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I´m in love with an angel

(FU**! I´m really in Love)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo
Das hier ist meine erste Good Omens Fanfic und bin dementsprechend nervös, ob ich die Charaktere authentisch getroffen habe und ob das überhaupt alles Sinn macht. Sie wird ausschließlich aus Crowley´s Sicht geschrieben. In absehbarer Zeit werde ich aber eine Side Story dazu, in Aziraphale´s Sicht schreiben.
Ich hoffe ihr habt Spaß beim lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Lang ists her, dass ich geschrieben habe...nun aber endlich das zweite Kapitel meiner Good Omens Fanfic. Viel Spaß Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So...weiter geht´s mit Crowleys Abenteuern durch die Zeit. Komplett anzeigen

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Der Anfang

 

 

 

„CRAWLEY!“

Unauffällig verdrehte ich kurz die Augen, kniff sie aber gleich zu, denn sie schmerzten heute wieder unerträglich.

„Ja Ligur?“

„Wir haben einen Auftrag für dich.“ Einen Auftrag? Was sollte man hier schon zu tun haben, außer die anderen Dämonen davon abzuhalten, an den Wänden zu lecken und sich vorzustellen, Engel anzugreifen? Obwohl ich nicht gerade der Typ war, der kämpfte. Ich hatte nichts gegen Engel. Immerhin war ich auch mal einer gewesen.

„Der Schöpfer ist gerade dabei, etwas neues zu erschaffen. Unsere Gelegenheit!“ Er reckte eine Faust in die Luft, ließ sie langsam wieder sinken und sah mich nur an, erwartete wohl, dass ich vor Freude im Kreis sprang, aber ich rührte mich nicht. Einige Sekunden starrten wir uns an, ehe es mir zu blöd wurde.

„Ja und? Was genau erschafft er? Wo? Warum überhaupt? Und was genau soll ich tun?“ Ligur gab ein leichtes Knurren von sich, er wirkte genervt, wie immer, wenn ich zu viele Fragen stellte. Irgendwie kam niemand so richtig damit zurecht, dass ich alles in Frage stellte. Er ließ sich aber dann doch darauf hinab, es mir zu erklären. Aber er beeilte sich, als ob er unser Gespräch so schnell wie möglich wieder beenden wollte.

„Einen neuen Planeten und so was...äh Menschen heißen die. Mach einfach ein bisschen Ärger.“ Menschen? Ah ich erinnerte mich daran. Vor meinem Fall hatte der Allmächtige schon mal kurz mit so einem Gedanken gespielt. Doch was ich da oben nun machen sollte, wusste ich nicht. Manchmal wünschte ich, Ligur wäre präziser in seinen Anweisungen, wenn ich schon auf ihn hören musste.

„Und was genau soll ich tun?“

„Spielt das eine Rolle?“, zischte er mir zu und ich nickte.

„Ja tut es.“ Nun gab er ein abfälliges Geräusch von sich und kam lauernd näher, was mir so gar nicht behagte. Mit ihm war nicht zu spaßen.

„Auf dem Planeten hat er einen Garten erschaffen. Es gibt dort einen...wie nennen die es? Ah ja, Baum. Die Früchte daran, Äpfel oder so, kann man essen. Den Menschen ist es aber verboten. Bring sie einfach dazu, es doch zu tun.“ Damit starrte er mich noch kurz an, bevor er sich umdrehte, um zu seinem Kumpel Hastur zu gehen, der uns genau beobachtet hatte. Mein Gesicht ließ ich ausdruckslos, versuchte die Kälte in mir und die Schmerzen meines Körpers zu ignorieren und ging, suchte mir meinen Weg nach oben.

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 2 der Erde, 12:45 Uhr....

 

 

Ich war gefühlt ewig nicht mehr woanders, als in der Hölle gewesen. Aber auf das war ich nicht vorbereitet, kannte ich doch nur den Himmel und das unten, was immer allgegenwärtig war. Vergessen würde ich den Himmel nie und auch nicht, wie es bei den Sternen war. Doch wie es sich anfühlte, im Licht zu sein und die allumfassende Liebe des Schöpfers zu spüren, verschwand, ohne das ich es hätte aufhalten können. Der Allmächtige hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, mit dieser neuen Welt. Staunend sah ich mich um und erfreute mich an diesen satten Farben und unvergleichlich intensiven Düften. Die Sonne schien hell und warm auf mich, was mir gut tat und ich gleich ein bisschen weniger innerlich fror. Auch meine Schmerzen waren hier nur leicht und somit auf ein erträgliches Maß geschrumpft. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich tatsächlich noch Freude empfinden konnte. Hier war alles so rein, so unschuldig und verbannte jegliche negativen Gedanken und Gefühle. Ich breitete genießerisch meine schwarzen Flügel aus, die die Wärme der Sonne gierig aufsogen. Ich sah mich währenddessen um und stockte.

Mitten in diesem wunderschönen Garten lag eine weiße Feder, die sanfte Wellen des Glücks erzeugten. Sie zog mich förmlich an, ich berührte sie, meine Finger fingen an zu kribbeln und ich musste lächeln...oder versuchte es zumindest. Hatte ich lange nicht mehr gemacht. Ich wünschte mir, dieses Wesen zu sehen, der diese Feder gehörte. Sie war so groß, wie mein kleiner Finger und konnte nur von den Flügeln eines Engels sein. Vorsichtig hob ich sie auf und versteckte sie in meinem schwarzen Gewand. Dies wollte ich mir als Erinnerung mitnehmen, wenn ich wieder hinunter musste. Hier war ich das einzige, was nicht dazu gehörte...Unrein, dunkel...Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken wieder loszuwerden, was mir überraschender Weise sofort gelang und ging ein paar Schritte auf der grünen Wiese, die meine Füße angenehm kühlte und sah weiter entfernt einen großen Baum. Man hatte mir ja davon erzählt, aber das es so schön war...

 

Die runden, roten Äpfel sahen knackig, saftig und süß aus und ich musste mich sehr beherrschen, nicht selbst in einen von diesen zu beißen. War das die Antwort auf die Frage, die ich dem Schöpfer mal gestellt hatte? Wozu wir eigentlich einen Körper brauchten? Wir konnten auch so existieren, aber diese Frage hatte den Herrn wohl so beschäftigt, dass er extra Menschen und was Materielles zu essen erschaffen hatte. Körper mit einem Geist und einer Seele, die essen und trinken mussten, um zu überleben und schlafen, damit sie wieder erholt und bei Kräften waren. Außerdem hatte ich gehört, dass sie so konzipiert waren, dass sie sich selbst vermehren konnten, ohne auf Hilfe des großen Herrn angewiesen zu sein. Aber wie das gehen sollte, war mir noch nicht klar. Meine Gedanken wurden unterbrochen, von einem heiteren Lachen, was mir durch und durch ging. Schnell versteckte ich mich hinter diesem Baum, ignorierte meine zitternden Beine, die mich fast zu Boden geworfen hätten und sah einen weiblichen Menschen, der vollkommen nackt war, aus der anderen Richtung kommen. Sie wurde von einem ebenso nackten, männlichen Menschen begleitet, der diese Frau unentwegt, lächelnd ansah. Und dann...dann sah ich IHN.

 

Meine Augen weiteten sich, ich sog seine gesamte Erscheinung tief in mir auf, betrachtete die kurzen, blonden, ja fast weißen Haare, die in der Sonne schimmerten, wie flüssiges Silber und einen Heiligenschein um seinen Kopf zauberten. Sein weißes Gewand war schlicht gehalten und seine Flügel strahlten, genau wie diese Feder, die ich mir genommen hatte. In seiner rechten Hand hielt er ein Schwert, welches zu brennen schien. Ich hörte das Knistern des Feuers, konnte meinen Blick aber kaum vom Engel abwenden. Wieder lachte dieses schöne Geschöpf und mein Herz fing an zu hüpfen. Erstaunt legte ich mir meine rechte Hand auf meine Brust, wo es laut und schnell schlug. Was war das auf einmal?

Der Engel zuckte kurz zusammen und sah sich aufmerksam um, ehe er den Kopf sacht schüttelte und sich wieder den Menschen widmete. Hatte er mich bemerkt? Sah nicht so aus.

„Der Herr sagt, esst nicht von diesen Äpfeln. Ihr dürft von allem anderen speisen, aber nicht davon.“, sagte der Engel und zeigte dabei auf den Baum mit den Äpfeln. Der Klang seiner Stimme machte mir eine Gänsehaut und ließ heiße Schauer meinen Rücken hinab fließen.

Warum nicht? Warum nur dieser eine Baum? Was war so besonderes daran? Diese Fragen wurde ihm auch von der Frau gestellt und er lächelte nur nachsichtig.

„Das ist die Regel des Allmächtigen. Ihr solltet sie einhalten, denn es ist das einzige, was er von euch fordert.“ Tausend Fragen kamen in mir auf und es juckte mir in den Fingern, sie ihm zu stellen. Das dies der Grund gewesen war, warum ich überhaupt gefallen war, ignorierte ich geflissentlich. Der wunderschöne Engel stellte allerdings überhaupt keine Fragen, sondern nahm alles so hin, wie es eben war. Dabei schien er klug zu sein. Brav nickten die Menschen und der Engel lächelte wieder, höchst zufrieden mit sich. Mir würde das nicht reichen. Was war nun das besondere an diesen Äpfeln? Warum stellte der Schöpfer NUR DIESE EINE Regel auf? Was hatte er vor? Das roch geradezu nach einem Plan. Wäre ich eines dieser Menschen, hätte ich schon längst bei einem abgebissen. Alleine deshalb, weil es verboten war. Willst du jemanden zu einer bestimmten Handlung bringen, dann verbiete es ihm.

„Nun...aber wir dürfen dabei nicht außer Acht lassen, dass es noch viele wunderbare Speisen hier gibt...und das im Überfluss.“ Er hielt eine etwas kleinere Frucht in den Händen, sie war rosig und er biss herzhaft hinein. Die Frucht schien saftig zu sein, dieser rann ihm über sein Kinn, den Hals hinab und auf sein Gewand. Sein Gesicht strahlte pure Verzückung aus. Ich konnte ihn nur anstarren. Mit welchem Genuss er aß... Man sah ihn zwar nicht aus der Nähe...aber sogar von hier erkannte ich wie schön er war.

„Hm...oh...köstlich....hmmmm...“ Diese Laute, die er von sich gab...herrlich.

„Lass es dir schmecken.“, meinte die Frau lächelnd und der Mann wirkte irgendwie gelangweilt.

„Hey...Eva...wir sollten da weiter machen, wo wir vorhin aufgehört haben, solange der Engel isst...was meinst du?“, säuselte der Mann und berührte die Frau überall. Sie kicherte und drückte ihm ihren Mund auf, packte ihn an seinem Hintern und zog ihn nach unten, auf die Wiese. Der Engel starrte auf die beiden und schien fasziniert. Dann lächelte er und aß in Ruhe weiter. Als er fertig war, die Frucht zu essen, sah er sich um, fand aber keinerlei Beschäftigung, während die beiden sich amüsierten. Die Sonne schien genau auf seinen Kopf und ließ seine Haare leuchten. So wunderschön....so perfekt war er. Ich seufzte leise, meine Brust erwärmte sich angenehm dabei und bekam nur am Rande mit, dass die beiden sich wieder aufrichteten, die Münder wieder aufeinander drückten und ihn aus Versehen traten. Er stand erbost auf und ging direkt auf den Apfelbaum und damit auf mich zu. Einige Sekunden verharrte ich lächelnd...bis ich wieder reagieren konnte.

 

ER KAM AUF MICH ZU!

 

Ich drückte mich auf den Boden und krabbelte in ein Gebüsch, während der Engel schon ziemlich nahe war. Weit riss ich meine Augen auf und hoffte, er würde mich nicht sehen. Ich war noch nicht bereit dazu, mit ihm zu sprechen. Was sollte ich sagen? Wie mich verhalten? Weißes Gewand schleifte über mein Gesicht, unterbrach meine Gedanken damit und ich sah zuerst nichts mehr. Eine Sekunde später sah ich wieder, dafür den Leib, der darunter verhüllt wurde. Manche würden es als pummelig bezeichnen, doch ich konnte mich nur wiederholen. Wunderschön. Sein Körper, der unter dem Gewand völlig nackt war, versprach Weichheit, Geborgenheit und Wärme, etwas was ich seit langer Zeit nicht mehr gefühlt hatte und verdrängte sogleich den Wunsch, mich an seinen Körper zu schmiegen. Stattdessen sah ich ihm zu, wie er den Baum erklomm, es sich auf einem dicken Ast gemütlich machte und von dort aus, den Menschen weiter zusah. Ich unterdrückte ein heiteres Lachen, als er einen weiteren Pfirsich hervor zauberte. Er mochte wohl das menschliche Essen und ich mochte es, ihm dabei zuzusehen, wie er es verspeiste.

Das Gerangel der Menschen dauerte nicht allzu lange, vom Baumbesetzer kam ab und an ein leises, sehnsuchtsvolles Seufzen, da waren sie schon fertig. Was er wohl von den beiden dachte? Und...ob er das auch mal machen wollte? Der Engel wollte schon wieder hinab steigen, als die beiden in eine neue Runde starteten, was ihn seine Augen verdrehen ließ. Warum reagierte er so? Vorhin schien es, als ob es ihn freute, dass beide glücklich schienen. Fühlte er sich überflüssig? Das war jedenfalls meine Vermutung. Seine Traurigkeit schien fast greifbar und ich begriff nicht, wieso er es auf einmal war. Fragen, die mir keine Ruhe ließen, denn ich wollte das nicht und alles in mir drängte mich dazu, ihn in den Arm zu nehmen und ihm zu zeigen, dass er nicht alleine war. Warum? Warum fühlte ich mich nun so? Das würde ich schon noch heraus finden, das nahm ich mir fest vor.

 

Beide Menschen waren laut und dieses lustvolle Stöhnen der beiden und wie sie sich im Einklang bewegten, machte mir klar, dass die beiden FÜREINANDER geschaffen wurden. Zwei Menschen, die zusammen gehörten. Das machte mich sehr nachdenklich, denn der Allmächtige hatte weder den Engeln, noch der anderen Seite dies jemals zugestanden. Wenn ich es mir aussuchen könnte...wäre derjenige, der zu mir gehörte, der Apfelbaumengel. Ich lächelte und gab mich diesem Gedanken und der Vorstellung davon hin. Dann erlosch mein Lächeln.

Es wäre natürlich eine Sünde. Etwas so reines und unschuldiges sollte nicht von mir beschmutzt werden, aber er zog mich einfach magisch an. Trotzdem beschränkte ich mich darauf, ihn nur zu beobachten. Das müsste einfach reichen. Ein letztes Stöhnen ließ der Mann verlauten, dann sackte er erschöpft auf der Frau zusammen. Wir warteten beide gespannt darauf, ob sie nun endlich fertig waren und hob skeptisch eine Augenbraue, als sich der Mann erhob und zufrieden grinste.

„Lass uns zum See gehen und baden.“ Mühevoll erhob auch sie sich und irgendwie...schien sie auf einmal verändert. Ein kleines Licht flog auf sie zu und hielt an ihrem Bauch. Das Leuchten verschwand darin und ich sah prüfend zum Engel über mir, ob er das auch mitbekommen hatte. Selig lächelte er, faltete die Hände zusammen und dankte dem Herrn, dass er dieses Wunder miterleben hatte dürfen. Dann schwebte er den Baum hinab und schloss sich den beiden wieder an.

Sie gingen ihrer Wege und als sie außer Sichtweite waren, verließ ich mein Versteck. Ich sollte mir etwas mehr Zeit für diese Verführungssache nehmen. Immerhin schienen die Menschen auf den Engel zu hören und je länger ich unter ihnen sein konnte, desto besser. So konnte ich ihn wenigstens ansehen. Dort unten ging das nicht mehr. Ich kletterte hinauf auf den Baum und nahm auf demselben Ast Platz, an dem der Engel gesessen hatte. Andächtig berührte ich die Stelle und legte mich, so gut es ging darauf. Genießerisch schloss ich meine Augen, als der Duft der Apfelblüten mir in die Nase kam und sich mit dem Duft des Engels vermischte. Das war das Paradies auf Erden. Ich liebte die Erde jetzt schon. Mein Atem ging ruhig, ich war auf einmal tiefenentspannt und ein leichtes Glücksgefühl überkam mich. Langsam drifteten meine Gedanken ab und merkte nicht, wie ich zum ersten Mal seit meiner Existenz, einschlief.

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 3 der Erde, 8:29 Uhr...

 

 

Irgendwas weckte mich, konnte es nicht benennen. Es war wie ein Gemisch aus etwas realem und etwas, was aus dem Inneren kam. Dröhnend kam es wieder und war auf einmal verschwunden. Verwirrt kratzte ich mich am Kopf, und wusste nicht, wie lange ich hier gelegen hatte. Ich ließ einige Minuten verstreichen, ehe ich den Baum hinabkletterte.

„Irgendwas riecht hier nach...Bösartigkeit, Gabriel.“

„Ach was. Aziraphale passt hier sehr gut auf. Er hätte es garantiert bemerkt, wenn ein Dämon hier wäre. Mach dir keine Sorgen, Sandalphon. Immerhin hat er ein Flammenschwert und weiß damit umzugehen. Vielleicht hat er bereits eine Bösartigkeit zur Strecke gebracht und der Gestank der Hölle wirkt noch nach.“

Ich starrte wie vom Blitz getroffen auf die beiden anderen Engel, die im Garten umher schlenderten. Der eine war groß und schlank, der andere kleiner und fülliger. Jetzt wusste ich endlich wie der Engel hieß, jedoch war mir der Name zu kompliziert auszusprechen, dass ich ihn im nächsten Moment wieder vergessen hatte.

„Nun, dann wollen wir mal zu ihm, nicht wahr? Du wirst sehen, dass er sich ganz hervorragend macht.“ Stolz reckte der größere...Gabriel?, sein Kinn und bedeutete dem anderen, ihm zu folgen. Ich sollte vielleicht abhauen. Nur für alle Fälle und nur solange die zwei hier waren.

 

~

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 4 der Erde, 17:13 Uhr....

 

 

Ich hatte einen ganzen Tag darauf gelauert, dass die anderen Engel gingen und als ich wieder zurück war, streckte ich mein Gespür auf den gesamten Garten aus, konnte aber nur einige Tiere, die Menschen und einen Engel ausmachen. Mein Weg führte wieder zum Apfelbaum, ich umkreiste ihn einige Male und sah an ihm hinauf. Bilder der blonden, weichen Schönheit kamen wieder in mir auf und der Wunsch, ihm nahe zu sein.

Etwas kitzelte mich am Fuß und als es nicht aufhörte, sah ich nach. Ich erschrak mich fürchterlich, aus meiner Kehle kam, zu meiner Schande, ein spitzer Schrei, zum Glück nicht allzu laut, machte einen Satz nach oben und klammerte mich an einem dicken Ast des Apfelbaumes fest.

„Allessss in Ordnung mit dir?“, fragte das längliche Ding zischend. Tief atmete ich durch, und versuchte mein stark klopfendes Herz zu beruhigen, kletterte wieder hinunter und ging in die Hocke, um es mir genauer anzusehen. Es war eines der Tiere, die der Herr geschaffen hatte. Weder Arme, noch Füße zierten dieses Geschöpf und es hatte eine schuppige, weich aussehende Haut. Der Bauch war hellbraun und der Rücken, falls man dies Rücken nennen konnte, in einem dunklen braun. Die Zunge des Tieres war gespalten, die in kurzen Abständen immer mal wieder aus dem Maul hinaus kam. Das war das erste Tier, was mir hier aufgefallen war und ich mochte es sofort. Auch wenn es aussah, wie ein Ast eines Baumes, der zum Leben erweckt worden war.

„Ja alles in Ordnung. Du hast mich vielleicht erschreckt.“

„Entsssssschuldige. Dasss war nicht meine Abssssicht.“ Ich lächelte es an und ich dachte fast, dass es zurück lächelte. Seine Augen waren sandfarben und die Pupillen waren zu Schlitzen geformt, genau wie meine Augen, nur das meine gelb waren. Eine Idee formte sich in meinem Verstand und ich grinste. Nun wusste ich, wie ich mich den Menschen....und auch dem süßen Engel nähern konnte, OHNE dass sie bemerkten, wer und was ich war. Nie hatte ich meinen Körper transformiert und hoffte, ich würde es genau so hinbekommen. Normalerweise hatten Wesen, Gefallene wie ich, keinerlei Vorstellungskraft, aber wenn ich meinen Plan ausführen wollte...musste ich etwas an mir ändern. Außerdem war ich an dem Erschaffen der Sterne beteiligt gewesen und das hatte ich nicht vergessen. Ideen hatte ich immer genug. Also starrte ich es an, was diesem recht unangenehm war, doch nichts passierte.

„Wassss machssst du da?“

„Ich möchte meine Gestalt ändern und dann aussehen, wie du.“ Wenn es gekonnt hätte, hätte es sicher eine Augenbraue hochgezogen, so skeptisch sah es mich an.

„Ich bin eine Sssschlange und du weder ein Tier, noch ein Menssssch und ein Engel sssschon drei Mal nicht. Wie willssssst du dassss ssschaffen?“

„Keine Ahnung. Mit Übung?“ Was für ein seltsames Tier. Schlange? Nun gut, dieses Wort beschrieb es, meiner Meinung nach, recht passend. Wie konnte ich mich nur in eine Schlange verwandeln? Ich stand wieder auf, umrundete es und ging wieder in die Hocke. Wie wollte ich eigentlich dann aussehen, wenn ich eine Schlange war? Ich nahm eine Strähne meines langen, roten Haars zwischen zwei Finger und besah es mir. Sie lockten sich und mit viel Fantasie könnte so eine Strähne aussehen, wie eine Schlange...Also rot war schon mal eine Farbe, die mir zusagte. Ein roter Kopf und der Rest schwarz? Das sähe bestimmt recht albern aus und ich wollte Asuraph...Aruru... den Engel beeindrucken. Was wenn, der Bauch rot sein würde und der restliche Körper schwarz, wie mein Gewand und meine Flügel, die damals, vor dem Fall, genauso weiß gestrahlt hatten, wie die des Engels. Die Schlange, die mich bisher nur schweigend angesehen hatte, machte ein zischendes Geräusch und bewegte ihren Körper in leicht welligen Zügen, womit sie sich von mir fortbewegte. Sie schlängelte sich auf einen anderen Baum, weit hoch in die Krone und war dann nicht mehr zu sehen. Hm...interessant. Also gut. Das sollte ich auch versuchen. Ich legte mich auf den Bauch und bemühte mich, die Bewegungen dieses Tieres nachzuahmen, stellte aber schnell fest, dass ich mich damit nicht fortbewegen konnte. Wütend über meine eigene Unfähigkeit, schnaubte ich laut und kniff fest die Augen zusammen. Doch auch das brachte nichts. Ich schaffte es einfach nicht, mir das vorzustellen. Dachte ich zu kompliziert? Nachdenklich erhob ich mich wieder und ging zu dem Baum mit den schönen Äpfeln. Meine Hand streckte sich automatisch nach den süßen Früchten aus, als ob sie mich zu sich rufen würden und sie alleine die Lösung meines Problems waren. Als ich einen pflückte, spürte ich, dass er besonders war und eine unglaubliche Bedeutung haben musste. Was konnte es schaden, selbst davon zu essen? Immerhin war ich schon gefallen, da konnte es nichts schlimmeres geben. Außerdem kam ich mit meinem Plan nicht weiter, die Wut darüber brodelte, jedoch ließ ich sie nicht an die Oberfläche kommen. Wut und Ungeduld brachten nichts als Ärger. Je schneller man etwas wollte, desto langsamer wurde alles und zog sich hin. Manches Mal rechnete man dann mit enormen Verlusten und dem Vorsatz, das nächste Mal geduldiger zu sein. Mein Kopf schmerzte von diesen Überlegungen und dem Versuch, mich auf diese Schlangengestalt zu konzentrieren. Ich musste eine Pause machen und besah mir die Frucht nun genauer.

Der Apfel war glatt, ich strich darüber und schloss die Augen. Dann biss ich zu. Süß rann der Saft mir in meinen Mund und ich riss geschockt meine Augen wieder auf. Ich taufte diesen Baum, den Baum der Erkenntnis, denn ich hatte gerade eine unfassbare Erkenntnis gehabt. Etwas, was meines Wissens nach, keiner der beiden Seiten wusste. Aber warum wollte der Schöpfer diesen Menschen und vor allem auch uns, diese vorenthalten? Es war meiner Meinung nach sehr wichtig, dass wir es wussten. Ich musste...MUSSTE es den Menschen ermöglichen. Das hatte nun nichts mehr mit meinem Auftrag zu tun. Erneut biss ich in den Apfel und sogleich kam mir eine weitere Idee.

Ich war Crawley. Der Kriecher, also gab es gar nichts anderes, als das ich mich in eine Schlange verwandeln konnte. Dies war der Name, den man mir unten gegeben hatte. Nach dem Fall hatte ich nur noch kriechen können und es hatte lange gedauert, bis ich wieder normal laufen konnte. Es war mir sozusagen angeboren, dass ich auch eine Schlange sein konnte. Ich schloss die Augen und versuchte es mir vorzustellen, dass ich mich in eine Schlange verwandeln konnte. Aber keine kleine, wie die vorhin, sondern größer. Mein Kopf bewegte sich hin und her und der Körper machte mit. Lange saß ich so da, aber nichts passierte. Ich knurrte und konzentrierte mich. Eine große Schlange, mit rotem Bauch und schwarzem Rücken, elegant, mit leuchtenden, gelben Augen...

„Mein Wille geschehe...Ich bin eine Schlange. Mein Wille soll geschehen, denn auch ich habe Schöpferkraft in mir, wie der Allmächtige. Ich bin eine Schlange....eine Schlange... MEIN WILLE GESCHEHE! ICH BIN EINE SCHLANGE!!!!“ Ich biss zum dritten Mal in den Apfel und auf einmal konnte ich es genau vor mir sehen. Wie mein Körper sich verformen würde, zu einem schönen Wesen, das Kraft und doch Anmut ausstrahlte. Mein Körper fühlte sich seltsam an, als würde ich schrumpfen, meine Wirbelsäule dehnte und krümmte sich und da wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Geschafft, was sonst keinem anderen, der dort unten weilte, gelingen würde. Ich war einfach ein Naturtalent und diese Sache musste ich unbedingt weiter ausbauen. Nun würde ich alles, was ich mir vorstellte auch genauso schaffen können. Ich probierte den Teil mit der Zunge aus und zischte laut. Das klappte schon mal hervorragend.

 

„Nanu? Wer bist du denn? Oh was für ein wunderschönes Tier du doch bist. Hast du gerade so laut geschrien? Hast du dich verletzt?“ Meinem veränderten Körper hatte ich es zu verdanken, dass ich nicht vor Schreck zusammen zuckte und erneut an einen Ast sprang, als ich diese Stimme hörte. Ich drehte mich um und sah in ein unglaublich anbetungswürdiges Gesicht. Einige Zeit starrte ich ihn an, er wirkte äußerst besorgt, dann schallte ich mich einen Narren. Wie könnte so ein reines Wesen, gerade mich...MICH mögen würden? Ich war...ein Dämon, mit unheimlichen Augen wohlbemerkt und ich musste sicher nicht erwähnen, dass unsere beide Seiten bittere Feinde waren. Dieser Gedanke kam schnell und ernüchterte alle meine glücklichen Illusionen und Fantasien mit mir und dem Hübschen. Also zischte ich nur und versuchte von ihm weg zu kommen. Auf einmal wollte ich nicht mehr, dass er mich sah, auch wenn er meine wahre Gestalt nicht kannte. Der Apfel musste dies verursacht haben, denn vorher kannte ich dieses Gefühl noch nicht. Ich nannte es Scham...

 

„Warte doch. Ich muss dir noch was sagen, bevor du den Garten erkunden kannst.“, meinte er und streichelte dabei ganz zart mein Gesicht. Es stand sofort in Flammen, genau wie das Schwert, welches er schnell abgelegt hatte, bevor er zu mir gelaufen war und mich damit gestoppt hatte. Wenn ich nicht schon gefallen wäre, hätten es gerade diese Hände verursacht. Aber wir waren doch Feinde....Feinde...nichts anderes. Nichtdestotrotz brannte mein Gesicht und mir wurde unfassbar heiß in meiner Brust.

Ich betrachtete ihn ganz genau und unterdrückte das Verlangen, ihn in seine süßen Bäckchen zu kneifen, erinnerte mich daran, dass ich gerade eine Schlange war, es deswegen nicht konnte und lächelte daher nur sanft. Unsicher sah er mich aus hellen Augen an, lächelte dann aber auch und stupste meine Nase leicht an. Sein Lächeln erhellte mich von innen, es ließ mich wie auf Wolken schweben, er zuckte kurz zusammen und sah mich erstaunt an. Doch dies hielt nur eine Sekunde.

 

„Sei bitte vorsichtig. Der Herr hat erst neue Tiere erschaffen und ich möchte nicht, dass du verletzt wirst. Und halte dich bitte von dem Apfelbaum fern. Seine Früchte dürfen nicht verspeist werden.“ Nun dazu war es wohl schon zu spät, was auch er bemerkte, als er den angebissenen Apfel neben mir liegen sah. Seine Augen weiteten sich geschockt.

Er lief dorthin, bückte sich...den Apfel aufzuheben, ich drehte mich in dieselbe Richtung und... Ich meine...wow... was für ein Hintern.... zum reinbeißen.... erinnerte mich ein wenig an die verbotene Frucht an diesem Apfelbaum und bekam dabei gleich eine völlig neue Bedeutung. Irgendwie witzig. Ich musste kichern, aber in dieser Gestalt hörte es sich an, als hätte ich mich an irgendwas verschluckt.

„Oh nein...du hast doch nicht wirklich...alles in Ordnung? Was wird der Allmächtige nur sagen, wenn eines seiner Geschöpfe davon gekostet hat? Ich bekomme bestimmt richtig Ärger....und dabei spreche ich noch gar nicht von Gabriel.“ Seufzend setzte er sich hin und erzählte mir von oben. Das er mir einfach so vertraute war entweder sehr dumm oder unheimlich liebenswert. Ich entschied mich für letzteres.

