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I‘m in love with a demon

<3
von

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Leise seufzte ich auf. Doch das hielt weder Gabriel, noch Michael davon ab, laut auf mich einzuschimpfen. Nur Uriel stand Kopfschüttelnd vor mir und Sandalphon blickte streng.

„Ein Dämon! Wie kam der in den Garten, hm?“ Mehr sagte Michael dann nicht mehr, sondern stellte sich zu den anderen, damit Gabriel sein Werk fortführen konnte.

 

„JA WIE? Ich dachte du passt auf und jetzt? Ausgestoßen! Die Menschen wurden ausgestoßen. Ich habe dir doch EXTRA erzählt, dass sich dort ein Dämon herumgetrieben hat. Hast du ihn denn überhaupt nicht gesehen? Wolltest du dich lieber mit allerlei roher Materie vollzustopfen, wie?“ Das stimmte wohl, doch würde ich dies garantiert nicht zugeben.

„Schau nicht so, Aziraphale. Ich habe genau gesehen, dass du menschliches Essen probieren wolltest. Wäre ich nicht gekommen, um Evas Geburt mitzuerleben, dann hättest du deinen Körper damit besudelt.“ Erneut schwieg ich und ließ meinen Kopf gesenkt. Er musste nicht wissen, dass der Pfirsichbaum schon fast keine Früchte mehr trug und von den leckeren Äpfeln wollte ich gar nicht anfangen. Meine Gedanken schweiften immer mehr ab. Je mehr ich an diese Äpfel dachte, desto klarer erinnerte ich mich an den Dämon, der sie mir schmackhaft gemacht hatte. Er mit seinen sündigen Lippen und dem seidigem Haar, dass danach schrie zerwühlt zu werden. Seine Haut zu berühren, die meine Engelsküsse zeigten...

„Warum hast du ihn nicht zur Strecke gebracht?“, schloss Gabriel seine Schimpftirade. Warum? Weil ich den Dämon bereits liebte, vielleicht? Und überhaupt konnte ich doch nicht einfach einem lebenden Wesen das Recht nehmen, zu leben. Das ich immer noch nichts darauf sagte, machte ihn noch wütender. Er machte erneut den Mund auf, um weiter zu schimpfen, doch er wurde schnell unterbrochen...

 

„Gabriel!“ Er zuckte erschrocken zusammen, als die dröhnende Stimme des Herrn ertönte. Er sammelte sich kurz und atmete tief ein und aus, bevor er nach oben blickte.

„Ja Allmächtiger?“

„Die Menschen haben einen freien Willen. Sie sollen tun, was ihnen beliebt. Sie alleine haben die Verantwortung zu tragen, für ihr Vergehen, nicht Aziraphale. Ich wünsche keine eigenmächtige Einmischung in ihre Handlungen und damit in meinen göttlichen Plan!“

„Wie Ihr wünscht...“ Ich glaubte, ihn mit den Zähnen knirschen zu hören. „Aziraphale!“

„Ja, Herr?“ „Du wirst von nun an deine Aufträge auf der Erde erledigen und die Menschen unterstützen, aber nur so viel, wie es erlaubt ist. Gabriel wird hier der leitende Part sein. Er hat dies auch in der Vergangenheit gut gemacht.“

 

Gabriel brüstete sich vor Stolz und er meinte, dass wir unsere Aufgaben mit vollster Zufriedenheit erfüllen würden. So schnell beruhigte man ihn...War mir Recht. Immerhin war dies der einzige Ort, an dem ich Crawley treffen konnte....auch wenn ich es nun vermeiden würde, um ihn zu schützen. Wenn ich nur daran dachte nie wieder diese köstlichen Lippen berühren zu können...

„Das Friedensarrangement mit der anderen Seite muss eingehalten werden, Gabriel. Auch du musst dich daran halten. Erst wenn die Zeit soweit ist, wird die Erde wieder vergehen. So ist es geschrieben und so sei es. Aziraphale. Geh nun und begleite die Tiere aus dem Garten. Danach wirst du ihn versiegeln, damit niemand mehr herein kommt...und begleite die beiden Menschen bitte auch wieder heraus.“

 

Damit erlosch das Licht und der Herr war verschwunden. Finster starrte mein Vorgesetzter mich mit seinen violetten Augen an und er zeigte auf das Portal.

„Du wirst die beiden Menschen im Auge behalten. Ich verlasse mich auf dich.“ Ich nickte ergeben und seufzte erneut, ich konnte aber nicht verhindern, Genugtuung zu verspüren, weil auch Gabriel gerügt wurde. Das hatte er davon meinen Anthony...äh...Crawley zu verletzen. Langsam, um nicht den Verdacht zu erregen, dass ich mich auf die Erde freute, schlich ich mit gesenktem Kopf zum Ausgang des Himmels.

 

~

 

Im Garten angekommen führte ich zuerst die Tiere hinaus, die zwar verwirrt darüber waren, aber trotzdem gehorchten. Doch dann suchte ich die Menschen und ich traute mich zuerst gar nicht zu ihnen. Eva war wütend und angespannt, ihre Miene war dennoch ausdruckslos und das machte mir etwas Angst. Sie sah andauernd zu Adam, der glücklich schien und einen träumerischen Gesichtsausdruck hatte. Ihre Blicke waren mörderisch, als ich die beiden aus dem Paradies heraus führte.

„Ihr dürft hier nicht mehr herein. Der Herr hat strikte Anweisungen gegeben. Ich muss mich dem fügen und darf mich nicht zu sehr in eure Angelegenheiten einmischen. Verzeiht.“ Eva lächelte schwach, sie sah aber immer noch aufmerksam zu Adam.

 

„Schon gut. Es war meine Entscheidung und die Schlange hatte durchaus überzeugende Argumente. Ich habe auch ziemlich viel erkannt, mit diesem Apfel.“ Adam wollte sich schon davon stehlen, um wieder in den Garten zu schleichen, da schnellte eine Frauenhand hervor und packte ihn schmerzhaft am Ohr.

„Au...au Eva....“ Ich litt mit ihm und traute mich nicht, Eva zu bitten, ihn loszulassen. Aber ich musste ihm auch klar machen, dass sie wirklich nicht mehr hier rein durften.

„Es ist ernst Adam. Komm jetzt“, ermahnte ich ihn.

„Aber Aziraphale...aua...ich...au...kann nicht. Ich muss wieder da aua...rein. Dringend!“ Skeptisch sah ich ihn an und fragte mich, was es so dringendes im Garten gäbe, was er benötigen würde.

 

„Euch werden Sämereien bereit gestellt, damit ihr für euch selbst sorgen könnt. Keine Sorge, Adam.“ Ich sollte allerdings nur am Anfang helfen, damit die Pflanzen schnell genug wuchsen und die beiden nicht hungern mussten.

„Aber das meinte ich doch nicht. Ich sage dir...au...eine Frau...eine andere Frau habe ich dort am Apfelbaum gesehen. Sie hatte Haare wie Feuer und schwarze Flügel. Ich nenne sie Lilith und sie wird meine zweite Frau.“ Fast hätte ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckt. Ich konnte kaum fassen, WAS er da sagte...eine andere Frau? Haare aus Feuer? Schwarze Flügel? Da war also noch jemand im Garten und es konnte nur mein Lieblingsdämon sein. Ein unerklärliches Gefühl stieg in mir auf, als ich die Bedeutung von Adams Worten erfasste. Er wollte ihn...als seine zweite Frau? In meinem Bauch fing es an zu brodeln. Niemand nahm ihn mir weg. Adam hatte doch schon sein Gegenstück und jetzt wollte er mir auch noch meines wegnehmen?

„Der Herr sagte NEIN! Du wirst nicht mehr dort hinein gehen.“, meinte ich streng und doch versuchte Adam alles, jammerte, setzte sich trotzig auf den Boden und hämmerte auf diesen ein.

 

Tief durchatmend versuchte ich meine Wut über Adam unter Kontrolle zu halten und ich dachte wieder über Crawley nach. Wenn ich das Loch versiegelt hatte, konnte ich mich endlich aufmachen ihn zu suchen und ich musste ihn unbedingt zur Rede stellen. Also wunderte ich mir einen Haufen Steine und ich wollte schon beginnen, da mischte sich Adam ein.

„Du könntest es ja auch auf unsere Art machen, wenn ich schon nicht diese Schönheit im Garten haben kann. So unfair. Warum musst du immer mit deiner Kraft angeben?“ Ich blitzte ihn ärgerlich an und schickte ihn weg. Doch er ließ nicht locker und versuchte mich zu provozieren, damit er mit mir streiten konnte. Es brauchte eine wütende Eva, damit er mitkam und ich in Ruhe das Loch zumachen konnte. Adam musste es nicht wissen, aber ich machte es tatsächlich ohne Wunder zu. Es war auch gar nicht schwer, die großen Steine wogen fast nichts. Damit fertig seufzte ich bedrückt, bevor mich ein helles Licht traf.

