Zum Inhalt der Seite

I´m in love with an angel

(FU**! I´m really in Love)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo
Das hier ist meine erste Good Omens Fanfic und bin dementsprechend nervös, ob ich die Charaktere authentisch getroffen habe und ob das überhaupt alles Sinn macht. Sie wird ausschließlich aus Crowley´s Sicht geschrieben. In absehbarer Zeit werde ich aber eine Side Story dazu, in Aziraphale´s Sicht schreiben.
Ich hoffe ihr habt Spaß beim lesen. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Anfang

 

 

 

„CRAWLEY!“

Unauffällig verdrehte ich kurz die Augen, kniff sie aber gleich zu, denn sie schmerzten heute wieder unerträglich.

„Ja Ligur?“

„Wir haben einen Auftrag für dich.“ Einen Auftrag? Was sollte man hier schon zu tun haben, außer die anderen Dämonen davon abzuhalten, an den Wänden zu lecken und sich vorzustellen, Engel anzugreifen? Obwohl ich nicht gerade der Typ war, der kämpfte. Ich hatte nichts gegen Engel. Immerhin war ich auch mal einer gewesen.

„Der Schöpfer ist gerade dabei, etwas neues zu erschaffen. Unsere Gelegenheit!“ Er reckte eine Faust in die Luft, ließ sie langsam wieder sinken und sah mich nur an, erwartete wohl, dass ich vor Freude im Kreis sprang, aber ich rührte mich nicht. Einige Sekunden starrten wir uns an, ehe es mir zu blöd wurde.

„Ja und? Was genau erschafft er? Wo? Warum überhaupt? Und was genau soll ich tun?“ Ligur gab ein leichtes Knurren von sich, er wirkte genervt, wie immer, wenn ich zu viele Fragen stellte. Irgendwie kam niemand so richtig damit zurecht, dass ich alles in Frage stellte. Er ließ sich aber dann doch darauf hinab, es mir zu erklären. Aber er beeilte sich, als ob er unser Gespräch so schnell wie möglich wieder beenden wollte.

„Einen neuen Planeten und so was...äh Menschen heißen die. Mach einfach ein bisschen Ärger.“ Menschen? Ah ich erinnerte mich daran. Vor meinem Fall hatte der Allmächtige schon mal kurz mit so einem Gedanken gespielt. Doch was ich da oben nun machen sollte, wusste ich nicht. Manchmal wünschte ich, Ligur wäre präziser in seinen Anweisungen, wenn ich schon auf ihn hören musste.

„Und was genau soll ich tun?“

„Spielt das eine Rolle?“, zischte er mir zu und ich nickte.

„Ja tut es.“ Nun gab er ein abfälliges Geräusch von sich und kam lauernd näher, was mir so gar nicht behagte. Mit ihm war nicht zu spaßen.

„Auf dem Planeten hat er einen Garten erschaffen. Es gibt dort einen...wie nennen die es? Ah ja, Baum. Die Früchte daran, Äpfel oder so, kann man essen. Den Menschen ist es aber verboten. Bring sie einfach dazu, es doch zu tun.“ Damit starrte er mich noch kurz an, bevor er sich umdrehte, um zu seinem Kumpel Hastur zu gehen, der uns genau beobachtet hatte. Mein Gesicht ließ ich ausdruckslos, versuchte die Kälte in mir und die Schmerzen meines Körpers zu ignorieren und ging, suchte mir meinen Weg nach oben.

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 2 der Erde, 12:45 Uhr....

 

 

Ich war gefühlt ewig nicht mehr woanders, als in der Hölle gewesen. Aber auf das war ich nicht vorbereitet, kannte ich doch nur den Himmel und das unten, was immer allgegenwärtig war. Vergessen würde ich den Himmel nie und auch nicht, wie es bei den Sternen war. Doch wie es sich anfühlte, im Licht zu sein und die allumfassende Liebe des Schöpfers zu spüren, verschwand, ohne das ich es hätte aufhalten können. Der Allmächtige hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, mit dieser neuen Welt. Staunend sah ich mich um und erfreute mich an diesen satten Farben und unvergleichlich intensiven Düften. Die Sonne schien hell und warm auf mich, was mir gut tat und ich gleich ein bisschen weniger innerlich fror. Auch meine Schmerzen waren hier nur leicht und somit auf ein erträgliches Maß geschrumpft. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich tatsächlich noch Freude empfinden konnte. Hier war alles so rein, so unschuldig und verbannte jegliche negativen Gedanken und Gefühle. Ich breitete genießerisch meine schwarzen Flügel aus, die die Wärme der Sonne gierig aufsogen. Ich sah mich währenddessen um und stockte.

Mitten in diesem wunderschönen Garten lag eine weiße Feder, die sanfte Wellen des Glücks erzeugten. Sie zog mich förmlich an, ich berührte sie, meine Finger fingen an zu kribbeln und ich musste lächeln...oder versuchte es zumindest. Hatte ich lange nicht mehr gemacht. Ich wünschte mir, dieses Wesen zu sehen, der diese Feder gehörte. Sie war so groß, wie mein kleiner Finger und konnte nur von den Flügeln eines Engels sein. Vorsichtig hob ich sie auf und versteckte sie in meinem schwarzen Gewand. Dies wollte ich mir als Erinnerung mitnehmen, wenn ich wieder hinunter musste. Hier war ich das einzige, was nicht dazu gehörte...Unrein, dunkel...Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken wieder loszuwerden, was mir überraschender Weise sofort gelang und ging ein paar Schritte auf der grünen Wiese, die meine Füße angenehm kühlte und sah weiter entfernt einen großen Baum. Man hatte mir ja davon erzählt, aber das es so schön war...

 

Die runden, roten Äpfel sahen knackig, saftig und süß aus und ich musste mich sehr beherrschen, nicht selbst in einen von diesen zu beißen. War das die Antwort auf die Frage, die ich dem Schöpfer mal gestellt hatte? Wozu wir eigentlich einen Körper brauchten? Wir konnten auch so existieren, aber diese Frage hatte den Herrn wohl so beschäftigt, dass er extra Menschen und was Materielles zu essen erschaffen hatte. Körper mit einem Geist und einer Seele, die essen und trinken mussten, um zu überleben und schlafen, damit sie wieder erholt und bei Kräften waren. Außerdem hatte ich gehört, dass sie so konzipiert waren, dass sie sich selbst vermehren konnten, ohne auf Hilfe des großen Herrn angewiesen zu sein. Aber wie das gehen sollte, war mir noch nicht klar. Meine Gedanken wurden unterbrochen, von einem heiteren Lachen, was mir durch und durch ging. Schnell versteckte ich mich hinter diesem Baum, ignorierte meine zitternden Beine, die mich fast zu Boden geworfen hätten und sah einen weiblichen Menschen, der vollkommen nackt war, aus der anderen Richtung kommen. Sie wurde von einem ebenso nackten, männlichen Menschen begleitet, der diese Frau unentwegt, lächelnd ansah. Und dann...dann sah ich IHN.

 

Meine Augen weiteten sich, ich sog seine gesamte Erscheinung tief in mir auf, betrachtete die kurzen, blonden, ja fast weißen Haare, die in der Sonne schimmerten, wie flüssiges Silber und einen Heiligenschein um seinen Kopf zauberten. Sein weißes Gewand war schlicht gehalten und seine Flügel strahlten, genau wie diese Feder, die ich mir genommen hatte. In seiner rechten Hand hielt er ein Schwert, welches zu brennen schien. Ich hörte das Knistern des Feuers, konnte meinen Blick aber kaum vom Engel abwenden. Wieder lachte dieses schöne Geschöpf und mein Herz fing an zu hüpfen. Erstaunt legte ich mir meine rechte Hand auf meine Brust, wo es laut und schnell schlug. Was war das auf einmal?

Der Engel zuckte kurz zusammen und sah sich aufmerksam um, ehe er den Kopf sacht schüttelte und sich wieder den Menschen widmete. Hatte er mich bemerkt? Sah nicht so aus.

„Der Herr sagt, esst nicht von diesen Äpfeln. Ihr dürft von allem anderen speisen, aber nicht davon.“, sagte der Engel und zeigte dabei auf den Baum mit den Äpfeln. Der Klang seiner Stimme machte mir eine Gänsehaut und ließ heiße Schauer meinen Rücken hinab fließen.

Warum nicht? Warum nur dieser eine Baum? Was war so besonderes daran? Diese Fragen wurde ihm auch von der Frau gestellt und er lächelte nur nachsichtig.

„Das ist die Regel des Allmächtigen. Ihr solltet sie einhalten, denn es ist das einzige, was er von euch fordert.“ Tausend Fragen kamen in mir auf und es juckte mir in den Fingern, sie ihm zu stellen. Das dies der Grund gewesen war, warum ich überhaupt gefallen war, ignorierte ich geflissentlich. Der wunderschöne Engel stellte allerdings überhaupt keine Fragen, sondern nahm alles so hin, wie es eben war. Dabei schien er klug zu sein. Brav nickten die Menschen und der Engel lächelte wieder, höchst zufrieden mit sich. Mir würde das nicht reichen. Was war nun das besondere an diesen Äpfeln? Warum stellte der Schöpfer NUR DIESE EINE Regel auf? Was hatte er vor? Das roch geradezu nach einem Plan. Wäre ich eines dieser Menschen, hätte ich schon längst bei einem abgebissen. Alleine deshalb, weil es verboten war. Willst du jemanden zu einer bestimmten Handlung bringen, dann verbiete es ihm.

„Nun...aber wir dürfen dabei nicht außer Acht lassen, dass es noch viele wunderbare Speisen hier gibt...und das im Überfluss.“ Er hielt eine etwas kleinere Frucht in den Händen, sie war rosig und er biss herzhaft hinein. Die Frucht schien saftig zu sein, dieser rann ihm über sein Kinn, den Hals hinab und auf sein Gewand. Sein Gesicht strahlte pure Verzückung aus. Ich konnte ihn nur anstarren. Mit welchem Genuss er aß... Man sah ihn zwar nicht aus der Nähe...aber sogar von hier erkannte ich wie schön er war.

„Hm...oh...köstlich....hmmmm...“ Diese Laute, die er von sich gab...herrlich.

„Lass es dir schmecken.“, meinte die Frau lächelnd und der Mann wirkte irgendwie gelangweilt.

„Hey...Eva...wir sollten da weiter machen, wo wir vorhin aufgehört haben, solange der Engel isst...was meinst du?“, säuselte der Mann und berührte die Frau überall. Sie kicherte und drückte ihm ihren Mund auf, packte ihn an seinem Hintern und zog ihn nach unten, auf die Wiese. Der Engel starrte auf die beiden und schien fasziniert. Dann lächelte er und aß in Ruhe weiter. Als er fertig war, die Frucht zu essen, sah er sich um, fand aber keinerlei Beschäftigung, während die beiden sich amüsierten. Die Sonne schien genau auf seinen Kopf und ließ seine Haare leuchten. So wunderschön....so perfekt war er. Ich seufzte leise, meine Brust erwärmte sich angenehm dabei und bekam nur am Rande mit, dass die beiden sich wieder aufrichteten, die Münder wieder aufeinander drückten und ihn aus Versehen traten. Er stand erbost auf und ging direkt auf den Apfelbaum und damit auf mich zu. Einige Sekunden verharrte ich lächelnd...bis ich wieder reagieren konnte.

 

ER KAM AUF MICH ZU!

 

Ich drückte mich auf den Boden und krabbelte in ein Gebüsch, während der Engel schon ziemlich nahe war. Weit riss ich meine Augen auf und hoffte, er würde mich nicht sehen. Ich war noch nicht bereit dazu, mit ihm zu sprechen. Was sollte ich sagen? Wie mich verhalten? Weißes Gewand schleifte über mein Gesicht, unterbrach meine Gedanken damit und ich sah zuerst nichts mehr. Eine Sekunde später sah ich wieder, dafür den Leib, der darunter verhüllt wurde. Manche würden es als pummelig bezeichnen, doch ich konnte mich nur wiederholen. Wunderschön. Sein Körper, der unter dem Gewand völlig nackt war, versprach Weichheit, Geborgenheit und Wärme, etwas was ich seit langer Zeit nicht mehr gefühlt hatte und verdrängte sogleich den Wunsch, mich an seinen Körper zu schmiegen. Stattdessen sah ich ihm zu, wie er den Baum erklomm, es sich auf einem dicken Ast gemütlich machte und von dort aus, den Menschen weiter zusah. Ich unterdrückte ein heiteres Lachen, als er einen weiteren Pfirsich hervor zauberte. Er mochte wohl das menschliche Essen und ich mochte es, ihm dabei zuzusehen, wie er es verspeiste.

Das Gerangel der Menschen dauerte nicht allzu lange, vom Baumbesetzer kam ab und an ein leises, sehnsuchtsvolles Seufzen, da waren sie schon fertig. Was er wohl von den beiden dachte? Und...ob er das auch mal machen wollte? Der Engel wollte schon wieder hinab steigen, als die beiden in eine neue Runde starteten, was ihn seine Augen verdrehen ließ. Warum reagierte er so? Vorhin schien es, als ob es ihn freute, dass beide glücklich schienen. Fühlte er sich überflüssig? Das war jedenfalls meine Vermutung. Seine Traurigkeit schien fast greifbar und ich begriff nicht, wieso er es auf einmal war. Fragen, die mir keine Ruhe ließen, denn ich wollte das nicht und alles in mir drängte mich dazu, ihn in den Arm zu nehmen und ihm zu zeigen, dass er nicht alleine war. Warum? Warum fühlte ich mich nun so? Das würde ich schon noch heraus finden, das nahm ich mir fest vor.