„Wir haben oben kaum was zu tun und es kann schon ziemlich langweilig werden, wenn Gabriel nicht wäre. Er hat radikale Ideen, einen zum arbeiten zu bringen. Hach...weißt du...ich bin hier eigentlich zur Strafe. Einer der Engel hat fast die ganze südliche Wand im Konferenzsaal abgeleckt und ich konnte ihn einfach nicht davon abhalten. Dabei weiß keiner, dass ich ebenfalls schon mal probiert habe und ehrlich...die Wände schmecken hervorragend. Ich konnte ihn verstehen, warum er so viel daran geleckt hatte. Und nun bin ich hier und so wirklich eine Strafe ist es ja nicht. Das östliche Tor bewachen, die Menschen beaufsichtigen, dass sie keine Dummheiten anstellen, nach...Dämonen Ausschau halten und wenn nötig, diese zur Strecke zu bringen.“

Ich verzog meine Schnauze ein wenig. Das gefiel mir gar nicht.

Nun...vielleicht begegnet dir ja mal ein guter Dämon?“, warf ich nachdenklich ein. Des Engels Augen weiteten sich erschrocken, wie als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich tatsächlich antworten würde.

„Du...du kannst ja sprechen. Die anderen Tiere können das nicht...merkwürdig.“ Er schüttelte den Kopf, als wäre ihm ein abwegiger Gedanke gekommen.

„Was meinst du mit guter Dämon? Es gibt keine Guten. Nein. Wir Engel sind bitter verfeindet mit der anderen Seite. Keine Chance. Wie sollte man auch mit ihnen reden? Ich bin zwar noch nie einem begegnet, aber es heißt, sie wären nicht sehr ansehnlich, dumm und sollen die ganze Zeit nur böse sein...Nie könnte einer von uns mit denen zusammen sein. Da gäbe es...nun...diverse Streitigkeiten.“

Die anderen Tiere konnten...NICHT sprechen? Nun gut, da war ich eben auch ein Ausnahmetalent. Ich verstand die Sprache der Schlangen.

Wir diskutierten noch lange darüber, denn ich wollte es nicht so stehen lassen. Immerhin war ich einer, mit dem man durchaus reden konnte...und ich war ein sehr guter Zuhörer, merkte mir jedes noch so kleine Detail. So erfuhr ich vom Engel, dass er sehr froh darüber war, hier sein zu dürfen. Was anderes, als nur da oben zu sitzen und den Vorträgen von anderen zu lauschen, zu singen oder einfach den ganzen Tag zu frohlocken. Das verstand ich nur zu gut, obwohl das besser war, als das was man unten zu tun hatte. Ich erzählte ihm, dass ich gehört hatte, dass es Dämonen gab, die schlau und gerissen waren, aber trotzdem wussten, wo die Grenze lag. Wir stellten fest, dass der einzige Unterschied der beiden Seiten daran lag, dass die von unten, härter bestraften, wenn etwas nicht zu ihrer Zufriedenheit geschah. Wie man sich als Dämon dort unten fühlte, brauchte er nicht zu wissen. Ich wollte ihn nicht erschrecken. Außerdem war ich einer der wenigen gewesen, die nach dem Fall bestraft wurden und ich glaubte nicht, dass andere solche Qualen litten, wie ich es dort unten tat. Wir redeten auch über die Menschen und er meinte...bisher nur gute Erfahrungen gemacht zu haben. Sein Blick sagte mir alles und ich grinste ihn frech an, immerhin war ich ja dabei gewesen.

 

Als es anfing zu dämmern, stellte er sein Flammenschwert auf und bohrte es in die Erde, wo es wunderbar umher flackerte und mich wärmte. Die Erde nahm dabei aber keinen Schaden und ich fragte mich, warum?

Ich habe gehört, die von unten müssen auch ständig davon abgehalten werden, an den Wänden zu lecken.“ Der Engel lachte daraufhin und stupste mir wieder an die Nase, was sich herrlich anfühlte, mir aber trotzdem unangenehm war. Ich war es nicht gewohnt, dass man mir so viel Sympathie entgegen brachte. Nicht dass ich noch nett wurde...

„Du siehst richtig süß aus, wenn du deine Zunge heraus steckst, weißt du das?“ Ich....was? Wie kam er denn jetzt auf sowas? Mein Gesicht fing an, richtig heiß zu glühen und ich wandte mich etwas von ihm ab.

Ich bin nicht süß. Ich bin eine furchterregende Schlange...“, fauchte ich verärgert. Ein Dämon konnte Schwierigkeiten bekommen, wenn er nicht böse war, was ich, ehrlich gesagt auch gar nicht war. Nur musste das keiner wissen und ich passte sehr gut auf, dass es niemand mitbekam.

Wieder lachte er und sah mit seinen hell funkelnden Augen, tief in meine. Ein leichter Schwindel erfasste mich und mein Atem stockte.

„Nun gut...dann eben nicht. Deine Augen gefallen mir. Sie mögen stechend wirken, aber ich sehe viel Wärme darin und vor allem sehr viel Gutes.“ Gutes? Hallo? Wusste er nicht wer ich war? Oh richtig...wusste er nicht. Doch bevor ich darauf hätte antworten können, redete er bereits weiter.

„Ich danke dir für deine Gesellschaft heute. Das hat mir gut getan. Aber ich muss nun wieder zu den Menschen. Mach´s gut und sei ja vorsichtig.“ Ich zischte und beobachtete ihn, wie er durch ein Gebüsch stolperte.

Das dürfte noch seeehr interessant werden.

 

Ich folgte ihm unauffällig und kroch einen Baum hinauf, der gelbe Früchte trug und beobachtete die drei aufmerksam. Nach einiger Zeit legten sich die Menschen auf die Erde und regten sich nicht mehr. Sie mussten wohl eingeschlafen sein. Der Engel saß einsam dort und wachte über ihren Schlaf. Dann wischte er sich, mit dem Ärmel seines Gewandes, das Gesicht ab.

Weinte er? Schnell kroch ich den Baum hinab und als ich in seiner unmittelbaren Nähe war, versteifte er sich sofort.

„Was machst du hier?“, fragte er, als hätte er mich kommen sehen.

Lass uns doch noch ein bisschen reden. Das hat mir auch gut getan und um die Menschen musst du dich doch gerade nicht sorgen.“, meinte ich und hoffte, dass es ihn irgendwie ablenken würde, damit er nicht mehr traurig war.

„Nun...ja das stimmt. Aber reden möchte ich gerade nicht...“ Das war durchaus verständlich und vollkommen in Ordnung, deswegen kroch ich näher und berührte ganz leicht, mit meinem Körper sein Bein und zeigte ihm so, dass ich auf jeden Fall bleiben würde, damit er nicht allein war. Er lächelte traurig, ehe er anfing, mir zärtlich meinen Kopf zu streicheln. Ich war im Himmel. Diese Vorsicht und diese Sanftheit, mit der er mich behandelte, rührte mein Herz derart, dass es wieder diesen Hüpfer machte und ich mich an seine Hand schmiegte. Ich war definitiv bereits süchtig danach.

 

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 5 der Erde, 05:35 Uhr....

 

 

Irgendwann wachte ich wieder auf, es war bereits hell, aber weder der Engel, noch die Menschen waren zu sehen, also sah ich nach links und nach rechts, bevor ich mich verwandelte.

 

Leise schlich in in meiner normalen Gestalt durch den Garten. Ich musste mal eine Schlangenpause machen, meine Flügel ausstrecken und dehnte meinen Körper. Doch dann schnupperte ich und verharrte. Ich roch wieder diesen einen Engel. Nur von welcher Richtung er kam und wie nahe er bereits war, dass wusste ich nicht, also bewegte ich mich vorwärts, immer darauf bedacht, nicht aufzufallen. Gerade überlegte ich, ob es nicht besser wäre, mich wieder als Schlange zu tarnen. Doch weiter, als bis zum Gedanken kam ich nicht.

Ich schrie auf, als ich an meinem Arm einen brennenden Schmerz spürte. Flammen leckten an meinem Gewand, welche ich mit einem Schnipsen löschte und als ich mich umdrehte, sah ich in wütende, violette Augen.

„Dämon!“

Ich erwiderte darauf nichts, sondern versuchte, ihm auszuweichen, aber er holte bereits ein weiteres Mal mit einem Flammenschwert aus und verfehlte um Haaresbreite mein Gesicht. Er würde mich zur Strecke bringen, wenn ich nicht floh, denn ich war völlig unbewaffnet und konnte ihm kaum was entgegensetzen. Abermals sauste das Schwert auf mich herab, ich sprang zur Seite, doch er traf mich an meinem rechten Oberschenkel, Blut spritzte aus der Wunde und ich landete hart auf dem Boden. Der Schmerz betäubte meinen Körper, mein Atem ging stockend, Schweiß rann über mein Gesicht und ich hatte Angst. Meine Wunden bluteten stark...zu stark. So konnte ich doch nicht abtreten. Ich musste wenigstens noch ein letztes Mal meinen Engel sehen...

„Jetzt hat dein letztes Stündchen geschlagen, Höllenbrut. Stirb!“ Er holte aus, doch traf er nur die Erde, als ich mich mit letzter Kraft aufgerafft hatte und hinter ein Gebüsch sprang. Er drehte sich zu mir um, doch hatte ich mich längst wieder in eine Schlange verwandelt. Er suchte nach mir und hackte auf die Büsche ein. Ich bohrte mich halb in die Erde, bedeckte mich damit und blieb völlig regungslos, hielt den Atem an und schickte ein Stoßgebet zum Allmächtigen, dass mich Gabriel nicht finden würde. Ja ich betete immer noch, auch wenn es sinnlos war.

„Wo steckst du? Komm raus und kämpfe!“ Ich achtete nicht auf sein Gerede, sondern konzentrierte mich nur darauf, mich nicht zu bewegen. Als er mich nach langem Suchen nicht fand, spuckte er abfällig auf den Boden.

„Der Körper des Dämons wird eh an seinen Verletzungen erliegen. Einer von denen weniger...“ Das Feuer am Schwert erlosch, er legte es zufrieden auf die Schulter und ging seines Weges. Keuchend grub ich mich aus der Erde, schleifte meinen Körper langsam durch das Gras und hinterließ eine blutige Spur. Ich musste den Engel finden und ihm wenigstens Lebe Wohl sagen...das war ich uns beiden schuldig.

Ich fing an, vor Anstrengung noch mehr zu schwitzen und wusste, sollte ich ihn nicht bald finden, wäre es zu spät. Wo war ich eigentlich? Meine Sicht verschwamm langsam und hoffte, er möge mir vergeben.

 

„Hey, ich hab dich schon...WAS IST PASSIERT?“ Der Engel.... Ich lächelte und sackte zusammen, fühlte, wie er meinen schlaffen Körper auf seinen Schoß hob, seine Hände auf mich legte und sah ein helles Leuchten, welches mir in den Augen weh tat. Schnell kniff ich sie zu und fühlte, wie sich die verletzten Teile meines Körpers säuberten, wieder zusammen setzten und heilten. Lange noch hielt er seine Hände über mich und versorgte mich mit Kraft und Energie.

„Was ist passiert? Wer hat dich so schwer verletzt?“ Seine Stimme klang brüchig und bekümmert und ich entschloss mich, ihm nicht zu sagen, was genau passiert war, wollte ihn aber auch nicht anlügen... Hallo? War ich nicht ein Dämon? Wir logen doch praktisch immer...

„Schon ok...danke für deine Hilfe. Ich wollte mich eigentlich nur verabschieden, weil ich dachte, ich müsste sterben...“ Ich atmete tief durch und überlegte, wie ich ihn ablenken konnte, damit er sich nicht mehr solche Sorgen machte, denn meine Worte schienen es schlimmer gemacht zu haben. Aber mir fiel nur ein, dass er gerne aß...

„Kannst du mir eigentlich von den Früchten, irgendeine besonders empfehlen?“, fragte ich ihn. Er sah mich an und es schien, als wüsste er genau, dass ich nicht darüber reden wollte, es verwirrte ihn, konnte er sich doch nicht vorstellen, warum ich es nicht sagen wollte. Dennoch beantwortete er meine Frage, ohne zu Zögern.

„Hm? Früchte? Oh ja... Birnen sind super und auch Orangen und Trauben. Von den Zitronen lässt man besser die Finger. Als ich reingebissen hatte, verzog sich mein Gesicht so komisch, dass Adam einen Lachanfall bekommen hatte und drei Stunden nichts anderes gemacht hatte, als zu lachen. Davon hat er ziemlich Bauchschmerzen bekommen.“ Ich nickte verständnisvoll und grinste, als ich mir das Gesicht vorstellte. Er erwiderte es und das Leuchten der Heilung verschwand. Ganz genau betrachtete er mich und seufzte.

„Du möchtest mir also nicht sagen, wer das getan...“

„Noch irgendwelche Lieblingsfrüchte?“ Er zischte kurz, antwortete aber dann.

„Einen himmlischen Geschmack haben Pfirsiche.“ Verträumt sah der Engel in den Himmel und leckte sich, in der Erinnerung an diesen Pfirsich, über seine sündhaft aussehenden Lippen, bevor er ein zartes Seufzen von sich gab. Dies flutete mein Herz mit einem Gefühl, welches ich nicht beschreiben konnte, was mir einen erneut seltsamen Blick des Engels einbrachte, der so komisch aussah, dass ich mir dass Lachen verkneifen musste. Doch je länger ich hinsah....So musste sich Adam gefühlt haben. Weit öffnete ich mein Maul und lachte. Er war so niedlich, das konnte ich einfach nicht fassen. Ich musste so heftig lachen, dass ich mich nicht mehr auf meine Schlangenform konzentrieren konnte und mich zurück verwandelte. Weit öffneten sich seine Augen vor Schreck und er wich von mir zurück.

„WAS? EIN....EIN DÄMON? Du bist ein...oh Himmel steh mir bei.“, rief er aus. Ich fuhr mir durch mein langes Haar und lächelte ihn an.

„Wie ist das nur...das nur möglich? Oh du.... du...böser Dämon. Verschwinde von hier...oh wo ist nur mein Flammenschwert? Ah, da ist es ja. Warum nur habe ich dich geheilt?“ Er griff danach und baute sich drohend vor mir auf, oder versuchte es wenigstens, aber ich lächelte nur weiter. Eine Maus mit einem Holzsplitter in der Hand hatte dieselbe Wirkung auf mich. Außerdem würde er mir nichts tun, da war ich ganz sicher.

 

„Weißt du wie lange es her ist, dass ich das letzte Mal gelacht habe? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Danke.“ Mit einem Seufzen ließ er das Schwert sinken und setzte sich wieder zu mir auf den Boden. Ich sah nach oben und es wunderte mich gar nicht, dass wir unter dem Apfelbaum saßen, stand auf, pflückte einen und biss hinein. Entsetzt starrte er mich an.

„Du warst eine Schlange...bist aber ein Dämon? Hast du...warum hast du von den Äpfeln gegessen? Und warum schon wieder? Sie sind verboten. Ach herrje...“

„Ja, ich bin ein Dämon. Wir machen sowas und wie du siehst, ist mir nichts passiert. Das sind im übrigen MEINE Lieblingsfrüchte.“ Erbost sah er mich an und blies seine Backen auf, als ich provokant erneut hinein biss, was ein klasse knackiges Geräusch erzeugte und ich dabei mit ihm flirtete. Seine Bäckchen nahmen davon einen zarten Rotton an.

„Das meine ich doch nicht. Wenn man etwas nicht darf, sollte man es auch nicht tun. Das ist ja eine Unverschämtheit.“ Ich konnte es kaum glauben. Dieser Engel redete ganz normal mit mir, obwohl ihm mein Wesen wenig behagte. Er versuchte, mir in meine Augen zu sehen, die ihm gefielen, doch dass ich ein Dämon war gefiel ihm nicht. Das musste hart sein, in so einem Zwiespalt gefangen zu sein. Er musste immer wieder den Blickkontakt abbrechen, während ich immerzu in seine sah. Andere wären bereits schreiend abgehauen, oder hätten versucht mich zu vernichten, aber er nicht. Nein er knetete nervös seine Hände und sah mich dann wieder scheu an.

„Was...was ist das da...an deiner Schläfe? Ist das...eine Schlange? Hat das was mit gerade eben zu tun? Das du...dich wandeln kannst?“ Ich hob eine Augenbraue, rührte mich nicht, als er mir näher kam und mich eingehender betrachtete. Ich konnte nur dieses Gesicht anstarren. Diese wunderschönen Augen, in denen ich ein immerwährendes Funkeln erkennen konnte und mich vollkommen in seinen Bann zog. Ich wollte dieses leichte Doppelkinn berühren, das entstand, wenn er nach unten sah und sehen, ob es so zart war, wie es aussah. Dann fiel mir wieder ein, was er gesagt hatte. Ich hatte vorher keine Schlange an meiner Schläfe gehabt, aber anscheinend jetzt. Ein Mal, meiner Wandler Fähigkeit sozusagen.

 

„Tatsächlich...sowas habe ich ja noch nie gesehen...können alle Dämonen sowas?“ Als ob. Sie hielten sich nur Haustiere und am Liebsten auf ihren Köpfen. Aber verwandeln? Schon seltsam. Kaum hatte der Herr Tiere erschaffen, wurden sie als Kopfbedeckung für Dämonen missbraucht.

„Nein. Nur ich. Andere sind nicht gerade mit viel Intelligenz gesegnet, wenn du verstehst, was ich meine.“, sagte ich und lächelte ihn verführerisch an. Ob ich einen Engel in Versuchung führen könnte?

„Du...du hast schöne Haare. Sie leuchten richtig...wie...wie Feuer...das habe ich noch nie gesehen...“ Ich nahm seine Hand, die sich warm und...richtig anfühlte und führte sie zu meinen Haaren, damit er sie berühren konnte und er errötete dabei heftig.

Er war nervös und zitterte, das spürte ich ganz deutlich, konnte diese Empfindungen riechen, ja fast schmecken und davon bekam ich eine Gänsehaut, grinste breiter und flirtete heftiger. Durch mich floss pure Elektrizität, meine Flügel vibrierten davon. Verwundert sah er darauf und brach damit den magischen Moment. Mist.

„Diese Flügel...sind fast wie meine. Wie kommt das?“ Wusste er das nicht?

„Kein Wunder. Ich war auch mal ein Engel. Vor langer Zeit...“

„Du warst...aber...warum bist du jetzt keiner mehr?“ Hatte ich vorhin wirklich noch gedacht, dass er keine Fragen stellte? Ich seufzte.

„Bin gefallen.“

„Was? Aber warum?“

„Ich habe zu viele Fragen gestellt...“

„Ach Unsinn. Man fällt nicht, nur weil man Fragen stellt.“

„Wenn es zu viele und die Falschen sind, schon. Ich...ich muss jetzt wieder los...bis irgendwann.“, meinte ich, konzentrierte mich, verwandelte mich in eine Schlange und sank durch das Erdreich hinab, wo ich herkam, ohne ihn nochmal anzusehen. Auch wenn ich seine Enttäuschung selbst bis in die Tiefen der Hölle spüren konnte...ich wollte nicht über meinen Fall reden und schon gar nicht über die Konsequenzen danach.

 

~

 

Hier unten hatte Zeit wenig Bedeutung und doch schien es mir schon zu lange her, dass ich im Garten gewesen war. Dieser Engel ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte traurig ausgesehen und es war meine Schuld. Wie ein Feigling war ich einfach abgehauen. Was ein Fehler gewesen war. Die Realität hatte mich eingeholt, vergessen war, dass ich erst vor kurzem herzhaft gelacht und Freude empfunden hatte. Hier unten war alles so dunkel und trostlos.

Nur irgendwas war anders. Ich fühlte mich seltsam, konnte es aber nicht benennen. Scharf dachte ich darüber nach, doch meine Gedanken wanderten immer wieder zu Agarisila....nein...Attilla? Ach der Engel eben. Ich musste ihn wiedersehen. Immerhin hatte ich meine Aufgabe noch nicht erfüllt, welche für mich eher zweitrangig war. Das wichtigste war er. Doch vorher musste ich noch Bericht erstatten.

Eine kalte Hand legte sich auf meine Schulter und ich zuckte kurz vor Schreck zusammen. Eine innere Kälte erfasste mich, ehe es sich mit dem Gestank einer Kröte vermischte. Hastur...

„Komm Crawley. Ligur will dich sprechen.“ Nickend folgte ich ihm gehorsam, auch wenn ich ihm am Liebsten dieses hässliche Tier vom Kopf gezogen und ihn angeschrien hätte, dass er absolut lächerlich aussah. Dämonen waren einfach keine Trendsetter und ich nahm mir vor, dass wenigstens für mich zu ändern. Wir gingen den langen Hauptgang entlang, an der alle zehn Meter ein Hinweis hing, dass das lecken der Wände verboten war. Immer wieder verzweigte er sich und führte zu verschiedenen Orten, Räumen und zum Schluss, zu den Büros der Höllenfürsten. Es gab nur noch eine einzige weitere Türe, doch wenn man den Raum dahinter betreten musste, dann steckte man in Schwierigkeiten, denn Luzifer höchst selbst lauerte dahinter. Hastur schlurfte nach rechts zu Ligurs Büro und klopfte an. Grinsend starrte er mich mit seinen pechschwarzen Augen an, in denen sich nie etwas wieder spiegelte, sondern wirkte wie ein schwarzes Loch und mir wurde gleich noch kälter. Dann hörte man ein leises „Herein!“ und er schubste mich nach vorne.

 

„Viel Glück, Crawley...du wirst es brauchen...“ Ich schluckte unmerklich und betrat das Büro.

„Crawley...schon zurück? Bist du bereits erfolgreich gewesen?“, fragte er mich. Misstrauisch hob ich eine Augenbraue.

„Natürlich nicht. Ich habe erstmal die Lage ausgekundschaftet.“ Er nickte, als hätte er diese Antwort erwartet.

„Gut....Es heißt, dass einer der Engel dich erwischt hat...tödlich...mit einem Flammenschwert.“

SHIT! Jetzt hieß es cool bleiben und ihm nicht zeigen, dass einem das Arschwasser ging. Ich räusperte mich und grinste.

„Nun, wir wissen, dass die meisten Engel mehr von sich überzeugt sind, als gut für sie ist. Übertriebenes Gerede...Sieh mich an. Ich habe keinen einzigen Kratzer. WIE soll er mich da erwischt haben?“ Sorgfältig beobachtete er mich und nickte dann.

„Ja sie übertreiben. Immerhin sind wir eigentlich stärker, als sie.“ Ich pflichtete ihm bei und er fragte, wie die Lage aussah.

„Nun...es dürfte ein leichtes sein, die Menschen davon zu überzeugen, die Äpfel zu essen. Es gibt nur einen einzigen Engel, der aufpassen soll, aber er...ist nicht besonders aufmerksam... Der andere kontrolliert nur ab und an.“ Ligur nickte, endlich zufrieden und meinte, dass ich nun fortfahren durfte und kroch wieder nach oben. Zum Glück achteten die Alteingesessenen auf alte Handwerkskunst und Geduld spielte eine weitgreifende Rolle dabei.

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 6 der Erde, 10:32 Uhr....

 

 

 

Als ich wieder an meinem Lieblingsplatz, der Erde, war, sah ich kurz nach links und rechts, vergewisserte mich, dass mich keiner sah und wandelte mich in eine Schlange. In meiner anderen Gestalt schlängelte ich mich durch den Garten, sah ihn mir genauer an. Hier war ich noch nie heraus gekommen. Hier standen mehr Büsche, als Bäume, die viele kleine Früchte trugen, mal rote, mal schwarze und blaue. Auch starre Pflanzen, die spitze Stacheln an den Spitzen hatten waren zu sehen, aber da ging ich besser nicht freiwillig hin. Ich kroch weiter, bis mir die Gegend bekannter vorkam. Zuerst sah ich am Apfelbaum nach, aber keine Spur von ihm. Ich kroch hinauf, wickelte den hinteren Teil meines Körpers um einen dicken Ast und ließ mich kopfüber hinab hängen. So blieb ich eine Weile, ehe ich laut zischte und wieder hinab kroch, war ich doch viel zu ungeduldig um zu warten. Er würde nicht einfach zu mir kommen. Ich hatte ihn mit meinem überhasteten Abgang verletzt und musste mich bei ihm entschuldigen.

 

An einem großen See, der auf der anderen Seite von mehreren Wasserfällen gespeist wurde, sah ich wieder diese Menschen. Sie badeten darin und unterhielten sich. Leise kroch ich näher, um zu verstehen, was sie sagten.

„Ich habe einen der verbotenen Früchte auf dem Boden gesehen, Adam. Jemand hat davon gegessen.“ Oh...das war dann wohl ich.

„Tatsächlich? Das...das ist doch aber verboten. Weißt du wer es war?“ Sie schüttelte den Kopf, meinte nur, dass der blonde Engel ihn entsorgt hatte, als sie ihn darauf angesprochen hatte.

„Also...hat er von diesen Früchten genascht?“

„Nein. Nicht das ich wüsste. Er hatte es mir nicht sagen wollen, wer es war. Seitdem redet er nicht mehr mit mir, wer weiß warum.“ Er hatte es niemanden verraten?

„Wundern würde es mich ja trotzdem nicht, Eva. Der Pfirsichbaum trägt schon gar keine Früchte mehr und er war voll davon. Allerdings ist mir aufgefallen, dass er seit gestern nichts mehr zu sich genommen hat. Er wirkte niedergeschlagen und wollte lieber alleine sein, am östlichen Tor. Das ist noch nie vorgekommen, an den ganzen sieben Tagen, an denen wir schon leben.“

Östliches Tor? Wo war das? Ich sah mich um, fand aber keinerlei Anhaltspunkte. Vielleicht konnten diese Menschen es mir verraten. Der Mann war wohl dieser Adam und seine Frau, Eva. Also kroch ich vorwärts, bis ich bei ihnen angekommen war.

„Entssschuligt... ich habe mich verssschlängelt. Könnt ihr mir sssagen, wo ich dasss össstliche Tor finden kann?“ Die Frau starrte mich an, lächelte dann aber sanft.

„Das östliche Tor? Bis DU etwa der Grund, warum Aziraphale so traurig ist?“ Aziraphale? Richtig...In Gedanken sagte ich ihn mir immer wieder auf, bevor ich ihn wieder vergaß. Doch ihre Worte ließen mich beschämt meinen Kopf senken. Ich konnte es mir nicht erklären, aber statt mich darüber zu freuen, wie es für einen Dämonen üblich war, fühlte ich mich mies. Ich wollte einfach nicht, dass er sich schlecht fühlte.

„Dort geht es lang. Ist nicht weit. Gehe...krieche einfach gerade aus, bis zum Ende. Du kannst es nicht verfehlen.“, meinte Adam. Ich dankte ihnen und machte mich auf den Weg. Es war tatsächlich nicht weit und ich sah ihn, hoch oben auf der Mauer sitzen. Er starrte in die Ferne und regte sich nicht, seine Flügel hingen einfach nur schlaff hinab. Was nun? Gefunden hatte ich ihn. Aber würde er mir verzeihen, wenn ich einfach so zu ihm ging? Vorher sollte ich mir noch was einfallen lassen, damit er mir nicht böse war. Ich wandelte meinen Körper wieder und suchte nach etwas brauchbaren. Schöpferkraft! Genau. Ich grinste, als mir eine Idee kam. Damals, als Engel war ich ebenfalls sehr kreativ gewesen und diese Gabe sollte ich wieder nutzen.

 

Ein wenig später betrachtete ich mein Werk und nickte zufrieden. Mein geschaukel vorhin hatte mich auf diese nette Idee gebracht.

Nun aber schnell hoch zu dem süßen Engel. Ich breitete meine schwarzen Flügel aus und stieß mich vom Boden ab. Meine Flügel waren nicht mehr so, wie früher, groß und majestätisch, dennoch erfüllten sie ihren Zweck. Nur selten wollte ein Gefallener seine Flügel zeigen. Meist begnügten sie sich damit, zu bleiben, wie man nach dem Fall aussah. Und ja...da sah man nicht selten unansehnlich aus. Ich schüttelte meinen Kopf, denn solche Gedanken waren gerade nicht sehr hilfreich. Sanft landete ich neben...Azlepha...verdammt! Azarariri...Azira...dem Engel und setzte mich zu ihm. Er sah angespannt aus. Man musste nicht klug sein, um zu wissen, dass er mich nicht sehen wollte. Aber das hatte mich noch nie aufgehalten, also strengte mich erst Recht an.

„Weißt du eigentlich, wie sich schaukeln anfühlt?“, fragte ich ihn und hoffte, er würde mir antworten. Verwirrt sah er zur Seite und damit mitten in meine Augen. Kurz zuckte er zusammen, ehe er sich verlegen räusperte.

„Nein.“

„Willst du es denn mal ausprobieren?“

„Danke, aber ich habe gerade...keine Lust.“ Er strengte sich aber mächtig an, mir die kalte Schulter zu zeigen. Aber ich war Profi und fühlte mich persönlich herausgefordert. Zeit für ein bisschen Wahrheit...

„Hey...ich...ich möchte mich für gestern entschuldigen. Ich hätte nicht einfach abhauen sollen, aber ich rede nicht gerne...über den größten Fehler meines Lebens....ich hätte es dir erklären sollen...“

Er sah mich wieder an, aber schwieg. Nun gut, dass reichte ihm wohl nicht...Ich überlegte, was ich ihm sagen konnte, musste wieder an unten denken und dann fiel der Groschen. Unten. Ich hatte diesen unerträglichen Schmerz nicht mehr fühlen müssen. Ob es an seiner Heilung gelegen hatte? Höchstwahrscheinlich.

„Ich meine...es tut weh, darüber zu sprechen...und ehrlich gesagt... hat der Schmerz eigentlich niemals aufgehört...nur...seit deiner Heilung... schmerzt es nicht mehr. Danke...“

Nun lächelte er schwach und sah dann in den Himmel. Hatte er mir verziehen?

„Gern geschehen. Das verstehe ich. Ich rede nicht gerne über diesen Körper.“ Ich konnte nicht anders. Meine Natur verlangte danach.

„Warum?“ Lange schwieg er und ich wartete geduldig. Dies zahlte sich aus. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich seine schlaff herab hängenden Flügel wieder glatt strich und in Form brachte, damit sie wieder strahlten. Die Wellen des Glücks durchfuhren mich und ich fühlte mich sofort... angekommen. Ein komisches Gefühl. Vertraut und doch fremd...

„Das war nicht der Körper, den ich vorher hatte. Ich habe ihn...auf eigene Faust geändert. Nun...ich wäre eigentlich größer gewesen, mein Gesicht kantig und der Körper vollbepackt mit Muskeln. Meine Haare waren glatt, lang und braun. Meine Haut wäre etwas dunkler gewesen. Das...das passt nicht zu mir. Wer auch immer wollte, dass ich SO aussah...na ja. Es war mir zu...einheitlich und zu...perfekt. Macht das irgendwie Sinn?“ Lächelnd betrachtete ich sein rundes Gesicht, die schöne helle Haut und die kurzen blonden Locken, die mich förmlich dazu drängten, sie zu durchwühlen. Dann riss ich mich von seinem Anblick los, sah in die Ferne und schwieg eine Weile.