 

„Aziraphale. Engel des östlichen Tores.“ Ich schluckte den dicken Kloß hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hatte und ich sah nach oben. „Ja Herr?“

„Wo ist das Flammenschwert, dass ich dir gegeben habe, um das Tor von Eden zu bewachen?“ Oh nein. Der Herr hatte es bemerkt. Schuldgefühle überrannten mich, aber ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. Was nun? Sollte ich mich dumm stellen?

„Äh...ähm...du meinst...das...das scharfe...äh Schneideding? Ja, oh, äh...ich muss es...muss es wohl irgendwo...abgelegt haben....Ich vergesse noch meinen Kopf....“ Das Licht verschwand so schnell wie es gekommen war und alles was ich dazu sagen konnte war...

„Oje...“ Doch der Schöpfer meldete sich nicht noch einmal. Tief atmete ich ein und aus, dann breitete ich meine Flügel aus und überflog den Garten.

 

„Engel...“

Ich stockte mitten im Flug, schloss kurz meine Augen und ich glitt hinunter, landete sanft auf einem Ast des Apfelbaumes und setzte mich.

„Da bist du ja. Hatte mich schon gefragt, ob du meine Andeutungen verstanden hast.“ Sein Gesicht war pure Freude und ich musste an mich halten, diese starken Wellen der Liebe nicht zu genießen, geschweige denn, mich dem hinzugeben und in seine Arme zu sinken. Doch er hatte keine Hemmungen, berührte mein Gesicht und fuhr langsam mit seinen Fingerkuppen über meine Lippen, die er begehrlich anstarrte. Wie...wie sollte ich das nur aushalten? Zitternd nahm ich von ihm Abstand.

„Crawley...warum bist du hier?“

 

„Ach ich habe mich davon geschlichen. Ich muss erst in ein paar Stunden wieder unten sein.“ Er rückte noch näher an mich heran und er lächelte glücklich. Meine Güte war er schön. Das sollte jetzt aber wirklich verboten werden. Eine Schande, dass ich ihm nun dieses Lächeln aus dem Gesicht wischen musste....na ja...aber eben noch nicht gleich. Ich konnte bestimmt kurz ein wenig seine Gefühle genießen und ihm erklären, warum wir Abstand voneinander wahren sollten.

 

Hitze durchfuhr mich, als er mich einfach küsste und dabei vorsichtig meine Wangen streichelte. Meine Arme schlangen sich von selbst um seinen Nacken, ich seufzte wohlig auf und gab mich dem hin, denn es fühlte sich einfach nur richtig an. Seine Küsse waren so sanft und behutsam, als wäre ich ein ganz besonders wertvoller Schatz. Nach gefühlter Ewigkeit lösten wir uns und ich musste über die vielen Engelsküsse in seinem Gesicht lächeln. Er erwiderte es und legte seinen Arm um mich. Ich fühlte mich, als wäre ich bereits sein...besser gesagt...er war mein.

 

„Adam meint, eine andere Frau mit Haaren aus Feuer und schwarzen Flügeln wäre hier und er will sie zu seiner zweiten Frau machen. Ihr Name ist Lilith.“, sagte ich ihm und er lachte laut auf.

„Das wird sich sicher nicht durchsetzen. Arme Eva. Ich werde mich bemühen, ihm nicht mehr unter die Augen zu kommen.“ Er fuhr mir liebevoll durch mein kurzes Haar und ich schluckte, hielt ihn davon ab, mich erneut zu küssen, was ihm gar nicht gefiel.

 

„Was ist?“ Was war? Er konnte doch nicht einfach weiter machen. Wir mussten Haltung bewahren.

„Wir können nicht...“, fing ich an, doch er unterbrach mich schnell.

„Ich bin froh, dass du nicht allzu hart bestraft wurdest.“ Ahnte er, worauf ich hinaus wollte?

„Ja eben. Es hätte schlimmer sein können, wenn sie von uns wüssten. Nun werden beide Seiten verstärkt auf die Menschen einwirken. Wir müssen alles tun, damit niemand...ich meine...wir sollten sowas nicht mehr machen...und...ich meine...nicht dass ich es nicht wollte....ich...ich meine du küsst so herrlich und...“ Wieder presste er seine Lippen auf meine und ich fiel dabei fast vom Ast, doch er erwischte mich noch und er zog mich auf seinen Schoß. Wenn wir nicht aufhören konnten...was dann? Irgendwann war auch meine Selbstbeherrschung dahin und dann würde ich ihn sicher nicht mehr gehen lassen. Mein Dämon löste unseren Kuss, er grinste leicht und begann eine brennende Spur auf meinem Hals zu hinterlassen, als er diesen mit Küssen bedeckte. Ich musste ihn abhalten...irgendwie...

„Die Menschen...sie warten, Crawley und...“

„Dann lass sie warten. Das hier ist wesentlich wichtiger.“ , murmelte er an meinem Hals und sein heißer Atem verbrannte mich fast. Es war aber doch eine Sünde, oder nicht?

„Crawley....hmmm....CRAWLEY!“

 

„Komm schon Engel. Du willst es doch auch.“ Natürlich wollte ich...aber ich durfte es nicht. Dies versuchte ich auch ihm verständlich zu machen, aber er wollte davon nichts wissen.

„Unsere Zentralen werden schon nichts erfahren, Engel.“

„Darum geht es nicht. Es ist falsch. Wir hätten so etwas nie tun sollen. Ich bin ein Engel und du bist ein Dämon. Wir sind Feinde. Feinde stehen sich nicht nahe.“ Ich sah nur Unverständnis in seinem Gesicht, ich drückte ihn von mir, als er mich weiter küssen wollte und stand auf.

„Sie warten da unten auf dich. Ich muss jetzt los.“ Damit ließ ich einen ziemlich enttäuschten Crawley zurück. Nicht nur er war enttäuscht. Ich wollte nichts lieber, als die Ewigkeit mit ihm küssend zu verbringen.

 

~

 

Dem Gott sei es gedankt, dass ich die nächsten Monate kaum Zeit hatte, über meine Sehnsucht nachzudenken. Die ersten Monate waren sehr schlimm für Eva gewesen. Ihr war andauernd schlecht und sie hatte oftmals keinen Hunger mehr gehabt. Im vierten Monat besserte es sich und die Übelkeit verschwand komplett. Dafür waren ihre Launen recht abwechslungsreich, Adam hatte ein paar Mal ihren rechten Haken spüren dürfen und übergeben musste sie sich auch mindestens fünf mal am Tag. Mich grauste es immer noch vor dem Anblick ihres grünlichen Gesichtes, welches mich manchmal heimsuchte. Irgendwann war auch das vorbei gewesen und nun aber konnte sie weder stehen, noch liegen, gehen oder sitzen, ohne Schmerzen zu haben.

Evas Bauch war mittlerweile ziemlich angeschwollen und ich fragte mich, wann das Kind nun heraus kommen würde und wie. Im Moment lag sie auf einem Haufen Stroh und schwitzte sehr stark. Sie sah so gebrechlich aus und ich konnte nicht anders, als mir Sorgen zu machen.

„Mir ist so heiß...bitte...Wasser.“ Ebenfalls besorgt flößte Adam ihr die Flüssigkeit ein. Kurz darauf riss sie ihre Augen weit auf und öffnete ihren Mund, ehe sie vor Schmerz laut aufschrie. Ein dünnes Rinnsal Wasser lief ihre Beine hinab, welches auf einmal rot wurde und sie keuchte erschrocken. Nicht nur sie starrte geschockt darauf. Was war jetzt los? Warum blutete sie auf einmal? Was sollte ich nur tun? Als ich die Pläne für die Menschen gesehen hatte, stand davon überhaupt nichts drin und auch nicht, wie das mit den Kindern funktionieren sollte. Evas Atem ging mittlerweile nur noch stoßweise und immer wieder schien sie diese Schmerzen zu haben. Ich konnte aber einfach nur dabei stehen und zusehen. Sowas hatte ich noch nie erlebt und wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Zuerst waren es lange Pausen zwischen den Schmerzen und wir versuchten, sie dabei immer wieder zu beruhigen, was aber nicht richtig funktionierte. Die Abstände der Schmerzen wurden immer kleiner und nun ging das alle paar Minuten so. Sollte ich sie vor diesen Schmerzen heilen? Oder würde es die Situation verschlimmern? Ich wagte es nicht, mich zu sehr darin einzumischen... was wenn dabei etwas schief ging?

 

„Aziraphale...hilf mir. Was soll ich nur machen?“, flehte mich Adam verzweifelt an, aber auch ich wusste mit dieser Situation nicht umzugehen und ich sah nur Eva hilflos an. Als ich den Allmächtigen panisch um Hilfe bat, antwortete dieser nicht. Verdammt. Erneut schrie sie und meinte, das Kind würde heraus kommen.