 

Beide Menschen waren laut und dieses lustvolle Stöhnen der beiden und wie sie sich im Einklang bewegten, machte mir klar, dass die beiden FÜREINANDER geschaffen wurden. Zwei Menschen, die zusammen gehörten. Das machte mich sehr nachdenklich, denn der Allmächtige hatte weder den Engeln, noch der anderen Seite dies jemals zugestanden. Wenn ich es mir aussuchen könnte...wäre derjenige, der zu mir gehörte, der Apfelbaumengel. Ich lächelte und gab mich diesem Gedanken und der Vorstellung davon hin. Dann erlosch mein Lächeln.

Es wäre natürlich eine Sünde. Etwas so reines und unschuldiges sollte nicht von mir beschmutzt werden, aber er zog mich einfach magisch an. Trotzdem beschränkte ich mich darauf, ihn nur zu beobachten. Das müsste einfach reichen. Ein letztes Stöhnen ließ der Mann verlauten, dann sackte er erschöpft auf der Frau zusammen. Wir warteten beide gespannt darauf, ob sie nun endlich fertig waren und hob skeptisch eine Augenbraue, als sich der Mann erhob und zufrieden grinste.

„Lass uns zum See gehen und baden.“ Mühevoll erhob auch sie sich und irgendwie...schien sie auf einmal verändert. Ein kleines Licht flog auf sie zu und hielt an ihrem Bauch. Das Leuchten verschwand darin und ich sah prüfend zum Engel über mir, ob er das auch mitbekommen hatte. Selig lächelte er, faltete die Hände zusammen und dankte dem Herrn, dass er dieses Wunder miterleben hatte dürfen. Dann schwebte er den Baum hinab und schloss sich den beiden wieder an.

Sie gingen ihrer Wege und als sie außer Sichtweite waren, verließ ich mein Versteck. Ich sollte mir etwas mehr Zeit für diese Verführungssache nehmen. Immerhin schienen die Menschen auf den Engel zu hören und je länger ich unter ihnen sein konnte, desto besser. So konnte ich ihn wenigstens ansehen. Dort unten ging das nicht mehr. Ich kletterte hinauf auf den Baum und nahm auf demselben Ast Platz, an dem der Engel gesessen hatte. Andächtig berührte ich die Stelle und legte mich, so gut es ging darauf. Genießerisch schloss ich meine Augen, als der Duft der Apfelblüten mir in die Nase kam und sich mit dem Duft des Engels vermischte. Das war das Paradies auf Erden. Ich liebte die Erde jetzt schon. Mein Atem ging ruhig, ich war auf einmal tiefenentspannt und ein leichtes Glücksgefühl überkam mich. Langsam drifteten meine Gedanken ab und merkte nicht, wie ich zum ersten Mal seit meiner Existenz, einschlief.

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 3 der Erde, 8:29 Uhr...

 

 

Irgendwas weckte mich, konnte es nicht benennen. Es war wie ein Gemisch aus etwas realem und etwas, was aus dem Inneren kam. Dröhnend kam es wieder und war auf einmal verschwunden. Verwirrt kratzte ich mich am Kopf, und wusste nicht, wie lange ich hier gelegen hatte. Ich ließ einige Minuten verstreichen, ehe ich den Baum hinabkletterte.

„Irgendwas riecht hier nach...Bösartigkeit, Gabriel.“

„Ach was. Aziraphale passt hier sehr gut auf. Er hätte es garantiert bemerkt, wenn ein Dämon hier wäre. Mach dir keine Sorgen, Sandalphon. Immerhin hat er ein Flammenschwert und weiß damit umzugehen. Vielleicht hat er bereits eine Bösartigkeit zur Strecke gebracht und der Gestank der Hölle wirkt noch nach.“

Ich starrte wie vom Blitz getroffen auf die beiden anderen Engel, die im Garten umher schlenderten. Der eine war groß und schlank, der andere kleiner und fülliger. Jetzt wusste ich endlich wie der Engel hieß, jedoch war mir der Name zu kompliziert auszusprechen, dass ich ihn im nächsten Moment wieder vergessen hatte.

„Nun, dann wollen wir mal zu ihm, nicht wahr? Du wirst sehen, dass er sich ganz hervorragend macht.“ Stolz reckte der größere...Gabriel?, sein Kinn und bedeutete dem anderen, ihm zu folgen. Ich sollte vielleicht abhauen. Nur für alle Fälle und nur solange die zwei hier waren.

 

~

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 4 der Erde, 17:13 Uhr....

 

 

Ich hatte einen ganzen Tag darauf gelauert, dass die anderen Engel gingen und als ich wieder zurück war, streckte ich mein Gespür auf den gesamten Garten aus, konnte aber nur einige Tiere, die Menschen und einen Engel ausmachen. Mein Weg führte wieder zum Apfelbaum, ich umkreiste ihn einige Male und sah an ihm hinauf. Bilder der blonden, weichen Schönheit kamen wieder in mir auf und der Wunsch, ihm nahe zu sein.

Etwas kitzelte mich am Fuß und als es nicht aufhörte, sah ich nach. Ich erschrak mich fürchterlich, aus meiner Kehle kam, zu meiner Schande, ein spitzer Schrei, zum Glück nicht allzu laut, machte einen Satz nach oben und klammerte mich an einem dicken Ast des Apfelbaumes fest.

„Allessss in Ordnung mit dir?“, fragte das längliche Ding zischend. Tief atmete ich durch, und versuchte mein stark klopfendes Herz zu beruhigen, kletterte wieder hinunter und ging in die Hocke, um es mir genauer anzusehen. Es war eines der Tiere, die der Herr geschaffen hatte. Weder Arme, noch Füße zierten dieses Geschöpf und es hatte eine schuppige, weich aussehende Haut. Der Bauch war hellbraun und der Rücken, falls man dies Rücken nennen konnte, in einem dunklen braun. Die Zunge des Tieres war gespalten, die in kurzen Abständen immer mal wieder aus dem Maul hinaus kam. Das war das erste Tier, was mir hier aufgefallen war und ich mochte es sofort. Auch wenn es aussah, wie ein Ast eines Baumes, der zum Leben erweckt worden war.

„Ja alles in Ordnung. Du hast mich vielleicht erschreckt.“

„Entsssssschuldige. Dasss war nicht meine Abssssicht.“ Ich lächelte es an und ich dachte fast, dass es zurück lächelte. Seine Augen waren sandfarben und die Pupillen waren zu Schlitzen geformt, genau wie meine Augen, nur das meine gelb waren. Eine Idee formte sich in meinem Verstand und ich grinste. Nun wusste ich, wie ich mich den Menschen....und auch dem süßen Engel nähern konnte, OHNE dass sie bemerkten, wer und was ich war. Nie hatte ich meinen Körper transformiert und hoffte, ich würde es genau so hinbekommen. Normalerweise hatten Wesen, Gefallene wie ich, keinerlei Vorstellungskraft, aber wenn ich meinen Plan ausführen wollte...musste ich etwas an mir ändern. Außerdem war ich an dem Erschaffen der Sterne beteiligt gewesen und das hatte ich nicht vergessen. Ideen hatte ich immer genug. Also starrte ich es an, was diesem recht unangenehm war, doch nichts passierte.

„Wassss machssst du da?“

„Ich möchte meine Gestalt ändern und dann aussehen, wie du.“ Wenn es gekonnt hätte, hätte es sicher eine Augenbraue hochgezogen, so skeptisch sah es mich an.

„Ich bin eine Sssschlange und du weder ein Tier, noch ein Menssssch und ein Engel sssschon drei Mal nicht. Wie willssssst du dassss ssschaffen?“

„Keine Ahnung. Mit Übung?“ Was für ein seltsames Tier. Schlange? Nun gut, dieses Wort beschrieb es, meiner Meinung nach, recht passend. Wie konnte ich mich nur in eine Schlange verwandeln? Ich stand wieder auf, umrundete es und ging wieder in die Hocke. Wie wollte ich eigentlich dann aussehen, wenn ich eine Schlange war? Ich nahm eine Strähne meines langen, roten Haars zwischen zwei Finger und besah es mir. Sie lockten sich und mit viel Fantasie könnte so eine Strähne aussehen, wie eine Schlange...Also rot war schon mal eine Farbe, die mir zusagte. Ein roter Kopf und der Rest schwarz? Das sähe bestimmt recht albern aus und ich wollte Asuraph...Aruru... den Engel beeindrucken. Was wenn, der Bauch rot sein würde und der restliche Körper schwarz, wie mein Gewand und meine Flügel, die damals, vor dem Fall, genauso weiß gestrahlt hatten, wie die des Engels. Die Schlange, die mich bisher nur schweigend angesehen hatte, machte ein zischendes Geräusch und bewegte ihren Körper in leicht welligen Zügen, womit sie sich von mir fortbewegte. Sie schlängelte sich auf einen anderen Baum, weit hoch in die Krone und war dann nicht mehr zu sehen. Hm...interessant. Also gut. Das sollte ich auch versuchen. Ich legte mich auf den Bauch und bemühte mich, die Bewegungen dieses Tieres nachzuahmen, stellte aber schnell fest, dass ich mich damit nicht fortbewegen konnte. Wütend über meine eigene Unfähigkeit, schnaubte ich laut und kniff fest die Augen zusammen. Doch auch das brachte nichts. Ich schaffte es einfach nicht, mir das vorzustellen. Dachte ich zu kompliziert? Nachdenklich erhob ich mich wieder und ging zu dem Baum mit den schönen Äpfeln. Meine Hand streckte sich automatisch nach den süßen Früchten aus, als ob sie mich zu sich rufen würden und sie alleine die Lösung meines Problems waren. Als ich einen pflückte, spürte ich, dass er besonders war und eine unglaubliche Bedeutung haben musste. Was konnte es schaden, selbst davon zu essen? Immerhin war ich schon gefallen, da konnte es nichts schlimmeres geben. Außerdem kam ich mit meinem Plan nicht weiter, die Wut darüber brodelte, jedoch ließ ich sie nicht an die Oberfläche kommen. Wut und Ungeduld brachten nichts als Ärger. Je schneller man etwas wollte, desto langsamer wurde alles und zog sich hin. Manches Mal rechnete man dann mit enormen Verlusten und dem Vorsatz, das nächste Mal geduldiger zu sein. Mein Kopf schmerzte von diesen Überlegungen und dem Versuch, mich auf diese Schlangengestalt zu konzentrieren. Ich musste eine Pause machen und besah mir die Frucht nun genauer.

Der Apfel war glatt, ich strich darüber und schloss die Augen. Dann biss ich zu. Süß rann der Saft mir in meinen Mund und ich riss geschockt meine Augen wieder auf. Ich taufte diesen Baum, den Baum der Erkenntnis, denn ich hatte gerade eine unfassbare Erkenntnis gehabt. Etwas, was meines Wissens nach, keiner der beiden Seiten wusste. Aber warum wollte der Schöpfer diesen Menschen und vor allem auch uns, diese vorenthalten? Es war meiner Meinung nach sehr wichtig, dass wir es wussten. Ich musste...MUSSTE es den Menschen ermöglichen. Das hatte nun nichts mehr mit meinem Auftrag zu tun. Erneut biss ich in den Apfel und sogleich kam mir eine weitere Idee.

Ich war Crawley. Der Kriecher, also gab es gar nichts anderes, als das ich mich in eine Schlange verwandeln konnte. Dies war der Name, den man mir unten gegeben hatte. Nach dem Fall hatte ich nur noch kriechen können und es hatte lange gedauert, bis ich wieder normal laufen konnte. Es war mir sozusagen angeboren, dass ich auch eine Schlange sein konnte. Ich schloss die Augen und versuchte es mir vorzustellen, dass ich mich in eine Schlange verwandeln konnte. Aber keine kleine, wie die vorhin, sondern größer. Mein Kopf bewegte sich hin und her und der Körper machte mit. Lange saß ich so da, aber nichts passierte. Ich knurrte und konzentrierte mich. Eine große Schlange, mit rotem Bauch und schwarzem Rücken, elegant, mit leuchtenden, gelben Augen...

„Mein Wille geschehe...Ich bin eine Schlange. Mein Wille soll geschehen, denn auch ich habe Schöpferkraft in mir, wie der Allmächtige. Ich bin eine Schlange....eine Schlange... MEIN WILLE GESCHEHE! ICH BIN EINE SCHLANGE!!!!“ Ich biss zum dritten Mal in den Apfel und auf einmal konnte ich es genau vor mir sehen. Wie mein Körper sich verformen würde, zu einem schönen Wesen, das Kraft und doch Anmut ausstrahlte. Mein Körper fühlte sich seltsam an, als würde ich schrumpfen, meine Wirbelsäule dehnte und krümmte sich und da wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Geschafft, was sonst keinem anderen, der dort unten weilte, gelingen würde. Ich war einfach ein Naturtalent und diese Sache musste ich unbedingt weiter ausbauen. Nun würde ich alles, was ich mir vorstellte auch genauso schaffen können. Ich probierte den Teil mit der Zunge aus und zischte laut. Das klappte schon mal hervorragend.