„Ja. Es macht Sinn. Das hätte wirklich nicht zu dir gepasst. Ich bin froh, dass du dich umentschieden hast.“ Er nickte und meinte, es hätte was mit Gabriel zu tun gehabt, denn dann hätten sie fast gleich ausgesehen. Ein unbekanntes Gefühl fraß sich durch meinen Magen. Er sollte nicht von anderen Engeln reden...schon gar nicht von...DEM. Immerhin hatte er mich angegriffen. Was wenn sie sich gegenseitig...angetan waren? Nein. Ich wollte den Engel mit niemanden teilen. Ich musste mich ablenken, also sah ich ihn erneut an.

 

„Komm. Ich muss dir die Schaukel zeigen, die ich geschaffen habe.“

Er folgte mir zögernd und strahlte mich an, als er sah, was ich kreiert hatte. Der Heiligenschein um seinen Kopf leuchtete dabei hell auf und ließ seine Haare noch stärker schimmern.

„Oh...das sieht aber...ungewöhnlich aus. Was ist das nochmal?“

„Ich nenne es Schaukel. Komm, sie ist groß genug für uns beide.“ Ich setzte mich darauf und er tat es mir gleich.

„Und jetzt?“ Grinsend hielt ich mich an den Seilen fest, die ich gewundert hatte, stemmte meine Füße in den Boden und schubste uns damit an. Der Engel erschrak sich und klammerte sich an mir fest. Musste ich daran erinnern, was diese Hände in mir auslösten? Nun hatte ich aber den halben Körper des Engels an meinem und stand regelrecht in Flammen, während ich uns hin und her wiegte. Langsam gewöhnte er sich daran und krallte sich nicht mehr ganz so verkrampf an mich, was ich ein wenig bedauerte. Der Engel sah mich an und lächelte glücklich.

„Das kribbelt im Bauch. Hihihi. Das fühlt sich schön an.“, meinte er und schloss genießerisch seine Augen, lehnte seinen Kopf dabei an meine Schulter, die ich sofort straffte. Mein Bauch kribbelte ebenfalls... aber das hatte nichts mit dem Geschaukel zu tun. Ich fühlte mich, als wäre ich wieder im Himmel, doch ich war ja kein Engel mehr... Ich sollte ein wenig den Dämon raushängen zu lassen.

„Weißt du...der Apfel schmeckte köstlich. So süß...Waren die ganzen Pfirsiche nicht auch so schön süß?“ Verwirrt sah er zu mir auf.

„Was...meinst du?“, fragte er, sah mich mit großen Augen an, die meinen Bauch noch stärker kribbeln ließen.

„Willst du nicht auch mal...einen Apfel probieren?“ Mit offenem Mund starrte er mich an, löste sich von mir und schnappte empört nach Luft.

„NEIN! Ich bin geschockt, dass du mich das überhaupt fragst.“ Damit sprang er von der Schaukel und stampfte regelrecht von dannen, mich einen bösen Dämon schimpfend. Ich grinste und schaukelte weiter. Ich hatte ja noch ein bisschen Zeit und ihn zu ärgern machte einfach viel zu viel Spaß. Die Sonne schien hoch oben am Himmel und nach ein paar Minuten entschied ich mich, ihm zu folgen.

Ich fand ihm am Apfelbaum, er starrte mich wütend an, doch ich lächelte.

„Aphiarelee....“ Sein Blick wandelte sich, seine Lippen verzogen sich und er versuchte ruhig zu bleiben. Doch dann brach es aus ihm hinaus. Er lachte. Er lachte so heftig, dass er sich hinsetzen musste, fiel dann doch um und kugelte sich hin und her. Nach einiger Zeit, indem ich die Züge des Engels noch eingehender studiert hatte, beruhigte er sich wieder. Er war so faszinierend.

„Ich heiße Aziraphale. Ganz einfach.“ Ich wiederholte den Namen immer wieder, doch ständig machte ich einen anderen Fehler und der Engel lachte jedes Mal herzhaft dabei. Es war so schön, ihn lachen zu sehen. Es sollte nicht enden. Doch es endete und er lag erschöpft vom vielen Lachen, im Gras. Nun war er entspannt, mir nicht mehr böse und ich musste wieder an die Menschen denken und was sie immer zusammen taten. Das hatte so spaßig ausgesehen. Da fiel mir ein...

 

„Sag mal, Engel...als das Leuchten in den Bauch von Eva gefahren ist...was ist da eigentlich passiert?“

„Das weißt du nicht?“ Ich schüttelte den Kopf und er biss sich in seine Unterlippe.

„Nun...das ist das Wunder gewesen. Sie hat ein Kind empfangen.“

„Was ist ein Kind?“

„Ein neuer Mensch. So entstehen die Kinder der Menschen nun mal. Zuerst ist es im Bauch und wächst heran, bis sie gebären kann....es auf die Welt bringen. Es ist am Anfang noch ganz klein und wächst dann, bis es ein erwachsener Mensch ist, wie Adam und Eva.“ Ich nickte. Klang einleuchtend, aber wie hatte sie das Leuchten dazu gebracht? Diese Frage stellte ich ihm auch gleich und er sah mich nur ungläubig an.

„Wenn du das Leuchten gesehen hast, hast du auch gesehen, was sie davor gemacht haben...“ Ich nickte abermals.

„Dies hat es verursacht. Durch die Vereinigung ihrer Körper.“ Erschrocken starrte ich ihn an.

„Bei jeder?“

„Aber nein. Nicht bei jeder...nun der Zeitpunkt muss einfach passen und wenn erstmal eins im Bauch der Frau heran wächst, muss dieses erst geboren werden, ehe sie erneut ein Kind empfangen kann.“

„Verstehe...“ Ich verstand tatsächlich. Hatte das eigentlich je ein Engel versucht? Oder ein Dämon? Vermutlich nicht. Wir hatten ja eigentlich kein Geschlechtsleben. Dennoch sagte etwas tief in mir, dass es möglich war. Vorher hatte ich nie darüber nachgedacht. Doch jetzt... Ob auch das an dem Apfel lag? Und ob der Engel ein Kind gebären würde, wenn ich das so tun würde, wie es die Menschen gemacht hatten? Oder ging es durch ein einfaches Wunder? Ich wollte ihn das schon fragen, doch ein unangenehmer Geruch kam mir erneut in die Nase und ich meinte, ich würde Gabriel riechen. Panisch raffte der Engel sich auf und drängte mich dazu, zu verschwinden.

„Wenn er dich hier findet, bringt er dich um. Versteck dich.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und verwandelte mich hastig.

Nach einiger Zeit des fort schlängelns, traf ich auf den weiblichen Menschen, der alleine im Gras saß und ich grinste. Eva streichelte ihren Bauch, als wäre sie die einzige, die es wusste und verbarg somit ihr süßes Geheimnis. Neben ihr lagen einige schmackhaft aussehende Früchte. Sie schien Hunger zu haben und aß eine Frucht nach der anderen.

 

Hallo Eva...alles in Ordnung?“ Die Frau sah zu mir und lächelte.

„Hallo Anthony. Ja ich bin vollkommen zufrieden.“ Ich machte ein zischendes Geräusch.

Wie hast du mich gerade genannt?“

„Oh...äh Aziraphale nannte dich mal so...da dachte ich...“

Mein Name ist Crawley.“

„Oh...“ Was fiel dem Engel eigentlich ein, mir einfach einen Namen zu verpassen? Ich hatte doch bereits einen und er hätte ja auch mal danach fragen können. Anthony? Wer wollte schon Anthony heißen? Obwohl er einen ganz netten Klang hatte.

Du hast also ein Kind in deinem Bauch?“, fragte ich sie neugierig und ließ das mit dem Namen auf sich beruhen. Eva konnte ja nichts dafür. Sie lächelte und fragte, woher ich das wusste.

„Das Leuchten. Es ging direkt in deinen Bauch. Ich frage mich wie groß es ist, wenn es heraus kommt...und wie?“ Darauf konnte sie mir auch keine Antwort geben.

„Möchtest du was zu essen? Ich kann gar nicht aufhören damit. Adam besorgt gerade Nachschub.“ Ich nickte und verschaffte mir einen kleinen Überblick. Da waren die Pfirsiche und orangene Früchte in verschiedenen Größen. Die einen waren groß und schienen rau, andere mittelgroß und die kleinsten hatten eine glatte Oberfläche. Dann war noch eine gelbe Frucht, die eine seltsame Form hatte und kleine rote. Bisher hatte ich nur eine Frucht gegessen und die hatte mir geschmeckt.

Nein danke. Es gibt nur eine einzige Sorte, die ich esse und die ist leider nicht dabei.“

„Welche?“, fragte sie und ich wackelte mit den Augenbrauen...wenn ich welche als Schlange gehabt hätte.

Die Äpfel...“

„Hast du etwa davon...gegessen?“ Ich nickte und erklärte ihr, dass dieser Baum Magie beinhaltete.

Er ist der Baum der Erkenntnis. Was wichtig ist zu wissen....der Unterschied zwischen gut und böse, Scham und das das Leben nicht unendlich ist. Was noch kommen wird, was die Wahrheit ist. Ich habe gegessen und erkannt. Nun kann ich zwischen Gestalten wechseln und kenne die möglichen Absichten des Herrn und warum er uns erschaffen haben mag. Es ist wichtig, Fragen zu stellen. Ohne Fragen gibt es keine Antworten.“ Nachdenklich sah sie in die Richtung, in der der Baum stand, der verboten war und nickte, als Zeichen, dass sie mich verstand.

Ich würde mich ja nicht damit zufrieden geben, dass der Herr absichtlich eine Menge Informationen von euch fernhält. Wenn er wirklich nicht wollte, dass ihr davon esst, hätte er ihn nicht mitten im Garten aufgestellt. Was kann schon passieren? Mir ist nichts passiert. Aber gut...MIR hat er ja nicht verboten davon zu essen.“ Sie verzog ihr Gesicht, fand es bestimmt ungerecht, wobei ich ihr nur beipflichten konnte.

 

Dann kam der Engel zu uns und wirkte aufgewühlt. Er setzte sich und lächelte gezwungen zu Eva, ehe er mich scharf ansah. Uhhh das roch nach Ärger für mich...

„Es scheint, dass hier ein Dämon im Garten ist. Gabriel meinte, dass er einen sehr schwer verletzt hatte.... Er war groß, dunkle Kleidung...rotes Haar...“ Oh oh...Zeit zu verschwinden...

Nun Eva...es war mir ein Vergnügen...“, meinte ich nervös und versuchte, unauffällig das Weite zu suchen.

„Hier geblieben!“ Ich keuchte auf, als er mich mit einer Hand meinem Kopf an den Seiten packte und ich mich nicht mehr bewegen konnte. Den Rest meines Schlangenkörpers hob er spielend hoch und meinte zu Eva, er müsste kurz alleine mit mir sprechen. Er trug mich zum See, ich war völlig außer Gefecht gesetzt und starrte ihn einfach nur an.

„Wie konntest du mir nur so etwas wichtiges verschweigen?“, schimpfte er drauf los. Sollte ich so tun, als wäre nichts?

Was denn?“

„Duuuuu....“ Drohend sah er mich an und ich erkannte, dass ich ihn besser nicht reizen sollte.

Etwa das Gabriel...dein VORGESETZTER, mich fast... umgebracht hätte?“

„Genau das. Weißt du denn nicht, dass ein Flammenschwert einen Dämon derart schwächen kann, dass der Körper stirbt...und damit nicht genug. Er muss mit der Kraft eines Engels geheilt werden, sonst kann es passieren, dass der Dämon keinen neuen Körper mehr annehmen kann. Im schlimmsten Fall wird deine Existenz ausgelöscht, falls es ein besonderes Flammenschwert war. Du hast Nerven dein Leben derart leichtfertig zu riskieren. Wenn ich nicht gewesen wäre...“

Beschämt wollte ich meinen Kopf senken, doch ich konnte mich immer noch nicht bewegen.

Engel...tut mir leid...Das wird nicht mehr vorkommen.“ Doch meine Worte schmälerten dieses Gemisch aus Wut, Enttäuschung und Trauer nicht im Mindesten, was mich gleich noch mieser fühlen ließ.

„Ich habe Gabriel gesagt, dass ich nur eine Blutspur gefunden habe, ich den Dämon suchen werde und nun geht er wieder nach oben. Schlimm genug, dass er mich kontrolliert. Ich habe einem Dämonen das Leben gerettet... Weißt du eigentlich was für ein Risiko ich eingehe, weil ich dich nicht selbst vernichte? Wir...wir sollten uns nicht mehr sehen...Geh dahin, wo du her gekommen bist.“ NICHT.SEIN.ERNST? Ich starrte ihn ungläubig an. Spürte er denn nicht, dass zwischen uns etwas ganz besonderes war? Er ließ locker und legte mich auf dem Boden ab.

„Mach´s gut...verschwinde solange du es noch kannst.“ Damit drehte er mir den Rücken zu und ging zu Eva. Ich blieb zurück und spürte zum ersten Mal, einen stechenden Schmerz, dort, wo sich mein Herz befand.

Der Engel forderte den Menschen auf, mit ihm zu kommen und sammelte das Obst in seinem Gewand. Lange sah ich ihnen noch nach, während Verzweiflung und Einsamkeit mich überrollten. Ich wollte schreien und weinen, aber es kam weder ein Laut aus mir heraus, noch wollte mein Körper Tränen der Trauer vergießen. Ich war allein...verlassen worden... wie damals, nach dem Fall. Ich hatte niemanden mehr...

Meinen Schlangenkörper rollte ich so klein zusammen, wie es nur ging und regte mich nicht mehr. Sollte dieser Gabriel doch kommen. Ohne den Engel wäre mein Leben gar nicht mehr lebenswert.

 

~

 

Irgendwann stupste mich etwas an, aber ich blieb wie ich war. Keiner würde mich dazu bewegen, zu reagieren. Sollten die Dämonen doch schauen, wie sie die Menschen verführt bekamen. Der Engel hasste mich... und das war schlimmer, als alles andere.

„Hey...“ Ich zuckte zusammen. Das war seine Stimme. Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich ihn nicht mal kommen gehört hatte.

„Komm schon, ich weiß das du mich hörst. Warum bist du noch hier?“ Warum? Weil es mir egal war, was mit mir passierte. Der Engel wollte mich nicht mehr sehen. Er hatte nichts für mich übrig, also wen kümmerte es? Mein Herz fing wieder an zu schmerzen, doch auch das war mir egal. Schmerzen war ich gewohnt.

„Ich hatte gesagt, du sollst gehen. Bitte geh endlich...sonst...“ Ich hob meinen Kopf blitzschnell und funkelte ihn an. Er erkannte wohl den Schmerz in meinen Augen und zuckte zusammen, ließ dabei sein Schwert fallen.

Sonst? Tötest du mich? Tu dir keinen Zwang an.“, meinte ich und rollte mich wieder fest zusammen.

„Ich...ich würde nie...irgendetwas töten...Das wäre nicht richtig.“ Doch ich antwortete ihm nicht, blieb liegen, bis mich Gabriel fand und zur Strecke brachte. Vielleicht würde mein Herz vorher noch zerbrechen und dann würde ich eh sterben. Vielleicht besser so.

Er sagte nichts mehr, ging aber auch nicht weg, sondern setzte sich zu mir, legte sein Schwert, das er fallen gelassen hatte, zu sich, welches nicht mehr flammte und wartete.

 

Die Nacht war bereits hereingebrochen und ich lugte vorsichtig zu ihm. Er saß immer noch neben mir, schien aber zu schlafen. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Wir mussten nicht schlafen, wie die Menschen und doch...war es nicht verwerflich, es auch zu tun. Ich musste lächeln, auch wenn es ein trauriges war. Leise kroch ich näher und seufzte leise. Wundervolle Wärme ging von ihm aus und ich begann, von innen her zu frieren. Ob er es merken würde, wenn ich mich an ihn kuscheln würde? Eine Hand legte sich auf meinen Körper, hielt ihn fest und ich erschrak fürchterlich. Dann sah ich in die Augen des Engels, die nun nicht mehr geschlossen waren. Dieser... er hatte mich hereingelegt...War ich nicht hier derjenige, der andere hereinlegte?

„Du zitterst.“ Es war keine Frage, nur eine simple Feststellung. Doch ohne ein weiteres Wort hob er mich auf seinen Schoß, hüllte mich in seine Aura ein und wärmte mich. Erleichtert schmiegte ich mich an seinen Körper, der tatsächlich so weich war, wie ich es mir vorgestellt hatte...nur viel besser.

„Du wirst nicht gehen, oder? Du wirst deine Aufgabe erfüllen und versuchen Ärger zu machen? Nun...ich kann dich beruhigen. Du hast es bereits geschafft.“ Ich hob meinen Kopf und sah ihn fragend an. Sein Gesichtsausdruck war kaum zu benennen, denn er bemühte sich, seine Gefühle vor mir zu verbergen und war sehr gut darin.

„Etwas hat sich gerade verändert...spürst du es nicht?“, fragte er mich angespannt. Ich horchte in mich hinein und dann spürte ich, wie der Boden anfing, zu vibrieren und danach eine Wut von jemanden, konnte es aber nicht benennen. Erklären musste er nichts mehr, denn etwas weiter entfernt sahen wir, mitten in der Nacht, ein gleißendes Licht, welches auf die Erde schien und dann die dröhnend wütende Stimme des Allmächtigen ertönte.

Adam! Eva! Wie könnt ihr es wagen, die Früchte zu essen, die ich euch verboten habe?“ Sie haben...oh... das war dann wohl meine Schuld. Aber ich hatte es nicht mal mit Absicht getan...Wieso sollte es dann überhaupt zählen? Ich seufzte. Diese Stimme wieder zu hören, nach all der langen Zeit, stimmte mich traurig. Abermals bereute ich, was ich damals getan hatte.

Morgen früh werdet ihr hier verschwinden. Ihr habt eure Reinheit abgelegt und gesündigt. Verbannt sollt ihr werden und hier her niemals mehr zurück kehren.“

Ein ohrenbetäubender Krach folgte, dann war es gespenstisch still.

Ich wagte nicht, diese Stille zu unterbrechen, aus Angst, der Herr würde mich hören und aus Wut, dass ich mich von einem Engel wärmen ließ, mich vernichten. Also schwieg ich. Die ganze Welt schwieg, bis ein lautes Schluchzen, welches nur von Eva kommen konnte, die Stille durchbrach und wir von allen anderen Anwesenden, ein aufatmen hören konnten. Der schöne Engel weinte stumm um die Menschen und nach einiger Zeit, wischte er sich sein Gesicht ab und wagte es wieder, zu sprechen.

„Wir werden hier warten, bis die Nacht vorbei ist, dann müssen wir alle den Garten verlassen.“, meinte der hübsche Blonde. Jetzt schon? Ich wollte nicht, dass unsere Zeit schon vorbei war.

Wenn wir schon alle rausgeschmissen werden...lass uns den Garten noch ein wenig genießen.“

Er sah mich streng an und auch wenn er immer noch darauf achtete, keine Gefühle nach außen dringen zu lassen, fühlte ich, dass er sehr enttäuscht von mir war. Das machte mich ein wenig traurig, aber ich durfte mich davon nicht abhalten lassen.

„Ach? Und wie?“ Ich verwandelte mich umgehend wieder in meine dämonische Form. Als Schlange hatte ich locker auf seinen Schoß gepasst, doch nun nicht mehr, war ich ja größer als er. Ich grinste ihn an und tat mein Bestes, ihn von dem ganzen Kummer abzulenken. Das musste ja ein seltsames Bild abgeben. Ein Dämon auf dem Schoß eines Engels, der einen seltsamen Gesichtsausdruck hatte und versuchte, meinem Blick auszuweichen. Doch es hatte keinen Sinn. Ich konnte ihn sehr genau sehen und genauso spüren, dass es ihm unangenehm angenehm war, dass ich auf ihm saß.

„Wie wäre es mit einem nächtlichem Bad im See?“ Er verdrehte die Augen.

„Du hast Nerven, jetzt ans baden zu denken.“

„Nun...es wäre das letzte Mal...vielleicht für immer. Ich dachte ja nur...“ Hatte er mich zuerst nur skeptisch angesehen, schluckte er und verstand.

„Baden hört sich gut an.“

 

 

Der See sah in der Nacht dunkel und unheimlich aus, doch das machte es nur reizvoller für mich. Ich öffnete mein Gewand und ließ es von meinen Schultern gleiten, ging nackt auf das Ufer zu und sah kurz nach hinten, wo ich den Engel vermutete. Er starrte mich ungläubig an.

„Was ist?“ Willst du mit dem Gewand schwimmen? Das mindert nur das Gefühl von Freiheit. Aber bitte, wie du willst.“ Mit einem Sprung tauchte ich in das kühle nass, welches mich sofort wieder abkühlte, aber auf eine angenehme Weise. Mein Körper hatte die Wärme des Engels gespeichert und ich konnte davon nun Jahrzehnte lang zehren, sollte ich das müssen.

Ich tauchte wieder auf und sah zum Ufer. Sein Gewand lag einsam und verlassen in der Wiese, genau wie das Flammenschwert, aber kein Engel weit und breit. Wo war er nur?

Dann spürte ich etwas an meinem Fuß, es packte mich und zog mich wieder unter Wasser. Ein Funkeln lenkte meine Aufmerksamkeit auf den nackten Engel, der mich angrinste und dann vor mir davon schwamm, dabei wieder auftauchte. Na warte... Ich jagte ihm nach und gerade als er wieder aufgetaucht war, streckte ich ebenfalls meinen Kopf aus dem Wasser. Mit einem Schrei stürzte ich mich auf ihn, doch er wich mir aus und drückte mich an meinen Schultern nach unten. Sein Lachen war deutlich zu hören, als ich gerade noch Luft holen konnte und mir erneut die Unterwasserwelt ansehen durfte. Dafür rannen mir heiße Schauer über meinen Körper, seine Hände schickten wohlige Wärme durch meinen Körper und ließen ihn entspannen. Selig tauchte ich auf und grinste ihn an. Er erwiderte es vorsichtig und begann zu schimpfen, als ich ihn heiter vollspritzte. Ich hörte aber nicht damit auf, selbst als er mich warnend ansah.

„Leg dich nicht mit Engeln an...“, meinte er und augenblicklich brach eine hohe Welle über mir zusammen. Lebendig, frei und voller Freude war mein Schrei, der verstummte, als ich wieder nur Wasser sah. Das war das Schönste Gefühl der Welt, wenn alle diese Emotionen mich bis ins Tiefste meiner Seele erfüllten. Ich lachte laut, als ich auftauchte, ließ mich auf dem Rücken treiben, die Ohren waren unter Wasser und hörte alles nur gedämpft. Doch die leise gemurmelten Worte des Wesens neben mir, hätte ich nicht hören sollen....ich hörte sie trotzdem.

„Ich fasse es nicht...ein niedlicher, liebenswerter Dämon...“

Niedlich? Ich? Ich war das garantiert nicht, wollte ihn aber nicht verschrecken, also ignorierte ich es einfach. Liebenswert? War ich das? Konnte man mich wirklich lieben...so wie ich war und vor allem, für das was ich war?

Das ließ ich mal so stehen und genoss einfach diese für mich nie gekannte Zweisamkeit. Warum einen perfekten Moment zerstören? Was er noch sagte bekam ich nicht mit, waren sie dafür einfach zu leise gewesen. Wir planschten noch eine Weile, ich sah zur Seite und bemerkte, dass Azilulu neben mir war und ebenfalls auf dem Rücken trieb. Lange konnte ich ihn beobachten, wie er mit geschlossenen Augen die Ruhe und den Frieden genoss, der trotz allem nur eine Illusion war, genau wie unser friedliches und freudiges Beisammensein. Ich wusste, dass er nur fröhlich tat. 

 

Meine Unachtsamkeit bereute ich jedoch, als mich ein tosender Wasserfall wieder unter Wasser brachte. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen und gehört hatte ich ihn auch nicht...wie war das nur möglich?

Hustend kam ich wieder an die Oberfläche und starrte den lachenden Engel böse an. Mein ganzes Gefieder war nun bestimmt durcheinander und ich achtete penibel darauf, meine Flügel sauber und gepflegt zu halten, anders als er.

„Der böse böse Wasserfall...hat er dich überrascht?“, fragte er unschuldig. Sein ganzes Wesen war wie ein Sturm, der mich durchschüttelte. Er hatte mehr von einem Dämon in sich, als er zugeben wollte und das gefiel mir. Mir wurde auf einmal sehr heiß, dann wechselte es zu kalt und erneut zu heiß. Ich wollte ihm ins Gesicht sagen, dass ich mit ihm zusammen sein wollte, ihn mochte...mehr als das. Ich konnte mir selbst nicht erklären, warum ich plötzlich diese Flut an Gefühlen in mir hatte, obwohl ich doch ein Gefallener war und das eigentlich gar nicht spüren sollte. Außerdem wollte ich ihn an irgendeine Wand oder auf den Boden pressen und ihm meinen Mund aufdrücken, wie es Eva bei Adam gemacht hatte. Dann würde ich dem Engel erzählen wie schön er war und dass er mich bereits verführt hatte. Sein Funkeln in den Augen wurde stärker. Was genau war das? War es...etwa...wirklich...

„Alles in Ordnung?“, fragte er, sah mich dabei nicht mal an und riss mich damit aus meinen Überlegungen und den seltsamen Gedanken, die mich einfach nicht losließen.

„Ja...“, meinte ich und schluckte alle diese lächerlichen Worte hinunter, die ich ihm fast gesagt hätte. Wir waren ein Engel und ein Dämon. Unsere Seiten waren verfeindet und wir beide hatten keinerlei Chance, dem zu entgehen. Außerdem war ich eigentlich hier, um irgendwas böses zu tun und nicht, um seinen Mund mit meinem zu bearbeiten. So toll war das bestimmt nicht, auch wenn mein Innerstes danach schrie.

„Komm. Ich will dir was zeigen.“ Er schwamm durch den Wasserfall hindurch und war dann nicht mehr zu sehen. Schnell folgte ich ihm, sah, wie er sich bereits am Ufer nach oben hievte und aus dem Wasser kletterte. Ihn so entblößt zu sehen war einfach traumhaft. Ich lächelte und tat es ihm gleich, versuchte aber, es mir nicht anmerken zu lassen, dass diese...Gedanken wieder kamen und an mir zerrten, mich überzeugen wollten, dass es richtig war, was ich fühlte und wir alles riskieren sollten. Und ich konnte nicht aufhören, diesen schönen Hintern anzusehen. Ob er auch so weich war? Doch ich wagte nicht, dass auszutesten. Ich würde es nur tun, wenn es der Engel so wollte.

Ich schüttelte meinen Kopf und riss mich von dem herrlichen Anblick los und betrachtete die Umgebung.

Hier war alles aus Stein, es roch feucht und irgendwie verboten, worauf es mir gleich doppelt so viel Spaß machte. Zwei Wege zweigten sich von der Höhle ab. Der eine Weg führte nach draußen, denn man sah schwach den Mond in die Höhle hineinscheinen. Der andere müsste tiefer hinein führen. Er wählte den linken Weg, der weiter ins Ungewisse führte und ich beeilte mich, aufzuholen.

„Wo gehen wir hin?“ Meine Worte prallten vom Gestein ab und wiederholten sich immer und immer wieder, ohne dass ich was sagen musste. Seltsamer Ort. Er antwortete nicht, sondern tastete sich konzentriert, aber extrem langsam in dem engen Gang voran. Nach einer Weile des Zusehens, fragte ich ihn entspannt, ob ich nicht vor gehen sollte, denn ich sah im Dunkeln wunderbar. Er blieb sofort stehen, drehte mir sein Gesicht zu und sah mich finster an.

„Das hättest du mir früher sagen sollen. Wir hätten längst da sein können...“ Ich verdrehte meine Augen. Die Antwort wäre nur eine Frage entfernt gewesen. Also ging ich vor und schnappte mir gleich seine Hand, damit er nicht im Dunkeln verloren ging. Ich spürte sein Zögern und dass er mir nicht vertraute, was mir einen schmerzhaften Stich in mein Herz einbrachte, gemischt mit dem schönen Prickeln meiner Hand, die die des Engels hielt. Aber da ich die Verführung der Menschen ausgeführt hatte, freiwillig oder nicht, war es demnach berechtigt und ich musste mir sein Vertrauen erst wieder erarbeiten. Wir brauchten nicht lange, da hatten wir das Ende des Ganges erreicht und gelangten in einen Raum, der am Boden mit verschiedenen weißen Zeichen und Symbolen versehen war und ich wusste sofort, WAS genau es war.

„Ein Portal...“

„Richtig. Es führt direkt in den Himmel. Nun Dämon...was fängst du mit dieser Information an?“ Mein Blick wanderte zu ihm und ich konnte in seinem, äußerstes Misstrauen und Enttäuschung erkennen, Gefühle, die er die ganze Zeit vor mir verborgen hatte, nun aber mit voller Wucht auf mich einprasselten. Er erwartete sicher, dass ich wie ein gewöhnlicher Dämon handeln und den anderen davon erzählen würde, doch das Gegenteil war der Fall. Hatte er mir eine Gelegenheit geschaffen, mich zu beweisen? Ich würde ihn nicht nochmal enttäuschen, denn dies schmerzte schlimmer als mein Fall.

„Was soll ich damit schon anfangen? Es ist ein Portal für Engel. Selbst wenn ich es benutzen könnte...wofür? Um einen Krieg anzuzetteln? Das wäre vielleicht gut für die anderen Dämonen, immerhin hätten sie einen Grund, ihre Langeweile zu beenden. Aber wenn sie alle kämpfen, wer wird für die Menschen da sein und vor allem...würde man diesen Planteten durch die Kämpfe zerstören, bis nichts mehr übrig ist.“ Noch starrte er mich an und wartete, ob ich noch was sagen wollte. Selbst ich kannte die eigentlichen Pläne.

„Dabei steht doch geschrieben, dass eine neue Welt entsteht, die 6000 Jahre wärt und dann erst zerstört wird, durch den letzten Kampf zwischen Engel und Dämonen...das habe ich jedenfalls gehört.“ Er nickte.

„Ich habe das auch gehört. Apokalypse nennen sie es. Somit ist es ein begrenztes Arrangement des Friedens, auch wenn sich bestimmt nicht alle daran halten werden.“

„Nein das werden sie nicht. Aber es soll streng kontrolliert werden. Mir nur Recht. Ich mag die Erde irgendwie.“

„Ach? Ein Dämon, der die Zwischenwelt mag? Solltest du dich nicht unten wohler fühlen?“, fragte er gereizt. Ich antwortete nicht. Wenn er wüsste, wie es wirklich dort unten war, würde er mich sicher aus Mitgefühl ausliefern, damit ich nicht leiden musste. Ich könnte ihn das ja mal fragen. War nicht auszuschließen, dass er mich hier her gelockt hatte und ich nun sterben würde. Solange es dem Schönen mir gegenüber gut ging, war es ok.