„Das Kind...kommt? Wo kommt es raus?“, fragte ich, mittlerweile schweißgebadet.

Sie zeigte nach unten zu ihrer Scham und Adam sah neugierig nach, ehe er von Eva eine Kopfnuss bekam.

„Du Idiot. Das Kind kommt da raus...hilf mir lieber, als mich nur da unten anzustarren. Hgggrrrnn.“ Ihre Scham teilte sich für einen Moment und etwas schien tatsächlich da heraus kommen zu wollen. Adam wurde bleich und starrte einfach nur weiter, ehe sich seine Augen verdrehten und er ohnmächtig wurde.

„Arrgghhh....dieser....Nichtsnutz...Bitte Aziraphale...hilf mir.“ Immer noch maßlos überfordert reichte ich ihr meine Hand, sie zerdrückte diese und schrie erneut auf, genau wie ich. Es ebbte nach gefühlter Ewigkeit wieder etwas ab und sie ließ meine zerquetschte Hand los. Diese Chance nutzte ich und reichte ihr stattdessen Adams Hand. Wie konnte eine so zarte Frau so viel Kraft haben?

 

~

 

Mit höchster Konzentration versuchte ich alles, um das Kind auf die Welt zu holen. Schweiß rann mir ins Gesicht und brannte in meinen Augen, aber ich ignorierte das. Das Köpfchen des Kindes war teilweise schon zu sehen und versuchte, vorsichtig daran zu ziehen, wenn Eva diese Schübe hatte. Stunden vergingen, die Nacht war hereingebrochen und inzwischen war Adam auch wieder wach. Dieser saß aber nun hinter ihr, er tupfte ihr den Schweiß von der Stirn, gab ihr zu trinken und ließ seine Hand quetschen. Nie hätte ich gedacht, dass eine Geburt so langwierig und schmerzhaft für Eva werden würde. Sie kämpfte nun schon 17 Stunden darum, dieses Kind endlich zur Welt zu bringen. Selbst ich fühlte mich langsam ausgelaugt. Dann...im Morgengrauen flutsche es endlich heraus und fing an, seinerseits laut zu schreien.

 

Eva war so erschöpft, aber als sie dieses Kind...einen wunderhübschen Jungen, zum ersten Mal sah, spürte ich ihre Mutterliebe, deren Wellen sanft waren und alles um uns herum einhüllten. Tiefer Frieden kam über sie und Adam war zu Tränen gerührt. Vorsichtig säuberte ich das Kind und wickelte es in ein sauberes Tuch.

„Was ist das denn, dass sieht komisch aus.“, meinte Adam und zeigte auf eine fleischige Schnur, die mit dem Baby und der Mutter verbunden war.

Dann benannte er es „Nabelschnur“ und widmete sich wieder seiner Frau. Der Herr flüsterte mir zu, dass diese Schnur das Kind und die Mutter verband und nicht einfach so abgetrennt werden dürfte, welches die Verbindung zu abrupt enden lassen würde. Nickend erzählte ich es den beiden, froh darüber dass der Allmächtige endlich wieder zu mir sprach und legte den den Jungen zu seiner Mutter. Dieser suchte sofort nach ihrer Brust und nuckelte daran. Adam machte ein angesäuertes Gesicht, doch auch dieses Mal bekam ich von Gott die Erklärung und gab es an die beiden weiter. Das verstand Adam dann doch, legte sich an die andere Brust und machte es seinem Sohn nach....

 

~

 

Nun war der Kleine schon ein halbes Jahr alt und es war immer noch eine große Freude. Ich machte Grimassen, bis Kain lachen musste und davon musste ich auch lachen.

„Er ist so schön, Eva. Das habt ihr sehr gut gemacht. Hallo Kain.“, lobte ich Eva, was ich mindestens zwanzig Mal am Tag tat.

Sie fragte mich, genau wie jeden Tag, ob ich ihn halten wollte und ich stimmte zu. Er war so klein, so niedlich und ich konnte nicht anders, als ihn anzuhimmeln.

Doch dann...spürte ich ihn. Bilder von rotem Haar und intensiven Blicken auf gelben Augen kamen in mir auf und ich freute mich insgeheim, ihn wieder sehen zu dürfen. Sehen konnte ich ihn gerade nicht, aber diese Wellen der Liebe, die ich spürte, waren einzigartig.

 

„Hallo Crawley.“

Ertappt kam er angekrochen und begrüßte uns, ehe er Eva beglückwünschte. Stolz bedankte sie sich. Dann sah er mich an, aber ich hielt alles was ich für diesen gefallenen Engel fühlte, vehement zurück und sah ihn nur ruhig und neutral an. Seine Enttäuschung war schon fast greifbar. Er kam näher, legte seinen Kopf schief und er sah verwirrt aus. Ich war diese Prozedur schon gewohnt. Kain musste immer nachdem er die Brust bekommen hatte, sein großes Geschäft verrichten.

„Er sieht irgendwie...angestrengt aus...und stinkt...“, meinte er und musste niesen. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, als er versuchte, Abstand zu gewinnen und erneut nieste. Dann verwandelte er sich zurück in einen Dämon und fiel auf den Boden. Ich erschrak fürchterlich, als Eva aufsprang und Crawley zornig anfunkelte.

 

„DU? DU BIST DAS?“, brüllte sie, doch mit einem Schnipsen brachte er sie dazu still zu stehen und...dann bewegte sie sich nicht mehr und auch das Kind war wie festgefroren. Nun konnte ich nicht mehr anders und ich fragte ihn, was er gemacht hatte.

„Ich habe nur die Zeit angehalten. Keine Sorge. Ihnen passiert nichts...ich bin gleich wieder weg. Wollte nur sehen, ob es dir gut geht...“, sagte er scheu, stand mühsam auf und rieb sich seinen schmerzenden, wohlgeformten Hintern. Er sah wieder zu Eva und sagte ihr, dass sie vergessen sollte, dass er da gewesen war. Wie bitte? Sie sollte...ihn vergessen? Wie?

 

„Crawley?“ Er lächelte traurig.

„Besser du vergisst das hier auch. Ich werde nun auch deine Erinnerungen löschen und...“

Entrüstet und auf einmal wutentbrannt schnürte ich Kains Windel auf und warf sie dem frechen Dämon ins Gesicht und er fiel erneut zu Boden.

 

„Wie kannst du es wagen? Wie kannst du es wagen, mir meine Erinnerungen nehmen zu wollen? Bist du jetzt völlig verrückt geworden?“, zischte ich ihn kalt an und ging auf ihn zu. Seufzend schloss er das Auge, dass nicht von den Ausscheidungen des Kindes bedeckt war und gestand mir, dass er dachte, es wäre das Beste für mich.

„Das beste? Du Vollidiot. Ich will dich nicht vergessen und auch nicht, dass...äh...“ Erwartungsvoll und voller Hoffnung sah er mich an und mich schmerzte es, ihn so zurück weisen zu müssen. Aber das war das beste für IHN. Also sagte ich nichts, er wunderte sich den Dreck aus seinem Gesicht und ich sah, dass er unmerklich zitterte. Hatte er...etwa Angst vor mir? Mein Zorn verrauchte und er sah es als Chance, mich zu fragen ob es mir etwas ausmachte, dass er hier war. Seinem Blick ausweichend startete ich eine Ablenkung und hoffte, er würde anbeißen.

 

„Woher hast du gelernt die Zeit anzuhalten?“, fragte ich. Doch er rückte einfach nicht mit der Sprache heraus, zuckte nur mit den Schultern und ich drängte weiter darauf zu erfahren, wie er es geschafft hatte. Das war eine sehr nützliche Gabe.

„Zufall. Nicht jeder ist dafür geeignet und nein, ich zeige dir nicht, wie es geht.“ Beleidigt blies ich meine Backen auf. Doch dann startete er eine Ablenkung seinerseits, bevor ich hätte antworten können.

„Warum wirfst du eigentlich damit um dich? Das ist so...“ „Ekelhaft?“

„Genau.“ „Ich hätte es nicht gemacht, wenn du mir nicht meine Erinnerungen hättest löschen wollen.“ „Weil du mich magst?“, fragte er hoffnungsvoll. Das musste ich sofort unterbinden. Wenn er merkte, dass ich nur so tat, als ob ich nicht an ihm interessiert war, würde er nicht locker lassen, bis ich ihn wieder küsste. Also zog ich das alles ins Lächerliche, kam aber ins Stocken, als er auf mich zu kam und ich brach meine kläglichen Versuche ab, ihn von meinem Desinteresse überzeugen zu wollen. Er war mir auf einmal so nah, dass ich sein ganzes Wesen wahrnehmen konnte. Seine Gefühle, die Liebe die durch ihn strömte, der glühende Atem, der mein Gesicht streifte und es an dieser Stelle versengte. So eine Situation hatten wir schon mal...in Eden. Dem Portalraum. Die bloße Erinnerung daran erhitzte mich.