 

„Nanu? Wer bist du denn? Oh was für ein wunderschönes Tier du doch bist. Hast du gerade so laut geschrien? Hast du dich verletzt?“ Meinem veränderten Körper hatte ich es zu verdanken, dass ich nicht vor Schreck zusammen zuckte und erneut an einen Ast sprang, als ich diese Stimme hörte. Ich drehte mich um und sah in ein unglaublich anbetungswürdiges Gesicht. Einige Zeit starrte ich ihn an, er wirkte äußerst besorgt, dann schallte ich mich einen Narren. Wie könnte so ein reines Wesen, gerade mich...MICH mögen würden? Ich war...ein Dämon, mit unheimlichen Augen wohlbemerkt und ich musste sicher nicht erwähnen, dass unsere beide Seiten bittere Feinde waren. Dieser Gedanke kam schnell und ernüchterte alle meine glücklichen Illusionen und Fantasien mit mir und dem Hübschen. Also zischte ich nur und versuchte von ihm weg zu kommen. Auf einmal wollte ich nicht mehr, dass er mich sah, auch wenn er meine wahre Gestalt nicht kannte. Der Apfel musste dies verursacht haben, denn vorher kannte ich dieses Gefühl noch nicht. Ich nannte es Scham...

 

„Warte doch. Ich muss dir noch was sagen, bevor du den Garten erkunden kannst.“, meinte er und streichelte dabei ganz zart mein Gesicht. Es stand sofort in Flammen, genau wie das Schwert, welches er schnell abgelegt hatte, bevor er zu mir gelaufen war und mich damit gestoppt hatte. Wenn ich nicht schon gefallen wäre, hätten es gerade diese Hände verursacht. Aber wir waren doch Feinde....Feinde...nichts anderes. Nichtdestotrotz brannte mein Gesicht und mir wurde unfassbar heiß in meiner Brust.

Ich betrachtete ihn ganz genau und unterdrückte das Verlangen, ihn in seine süßen Bäckchen zu kneifen, erinnerte mich daran, dass ich gerade eine Schlange war, es deswegen nicht konnte und lächelte daher nur sanft. Unsicher sah er mich aus hellen Augen an, lächelte dann aber auch und stupste meine Nase leicht an. Sein Lächeln erhellte mich von innen, es ließ mich wie auf Wolken schweben, er zuckte kurz zusammen und sah mich erstaunt an. Doch dies hielt nur eine Sekunde.

 

„Sei bitte vorsichtig. Der Herr hat erst neue Tiere erschaffen und ich möchte nicht, dass du verletzt wirst. Und halte dich bitte von dem Apfelbaum fern. Seine Früchte dürfen nicht verspeist werden.“ Nun dazu war es wohl schon zu spät, was auch er bemerkte, als er den angebissenen Apfel neben mir liegen sah. Seine Augen weiteten sich geschockt.

Er lief dorthin, bückte sich...den Apfel aufzuheben, ich drehte mich in dieselbe Richtung und... Ich meine...wow... was für ein Hintern.... zum reinbeißen.... erinnerte mich ein wenig an die verbotene Frucht an diesem Apfelbaum und bekam dabei gleich eine völlig neue Bedeutung. Irgendwie witzig. Ich musste kichern, aber in dieser Gestalt hörte es sich an, als hätte ich mich an irgendwas verschluckt.

„Oh nein...du hast doch nicht wirklich...alles in Ordnung? Was wird der Allmächtige nur sagen, wenn eines seiner Geschöpfe davon gekostet hat? Ich bekomme bestimmt richtig Ärger....und dabei spreche ich noch gar nicht von Gabriel.“ Seufzend setzte er sich hin und erzählte mir von oben. Das er mir einfach so vertraute war entweder sehr dumm oder unheimlich liebenswert. Ich entschied mich für letzteres.

„Wir haben oben kaum was zu tun und es kann schon ziemlich langweilig werden, wenn Gabriel nicht wäre. Er hat radikale Ideen, einen zum arbeiten zu bringen. Hach...weißt du...ich bin hier eigentlich zur Strafe. Einer der Engel hat fast die ganze südliche Wand im Konferenzsaal abgeleckt und ich konnte ihn einfach nicht davon abhalten. Dabei weiß keiner, dass ich ebenfalls schon mal probiert habe und ehrlich...die Wände schmecken hervorragend. Ich konnte ihn verstehen, warum er so viel daran geleckt hatte. Und nun bin ich hier und so wirklich eine Strafe ist es ja nicht. Das östliche Tor bewachen, die Menschen beaufsichtigen, dass sie keine Dummheiten anstellen, nach...Dämonen Ausschau halten und wenn nötig, diese zur Strecke zu bringen.“

Ich verzog meine Schnauze ein wenig. Das gefiel mir gar nicht.

Nun...vielleicht begegnet dir ja mal ein guter Dämon?“, warf ich nachdenklich ein. Des Engels Augen weiteten sich erschrocken, wie als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich tatsächlich antworten würde.

„Du...du kannst ja sprechen. Die anderen Tiere können das nicht...merkwürdig.“ Er schüttelte den Kopf, als wäre ihm ein abwegiger Gedanke gekommen.

„Was meinst du mit guter Dämon? Es gibt keine Guten. Nein. Wir Engel sind bitter verfeindet mit der anderen Seite. Keine Chance. Wie sollte man auch mit ihnen reden? Ich bin zwar noch nie einem begegnet, aber es heißt, sie wären nicht sehr ansehnlich, dumm und sollen die ganze Zeit nur böse sein...Nie könnte einer von uns mit denen zusammen sein. Da gäbe es...nun...diverse Streitigkeiten.“

Die anderen Tiere konnten...NICHT sprechen? Nun gut, da war ich eben auch ein Ausnahmetalent. Ich verstand die Sprache der Schlangen.

Wir diskutierten noch lange darüber, denn ich wollte es nicht so stehen lassen. Immerhin war ich einer, mit dem man durchaus reden konnte...und ich war ein sehr guter Zuhörer, merkte mir jedes noch so kleine Detail. So erfuhr ich vom Engel, dass er sehr froh darüber war, hier sein zu dürfen. Was anderes, als nur da oben zu sitzen und den Vorträgen von anderen zu lauschen, zu singen oder einfach den ganzen Tag zu frohlocken. Das verstand ich nur zu gut, obwohl das besser war, als das was man unten zu tun hatte. Ich erzählte ihm, dass ich gehört hatte, dass es Dämonen gab, die schlau und gerissen waren, aber trotzdem wussten, wo die Grenze lag. Wir stellten fest, dass der einzige Unterschied der beiden Seiten daran lag, dass die von unten, härter bestraften, wenn etwas nicht zu ihrer Zufriedenheit geschah. Wie man sich als Dämon dort unten fühlte, brauchte er nicht zu wissen. Ich wollte ihn nicht erschrecken. Außerdem war ich einer der wenigen gewesen, die nach dem Fall bestraft wurden und ich glaubte nicht, dass andere solche Qualen litten, wie ich es dort unten tat. Wir redeten auch über die Menschen und er meinte...bisher nur gute Erfahrungen gemacht zu haben. Sein Blick sagte mir alles und ich grinste ihn frech an, immerhin war ich ja dabei gewesen.

 

Als es anfing zu dämmern, stellte er sein Flammenschwert auf und bohrte es in die Erde, wo es wunderbar umher flackerte und mich wärmte. Die Erde nahm dabei aber keinen Schaden und ich fragte mich, warum?

Ich habe gehört, die von unten müssen auch ständig davon abgehalten werden, an den Wänden zu lecken.“ Der Engel lachte daraufhin und stupste mir wieder an die Nase, was sich herrlich anfühlte, mir aber trotzdem unangenehm war. Ich war es nicht gewohnt, dass man mir so viel Sympathie entgegen brachte. Nicht dass ich noch nett wurde...

„Du siehst richtig süß aus, wenn du deine Zunge heraus steckst, weißt du das?“ Ich....was? Wie kam er denn jetzt auf sowas? Mein Gesicht fing an, richtig heiß zu glühen und ich wandte mich etwas von ihm ab.

Ich bin nicht süß. Ich bin eine furchterregende Schlange...“, fauchte ich verärgert. Ein Dämon konnte Schwierigkeiten bekommen, wenn er nicht böse war, was ich, ehrlich gesagt auch gar nicht war. Nur musste das keiner wissen und ich passte sehr gut auf, dass es niemand mitbekam.

Wieder lachte er und sah mit seinen hell funkelnden Augen, tief in meine. Ein leichter Schwindel erfasste mich und mein Atem stockte.

„Nun gut...dann eben nicht. Deine Augen gefallen mir. Sie mögen stechend wirken, aber ich sehe viel Wärme darin und vor allem sehr viel Gutes.“ Gutes? Hallo? Wusste er nicht wer ich war? Oh richtig...wusste er nicht. Doch bevor ich darauf hätte antworten können, redete er bereits weiter.

„Ich danke dir für deine Gesellschaft heute. Das hat mir gut getan. Aber ich muss nun wieder zu den Menschen. Mach´s gut und sei ja vorsichtig.“ Ich zischte und beobachtete ihn, wie er durch ein Gebüsch stolperte.

Das dürfte noch seeehr interessant werden.

 

Ich folgte ihm unauffällig und kroch einen Baum hinauf, der gelbe Früchte trug und beobachtete die drei aufmerksam. Nach einiger Zeit legten sich die Menschen auf die Erde und regten sich nicht mehr. Sie mussten wohl eingeschlafen sein. Der Engel saß einsam dort und wachte über ihren Schlaf. Dann wischte er sich, mit dem Ärmel seines Gewandes, das Gesicht ab.

Weinte er? Schnell kroch ich den Baum hinab und als ich in seiner unmittelbaren Nähe war, versteifte er sich sofort.

„Was machst du hier?“, fragte er, als hätte er mich kommen sehen.

Lass uns doch noch ein bisschen reden. Das hat mir auch gut getan und um die Menschen musst du dich doch gerade nicht sorgen.“, meinte ich und hoffte, dass es ihn irgendwie ablenken würde, damit er nicht mehr traurig war.

„Nun...ja das stimmt. Aber reden möchte ich gerade nicht...“ Das war durchaus verständlich und vollkommen in Ordnung, deswegen kroch ich näher und berührte ganz leicht, mit meinem Körper sein Bein und zeigte ihm so, dass ich auf jeden Fall bleiben würde, damit er nicht allein war. Er lächelte traurig, ehe er anfing, mir zärtlich meinen Kopf zu streicheln. Ich war im Himmel. Diese Vorsicht und diese Sanftheit, mit der er mich behandelte, rührte mein Herz derart, dass es wieder diesen Hüpfer machte und ich mich an seine Hand schmiegte. Ich war definitiv bereits süchtig danach.

 

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 5 der Erde, 05:35 Uhr....

 

 

Irgendwann wachte ich wieder auf, es war bereits hell, aber weder der Engel, noch die Menschen waren zu sehen, also sah ich nach links und nach rechts, bevor ich mich verwandelte.

 

Leise schlich in in meiner normalen Gestalt durch den Garten. Ich musste mal eine Schlangenpause machen, meine Flügel ausstrecken und dehnte meinen Körper. Doch dann schnupperte ich und verharrte. Ich roch wieder diesen einen Engel. Nur von welcher Richtung er kam und wie nahe er bereits war, dass wusste ich nicht, also bewegte ich mich vorwärts, immer darauf bedacht, nicht aufzufallen. Gerade überlegte ich, ob es nicht besser wäre, mich wieder als Schlange zu tarnen. Doch weiter, als bis zum Gedanken kam ich nicht.

Ich schrie auf, als ich an meinem Arm einen brennenden Schmerz spürte. Flammen leckten an meinem Gewand, welche ich mit einem Schnipsen löschte und als ich mich umdrehte, sah ich in wütende, violette Augen.

„Dämon!“

Ich erwiderte darauf nichts, sondern versuchte, ihm auszuweichen, aber er holte bereits ein weiteres Mal mit einem Flammenschwert aus und verfehlte um Haaresbreite mein Gesicht. Er würde mich zur Strecke bringen, wenn ich nicht floh, denn ich war völlig unbewaffnet und konnte ihm kaum was entgegensetzen. Abermals sauste das Schwert auf mich herab, ich sprang zur Seite, doch er traf mich an meinem rechten Oberschenkel, Blut spritzte aus der Wunde und ich landete hart auf dem Boden. Der Schmerz betäubte meinen Körper, mein Atem ging stockend, Schweiß rann über mein Gesicht und ich hatte Angst. Meine Wunden bluteten stark...zu stark. So konnte ich doch nicht abtreten. Ich musste wenigstens noch ein letztes Mal meinen Engel sehen...

„Jetzt hat dein letztes Stündchen geschlagen, Höllenbrut. Stirb!“ Er holte aus, doch traf er nur die Erde, als ich mich mit letzter Kraft aufgerafft hatte und hinter ein Gebüsch sprang. Er drehte sich zu mir um, doch hatte ich mich längst wieder in eine Schlange verwandelt. Er suchte nach mir und hackte auf die Büsche ein. Ich bohrte mich halb in die Erde, bedeckte mich damit und blieb völlig regungslos, hielt den Atem an und schickte ein Stoßgebet zum Allmächtigen, dass mich Gabriel nicht finden würde. Ja ich betete immer noch, auch wenn es sinnlos war.