„Ich habe dich was gefragt, also antworte auch.“ Den Gefallen tat ich ihm nicht, stellte dafür lieber meine eigene Frage.

„Also wirst du mich jetzt in den Himmel bringen, damit sie mich erledigen können? Immerhin kannst DU es nicht.“ Er holte geräuschvoll Luft, starrte mich geschockt mit großen Augen an.

„Was zum...das...ich...“ Ich ging langsam auf ihn zu und er wich immer weiter vor mir zurück, bis er an die Wand stieß. Bei ihm angekommen legte ich meine Hände links und rechts neben seinem Kopf ab und flüsterte ihm was ins Ohr.

„Was denn? Ich dachte du bist darauf aus, mich endlich loszuwerden. Einer von uns weniger... Oder...trifft das Gegenteil zu?“

Ich löste mich wieder von ihm, sah ihn erwartungsvoll an, aber er schwieg. Also setzte mich auf den Boden und begann, meine Flügel zu säubern, dessen Federn immer noch nass waren und in alle Himmelsrichtungen standen. Durch einen Gedanken waren sie trocken und brachte sie wieder in Form. Der Engel sah mir nur zu, verbarg erneut seine Gefühle, kümmerte sich aber kein bisschen um seine Flügel, also stand ich wieder auf, als ich fertig war.

 

„Komm setz dich. Ich mache das mit deinen Flügeln, dass kann man sich ja nicht mit ansehen.“ Unsicher folgte er meiner Anweisung und ich begann, langsam und vorsichtig, mich um diese wunderschönen Federn zu kümmern. Ich fühlte die Schauer, die durch ihn durchjagten und sah die Gänsehaut auf seinem nackten, perfekten Körper. Wären wir nur nicht an unsere Seiten gebunden, hätte ich ihn gefragt, ob er mit mir in irgendeinem anderen Sonnensystem leben wollte. Nur er und ich. Ich wäre das glücklichste Wesen aller Zeiten und würde mich bemühen, ihn ebenfalls glücklich zu machen.

„Danke...“, nuschelte er mit gerötetem Gesicht, als ich fertig war.

„Kein Thema...was möchtest du noch machen?“

„Wir sollten von hier verschwinden. Nicht das Gabriel auf einmal auftaucht.“ Also hatte er mich wirklich nur prüfen wollen? Ich nickte und half ihm auf, schnappte mir wieder seine Hand und lotste uns beide in ein paar Minuten heraus und ging zum rechten Gang, der geradewegs wieder auf die Wiese führte. Schweigend und immer noch völlig nackt, umrundeten wir den See, bis wir bei unseren Gewändern angekommen waren. Wir zogen uns an und setzten uns. Er steckte das Schwert wieder in die Erde und ließ es aufflammen, damit wir uns daran wärmen konnten. Sein Blick glitt über den See und meiner nach oben.

„Eine schöne, klare Nacht. Es wirkt, als wäre nicht gerade was schlimmes für die Menschen passiert. Es wirkt alles friedlich und wie immer.“ Ich schwieg dazu und starrte weiterhin in den Himmel. Oh...den Stern da hatte ich erschaffen. Hell strahlte er uns an und ich fragte mich, ob ich dem Engel je begegnet wäre, wenn ich nicht gefallen wäre. Wahrscheinlich nicht. Recht selten war ich im Himmel gewesen, hatte lieber die Sterne erschaffen und die anderen Engel weitgehend gemieden. Ich war schon immer anders gewesen und fand das Gebaren der Engel, nicht mit meiner Natur zu vereinbaren. Nur ein einziger Tag. Ein Zufall... Der hatte alles verändert.

„Woran denkst du?“ Ich schluckte. Er war...wie ich. Anders. Weswegen ich mich dazu entschied, ihn niemals anzulügen.

„An Veränderungen.“ Er nickte.

„Sie wirken oftmals so, als wären sie schlecht...aber meist ist das zu klein gedacht. Es kommt immer drauf an, in welchem Blickwinkel man es sieht und was man daraus macht. Dann kann man in etwas vermeintlich schlechtem, das Gute daran erkennen und daraus lernen. Meist stellt es sich heraus, dass man genau das gebraucht hat, um weiter zu kommen.“ Ich ließ diese Worte auf mich wirken und nickte. Mit ihm konnte man sich wenigstens tiefgründig unterhalten.

Die meisten Dämonen taten immer dasselbe und veränderten überhaupt nichts. Für sie war es Fakt, dass wir nur böse Dinge zu tun hatten und dachten nicht darüber nach, ob das alles Sinn machte und ob wir nicht vielleicht doch irgendwann wieder in den Himmel konnten, wenn wir gute Dinge tun und unser Verhalten bereuen würden. Dies brachte ich zur Sprache und der Engel dachte lange über meine Worte nach.

„Möglich. Das hat bisher noch niemand versucht.“ Wir schwiegen lange und jeder von uns hing seinen Gedanken nach. Meine Frage gerade war unsinnig gewesen. Selbst wenn wir es könnten, passte jeder Fürst in der Hölle auf, dass wir nur böses taten. Keine Chance dem zu entgehen.

 

Die Sonne ging langsam auf, doch weiter hinten sah ich, dass etwas weißes, den Himmel verdeckte und immer dunkler wurde. Asissi stand auf und sah bekümmert in die Ferne.

„Ich muss die Menschen nun hinaus begleiten. Du solltest dich zurück ziehen. Ich bin sicher, unsere Zentralen wissen schon Bescheid. Sie können mich auch von oben aus überwachen.“

„Ja...meine Leute mich auch. Trotzdem...Wir treffen uns später oben an der Mauer des östlichen Tores. Sie werden eine Unterhaltung nicht verbieten können und solange wir uns nicht auffällig verhalten...Immerhin haben wir jetzt eine Friedensabmachung. Wir sollten ihnen zeigen, dass wir alles getan haben. Du um die Menschen zu schützen und ich um sie in Versuchung zu führen. Na?“ Lächelnd sah ich ihn an, doch er verzog nur sein Gesicht und breitete seine Flügel aus, ehe er davon flatterte.

Mein Lächeln erlosch und machte Schuldgefühlen Platz. Ich hatte sie nicht mal absichtlich in Versuchung geführt. Doch sie büßten nun für diese Tat und es war meine Schuld. Der Schöpfer verbannte sie aus dem Garten. Es war doch nur ein Bissen gewesen und schon verloren sie ihre Heimat. Da draußen war doch nichts. Wie sollten sie nur überleben? Wie zu Nahrung kommen? Ich nahm mir fest vor, den Menschen auch etwas zu helfen, wie es der Engel tat, nur ohne dass es irgendwer erfahren würde...

 

~

 

Von weitem sah ich schon, dass der Engel hoch oben auf der Mauer stand, wie verabredet und die Menschen beobachtete, wie sie fort gingen. Ich kroch die hohe Mauer, als Schlange empor, bis ich neben meinem Engel, in meiner ursprünglichen Form stand. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht benennen. Konnte ich ihm aber auch nicht verübeln. Ich bereute es, so unvorsichtig gewesen zu sein. Wir sahen uns kurz von der Seite an und nickten uns kaum merklich zu. Ich spürte, dass meine Seite uns ab jetzt zusah, hatte mich gerade rechtzeitig wieder verwandelt und mit seiner konnte es auch nicht anders sein.

„Das war ja dann wohl ein Schuss in den Ofen.“, versuchte ich ein Gespräch anzufangen.

„Verzeihung...wie meinen?“ Ich lächelte und wiederholte, was ich gesagt hatte. Der Engel stimmte mir zu, ich spürte, wie nervös er war und hoffte, unsere Zentralen würden uns unser Schauspiel abnehmen. Weder er noch ich hatten gedacht, dass es derart gravierende Folgen für die Menschen haben könnte, einmal von einer verbotenen Frucht abzubeißen. Ich hatte eher gedacht, der Herr würde mit dem Finger drohen und sowas sagen wie: „Ihr bösen Menschen. Ich habe doch gesagt, nein! Tut das nie wieder.“

„Ganz schöne Überreaktion, wenn du mich fragst. Erster Verstoß und so...ich verstehe nicht, was so schlimm daran ist, den Unterschied zwischen gut und böse zu kennen.“

„Es es muss aber was schlimmes....“ Fragend sah er mich an. Wir kannten uns nun schon sechs Tage lang und er fragte erst JETZT nach meinem Namen? Nun gut...man sah uns ja zu. Niemand musste wissen, dass wir uns schon kannten und wenigstens nannte er mich nicht Anthony.

„Crawley.“ Er sah mich seltsam an und meinte dann leise „Kriecher? Wie... nett. Ich meine....du hättest dir die Verführung sonst sparen können.“ Er klang enttäuscht und ich zuckte nur mit den Schultern. Was hatte er von einem Dämon erwartet? Genau diesen Satz hörte ich in meinem Kopf und versuchte, sie wieder dort rauszuschmeißen, ehe sie sahen, was ich eigentlich für dem Engel fühlte.

„Oh...sie sagten...geh nach oben und sorge für Verstimmung....“

„Kein Wunder...du bist ein Dämon. Ihr macht sowas.“ Ich ignorierte seine Spitze. Er war gut, dass musste ich ihm lassen. Aber ich war genervt von unseren Seiten und wollte mich lieber frei mit ihm unterhalten. Also tat ich das, was ich am Besten konnte.

„Nicht sonderlich subtil von dem Allmächtigen. Ein Obstbaum mit einem „nicht anfassen-Schild“ dran. Warum stellt man ihn nicht auf die Spitze eines hohen Berges? Oder auf den Mond?“ Er sah nach oben, ich bemerkte, wie er anfing, über meine Worte nachzudenken.

„Da fragt man sich doch, was Gott wirklich vor hat.“ Engel verdrehte leicht die Augen und hatte das Gefühl, dass alle anderen Engel dasselbe taten.

„Das beste ist, nicht darüber zu spekulieren. Das ist alles Teil des großen Plans. Wir sollen es gar nicht verstehen....Er ist unerfindlich.“

„Der große Plan ist unerfindlich?“ Das glaubte er doch selber nicht. Oder doch?

„Genau. Er ist jenseits des Verstandes und nicht in Worte zu fassen.“ Ich hörte nur mit einem halben Ohr zu, hatte ich doch gerade etwas sehr interessantes gesehen...oder eben, nicht mehr gesehen. Ich horchte kurz und merkte, wie die Dämonen aufhörten zu lauschen, war wohl zu langweilig und viel zu viele Fragen und dasselbe musste für die Engel gelten, denn er entspannte sich endlich. Einige Momente ließ ich noch verstreichen, ehe ich ihn erneut ansprach.

„Hattest du nicht ein Flammenschwert?“ Ertappt sah er woandershin und ich fuhr fort, ihn danach zu fragen, bis er mir kleinlaut gestand, es weggegeben zu haben.

„Du hast was?“

„Es weggegeben, ok? Es gibt bösartige Tiere da draußen. Es wird kalt werden und sie ist schwanger. Ich habe nur gesagt: Hier, Flammenschwert. Dankt mir nicht. Schaut einfach, dass für euch nicht schon hier Schluss ist.“

Er hatte das Schwert weggegeben? Was für ein kleiner böser Engel. Fassungslos erfreut starrte ich ihn an. In ihm schien auch ein kleiner Rebell zu leben, der nur heraus gekitzelt werden musste.

Ich freute mich schon darauf. Wer außer mir, sollte dies schon schaffen können? Es konnte nur mein Einfluss gewesen sein. Ich verstand außerdem, dass es den Menschen kalt werden würde...aber was es mit dem „schwanger“ auf sich hatte, war mir ein Rätsel, also schwieg ich und beobachtete die beiden Menschen, wie sie von einem Löwen angegriffen wurden und Adam das Flammenschwert des Engels zog, um gegen ihn zu kämpfen. Vermutlich hatte es mit dem Kind in dem Bauch von Eva zu tun.

„Ich hoffe ich habe nicht das falsche getan...“, meinte der Engel bedrückt. Oh Baby. Auf einmal hatte ich das Verlangen, ihn in meine Arme zu schließen und ihm beruhigende Dinge zuzuflüstern, also sah ich ihn leicht lächelnd an.

„Oh...du bist ein Engel. Du kannst gar nicht das Falsche tun.“

„Oh...oh danke, oh danke. Das hat mir echt zu schaffen gemacht.“ Ein Gedanke kam mir in den Sinn und ich musste es ihm einfach mitteilen.

„Ich mache mir auch Sorgen. Was ist, wenn diese „Iss den Apfel Geschichte“ das Richtige war?“ Der Engel machte große Augen und schien entsetzt von meiner Theorie.

„Ein Dämon kann mächtig Ärger kriegen, wenn er das Richtige tut.“ Ich grinste ihn an.

„Wär doch lustig, wenn wir uns beide vertan hätten. Ich hätte das Gute und du das Böse getan...“ Ich lächelte ihn weiter an, er lachte zurück und wurde dann schockiert ernst.

„Nein...nein das wäre überhaupt nicht lustig.“

Ein Donnern unterbrach unsere Unterhaltung und der Engel neben mir sah besorgt nach oben. Als die ersten Regentropfen auf die Erde hinab fielen, hob er einen seiner Flügel und schützte mich damit vor dem Regen. Zuerst konnte ich ihn nur anstarren. Dann huschte ich noch ein paar Schritte näher und nahm, nach reichlichem Zögern, seine Hand in meine. Seine erzitterte, schloss sich dann aber doch, fest um meine. Sie war warm und flutete meinen Körper mit purer Energie des Lichtes. Es fühlte sich wunderbar an, als flöge ich durch himmlische Sphären.

Der Regen durchnässte ihn, sein Gewand klebte wie eine zweite Haut an ihm, veränderte seine Farbe...oh. Nein es wurde durchsichtig. Mein Gesicht erwärmte sich und ich wandte beschämt meinen Blick wieder ab. Warum ich ausgerechnet jetzt so reagierte, war mir ein Rätsel. Vielleicht hatte es aber auch nur mit seiner Geste zu tun. Nie hatte ein Engel einen Dämonen beschützt...nie. Ariraph....Engel war etwas ganz besonderes, das spürte ich ganz tief in mir und auch, dass ich am Liebsten für immer hier mit ihm gestanden wäre. Lange sahen wir in die Ferne, doch war mir wohl bewusst, dass ich mich nun zurück ziehen musste. Was wenn seine Obrigkeit nun doch davon erfuhr? Mir hatte dieser Kampf mit Gabriel schon gereicht und ich wollte ihm weiteren Ärger ersparen. Zum Glück hörte es auch langsam auf zu regnen. Also löste ich meine Hand von ihm, lächelte nochmal und wandte mich ab. Besser ich vergaß unsere Begegnung schnell wieder, bevor mein Herz entschied, ihn für immer an mich binden zu wollen. Unsere Seiten waren verfeindet. Es würde NIE ein UNS geben. Trauer ließ mein Herz schwer werden und es fing an, fürchterlich zu schmerzen.

„Wo willst du hin? Du kannst doch nicht...ich meine...äh...Crawley...“ Erstaunt blieb ich stehen und sah ihn mit großen Augen an. Wenn er meinen Namen sagte, klang er nicht mal ein kleines bisschen lächerlich. Als ob ich mich nicht dafür schämen müsste...

„Was?“

„Hast du...nicht gesagt, die Äpfel würden fantastisch schmecken? Ich meine...jetzt wo...wo die beiden Menschen nicht mehr hier sind...ist es ja nicht mehr nötig, ihn zu bewachen und...es scheint auch nicht mehr...verboten zu sein...oder? Wäre doch schade darum...“

Dieser Engel...ich grinste, fing an laut zu lachen und bot ihm meine Hand an, die er ohne zögern nahm und gemeinsam glitten wir nach unten, flogen in hoher Geschwindigkeit durch den Garten, zum Apfelbaum, um uns an seinen Früchten zu laben, bevor ich mich wieder nach unten begeben musste, um Bericht zu erstatten.

Und das, was wir in diesem kurzen Moment zusammen erlebten, würde ich nie vergessen und für immer in meinem Herzen bewahren, selbst wenn es das letzte Mal gewesen sein sollte.

 

~

 

Lange sah ich ihnen noch nach. Die Zeit mit dem Engel war nun erstmal vorbei. Aber ich würde ihn sicher wiedersehen und hoffte, Gabriel würde ihn nicht zu hart bestrafen. Ich betrachtete nachdenklich die Haut auf meinem rechten Unterarm, bevor ich ihn mit dem anderen verglich. Das war vorher noch nicht da gewesen. Dann hörte ich Ligur hinter mir und setzte ein siegessicheres Lächeln auf.

„Gut gemacht, Crawley...hätte ich nicht erwartet.“ Ich ehrlich gesagt auch nicht.

„Komm...wir werden deinen Sieg gebührend feiern.“ DAS wollte ich nicht feiern, doch zur Tarnung musste ich es. Also nickte ich und folgte ihm wieder in die Tiefen der Finsternis, wo es keine Liebe gab und auch keinen Engel...

 

Tbc...

Folgen einer Erfindung

 

 

 

Monatelang feierten die anderen Dämonen meinen erfolgreichen Feldzug gegen die Opposition. Ich war kurz nach dem die Menschen den Garten verlassen mussten, nochmal dort gewesen und hatte den Engel getroffen. Ich hatte mir Sorgen um ihn gemacht, denn wer weiß, was die anderen Engel ihm angetan hatten...oder wie viel sie wussten. Doch alles war in bester Ordnung gewesen, hatte mir meine Flecken auf meinem Körper erneuert, doch hatte er mich danach vehement abgewiesen und war wieder zu den Menschen geflogen. Dabei war es äußerst riskant gewesen, zu ihm zu gehen. Hätten sie mich erwischt, hätte ich bestimmt ein paar hundert Jahre allein in einer Zelle der Qual hausen müssen. Dort hätten sie gemerkt, dass ich keine Schmerzen mehr leiden musste und mir erneut welche aufgehalst. Aber erzählen würde ich es ihm nicht. Nicht dass er noch Schuldgefühle bekam. Nein, nicht wegen mir.

 

Und nun stand ich hier. Mitten unter lauter hässlichen Dämonen, die sich zu irgendwelchen Klängen bewegten, die keinen Sinn machten. Sie grölten sich die Seele aus dem Leib und feierten zusätzlich meine erste Erfindung, 12 Monate nach der Erstehung der Welt. Ligur war auch mal im Garten gewesen und hatte ihn inspiziert. Verschiedene Früchte hatte er sich in die Hölle mitgenommen und daran herum experimentiert, bis er keine Lust mehr gehabt hatte. Die meisten wurden dann einfach dem Höllenhunden gegeben. Er hatte mir erlaubt, an den Trauben weiterhin Versuche durchzuführen.

War nicht einfach gewesen. Ich hatte vier Versuche gebraucht, bis ich gemerkt hatte, dass es Zeit brauchte, um zu reifen.

 

Die Reste der Trauben, nach der Reifung, hatte Ligur den Hunden verabreicht. Sie wurden dadurch komisch, jaulten und torkelten herum. Er hatte sie lange und ausgiebig beobachtet gehabt, bis es ihre Wirkung verloren hatte. Diese Entdeckung, hatte mir eine Belobigung eingebracht und ihm eine ordentliche Portion Respekt verschafft. Denn er gab dieser Erfindung ihren Namen.

 

Wein.

 

Weil Hastur dadurch so emotional wurde, dass er danach weinen musste.

Vor Freude versteht sich. Allerdings...es konnte aber auch daran liegen, dass er das erste Tier von Ligur, einen quietschgelben Kanarienvogel, aus Versehen, in einem Rausch von dessen Kopf gefegt hatte und es...nun...sagen wir, er musste sich ein neues besorgen und war nicht gerade erfreut gewesen.

 

Mein Blick schweifte durch die Menge und merkte, wie mich Hastur und Ligur beobachteten. Sie ließen mich keinen Moment aus den Augen, was ich bedauerte. Lieber wäre ich oben gewesen, auf der Erde und damit in der Nähe meines Lieblingsengels. Mein Engel. Ich hatte ihm so viel zu verdanken. Wo die Hölle mir früher, in jeder Sekunde Qualen, die schlimmsten Gedanken und höllische Schmerzen bereitet hatte, fühlte ich nur noch einen unangenehmen Druck. Nun sah ich klar, da ich keine Schmerzen mehr verspürte und schrieb das meinem schönen Engel zu, der mich im Garten Eden geheilt hatte, nachdem Gabriel mich angegriffen hatte. Mein ganz persönliches Wunder. So etwas wundervolles hatte noch nie jemand für mich getan und unterdrückte ein sehnsuchtsvolles Seufzen, als ich merkte, wie Ligur auf mich zu kam.

 

„Du feierst ja gar nicht.“, murmelte Ligur argwöhnisch und sah mich lauernd an. Mit den Schultern zuckend, kam mir spontan eine Idee, die ich Ligur nur noch gut verkaufen musste, aber damit würde ich keine Probleme haben. Immerhin konnte ich wieder meinen messerscharfen Verstand benutzen.

„Wenn ihr dieses ewige Feiern mögt...bitte. Aber ich finde, wir sollten uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern weiter machen. Ich hatte gehört, dass der weibliche Mensch bereits ein Kind bekommen hat. Warum sie und das Kind nicht weiterhin beeinflussen und der anderen Seite Steine in den Weg legen? Wenn wir sie schon nicht töten dürfen...“ Ligur hob eine Augenbraue, sah zu Hastur und grinste dann.

„Jetzt redest du endlich wie einer von uns. Gut Crawley. Geh nach oben und tu dein Schlimmstes. Und Crawley?“ Ich schluckte.

„Hm?“

„Enttäusche uns ja nicht.“

„Würde ich doch nie...“ Das dieser Sieg ein Versehen gewesen war, sagte ich lieber nicht.

 

~

 

Vorsichtig lugte ich aus der Erde. Niemand war weit und breit zu sehen. Also stemmte ich mich aus dem Loch und verwandelte mich in eine Schlange. Langsam kroch ich über den Sand und sah nach rechts. Weiter hinten lag der Garten Eden und beschloss, nachher mal dorthin zu gehen, doch vorher musste ich nach dem Engel sehen. Hier hatte sich einiges verändert, seit ich weg war. Vor mir lag ein großes Feld, welches bepflanzt war und ein Mann mitten drin, der im hinteren Teil arbeitete. Mit voller Wucht bearbeitete er die Erde mit den Händen, er schwitzte stark vor Anstrengung, keuchte, doch gönnte er sich keine Pause. Adam. Fast hätte ich ihn nicht erkannt, kannte ich doch nur nackt, nicht so muskulös und unbehaart im Gesicht. Mein Blick schweifte nach rechts und dort war aus einer niedrigen Hütte, die nur aus Lehm und Stroh bestand, ein Lachen zu hören. Dieses glockenhelles Lachen erwärmte mein Herz und ich musste einfach nachsehen, von wem es kam. Um nicht aufzufallen, schrumpfte ich meinen Schlangenkörper und schlängelte mich hinein. Auf einem Haufen Stroh lag Eva, ebenfalls bedeckt, die lächelte und ein kleines Bündel im Arm hielt. Das... Kind? Sah niedlich aus...irgendwie... Wie alt es nun war, wusste ich nicht, jedoch musste es schon eine Weile auf der Welt sein. Erneut erklang das fröhliche Kinderlachen und dann ein weiteres, welches mir eine Gänsehaut machte.

 

„Er ist so schön, Eva. Das habt ihr sehr gut gemacht. Hallo Kain.“

„Möchtest du ihn mal halten?“ Der Engel nickte und nahm vorsichtig das kleine Kind in den Arm, küsste dessen Köpfchen und sah es liebevoll an. Ach wenn er mich doch nur so ansehen würde. Aber diesen Gefallen würde er mir nicht tun, das war mir bewusst. Engel zuckte kurz zusammen und sah, für Eva unauffällig, nach links und nach rechts, ehe es in seinen Augen funkelte. Er hatte mich bemerkt? Wie konnte das sein? Ich war so klein, dass er mich unmöglich hätte sehen können. Konnte er es fühlen, wenn ich in seiner Nähe war?

 

„Hallo Crawley.“ Jepp konnte er. War aber sicher nicht immer von Vorteil und ich nahm mir vor, daran zu arbeiten, dass er mich nicht mehr erspüren konnte, wenn ich es nicht wollte. Sofort vergrößerte ich mich wieder, bevor er mich sah und kroch in seine Nähe. Eva lächelte und begrüßte mich. Ich nickte ihr zu und sah wieder zu... Kain? Er war so klein, wirkte hilflos und doch vertraute er darauf, dass man sich um ihn kümmerte und das ihm nichts geschehen würde. Ob das nicht ein großer Fehler war?

„Hallo...äh...schönes Kind.“

„Danke, Crawley.“, meinte sie stolz.

 

Der Engel allerdings schwieg, sein Blick, der ruhig auf mir lag, war neutral. Schade, denn ich hätte zumindest auf ein kleines Lächeln gehofft.

Vorsichtig kroch ich näher, betrachtete das Kind, legte nachdenklich meinen Kopf schief und irgendwie...stimmte was nicht mit ihm. Sein Kopf lief rot an. Nur die beiden Anwesenden schauten, als wäre das ganz normal. Hatte ich was nicht mitbekommen?

 

„Er sieht irgendwie...angestrengt aus...“, meinte ich, immer noch verwirrt. Im nächsten Moment kam mir ein beißender Gestank in meine empfindliche Nase.

„Und stinkt...“, meinte ich und musste niesen. Das war ja kaum auszuhalten, meine Nase brannte davon und ich hatte immer mehr Mühe, diese Gestalt aufrecht zu halten, biss die Zähne zusammen, versuchte von dem gemeingefährlichen Kind weg zu kommen und nieste erneut.

Keine Chance....ich verwandelte mich wieder zurück in einen Dämon und fiel hart auf meinen Hintern.

 

„DU? DU BIST DAS?“, brüllte mich Eva an. Sie war wütend, wusste ich ja warum. Dabei war es gar nicht meine Schuld gewesen, dass Adam mich gesehen hatte. Besser ich griff auf meinen neu erlernten Trick zurück. Mit einem Schnipsen stoppte ich die menschliche Zeit und atmete auf. Der einzige, der nicht festgefroren war, war der Engel. Natürlich hätte ich ihn auch einfrieren können, ich konnte das mit allem und jedem machen, aber warum sollte ich? So konnte ich mich wenigstens, in aller Ruhe mit ihm unterhalten.

„Was hast du gemacht? Hier steht alles still, nichts rührt sich...“, meinte besagter Engel. Endlich redete er mit mir.

 

„Ich habe nur die Zeit angehalten. Keine Sorge. Ihnen passiert nichts...ich bin gleich wieder weg. Wollte nur sehen, ob es dir gut geht...“, sagte ich, auf einmal seltsam schüchtern, stand mühsam auf und rieb mir meinen schmerzenden Hintern. Dann sah ich Eva an, die immer noch erstarrt und recht zornig vor mir stand. Ein Glück für mich, dass ich das konnte. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich damit mein Leben vor Gabriel schützen können, allerdings hätte ich dann noch Schmerzen...also ganz gut für mich. Ich schüttelte meinen Kopf um diese Gedanken loszuwerden und wandte mich wieder Eva zu.

„Wenn ich weg bin, wirst du dich nicht an unsere Begegnung, gerade eben, erinnern.“, sagte ich ruhig und mein schöner blonder Engel sah mich nur verwirrt an.

 

„Crawley?“ Ich lächelte traurig.

„Besser du vergisst das hier auch. Ich werde nun auch deine Erinnerungen löschen und...“ Ein helles Bündel traf mich am Kopf, unterbrach mich und warf mich erneut zu Boden. Arrghhh.... und es stinkte... schlimmer als Beelzebub und Dagon zusammen. Es lag genau auf der einen Hälfte meines Gesichts und rutschte sekündlich weiter runter. Mit einem Platsch landete es auf dem Boden und ich konnte davon, mein linkes Auge nicht mal aufmachen. Angewidert wischte ich mir den...Dreck aus dem Gesicht, während der Engel mich wütend anblitzte.

„Wie kannst du es wagen?“, zischte er mich kalt an. Das Kind war nun nackt, er hatte es abgelegt und kam nun lauernd auf mich zu. Jetzt lauerte der Engel auch schon. Wie ein Profi sogar.

„Wie kannst du es wagen, mir meine Erinnerungen nehmen zu wollen? Bist du jetzt völlig verrückt geworden?“ War ich. Verrückt vor Liebe zu meinem Engel und wollte doch nur nicht, dass er so schlecht von mir dachte. Ich sah zu ihm auf, einäugig wohlgemerkt, seufzte und schloss das andere Auge.

 

„Ich dachte es wäre vielleicht das beste für dich.“

„Das beste? Du Vollidiot. Ich will dich nicht vergessen und auch nicht, dass...äh...“ Erwartungsvoll sah ich ihn an, doch er schwieg beharrlich, während ich mir die Reste aus dem Gesicht wunderte. So konnte ich ihn wenigstens wieder richtig sehen, auch wenn mich seine Wut frieren ließ. Er bemerkte dies und seufzte resigniert. Ein gutes Omen? Tatsächlich. Die Wut schwand.

 

„Also macht es dir nichts aus, dass ich hier bin?“, fragte ich, nun zaghaft lächelnd und hob eine Augenbraue. Er wich meinem Blick aus.

„Woher hast du gelernt, die Zeit anzuhalten?“, fragte er mich stattdessen. Die Schultern zuckend, gab mich mysteriös und geheimnisvoll.

„Sag schon.“, drängte er mich. Eigentlich hatte ich es durch einen Unfall in der Hölle heraus gefunden. Keine schöne Erinnerung, denn es war genau dann passiert, als der Kanarienvogel von Ligur...äh...lassen wir das.

„Zufall. Nicht jeder ist dafür geeignet und nein, ich zeige dir nicht, wie es geht.“ Beleidigt blies er seine Backen auf. Schon schlimm genug, dass er mich mit dem Ausscheidungen eines Kindes beworfen hatte, da würde ich ihm das garantiert nicht zeigen. Da fiel mir ein...

„Warum wirfst du eigentlich damit um dich? Das ist so...“

 

„Ekelhaft?“

„Genau.“

„Ich hätte es nicht gemacht, wenn du mir nicht meine Erinnerungen hättest löschen wollen.“

„Weil du mich magst?“, fragte ich hoffnungsvoll.