 

Zitternd schluckte ich nervös und versuchte, ihn nicht anzusehen, doch als er meine Wangen so unfassbar liebevoll streichelte, musste ich es und verlor mich in dem Schein seiner gelben Augen. Er lächelte mich mit diesem süßen, unschuldigen Lächeln an und er erinnerte mich an unsere gemeinsame Zeit im Garten. An unsere Küsse und das er das wieder tun wollte. Heiß und kalt lief es mir dabei den Rücken hinunter, als er näher kam und seinen Mund mit meinem versiegelte. Diese warmen, weichen Lippen, die nach Pfirsichen schmeckten und denen ich nicht widerstehen konnte...

 

Meine Hände hoben sich von selbst, griffen in seine kühle, seidige Mähne und ich zog ihn an mich.

Gierig erwiderte ich seine Leidenschaft und genoss wie es ihn durcheinander brachte. Wir küssten uns lange, doch ich kam leider irgendwann wieder zur Besinnung und löste mich keuchend von ihm.

„Engel...“

„Nein. Wir dürfen nicht. Das...das war ein Fehler.“, meinte ich und versuchte den süßen Geschmack seiner Lippen von meinen zu wischen. Doch sein Geschmack war hartnäckig und drängte mich dazu, ihn erneut kosten zu wollen. Meine Gefühle vor ihm verbergend zeigte ich auf den Ausgang der Hütte und verlangte damit, dass er verschwinden sollte, ehe ich mich ihm erneut an den Hals werfen würde.

 

Doch er sah es nicht als Fehler, er legte seine Hand in meinen Nacken, streichelte meinen Haaransatz...wohlige Schauer durchfuhren mich und als er meine Stirn küsste, wich ich einen Schritt zurück. Diese Geste hatte so intim gewirkt, dass ich ihm fast angesprungen hätte. Abstand...ich brauchte Abstand...ehe ich eskalierte.

„Irgendwann wirst auch du es einsehen.“, meinte er, schnipste und wandelte sich in eine Schlange. Dann war er weg, die Zeit lief wieder und Eva schien verwirrt. Erleichtert atmete ich ein paar Mal tief ein und aus.

„Was...was mache ich denn hier? Aziraphale...oh pass auf.“ Ich sah hinter mich und gerade noch so konnte ich Kain auffangen. Er war immer noch nackt und teilweise zugekackt. Schnell wunderte ich es weg und ihm eine neue Windel.

„Was ist den passiert? Ich fühle mich...als hätte ich etwas vergessen... na ja egal.“, meinte sie. In der nächsten Sekunde stand Gabriel im Eingang der Hütte, um sich den Kleinen anzusehen. Einen Moment früher und er hätte Crawley erwischt....ich meine uns beide beim küssen.

„Hallo ihr beiden. Oh...das ist er also, ja?“ Fast wäre Gabriel in die noch beschmutzte Windel getreten, die ich Crawley vorhin an den Kopf geworfen hatte und wunderte sie schnell weg.

„Er ist so...klein. Ganz anders als bei deiner Geburt, Eva, hahahaha. Naja gut...wie läuft es so?“ Ich lächelte gezwungen und meinte, es wäre alles in Ordnung. Skeptisch sah er mich an und meinte, dass Sandalphon draußen stand und gemeint hatte, dass es nach Bösartigkeit roch. Ich startete die lahme Ausrede, dass das Kind gerade eine frische Windel bekommen hatte, weil es so sehr gestunken hatte. Er glaubte mir zum Glück, meinte aber, dass er vorsichtshalber den Garten nochmal inspizieren wollte.

Oh nein. Sicher war Crawley wieder am Apfelbaum. Ich musste ihn finden...und zwar schnell.

„Oh...ich begleite dich. Du weißt doch, dass ich gut im Erspüren bin.“

„Eine gute Idee. Wir haben schon lange nicht mehr zusammen gearbeitet. Lass uns ein paar Dämonen jagen.“ Gezwungen lächelte ich weiter und nickte, folgte ihm aus der Hütte. Draußen wurden wir von Sandalphon erwartet und ich grüßte ihn höflich.

„Sandalphon, wie geht es dir?“, fragte ich und er verzog sein Gesicht. „Ich wäre jetzt lieber im Himmel. Hier wirkt alles so chaotisch. Und dir?“

„Chaotisch...ja...so ist die Erde nun mal...haha...ähm...mir geht es...gut...ja...wollen wir den Garten inspizieren Gabriel?“ Dieser nickte.

„Ja natürlich. Sandalphon, bitte pass auf diesen weiblichen Menschen und das Kind auf, während wir Dämonen jagen. Wir sind bald zurück.“ Nickend ging dieser in die Hütte und leistete Eva Gesellschaft, während wir uns aufmachten, nach Eden.

Als wir auf die Mauer geflogen waren, berieten wir uns und ich schlug vor, uns den Garten aufzuteilen und Gabriel war begeistert von meiner Mitarbeit.

„Gut...ich nehme mir den vorderen Teil vor...äh...und du könntest den hinteren Teil nehmen. Was meinst du?“

„Ja du hast Recht. Den letzten Dämon habe ich auch im hinteren Teil angegriffen. Bis gleich.“

Dann schlug er den Weg in den hinteren Teil des Gartens ein und ich beeilte mich, zum Apfelbaum zu kommen. Und ja...er war da und schlief selig. Ich musste ihn sofort hier raus scheuchen, ehe Gabriel ihn fand.

 

„Crawley? Warum bist du schon wieder hier? Crawley?“ Doch er rührte sich nicht. „Crawley!“

„Noch fünf...Minuten...“, meinte er verschlafen. Das gab es doch nicht.

„CRAWLEY! WACH ENDLICH AUF!“ Endlich wachte er er auf, fiel aber vom Baum. „Aua...“

„Selbst Schuld. Warum schläfst du auch da oben? Deine Anwesenheit ist nicht gestattet. Raus hier, Schlange!“ Meine Worte hörten sich in meinen Ohren nicht nur wütend an, sondern auch viel zu hart. Er sah mich mit großen Augen an, aber ich blieb dabei. Verschwinde doch endlich. Denn wenn Gabriel ihn hier mit mir sehen würde...musste ich ihn verletzen und es könnte sein, dass ich stattdessen Gabriel verletzen könnte, um den Gefallenen zu beschützen. Seufzend wandte sich Crawley endlich ab und begab sich nach unten.

 

„Ach hier bist du Aziraphale. Ich habe niemanden gefunden und du?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Kein Dämon hier im Moment. Da haben...wir...ich meine die Dämonen...nochmal Glück gehabt, was?“ Er lachte und stimmte mir zu, ehe er Sandalphon abholte, die beiden sich wieder ihren himmlischen Pflichten widmeten und ich mich zu den Menschen gesellte. Das war schon wieder einfach zu knapp gewesen.

 

~

 

Es waren bereits ein paar Jahre vergangen, seitdem ich nun über Adam und Eva wachte und lächelte gerade über die beiden Kinder, Kain und Abel, wie sie miteinander spielten. Eva lag erschöpft von ihrer neuen Schwangerschaft, auf ihrer Schlafstätte in der Hütte und ruhte sich aus. Adam war auf dem Feld, um zu arbeiten und ich passte auf, dass seiner Familie nichts passierte. Bis jetzt hatte ich Crawley nicht mehr gesehen, war es ja meine eigene Schuld gewesen und ich nahm an, dass ich es auch so schnell nicht mehr tun würde.

 

„Pssssssst....“ Es fröstelte mich, als ich dieses Geräusch hörte und musste abermals an Crawley denken. Es war kein Tag vergangen, an dem ich nicht an ihn und seine sündigen Pfirsichlippen gedacht hatte.

„Pssssssttttt....Engel....“ Jetzt hörte ich schon seine Stimme. Aber das konnte doch nicht sein.

„Engel? Hier unten...“ Ich sah nach und weitete schockiert meine Augen. Eine winzige schwarze Schlange, mit rötlichem Bauch und stechend gelben Augen, sah mich von unten lauernd an.

 

„Na endlich. Ich dachte schon du bist in deinen Tagträumen gefangen. Musst du ernsthaft immer auf diese Menschen aufpassen?“ Ich riss mich von seinem Anblick los und war enttäuscht von mir selbst, dass ich ihn nicht hatte spüren können. Als Miniatur Schlange sah er außerdem so unglaublich niedlich aus und ich lächelte Kinder an. Die Versuchung war groß, ihn stattdessen anzulächeln und zu streicheln, aber ich musste standhaft sein.

„Kain, Abel....kommt, wir gehen hinein zu eurer Mutter. Nicht das uns noch ein gefährliches Tier überrascht.“ Ich spürte förmlich seinen empörten und doch geschmeichelten Blick, er zischte kurz, bevor er sich verwandelte. Schade...