„Wo steckst du? Komm raus und kämpfe!“ Ich achtete nicht auf sein Gerede, sondern konzentrierte mich nur darauf, mich nicht zu bewegen. Als er mich nach langem Suchen nicht fand, spuckte er abfällig auf den Boden.

„Der Körper des Dämons wird eh an seinen Verletzungen erliegen. Einer von denen weniger...“ Das Feuer am Schwert erlosch, er legte es zufrieden auf die Schulter und ging seines Weges. Keuchend grub ich mich aus der Erde, schleifte meinen Körper langsam durch das Gras und hinterließ eine blutige Spur. Ich musste den Engel finden und ihm wenigstens Lebe Wohl sagen...das war ich uns beiden schuldig.

Ich fing an, vor Anstrengung noch mehr zu schwitzen und wusste, sollte ich ihn nicht bald finden, wäre es zu spät. Wo war ich eigentlich? Meine Sicht verschwamm langsam und hoffte, er möge mir vergeben.

 

„Hey, ich hab dich schon...WAS IST PASSIERT?“ Der Engel.... Ich lächelte und sackte zusammen, fühlte, wie er meinen schlaffen Körper auf seinen Schoß hob, seine Hände auf mich legte und sah ein helles Leuchten, welches mir in den Augen weh tat. Schnell kniff ich sie zu und fühlte, wie sich die verletzten Teile meines Körpers säuberten, wieder zusammen setzten und heilten. Lange noch hielt er seine Hände über mich und versorgte mich mit Kraft und Energie.

„Was ist passiert? Wer hat dich so schwer verletzt?“ Seine Stimme klang brüchig und bekümmert und ich entschloss mich, ihm nicht zu sagen, was genau passiert war, wollte ihn aber auch nicht anlügen... Hallo? War ich nicht ein Dämon? Wir logen doch praktisch immer...

„Schon ok...danke für deine Hilfe. Ich wollte mich eigentlich nur verabschieden, weil ich dachte, ich müsste sterben...“ Ich atmete tief durch und überlegte, wie ich ihn ablenken konnte, damit er sich nicht mehr solche Sorgen machte, denn meine Worte schienen es schlimmer gemacht zu haben. Aber mir fiel nur ein, dass er gerne aß...

„Kannst du mir eigentlich von den Früchten, irgendeine besonders empfehlen?“, fragte ich ihn. Er sah mich an und es schien, als wüsste er genau, dass ich nicht darüber reden wollte, es verwirrte ihn, konnte er sich doch nicht vorstellen, warum ich es nicht sagen wollte. Dennoch beantwortete er meine Frage, ohne zu Zögern.

„Hm? Früchte? Oh ja... Birnen sind super und auch Orangen und Trauben. Von den Zitronen lässt man besser die Finger. Als ich reingebissen hatte, verzog sich mein Gesicht so komisch, dass Adam einen Lachanfall bekommen hatte und drei Stunden nichts anderes gemacht hatte, als zu lachen. Davon hat er ziemlich Bauchschmerzen bekommen.“ Ich nickte verständnisvoll und grinste, als ich mir das Gesicht vorstellte. Er erwiderte es und das Leuchten der Heilung verschwand. Ganz genau betrachtete er mich und seufzte.

„Du möchtest mir also nicht sagen, wer das getan...“

„Noch irgendwelche Lieblingsfrüchte?“ Er zischte kurz, antwortete aber dann.

„Einen himmlischen Geschmack haben Pfirsiche.“ Verträumt sah der Engel in den Himmel und leckte sich, in der Erinnerung an diesen Pfirsich, über seine sündhaft aussehenden Lippen, bevor er ein zartes Seufzen von sich gab. Dies flutete mein Herz mit einem Gefühl, welches ich nicht beschreiben konnte, was mir einen erneut seltsamen Blick des Engels einbrachte, der so komisch aussah, dass ich mir dass Lachen verkneifen musste. Doch je länger ich hinsah....So musste sich Adam gefühlt haben. Weit öffnete ich mein Maul und lachte. Er war so niedlich, das konnte ich einfach nicht fassen. Ich musste so heftig lachen, dass ich mich nicht mehr auf meine Schlangenform konzentrieren konnte und mich zurück verwandelte. Weit öffneten sich seine Augen vor Schreck und er wich von mir zurück.

„WAS? EIN....EIN DÄMON? Du bist ein...oh Himmel steh mir bei.“, rief er aus. Ich fuhr mir durch mein langes Haar und lächelte ihn an.

„Wie ist das nur...das nur möglich? Oh du.... du...böser Dämon. Verschwinde von hier...oh wo ist nur mein Flammenschwert? Ah, da ist es ja. Warum nur habe ich dich geheilt?“ Er griff danach und baute sich drohend vor mir auf, oder versuchte es wenigstens, aber ich lächelte nur weiter. Eine Maus mit einem Holzsplitter in der Hand hatte dieselbe Wirkung auf mich. Außerdem würde er mir nichts tun, da war ich ganz sicher.

 

„Weißt du wie lange es her ist, dass ich das letzte Mal gelacht habe? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Danke.“ Mit einem Seufzen ließ er das Schwert sinken und setzte sich wieder zu mir auf den Boden. Ich sah nach oben und es wunderte mich gar nicht, dass wir unter dem Apfelbaum saßen, stand auf, pflückte einen und biss hinein. Entsetzt starrte er mich an.

„Du warst eine Schlange...bist aber ein Dämon? Hast du...warum hast du von den Äpfeln gegessen? Und warum schon wieder? Sie sind verboten. Ach herrje...“

„Ja, ich bin ein Dämon. Wir machen sowas und wie du siehst, ist mir nichts passiert. Das sind im übrigen MEINE Lieblingsfrüchte.“ Erbost sah er mich an und blies seine Backen auf, als ich provokant erneut hinein biss, was ein klasse knackiges Geräusch erzeugte und ich dabei mit ihm flirtete. Seine Bäckchen nahmen davon einen zarten Rotton an.

„Das meine ich doch nicht. Wenn man etwas nicht darf, sollte man es auch nicht tun. Das ist ja eine Unverschämtheit.“ Ich konnte es kaum glauben. Dieser Engel redete ganz normal mit mir, obwohl ihm mein Wesen wenig behagte. Er versuchte, mir in meine Augen zu sehen, die ihm gefielen, doch dass ich ein Dämon war gefiel ihm nicht. Das musste hart sein, in so einem Zwiespalt gefangen zu sein. Er musste immer wieder den Blickkontakt abbrechen, während ich immerzu in seine sah. Andere wären bereits schreiend abgehauen, oder hätten versucht mich zu vernichten, aber er nicht. Nein er knetete nervös seine Hände und sah mich dann wieder scheu an.

„Was...was ist das da...an deiner Schläfe? Ist das...eine Schlange? Hat das was mit gerade eben zu tun? Das du...dich wandeln kannst?“ Ich hob eine Augenbraue, rührte mich nicht, als er mir näher kam und mich eingehender betrachtete. Ich konnte nur dieses Gesicht anstarren. Diese wunderschönen Augen, in denen ich ein immerwährendes Funkeln erkennen konnte und mich vollkommen in seinen Bann zog. Ich wollte dieses leichte Doppelkinn berühren, das entstand, wenn er nach unten sah und sehen, ob es so zart war, wie es aussah. Dann fiel mir wieder ein, was er gesagt hatte. Ich hatte vorher keine Schlange an meiner Schläfe gehabt, aber anscheinend jetzt. Ein Mal, meiner Wandler Fähigkeit sozusagen.

 

„Tatsächlich...sowas habe ich ja noch nie gesehen...können alle Dämonen sowas?“ Als ob. Sie hielten sich nur Haustiere und am Liebsten auf ihren Köpfen. Aber verwandeln? Schon seltsam. Kaum hatte der Herr Tiere erschaffen, wurden sie als Kopfbedeckung für Dämonen missbraucht.

„Nein. Nur ich. Andere sind nicht gerade mit viel Intelligenz gesegnet, wenn du verstehst, was ich meine.“, sagte ich und lächelte ihn verführerisch an. Ob ich einen Engel in Versuchung führen könnte?

„Du...du hast schöne Haare. Sie leuchten richtig...wie...wie Feuer...das habe ich noch nie gesehen...“ Ich nahm seine Hand, die sich warm und...richtig anfühlte und führte sie zu meinen Haaren, damit er sie berühren konnte und er errötete dabei heftig.

Er war nervös und zitterte, das spürte ich ganz deutlich, konnte diese Empfindungen riechen, ja fast schmecken und davon bekam ich eine Gänsehaut, grinste breiter und flirtete heftiger. Durch mich floss pure Elektrizität, meine Flügel vibrierten davon. Verwundert sah er darauf und brach damit den magischen Moment. Mist.

„Diese Flügel...sind fast wie meine. Wie kommt das?“ Wusste er das nicht?

„Kein Wunder. Ich war auch mal ein Engel. Vor langer Zeit...“

„Du warst...aber...warum bist du jetzt keiner mehr?“ Hatte ich vorhin wirklich noch gedacht, dass er keine Fragen stellte? Ich seufzte.

„Bin gefallen.“

„Was? Aber warum?“

„Ich habe zu viele Fragen gestellt...“

„Ach Unsinn. Man fällt nicht, nur weil man Fragen stellt.“

„Wenn es zu viele und die Falschen sind, schon. Ich...ich muss jetzt wieder los...bis irgendwann.“, meinte ich, konzentrierte mich, verwandelte mich in eine Schlange und sank durch das Erdreich hinab, wo ich herkam, ohne ihn nochmal anzusehen. Auch wenn ich seine Enttäuschung selbst bis in die Tiefen der Hölle spüren konnte...ich wollte nicht über meinen Fall reden und schon gar nicht über die Konsequenzen danach.

 

~

 

Hier unten hatte Zeit wenig Bedeutung und doch schien es mir schon zu lange her, dass ich im Garten gewesen war. Dieser Engel ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte traurig ausgesehen und es war meine Schuld. Wie ein Feigling war ich einfach abgehauen. Was ein Fehler gewesen war. Die Realität hatte mich eingeholt, vergessen war, dass ich erst vor kurzem herzhaft gelacht und Freude empfunden hatte. Hier unten war alles so dunkel und trostlos.

Nur irgendwas war anders. Ich fühlte mich seltsam, konnte es aber nicht benennen. Scharf dachte ich darüber nach, doch meine Gedanken wanderten immer wieder zu Agarisila....nein...Attilla? Ach der Engel eben. Ich musste ihn wiedersehen. Immerhin hatte ich meine Aufgabe noch nicht erfüllt, welche für mich eher zweitrangig war. Das wichtigste war er. Doch vorher musste ich noch Bericht erstatten.

Eine kalte Hand legte sich auf meine Schulter und ich zuckte kurz vor Schreck zusammen. Eine innere Kälte erfasste mich, ehe es sich mit dem Gestank einer Kröte vermischte. Hastur...

„Komm Crawley. Ligur will dich sprechen.“ Nickend folgte ich ihm gehorsam, auch wenn ich ihm am Liebsten dieses hässliche Tier vom Kopf gezogen und ihn angeschrien hätte, dass er absolut lächerlich aussah. Dämonen waren einfach keine Trendsetter und ich nahm mir vor, dass wenigstens für mich zu ändern. Wir gingen den langen Hauptgang entlang, an der alle zehn Meter ein Hinweis hing, dass das lecken der Wände verboten war. Immer wieder verzweigte er sich und führte zu verschiedenen Orten, Räumen und zum Schluss, zu den Büros der Höllenfürsten. Es gab nur noch eine einzige weitere Türe, doch wenn man den Raum dahinter betreten musste, dann steckte man in Schwierigkeiten, denn Luzifer höchst selbst lauerte dahinter. Hastur schlurfte nach rechts zu Ligurs Büro und klopfte an. Grinsend starrte er mich mit seinen pechschwarzen Augen an, in denen sich nie etwas wieder spiegelte, sondern wirkte wie ein schwarzes Loch und mir wurde gleich noch kälter. Dann hörte man ein leises „Herein!“ und er schubste mich nach vorne.

 

„Viel Glück, Crawley...du wirst es brauchen...“ Ich schluckte unmerklich und betrat das Büro.

„Crawley...schon zurück? Bist du bereits erfolgreich gewesen?“, fragte er mich. Misstrauisch hob ich eine Augenbraue.

„Natürlich nicht. Ich habe erstmal die Lage ausgekundschaftet.“ Er nickte, als hätte er diese Antwort erwartet.

„Gut....Es heißt, dass einer der Engel dich erwischt hat...tödlich...mit einem Flammenschwert.“

SHIT! Jetzt hieß es cool bleiben und ihm nicht zeigen, dass einem das Arschwasser ging. Ich räusperte mich und grinste.

„Nun, wir wissen, dass die meisten Engel mehr von sich überzeugt sind, als gut für sie ist. Übertriebenes Gerede...Sieh mich an. Ich habe keinen einzigen Kratzer. WIE soll er mich da erwischt haben?“ Sorgfältig beobachtete er mich und nickte dann.

„Ja sie übertreiben. Immerhin sind wir eigentlich stärker, als sie.“ Ich pflichtete ihm bei und er fragte, wie die Lage aussah.