„Mach dich nicht lächerlich Crawley. Das...ist...“ Er verstummte, als ich aufstand und langsam näher kam, bis ich ihm so nah war, dass ich seinen Atem spüren konnte, der sich heiß auf meinem Gesicht anfühlte und mich nur noch mühsam beherrschen konnte. Er zitterte und schluckte nervös, sah überall hin, nur nicht in meine Augen. Ich hob meine Hände und legte sie auf seinen wunderbar zarten Wangen ab. Damit brachte ich ihn dazu, mich endlich anzusehen. Seine Augen wurden groß, sie funkelten mich an, ließen meinen Bauch kribbeln und ich lächelte zärtlich.

 

„Erinnerst du dich, was wir getan haben, nachdem wir die Äpfel gegessen hatten? Und nachdem du die Menschen hinaus begleitet hast? Ich will das wieder tun.“, flüsterte ich ihm leise zu, sah wie er eine Gänsehaut davon bekam und tat... was ich tun musste. Er konnte sagen was er wollte und mich abweisen, so oft er wollte. Sein Körper und seine Taten sprachen eine andere Sprache. Lange Zeit standen wir so da und genossen die Nähe des anderen, bis er sich keuchend und mit geröteten Wangen von mir löste.

 

„Engel...“

„Nein. Wir dürfen nicht. Das...das war ein Fehler.“, meinte er und wischte sich über seine Lippen. Er verbarg sogleich wieder seine Gefühle und sah mich neutral an, zeigte auf den Ausgang und bedeutete mir damit, dass ich nun gehen sollte.

„Es wird nie ein Fehler sein, Engel. Nie.“ Damit legte ich eine Hand an seinen Nacken, streichelte seinen Haaransatz und küsste seine Stirn, ehe er wieder einen Schritt zurück ging.

„Irgendwann wirst auch du es einsehen.“, meinte ich, schnipste und wandelte mich in eine Schlange.

Die Zeit lief wieder, Eva schien etwas verwirrt und der Engel ebenso, da sie wirklich unsere Begegnung vergessen hatte und ich verschwand dahin, wo ich noch hinwollte, bevor ich wieder zurück nach unten musste.

 

~

 

Erschöpft ließ ich mich an einem Baum hinab gleiten. Es hatte mich sehr viel Kraft gekostet, von ihm Abstand zu nehmen. Aber wenn ich es nicht getan hätte, hätte ich nicht mehr aufhören können und dann wäre er richtig wütend geworden. Ich war süchtig nach ihm, seinem ganzen Wesen, dem Gefühl, wenn ich ihn... Bei dem Gedanken sah ich nach oben und musste lächeln, kletterte den Apfelbaum hinauf und setzte mich auf einen dicken Ast.

 

Wie schaffte er es nur? Er hatte die Fähigkeit, sich zu beherrschen und mich immer wieder abzuweisen. Aber ich würde schon noch bekommen was ich wollte, da war ich mir sicher. Ich durfte nur nicht aufgeben. Nachdenklich pflückte ich mir einen Apfel und biss genüsslich hinein. Meine Augen schlossen sich von selbst und driftete langsam ab.

 

 

„Crawley? Warum bist du schon wieder hier? Crawley?“ Nein noch nicht. Ich schlief gerade so schön....

„Crawley!“ Doch das ignorierte ich einfach und bat leise um weitere fünf Minuten.

„CRAWLEY! WACH ENDLICH AUF!“ Erschrocken wachte ich auf und fiel vom Baum.

„Aua...“

„Selbst Schuld. Warum schläfst du auch da oben? Deine Anwesenheit ist nicht gestattet. Raus hier, Schlange!“ Ach du meine Güte war er schlecht drauf. Vorsichtig lugte ich zu ihm, doch er war unerbittlich. Da lag noch etwas anderes in seinem Blick. Ich konnte es einfach nicht benennen. Er war einfach zu gut im verbergen von Gefühlen. Meinem Mund entwich ein leises Seufzen, bohrte mich in die Erde und verschwand, weit weg von dem, der mir mein Herz gestohlen hatte.

 

 

 

Als ich wieder unten war, leckte ich, aus Verzweiflung, an einer der wohlschmeckenden Wände, um meinen Herzschmerz ein wenig zu lindern. Es wurde etwas besser, was mich erstaunte. Doch dann roch und spürte ich Kröte und verzog mein Gesicht.

„Wo warst du, Crawley? Dagon hat dich schon gesucht. Hast du etwa...gerade an der Wand geleckt?“ Unauffällig atmete ich tief ein und aus, ehe ich Hastur antwortete.

„Ah...ich doch nicht...ich meine...Ich habe nur geschaut, was so bei den Menschen los ist, aber ich weiß noch nicht, was ich genau mache, um sie zu...quälen...So viele... Möglichkeiten.“ Er bewegte sich in meine Richtung, was mich zuerst nervös lachen und dann versteifen ließ. Widerliche Geräusche kamen aus dem Maul der Kröte und ich musste mich beherrschen, mich nicht vor Ekel zu schütteln. Oder Hastur zu schütteln.

 

„Lass die Ernte der Menschen verderben.“, sagte er, mit einem hinterhältigem Grinsen. Innerlich zusammen zuckend, nickte ich ihm zu und nahm mir vor, den Menschen was aus dem Garten zu bringen, damit sie nicht verhungerten. Er legte seinen Kopf schief, die Kröte hatte Mühe auf dem Kopf zu bleiben und dann sahen mich diese tiefen Schwarzen Löcher, die er Augen nannte, skeptisch an.

„Ich glaube die Luft da oben bekommt dir nicht.“, meinte er nachdenklich.

„Was...meinst du? Ich kann dir nicht folgen...“

„Diese Flecken, die du überall hast. Im Gesicht, auf dem Hals und den Armen...Vor Monaten hattest du die schon mal und dann verschwanden sie wieder. Was ist dort oben, was dir das hier einbringt?“ Oh...DAS würde ich ihm garantiert nicht sagen, was genau der Auslöser war.

 

„Äh...das...ich meine...vermutlich die Sonne da oben. Du weißt ja...“

„Nein, was weiß ich?“ Mist. Ich musste mir irgendwas einfallen lassen, damit er mir nicht auf die Schliche kam. Irgendwas, was das hier erklärte und niemand richtig nachprüfen konnte... Ah...genau. Meines Wissens, DIE perfekte Ausrede.

„Äh...Ich habe rote Haare...“ Verwirrt sah er mich an, seine Augen vergrößerten sich dabei.

„Und?“

„Rothaarige bekommen in der Sonne nun mal diese Flecken...sag bloß das weißt du nicht?“ Eine Antwort blieb er mir schuldig, denn er konnte es nicht wissen. Ich war der einzige Rothaarige Dämon hier unten und das war das erste Mal auch gut so. Selbst wenn mal ein Mensch rote Haare haben würde, musste ich einfach ihnen welche verleihen und wenn die Menschen es so glaubten, dass Rothaarige solche Flecken nun mal hatten, dann blieb das sicher in den Genen.

 

Damit hatte ich Hastur allerdings derart verwirrt, dass er mich nur noch anstarren konnte. Nach etlichen Minuten war es mir zu dumm, ihn beim anstarren zuzusehen und meinte, dass ich nun zu Dagon gehen und danach meine Aufgabe erledigen würde. Also schlich ich an ihm vorbei. Das merkte er eh nicht, sondern sah immer noch auf den Punkt, wo ich gestanden hatte.

Ich wollte nicht zu ihr, wollte aber keinen Ärger riskieren. Der Weg war nicht so lang, wie zu Ligur und als ich endlich angekommen war, fühlte ich mich nicht mehr sehr gut. Mein Bauch fing an zu schmerzen und in meinen Augenhöhlen breitete sich ein dumpfer Druck auf. Ich kniff die Augen zu und wünschte mir, mein Engel wäre bei mir, versuchte es mir vorzustellen und atmete noch einmal tief ein und aus, klopfte an Dagons Tür und wartete.

„Ja Crawley.“

 

Ich schluckte und betrat den Raum, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dagon erwartete mich bereits, in ihrem Gesicht ein listiges Lächeln.

„So habe ich dich länger nicht gesehen, Crawley...“

„Nun...ich zeige es nicht oft...immerhin bin ich ein Dämon und kann vor den Menschen und unseren Feinden nicht einfach meine Schwäche zeigen.“ Sie nickte und grinste breiter.

„Aber dass du es vor uns versteckst...“

„Gewohnheit. Ich darf nicht nachlassen und außerdem möchte ich euch beweisen, dass ich auf eurer Seite bin.“ Ich wusste, dass sie wusste, dass ich gar keinen Schmerz hatte fühlen können, doch nun war wieder alles beim Alten.

„Ach? Also hat Ligur Recht gehabt. Endlich redest du wie einer von uns. Also gut. Du wirst die Ernte der Menschen zerstören, aber erst, wenn ich dir den Befehl dazu gebe. Danach kannst du sie noch ein bisschen ärgern und den Engel, der sie schützt... Ich will einen ausführlichen Bericht.“

 

Sagen konnte ich nichts, denn sonst hätte ich sie angeschrien, dass ich meinem Engel nie Leid zufügen würde, also nickte ich und verließ den Raum der siebten Qual wieder, versuchte, langsam zu gehen und die Schmerzen nahmen minimal ab. Aber leider nicht ganz und musste die Augen schließen, denn sie fingen an, wie Feuer zu brennen, wie damals, als ich fiel.

Es dauerte einige Zeit, ehe ich in meinem Quartier angekommen war und schloss die Tür. Das letzte Mal, als ich solche Schmerzen gehabt hatte, kam mir so weit entfernt vor und ich musste an mich halten, nicht wie verrückt zu schreien. Dunkle Gedanken stürzten sich auf mich, sogen das letzte bisschen Licht, was ich in mir trug, aus mir heraus. Nun doch schreiend knickten meine Beine weg und stürzte auf den harten Boden. Der Schmerz zog sich durch mein ganzes Wesen. Er war so stechend, als ob mich Millionen kleiner Nadeln und tausende Flammenschwerter auf einmal durchbohrten. Keuchend kroch ich durch das Zimmer, bis ich meine Pritsche erreicht hatte und zog mich mühsam hoch. Dann kauerte ich mich zusammen und versuchte, das alles irgendwie zu ertragen...

 

~

 

Ewigkeiten später, kam Dagon zu mir und grinste. Ihre Zähne, die allesamt spitz geschliffen waren, blitzten dabei auf und ich bekam vor Grauen eine Gänsehaut.

„Es ist soweit. Geh nach oben und mach uns alle Ehre...“

Mühsam raffte ich mich auf, keuchte dabei und sah, wie ihr Gesicht sich zu einer grausamen Fratze verzog. Ihr Plan war aufgegangen. Sie hatten es gewusst, die ganze Zeit über. Also wussten sie nun auch, dass ich doch angegriffen wurde und mich nur jemand geheilt hatte. Es fiel mir äußerst schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen und dann hoch zur Erde zu gehen.

 

 

~

 

Langsam schlängelte ich mich durch den Sand und atmete erleichtert auf. Hier spürte ich den Schmerz nicht mehr so stark und beobachtete Adam, wie er auf dem Feld arbeitete. Ich sollte vorher nochmal zum Garten und meinem Engel etwas schönes mitbringen. Voller Vorfreude bohrte ich mich durch den Sand, schlüpfte auf der anderen Seite wieder aus dem Sandloch hinaus und verwandelte mich.

Schnell flog ich zu seinem Lieblingsbaum, der herrlich saftige Früchte trug, die mich irgendwie an seinen Hintern erinnerten. Wie diese... Frucht wohl schmeckte? Meine Hand streckte sich aus, griff nach einer und pflückte sie. Sie roch schon mal richtig gut. Nicht so wie ein Apfel aber immerhin auch recht fruchtig, aber auf eine andere Weise. Süßer. Genüsslich biss ich hinein und erinnerte mich, dass dem Engel, der Saft der Frucht ständig über sein Kinn auf das Gewand getropft war. So erging es mir nun auch, aber ich musste darüber grinsen und seufzte. Das waren noch Zeiten gewesen. Nur der Engel und ich...Mein Grinsen erlosch und ich musste wieder an die Schmerzen denken, die ich unten wieder haben würde...und immer noch hatte. Aber ich durfte es ihm nicht zeigen, wie sehr ich mich quälte, würde es nicht wagen, ihn nach Heilung zu fragen, aber ich musste mich vergewissern, dass es ihm gut ging.

 

Schnell pflückte ich erneut einen schönen großen und steckte ihn in mein Gewand, flog zum Ausgang und wandelte mich in eine Schlange, ehe ich in die Richtung kroch, in der ich Kinderlachen hören konnte. Von weitem schon sah ich ihn und lächelte. Er schien mich nicht zu spüren und dies sagte mir, dass ich es geschafft hatte, mich vor ihm zu tarnen. Schnell schrumpfte ich mich auf eine annehmbare Größe und kam ihm näher.

Pssssssst....“, zischte ich und sah, wie der Engel erschauerte. Doch er sah nicht zu mir, sondern wurde traurig. Warum?

Pssssssttttt....Engel....“ Doch auch jetzt rührte er sich nicht, schüttelte nur kurz den Kopf. Ich musste mich also noch mehr anstrengen.

Engel? Hier unten...“ Endlich sah er nach unten, wo ich ihn freudig angrinste. Als hätte er nicht erwartet, mich je wieder zu sehen, weiteten sich seine Augen ungläubig. Endlich.

Das sagte ich ihm auch und fragte, ob er nun immer auf diese Menschen aufpassen müsste. Wenn ja, wäre es klug, öfter hier oben zu sein.

 

Aber er sagte nichts, sondern wandte seinen Blick wieder von mir ab und lächelte die zwei Kinder an, die in einiger Entfernung miteinander spielten. Zwei Kinder? Wie lange war ich weg gewesen? Beide waren auf ihren Beinen unterwegs und einen großen Altersunterschied konnte ich nicht feststellen.

„Kain, Abel....kommt, wir gehen hinein zu eurer Mutter. Nicht das uns noch ein gefährliches Tier überrascht.“, meinte er. Seine Stimme hörte sich fremd und kratzig an, als hätte er sie lange nicht mehr benutzt und musste ihn empört anstarren. Natürlich schmeichelte es mich auch etwas, immerhin war ich ein Dämon. Ich ließ ein Zischen verlauten und verwandelte mich in meine wahre Gestalt.

 

„Nun, so dürfte ich wohl kaum als „gefährliches Tier“ durchgehen, oder Aziraphale?“, fragte ich ihn sanft. Er schien verlegen, räusperte sich und wandte sich von mir ab. Ich hatte Zeit gehabt und seinen Namen oft gesagt, damit die Schmerzen mich nicht völlig in den Wahnsinn trieben. Doch anscheinend hatte er es nicht erwartet, dass ich ihn nun aussprechen konnte, spürte seine Nervosität und beobachtete, wie er sich unbewusst, über seine Lippen leckte. Oh dieser Mund. Wie gerne hätte ich ihn wieder auf meinem. Ein dumpfer, harter Schmerz breitete sich in meinem Kopf aus und ich versuchte, diesen zu ignorieren.

„Du musst gehen, Crawley. Wenn man dich hier erwischt, töten sie dich.“ Ich hatte einen Auftrag und würde ihn so lange wie möglich herauszögern. Das konnte er also schon mal vergessen.

 

„Ach was...ich...“ Der Engel schüttelte den Kopf und unterbrach mich harsch.

„Geh. Dann tue ich auch so, als ob ich dich gerade nicht gesehen habe. Ich müsste dich sonst melden...Anweisung von oben. Geh, bitte.“ Das konnte nicht wahr sein, immerhin war ich mir sicher, dass er mich insgeheim mochte. Also griff ich mir seine warme Hand und lächelte, als sich seine, fest um meine schloss.

„Ich habe dich vermisst, Engel.“, flüsterte ich ihm zu. Sein Gesicht verzog sich und er hatte Mühe, mich weiter auf Abstand zu halten.

„Und du hörst nicht zu. Du musst gehen...jetzt. Sprich mich nicht mehr an und komm auch nicht mehr in meine Nähe, verstanden?“, zischte er mir zu und wollte mich stehen lassen. Ich hatte meine Hand aber immer noch in mit seiner verwoben und zog meinen Engel wieder zu mir zurück. Wie könnte ich ihn jetzt einfach gehen lassen?

 

„Denkst du ich nehme dieses Risiko nicht ernst? Niemand wird es merken. Ich bin vorsichtig, versprochen. Keiner weiß, dass ich mich in eine Schlange verwandeln kann.“, sagte ich ihm leise ins Ohr, sah das ich ihn keinesfalls kalt ließ. Sein Atem erhöhte sich und er schluckte nervös.

„Sieh mal...ich habe dir auch was mitgebracht. Möchtest du ihn?“ Mein Geschenk an ihn, zauberte ich aus meinem Gewand hervor und hielt ihn ihm hin. Ganz genau sah ich ihm an, wie er zögerte. Anscheinend hatte er lange nichts mehr vergleichbares zu essen bekommen. Er haderte lange, doch dann verschloss sich sein Blick und er lehnte den Pfirsich vehement ab.

 

Enttäuscht ließ ich meine Hand mit dem Pfirsich wieder sinken und seine Hand los. Dabei wollte ich ihm nur etwas Gutes gönnen. Ein Zeichen meiner Ergebenheit, das ich ihn mochte und nicht, weil ich ihn in Versuchung führen wollte. Warum sah er es nicht? War ich wirklich wie die anderen? Oder nicht doch anders...wie er? Es wurde mir schwer ums Herz, als ich ihm nachsah, wie er eilig mit den Kindern in die Hütte ging.

Noch schwerer fühlten sich meine Beine an, die bei jedem Schritt, die mich von den Engel entfernten, mich mehr Kraft kosteten. Dann fühlte ich seinen Blick wieder auf mir und zuckte erschrocken zusammen, entfaltete meine Flügel und flog Richtung Eden, immer darauf bedacht, dass Adam mich nicht sah. Ein Gedanke und die Ernte war dahin, hörte ihn weh klagen und schimpfen, während ich weiter in den Garten hinein flog und am Pfirsichbaum landete.

 

Ich wunderte mir ein zweites Gewand, knotete es zusammen und sammelte Pfirsiche, dann flog ich zum Apfelbaum und sammelte auch dessen Früchte, bis es voll war.

„Dasss ich dich hier je wiedersssehe, hätte ich nicht gedacht.“, sagte auf einmal jemand. Verdutzt sah ich mich um, fand aber niemanden.

„Genau vor dir…“ Ich musste zweimal hinsehen, ehe ich die Schlange erkannte, die ich mich erst darauf gebracht hatte, mich in eine verwandeln zu wollen.

„Ah, Hallo! Wie geht es dir?“, fragte ich lächelnd.

„Hm, ich bin hier drin ziemlich alleine und fühle mich recht einsam. Meine Frau ist auch verschwunden.“ Ich nickte und erklärte ihr, warum. Das verstand sie sofort und bat mich, sie nach draußen zu bringen, denn sie hatte geschlafen gehabt, als der Engel alle Tiere rausgebracht hatte.

 

„So gut, wie du dich tarnen kannst, ist das kein Wunder. Klar helfe ich dir.“, meinte ich lächelnd und hievte mir den gebastelten Sack über die Schulter.

Die Schlange kroch auf mich drauf und grinste.

„Du allerdings siehst aus, als hättest du es nicht so gut getroffen.“ Schweigend breitete ich meine Schwingen aus und erhob mich in die Lüfte, ehe ich, von dem Feld und der Hütte abgewandt, wieder landete.

„Nein...der Engel. Er...ich fürchte er hat nichts mehr für mich übrig und das ist kaum zu ertragen. Ich musste die Ernte der Menschen verderben lassen, weil es mir aufgetragen wurde. Sonst hätte ich noch mehr Schmerzen erleiden müssen. Ist schon schwer genug da unten...Aber sag dem Engel ja nichts davon.“ Sie sah mich seltsam an und bedankte sich für meine Hilfe, ehe ich sie aus den Augen verlor. Mit den Schultern zuckend ging ich, bis kurz vors Feld, ehe ich mich in eine Schlange verwandelte und den Sack, nur mit Mühe zu Adam zog.

 

Adam...“

Sein Blick kam auf mich und staunte.

„Anthony...“ Zischend erklärte ich ihm, wie ich wirklich hieß und er zuckte nur mit den Schultern.

„Dieser Name passt aber zu dir. Als hätte ich ihn dir gegeben. Sieh dir das an. Die ganze Ernte...die Zeit und die Mühen...einfach dahin. Alles umsonst.“ Er verdrückte ein paar Tränen und sah unfassbar frustriert aus, ehe er mich wieder ansah.

„Nun gut...das ist mein Problem. Was ist das, was du mit dir rumschleppst? Du siehst angestrengt aus.“ Keuchend hörte ich damit auf, den Sack zu ihm bewegen zu wollen und öffnete ihn stattdessen. Adams Augen wurden groß und er lächelte.

„Als hättest du es gewusst...Vielen lieben Dank, Anthony.“ Zusammen zuckend knurrte ich leise, ehe ich mich wieder verzog. Wie konnte es anders sein, zu meinem Lieblingsort.

 

Mein Plan war aufgegangen und ich musste mir nur noch überlegen, was ich in meinen Bericht schrieb. Gerade wieder saß ich im Apfelbaum und dachte lieber an vergangene Zeiten.

Der Bericht konnte warten, denn je mehr ich hier oben war, desto weniger Schmerzen hatte ich.

Lustlos aß ich einen Apfel und fühlte mich furchtbar alleine. Gefühlte Stunden saß ich hier und blas Trübsal.

„Ich habe gewusst, dass du hier bist.“ Nun hörte ich in meinem Herzschmerz schon den Engel mit mir reden. Leise seufzte ich und schloss die Augen, spürte aber dann, wie mir jemand zaghaft meinen Fuß streichelte. Als ich meine Augen wieder geöffnet hatte, sah ich nach unten und damit in das wunderschöne Gesicht meines Engels...der mich anlächelte. Auch wenn mir sein Lächeln Wärme in mein Herz zauberte, wusste ich irgendwie, dass er nichts gutes zu sagen hatte...

 

„Crawley...du hast den Menschen was zu essen gebracht. Das war...sehr nett von dir.“ Ich schnaubte verärgert. Hatte ich es doch gewusst. Wenn sich das rumsprach, konnte ich einpacken. Nie wieder würden sie mich nach oben lassen. Auf ewig weggesperrt in tiefster Qual....

„Ich bin nicht nett, verstanden? Ich bin ein Dämon. Wir sind furchterregend und grausam. Ich habe die Ernte der Menschen zerstört, wie es sich für mich gehört. Ts...ich und nett. Solltest du nicht bei den Menschen bleiben?“, meinte ich zornig und verengte meine Augen. Aber davon ließ sich Aziraphale nicht beeindrucken.

 

„Jeremy hat es mir erzählt. Oder besser gesagt, es mir irgendwie verständlich gemacht... Warum du lieber hier oben bist...und auch...wegen mir. Crawley...“

„Vergiss es einfach...ist nicht wichtig.“, sagte ich und musste mich zusammen reißen, nicht laut zu werden. Jeremy konnte nur die braune Schlange aus Eden sein und hatte wohl von Adam einen Namen bekommen. Er hatte mich doch verraten...Der Engel schwieg daraufhin, bis ich ein helles Licht sah, welches von seinen Händen ausging, in meinen Körper überging und ich mich sogleich besser fühlte. Das...das konnte...hatte er mich geheilt?

 

„Jede gute Tat wird belohnt. Du hast mir nie erzählt, dass du dort unten Schmerzen hast. Warum?“ Das nun wieder. Hatte ich ihm nicht gesagt, dass ich nicht über meinen Fall sprach?

„Das hat... Darüber rede ich nicht, Engel. Du solltest wieder zurück gehen.“, sagte ich wütend, stand auf und kletterte höher hinauf.

„Bleib gefälligst hier!“, rief er mir gereizt nach, aber das konnte er vergessen. Ich spürte an meinem Fuß etwas, sah nach und keuchte erschrocken auf. Er folgte mir nach oben und versuchte, mich zu packen, doch ich kletterte schneller. Fast war ich in der Krone, aber der Engel gab nicht auf, also stieß ich mich am höchsten Punkt ab, breitete die Flügel aus und flog davon. Nur leider hatte auch er Flügel und er folgte mir auch jetzt noch.

Mist.

Wo sollte ich hin? Hier oben wäre ich leichte Beute für ihn. Also flog ich hinab, manövrierte mich durch Büsche und flog nur knapp zwischen den Bäumen hindurch. Den Rest überbrückte ich zu Fuß. Der Wald lichtete sich und auf einmal hatte ich ihn vor mir.

 

Ich bremste scharf, meine Füße gruben sich dabei in die Erde, dann stieß ich mich erneut ab, bevor er mich davon abhalten konnte. Weiter vorne musste noch ein zweiter See sein, der in einen kleineren See mündete. Prüfend sah ich nach hinten. Er holte auf und als ich wieder nach vorne sah, erschrak ich, prallte gegen den Fels und stürzte in den See. In meinem Kopf pochte ein beißender Schmerz und mir wurde schwindlig. Noch dazu hatte ich vergessen Luft zu holen, so schnell war das alles gegangen. Mein Gewand sog sich voll mit Wasser, zog mich tiefer hinunter, doch ich wehrte mich nicht, konnte es nicht, denn meine Kraft schwand mit jeder Sekunde und Kälte kroch in meinen Körper. Meine Sicht verschwamm und wusste, sollte mein Körper nun sterben, müsste ich mich auf was gefasst machen. Dort unten bekam man nicht so einfach einen neuen. Meine Augen schlossen sich, ich erwartete förmlich, nun meinen Boss vor mir zu sehen und meinen Engel nie wieder...

 

Meine Lunge füllte sich unerwartet wieder mit Sauerstoff und ich öffnete die Augen. Aziraphale sah mich erschrocken an, schwamm mit kräftigen Zügen zurück nach oben. Gierig taten wir beide einen tiefen Atemzug, als wir wieder an der Wasseroberfläche waren, doch ich war zu erschöpft, als dass ich mich hätte bewegen können und war mehr als dankbar, dass der Engel mich aus dem Wasser brachte. Am Ufer legte er mich ab und sah mir schuldbewusst in meine Augen. Die Sonne ließ seinen Kopf aufleuchten, ich beobachtete wie die Wassertropfen von seinen Haaren auf mich fielen und dabei glitzerten, wie funkelnde Sterne. Wunderschön. Automatisch griff meine Hand in seinen Nacken und führte ihn dorthin, wo ich ihn gerade am meisten brauchte.

 

~

 

Verlegen verabschiedete er sich, nachdem ich ihm zurück zu den Menschen gebracht hatte. Mein Gesicht fühlte sich ziemlich warm an und konnte es nicht fassen, dass ich derjenige war, der aufgehört hatte. Aber ich hatte anscheinend immer den falschen Zeitpunkt gewählt, ihn zu besuchen, denn wieder hatte ich andere Engel gerochen und wir waren so schnell es ging wieder zurück gegangen. Auch wenn ich mich noch sehr schwach fühlte, versuchte ich, es ihm nicht zu zeigen. Er sollte sich nicht schlecht fühlen.

„Wie konnte Jeremy dir überhaupt sagen, was los war? Immerhin kann nur ich die Sprache der Schlangen verstehen.“ Strahlend sah er mich an.

„Findest du den Namen nicht entzückend? Ich habe ihn mir ausgedacht.", sagte er stolz. Meine Augenbraue schnellte in die Höhe und stimmte ihm lächelnd zu, was ihn noch mehr strahlen ließ. Mein Herz hüpfte bei diesem Anblick.

„Du solltest schnell wieder zu Eva gehen...und verstecke das Essen. Ich kann meine Leute auch gerade riechen.“ Er nickte und mir entwich ein kummervolles Seufzen, ehe ich ihm den Rücken zudrehte und von ihm Abstand nahm. Seinen Blick, der mir meinen Rücken wärmte, konnte ich noch lange spüren.

 

~

 

Mein Bericht war ausführlich und lang geworden. In gewisser Weise hatte ich ihn viel zu sehr ausgeschmückt. Es hatte die Menschen und den Engel sehr leidend wirken lassen, dennoch...es erfüllte seinen Zweck und brachte mir ein kleines Stück Vertrauen von der Seite, die ich nie gewählt hatte.

Die Gute Tat für die Menschen wäre fast aufgeflogen, ich schob es aber gekonnt dem Engel in die Schuhe, dass er den Menschen zu Essen gebracht hatte. Niemand hatte es angezweifelt.

Mein Glück...

 

Gerade schlenderte ich die Gänge in der Hölle entlang, da stellte sich mir Ligur in den Weg. Schnell verzog ich mein Gesicht, als ob mich unerträgliche Qualen...äh quälen würden.

„Ah Ligur....wohin des Weges?“ Er starrte mich halb lächelnd an und davon begann ich zu frieren. Nicht nur von seinem Blick. Für Fremde wäre es hier sicher heiß...aber für uns war es eisig kalt...nun jedenfalls für mich, als ein Dämon, der nach dem Fall in Ungnade gefallen war. Selbst das Höllenfeuer war frostig. Nun aber, da man mich nicht mehr allzu sehr beobachtete, konnte ich mich etwas freier bewegen.

 

„Hastur hat dir deinen neuen Auftrag gegeben?“ Ich nickte. Er wollte, dass ich den Menschen den Wein schmackhaft machen sollte, sie damit in Versuchung zu führen und er erwiderte mein Nicken zufrieden, bevor er mir eine weitere Neuigkeit zukommen ließ.

„Heute krönen sie einen neuen Höllenfürsten.“ Oh...ich hoffte, dass ich es sein könnte. Endlich nicht mehr dem Abschaum dienen. Dann könnte mir niemand in die Quere kommen, wenn ich auf der Erde lebte.

„Das wirst nicht du sein, Crawley.“ Meine Mundwinkel gingen in den Keller und fragte mich, wer dann?

„Hastur wird die Ehre zuteil. Du magst ein guter Stratege sein...aber du verstehst noch nicht ansatzweise die Politik hier unten.

Saftladen. Hastur wurde nur einer, weil er Ligurs Freund war.

 

Dunkel erinnerte ich mich an die Zeit, die ich eigentlich vergessen sollte. An den Himmel und all die Streitigkeiten. Es war schwer vorstellbar, sich Ligur und Hastur als Engel vorzustellen und meine Fragerei hatte zu der Rebellion auch noch ganz schön beigetragen.

Nur schwer konnte ich mich an einen Engel erinnern, der mich verteidigt hatte und mächtigen Schaden dabei angerichtet hatte. Sein Gesicht war mir nicht mehr in Erinnerung, aber...konnte es sein? Konnte es sein, dass MEIN Engel es gewesen war? Mein Mund wollte sich schon zu einem Lächeln verziehen, als ich merkte, dass Ligur immer noch vor mir stand und mich anstarrte. Ich räusperte mich laut.