 

„Nun, so dürfte ich wohl kaum als „gefährliches Tier“ durchgehen, oder Aziraphale?“, fragte er in einem äußerst sanften Ton. Ich wandte meinen Blick wieder ab und räusperte mich verlegen. Er wusste wohl endlich meinen Namen auszusprechen. Aus seinem Mund hörte er sich so exotisch und erhaben an. Mein Herz schlug hart und laut gegen meine Brust und ich schluckte vor Nervosität. Jetzt war ich nicht mehr fähig, ihn zu ignorieren.

„Du musst gehen, Crawley. Wenn man dich hier erwischt, töten sie dich.“ „Ach was...ich...“

„Geh. Dann tue ich auch so, als ob ich dich gerade nicht gesehen habe. Ich müsste dich sonst melden...Anweisung von oben. Geh, bitte.“ Eine kühle Hand erfasste meine und instinktiv hielt ich sie fest. „Ich habe dich vermisst, Engel.“

„Und du hörst nicht zu. Du musst gehen...jetzt. Sprich mich nicht mehr an und komm auch nicht mehr in meine Nähe, verstanden?“, zischte ich ihm zu und ich ließ ihn einfach stehen...wollte ihn stehen lassen, aber er hatte meine Hand nicht losgelassen und er zog mich stattdessen wieder zu sich. Sein süßlich herber Duft, der mich immer an den sinnlichen und berauschenden Geruch nach Patschuli erinnerte, stieg mir in meine Nase und hoffte, dass ich genug Kraft hatte, ihm zu widerstehen.

 

„Denkst du ich nehme dieses Risiko nicht ernst? Niemand wird es merken. Ich bin vorsichtig, versprochen. Keiner weiß, dass ich mich in eine Schlange verwandeln kann.“, flüsterte er mir ins Ohr. Mein Körper fing davon an zu zittern, mir wurde etwas schwindlig. Tief durchatmend versuchte ich, wieder Herr meiner Sinne zu werden. Nein...er war ein Dämon. Verführung war sein Geschäft und ich würde mich nicht einfach so...

„Sieh mal...ich habe dir auch was mitgebracht. Möchtest du ihn?“ Er hielt mir einen großen Pfirsich unter die Nase und mir lief davon das Wasser im Mund zusammen. Lange hatte ich bewusst auf das Essen verzichtet, damit ich nicht aus Versehen den Menschen alles wegaß. Er sah köstlich aus...so saftig und süß...und...nein. Er wollte mich nur in Versuchung führen.

„Nein...nein Danke. Bitte...geh jetzt....“ Seine Enttäuschung war mehr als greifbar, aber er hörte und ließ mich los. Ich nutzte die Gelegenheit und ging so schnell es ging, mit den Kindern in die Höhle, sah aber doch noch einmal zu ihm. Er kam mir nicht nach und dafür war ich mehr, als nur froh, denn eine Sekunde später wäre ich nicht mehr fähig dazu gewesen, ihn abzuweisen.

 

Später am Tag kam Adam wieder und legte einen Sack ab.

„Stell dir vor, Aziraphale. Unsere gesamte Ernte wurde verdorben.“ Eva und ich starrten ihn schockiert an, doch dass er so ruhig blieb, machte das Ganze sehr verdächtig. Er lächelte.

„Aber darum müssen wir uns keine Sorgen machen. Die große Schlange...Anthony, ist mir wieder begegnet und hat mir das hier geschenkt. Sehen die Pfirsiche nicht großartig aus? Und Äpfel. Sie stammen bestimmt noch von Eden und wir können ihre Samen nutzen, um Bäume wachsen zu lassen.“ Ich verdrehte nur die Augen und schob meine Unterlippe vor. Das war so typisch von diesem heißen Feger. Doch in gewisser Weise fand ich es richtig nett von ihm. Nun konnte ich ohne Reue in diese wunderbaren Pfirsiche und Äpfel beißen. Adam gähnte nach dem Mahl ausgiebig. War wohl Zeit für ein Schläfchen. Adam und Eva holten immer den Schlaf nach, wenn die Kinder sich zum Mittagschlaf hinlegten.

"Wir legen die Kinder zum schlafen hin und werden uns dann auch ausruhen, in Ordnung Aziraphale?", fragte Adam und ich nickte.

Als die junge Familie eingeschlafen war, machte ich mich auf, Crawley zu suchen. Sicher war er wieder im Garten Eden und saß auf dem Apfelbaum. Mein Bauch fing an, freudig zu kribbeln, als ich an diesen wunderbaren und liebendwürdigen Dämon dachte und was wir beide schon zusammen erlebt hatten. Ich musste mich einfach bei ihm bedanken und vielleicht... mich bei der Gelegenheit auch entschuldigen. Ich hatte mich unmöglich benommen und wollte es wieder gut machen.

„Hissss...“ Eine Schlange stellte sich mir in den Weg und ich erkannte sie vom Garten. Doch ich verstand leider nicht was sie mir sagen wollte. Also sah ich sie nur an und zuckte mit den Schultern. Daraufhin sah sie in Richtung Eden und hisste erneut.

„Meinst du Crawley? Der Dämon, der sich auch in eine Schlange verwandeln kann?“ Sollte es mich überraschen, dass sie nickte?

 

„Er ist also tatsächlich im Garten. Vielen Dank...ähm...Jeremy.“ Damit lächelte ich die Schlange an und wollte weiter gehen, aber erneut schlängelte er sich vor mich. Was wollte er nur?

„Ich verstehe dich nicht. Aber ich könnte deine Gefühle erspüren. Vielleicht auch sogar deine Gedanken lesen." Jeremy nickte abermals und daraufhin kniete ich mich in den Sand, berührte seinen Kopf und schloss meine Augen.

Bilder von Crawley fluteten auf mich ein, er sah so erschöpft und...gebrochen aus. Dann verfolgte ich konzentriert das Gespräch was sie führten und sogleich bekam ich Schuldgefühle.

„Ich danke dir. Das hat mir sehr geholfen...oh warte. Hast du nicht gerade zu Crawley gesagt, dass du deine Frau suchst? Ich glaube ich kenne sie... Sie ist ganz bekümmert und hält sich oft südlich von hier auf. Ähm...ich bringe dich schnell zu ihr.“

Eilig hob ich Jeremy hoch, ich breitete meine Flügel aus, flog zu der weiblichen Schlange, die Adam Benthana benannt hatte und setzte ihn ab. Benthana machte große Augen und schlängelte ihren großen, weiß gelblichen Körper zu ihm und umwickelte ihn. Mit ihrer Zunge ertastete sie ihn, erkannte Jeremy als ihren Mann und schmiegte ihren Kopf liebevoll an seinen, ehe sie ihm seine Kinderschar zeigte. Ich fing an zu zählen und kam auf stolze 50 Schlangenkinder und spürte, dass einige unter ihnen auch schon schwanger waren. Freundlich wünschte ich der großen Familie alles Gute und verabschiedete mich. Ich flog über die hohe Mauer, in den Garten und steuerte unseren Baum an. Er konnte nur an diesem Ort sein und ja.

 

Er saß auf einem dicken Ast und aß traurig einen Apfel. Er wirkte immer noch genauso, wie ich ihn in Jeremys Gedanken gesehen hatte und das gab mir einen Stich ins Herz. Er bemerkte mich nicht, wie ich unter ihm landete, also versuchte ich ihn anzusprechen.

„Ich habe gewusst, dass du hier bist“, sagte ich und versuchte seine Aufmerksamkeit damit zu bekommen, doch er schien zu abwesend zu sein. Also berührte ich zaghaft seinen nackten Fuß. Crawley sah zu mir und ich lächelte. Aber er lächelte nicht zurück, sondern sah mich skeptisch an.

„Crawley...du hast den Menschen was zu essen gebracht. Das war...sehr nett von dir.“ Er schnaubte verärgert. In seinem Gesicht spiegelte sich Entsetzen und ich wusste nicht warum.

„Ich bin nicht nett, verstanden? Ich bin ein Dämon. Wir sind furchterregend und grausam. Ich habe die Ernte der Menschen zerstört, wie es sich für mich gehört. Ts...ich und nett. Solltest du nicht bei den Menschen bleiben?“ Seine Gefühle nahmen Überhand und ich wusste, dass er nur so reagierte, weil ich seinen wunden Punkt getroffen hatte.

Also erklärte ich ihm, warum ich hier war, aber er konnte sich kaum beherrschen, mich nicht anzuschreien und meinte, ich sollte all das vergessen. Warum sollte ich? Wenn ich es vergessen würde, dann könnte ich kein Verständnis für ihn aufbringen. In seinen Augen spiegelte sich endloser Schmerz, ich erinnerte mich an seine Worte in den Gedanken von Jeremy. Dann hob ich meine Hände und heilte ihn.