„Nun...es dürfte ein leichtes sein, die Menschen davon zu überzeugen, die Äpfel zu essen. Es gibt nur einen einzigen Engel, der aufpassen soll, aber er...ist nicht besonders aufmerksam... Der andere kontrolliert nur ab und an.“ Ligur nickte, endlich zufrieden und meinte, dass ich nun fortfahren durfte und kroch wieder nach oben. Zum Glück achteten die Alteingesessenen auf alte Handwerkskunst und Geduld spielte eine weitgreifende Rolle dabei.

 

 

 

4004 vor Christus, Garten Eden, Tag 6 der Erde, 10:32 Uhr....

 

 

 

Als ich wieder an meinem Lieblingsplatz, der Erde, war, sah ich kurz nach links und rechts, vergewisserte mich, dass mich keiner sah und wandelte mich in eine Schlange. In meiner anderen Gestalt schlängelte ich mich durch den Garten, sah ihn mir genauer an. Hier war ich noch nie heraus gekommen. Hier standen mehr Büsche, als Bäume, die viele kleine Früchte trugen, mal rote, mal schwarze und blaue. Auch starre Pflanzen, die spitze Stacheln an den Spitzen hatten waren zu sehen, aber da ging ich besser nicht freiwillig hin. Ich kroch weiter, bis mir die Gegend bekannter vorkam. Zuerst sah ich am Apfelbaum nach, aber keine Spur von ihm. Ich kroch hinauf, wickelte den hinteren Teil meines Körpers um einen dicken Ast und ließ mich kopfüber hinab hängen. So blieb ich eine Weile, ehe ich laut zischte und wieder hinab kroch, war ich doch viel zu ungeduldig um zu warten. Er würde nicht einfach zu mir kommen. Ich hatte ihn mit meinem überhasteten Abgang verletzt und musste mich bei ihm entschuldigen.

 

An einem großen See, der auf der anderen Seite von mehreren Wasserfällen gespeist wurde, sah ich wieder diese Menschen. Sie badeten darin und unterhielten sich. Leise kroch ich näher, um zu verstehen, was sie sagten.

„Ich habe einen der verbotenen Früchte auf dem Boden gesehen, Adam. Jemand hat davon gegessen.“ Oh...das war dann wohl ich.

„Tatsächlich? Das...das ist doch aber verboten. Weißt du wer es war?“ Sie schüttelte den Kopf, meinte nur, dass der blonde Engel ihn entsorgt hatte, als sie ihn darauf angesprochen hatte.

„Also...hat er von diesen Früchten genascht?“

„Nein. Nicht das ich wüsste. Er hatte es mir nicht sagen wollen, wer es war. Seitdem redet er nicht mehr mit mir, wer weiß warum.“ Er hatte es niemanden verraten?

„Wundern würde es mich ja trotzdem nicht, Eva. Der Pfirsichbaum trägt schon gar keine Früchte mehr und er war voll davon. Allerdings ist mir aufgefallen, dass er seit gestern nichts mehr zu sich genommen hat. Er wirkte niedergeschlagen und wollte lieber alleine sein, am östlichen Tor. Das ist noch nie vorgekommen, an den ganzen sieben Tagen, an denen wir schon leben.“

Östliches Tor? Wo war das? Ich sah mich um, fand aber keinerlei Anhaltspunkte. Vielleicht konnten diese Menschen es mir verraten. Der Mann war wohl dieser Adam und seine Frau, Eva. Also kroch ich vorwärts, bis ich bei ihnen angekommen war.

„Entssschuligt... ich habe mich verssschlängelt. Könnt ihr mir sssagen, wo ich dasss össstliche Tor finden kann?“ Die Frau starrte mich an, lächelte dann aber sanft.

„Das östliche Tor? Bis DU etwa der Grund, warum Aziraphale so traurig ist?“ Aziraphale? Richtig...In Gedanken sagte ich ihn mir immer wieder auf, bevor ich ihn wieder vergaß. Doch ihre Worte ließen mich beschämt meinen Kopf senken. Ich konnte es mir nicht erklären, aber statt mich darüber zu freuen, wie es für einen Dämonen üblich war, fühlte ich mich mies. Ich wollte einfach nicht, dass er sich schlecht fühlte.

„Dort geht es lang. Ist nicht weit. Gehe...krieche einfach gerade aus, bis zum Ende. Du kannst es nicht verfehlen.“, meinte Adam. Ich dankte ihnen und machte mich auf den Weg. Es war tatsächlich nicht weit und ich sah ihn, hoch oben auf der Mauer sitzen. Er starrte in die Ferne und regte sich nicht, seine Flügel hingen einfach nur schlaff hinab. Was nun? Gefunden hatte ich ihn. Aber würde er mir verzeihen, wenn ich einfach so zu ihm ging? Vorher sollte ich mir noch was einfallen lassen, damit er mir nicht böse war. Ich wandelte meinen Körper wieder und suchte nach etwas brauchbaren. Schöpferkraft! Genau. Ich grinste, als mir eine Idee kam. Damals, als Engel war ich ebenfalls sehr kreativ gewesen und diese Gabe sollte ich wieder nutzen.

 

Ein wenig später betrachtete ich mein Werk und nickte zufrieden. Mein geschaukel vorhin hatte mich auf diese nette Idee gebracht.

Nun aber schnell hoch zu dem süßen Engel. Ich breitete meine schwarzen Flügel aus und stieß mich vom Boden ab. Meine Flügel waren nicht mehr so, wie früher, groß und majestätisch, dennoch erfüllten sie ihren Zweck. Nur selten wollte ein Gefallener seine Flügel zeigen. Meist begnügten sie sich damit, zu bleiben, wie man nach dem Fall aussah. Und ja...da sah man nicht selten unansehnlich aus. Ich schüttelte meinen Kopf, denn solche Gedanken waren gerade nicht sehr hilfreich. Sanft landete ich neben...Azlepha...verdammt! Azarariri...Azira...dem Engel und setzte mich zu ihm. Er sah angespannt aus. Man musste nicht klug sein, um zu wissen, dass er mich nicht sehen wollte. Aber das hatte mich noch nie aufgehalten, also strengte mich erst Recht an.

„Weißt du eigentlich, wie sich schaukeln anfühlt?“, fragte ich ihn und hoffte, er würde mir antworten. Verwirrt sah er zur Seite und damit mitten in meine Augen. Kurz zuckte er zusammen, ehe er sich verlegen räusperte.

„Nein.“

„Willst du es denn mal ausprobieren?“

„Danke, aber ich habe gerade...keine Lust.“ Er strengte sich aber mächtig an, mir die kalte Schulter zu zeigen. Aber ich war Profi und fühlte mich persönlich herausgefordert. Zeit für ein bisschen Wahrheit...

„Hey...ich...ich möchte mich für gestern entschuldigen. Ich hätte nicht einfach abhauen sollen, aber ich rede nicht gerne...über den größten Fehler meines Lebens....ich hätte es dir erklären sollen...“

Er sah mich wieder an, aber schwieg. Nun gut, dass reichte ihm wohl nicht...Ich überlegte, was ich ihm sagen konnte, musste wieder an unten denken und dann fiel der Groschen. Unten. Ich hatte diesen unerträglichen Schmerz nicht mehr fühlen müssen. Ob es an seiner Heilung gelegen hatte? Höchstwahrscheinlich.

„Ich meine...es tut weh, darüber zu sprechen...und ehrlich gesagt... hat der Schmerz eigentlich niemals aufgehört...nur...seit deiner Heilung... schmerzt es nicht mehr. Danke...“

Nun lächelte er schwach und sah dann in den Himmel. Hatte er mir verziehen?

„Gern geschehen. Das verstehe ich. Ich rede nicht gerne über diesen Körper.“ Ich konnte nicht anders. Meine Natur verlangte danach.

„Warum?“ Lange schwieg er und ich wartete geduldig. Dies zahlte sich aus. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich seine schlaff herab hängenden Flügel wieder glatt strich und in Form brachte, damit sie wieder strahlten. Die Wellen des Glücks durchfuhren mich und ich fühlte mich sofort... angekommen. Ein komisches Gefühl. Vertraut und doch fremd...

„Das war nicht der Körper, den ich vorher hatte. Ich habe ihn...auf eigene Faust geändert. Nun...ich wäre eigentlich größer gewesen, mein Gesicht kantig und der Körper vollbepackt mit Muskeln. Meine Haare waren glatt, lang und braun. Meine Haut wäre etwas dunkler gewesen. Das...das passt nicht zu mir. Wer auch immer wollte, dass ich SO aussah...na ja. Es war mir zu...einheitlich und zu...perfekt. Macht das irgendwie Sinn?“ Lächelnd betrachtete ich sein rundes Gesicht, die schöne helle Haut und die kurzen blonden Locken, die mich förmlich dazu drängten, sie zu durchwühlen. Dann riss ich mich von seinem Anblick los, sah in die Ferne und schwieg eine Weile.

„Ja. Es macht Sinn. Das hätte wirklich nicht zu dir gepasst. Ich bin froh, dass du dich umentschieden hast.“ Er nickte und meinte, es hätte was mit Gabriel zu tun gehabt, denn dann hätten sie fast gleich ausgesehen. Ein unbekanntes Gefühl fraß sich durch meinen Magen. Er sollte nicht von anderen Engeln reden...schon gar nicht von...DEM. Immerhin hatte er mich angegriffen. Was wenn sie sich gegenseitig...angetan waren? Nein. Ich wollte den Engel mit niemanden teilen. Ich musste mich ablenken, also sah ich ihn erneut an.

 

„Komm. Ich muss dir die Schaukel zeigen, die ich geschaffen habe.“

Er folgte mir zögernd und strahlte mich an, als er sah, was ich kreiert hatte. Der Heiligenschein um seinen Kopf leuchtete dabei hell auf und ließ seine Haare noch stärker schimmern.

„Oh...das sieht aber...ungewöhnlich aus. Was ist das nochmal?“

„Ich nenne es Schaukel. Komm, sie ist groß genug für uns beide.“ Ich setzte mich darauf und er tat es mir gleich.

„Und jetzt?“ Grinsend hielt ich mich an den Seilen fest, die ich gewundert hatte, stemmte meine Füße in den Boden und schubste uns damit an. Der Engel erschrak sich und klammerte sich an mir fest. Musste ich daran erinnern, was diese Hände in mir auslösten? Nun hatte ich aber den halben Körper des Engels an meinem und stand regelrecht in Flammen, während ich uns hin und her wiegte. Langsam gewöhnte er sich daran und krallte sich nicht mehr ganz so verkrampf an mich, was ich ein wenig bedauerte. Der Engel sah mich an und lächelte glücklich.

„Das kribbelt im Bauch. Hihihi. Das fühlt sich schön an.“, meinte er und schloss genießerisch seine Augen, lehnte seinen Kopf dabei an meine Schulter, die ich sofort straffte. Mein Bauch kribbelte ebenfalls... aber das hatte nichts mit dem Geschaukel zu tun. Ich fühlte mich, als wäre ich wieder im Himmel, doch ich war ja kein Engel mehr... Ich sollte ein wenig den Dämon raushängen zu lassen.

„Weißt du...der Apfel schmeckte köstlich. So süß...Waren die ganzen Pfirsiche nicht auch so schön süß?“ Verwirrt sah er zu mir auf.

„Was...meinst du?“, fragte er, sah mich mit großen Augen an, die meinen Bauch noch stärker kribbeln ließen.

„Willst du nicht auch mal...einen Apfel probieren?“ Mit offenem Mund starrte er mich an, löste sich von mir und schnappte empört nach Luft.

„NEIN! Ich bin geschockt, dass du mich das überhaupt fragst.“ Damit sprang er von der Schaukel und stampfte regelrecht von dannen, mich einen bösen Dämon schimpfend. Ich grinste und schaukelte weiter. Ich hatte ja noch ein bisschen Zeit und ihn zu ärgern machte einfach viel zu viel Spaß. Die Sonne schien hoch oben am Himmel und nach ein paar Minuten entschied ich mich, ihm zu folgen.

Ich fand ihm am Apfelbaum, er starrte mich wütend an, doch ich lächelte.

„Aphiarelee....“ Sein Blick wandelte sich, seine Lippen verzogen sich und er versuchte ruhig zu bleiben. Doch dann brach es aus ihm hinaus. Er lachte. Er lachte so heftig, dass er sich hinsetzen musste, fiel dann doch um und kugelte sich hin und her. Nach einiger Zeit, indem ich die Züge des Engels noch eingehender studiert hatte, beruhigte er sich wieder. Er war so faszinierend.

„Ich heiße Aziraphale. Ganz einfach.“ Ich wiederholte den Namen immer wieder, doch ständig machte ich einen anderen Fehler und der Engel lachte jedes Mal herzhaft dabei. Es war so schön, ihn lachen zu sehen. Es sollte nicht enden. Doch es endete und er lag erschöpft vom vielen Lachen, im Gras. Nun war er entspannt, mir nicht mehr böse und ich musste wieder an die Menschen denken und was sie immer zusammen taten. Das hatte so spaßig ausgesehen. Da fiel mir ein...

 

„Sag mal, Engel...als das Leuchten in den Bauch von Eva gefahren ist...was ist da eigentlich passiert?“

„Das weißt du nicht?“ Ich schüttelte den Kopf und er biss sich in seine Unterlippe.