„Gut für Hastur. Möge er ein guter Fürst sein. Soll ich noch warten mit der Verführung? Immerhin muss Hastur doch gebührend gefeiert werden.“, erklärte ich ihm, nachdem er mich misstrauisch ansah und seine Augen sich dabei verengten.

 

„Nicht nötig. Geh und erledige deinen Auftrag.“, sagte er langsam. In seiner Stimme schwang eine Warnung an mich mit.

 

~

 

Freudig seufzte ich, als mir die Sonne warm ins Gesicht schien und schloss die Augen.

„Wer seid ihr?“, fragte mich eine Stimme, die von tief zu hoch abwechselte. Schnüffelnd stellte ich fest, dass ich diese Duftnote bestens kannte. Er roch wie damals, als er noch ein Baby gewesen war und in die Windeln gekackt hatte. Kain. Er war gewachsen.

„Hallo. Ich bin ein einsamer Wanderer auf der Suche nach etwas zu trinken und meine besondere Fähigkeit ist es, wie aus dem nichts aufzutauchen.“, sagte ich witzelnd. Kain lächelte mich an.

 

„Dort hinten ist eine Wasserstelle.“, meinte er hilfsbereit und zeigte auf besagte Stelle, die vielleicht ein paar Meter von uns entfernt war. Ich schnaubte. Das würde viel zu einfach werden.

„Wasser...Wasser ist doch langweilig.“ Überrascht von meiner Aussage blinzelte er ein paar Mal.

„Langweilig? Was ist das?“

„Es bedeutet, dass es noch etwas viel besseres gibt, als Wasser. Etwas...aufregenderes und köstlicheres.“ Kain sah mich neugierig an.

 

„Wie nennt ihr es?“

„Es heißt Wein. Ich habe es erfunden.“ Wie alt mochte er nun sein? Kain wirkte nicht mehr wirklich wie ein Kind, eher was zwischen Kind und Mann.

„Wie alt bist du Kleiner?“, fragte ich ihn.

„Ich lebe nun schon seit 14 Sommern.“, meinte er stolz, fuhr sich durch sein halblanges, braunes Haar und ich musste mich beherrschen, nicht laut loszulachen. 14 Jahre waren wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Also ihr habt es erfunden? Den...Wein? Wie seid ihr darauf gekommen?“ Grinsend schilderte ich ihm meine Versuche und schmückte es mit etlichen Wundern aus. Seine Augen wurden immer größer und als er mich unschuldig fragte, ob er es mal probieren dürfte, erlosch mein Lächeln.

„Deine Eltern wären dagegen, genau wie der Engel.“

„Nun...sie müssen es ja nicht erfahren.“, sagte er leise. Dieser dumme Junge. Er war so leicht zu manipulieren, dass diese Dummheit ja schon weh tat.

 

Er fragte nicht mal danach, woher ich seine Eltern oder den Engel kannte, sondern glaubte es einfach. Diese Aktion würde mich garantiert nicht in der Gunst des Engel aufsteigen lassen. Also zauberte ich einen Beutel aus weichem Leder hervor und bot ihn Kain zum trinken an. Er machte große Augen, konnte sich nicht vorstellen, dass da drin etwas flüssiges sein sollte. Doch mein Blick hielt ihn davon ab, Fragen zu stellen.

„Auf deine eigene Verantwortung.“ Nickend nahm er den Weinschlauch entgegen, öffnete ihn umständlich und trank. Die Veränderung folgte sofort.

Seine Augen wurden träge und doch riss er sie auf, versuchte zu sprechen und scheiterte kläglich.

„Nun dann. Ich mache mich wieder auf den Weg. Behalte den Rest und einen schönen Tag noch.“

 

Die Zeit stoppte ich mit einem Schnippen, dann begab ich mich zu ein paar Büschen und Felsen, versteckte mich, schnippte erneut und beobachtete den Kleinen, wie er herum torkelte und jedes Wort unnatürlich in die Länge zog. Kains Verhalten war so auffällig, dass es bald Adam auf den Plan rief.

„Kain...was zum...was ist los mit dir?“

„Dassschhh...daschh isch WEIN!“, lallte er und fing an zu kichern.

„Aziraphale! Komm schnell.“, rief Adam verzweifelt und ich stockte. Sogleich versteckte ich all meine Gefühle für den wunderschönen Engel. Der Blondschopf kam sogleich angerannt und besah sich verwirrt Kains Gebaren.

 

„Da stimmt was nicht.“, sagte Aziraphale. Er nahm Kain den Beutel ab, dieser protestierte und faselte die ganze Zeit was von einem netten Herrn, mit Haaren aus Feuer, der Wein erfunden hatte. Sogleich blickte der Engel um sich, versuchte mich zu erspüren, aber ich achtete sorgfältig darauf, dass ich mich nicht verriet. Enttäuscht und auch etwas angesäuert, leerte er den Beutel aus und nickte Adam zu. Dieser packte Kain, als er dem Wein nachweinte und warf ihn sich über die Schulter, ehe ich ein seltsames Geräusch hörte, welches sich anhörte, als würde Kain würgen und dann ein Gestank, noch beißender als seine Ausscheidungen. Eilig entfernte ich mich von ihnen. Meine Aufgabe war noch nicht ganz erledigt. Ich musste Kain noch zeigen, wie man Wein herstellte und verwandelte mich in eine Schlange. Mit wellenartigen Bewegungen grub ich mich in den Sand und suchte mir unterirdisch einen Weg in den Garten Eden.

 

Als ich auftauchte, sah ich schon von weitem den Engel, wie er lauerte und grub mich sofort wieder ein. Die Trauben waren am anderen Ende des Gartens, also wühlte ich mich durch die Erde, immer darauf bedacht, mich nicht zu verraten. Als ich die Trauben erreicht hatte, wandelte ich mich wieder, wunderte ein Gewand, pflückte sie und legte sie hinein.

„Aha! Ich wusste es!“ Erschrocken erstarrte ich in meiner Bewegung.

„Ahh Engel. Was führt dich in diese einsame Gegend?“

„Duuu...du...Dämon!“ Gelangweilt von seiner unkreativen Äußerung zuckte ich mit den Schultern und band das Gewand zu.

„Wie konntest du nur? Der arme Kain...was hast du ihm gegeben?“ Mit einem Schnippen war die Zeit und auch der Engel eingefroren und nur für dieses eine Mal wollte ich ihm keine Antwort geben. Die Zeit ließ ich angehalten, bis ich Kain erreichte, der gerade von seiner Mutter und seinem Bruder umsorgt wurde. Adam saß sauer in einer Ecke und starrte seinen Erstgeborenen finster an. Eine Berührung von mir und er war nicht nur ausgenüchtert, sondern nicht mehr betroffen von der angehaltenen Zeit.

 

„Ohh Ihr seid es. Das war sehr schmackhaft, euer Wein.“ Ich grinste ihn an und fragte, ob ich ihm zeigen sollte, wie es gemacht wird. Er nickte erfreut, bis er merkte, dass sich seine Familie nicht bewegte. In der Ecke sah ich ein kleines Bettchen mit zwei kleinen Kindern darin. Also hatte Eva noch welche bekommen? Ein Blick auf ihren Bauch sagte mir, dass schon wieder eines unterwegs war.

„Ich kann die Zeit anhalten. Los komm, ich zeige es dir. Aber du musst es vor deiner Familie geheim halten und auch vor dem Engel. Am besten gehst du täglich in eine Höhle hier in der Nähe. Dort werde ich einen Ort für dich schaffen, an dem der Wein reifen kann und niemand dich stört.“

Er stimmte zu und verließ mit mir die kleine Lehmhütte. Wir brauchten eine halbe Stunde, ehe wir die Höhle erreichten. Dann errichtete ich mit einem Wunder einen sicheren Ort für Kain und gab ihm den Sack Trauben.

 

„Du nimmst von der Hälfte der Trauben die Kerne heraus und pflanzt sie auf dem Feld hinter dem Felsen an. So. Wenn du sie zermanscht und den Saft in so einem Beutel aufbewahrst, am besten in der Sonne reifen lässt, wird er bald darauf zu Wein.“ Freudig bedankte er sich bei mir, tat, wie ich ihm gesagt hatte und als er fertig war, gingen wir wieder zurück.

„Danke, alter Mann.“, meinte er glücklich und hatte auch noch die Frechheit, mich zu umarmen. Dann schnippte ich, die Zeit lief wieder und begab mich gleich wieder hinab, ehe mich der Engel noch fand.

 

Mein Auftrag war erfüllt, mit Bravour und erzählte jedem, der es hören wollte, von meiner List und wie ich sogar den Engel ausgetrickst hatte. Doch auch dabei entging es mir nicht, dass Hastur ungewöhnlich rastlos war, obwohl er sich eigentlich unten wie zu Hause fühlte. Eines Tages ging ich pfeifend durch die Gänge und hörte mit einem Mal Stimmen. Neugierig lauschte ich.

„Wieso macht er seine Sache so gut?“, meinte Hastur wütend und donnerte seinen Kelch mit Wein auf einen Tisch.

„Da hast du nicht ganz unrecht. Wir sollten eigentlich diese Siege feiern.“ entgegnete Ligur und Dagon stimmte mit ein.

„Nun da Crawley Kain verführt hat, wird es ein leichtes sein, ihn weiter zu bearbeiten. Hastur, du wirst ihn seinen Bruder töten lassen.“ Eiskalt lief es mir den Rücken hinunter und schlich in die andere Richtung. Doch nach kurzer Zeit traf ich auf Beelzebub, die mich lange anstarrte, ehe sie mich ansprach. Eine Ablenkung?

 

„Wo willst du hin?“ Ich räusperte mich und meinte, dass ich die Menschen weiter beeinflussen wollte.

„Ich bin gerade so schön im flow. Warum so eine erfolgreiche Siegesserie enden lassen?“ Doch sie schüttelte den Kopf und entgegnete mir, dass Hastur schon nach oben gegangen wäre. Er war WAS?

„Diesen Auftrag hat er, also halte dich raus.“ Zähneknirschend nickte ich und ging meines Weges. Ich wusste nicht wieviel Zeit vergangen war, als sich eine Gelegenheit bot, wieder nach oben zu gehen.

 

~

 

Die Gegend hatte sich stark verändert. Anscheinend waren etliche Jahre ins Land gezogen. Ein Wimpernschlag für mich.

Schlurfend ging ich meines Weges und traf unterwegs einen Hirten. Er grüßte freundlich und ich grüßte grummelig zurück.

„Sagt, ist euch etwas passiert? An einem so herrlichen Tag sollte man nicht schlechter Laune sein.“ Der schien ein richtiger Sonnenschein zu sein. Irgendwie wusste ich, dass ich ihm trauen konnte.

„Ich war zu lange fort...sag mir, wo finde ich einen gewissen Abel?“ Ich zog eine Augenbraue nach oben, als dieser sich noch aufrechter hinstellte und grinste.

„Ich bin Abel. Was kann ich für euch tun?“ Er lächelte und ich musste einfach zurück lächeln. Verdammt.

 

„Nun...ich...ich bin Crawley und...“

„Crawley? DER Crawley? Aber ich dachte ihr wärt eine Schlange?“

Verdammt verdammt. Woher wusste er von mir?

„Äh...das...ich....“

„Haha schon gut. Kain hat mir von dir erzählt, als ich ihn erwischt habe, wie er Wein gemacht hatte. Und der Engel schimpft auch immer mal von einer Schlange namens Crawley, der ein Dämon sein soll. Also...ihr seid also ein Dämon. So schlimm seht ihr gar nicht aus.“ Darauf sagte ich nichts, warnte ihn aber von anderen Dämonen, die versuchten, Kain dazu zu überreden, Abel zu töten. Ungläubig schüttelte dieser seinen Kopf.

 

„Kain ist mein Bruder. Nie würde er mich verletzen. Seht, ich bin nur ein einfacher Hirte und Kain ein Bauer. Er hat mehr Verantwortung, muss für uns sorgen. Das zeigt doch, wie sehr er uns liebt.“ Ach du meine Güte, war der positiv.

„Nun...sollte es doch dazu kommen...vergib ihm bitte.“ Das das ausgerechnet ICH sagte...

„Das würde ich immer tun. Danke, das ihr euch mir anvertraut habt...ich nehme an, ich soll dem Engel nicht sagen, dass ich euch begegnet bin?“

Und schlau war er auch noch. Ganz anders als Kain. Nickend verabschiedete ich mich von ihm und machte mich auf den Weg in den Garten. Wie immer war der Apfelbaum mein Ziel und ich setzte mich an meinen Platz, auf den dicken Ast, auf dem der Engel immer gesessen hatte.

 

Nicht lange danach, kam ein heller Lichtschein vom Himmel und ich hörte die Stimme des Herrn. Irgendwas war passiert...hatte Hastur es geschafft?

„Kain! Wo ist dein Bruder Abel?“ Stille folgte, bis kurz darauf die Erde bebte.

„Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.“ Es fröstelte mich, den Allmächtigen so wütend zu hören. Ein roter Lichtstrahl führ herab und ich hörte Kains Schmerzensschrei bis hier her.

„Brudermörder.“ Das Licht verschwand und machte einer unheimlichen, drückenden Stille Platz. Ich musste nachsehen. Also verhüllte ich mein Gesicht und schlich mich zu meinem Engel. Dieser war nicht erfreut, mich zu sehen.

 

„Ich hoffe du bist nun zufrieden.“, schimpfte er, strafte mich trotzdem mit Nichtachtung.

„Was meinst du, Engel?“, fragte ich und er schnappte empört nach Luft.

„Ist es denn nicht DEIN dämonisches Werk, dass Kain seinen Bruder getötet hatte? Ihr macht doch sowas, oder nicht?“

„Das war ich nicht. Die anderen langweilen sich und fangen nun an, ab und an auch hier oben zu arbeiten. Ich wollte dich nur warnen...allerdings ist es dafür wohl zu spät...was für ein Drama.“ Traurig sah ich zu der Stelle, an dem Kain, dessen Gesicht ein wenig verbrannt aussah, stand und seine Familie verließ. Er war gefallen, ausgestoßen...

 

Der miese Geruch nach Gabriel mischte sich darunter und ich wusste, unsere Begegnung war vorbei.

„Ich muss gehen.“ Damit drehte ich mich um und zögerte trotzdem. Wenn ich ihn nun viele Jahre nicht mehr sah? Also ging ich zurück, schnappte mir seine Hand, zog ihn zu mir und hauchte ihm einen kurzen, aber bestimmenden Kuss auf.

„Pass auf dich auf.“, murmelte ich leise, ehe ich verschwand.

 

Tbc...

 

 

Darfs ein paar Erinnerungen weniger sein?

Endlich wieder auf der Erde. Lange hatte ich mich nicht mehr so wohl gefühlt und tat einen tiefen Atemzug. Dann sah ich mich neugierig um. Einige Männer bauten an etwas großem, dass fast fertig war und ich fragte mich, was das wohl sollte. Vergnügt schlenderte ich in dieses Dorf und sah mich um. Auf der rechten Seite wuschen die Frauen ihre Wäsche, kochten oder unterhielten sich und auf der anderen Seite sah ich ein paar kleine Mädchen spielen. Die Männer hatten sich in der Nähe des großen...Dinges zusammen gefunden und redeten miteinander.

 

Dann zog mich etwas an meinem Gewand und sah nach unten. Ein wunderhübsches, etwa fünfjähriges weibliches Kind, dem ein paar Zähne fehlten, sah mich an.

„Hallo.“, begrüßte ich sie freudig und lächelte.

„Deine Haare bluten.“, meinte sie ernst und daraufhin musste ich laut lachen, erklärte ihr, dass ich mit dieser Haarfarbe geboren war und sie staunte mit großen Augen.

Dann kamen zwei andere Mädchen und ein Junge auf mich zu, sahen mich genauso staunend an.

„Willst du mit fangen spielen?“, fragte mich der Junge und ich tat, als ob ich fieberhaft überlegen musste.

„Hmmm...ich könnte.“, sagte ich und schnitt einige lustige Grimassen, bis die Kinder so sehr lachen mussten, dass sie kaum noch stehen konnten. Dann erschreckte ich sie, die Kinder kreischten vor Freude und liefen weg, während ich sie über den Dorfplatz jagte und versuchte, sie zu fangen, aber sie waren wendig und schnell und ich ließ sie absichtlich immer gewinnen. Andere Kinder kamen und spielten mit, während ihre Mütter uns lächelnd zusahen.

 

Am Abend waren wir erschöpft und setzten uns, nach Atem ringend, glücklich ins Gras. Eine zehnjährige begann mein Haar anzufassen, ehe sie mir einen Zopf hinein flechte und die anderen Mädchen das bei sich gegenseitig auch taten. Es fühlte sich an, als wären wir eine Familie und würden immer füreinander da sein. Dies wärmte mein Herz und als die Jungs uns etwas Wasser und frischgebackenes Brot brachten, fühlte ich mich willkommen und akzeptiert, wie ich war. Mit rotem Haar und gelben Schlangenaugen. Sie hatten keine Angst vor mir, sondern behandelten mich, wie ihresgleichen.

 

Die Nacht zog herein und die Kinder mussten zu ihren Eltern zurück.

„Bis Morgen Kinder.“, winkte ich und blieb sitzen, blickte in die Sternenklare Nacht. Die Erde war mein Zuhause geworden und fühlte mich so wohl bei den Menschen.

„Mein Herr...wollt ihr denn nicht auch nach Hause gehen und euch zur Ruhe begeben?“ Eine Frau mit warmen braunen Haaren und grünen Augen sah mich prüfend an und ich lächelte nur.

 

„Ich bin Zuhause.“, meinte ich, legte mich hin und verschränkte meine Hände hinter meinem Kopf.

„Aber...ihr seid im Freien. Habt ihr keine Unterkunft?“ Mein Lächeln verschwand, als ich an meine Unterkunft in der Hölle denken musste und schwieg.

Die Frau klatschte in ihre Hände und gab mir zu verstehen, dass ich aufstehen sollte.

„Hä?“

„Ich bin Freya, Frau von Shem und Mutter vierer Kinder, mit denen Ihr heute gespielt habt. Lasst mich euch zu uns einladen. Wir haben noch eine freie Stelle im Haus, wo ihr euch zur Ruhe begeben könnt.“ Tränen der Freude sammelten sich in meinen Augen, aber ich drängte sie vehement zurück. Sie hatte es trotzdem gesehen und schleifte mich, ohne auf meine Antwort zu warten, einfach mit.

 

In ihrem Heim angekommen, sah ein Mann, der gerade den Schweiß auf seiner Stirn abwischte, verwirrt zu uns. Er war groß und schlank, sein Gesicht behaart, sein Haar war mittellang und hatte die Farbe von Kohle. Seine Kleidung war verdreckt von seinem Tagewerk und vermutete, er bestellte das Feld.

„Freya...warum bringst du einen fremden Mann mit nach Hause? Und...“ Doch weiter kam er nicht, denn vier Kinder rannten auf mich zu und umarmten mich stürmisch, sodass ich dabei umfiel.

„Barabas, Jeta, Eyla und Tibelia, lasst den Mann in Ruhe.“ Sie hatte ihre Kinder dem Alter nach gerufen und grinsend gingen sie von mir runter. Dann erklärte sie ihrem Mann, warum ich hier war.

 

„Du bist einfach zu gut, mein Weib. Ich bin Shem. Kommt und setzt euch zu mir. Wollt ihr Wein? Wir hatten lange keinen Fremden mehr zu Gast.“ Ich nickte. Schnuppernd genoss ich den Duft und der erste Schluck blieb lange in meinem Mund. Die Menschen hatten es wahrlich perfektioniert.

„Was...macht ihr da?“, fragte Shem verwirrt. Also erklärte ich es ihm.

„Ich nehme den Wein mit allen Sinnen war und genieße die verschiedenen Nuancen des Geschmackes. Riecht mit geschlossenen Augen an ihm.“ Shem tat wie ihm geheißen und stutzte.

„Er riecht nach nach den Blüten eines Zitronenbaumes.“

„Richtig. Und nun nehmt einen kleinen Schluck, lasst ihn im Mund und schiebt ihn hin und her. Was schmeckt ihr?“

 

„Es ist...süß und holzig. Erinnert mich aber gleichzeitig an die Berge und das Gefühl das ich habe, wenn ich in dort oben bin. Die große Weite, der kühle Schnee und ein Hauch von Freiheit.“ Meine Augen hatte ich auch geschlossen gehabt und wir erschraken ein wenig, als wir sie wieder öffneten. Freya und die Kinder hatten uns fasziniert beobachtet.

„Ihr macht aus meinem Mann ja einen Dichter...äh...wie war euer Name doch gleich?“ Meinen wahren Namen wollte ich ihnen nicht sagen, auch nicht den, den ich am Anfang getragen hatte. Mir fiel nur ein einziger ein, den ich nehmen konnte.

 

„Jeremy. Mein Name ist Jeremy. Danke für das Kompliment. Wein ist einer meiner großen Leidenschaften. Sagt...was ist denn dieses große Ding, an dem gebaut wird? Wisst ihr etwas darüber?“, fragte ich neugierig und Freya schüttelte fassungslos ihren Kopf.

 

„Meine Güte, ihr seid ja so ahnungslos wie ein Kind. Vielleicht hätten wir euch eher adoptieren sollen.“, sagte Freya scherzend und ihre Kinder, die mich erwartungsvoll ansahen, lachten und stimmten ihr zu.

„Also wirklich, Freya. Nein das ist eine Arche. Der verrückte Noah und seine Familie bauen sie.“ Das war also die Arche, die ich, laut meinem Auftrag, zerstören sollte.

„Warum?“ Nun merkten sie, dass ich wirklich nichts darüber wusste, doch sie meinten nur, Noah erwartete eine Flut.

„Hier? Mitten in der Wüste?“ Sie lachten und meinten, er wäre eben verrückt.

Dann musste ich gähnen und Shem meinte, wir sollten uns nun zum schlafen hinlegen und stimmte ihm zu.

 

~

 

Am nächsten Tag aßen wir noch zusammen, ehe ich mich bedankte und ging, um mir diese Arche anzusehen. Dort angekommen, sah ich, dass die Arche gerade fertig geworden war und versuchte, unauffällig ein Loch hinein zu machen, doch ich konnte nicht. Dann versuchte ich es abzufackeln, aber auch das funktionierte nicht. Ein extrem starker himmlischer Schutz lag darüber und ich konnte nichts machen. Also wurde Noah von Gott persönlich beschützt? Das musste aber auch bedeuten, dass ein Engel hier war, um sicherzustellen, dass der Schutz aufrecht erhalten wurde.

 

Also schlich ich mich zu den anderen Männern, die schon wieder über Noah schimpften. Dieser stand in der Nähe und ignorierte das. Er war ein älterer Herr mit dickem Bauch und Halbglatze und stellte gerade einen Zoo von Tieren zusammen.

„Nein, nein....diese zwei sind ein Paar und nicht diese...meine Güte, ich bin von Stümpern umgeben. Entschuldige bitte Aziraphale, aber du hilfst mir damit nicht ein bisschen.“ Hatte ich gerade richtig gehört?

 

Beleidigt ging...der Engel weiter nach hinten, um Noah nicht mehr im Weg zu stehen.

Schnell ging ich ihm nach und ja...er war es. Doch ich kam kaum durch die Masse von Menschen, die mir auf einmal im Weg standen. Es vergingen vielleicht dreißig Minuten, ehe ich ihn erreicht hatte. Er hatte ziemlich viel Abstand zu Noah genommen. Freudestrahlend begrüßte ich ihn, er schreckte dabei etwas auf.

„Hallo Aziraphale.“

„Ah...Crawley...“ Intensiv sah ich ihn an und versuchte ein gutes Gespräch anzufangen.

„Und? Den Sterblichen ein Flammenschwert zu geben, wie ist das so gelaufen?“ Er wirkte verwirrt und nervös und das fand ich auffällig. War es abhanden gekommen?

 

„Ach weißt du...der Allmächtige hat es eigentlich nicht mehr erwähnt...“ Also hatte Adam es verbummelt...Aber das erwähnte ich nicht, sondern antwortete ihm auf seine Aussage.

„Aha...ist vielleicht auch gut so. Was soll das hier werden? Ich wundere mich über das Boot und diesen reisenden Zoo.“ Von ihm würde ich sicher mehr erfahren, als von den Menschen und ja, bereitwillig erzählte er mir alles, was ich wissen musste.

„Ich habe gehört, Gott sei etwas gereizt. Er wird die menschliche Rasse auslöschen. Großer Sturm.“

Mit offenem Mund sah ich mich um und machte große Augen, musste ihn fragen, denn gerade bekam ich deswegen ein schlechtes Gefühl.

 

„Alle?“

„Äh... ich...nur die Einheimischen. Ich glaube nicht, dass der Allmächtige wütend auf die Chinesen ist...oder die amerikanischen Ureinwohner, oder die Australier.“ So viel hatte er lange nicht mehr mit mir geredet und genoss einfach nur seine Gesellschaft.

„Noch nicht...“, meinte ich.

„Und Gott wird natürlich nicht alle Einheimischen auslöschen, nicht wahr?“ Sofort sah ich ihn wieder an. Wer durfte überleben?

 

„Ich meine...Noah da oben, seine Familie, seine Söhne, deren Frauen...sie alle werden es überstehen.“

„Aber alle anderen werden ertränkt?“ Der Engel nickte, ich sah mich um und mein Blick kam auf die lieben Kinder, die mit mir so wundervoll gespielt hatten...sie waren doch...unschuldig.

„Kinder...ihr könnt keine Kinder töten...“ Er nickte erneut und mir riss diese Neuigkeit den Boden unter den Füßen weg.

 

„Das würde man doch eher von meinen Leuten erwarten.“ Ich versuchte Haltung zu bewahren, aber es fiel mir zunehmend schwerer, nicht über den Allmächtigen zu schimpfen.

„Ja, aber wenn es getan ist, wird der Allmächtige...er wird etwas neues einrichten. Einen Regenbogen. Als Versprechen, dass er nicht nochmal alle ersäuft.“

„Wie nett...“, meinte ich ironisch. Trauerte jetzt schon um meine neuen Freunde, die für einen Tag wie eine Familie gewesen waren.

„Verurteile nicht den Allmächtigen, Crawley... Gottes Pläne...sind...“

„Wirst du jetzt sagen: Unerfindlich?“ Kühl sah ich ihn an. Wie konnte er in solch einer Situation noch versuchen, so ein Elend zu rechtfertigen.

„Äh...möglicherweise...“ In einiger Entfernung sah ich ein Einhorn aus der Reihe der Tiere ausbrechen. Es wäre das letzte Paar gewesen, welches in die Arche eingeladen werden sollte. Vielleicht konnte mein Freund helfen.

 

„Hey Shem! Das Einhorn da vorne...ich glaube es will abhauen....oh. Zu spät...Ist weg! Aber ihr habt ja noch eins davon.“ Dieser sah mich seltsam an, bis ein lauter Donner ertönte. Moment Mal...Wo war denn Noah und seine Familie? Waren sie schon auf der Arche? War...das alles? Mehr Menschen durften nicht mit? Aber diese Arche war gigantisch groß und es hätten noch viel mehr Menschen hineingepasst. Wind kam auf und die ersten Regentropfen begannen herabzufallen.

Ein Blick zu meinem Engel und ich erschrak. Auch er empfand Sympathie für die Menschen und weinte um sie, also kam ich noch etwas näher und berührte seine Schulter mit meiner. Auch mir kamen die Tränen von seiner Traurigkeit und als er mir in die Augen sah, überkam mich erneut Bedauern, dass wir nicht auf einer, sondern verschiedenen Seiten waren und entschied mich, meine eigene Seite zu wählen, die ich mit ihm teilen konnte.

 

Minutenlang konnte ich nur vor mich hinstarren, der Regen war schon ganz schön stark und hatte mich sofort durchnässt. Was sollte ich tun? Diese Menschen einfach sterben lassen? Das würde ich nicht zulassen.

„Kommt Leute, schnell. Ihr müsst euch in Sicherheit bringen. Er hatte Recht...Noah hatte Recht. Gott wird euch alle sterben lassen, wenn ihr nicht endlich um euer Leben lauft....LOS!“ Verzweifelt versuchte ich die Menschen zu überzeugen und es regnete immer stärker.

„Bitte Freya...Shem...denkt an die Kinder...wir müssen euch retten, bevor alles zu spät ist.“ Das donnernde Rauschen des Regens war so laut, dass ich kaum dagegen ankam und sehen konnte ich fast nichts.

 

„Seht doch, das Wasser steht schon Wadentief und es wird immer mehr.“ Ein Donnergrollen, laut und unbarmherzig rollte über uns und gefährliche Blitze zuckten durch den immer dunkler werdenden Himmel.

Die Menschen um uns herum erschraken fürchterlich, sahen dies als Gottes Bestätigung, dass sie heute hier sterben würden und erkannten plötzlich, dass Noah nicht verrückt war, sondern die Wahrheit erzählt hatte. Panisch rannten sie umher, einige versuchten die Arche zu erreichen und flehten um Gnade.

Das konnten sie sich sparen...Er war bereits überheblich geworden, weil Gott ihn bevorzugte und würde nicht mal unschuldigen Kindern Gnade gewähren.

 

„Bitte Noah...vergib uns und nimm uns mit...Noah BITTE!“ Sie schrien und bettelten, aber es nützte nichts, Noah ging unter Deck und ließ alle anderen im Stich.

 

„Kommt Kinder. Wir müssen fliehen.“, sagte Shem und sammelte seine Habseligkeiten ein.

„Shem! Lass alles liegen und stehen und lauft. Ein paar Kilometer in diese Richtung sind doch Berge. Ihr müsst dorthin.“, sagte ich hektisch, versuchte mich zu orientieren.

„Beruhigt euch, stellt euch paarweise auf und folgt mir. Wenn wir schnell genug sind, können wir entkommen.“ Aziraphale stand plötzlich wieder an meiner Seite und half mir, die Menschen in Richtung Berge zu bewegen.

Die Schleusen des Himmels öffneten sich noch mehr, ein ohrenbestäubender Donner folgte, so als wollte Gott nicht, dass auch nur einer dieser Menschen überlebte.

 

Auf einmal konnte ich den Engel nicht mehr finden, hörte nur leises weinen und das gewaltige Rauschen des Regens. Das Wasser stand mir schon bis zum Bauch.

„Aziraphale! Wo bist du?“ Er antwortete nicht, dafür hörte ich ein leises Wiehern und sah in meiner Nähe das Einhorn, welches geflüchtet war. Umständlich versuchte ich zu ihm zu gelangen, da hörte ich einen Schrei und Freya kam an mir vorbei, drohte unterzugehen, aber ich griff nach ihrer Hand, um sie zu retten, doch als ihre Tochter Tibelia an uns vorbei schwamm und nach Luft schnappte, damit um ihr Überleben kämpfte, ließ Freya meine Hand los und beide verschwanden aus meinem Sichtfeld.