„Was...was hast du getan?“, stotterte er und ich erklärte ihm, dass jede gute Tat belohnt werden würde. Auf meine Frage hin, warum er Schmerzen gehabt hatte, wurde er wütend und versuchte, mich zum gehen zu bringen. Wieso konnte er es mir nicht einfach erzählen? War ich so wenig vertrauenswürdig? Er kletterte den Baum hinauf, um Abstand zwischen uns zu schaffen. Dies reizte mich derart, dass selbst ich etwas unhöflich wurde. Schnell kletterte ich ihm nach und versuchte, ihn zu fassen, aber er wurde schneller und als ich ihn fast hatte, stieß er sich vom Baum ab und er flog davon.

Ich verfolgte ihn durch den halben Garten, versuchte ihn außerhalb des Waldes abzufangen, doch er bremste scharf und flog erneut vor mir davon. Immer wieder sah er zu mir, ob ich aufholte und ich weitete meine Augen, als ich sah, wie er auf einen Felsen zusteuerte, er es aber nicht sah. Es ging alles so schnell. Er knallte mit voller Wucht an diesen Felsen und fiel wie ein Stein in den See.

Ihm folgend tauchte ich hinab und schwamm zu ihm, so schnell ich konnte. Crawley sah aus, als ob er zu schwach war, sich gegen den Sog zu wehren und er schloss seine Augen. Nein. Er durfte nicht sterben. Ich...ich war dafür verantwortlich...Ich hatte ihn gejagt und es war meine Schuld, dass er sich verletzt hatte. Wenn sein Körper jetzt starb, würde ich ihn vielleicht nie wieder sehen. Das konnte ich einfach nicht zulassen. Ihn immer mal wieder zu treffen, war mein einziger Lichtblick hier auf Erden. Ohne darüber nachzudenken presste ich meinen Mund auf seinen und beatmete ihn mit dem Rest meines Sauerstoffs. Seine Augen öffneten sich wieder. Dem Gotte sei es gedankt. Mit kräftigen Zügen schwamm ich nach oben und wir taten beide einen tiefen Atemzug, als wir wieder an der Wasseroberfläche waren.

„Kannst du ans Ufer schwimmen?“, fragte ich besorgt. Er schüttelte den Kopf und hatte Mühe seine Augen offen zu halten.

„Keine Sorge, Crawley...ich bringe dich sicher aus dem Wasser. Es...es tut mir leid...das alles war meine Schuld“, meinte ich und er lachte leise.

„Du könntest einen Entschuldigungstanz aufführen...dann wäre ich geneigt...dir zu verzeihen.“ Daraufhin sagte ich nichts. Das konnte er vergessen. Ich tanzte doch nicht als Entschuldigung. Zu einem Kuss könnte er mich schon eher überreden, aber nun war es wesentlich wichtiger, ihn erstmal aus dem See zu bringen. Sobald ich den Boden unter meinen nackten Füßen spüren konnte, nahm ich ihn auf meine Arme und trug ihn aus dem Wasser. Sanft legte ich ihn im Gras ab und sah ihm in seine Augen. Reue, dass ich ihn derart gejagt hatte, kam in mir auf. Er starrte mich, immer noch nach Luft ringend, zärtlich an. Langsam hob er seinen Arm und griff sich vorsichtig meinen Nacken, ehe er mich küsste. Seine Lippen waren nass und kalt vom Wasser, aber das störte mich nicht. So lange hatte ich hier bei den Menschen leben müssen, ohne diesen Mund auf meinem zu haben. Deshalb erwiderte ich seinen Kuss mit einer brennenden Leidenschaft, nahm ihm dabei erneut seinen Atem.

Wie von Sinnen küsste ich seine bebenden Lippen, strich dabei über sein nasses Haar und seinen Hals. Selbst wenn seine Haut nass war, fühlte sie sich so glatt und zart an. Leicht kratzte ich darüber und er keuchte leise auf. Mochte er das? So sanft es ging knabberte ich ein bisschen an seine Unterlippe, biss etwas fester zu und davon bäumte er sich auf, drückte mich noch näher an ihn. Es fühlte sich so unglaublich gut an, ihn unter mir zu haben und das kostete ich in vollen Zügen aus. Bis er seine Hand auf meine Brust legte und mich von sich schob. Was zum...

„Was ist?“, fragte ich verwirrt. Wollte er nicht mehr? Wieso? War ich so schlecht? Schwer atmend richtete er sich auf.

„Ich kann Gabriel und andere Engel riechen. Hier im Garten.“, flüsterte Crawley schwach. Panik überfiel mich und half ihm auf. Seine Füße wackelten bedrohlich und ich stütze ihn sofort.

 

„Gut...dann...dann...lass uns verschwinden.“ Wie peinlich. Ich hatte ihn überfallen mit meiner Leidenschaft. Mit hochrotem Kopf meinerseits begaben wir uns langsam wieder zu den Menschen. Es war so schamlos von mir gewesen, seine Schwäche auszunutzen und ihn mit meiner Wildheit zu überfordern. Ich räusperte mich verlegen. Minuten vergingen in denen wir schwiegen, doch dann fragte Crawley auf einmal, wie Jeremy mir überhaupt sagen konnte, was los war und ich konnte nicht anders, als ihn anzustrahlen.

„Findest du den Namen nicht entzückend? Ich habe ihn mir ausgedacht." Stolz erfüllte mich und hoffte, dass er den Namen auch schön finden würde. Er hob eine Augenbraue und lächelte.

„Ganz deiner Meinung Engel. Gut gemacht.“

In meinem Bauch wurde es angenehm warm, als er das sagte. Dann veränderte sich sein Blick und er schnupperte. Aber die Engel waren doch im Garten...oder nicht?

Er warnte mich, dass seine Leute ebenfalls hier waren und dass ich das Essen verstecken sollte, was er zu den Menschen gebracht hatte. Nickend versprach ich es ihm. Mein süßer Dämon seufzte schwer und kehrte mir den Rücken, ehe er verschwand und mich alleine zurück ließ.

Schweren Herzens schleppte ich mich zurück zu den Menschen, als sich mir ein anderer...Dämon in den Weg stellte. Fast wäre ich ängstlich zurück gewichen, aber ich konnte mich gerade noch so beherrschen.

„Du bist also der Engel...“, sagte dieser langsam und umrundete mich einige Male lauernd.

Er war ebenfalls dunkel gekleidet, hatte eine noch dunklere Haut, als Adam, schwarzes krauses Haar und ein seltsames Tier auf dem Kopf. Das arme Geschöpf sah nicht aus, als ob es ihm gefallen würde, die Zierde seines Kopfes zu sein. Die Flügel dieses Dämons waren verbrannt und es hingen nur noch ein paar einzelne Federn daran, die mit irgendeiner gelblichen Substanz verklebt waren. Oh...Nein...das war doch nicht etwa...

„Liguriel!“, rief ich erschütternd und er zuckte stark zusammen, eher er seine Augen zornig verengte und mich anknurrte. Anscheinend hatte er mich auch erkannt.

„Du... Aziraphale. Wir haben uns...lange nicht mehr gesehen. Ich nenne mich jetzt Ligur und will diesen anderen...Namen nie wieder hören.“ Hart schluckte ich den dicken Kloß hinunter und fragte ihn nach seinem Befinden und wie es seinem Freund Hasturiel ging.

„Du wagst es nach ihm zu fragen? DU? Der ihn mehrere Male im Himmel verletzt hat?“

„Was keine Absicht gewesen war. Ich...ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Aber sieh mal...ich wende meine Kräfte gar nicht mehr an...das...ist doch schon mal was oder?“, lächelte ich ihn an und versuchte, nicht allzu panisch auszusehen. Er kam langsam und bedrohlich auf mich zu und ich wich nun doch ängstlich zurück. Doch zum Glück hörte ich eine bekannte Stimme und atmete erleichtert auf. Gabriel. Gott sei es gedankt, dass er hier war.

„Was soll das?“, fragte Gabriel, Ligur hob stolz seinen Kopf und strafte diesen mit einem arroganten Blick.

„Was willst du hier?“, fragte Liguriel...ich meine Ligur. Mein Vorgesetzter sah sich um und schnalzte missbilligend mit der Zunge.

„Die Ernte der Menschen wurde verdorben. Sag mir, wie sollen die Menschen ohne etwas zu essen überleben? Dann habt ihr ganz schnell nichts mehr zu tun, weil sie aussterben werden.“, zischte Gabriel, aber Ligur schien das nicht so zu sehen.

„Nun dann brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen. Immerhin hat einer von uns Dämonen den Menschen etwas aus dem Garten zu essen gebracht. Eine gute Tat fürwahr.“ Oh oh. Das war nicht gut.

 

„Ähm...das...nun Garten Eden ist doch hier in der Nähe und...“ „Aziraphale hat ihnen natürlich was zu essen gebracht.“, unterbrach mich Gabriel bestimmend. Doch Ligur schien uns nicht zu glauben. Aber...wie sollte ich ihn nur überzeugen? Meine Lippen pressten sich zu einem harten Strich und ich atmete hörbar aus. Mein Blick wurde ernst und hoffte, dass es Liguriel überzeugte.