„Nun...das ist das Wunder gewesen. Sie hat ein Kind empfangen.“

„Was ist ein Kind?“

„Ein neuer Mensch. So entstehen die Kinder der Menschen nun mal. Zuerst ist es im Bauch und wächst heran, bis sie gebären kann....es auf die Welt bringen. Es ist am Anfang noch ganz klein und wächst dann, bis es ein erwachsener Mensch ist, wie Adam und Eva.“ Ich nickte. Klang einleuchtend, aber wie hatte sie das Leuchten dazu gebracht? Diese Frage stellte ich ihm auch gleich und er sah mich nur ungläubig an.

„Wenn du das Leuchten gesehen hast, hast du auch gesehen, was sie davor gemacht haben...“ Ich nickte abermals.

„Dies hat es verursacht. Durch die Vereinigung ihrer Körper.“ Erschrocken starrte ich ihn an.

„Bei jeder?“

„Aber nein. Nicht bei jeder...nun der Zeitpunkt muss einfach passen und wenn erstmal eins im Bauch der Frau heran wächst, muss dieses erst geboren werden, ehe sie erneut ein Kind empfangen kann.“

„Verstehe...“ Ich verstand tatsächlich. Hatte das eigentlich je ein Engel versucht? Oder ein Dämon? Vermutlich nicht. Wir hatten ja eigentlich kein Geschlechtsleben. Dennoch sagte etwas tief in mir, dass es möglich war. Vorher hatte ich nie darüber nachgedacht. Doch jetzt... Ob auch das an dem Apfel lag? Und ob der Engel ein Kind gebären würde, wenn ich das so tun würde, wie es die Menschen gemacht hatten? Oder ging es durch ein einfaches Wunder? Ich wollte ihn das schon fragen, doch ein unangenehmer Geruch kam mir erneut in die Nase und ich meinte, ich würde Gabriel riechen. Panisch raffte der Engel sich auf und drängte mich dazu, zu verschwinden.

„Wenn er dich hier findet, bringt er dich um. Versteck dich.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und verwandelte mich hastig.

Nach einiger Zeit des fort schlängelns, traf ich auf den weiblichen Menschen, der alleine im Gras saß und ich grinste. Eva streichelte ihren Bauch, als wäre sie die einzige, die es wusste und verbarg somit ihr süßes Geheimnis. Neben ihr lagen einige schmackhaft aussehende Früchte. Sie schien Hunger zu haben und aß eine Frucht nach der anderen.

 

Hallo Eva...alles in Ordnung?“ Die Frau sah zu mir und lächelte.

„Hallo Anthony. Ja ich bin vollkommen zufrieden.“ Ich machte ein zischendes Geräusch.

Wie hast du mich gerade genannt?“

„Oh...äh Aziraphale nannte dich mal so...da dachte ich...“

Mein Name ist Crawley.“

„Oh...“ Was fiel dem Engel eigentlich ein, mir einfach einen Namen zu verpassen? Ich hatte doch bereits einen und er hätte ja auch mal danach fragen können. Anthony? Wer wollte schon Anthony heißen? Obwohl er einen ganz netten Klang hatte.

Du hast also ein Kind in deinem Bauch?“, fragte ich sie neugierig und ließ das mit dem Namen auf sich beruhen. Eva konnte ja nichts dafür. Sie lächelte und fragte, woher ich das wusste.

„Das Leuchten. Es ging direkt in deinen Bauch. Ich frage mich wie groß es ist, wenn es heraus kommt...und wie?“ Darauf konnte sie mir auch keine Antwort geben.

„Möchtest du was zu essen? Ich kann gar nicht aufhören damit. Adam besorgt gerade Nachschub.“ Ich nickte und verschaffte mir einen kleinen Überblick. Da waren die Pfirsiche und orangene Früchte in verschiedenen Größen. Die einen waren groß und schienen rau, andere mittelgroß und die kleinsten hatten eine glatte Oberfläche. Dann war noch eine gelbe Frucht, die eine seltsame Form hatte und kleine rote. Bisher hatte ich nur eine Frucht gegessen und die hatte mir geschmeckt.

Nein danke. Es gibt nur eine einzige Sorte, die ich esse und die ist leider nicht dabei.“

„Welche?“, fragte sie und ich wackelte mit den Augenbrauen...wenn ich welche als Schlange gehabt hätte.

Die Äpfel...“

„Hast du etwa davon...gegessen?“ Ich nickte und erklärte ihr, dass dieser Baum Magie beinhaltete.

Er ist der Baum der Erkenntnis. Was wichtig ist zu wissen....der Unterschied zwischen gut und böse, Scham und das das Leben nicht unendlich ist. Was noch kommen wird, was die Wahrheit ist. Ich habe gegessen und erkannt. Nun kann ich zwischen Gestalten wechseln und kenne die möglichen Absichten des Herrn und warum er uns erschaffen haben mag. Es ist wichtig, Fragen zu stellen. Ohne Fragen gibt es keine Antworten.“ Nachdenklich sah sie in die Richtung, in der der Baum stand, der verboten war und nickte, als Zeichen, dass sie mich verstand.

Ich würde mich ja nicht damit zufrieden geben, dass der Herr absichtlich eine Menge Informationen von euch fernhält. Wenn er wirklich nicht wollte, dass ihr davon esst, hätte er ihn nicht mitten im Garten aufgestellt. Was kann schon passieren? Mir ist nichts passiert. Aber gut...MIR hat er ja nicht verboten davon zu essen.“ Sie verzog ihr Gesicht, fand es bestimmt ungerecht, wobei ich ihr nur beipflichten konnte.

 

Dann kam der Engel zu uns und wirkte aufgewühlt. Er setzte sich und lächelte gezwungen zu Eva, ehe er mich scharf ansah. Uhhh das roch nach Ärger für mich...

„Es scheint, dass hier ein Dämon im Garten ist. Gabriel meinte, dass er einen sehr schwer verletzt hatte.... Er war groß, dunkle Kleidung...rotes Haar...“ Oh oh...Zeit zu verschwinden...

Nun Eva...es war mir ein Vergnügen...“, meinte ich nervös und versuchte, unauffällig das Weite zu suchen.

„Hier geblieben!“ Ich keuchte auf, als er mich mit einer Hand meinem Kopf an den Seiten packte und ich mich nicht mehr bewegen konnte. Den Rest meines Schlangenkörpers hob er spielend hoch und meinte zu Eva, er müsste kurz alleine mit mir sprechen. Er trug mich zum See, ich war völlig außer Gefecht gesetzt und starrte ihn einfach nur an.

„Wie konntest du mir nur so etwas wichtiges verschweigen?“, schimpfte er drauf los. Sollte ich so tun, als wäre nichts?

Was denn?“

„Duuuuu....“ Drohend sah er mich an und ich erkannte, dass ich ihn besser nicht reizen sollte.

Etwa das Gabriel...dein VORGESETZTER, mich fast... umgebracht hätte?“

„Genau das. Weißt du denn nicht, dass ein Flammenschwert einen Dämon derart schwächen kann, dass der Körper stirbt...und damit nicht genug. Er muss mit der Kraft eines Engels geheilt werden, sonst kann es passieren, dass der Dämon keinen neuen Körper mehr annehmen kann. Im schlimmsten Fall wird deine Existenz ausgelöscht, falls es ein besonderes Flammenschwert war. Du hast Nerven dein Leben derart leichtfertig zu riskieren. Wenn ich nicht gewesen wäre...“

Beschämt wollte ich meinen Kopf senken, doch ich konnte mich immer noch nicht bewegen.

Engel...tut mir leid...Das wird nicht mehr vorkommen.“ Doch meine Worte schmälerten dieses Gemisch aus Wut, Enttäuschung und Trauer nicht im Mindesten, was mich gleich noch mieser fühlen ließ.

„Ich habe Gabriel gesagt, dass ich nur eine Blutspur gefunden habe, ich den Dämon suchen werde und nun geht er wieder nach oben. Schlimm genug, dass er mich kontrolliert. Ich habe einem Dämonen das Leben gerettet... Weißt du eigentlich was für ein Risiko ich eingehe, weil ich dich nicht selbst vernichte? Wir...wir sollten uns nicht mehr sehen...Geh dahin, wo du her gekommen bist.“ NICHT.SEIN.ERNST? Ich starrte ihn ungläubig an. Spürte er denn nicht, dass zwischen uns etwas ganz besonderes war? Er ließ locker und legte mich auf dem Boden ab.

„Mach´s gut...verschwinde solange du es noch kannst.“ Damit drehte er mir den Rücken zu und ging zu Eva. Ich blieb zurück und spürte zum ersten Mal, einen stechenden Schmerz, dort, wo sich mein Herz befand.

Der Engel forderte den Menschen auf, mit ihm zu kommen und sammelte das Obst in seinem Gewand. Lange sah ich ihnen noch nach, während Verzweiflung und Einsamkeit mich überrollten. Ich wollte schreien und weinen, aber es kam weder ein Laut aus mir heraus, noch wollte mein Körper Tränen der Trauer vergießen. Ich war allein...verlassen worden... wie damals, nach dem Fall. Ich hatte niemanden mehr...

Meinen Schlangenkörper rollte ich so klein zusammen, wie es nur ging und regte mich nicht mehr. Sollte dieser Gabriel doch kommen. Ohne den Engel wäre mein Leben gar nicht mehr lebenswert.

 

~

 

Irgendwann stupste mich etwas an, aber ich blieb wie ich war. Keiner würde mich dazu bewegen, zu reagieren. Sollten die Dämonen doch schauen, wie sie die Menschen verführt bekamen. Der Engel hasste mich... und das war schlimmer, als alles andere.

„Hey...“ Ich zuckte zusammen. Das war seine Stimme. Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich ihn nicht mal kommen gehört hatte.

„Komm schon, ich weiß das du mich hörst. Warum bist du noch hier?“ Warum? Weil es mir egal war, was mit mir passierte. Der Engel wollte mich nicht mehr sehen. Er hatte nichts für mich übrig, also wen kümmerte es? Mein Herz fing wieder an zu schmerzen, doch auch das war mir egal. Schmerzen war ich gewohnt.

„Ich hatte gesagt, du sollst gehen. Bitte geh endlich...sonst...“ Ich hob meinen Kopf blitzschnell und funkelte ihn an. Er erkannte wohl den Schmerz in meinen Augen und zuckte zusammen, ließ dabei sein Schwert fallen.

Sonst? Tötest du mich? Tu dir keinen Zwang an.“, meinte ich und rollte mich wieder fest zusammen.

„Ich...ich würde nie...irgendetwas töten...Das wäre nicht richtig.“ Doch ich antwortete ihm nicht, blieb liegen, bis mich Gabriel fand und zur Strecke brachte. Vielleicht würde mein Herz vorher noch zerbrechen und dann würde ich eh sterben. Vielleicht besser so.

Er sagte nichts mehr, ging aber auch nicht weg, sondern setzte sich zu mir, legte sein Schwert, das er fallen gelassen hatte, zu sich, welches nicht mehr flammte und wartete.

 

Die Nacht war bereits hereingebrochen und ich lugte vorsichtig zu ihm. Er saß immer noch neben mir, schien aber zu schlafen. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Wir mussten nicht schlafen, wie die Menschen und doch...war es nicht verwerflich, es auch zu tun. Ich musste lächeln, auch wenn es ein trauriges war. Leise kroch ich näher und seufzte leise. Wundervolle Wärme ging von ihm aus und ich begann, von innen her zu frieren. Ob er es merken würde, wenn ich mich an ihn kuscheln würde? Eine Hand legte sich auf meinen Körper, hielt ihn fest und ich erschrak fürchterlich. Dann sah ich in die Augen des Engels, die nun nicht mehr geschlossen waren. Dieser... er hatte mich hereingelegt...War ich nicht hier derjenige, der andere hereinlegte?

„Du zitterst.“ Es war keine Frage, nur eine simple Feststellung. Doch ohne ein weiteres Wort hob er mich auf seinen Schoß, hüllte mich in seine Aura ein und wärmte mich. Erleichtert schmiegte ich mich an seinen Körper, der tatsächlich so weich war, wie ich es mir vorgestellt hatte...nur viel besser.

„Du wirst nicht gehen, oder? Du wirst deine Aufgabe erfüllen und versuchen Ärger zu machen? Nun...ich kann dich beruhigen. Du hast es bereits geschafft.“ Ich hob meinen Kopf und sah ihn fragend an. Sein Gesichtsausdruck war kaum zu benennen, denn er bemühte sich, seine Gefühle vor mir zu verbergen und war sehr gut darin.

„Etwas hat sich gerade verändert...spürst du es nicht?“, fragte er mich angespannt. Ich horchte in mich hinein und dann spürte ich, wie der Boden anfing, zu vibrieren und danach eine Wut von jemanden, konnte es aber nicht benennen. Erklären musste er nichts mehr, denn etwas weiter entfernt sahen wir, mitten in der Nacht, ein gleißendes Licht, welches auf die Erde schien und dann die dröhnend wütende Stimme des Allmächtigen ertönte.

Adam! Eva! Wie könnt ihr es wagen, die Früchte zu essen, die ich euch verboten habe?“ Sie haben...oh... das war dann wohl meine Schuld. Aber ich hatte es nicht mal mit Absicht getan...Wieso sollte es dann überhaupt zählen? Ich seufzte. Diese Stimme wieder zu hören, nach all der langen Zeit, stimmte mich traurig. Abermals bereute ich, was ich damals getan hatte.