Ein verzweifelter Schrei des Verlustes kam über meine Lippen und hatte Mühe, aufrecht stehen zu bleiben. Das Einhorn war zu mir gekommen und stupste mich an.

 

Ich krabbelte erschöpft auf seinen Rücken und wir versuchten, irgendwie vorwärts zu kommen. Doch der Regen war zu stark und der Wasserspiegel schon so hoch, dass das Einhorn nicht mehr stehen konnte und schwamm nur gegen den starken Sog des Wassers an. Das Einhorn wieherte verzweifelt und ich spürte, dass diese an seinen Partner gerichtet waren. Mein Herz schmerzte davon. Dann hörte der Regen plötzlich auf und eine unheimliche Stille war an seine Stelle getreten.

Sie waren alle ertrunken. Weg...einfach so. Kein Kinderlachen, kein aufgeregtes Schwatzen der Frauen und kein lautes Geschimpfe mehr von den Männern. Nur ein Schnaufendes Einhorn war zu hören, welches immer leiser wurde.

 

Dann gab das Einhorn den Kampf ums überleben auf und ich ebenso. Meine Augen schlossen sich, als wir untergingen. Mir war egal, ob dieser Körper starb, wenn es nur all diese Menschen wieder zurück brachte.

Eisige Kälte umgab mich, als wir hinab in die Tiefe sanken, betäubte jedoch nicht mein Entsetzen, oder den Schmerz. Eine wohlige Wärme umfing mich kurze Zeit später und spürte kurz Frieden in mir aufkeimen, ehe es wieder erstarb. Meine Augen öffneten sich und ich sah den Engel. Er hatte seine Arme um mich geschlungen und zog mich aus dem Wasser, rettete mich erneut. Aziraphale...er lebte...wenigstens er.

Er flog aus dem Wasser, immer höher und ich sah, dass das Wasser sich weit erstreckte, eben bis zu den Bergen und ich nur diese verdammte Arche sehen konnte, die ich eigentlich hatte zerstören sollen. Warum war so eine grausame Tat überhaupt nötig? Ein Blick in den Himmel offenbarte eine strahlende Sonne und einen Bogen aus vielen verschiedenen Farben...der Regenbogen?

 

Das hätte er sich auch sparen können. Es sah zwar wunderschön aus...aber Grausamkeit, blieb Grausamkeit, egal, wie man es drehte und wendete.

Es mussten Stunden vergangen sein, mein Zeitgefühl war mir irgendwo zwischen der Flut und meinen Verlusten abhanden gekommen, ehe er sanft landete und mich auf dem sandigen Boden ablegte, doch ich rührte mich nicht, hatte immer noch das Gefühl, den Halt verloren zu haben.

 

„Crawley? Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich besorgt, doch ich konnte nicht antworten. Mein Entsetzen über Gottes Zorn und dass er gnadenlos alle hatte sterben lassen...selbst die unschuldigen Kinder, steckte mir tief in den Knochen.

Am liebsten würde ich so liegen bleiben und hoffen, sie alle würden mich vergessen. Das einzige, was mich davon abhielt aufzugeben...war er.

Ich hörte ihn weinen, wollte ihn trösten, aber ich fühlte mich immer noch so leer. Die Tage vergingen und er blieb bei mir. Irgendwann fing er an zu seufzen und ich roch Mutlosigkeit

 

Er stand auf und seufzte erneut. Vermutlich sah der Engel in den Himmel, als er zum dritten Mal seufzte und hatte dabei ein mulmiges Gefühl, aber ich schaffte es nicht, mich aufzuraffen.

„Es tut mir so unendlich leid, Crawley. Bitte denke nicht allzu schlecht vom Allmächtigen und...auch nicht von mir. Ich wünsche dir viel Glück...Leb Wohl...“

Er...was? Nein...nein das...das konnte er...konnte er doch nicht machen. Also zwang ich mich dazu, aufzustehen. Es hörte sich an, wie ein Abschied für immer, das war eine zu lange Zeit und ich konnte das nicht aushalten. Eine solche Qual...dann lieber starb ich. Er hätte mich nicht retten sollen vor der Tiefe des Wassers. Mein Herz schrie nach seinem, bat ihn zu bleiben. Mit letzter Kraft warf ich mich an seinen Rücken, schlang meine Arme um ihn und flehte ihn an, mich nicht zu verlassen. Er wehrte sich dagegen, doch ich krallte mich so fest es ging an ihn, machte es ihm unmöglich, mich aufzugeben. Meine Erschöpfung holte mich ein, er war stärker als ich und löste meine Umklammerung.

 

Arme schlangen sich um mich und merkte, dass er sich nur umdrehen hatte wollen, damit er mich auch umarmen konnte. Erneut krallte ich mich an ihn, er sich an mich und wir sanken, beide traurig und voll von Schmerz, zu Boden.

 

Wir kauerten lange dort und als ich mich löste, sah ich dem Engel ins Gesicht und...erschrak. Ungläubig starrte ich ihn an, sein ganzes Wesen war in einem unachtsamen Augenblick, ein offenes Buch für mich. Jeder dachte, Dämonen könnten keine Liebe fühlen. Das war nur bedingt die Wahrheit. Wenn jemand einen Ort oder eine andere Person liebte, spürte ich nichts. Doch das was der Engel MIR entgegen brachte... Dämon fühlten nur Liebe, wenn sie einem selbst galt, was eigentlich NIE vorkam. Aber bei ihm...Ich fühlte sie, sie schrie mir entgegen, dass er mich liebte, mich brauchte und nicht gehen wollte. Doch als er sich entschlossen hatte, mich zu verlassen, vermutlich um mich zu schützen, war dabei sein Herz gebrochen. Dies fühlte ich, als wäre es mein eigener Schmerz. Gnadenlos, wie ein Messerstich ins Herz und doch noch viel schlimmer als das. Sanft strich ich ihm eine Träne von seinem Gesicht.

 

„Engel...“ , flüsterte ich, bevor ich das tat, was ich tun musste. Ich wusste es. Er liebte mich genauso, wie ich ihn und das was wir taten half ihm, sodass sich die Schwere seines Herzens verflüchtigte. Mein Instinkt drängte mich zu mehr, spürte, dass nicht nur ich dabei war, die Kontrolle zu verlieren. Eine Veränderung stand kurz bevor, die ich einfach nicht benennen konnte...und auch gerade nicht wollte.

 

Beißender Gestank kam mir auf einmal in meine Nase und das Gefühl, von Dämonen umgeben zu sein, ließ mich inne halten. Also löste ich unsere Lippen voneinander und sah schockiert nach rechts. Wir waren hier nicht mehr sicher. Wenn man mich mit dem Engel so vor fand, würde es nicht angenehm für uns werden. Dann sah ich ihn an und schluckte.

Meine Güte...er war so wunderschön. Verwirrt, aber noch mit glühendem Blick und geröteten Wangen, sah er mich an, wusste nicht, warum ich auf einmal aufgehört hatte. Oh glaub mir mein Hübscher. Wenn es nicht gerade ernst wäre, würde ich weiter machen.

 

„Ich spüre Dämonen...und rieche Engel...Komm Aziraphale. Wir müssen von hier verschwinden.“

Ich war immer noch nicht ganz klar im Kopf, aber ich musste unbedingt was tun. Mühsam erhob ich mich und auch Aziraphale stand zittrig auf. Seine Beine knickten wieder weg und er sank erschöpft zu Boden.

„Was ist?“, fragte ich ihn erschrocken, doch er schüttelte nur seinen Kopf. Fürchterliche Sorge fraß sich in mich. Die anderen kamen immer näher und wir mussten uns beeilen...

 

„Ich kann nicht. Geh...ich...“ Niemals!

„Nein, nicht ohne dich.“, unterbrach ich ihn und half ihm auf, musste ihn irgendwie von hier weg schaffen. Aber lange würde ich es nicht aushalten. Hektisch sah ich mich um, bis mein Blick auf den Garten fiel.

„Crawley, ich bin zu schwer für dich.“ Zwinkernd lächelte ich ihn an und meinte, dass Eden in der Nähe wäre und wir uns dort verstecken konnten. Kaum zu glauben, aber so schwer, wie er tat, war er gar nicht. Vielleicht trug ich ihn aber auch einfach gerne auf meinem Rücken. Lieber hätte ich ihn auf Händen getragen, aber den Versuch wollte ich nicht riskieren. Nicht, wenn man uns so nah auf den Fersen war. Mein Engel kuschelte sich an mich und Stolz überkam mich. Er vertraute mir sein Leben an und ich würde ihn garantiert nicht enttäuschen.

 

Ich flog so schnell wie es mir nur möglich war. Als ich den Apfelbaum erspähte, ging ich langsam in den Sinkflug und legte meinen blonden Sonnenschein, auf einem dicken Ast ab. Hier roch es herrlich, nach Frucht und Blüten zugleich und ich war froh, dass es wenigstens hier immer blieb, wie es war. Mein Blick blieb auf Aziraphale hängen und ich konnte kaum meine Besorgnis verdrängen. Er war blass und wirkte angeschlagen. Leichte Beute für Dämonen...

 

„Alles in Ordnung Engel? Du siehst nicht gut aus. So...ausgelaugt.“ Er lächelte nur und hatte das Gefühl, dass es ihm egal war. Angst kroch mir in den Nacken, als ich merkte, dass es ihm tatsächlich gleichgültig war, ob er nun sterben würde, oder nicht... Ich machte schon den Mund auf, doch eine bekannte Stimmte ertönte und mir blieben meine Worte im Hals stecken.

„Bist du dir sicher Hastur?“ Meine Augen weiteten sich geschockt.

„Sei bitte still. Sie sind zwar nicht im Garten, sondern außerhalb, aber trotzdem. Sie dürfen uns nicht finden.“, flüsterte ich ihm zu, er nickte und suchte Schutz in meinen Armen. Natürlich gab ich ihm diesen. Niemand würde ihn anrühren.

 

„Ja...ich habe den Kriecher gerochen. Und irgendwas anderes noch. Es roch widerlich süß und...unschuldig.“

„Unschuldig?“, echote Ligur ungläubig. Oh ja...Perfekte Beschreibung vom dem Duft des Engels.

„Sieh einer an, wer ist denn hier?“ Gabriel. Oh nein auch das noch. Ich mochte diesen Kerl nicht.

„Hm...ein Engel...riecht der so, wie du meintest, Hastur?“ Wir hörten seine Antwort nicht, jedoch vermutete ich, dass er den Kopf schüttelte.

Dann ertönte ein Geräusch, welches mich innerlich frieren ließ. Es verstummte und auch die anderen Anwesenden sagten nichts. Gabriel lachte.

 

Ruhig belauschten wir das Gespräch zwischen Beelzebub und Gabriel, doch als er über uns hinweg flog, drückten wir uns enger an den Ast. Allerdings verschwendete ich nicht allzu viel Zeit damit, Gabriel zu betrachten, sondern sah lieber die Schönheit in meinen Armen an.

Er sah länger nach oben, sah mich aber dann direkt an und mein Bauch fing an, zu kribbeln. Dann musste ich an dieses Gespräch denken.

 

Also hatten sich Beelzebub und Gabriel gekannt? Ich fragte ihn und der Engel erzählte mir von der Zeit im Himmel, als es noch keine Dämonen gegeben hatte.

„Sieht sie denn wirklich nicht unansehnlich aus?“, fragte er mich nun und ich schüttelte den Kopf.

„Wahrscheinlich zeigt sie sich nur ihm gegenüber anders.“, meinte ich und seufzte. Dann widmete ich mich wieder dem Engel, welcher immer noch so erschöpft aussah und überlegte, was ich tun konnte, um ihm zu helfen. Ja natürlich.

 

Die Lösung dieses Problems war, dass er was essen musste und das schlug ich ihm sofort vor, pflückte einen Apfel und gab ihn ihm. Er saß langsam und bedächtig, doch sah ich sofort, dass ein Teil seiner Kraft wieder zurückkehrte und schrieb es der Wirkung des besonderen Apfels von Eden zu.

„Geht es dir besser?“, fragte ich besorgt und er nickte.

„Wir sollten noch etwas warten und dich weiter stärken, bevor wir gehen.“

„Wo...wo willst du denn noch hin?“, fragte er und ich meinte, dass ich nochmal zurück musste. Mich überzeugen, dass es real gewesen war, denn hier schien es, als wäre es nur ein Traum gewesen.

 

„Aber zuerst...bleib sitzen, ich komme gleich wieder.“ Damit flog ich durch den Garten, wunderte ein zweites Gewand, so wie ich es schon viele Male getan hatte und flog zum Pfirsichbaum. Diese sammelte ich als erstes, holte noch ein paar Trauben, frische Feigen und süße Himbeeren. Zurück am Apfelbaum wartete eine blonde, weiche Kostbarkeit auf mich und ich freute mich schon darauf ihn diese Leckereien essen zu sehen.

Auf dem Ast gelandet knotete ich das Gewand auf und präsentierte ihm meine Auswahl an Früchten. Seine Anmut überstrahlte alles, als er sich glücklich darüber hermachte.

 

Starrend betrachtete ich ihn dabei und genoss es in vollen Zügen. Nur viel zu schnell hatte er aufgegessen und sah endlich wieder besser aus. Erleichtert seufzte ich und half ihm hoch, als er fertig war. Danach breiteten wir unsere Flügel aus und machten uns auf den Weg.

 

~

 

Wir landeten auf einem Felsen und sahen uns um.

„Hier erinnert nichts mehr an eine große Stadt und das Menschen hier gelebt hatten. Nicht einen einzigen Menschen hatte ich retten können. Nicht mal das Einhorn. Es hat die ganze Zeit nach seinem Partner geschrien. Sie waren auch füreinander bestimmt, oder? Und jetzt wird das andere vor Einsamkeit und Trauer sterben und es wird nie wieder Einhörner geben...“ Er nickte.

Aber da war noch etwas anderes. Fast konnte ich es körperlich spüren.

 

„Kann sein, dass man meine versuchte gute Tat gespürt hat.“, erwähnte ich nebenbei. Schockiert erkannte der Engel, dass wir uns für eine längere Zeit nicht mehr sehen würden. Nickend stimmte ich dem zu.

„So sieht es aus. Wenn sie es mitbekommen haben...werden sie alles daran setzen, dass es nicht mehr passiert. Es könnte vieles ändern.“

„Also meinst du...wir sollten unsere...ich meine die Küsse...“ Ich nickte bedauernd.

„Ich verspreche dir, es wird nicht mehr vorkommen...zu deinem Schutz. Wir können uns dieses Risiko nicht leisten.“ Es fiel mir unendlich schwer, dies zu sagen. Schwüle breitete sich aus und machte mir eine Gänsehaut.

 

Etwas stimmte auf einmal nicht und konnte eine weitgreifende Veränderung spüren. Es ging vom Engel aus und ließ mich unruhig werden.

„Hey...alles in Ordnung?“, fragte ihn und zuerst konnte er mir nicht antworten, musste sich dazu förmlich zwingen. Was war nur los?

„Ja. Ich bin nur etwas...“ Seine Augen verdrehten sich auf einmal und er sank bewusstlos zu Boden.

„ENGEL!“, schrie ich und konnte ihn gerade so auffangen. Sanft streichelte ich seine Wange und hoffte, er würde wieder seine Augen aufschlagen.

„Komm schon...Engel...“, sagte ich mit Tränen in den Augen. Dann spürte ich sie. Die Dämonen, die ich dachte losgeworden zu sein.

 

Mit einer Handbewegung schützte ich den Engel vor den Augen der anderen. Sie würden ihn nicht bemerken und er würde nicht sehen, was sie mit mir taten, sollte er doch aufwachen, bevor man mich wieder nach unten zerrte. Noch eine weitere Handbewegung und er würde sich nur noch vage an dieses Ereignis erinnern können. Ich würde mich für ihn erinnern.

„Oh Crawley, Crawley, Crawley...du hast uns enttäuscht.“ Wenn Dagon mich persönlich holte, war es noch viel schlimmer, als ich dachte.

Ich straffte meine Schultern und machte ein ausdrucksloses Gesicht, ehe ich langsam aufstand, mich ihr zuwandte und mich hinab führen ließ. Es zu leugnen hatte keinen Zweck. Die Arche war nicht zerstört, damit mein Auftrag gescheitert und noch dazu hatte ich versucht, Menschen zu retten.

 

~

 

Für eine lange Zeit war ich eingesperrt. In einer ganz besonders schmerzlichen Qual und nur der Gedanken an den Engel half mir, diese zu ertragen. Ganze 504 Jahre lang schmorte ich dort unten, bis ich Besuch bekam. Dagon öffnete meine Zelle und gab mir ein Zeichen, dass ich heraus kommen sollte.

„Komm Crawley...du hast einen Auftrag.“, sagte sie und ich versuchte, mich aufzuraffen. Endlich wieder frei. Nie hätte ich gedacht jemals wieder den köstlichen Duft der eingeschränkten Freiheit riechen zu dürfen. Langsam folgte ich ihr den langen Gang entlang und versuchte die Schreie der anderen Sträflinge zu ignorieren, die einem durch Mark und Bein gingen. Dagon führte mich in Ligurs Büro, der mich lauernd anstarrte.

 

„Crawley...ich weiß nicht wieso...aber du hast so unverschämtes Glück...“, grollte er wütend.

„Glück? Ich weiß nicht was du meinst.“ Er zeigte auf eine große, edle Schriftrolle. So eine hatte ich schon oft selbst in der Hand gehabt. Es waren typische Anweisungen von Gott selbst. Aber was hatte das mit mir zu tun? Mit meinen Schultern zuckend sah ich Ligur an, er knurrte ungeduldig und zeigte auf die Schriftrolle.

 

„Sie ist an dich adressiert. Du bekommst eine Erlaubnis, dich zu beweisen.“ Eine was? Für mich? Vorsichtig nahm ich sie in die Hand und las auf dieser, meinen wahren Namen und den, den ich heute trug. Schon seltsam, dass er mich persönlich für diesen Auftrag haben wollte...warum auch immer. Niemand war davon besonders begeistert, außer mir, was ich mir nicht anmerken ließ.

Den Auftrag las ich mir ganz genau durch und konnte fast nicht glauben, was ich dort las.

 

Hiob, der Mensch, den der Allmächtige aktuell am Liebsten mochte, sollte alles genommen werden, um seine Loyalität und sein reines Herz zu prüfen. Die Idee dazu hatte, wie könnte es auch anders sein, mein Boss gehabt. Sollte Hiob die Prüfung bestehen, sollte sein Besitz, die Tiere und sogar seine Kinder, verdoppelt werden.

 

Wieso musste eigentlich immer mit den unschuldigen Leben von Kindern und Tieren gespielt werden? Die Erinnerungen an die Flut kamen in mir hoch und erwischte mich dabei, wie ich für den Engel betete, dass es ihm gut ging.

„Was hast du gesagt Crawley?“, fragte Dagon misstrauisch. Oh hatte ich das laut gesagt?

„Ähhh...ich meinte, egal wie viel die Menschen beten, die Engel werden ihnen nicht helfen können...hehe...“ Mit einem warnenden Blick entließen sie mich nach oben.

 

 

Ein längst vergessenes Gefühl breitete sich in mir aus, als ich wieder auf die Erde durfte. Nun würde ich so schnell niemanden mehr so offensichtlich helfen...und musste mich vom Engel distanzieren, so wie ich es ihm versprochen hatte...falls ich ihm überhaupt begegnen würde. Noch dazu würden die anderen Dämonen mich im Auge behalten, spürte wie sie mich beobachteten. Also los.

Mein Aussehen passte ich sofort der heutigen Zeit an, kürzte meine bodenlangen Haare bis zur Schulter, wunderte mir ein Stirnband und ließ mir einen buschigen Kinnbart wachsen. Doch irgendwas musste ich gegen meine Augen unternehmen. Sollte ich Aziraphale wieder sehen, musste ich sicherstellen, dass er meine Augen nicht sehen konnte, ich aber alles sehen konnte. Also wie ein Spiegel, durch das man sehen konnte, aber niemand mich sehen konnte, verdunkelt und angepasst auf mein Gesicht. Meine Augen schlossen sich von selbst, als ich es mir vorstellte und mit einem Schnippen hatte ich ein Ding auf meiner Nase, nannte es Sonnenbrille und nickte zufrieden.

 

Bereit, meinen Auftrag zu „erfüllen“, ging ich meines Weges, traf nach kurzer Zeit ein paar Ziegen und wusste, sie gehörten Hiob, denn der Allmächtige gab mir für diesen Auftrag den Blick dafür. Die Umrisse dieser Ziegen leuchteten in einem sanften Licht. Es war nicht fair, ihnen das anzutun, weswegen ich mit ihnen sprach. Einer der Ziegen sah ich dabei in die Augen und spürte Hastur, wie er durch meine Augen sah.

„Du solltest wissen, warum du jetzt stirbst. Gott hat dich im Stich gelassen. Der Gott der sagte, er würde dich lieben, der fordert ihn zu preisen...er lässt dir die vollkommene Vernichtung zuteil werden.“ Die Ziegen protestierten lautstark, aber ich konnte ihnen nur mitteilen, dass sie Pech gehabt hatten. Ich griff mir die eine, die auf einem Stein saß und stellte sie zu den anderen.

„Wollen wir anfangen?“, fragte ich unmotiviert und erschuf einen riesigen Feuerball, doch dann erschien das Licht eines Engels.

 

Ich war versucht, diesen genauso zu ignorieren, wie Hastur und einfach weiter zu machen, aber ich musste wissen, welcher Engel es war, also drehte ich mich um. Das Licht war hell und zum Glück hatte ich diese Brille erschaffen, sonst hätte es mich geblendet. Dann sah ich genauer hin und erkannte die kurzen blonden Locken und das runde Gesicht. Er war es. Aziraphale. Er sah gut aus, wirkte kein bisschen niedergeschlagen. Also war meine Anpassung seiner Erinnerungen ein voller Erfolg...

 

„Lass davon ab, Dämon! Verachtetes Werkzeug Satans. Im Namen des allmächtigen Gottes...HINFORT...“ Das blendende Licht hinter ihm erlosch, als er mich erkannte...nicht so wie wir uns das letzte Mal gesehen hatten, sondern, als hätten wir all diese Zeit nur als einfacher Dämon und einfacher Engel, die für ihre Seiten arbeiteten verbracht. Sah so aus, als hätte ich mit meiner Erinnerungslöschung übertrieben.

 

„Ah. Sieh einer an, du meine Güte...Hab dich nicht gesehen seit...der Sintflut?“ Ich bestätigte ihm dies und hätte enttäuschter nicht sein können, über sein Verhalten.

Er entschuldigte sich für die Unterbrechung und ich versicherte ihm, dass es nichts machen würde. Dann stellte er sich wieder auf sein Podest, wie ein Beschützer der Menschen und machte weiter...wollte weiter machen, aber er hatte vergessen, wo er aufgehört hatte und ich half ihm ein wenig.

„Hinfort...“ Übertrieben fuchtelte er mit seinen Händen in der Luft herum und ich fragte mich, ob er denn noch alles fühlen konnte, oder auch das vergessen hatte. Wenn ja, musste ich meine eigenen Gefühle für ihn auf ein Minimum runterdrehen.

 

„HINFORT widerlicher Dämon. Im Namen des Allmächtigen befehle ich dir....VERSCHWINDE!“ Ruhig sah ich mir seine Demonstration a la „Dramaqueen“ an und freute mich innerlich schon, ihn aus der Fassung zu bringen.

„Nein.“ Das Licht um ihn herum erlosch und er machte großen Augen.

„Nein?“

„Nein danke? Weißt du ich habe eine Genehmigung.“

„Genehmigung?“ War er jetzt ein Papagei geworden?

„Von wem?“, fragte er besorgt nach und kam wieder in meine Nähe.

„Von Gott.“ Er glaubte, dass ich einen schlechten Witz gemacht hatte, so wie er gerade herum stotterte und mich kaum dabei ansah.

 

„Oh nein, nein, nein, nein, nein...kein Witz. Diese Ziegen gehören Hiob, richtig?“, fragte ich und wunderte meine Genehmigung herbei, eine dicke Schriftrolle, die ungefähr zehn Kilometer lang war, wenn man sie ausrollte.

„Ja Hiob. Und ich würde gerne hinzufügen, einer der besonderen Lieblinge von Gott. Also...“ Ich drehte mich um, öffnete die Schriftrolle, die sich sogleich entfaltete und über Hügel und Berge, sich in einem großen Kreis um uns herum ausbreitete und das Ende bei ihm liegen blieb.

„Soll ich mal zusammen fassen? Satan und seine diabolischen Minister dürfen alles zerstören, was Hiob besitzt, ohne Rückfragen, Knutsch und Knuddel, Gott.“ Bestürzt sah er mich an.

 

„Nein...das ist auf gar keinen Fall echt. Hiob ist ein guter...ein rechtschaffender Mann. Ich meine er ist ein absoluter Schnuffel.“ Ich drehte ihm abermals den Rücken zu, rollte die Genehmigung wieder ein, löschte meinen wahren Namen von der Schriftrolle und ließ sie demonstrativ auf den Boden fallen. Er war ja so süß. Seine Liebe für die Menschen war so rein. Und nun sollten wieder die Guten darunter leiden und das würde ich auf gar keinen Fall zulassen, hatte ich gerade beschlossen. Es musste echt aussehen...sogar für den Engel, damit kein Verdacht aufkam.

 

„Naja. Ich bin ein Dämon. Vielleicht habe ich gelogen. Lass es uns rausfinden.“ Mit einer Armbewegung aktivierte sich der große Feuerball über uns und schoss kleinere in alle Richtungen ab, trafen die Ziegen und schon waren sie verschwunden. Amüsiert über seinen Gesichtsausdruck machte ich ein lachähnliches Geräusch.

„Alles sauber, wenn du mich fragst.“, meinte ich grinsend. Verstört sammelte er die Schriftrolle ein und machte sich auf in den Himmel. Ich winkte ihm, immer noch grinsend hinterher und als er verschwunden war, erlosch es. Von außen hin hatte es so ausgesehen, als ob ich die Ziegen vernichtet hatte, jeder glaubte es, dass konnte ich spüren und auch, wie Hastur wieder aus meinem Geist verschwand.

 

Nur eines war sicher, ich würde auf keinen Fall mehr Hand an Aziraphales Erinnerungen legen. Zu viel war verloren gegangen.

Er würde die Genehmigung sicher prüfen lassen und das konnte ein wenig dauern. Pfeifend machte ich mich auf, Hiobs Heim zu zerstören, was sich aber dann als Stall für die Schafe, mit Wohnraum für die Arbeiter herausstellte. Schade drum, sah richtig gemütlich aus...

Ich ließ es Feuer fangen und beobachtete, wie es bis auf die Grundmauern abbrannte, ehe von der anderen Seite ein älterer Herr angerannt kam, mich nicht sah und versuchte, noch irgendwas zu retten. Doch er musste einsehen, dass er das nicht konnte und setzte sich bekümmert auf den Boden, als das Feuer erlosch. Langsam schlenderte ich zu ihm und blieb vor ihm stehen.

 

„Ahhh hallo...Hiob, richtig?“ Er sah mich an und konnte nur nicken.

„Sag...wo sind denn deine Kinder? Sind sie da? Ich bräuchte sie für eine...Sache.“ Verwirrt über diese Frage stotterte er herum und erklärte, dass seine Frau es sicher wusste.

„Entschuldige...du wähltest den Zeitpunkt ungünstig.“ Das war mehr als untertrieben. Der Umstand, dass dieser Mann wütend und traurig zugleich war, brachte mich dazu, mich mit ihm unterhalten zu wollen. Also fragte ich, was passiert sei und er erzählte bekümmert, dass Gott ihn wohl verlassen hatte. Auf meine Frage, ob er wütend war, bejahte er.

„Natürlich...nach all deiner Hingabe für Gott...“ Er sah mich seltsam an und dies ließ mich verstummen, genauso wie die dämonischen, die mich gerade wieder überwachten. Er war nicht wütend auf Gott, nein. Sondern auf sich selbst. Er suchte nach einer erklärbaren Schuld, die er auf sich geladen hatte, konnte aber keine finden. Wahrlich ein Schnuffel.

 

Dann kam seine Frau herbei gerauscht, vertrauensselig wie Hiob war, erzählte er ihr, dass ich nach den Kindern suchte. Sie allerdings war sofort misstrauisch und fragte wer ich war.

„Nur ein alter Freund. Ich würde gern Trost spenden.“ Sie hörte nicht auf, mir zu misstrauen, was ich verstehen konnte. Doch für meinen Plan musste ich mich als Freund ausgeben.

„Sag du es mir.“, meinte ich, wirkte meine eigene Magie und schon sagte sie mir ich wäre...Bildad der Shuhite...seltsamer Name. Wiederholt fragte ich nach den Kindern, doch sie dankte mir, dass ich vorbeigeschaut hatte und sie leider zu viel damit zu tun hatten, den Zorn Gottes zu überstehen. Wie blauäugig...

 

„Wäre vielleicht ganz gut einen Blick auf die Kinder zu werfen?“ Erkenntnis kam in ihr auf.

„Nein...das würde Gott nicht tun...“

„Ganz sicher?“ Entsetzen breitete sich in ihrem Gesicht aus und stotterte, dass sie unschuldig seien. Auf meinen Einwand hin, dass das die Ziegen auch waren, sah sogar Hiob mich geschockt an.

„Also...wo sind sie, dann schau ich mal, ob es ihnen gut geht.“ Erleichtert sagten sie es mir und ich fragte mich, was ich getan hätte, wäre ich noch ein Engel. Natürlich hätte ich ein bisschen getrickst und dass...sollte ich auch jetzt machen. Ich machte mich auf, zu ihrem Heim, öffnete die Tür und sah die Ziegen, die ich in Raben verwandelt hatte, alle hier herum picken. Gut. Sie waren in Sicherheit. Das Haus war groß und versprühte Wärme und Geborgenheit. Konnte aber auch an dem Engel liegen, der sich hinter einer viel zu kleinen Pflanze versteckte und mir auflauerte. Ich tat, als würde ich ihn nicht bemerken und drehte mich einmal im Kreis.

„Schickes Örtchen...schade drum.“ Dann sprang er aus seinem Versteck und versperrte mir den Zugang. Sein Verhalten war ja so vorhersehbar.

 

„Crawley...du musst Hiobs Kinder doch nicht vernichten.“

„Letztes Mal als wir uns trafen, meintest du auch ich würde seine Ziegen nicht vernichten können.“

„Ich...hab mich geirrt. Technisch gesehen kannst du es.“, gab er zu.

