebeard lachte laut auf. »Nun, ich könnte mir wahrlich schlimmeres vorstellen!« Dann wurde er wieder ernst und faltete die Hände auf dem Tisch. Er sah Marco an, auf diese eine besondere Art und Weise, die von ehrlicher, väterlicher Fürsorge sprach. »Sie ist sicher etwas eigen, aber eigentlich kein schlechter Mensch. Sie ist hübsch und eine kluge Geschäftsfrau. Vielleicht wäre sie ja ein wenig deiner Zeit wert... Sie hat Interesse an dir.«
 

Marco konnte sich gerade noch davon abhalten mit den Augen zu rollen. Im Gegensatz zu Thatch meinte Whitebeard es ja tatsächlich gut mit ihm und war nicht nur scharf auf unternehmensfördernde Publicity. Trotzdem stand ihm der Sinn im Moment kaum danach, private Zukunftspläne zu schmieden, auch wenn er seinem Vater insgeheim recht geben musste – Boa Hancock war eine sehr begabte Amokinetin, die sich gewinnbringend zu verkaufen wusste.
 

»Sicher, sie hat Interesse... aber nur, weil ich ihr nicht aus der Hand fresse wie alle anderen. Ihre Fähigkeiten wirken bei mir nicht, das weiß sie und allein das macht mich interessant für sie. Sie ist gelangweilt«, urteilte Marco abgeklärt. Außerdem hatte ihn Schönheit allein noch nie gekümmert. »Boa Hancock will jagen... und nicht immer nur gefüttert werden.«
 

Whitebeard verzog den Mund zu einem resignierten, schiefen Grinsen. »Hach je, du bist wahrscheinlich der einzige Mann, der es fertig bringt sich zu beschweren, wenn sich ihm eine derart begehrte und schöne Frau an den Hals wirft, aber gut...«, er hob abwehrend die Hände, als Marco schon Luft für einen Einwurf holte. »Schlussendlich musst du das selbst wissen... ich dachte nur, ich könnte deinem Glück für die Zukunft vielleicht etwas auf die Sprünge helfen... es wird sicher nicht leicht...«
 

Die letzten Worte murmelte der alte Mann fast nur noch und die Lockerheit der letzten Minuten fiel schlagartig von ihm ab. Er rieb sich den Nasenrücken, wirkte plötzlich sehr erschöpft und alt. Er sah Marco mit einer Ernsthaftigkeit an, die diesen sofort wachsam werden ließ.
 

»Es gibt einen wichtigen Grund, warum ich dich heute hergerufen habe... und das war leider nicht nur, weil ich mit dir über Boa Hancock reden wollte...« Whitebeard seufzte schwer. »Tut mir leid, mein Junge... aber ich fürchte, dein Leben wird sich ändern müssen.«
 

»Pops, was ist los...?!«, fragte Marco irritiert. Nagende Unruhe und das prickelnde Gefühl von nahender Gefahr im Nacken überfielen ihn.
 

Der mentale Angriff auf Marcos Geist kam aus heiterem Himmel, plötzlich und völlig unerwartet.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Votani
2022-09-05T17:43:11+00:00 05.09.2022 19:43
Hey du! :)

Es gibt so wenige gute FFs im OP-Bereich, ganz besonders mit gutem worldbuilding und einem interessanten Ship, da musste ich gleich reinschnuppern. Ich mochte das Glossar total, weil es kurz und knapp ist, aber sehr gute und wichtige Informationen zur Geschichte gibt. Das Setting ist sehr, sehr spannend und auch die Welt, die du dir hier zusammengepuzzelt hast.

Marco ist definitiv einer meiner Lieblingscharakter, weshalb ich es interessant fand, das Kapitel aus seiner Sicht zu lesen. Du kriegst ihn unheimlich gut hin und dein Schreibstil ist einfach super. Generall faengst du das Setting sehr gut ein und beschreibst die Umgebung und das Ambiete sehr gut. Einige der Umgebungsbeschreibungen, wie Whitebeards Wohnung, sind einfach klasse. Das kann man sich als Leser einfach perfekt vorstellen.

Die kleine Erwaehnung von Ace war ebenfalls super. Ich hoffe ja, dass er mehr vorkommt. *hust* Aber ich freu mich auch auf Law. Bisher kriegst du alle Charakter hin und alle passen einfach perfekt in das AU. Ich find es auch total interessant, dass du all die Charas mit Teufelsfrucht einfach zu MAGs gemacht hast. Es passt wie die Faust aufs Auge. *-*

Ich bin sehr begeistert und freue mich schon aufs Weiterlesen! <3
Antwort von:  Ceydrael
06.09.2022 14:32
Huh, wow… mit so einer schnellen Rückmeldung hätte ich hier gar nicht gerechnet! O.O
Vielen Dank für deine lieben Worte, Votani, ich freue mich unglaublich, dass du dich zu meiner „Nischen“-Geschichte hier verirrt hast und dass du bisher so große Stücke auf meine Idee und die Umsetzung hältst *-*

Geschmäcker sind natürlich verschieden, aber ich persönlich muss dir recht geben – es gibt wenig gut geschriebene FFs in diesem Bereich, vor allem auch wenige, die mal etwas anderes wagen als das Standardprogramm.
Manchmal hat man aber leider auch das Gefühl, dass gerade Komplexität, Logik, neue Ideen und ausgefeilte Schreibkunst gar nicht mehr gewünscht sind, denn oft sind es eben die ewig gleichen 08/15 Plots in meist fragwürdiger Schreibweise, die massiv Leser anlocken… mag das verstehen, wer will. Aber gut, mal genug gejammert xD

Ich bin zumindest auch sehr wählerisch, was meine Favoriten betrifft, daher habe ich mich berufen gefühlt, selbst mal was auf die Beine zu stellen, tja, und „Warsong“ ist das Ergebnis! ;D
Ich liebe Spiele und Settings wie „Cyberpunk 2077“ oder „Deus Ex“, für mich war schon lange klar, dass ich in die Richtung mal was machen wollte :)
Ich hoffe, ich kann dich damit auch weiter überzeugen und fesseln! ;)

Awww, ich freue mich auch riesig zu lesen, dass du meine Leidenschaft für Marco offenbar zu teilen scheinst! :D
Neben Law ist er mein absoluter Lieblingscharakter aus OP (… und hier mein persönlicher Adam Jensen :D)… und was bietet sich da mehr an, als die beiden einfach mal zusammenzuschreiben. Ein ungewöhnliches Pair, sicher, aber meiner Einschätzung nach mit viel Potenzial und einer gehörigen Portion Sexappeal *-*
Auch dass du meinen Schreibstil und meine Umgebungsbeschreibungen positiv hervorgehoben hast, ehrt mich. Hier ist es gar nicht immer so einfach, das richtige Maß zu finden… nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Ich bin da oft selbst noch in der Findungsphase ^^‘

Ah… und du hast Ace gefunden, der ja eigentlich nur eine „Randbemerkung“ hier war! Sehr aufmerksam ;D
Ja, soviel sei gesagt, es war nicht das letzte Mal, dass wir von ihm gelesen haben ;)

Ich wünsche dir noch einen schönen Tag und bedanke mich nochmals herzlich für deine tolle, motivierende Rückmeldung! <3

Cey


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