Morgen früh werdet ihr hier verschwinden. Ihr habt eure Reinheit abgelegt und gesündigt. Verbannt sollt ihr werden und hier her niemals mehr zurück kehren.“

Ein ohrenbetäubender Krach folgte, dann war es gespenstisch still.

Ich wagte nicht, diese Stille zu unterbrechen, aus Angst, der Herr würde mich hören und aus Wut, dass ich mich von einem Engel wärmen ließ, mich vernichten. Also schwieg ich. Die ganze Welt schwieg, bis ein lautes Schluchzen, welches nur von Eva kommen konnte, die Stille durchbrach und wir von allen anderen Anwesenden, ein aufatmen hören konnten. Der schöne Engel weinte stumm um die Menschen und nach einiger Zeit, wischte er sich sein Gesicht ab und wagte es wieder, zu sprechen.

„Wir werden hier warten, bis die Nacht vorbei ist, dann müssen wir alle den Garten verlassen.“, meinte der hübsche Blonde. Jetzt schon? Ich wollte nicht, dass unsere Zeit schon vorbei war.

Wenn wir schon alle rausgeschmissen werden...lass uns den Garten noch ein wenig genießen.“

Er sah mich streng an und auch wenn er immer noch darauf achtete, keine Gefühle nach außen dringen zu lassen, fühlte ich, dass er sehr enttäuscht von mir war. Das machte mich ein wenig traurig, aber ich durfte mich davon nicht abhalten lassen.

„Ach? Und wie?“ Ich verwandelte mich umgehend wieder in meine dämonische Form. Als Schlange hatte ich locker auf seinen Schoß gepasst, doch nun nicht mehr, war ich ja größer als er. Ich grinste ihn an und tat mein Bestes, ihn von dem ganzen Kummer abzulenken. Das musste ja ein seltsames Bild abgeben. Ein Dämon auf dem Schoß eines Engels, der einen seltsamen Gesichtsausdruck hatte und versuchte, meinem Blick auszuweichen. Doch es hatte keinen Sinn. Ich konnte ihn sehr genau sehen und genauso spüren, dass es ihm unangenehm angenehm war, dass ich auf ihm saß.

„Wie wäre es mit einem nächtlichem Bad im See?“ Er verdrehte die Augen.

„Du hast Nerven, jetzt ans baden zu denken.“

„Nun...es wäre das letzte Mal...vielleicht für immer. Ich dachte ja nur...“ Hatte er mich zuerst nur skeptisch angesehen, schluckte er und verstand.

„Baden hört sich gut an.“

 

 

Der See sah in der Nacht dunkel und unheimlich aus, doch das machte es nur reizvoller für mich. Ich öffnete mein Gewand und ließ es von meinen Schultern gleiten, ging nackt auf das Ufer zu und sah kurz nach hinten, wo ich den Engel vermutete. Er starrte mich ungläubig an.

„Was ist?“ Willst du mit dem Gewand schwimmen? Das mindert nur das Gefühl von Freiheit. Aber bitte, wie du willst.“ Mit einem Sprung tauchte ich in das kühle nass, welches mich sofort wieder abkühlte, aber auf eine angenehme Weise. Mein Körper hatte die Wärme des Engels gespeichert und ich konnte davon nun Jahrzehnte lang zehren, sollte ich das müssen.

Ich tauchte wieder auf und sah zum Ufer. Sein Gewand lag einsam und verlassen in der Wiese, genau wie das Flammenschwert, aber kein Engel weit und breit. Wo war er nur?

Dann spürte ich etwas an meinem Fuß, es packte mich und zog mich wieder unter Wasser. Ein Funkeln lenkte meine Aufmerksamkeit auf den nackten Engel, der mich angrinste und dann vor mir davon schwamm, dabei wieder auftauchte. Na warte... Ich jagte ihm nach und gerade als er wieder aufgetaucht war, streckte ich ebenfalls meinen Kopf aus dem Wasser. Mit einem Schrei stürzte ich mich auf ihn, doch er wich mir aus und drückte mich an meinen Schultern nach unten. Sein Lachen war deutlich zu hören, als ich gerade noch Luft holen konnte und mir erneut die Unterwasserwelt ansehen durfte. Dafür rannen mir heiße Schauer über meinen Körper, seine Hände schickten wohlige Wärme durch meinen Körper und ließen ihn entspannen. Selig tauchte ich auf und grinste ihn an. Er erwiderte es vorsichtig und begann zu schimpfen, als ich ihn heiter vollspritzte. Ich hörte aber nicht damit auf, selbst als er mich warnend ansah.

„Leg dich nicht mit Engeln an...“, meinte er und augenblicklich brach eine hohe Welle über mir zusammen. Lebendig, frei und voller Freude war mein Schrei, der verstummte, als ich wieder nur Wasser sah. Das war das Schönste Gefühl der Welt, wenn alle diese Emotionen mich bis ins Tiefste meiner Seele erfüllten. Ich lachte laut, als ich auftauchte, ließ mich auf dem Rücken treiben, die Ohren waren unter Wasser und hörte alles nur gedämpft. Doch die leise gemurmelten Worte des Wesens neben mir, hätte ich nicht hören sollen....ich hörte sie trotzdem.

„Ich fasse es nicht...ein niedlicher, liebenswerter Dämon...“

Niedlich? Ich? Ich war das garantiert nicht, wollte ihn aber nicht verschrecken, also ignorierte ich es einfach. Liebenswert? War ich das? Konnte man mich wirklich lieben...so wie ich war und vor allem, für das was ich war?

Das ließ ich mal so stehen und genoss einfach diese für mich nie gekannte Zweisamkeit. Warum einen perfekten Moment zerstören? Was er noch sagte bekam ich nicht mit, waren sie dafür einfach zu leise gewesen. Wir planschten noch eine Weile, ich sah zur Seite und bemerkte, dass Azilulu neben mir war und ebenfalls auf dem Rücken trieb. Lange konnte ich ihn beobachten, wie er mit geschlossenen Augen die Ruhe und den Frieden genoss, der trotz allem nur eine Illusion war, genau wie unser friedliches und freudiges Beisammensein. Ich wusste, dass er nur fröhlich tat. 

 

Meine Unachtsamkeit bereute ich jedoch, als mich ein tosender Wasserfall wieder unter Wasser brachte. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen und gehört hatte ich ihn auch nicht...wie war das nur möglich?

Hustend kam ich wieder an die Oberfläche und starrte den lachenden Engel böse an. Mein ganzes Gefieder war nun bestimmt durcheinander und ich achtete penibel darauf, meine Flügel sauber und gepflegt zu halten, anders als er.

„Der böse böse Wasserfall...hat er dich überrascht?“, fragte er unschuldig. Sein ganzes Wesen war wie ein Sturm, der mich durchschüttelte. Er hatte mehr von einem Dämon in sich, als er zugeben wollte und das gefiel mir. Mir wurde auf einmal sehr heiß, dann wechselte es zu kalt und erneut zu heiß. Ich wollte ihm ins Gesicht sagen, dass ich mit ihm zusammen sein wollte, ihn mochte...mehr als das. Ich konnte mir selbst nicht erklären, warum ich plötzlich diese Flut an Gefühlen in mir hatte, obwohl ich doch ein Gefallener war und das eigentlich gar nicht spüren sollte. Außerdem wollte ich ihn an irgendeine Wand oder auf den Boden pressen und ihm meinen Mund aufdrücken, wie es Eva bei Adam gemacht hatte. Dann würde ich dem Engel erzählen wie schön er war und dass er mich bereits verführt hatte. Sein Funkeln in den Augen wurde stärker. Was genau war das? War es...etwa...wirklich...

„Alles in Ordnung?“, fragte er, sah mich dabei nicht mal an und riss mich damit aus meinen Überlegungen und den seltsamen Gedanken, die mich einfach nicht losließen.

„Ja...“, meinte ich und schluckte alle diese lächerlichen Worte hinunter, die ich ihm fast gesagt hätte. Wir waren ein Engel und ein Dämon. Unsere Seiten waren verfeindet und wir beide hatten keinerlei Chance, dem zu entgehen. Außerdem war ich eigentlich hier, um irgendwas böses zu tun und nicht, um seinen Mund mit meinem zu bearbeiten. So toll war das bestimmt nicht, auch wenn mein Innerstes danach schrie.

„Komm. Ich will dir was zeigen.“ Er schwamm durch den Wasserfall hindurch und war dann nicht mehr zu sehen. Schnell folgte ich ihm, sah, wie er sich bereits am Ufer nach oben hievte und aus dem Wasser kletterte. Ihn so entblößt zu sehen war einfach traumhaft. Ich lächelte und tat es ihm gleich, versuchte aber, es mir nicht anmerken zu lassen, dass diese...Gedanken wieder kamen und an mir zerrten, mich überzeugen wollten, dass es richtig war, was ich fühlte und wir alles riskieren sollten. Und ich konnte nicht aufhören, diesen schönen Hintern anzusehen. Ob er auch so weich war? Doch ich wagte nicht, dass auszutesten. Ich würde es nur tun, wenn es der Engel so wollte.

Ich schüttelte meinen Kopf und riss mich von dem herrlichen Anblick los und betrachtete die Umgebung.

Hier war alles aus Stein, es roch feucht und irgendwie verboten, worauf es mir gleich doppelt so viel Spaß machte. Zwei Wege zweigten sich von der Höhle ab. Der eine Weg führte nach draußen, denn man sah schwach den Mond in die Höhle hineinscheinen. Der andere müsste tiefer hinein führen. Er wählte den linken Weg, der weiter ins Ungewisse führte und ich beeilte mich, aufzuholen.

„Wo gehen wir hin?“ Meine Worte prallten vom Gestein ab und wiederholten sich immer und immer wieder, ohne dass ich was sagen musste. Seltsamer Ort. Er antwortete nicht, sondern tastete sich konzentriert, aber extrem langsam in dem engen Gang voran. Nach einer Weile des Zusehens, fragte ich ihn entspannt, ob ich nicht vor gehen sollte, denn ich sah im Dunkeln wunderbar. Er blieb sofort stehen, drehte mir sein Gesicht zu und sah mich finster an.

„Das hättest du mir früher sagen sollen. Wir hätten längst da sein können...“ Ich verdrehte meine Augen. Die Antwort wäre nur eine Frage entfernt gewesen. Also ging ich vor und schnappte mir gleich seine Hand, damit er nicht im Dunkeln verloren ging. Ich spürte sein Zögern und dass er mir nicht vertraute, was mir einen schmerzhaften Stich in mein Herz einbrachte, gemischt mit dem schönen Prickeln meiner Hand, die die des Engels hielt. Aber da ich die Verführung der Menschen ausgeführt hatte, freiwillig oder nicht, war es demnach berechtigt und ich musste mir sein Vertrauen erst wieder erarbeiten. Wir brauchten nicht lange, da hatten wir das Ende des Ganges erreicht und gelangten in einen Raum, der am Boden mit verschiedenen weißen Zeichen und Symbolen versehen war und ich wusste sofort, WAS genau es war.

„Ein Portal...“

„Richtig. Es führt direkt in den Himmel. Nun Dämon...was fängst du mit dieser Information an?“ Mein Blick wanderte zu ihm und ich konnte in seinem, äußerstes Misstrauen und Enttäuschung erkennen, Gefühle, die er die ganze Zeit vor mir verborgen hatte, nun aber mit voller Wucht auf mich einprasselten. Er erwartete sicher, dass ich wie ein gewöhnlicher Dämon handeln und den anderen davon erzählen würde, doch das Gegenteil war der Fall. Hatte er mir eine Gelegenheit geschaffen, mich zu beweisen? Ich würde ihn nicht nochmal enttäuschen, denn dies schmerzte schlimmer als mein Fall.

„Was soll ich damit schon anfangen? Es ist ein Portal für Engel. Selbst wenn ich es benutzen könnte...wofür? Um einen Krieg anzuzetteln? Das wäre vielleicht gut für die anderen Dämonen, immerhin hätten sie einen Grund, ihre Langeweile zu beenden. Aber wenn sie alle kämpfen, wer wird für die Menschen da sein und vor allem...würde man diesen Planteten durch die Kämpfe zerstören, bis nichts mehr übrig ist.“ Noch starrte er mich an und wartete, ob ich noch was sagen wollte. Selbst ich kannte die eigentlichen Pläne.

„Dabei steht doch geschrieben, dass eine neue Welt entsteht, die 6000 Jahre wärt und dann erst zerstört wird, durch den letzten Kampf zwischen Engel und Dämonen...das habe ich jedenfalls gehört.“ Er nickte.

„Ich habe das auch gehört. Apokalypse nennen sie es. Somit ist es ein begrenztes Arrangement des Friedens, auch wenn sich bestimmt nicht alle daran halten werden.“

„Nein das werden sie nicht. Aber es soll streng kontrolliert werden. Mir nur Recht. Ich mag die Erde irgendwie.“

„Ach? Ein Dämon, der die Zwischenwelt mag? Solltest du dich nicht unten wohler fühlen?“, fragte er gereizt. Ich antwortete nicht. Wenn er wüsste, wie es wirklich dort unten war, würde er mich sicher aus Mitgefühl ausliefern, damit ich nicht leiden musste. Ich könnte ihn das ja mal fragen. War nicht auszuschließen, dass er mich hier her gelockt hatte und ich nun sterben würde. Solange es dem Schönen mir gegenüber gut ging, war es ok.