„Nun selbstverständlich steht es dir frei, uns nicht zu glauben....Liguriel.“ Er knurrte laut, doch das hielt mich diesmal nicht ab. Es ging hier um Crawley.

 

„Aber Engel lügen nicht.“ Gabriel stimmte mir sofort zu und ich bat den Allmächtigen in Gedanken um Verzeihung. Aber ich log ja nicht. Gabriel hatte das behauptet und ich hatte ihm weder zugestimmt, noch es verneint. So leicht wollte Liguriel es mir aber nicht machen.

„Weißt du dass ich deine Lüge wittern kann, Aziraphale?“ „Ich habe nicht gelogen. Eden ist hier in der Nähe.“ Ligur schnaubte und sah Gabriel an.

„Dann war das deine Lüge. Die Menschen haben das Essen von einem Dämonen bekommen.“

„Das kann nicht sein. Aziraphale?“ Gabriel starrte mich erwartungsvoll und Ligur misstrauisch an. Ich fing an zu schwitzen und wusste, dass ich auf jeden Fall bei der Wahrheit bleiben musste. Also stammelte ich, dass eine Schlange, die sich mit den Menschen angefreundet hatte und, laut Adam, diese ihnen auch das Essen gebracht hatte.

„Ein Tier ist kein Dämon. Aber nun im Ernst, Aziraphale...ich hatte mehr von dir erwartet.“, meinte Gabriel enttäuscht.

„Die Schlange...nun sie...sie war schneller. Ich hatte noch gar nicht...äh...gewusst, dass die Ernte verdorben war, sonst hätte ich natürlich sofort gehandelt und den Menschen etwas zu essen gebracht.“ Anscheinend merkte der Dämon dass wir die Wahrheit sagten und schnalzte verärgert mit der Zunge.

„Ich behalte euch im Auge...“, erwiderte Ligur darauf und drehte sich um. Mir doch noch einen letzten irren Blick schenkend, verschwand er wieder in die dunklen Tiefen und Gabriel klopfte mir auf die Schulter.

„Wenigstens lassen sie die Menschen nun in Ruhe. Ich werde das melden und dem Herrn überlassen, wie er damit verfahren möchte. Du musst besser aufpassen, Aziraphale.“

Schwach lächelte ich ihn an und fragte, ob er den Menschen nicht auch helfen könnte.

„Ich?“ Nickend zeigte ich auf die verwelkten und vermoderten Pflanzen.

„Deine besondere Kraft könnte sie wiederherstellen und sie müssten nicht von vorne anfangen. Ich bin mir sicher, dass du das viel besser kannst als ich.“ Er lächelte vielsagend. Dann begann er mit seiner Arbeit und in kürzester Zeit war alles erledigt. Ich gab ihm Applaus und lobte ihn übertrieben und er winkte geschmeichelt lächelnd ab.

„Das hätte doch jeder getan. Nun denn mein Freund. Gib weiterhin dein Bestes.“ Dies versprach ich ihm und hoffte, Crawley würde seine gute Tat nicht auf mich schieben, da Ligur nun wusste, dass ich es eben nicht gewesen war.

 

~

 

Die Jahre vergingen und ich hatte immer wieder das Gefühl, das Crawley da war, um zu sehen ob es uns gut ging und schrieb es ihm zu, dass auf einmal die Pflanzen schneller wuchsen. Es kam auch schon mal vor, dass die Pflanzen bereits geerntet waren, bevor Adam es hätte tun können... Aber das konnte auch von der Sehnsucht kommen, die mich immer mal wieder heimsuchte. Nachts war es am schlimmsten, besonders, wenn man die Sterne sehen konnte. Konnte aber auch daran liegen, dass die Menschen zu dieser Zeit immer ihre Münder aufeinander drückten und mich an das Gefühl erinnerten, wenn meine Lippen mit denen von Crawley verschmolzen.

 

Kain und Abel entwickelten sich prächtig und beide waren anständige junge Burschen. Eva gebar noch einige Kinder mehr. Die beiden Mädchen die gerade erst geboren waren, waren Adams größter Stolz und er behandelte sie, als wären sie neben seiner Frau, das wichtigste auf der ganzen Welt. Eines Tages, als ich Eva mit den Zwillingen half, hörte ich Adam panisch nach mir schreien.

 

„Aziraphale! Komm schnell.“ Sogleich kam ich angerannt und was ich dort sah, verwirrte mich sehr. Kain grölte, torkelte und kicherte, als wäre er verrückt geworden.

„Da stimmt was nicht.“, sagte ich und nahm den Jungen dieses fremdartige Ding aus der Hand. Er protestierte lautstark.

„Aaaaberrr....den habsch isch....vooon SOOOO einem nedddn Herrn. Haaaaare wie...FEUER. Er hadd Weiiinn erfundn.“ Haare wie Feuer? Netter Herr? Das konnte...musste Crawley sein. Mein Blick schweifte umher und versuchte, seine Präsenz zu erspüren, fand aber nichts. Nicht mal irgendwelche Gefühle. Also...war er es nicht? Das konnte nicht sein. Er hatte es also perfektioniert, sich vor mir zu tarnen. Warum wollte er nicht, dass ich ihn fand? Enttäuscht und auch ein wenig sauer, leerte ich dieses Ding aus und ein seltsamer Geruch kam mir in die Nase. Es roch entfernt nach Trauben und süß, aber doch wieder nicht. Etwas säuerliches in dieser Flüssigkeit ließ mir meine Nase jucken. Wie unangenehm. Wein? Was auch immer er damit bezwecken wollte...dass sich Kain derart...aufführte.

Ich nickte Adam zu, als Zeichen, dass er seinen Sohn nach Hause bringen musste.

„Neeiiinnn. Isch will nischt....meiiin Weeeiiiinn.“ Nachdem Adam seine Augen verdreht hatte, packte er Kain und warf ihn sich über die Schulter. Ihnen hinterhergehend hörte ich auf einmal ein komisches Geräusch. War wohl doch keine gute Idee, hinter den beiden zu gehen.

Kain würgte, beugte sich auf und als er mich ansah erbrach er sich. Mein Gewand nahm eine braune Farbe an und musste selber würgen. Das stank so unheimlich. Mit einem Schnippen war das Erbrochene verschwunden. Es half nichts, ich musste Crawley sofort zur Rede stellen.

Im Garten Eden angelangt, wartete ich an unserem Baum. Ein kurzer Moment war es, der mir sagte, dass mich der Dämon gesehen hatte. Doch im nächsten Moment war er wieder verschwunden und ich fühlte nichts mehr. Wollte er zu den Trauben? So wie diese Flüssigkeit gerochen hatte, mussten es Trauben gewesen sein. Die wuchsen im hinteren Teil des Gartens. Er musste sich durch die Erde wühlen, aber ich konnte mich hier frei bewegen, also breitete ich meine Flügel aus und flog in hohen Tempo durch den Garten. Ich versteckte mich zwischen den Orangenbäumen, die den Trauben gegenüber lagen und ich tarnte nun auch meine Präsenz.

Dann wühlte sich auf einmal eine Schlange aus der Erde, verwandelte sich in einen anbetungswürdigen Crawley, der sich ein zweites Gewand wunderte und die Trauben pflückte.

„Aha! Ich wusste es!“, rief ich und kam aus meinem Versteck. Erschrocken erstarrte er in seiner Bewegung.„Ahh Engel. Was führt dich in diese einsame Gegend?“ Das war doch die Höhe. Er tat einfach so, las wäre nichts.

„Duuu...du...Dämon!“ Doch er wirkte davon eher gelangweilt, zuckte mit den Schultern und band das Gewand zu. „Wie konntest du nur? Der arme Kain...was hast du ihm gegeben?“, fragte ich ihn. Doch dann...war er auf einmal verschwunden. Was zum...

Den ganzen Garten suchte ich nach ihm ab, fand aber keinen Crawley. Danach flog ich zurück und wurde von einem aufgebrachten Adam empfangen.

„Aziraphale. Kain ist verschwunden. Im einen Moment war er noch da und dann nicht mehr und...“ Er verstummte, als auf einmal Kain um die Ecke bog und sich vollkommen normal verhielt.

„Hallo Papa. Aziraphale. Alles in Ordnung bei euch?“ Sprachlos sahen wir ihn an und dann...fiel es mir wie Schuppen vor den Augen. Der rothaarige Schönling hatte die Zeit angehalten und sich einfach verdrückt. Noch dazu hatte er wohl erneut Kain beeinflusst...

Eine riesige Welle der Enttäuschung überrannte mich und die nächsten Worte kamen mir sehr schwer von den Lippen. Für mich ungewöhnlich, aber es waren ja auch ungewöhnliche Umstände.

„Ich vergebe dir, Crawley...“, meinte ich und knirschte mit den Zähnen.