„Oh gut, dann...technisch gesehen mach ich das.“, erwiderte ich.

„Aber du MUSST NICHT. Nur darum geht’s doch. Das tolle an deinem Dasein als Dämon ist doch dass du tun kannst was du willst.“ Haha, glaubte er das wirklich? Dämonen durften auch nur böses tun und nichts gutes, sonst würden sie bestraft. Aber irgendwie musste ich ihn doch ein bisschen ärgern.

 

„Du klingst neidisch, Engel.“ Er sah erschrocken immer wieder nach oben, als könnte der Allmächtige uns hören.

„Bin ich nicht. Ich darf tun, was Gott will.“ Heuchlerisch, einfach nur heuchlerisch.

„Wie unschuldige Kinder töten, um eine Wette mit Satan zu gewinnen?"

„Ich...äh...ich denke nicht, dass es das ist, was Gott will.“ Nicht gerade überzeugend, was ich ihm umgehend mitteilte.

 

Entschlossen kam er auf mich zu, aber ich rührte mich nicht ein bisschen von der Stelle. Seine Wärme und die Geborgenheit die nur allein sein Körper versprachen, machte mich unheimlich nervös und zum Glück hatte ich meine Augen vor ihm verborgen, sonst hätte ich mich verraten.

„Und ich denke...du willst es auch nicht.“, Dieser Ton...als ob er mir sagen wollte....“Wehe du sagst jetzt was falsches.“ Seine Aussage machte mich wütend. Wenn jemand merkte, dass ich nur so tat, musste ich wieder in mein Gefängnis und da wollte ich nie wieder hin.

 

„Woher willst du wissen was ich will?“ Er schien mit sich zu ringen und erklärte mir, dass er mich kennen würde. Woher denn? Hatten wir uns je vorher im Himmel gesehen? Unwahrscheinlich, auch wenn ich das mal gedacht hatte.

„Du kennst mich nicht.“ Er kam mir noch ein bisschen näher.

„Ich kenne den Engel, der du warst.“ Das war ja wohl ein Witz. Ich konnte mich nicht an ihn erinnern, also war er wohl damals nicht sehr einprägsam gewesen...oder meine Erinnerungen waren getrübt. Also wen auch immer er zu kennen glaubte...konnte nicht ich gewesen sein und das sagte ich ihm auch.

Er gab nicht auf, wirkte verstört, wütend auf mich und durcheinander und verlangte, dass ich ihm in die Augen sah und es ihm nochmal sagte. Shit. Jetzt war ich im Arsch, wenn ich mich nicht beherrschen konnte. Er schien irgendwie zu wissen, dass mein Herz nicht so böse war, wie ich tun musste. Aber ich spürte, dass die anderen Dämonen mir immer noch zuhörten und ich es sagen musste.

 

Wie er es wünschte nahm ich meine Brille ab und verbarg all meine zärtlichen Gefühle für ihn. Ihm in seine Augen starrend musste ich mich überwinden, ihn anzulügen.

„Ich will es tun. Die unschuldigen Kinder von Hiob vernichten. Danach sehne ich mich über alle Maßen. Und ganz genau so war es auch mit seinen harmlosen Ziegen.“ Ich spürte Zufriedenheit unter meinesgleichen und auch, wie sie sich abwanden, bis mein Kopf wieder mir gehörte. Endlos enttäuscht und bekümmert sah er mich an, als wäre sein Herz gebrochen... Verdammt. Wieso musste ich immer übertreiben?

„Möge Gott dir vergeben.“, sagte er erstickt und den Tränen nahe, sah mich ein letztes Mal an und machte mir Platz. Es war genehmigt und wenn er mich nicht überzeugen konnte, konnte er nichts mehr tun.

 

Damit ließ er mich stehen und ging, wollte nicht sehen, wie ich dieses Verbrechen begann. Ich sah ihm nach, versuchte seine Bestürzung zu ignorieren, doch als ich fast an der Tür angekommen war, hielt ich es nicht mehr aus, dass er glaubte, ich wäre zu sowas wirklich fähig und ließ die Raben, die nur als solche getarnt waren, meckern. Ich stoppte und sah nach hinten, wo er sich wunderte, ich saugte all seine Emotionen auf, die in seinem Gesicht zu sehen waren und mit einer Handbewegung seinerseits waren es keine Raben mehr, sondern die Ziegen. Die, die ich hätte töten sollen. Er versuchte sich zu beherrschen, musste dann aber doch grinsen. Damit hörte er nicht auf, bis wir bei den Kindern angekommen waren....jedenfalls wo sie sein sollten, aber der Raum war leer. Ich würde einfach warten, bis sie zurück kamen.

 

„Hör auf zu grinsen.“, meinte ich genervt.

„Ich grinse nicht...“, grinste er.

„Das heißt nicht, dass wir auf derselben Seite stehen.“, sagte ich aufgebracht.

„Nein...nein...“ Die Art, wie er es sagte...Er glaubte mir kein Wort.

„Wir stehen vorübergehend nicht auf unterschiedlichen Seiten.“ Es sollte eine Warnung sein, aber auch diesmal kam sie nicht bei ihm an.

„Ganz wie du sagst.“

 

Dann kamen die Kinder herein...äh nein nur zwei davon und erwarteten doch tatsächlich, dass wir ihnen Wein mitgebracht hätten. Das dritte kam hinzu und die älteren Kinder strahlten eine Arroganz und Selbstgefälligkeit aus, die kaum zu ertragen war. Aber ich zügelte mich und meinte in einem ironischen Unterton zum Engel, dass sie recht nett erschienen. Erbost von dieser Überheblichkeit wollte er die drei warnen, dass ein Dämon geschickt wurde, um die drei heute Nacht zu töten, doch die glaubten ihm nicht.

„So ein Blödsinn, dass würde er nicht wagen.“ Ging es noch herablassender? Er verhielt sich schlimmer, als ein Dämon und das musste der Engel auch spüren. Zum Glück wurde nur Hiob geprüft und nicht auch seine Kinder, sonst hätten sie alle verloren.

Doch da Gott sie alle derart beschützte, waren sie der Meinung sie stünden über allen anderen Menschen, stellten sich vor und die einzige, die nicht nervte, war Jemima, die jüngste der dreien, die auch sofort sah, dass ich kein Engel war und das sogar ansprach.

 

Sie war mir sympathisch und erinnerte mich an Tibelia, die bei der Sintflut ertrunken war.

„Oh sie ist gut.“

„Ähhh...nun ja...er...in gewisser Weise, technisch gesehen...ein Dämon.“ Die ganze Zeit über starrte ich ihn an, wie er zu erklären versuchte, dass wir hier zusammen standen. Doch ich musste trotzdem so tun, als würde ich meinen Auftrag erfüllen und das ging nur, wenn hier alles abbrannte.

„Ja stimmt. Haargenau. Hergeschickt zur Vernichtung von allen.“ Übertrieben sprach ich genauso, wie der Engel seine Warnung ausgesprochen hatte.

„Fertig?“, fragte ich und entzündete das Heim, die Kinder schrien erschrocken auf. Der Engel war fassungslos.

„Du...du wolltest nicht...“

„Ich bin ein Dämon, ich habe gelogen.“, sagte ich grinsend und entflammte die andere Seite.

„Kannst du uns nicht retten?“, fragte eines der Kinder und der Engel musste zugeben, dass ich eine Erlaubnis von Gott hatte. Solange er sich mit ihnen unterhielt, sollte ich die Decke und die andere Wand auch noch abfackeln.

„Doch habt keine Angst, ihr seid absolut sicher.“ Hatte er tatsächlich so viel Vertrauen in mich?

„Ganz sicher, Engel?“ Starrend sah er mir direkt in meine Augen.

„JA! Ziemlich sicher.“ In seinen Augen lag Gewissheit, er wusste, dass ich nur so tat. Ich starrte zurück und...ich konnte ihn nicht enttäuschen. Mit einem Feuerschlag auf den Boden fielen wir alle nach unten. Die Decke schloss sich über uns und ich versiegelte sie, damit kein Feuer hindurch kommen konnte.

 

„Was ist passiert? Wir sind im Keller....“, meinte der Junge und Aziraphale konnte sich nicht beherrschen mir zu sagen, dass er es gewusst hatte.

„Ich wusste es! Wind, schätze ich. Das hatte Satan nämlich geplant. Ein mächtiger Wind aus der Wüste, zerschlägt die Villa und sie stürzt über ihnen ein.“ Konnte er nicht damit aufhören?

„Ääähhhh du bist wohl ein ganz Schlauer.“ Strahlend sah er mich an und konnte nicht verhindern, dass es mir in meinem Herzen ganz warm wurde.

 

„Ich finde es war tatsächlich klug uns in den Keller zu bringen. Wahnsinnig clever.“ Irgendwie genoss ich sein Lob und sonnte mich darin, doch der Junge fing an zu nerven, dass wir es ihnen erklären sollten und machte mir diesen schönen Moment mit meinem Engel zunichte. Also schnippte ich einmal und er war ein kleiner Salamander. Das ältere Mädchen fragte was ich getan hatte und sofort war sie auch einer. Das kleine Mädchen jedoch lachte und fragte, ob sie eine blaue werden konnte, also erfüllte ich ihr den Wunsch. Der Engel sah mich mahnend an, aber es war unerlässlich, die Kinder zu verwandeln.

 

Während seines Starrens, sah ich mich um. Hier standen die köstlichsten Speisen und Karaffen voller Wein und wunderte mich, warum der Engel noch nichts davon gegessen hatte. Er wirkte so...verändert. Als hätten wir nie zusammen von den Äpfeln gegessen und den Pfirsichen, die seine liebsten Früchte gewesen waren. Keine Küsse und kein Essen...das war echt die lausigste Erinnerungslöschung aller Zeiten.

Aber vielleicht war das ja ganz gut so, wenn er sich nicht mehr an unsere Leidenschaft erinnern konnte. Was er nicht mehr wusste, konnte er nicht vermissen, so wie ich es tat.

Aber das mit dem Essen...ich liebte es ihm zuzusehen, wie er Genuss perfektionierte.

 

Ein lauter Donner schreckte mich aus meinen Gedanken.

„Oh oh...sie haben früh angefangen...tja dann. Können wir es uns auch gemütlich machen.“, meinte ich, roch am Wein, fand dass die Trauben noch ein bisschen mehr hätten reifen können und schenkte uns beiden ein.

„Trinkst du etwa...den Wein der Menschen? Das ist die Quelle der Trunkenheit.“ Hatte er das etwa auch vergessen? Das es meine Erfindung gewesen war und ich Kain damit betrunken gemacht hatte?

„Was du nicht sagst...“, meinte ich und trank demonstrativ einen großen Schluck aus meinem Kelch. Fruchtige Nuancen von Kirschen, Brombeeren und Vanille explodierten in meinem Mund, ich bewegte den Wein darin und schmeckte die volle Sonne, die sich in den Trauben entfalten hatte, den frischen Regenguss und spürte das glückliche Lachen von Kindern, die auf diesem kleinen Weinberg gespielt hatten. Noch einmal roch ich daran, das säuerliche hatte sich verflüchtigt und war einem weichen Aroma gewichen.

 

„Viel versprechender kleiner Weinberg.“, meinte ich und hielt ihm seinen Kelch hin, doch er machte wundervolle Geräusche des Abscheus und streckte dabei seine süße Zunge hinaus. Fast hätte ich ihn zärtlich angelächelt, konnte mich aber gerade noch zurückhalten.

„Alles klar...du trinkst nicht...aber probiere mal das Essen. Von Essen wird man nicht betrunken. Na los. Gönn dir ein Rippchen.“ Meine Hände griffen nach einer Platte Fleisch und hielt sie ihm hin. Wann hatten die Menschen eigentlich angefangen Fleisch zu essen? Das hatte ich wohl verpasst...vermutlich war das noch die Zeit, als Henoch gelebt hatte, die ich aber verschlafen hatte. Aziraphale sah abgemagert aus und hoffentlich konnte ich ihn überzeugen, etwas davon zu essen, denn ich war mir sicher, er müsste nur schmecken, dass es köstlich war und schon konnte ich ihm tagein, tagaus beim Essen zusehen.

 

Unsicher fragte er mich, ob ich ihn in Versuchung führen wollte, doch das war gar nicht nötig. Seine Leidenschaft für gutes Essen musste nur nochmal geweckt werden, also meinte ich, das Engel nicht in Versuchung geführt werden konnten. Er glaubte mir, nahm sich ein Stück und verzog voller Grauen sein Gesicht. Er roch dran, berührte das zarte Fleisch mit seiner Zunge und dann...aß er es. Angewidert verzog er sein Gesicht, bis er erstaunt zu mir sah.

„Oh...ich verstehe...“ Endlich. Gierig steckte er sich mehr davon in den Mund und ich genoss es, ihm dabei zuzusehen, wie er hastig ein Stück nachdem anderen verschlang. Als er damit fertig war, nahm er den Rest des Ochsens ins Visier und schleckte sich glücklich, mit irrem Blick, über seine weichen Lippen. Wie gerne würde ich ihn jetzt packen und meine Lippen auf seine pressen. Als wäre es gestern gewesen, schmeckte ich in meinem eigenen Mund, immer noch die unschuldige Süße die er verströmte.

 

Doch stattdessen setzte ich mich und genoss den fruchtigen Wein und die Geräusche die der Engel machte, wenn er aß. Von dem Ochsen war nach kurzer Zeit schon fast nichts mehr übrig und ich hatte bereits meine dritte Karaffe Wein geleert, als er mich glücklich lächelnd...und mit vollem Mund, ansah.

„Komm schon...du bist ein bisschen auf unserer Seite.“

„Nein...kein bisschen, auch nicht das kleinste..“ Wie konnte ich auf dieser Seite sein, wenn der Allmächtige verlangte Kindern Gewalt anzutun?

„Du bist jedenfalls nicht auf der Seite der Hölle.“ Das stimmte.

„Ich schließe mich der Hölle an, soweit ich das kann.“

 

„Auf welcher Seite dann?“, fragte er neugierig und auch ein bisschen enttäuscht.

„Auf meiner.“ Als er meinte, dass es einsam klang, versuchte ich es ins Lächerliche zu ziehen. Natürlich war ich einsam. Aber seine Gesellschaft machte diese Art der Existenz zumindest erträglicher. Um ihn davon abzulenken fragte ich ihn, auf welcher Seite er war und natürlich wählte er Gottes Seite. Gefühle, die ich besonders stark nach meinem Fall hatte, kamen für einen Moment auf, aber ich unterdrückte sie sofort wieder.

 

„Ach wirklich? Der will dass ich diese Kinder vernichte.“ Er stockte und ich musste ihm einfach sagen, dass es bei mir genauso angefangen hatte und meinte, dass wir uns in der Hölle sehen würden. Seine Antwort bestand aus einem strengen Blick, bevor er wütend in sein Stück Fleisch biss. Einen Moment später bereute ich, was ich gerade gesagt hatte. Nie würde ich es zulassen, dass er fallen würde. Er würde sich verändern, sein Wesen erkalten. Eine Sünde, die es zu vermeiden galt.

 

Langsam wurde es hell und wir begaben uns nach draußen, wo wir sahen, dass Gott tatsächlich mit Hiob sprach. Ich merkte mir alles, was gesprochen wurde und wünschte mir, ich hätte ihm damals all meine Fragen persönlich stellen können. Wurde aber von anderen Erzengeln davon abgehalten.

„Was machst du, wenn sie es nicht ertragen können, ihre Kinder zu verlieren? Sie könnten Gott verfluchen.“ Bestürtzt sah er mich an und meinte, dass wir einen Plan brauchten.

„Gabriel war bei Evas Geburt anscheinend auch anwesend...er weiß dass sie aus seiner Rippe entstanden ist. Vielleicht könnten wir das mit einfließen lassen.“ Grinsend flüsterte ich ihm meine Idee zu und er nickte. Hoffentlich kaufte man uns das ab.

 

Hiob ging wieder zu seiner Frau, als Gott fertig war und als wir sahen, dass andere Engel vom Himmel nach unten kamen, gab ich dem Engel Bescheid.

„Aziraphale, mach schneller, die anderen Engel sind schon da.“ Endlich kam er aus dem Keller, steckte sich die Rippen des Ochsen und die Schale mit den Salamander Kindern unter sein Gewand und lief zu ihnen. Langsam ging ich ihm nach und als ich vor dem zerstörten Haus ankam, hörte ich Hiobs Frau schimpfen, dass sie Gott verfluchen würde. Oh nein...So würde es vielleicht noch herauskommen, dass wir geschummelt hatten.

 

„Woooah, woah, woah, woh, woah, das geht nie gut aus.“, erwähnte ich grinsend, mit erhobenem Zeigefinger.

„Kennt ihr mich noch? Bildad der Shuhite?“ Fast hätte ich mein Gesicht verzogen und Gabriel vollgekotzt, doch wir mussten den Schein wahren. Wir redeten über Schuhe und das ich ein Schuhmacher wäre, doch der Engel meinte, es wäre nützlich, wenn ich ein Experte für die menschliche Geburt wäre. Begeistert erzählte ich, dass dies meine zweite Leidenschaft wäre und ob ich helfen könnte.

Der Engel erklärte es mir, als wäre ich vollkommen ahnungslos, sein Lächeln...das funkeln in seinen Augen, wenn er mich ansah...wovon redete er? Ach ja...

„Sitis hier...hat erfahren, dass sie noch viele weitere Kinder bekommen wird.“ Freudig meinte ich, dass wir am besten anfangen sollten und knetete begeistert meine Hände.

„Nur nicht schüchtern, Sitis. Ich bin eine professionelle Hebamme Schrägstrich Schuhmacher und ich bin mir sicher diese engelhaften Wesen haben das alle schonmal gesehen.“

Der Engel stimmte zu und erzählte, dass Gabriel ebenfalls in Garten Eden eine echte Geburt gesehen hatte.

 

„Hast du das? Na sowas. Dann muss ich wohl ein wenig auf Zack sein, unter den Augen eines Experten.“ Dieser fühlte sich geschmeichelt und fast hätte Aziraphale seinen Einsatz verpasst, wenn ich ihm nicht einen schiefen Blick zugeworfen und ein Geräusch gemacht hätte.

Zu Sitis flüsterte ich, dass sie tun sollte, was ich sagte und sie mir vertrauen sollte, während der Engel Hiob aufhalf und ihm die Ochsenrippen in sein Gewand steckte und die Salamander zwischen dessen Schuhe

.

„Also gute Frau...nun wende dich zu deinem Gatten und greif in sein Gewand.“ Sie tat es, doch war es viel zu weit unten und meinte, sie solle höher gehen, doch es war immer noch nicht genug. Der Engel war mir eine große Hilfe, zeigte mir mit seinen Blicken, wie weit sie hoch gehen sollte und als er den Daumen nach oben zeigte, machte ich weiter.

 

“So ist es gut. Und nun entferne drei Rippen aus seinem Leib.“ Gabriel, der uns die ganze Zeit skeptisch angesehen hatte, erinnerte sich, dass es genauso gewesen war und dies den Engeln versicherte, dass es genauso funktionierte.

Sie machten das fantastisch, die Ausdrücke in ihren Gesichtern und wie Sitis die Rippen in die Höhe hielt.

„Und um den Prozess abzuschließen, eine kleine Umarmung.“ Das war das Zeichen für den Engel, sein Wunder zu tun und die drei Kinder, die als Salamander zwischen den beiden versteckt waren, wieder in ihre wahre Form zu verwandeln. Die Familie freute sich, doch als Michael erwähnte, dass es keine Babys waren, erwähnte ich Eva, die auch keines gewesen war.

„Sie können in jeder Größe geliefert werden.“, meinte Gabriel zustimmend. Fast hätte Hiob sich verraten, als er seinen angeblich neuen Sohn mit dem alten Namen ansprach. Es ging hin und her und wir hofften, die Engel würden es uns endlich abkaufen und verschwinden.

 

„Aziraphale, sind das die neuen Kinder, die Gott Hiob versprochen hat?“ Jetzt lag es an ihm. Nur er konnte diese Familie noch retten.

„Das scheinen sie jedenfalls zu sein.“, meinte er als Gabriel ihm tief in die Augen sah. Eifersucht loderte kurz in mir auf.

„Das sollten sie sein. Aber sie scheinen für mich, die alten Kinder zu sein.", erwiderte Michael und Gabriel stimmte ihm mit einem Blick auf den Engel zu. Erneut fragte Gabriel nach, sein Blick wurde strenger und es schien, als hoffte er, dass es tatsächlich neue Kinder wären. Er sah hilfesuchend zu mir, doch ich hob nur eine Augenbraue. Es gab nur eine Möglichkeit. Er musste lügen. Und er enttäuschte mich nicht.

„Seine neuen Kinder. Du hast mein Wort als Engel.“ Zuerst noch skeptisch, fing Gabriel an zu grinsen, fragte, warum er das nicht gleich gesagt hatte und fing an zu klatschen. Die anderen Engel stimmten mit ein und ihm gab ich einen besonderen Applaus.

 

Sobald es ging verdrückte ich mich und nur ein paar Stunden später, sah ich den Engel ganz allein auf einem breiten Stein sitzen. Traurig starrte er aufs Meer und als er mich sah, meinte er, dass er gewusst hatte, dass sie mich schicken würden und stand auf.

„Nun denn...ich wär dann bereit zu gehen.“ Verwirrt fragte ich ihn, wohin er gehen wollte.

„In die Hölle.“ Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet und setzte mich nun auf die Bank aus Stein.

„Ich bringe dich nicht in die Hölle, Engel.“

„Wieso nicht?“

„Sie würde dir nicht gefallen.“

„Aber das musst du. Ich bin jetzt so wie du. Ein Dämon.“ Er fing an zu weinen, aber seine Aussage belustigte mich, sodass ich lachen musste. Ich entschuldigte mich, immer noch lachend und fragte ihn ob er das wirklich dachte.

 

„Mit deinen lockigen kleinen... und deinem hübschen weißen...“ Zeigte ich zuerst auf sein Haar und dann auf sein Gewand.

„Ich bin ein gefallener Engel. Ein Lügner, der den Willen Gottes vereiteln wollte.“, rief er verzweifelt und mir blieb mein Lachen und diese dämlichen Kommentare im Hals stecken.

„Ja schon richtig, aber...ich werde es keinem erzählen. Du etwa?“ Verwirrt schüttelte er den Kopf.

„Dann muss sich ja auch nichts ändern oder?“ fragte ich ihn und sah auf die Weite des großen Ozeans hinaus, der mich wieder einmal an die Flut erinnerte. Die Tränen des Engels zerrten an mir und versprach mir selbst, dass ich alles tun würde, damit er das nicht mehr durchmachen musste. Langsam setzte er sich wieder und fragte, was er denn dann sei.

 

„Nur ein Engel, der sich dem Himmel anschließt, soweit er das kann.“ Wir beide...auf unserer Seite.

„Das klingt...“

„Einsam? Ja.“

„Du sagtest das wäre es nicht.“

„Ich bin ein Dämon. War gelogen.“ Er sah mich lange an, bevor er darauf antwortete.

„Du wolltest also nicht...dass ich mir Sorgen um dich mache, weil...du einsam bist?“ Ich schwieg, bis ich meine Sonnenbrille abnahm und ihn ansah. Sofort war auch sein Blick erwartungsvoll auf mir.

 

„Du erwähntest, dass du mich kennen würdest...soweit ich weiß haben wir uns im Garten Eden kennen gelernt.“ Aziraphale war etwas enttäuscht, dass ich ihm nicht auf seine Frage geantwortet hatte, doch dass er mir wieder in die Augen sehen konnte, stimmte ihn milde, er sammelte sich kurz, ehe er es mir erzählte.

„Ich hatte gerade einen Auftrag für Gabriel erledigt gehabt...da hast du mich angesprochen. Du...du warst ein Sternenengel. Ich durfte dir helfen, als du sie geschaffen hast.“ Dann wich er meinem Blick aus und erzählte leiser, dass es wohl seine Schuld gewesen war, dass wir nun auf verschiedenen Seiten waren.

„Hä? Musst du so in Rätseln sprechen?“ Was redete er da? Ja ich war ein Sternenengel gewesen, richtig...aber...

 

„Ich hab dir erzählt, dass diese Sterne nur 6000 Jahre leuchten durften und danach wieder vergehen würden. Du warst so erschüttert...hast so viele Fragen gestellt...es...es tut mir so leid Crawley.“ Bilder eines hübschen Engels, mit kurzen blonden Locken und einem strahlenden Lachen kam in mir hoch. Damals hatte ich ihn nicht richtig wahrgenommen, konnte nur die Schönheit der Sterne bewundern und danach...die Fragen, die mich innerlich fast zerfressen hatten. Seine Sorge und...dass ich seine Warnung ignoriert hatte, bereute ich schon ein bisschen.

 

„Wirklich...es tut mir leid. Hätte ich es dir nicht gesagt...“ Seine Tränen zerrten immer noch an meiner Beherrschung, worauf ich ihn unterbrach.

„Dann hätte es ein anderer getan. Dich trifft keine Schuld. Es war meine eigene Entscheidung. Es war ein unglücklicher Tag und ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Erinnerungen brachen über mich ein. Auf einmal war ich zwischen anderen Rebellen gestanden, die gegen andere Engel kämpfen wollten und schon kurz drauf...lassen wir das.

 

„Du hast dein Bestes getan, mich von meinem Vorhaben abbringen zu wollen. Ich hätte trotzdem Fragen gestellt.“, sagte ich und sah ihm in seine Augen. Großer Fehler, denn immer noch kullerten dicke Tränen sein schönes Gesicht hinab und er fing an, laut zu schluchzen und sein Gesicht in seine Hände zu vergraben. Dann erst erkannte ich warum. Er weinte...um mich...es behagte mir nicht, dass ich der Auslöser seiner Traurigkeit war.

 

Unauffällig rutschte ich näher zu ihm und als meine Schulter seine berührte, sah er auf. Nur für eine Sekunde blitzte eine Erinnerung in ihm auf, bis er seine Arme um meinen Hals schlang und seinen Kopf an meiner Halsbeuge bettete. Vorsichtig hielt ich ihn, bis er sich beruhigt hatte und bemühte mich, nicht auf ihn zu reagieren. Dennoch konnte ich es nicht verhindern, dass ich seinen Duft tief in mir aufsog und es genoss, ihn so nah bei mir zu haben. Ein lautes Knurren durchbrach diese Stille und lachte kurz auf.

 

„Ich kann das Festmahl, welches Sitis zubereitet hat, bis hier her riechen. Wir sollten ihnen beim Essen Gesellschaft leisten, was meinst du?“, fragte ich ihn und er musste daraufhin lächeln, blieb aber an mich gekuschelt.

„Engel?“

„Können wir...nur noch ein bisschen so bleiben?“

„Natürlich.“, sagte ich leise und hielt ihn ein bisschen fester an mich gedrückt und streichelte ihm beruhigend über sein weiches Haar, bis sein Magen erneut knurrte. Er konnte den Braten ebenfalls bis hier her riechen, doch wir blieben noch, bis es dunkel wurde. Die Sterne leuchteten hell, genau wie das Licht des Engels, der mich immer wieder aus dieser finsteren Dunkelheit holte.

„Wenn wir so nah zusammen sitzen...fühle ich mich gleich weniger einsam.“, flüsterte er. Bittere Erkenntnis fuhr in meine Eingeweide. Nicht ich war derjenige, der hier gerade Trost spendete, sondern er. In dem der bei mir saß, wollte er meine Einsamkeit abmildern.

 

„Wir sollten jetzt was essen...meinst du nicht.“, fragte ich nervös, setzte umgehend meine Brille wieder auf und wollte schon aufstehen, aber er blieb wo er war und streichelte mir beruhigend über den Rücken.

„Wie lange ist es her, dass wir uns gesehen haben?“, fragte er mich auf einmal und ich nannte ihm die Jahre, Monate, Tage, Stunden, Minuten und Sekunden.

„So genau weißt du das, ja? Ich hab das Gefühl, ich hätte irgendwas wichtiges vergessen...Aber ich komme nicht drauf. Was hast du in all der Zeit so gemacht?“

„Gewartet, bis ich einen Auftrag bekomme.“, antwortete ich knapp.

„Du hast also was angestellt und wurdest bestraft?“ Verdammt.

„Wenn du es so nennen willst...“

„Was hast du getan?“ Darauf schwieg ich. Wenn er wissen würde, dass ich bisher noch nie den Menschen oder Tieren ernsthaften Schaden zugefügt hatte, würde er anfangen mir richtig zu vertrauen und dann...musste ich ihn irgendwann enttäuschen. Als ich nicht antwortete, stellte er mir eine andere Frage.

 

„Wie lange wurdest du bestraft?“ Diese Fragerei konnte nur dem Zweck dienen, mir Informationen über meine Taten zu liefern.

„Lang.“ Langsam wurde er ungeduldig.

„Crawley...sag es mir.“ Sein Ton war unerbittlich und duldete keinen Ungehorsam. Dachte er dass diese Art mit mir zu reden funktionierte? Tat es leider...

„504 Jahre lang. Zufrieden?“

„Aber...das war direkt nach der Flut...was...ist nur passiert?“

„Ich hatte den Auftrag die Arche zu zerstören. Aber es war ein mächtiger Schutz drauf und das hatte meinen Leuten gar nicht gefallen.“ Das war zwar nur die halbe Wahrheit...aber er fragte nicht weiter nach.

„Aber...da kannst du doch nichts dafür. Was...Crawley?“ Ich war aufgestanden und hielt ihm, mit Blick in eine andere Richtung, meine Hand entgegen.

„Ich muss unbedingt den Wein kosten, den Hiob gerade bekommen hat...“ Er nahm meine Hand an und ließ sich aufhelfen, sein Blick versprach mir, dass wir diese Unterhaltung weiterführen würden, bis er Antworten erhielt, die ihn zufrieden stellten, ehe wir, Seite an Seite zu den Menschen gingen und uns mit ihnen, an Speis und Trank zu labten.

 

Tbc...


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war das erste. Es würde mich freuen, wenn ihr mir einen Kommentar schreiben würdet, wie es euch gefallen hat. Ist aber kein muss. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Chai-Cherry-Tea
2021-06-20T15:25:33+00:00 20.06.2021 17:25
Ganz wunderbar ^_^#
Hat mit wirklich gut gefallen <3
Du könntest noch mehr Absätze machen :D
Antwort von:  Alistor
20.06.2021 17:58
Juhuuuuuu <3 <3 <3
Da bin ich aber froh. Hab mir schon richtig Sorgen gemacht.

Alles klar. Ich werde für einen angenehmeren Lesefluss sorgen und mehr Absätze machen. War ja auch recht lang das Kapitel.


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