 

~

 

Es vergingen über hundert Jahre und bis jetzt hatte ich ihn nicht mehr wieder gesehen. Die Familie war gewachsen, Adam und Eva hatten nun unzählige Kinder, diese hatten auch schon selber Kinder bekommen. Außer Kain. Dieser hatte, wie sein Vater sich dem Versorgen der Familie verschrieben und war oftmals auch tagelang verschwunden. Er lehnte es ab, Kinder zu bekommen, da so viele um ihn herum waren und er nicht viel Zeit hatte, sich einem Familienleben zu widmen. Ganz anders als Abel, der die Schafe hütete und sehr zufrieden mit seiner Berufswahl war.

Eva hatte in der Zeit viele Alpträume. Gerade war sie von einem erwacht und erzählte mir davon, leise und zitternd.

„Es war...schrecklich. Kain hat...er hat Abel...mit einem Stein geschlagen...auf den Kopf... da war so viel Blut und er...ist nicht wieder erwacht.“ Tröstend schloss ich sie in die Arme und versuchte, ihr beim einschlafen zu helfen, aber sie konnte es nicht mehr. Der Schrecken saß zu tief in ihr. Doch auch am nächsten Morgen war sie immer noch sehr besorgt. Den ganzen Tag über war sie angespannt gewesen und als sie Adam am Abend endlich davon erzählte, versprach dieser seinen Erstgeborenen zu beobachten. Bald darauf sah ich den Jungen.

 

Stark schwitzend und außer Atem kam er von einem harten Arbeitstag nach Hause. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er seinen Bruder sah, der schlafend auf einem Strohballen lag und die letzten Strahlen der Sonne genoss.

„Hey Abel. Wie wäre es wenn du mal etwas mehr Einsatz zeigen würdest. Ich arbeite hart und du? Liegst faul in Sonne herum“, keifte er ihn an und als er sich nicht rührte, stieß er ihn mit seinem Fuß vom Strohballen. Abel erschrak, hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Seite, aber nachdem er seinem Bruder erkannt hatte, lächelte er nur.

 

„Kain. Schön dich zu sehen. Was für ein Glück, dass du mich geweckt hast. Ich hätte sonst die Nacht nicht schlafen können.“ Kains Mundwinkel hingen im Keller, er knurrte und ging zornig an ihm vorbei. Die nächsten Wochen ignorierte er Abel, aber dies schien diesem nichts auszumachen.

Die Wut und damit auch der Neid in ihm, begann zu wachsen.

„Kain. Komm mal her.“, meinte ich eines Tages, als ich diese Streitereien nicht mehr aushalten konnte. Missmutig schleppte er sich zu mir und besorgt fragte ich ihn, was mit ihm los sei.

„Nichts ist los. Abel nervt einfach nur. Dieser Hassa hatte absolut Recht mit dem was er über ihn gesagt hat. Es interessiert Abel nicht, dass ich derjenige bin, der uns vom verhungern abhält. Er hat es immer so leicht und ich? Ich muss schwer schuften, während er faul sein darf. Nicht mal Gott hat etwas für mich übrig. ´Oh Abel, du bist so reinen Herzens, dich mag ich am liebsten...´, sagt der Allmächtige ständig. Was kann ich dafür, dass ich nicht so klug bin wie Abel? Aber ich habe die Muskeln, bin stark und war als erstes von uns beiden da. Dieser...dieser...oh wie ich Abel verachte.“ Geschockt wich ich zurück. Kain hatte so...bösartig von seinem Bruder gesprochen. Trauer erfüllte mein Herz und ich versuchte Kain zu beruhigen und ihm zu versichern, dass auch er geliebt war. Aber davon wollte er nichts hören. Er konnte nur noch daran denken, seinem Bruder eine Lektion zu erteilen.

Lange dauerten diese Streitereien. Sie bereitetem dem Allmächtigen Opfer dar, wie bei einem Wettstreit. Kain von seiner Ernte und Abel von den Schafen. Doch für Kain hatte der Schöpfer tatsächlich keinen Blick, während er Abel lobte. Immer mehr brodelte es in dem Älteren und ich versuchte, ihm begreiflich zu machen, dass Gott ihn vielleicht auf sein reines Herz prüfte, doch er glaubte mir kein Wort. Abel wurde 122 Jahre alt und wie von Eva voraus gesehen, wurde er von seinem Bruder getötet.

 

Es mochte ein Versehen gewesen sein, vielleicht aber auch volle Absicht. Ich war nicht dabei, als es passierte. Mürrisch kam Kain nach Hause, als ihn ein heller Lichtschein traf und die Stimme des Herrn ertönte.

„Kain...Wo ist dein Bruder Abel?“ Kain wandte sich unter diesem Licht und ich dachte fast, Kain wäre zu einem Dämon geworden, dachte dabei wieder an meinen...ich meine, den den ich mal getroffen hatte und schluckte. Dafür war jetzt kein Platz.

„Ich weiß nicht. Soll ich ständig auf ihn aufpassen?“ Lange kam vom Schöpfer keine Antwort, doch als er sprach, bebte die Erde.

„Was hast du getan? Die Stimme des Bluts deines Bruders schreit zu mir von der Erde.“ Da bereute Kain seine Tat und der Herr versengte dessen Haut mit einem Mal. Laut schrie er vor Schmerz und ließ mich zusammen zucken.

„Brudermörder.“, nannte Gott es und ich senkte traurig meinen Blick. Dieses sollte ihn zwar weiterhin schützen, jedoch wurde Kain verstoßen. Wie gnädig vom Allmächtigen, dass er ihm eine zweite Chance gab. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es das Werk eines Dämonen gewesen war, der ihn zu dieser Tat verführt hatte und auch, dass er den Allmächtigen angelogen hatte. Ich sollte IHM nun gar nicht mehr trauen. Das er sowas schlimmes getan hatte...Ich wollte nicht so enttäuscht sein, aber ich mochte Crawley. Immer noch und als es Abends war, kam ein Wesen, ganz in schwarz gehüllt zu mir und stellte sich als den Tod vor.

 

Kain hatte den Menschen den Tod gebracht, das Ende eines Menschenlebens. In der heutigen Nacht zog ich mich traurig von der Familie zurück und es überraschte mich nicht im Geringsten, dass ich auf Crawley traf.

„Ich hoffe du bist nun zufrieden.“, schimpfte ich, sah ihn aber nicht an. „Was meinst du, Engel?“ War das die Möglichkeit? Als ob er das nicht wüsste.

„Ist es denn nicht DEIN dämonisches Werk, dass Kain seinen Bruder getötet hatte? Ihr macht doch sowas, oder nicht?“ Crawley verzog schmerzlich sein Gesicht.

„Die anderen langweilen sich und fangen nun an, ab und an auch hier oben zu arbeiten. Ich wollte dich nur warnen...allerdings ist es dafür wohl zu spät...was für ein Drama.“ Er trug seine Flügel nicht mehr sichtbar. Wären seine Augen nicht so auffällig, könnte er als Mensch durchgehen. Aber das schmälerte leider weder sein gutes Aussehen, noch das liebevolle Gefühl, welches mich flutete, sobald er in meine Nähe kam. Es fühlte sich seltsam an, dass ich ihn auf einmal wieder spüren konnte. Er fing an zu schnuppern und meinte, er müsste nun gehen. Dann überlegte er es sich anders, kam zurück, schnappte sich meine Hand, zog mich zu sich und küsste mich. Er war kurz, dauerte nur eine Sekunde und dafür fühlte sich der Kuss an, als wären meine Lippen zu glühender Lava geworden.

„Pass auf dich auf.“, murmelte er. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, irgendwas zu erwidern, da war er schon verschwunden. Das Drama, wie er es nannte, ging weiter und als Adam 930 Jahre alt war, kam der Tod wieder, um ihn zu holen. Bald darauf verstarb auch Eva, die ihren Kindern auftrug, ihre Lebensgeschichte in Lehm und Stein zu meißeln. So entstand das erste Buch. Und leider auch eine Geschichte, in der Adam VOR Eva eine Frau gehabt hatte....Lilith. Von wegen es würde sich nicht durchsetzen...

Ab dem Moment, als die ersten Menschen verstarben, war ein Menschenleben nicht mehr so lang. Sie hatten genug Kinder gezeugt, um damit den Planeten anzusiedeln und neue Rassen zu schaffen.

Andere Dämonen kamen und ich hörte, wie sie Kain beeinflussten. Doch Crawley blieb in all dieser Zeit verschwunden und ich versuchte, ihn zu vergessen. Einfach war es nicht, waren im Moment unnatürlich viele Schlangen unterwegs und dachte, in jeder einzelnen, meinen Dämon zu sehen. Doch das war ja unmöglich. Einsamkeit fuhr in mein Herz und ich hatte das Gefühl, als ob es dabei war, zu erkalten...

 

Tbc...



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