„Ich habe dich was gefragt, also antworte auch.“ Den Gefallen tat ich ihm nicht, stellte dafür lieber meine eigene Frage.

„Also wirst du mich jetzt in den Himmel bringen, damit sie mich erledigen können? Immerhin kannst DU es nicht.“ Er holte geräuschvoll Luft, starrte mich geschockt mit großen Augen an.

„Was zum...das...ich...“ Ich ging langsam auf ihn zu und er wich immer weiter vor mir zurück, bis er an die Wand stieß. Bei ihm angekommen legte ich meine Hände links und rechts neben seinem Kopf ab und flüsterte ihm was ins Ohr.

„Was denn? Ich dachte du bist darauf aus, mich endlich loszuwerden. Einer von uns weniger... Oder...trifft das Gegenteil zu?“

Ich löste mich wieder von ihm, sah ihn erwartungsvoll an, aber er schwieg. Also setzte mich auf den Boden und begann, meine Flügel zu säubern, dessen Federn immer noch nass waren und in alle Himmelsrichtungen standen. Durch einen Gedanken waren sie trocken und brachte sie wieder in Form. Der Engel sah mir nur zu, verbarg erneut seine Gefühle, kümmerte sich aber kein bisschen um seine Flügel, also stand ich wieder auf, als ich fertig war.

 

„Komm setz dich. Ich mache das mit deinen Flügeln, dass kann man sich ja nicht mit ansehen.“ Unsicher folgte er meiner Anweisung und ich begann, langsam und vorsichtig, mich um diese wunderschönen Federn zu kümmern. Ich fühlte die Schauer, die durch ihn durchjagten und sah die Gänsehaut auf seinem nackten, perfekten Körper. Wären wir nur nicht an unsere Seiten gebunden, hätte ich ihn gefragt, ob er mit mir in irgendeinem anderen Sonnensystem leben wollte. Nur er und ich. Ich wäre das glücklichste Wesen aller Zeiten und würde mich bemühen, ihn ebenfalls glücklich zu machen.

„Danke...“, nuschelte er mit gerötetem Gesicht, als ich fertig war.

„Kein Thema...was möchtest du noch machen?“

„Wir sollten von hier verschwinden. Nicht das Gabriel auf einmal auftaucht.“ Also hatte er mich wirklich nur prüfen wollen? Ich nickte und half ihm auf, schnappte mir wieder seine Hand und lotste uns beide in ein paar Minuten heraus und ging zum rechten Gang, der geradewegs wieder auf die Wiese führte. Schweigend und immer noch völlig nackt, umrundeten wir den See, bis wir bei unseren Gewändern angekommen waren. Wir zogen uns an und setzten uns. Er steckte das Schwert wieder in die Erde und ließ es aufflammen, damit wir uns daran wärmen konnten. Sein Blick glitt über den See und meiner nach oben.

„Eine schöne, klare Nacht. Es wirkt, als wäre nicht gerade was schlimmes für die Menschen passiert. Es wirkt alles friedlich und wie immer.“ Ich schwieg dazu und starrte weiterhin in den Himmel. Oh...den Stern da hatte ich erschaffen. Hell strahlte er uns an und ich fragte mich, ob ich dem Engel je begegnet wäre, wenn ich nicht gefallen wäre. Wahrscheinlich nicht. Recht selten war ich im Himmel gewesen, hatte lieber die Sterne erschaffen und die anderen Engel weitgehend gemieden. Ich war schon immer anders gewesen und fand das Gebaren der Engel, nicht mit meiner Natur zu vereinbaren. Nur ein einziger Tag. Ein Zufall... Der hatte alles verändert.

„Woran denkst du?“ Ich schluckte. Er war...wie ich. Anders. Weswegen ich mich dazu entschied, ihn niemals anzulügen.

„An Veränderungen.“ Er nickte.

„Sie wirken oftmals so, als wären sie schlecht...aber meist ist das zu klein gedacht. Es kommt immer drauf an, in welchem Blickwinkel man es sieht und was man daraus macht. Dann kann man in etwas vermeintlich schlechtem, das Gute daran erkennen und daraus lernen. Meist stellt es sich heraus, dass man genau das gebraucht hat, um weiter zu kommen.“ Ich ließ diese Worte auf mich wirken und nickte. Mit ihm konnte man sich wenigstens tiefgründig unterhalten.

Die meisten Dämonen taten immer dasselbe und veränderten überhaupt nichts. Für sie war es Fakt, dass wir nur böse Dinge zu tun hatten und dachten nicht darüber nach, ob das alles Sinn machte und ob wir nicht vielleicht doch irgendwann wieder in den Himmel konnten, wenn wir gute Dinge tun und unser Verhalten bereuen würden. Dies brachte ich zur Sprache und der Engel dachte lange über meine Worte nach.

„Möglich. Das hat bisher noch niemand versucht.“ Wir schwiegen lange und jeder von uns hing seinen Gedanken nach. Meine Frage gerade war unsinnig gewesen. Selbst wenn wir es könnten, passte jeder Fürst in der Hölle auf, dass wir nur böses taten. Keine Chance dem zu entgehen.

 

Die Sonne ging langsam auf, doch weiter hinten sah ich, dass etwas weißes, den Himmel verdeckte und immer dunkler wurde. Asissi stand auf und sah bekümmert in die Ferne.

„Ich muss die Menschen nun hinaus begleiten. Du solltest dich zurück ziehen. Ich bin sicher, unsere Zentralen wissen schon Bescheid. Sie können mich auch von oben aus überwachen.“

„Ja...meine Leute mich auch. Trotzdem...Wir treffen uns später oben an der Mauer des östlichen Tores. Sie werden eine Unterhaltung nicht verbieten können und solange wir uns nicht auffällig verhalten...Immerhin haben wir jetzt eine Friedensabmachung. Wir sollten ihnen zeigen, dass wir alles getan haben. Du um die Menschen zu schützen und ich um sie in Versuchung zu führen. Na?“ Lächelnd sah ich ihn an, doch er verzog nur sein Gesicht und breitete seine Flügel aus, ehe er davon flatterte.

Mein Lächeln erlosch und machte Schuldgefühlen Platz. Ich hatte sie nicht mal absichtlich in Versuchung geführt. Doch sie büßten nun für diese Tat und es war meine Schuld. Der Schöpfer verbannte sie aus dem Garten. Es war doch nur ein Bissen gewesen und schon verloren sie ihre Heimat. Da draußen war doch nichts. Wie sollten sie nur überleben? Wie zu Nahrung kommen? Ich nahm mir fest vor, den Menschen auch etwas zu helfen, wie es der Engel tat, nur ohne dass es irgendwer erfahren würde...

 

~

 

Von weitem sah ich schon, dass der Engel hoch oben auf der Mauer stand, wie verabredet und die Menschen beobachtete, wie sie fort gingen. Ich kroch die hohe Mauer, als Schlange empor, bis ich neben meinem Engel, in meiner ursprünglichen Form stand. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht benennen. Konnte ich ihm aber auch nicht verübeln. Ich bereute es, so unvorsichtig gewesen zu sein. Wir sahen uns kurz von der Seite an und nickten uns kaum merklich zu. Ich spürte, dass meine Seite uns ab jetzt zusah, hatte mich gerade rechtzeitig wieder verwandelt und mit seiner konnte es auch nicht anders sein.

„Das war ja dann wohl ein Schuss in den Ofen.“, versuchte ich ein Gespräch anzufangen.

„Verzeihung...wie meinen?“ Ich lächelte und wiederholte, was ich gesagt hatte. Der Engel stimmte mir zu, ich spürte, wie nervös er war und hoffte, unsere Zentralen würden uns unser Schauspiel abnehmen. Weder er noch ich hatten gedacht, dass es derart gravierende Folgen für die Menschen haben könnte, einmal von einer verbotenen Frucht abzubeißen. Ich hatte eher gedacht, der Herr würde mit dem Finger drohen und sowas sagen wie: „Ihr bösen Menschen. Ich habe doch gesagt, nein! Tut das nie wieder.“

„Ganz schöne Überreaktion, wenn du mich fragst. Erster Verstoß und so...ich verstehe nicht, was so schlimm daran ist, den Unterschied zwischen gut und böse zu kennen.“

„Es es muss aber was schlimmes....“ Fragend sah er mich an. Wir kannten uns nun schon sechs Tage lang und er fragte erst JETZT nach meinem Namen? Nun gut...man sah uns ja zu. Niemand musste wissen, dass wir uns schon kannten und wenigstens nannte er mich nicht Anthony.

„Crawley.“ Er sah mich seltsam an und meinte dann leise „Kriecher? Wie... nett. Ich meine....du hättest dir die Verführung sonst sparen können.“ Er klang enttäuscht und ich zuckte nur mit den Schultern. Was hatte er von einem Dämon erwartet? Genau diesen Satz hörte ich in meinem Kopf und versuchte, sie wieder dort rauszuschmeißen, ehe sie sahen, was ich eigentlich für dem Engel fühlte.

„Oh...sie sagten...geh nach oben und sorge für Verstimmung....“

„Kein Wunder...du bist ein Dämon. Ihr macht sowas.“ Ich ignorierte seine Spitze. Er war gut, dass musste ich ihm lassen. Aber ich war genervt von unseren Seiten und wollte mich lieber frei mit ihm unterhalten. Also tat ich das, was ich am Besten konnte.

„Nicht sonderlich subtil von dem Allmächtigen. Ein Obstbaum mit einem „nicht anfassen-Schild“ dran. Warum stellt man ihn nicht auf die Spitze eines hohen Berges? Oder auf den Mond?“ Er sah nach oben, ich bemerkte, wie er anfing, über meine Worte nachzudenken.

„Da fragt man sich doch, was Gott wirklich vor hat.“ Engel verdrehte leicht die Augen und hatte das Gefühl, dass alle anderen Engel dasselbe taten.

„Das beste ist, nicht darüber zu spekulieren. Das ist alles Teil des großen Plans. Wir sollen es gar nicht verstehen....Er ist unerfindlich.“

„Der große Plan ist unerfindlich?“ Das glaubte er doch selber nicht. Oder doch?

„Genau. Er ist jenseits des Verstandes und nicht in Worte zu fassen.“ Ich hörte nur mit einem halben Ohr zu, hatte ich doch gerade etwas sehr interessantes gesehen...oder eben, nicht mehr gesehen. Ich horchte kurz und merkte, wie die Dämonen aufhörten zu lauschen, war wohl zu langweilig und viel zu viele Fragen und dasselbe musste für die Engel gelten, denn er entspannte sich endlich. Einige Momente ließ ich noch verstreichen, ehe ich ihn erneut ansprach.

„Hattest du nicht ein Flammenschwert?“ Ertappt sah er woandershin und ich fuhr fort, ihn danach zu fragen, bis er mir kleinlaut gestand, es weggegeben zu haben.

„Du hast was?“

„Es weggegeben, ok? Es gibt bösartige Tiere da draußen. Es wird kalt werden und sie ist schwanger. Ich habe nur gesagt: Hier, Flammenschwert. Dankt mir nicht. Schaut einfach, dass für euch nicht schon hier Schluss ist.“

Er hatte das Schwert weggegeben? Was für ein kleiner böser Engel. Fassungslos erfreut starrte ich ihn an. In ihm schien auch ein kleiner Rebell zu leben, der nur heraus gekitzelt werden musste.

Ich freute mich schon darauf. Wer außer mir, sollte dies schon schaffen können? Es konnte nur mein Einfluss gewesen sein. Ich verstand außerdem, dass es den Menschen kalt werden würde...aber was es mit dem „schwanger“ auf sich hatte, war mir ein Rätsel, also schwieg ich und beobachtete die beiden Menschen, wie sie von einem Löwen angegriffen wurden und Adam das Flammenschwert des Engels zog, um gegen ihn zu kämpfen. Vermutlich hatte es mit dem Kind in dem Bauch von Eva zu tun.

„Ich hoffe ich habe nicht das falsche getan...“, meinte der Engel bedrückt. Oh Baby. Auf einmal hatte ich das Verlangen, ihn in meine Arme zu schließen und ihm beruhigende Dinge zuzuflüstern, also sah ich ihn leicht lächelnd an.

„Oh...du bist ein Engel. Du kannst gar nicht das Falsche tun.“

„Oh...oh danke, oh danke. Das hat mir echt zu schaffen gemacht.“ Ein Gedanke kam mir in den Sinn und ich musste es ihm einfach mitteilen.

„Ich mache mir auch Sorgen. Was ist, wenn diese „Iss den Apfel Geschichte“ das Richtige war?“ Der Engel machte große Augen und schien entsetzt von meiner Theorie.

„Ein Dämon kann mächtig Ärger kriegen, wenn er das Richtige tut.“ Ich grinste ihn an.

„Wär doch lustig, wenn wir uns beide vertan hätten. Ich hätte das Gute und du das Böse getan...“ Ich lächelte ihn weiter an, er lachte zurück und wurde dann schockiert ernst.

„Nein...nein das wäre überhaupt nicht lustig.“

Ein Donnern unterbrach unsere Unterhaltung und der Engel neben mir sah besorgt nach oben. Als die ersten Regentropfen auf die Erde hinab fielen, hob er einen seiner Flügel und schützte mich damit vor dem Regen. Zuerst konnte ich ihn nur anstarren. Dann huschte ich noch ein paar Schritte näher und nahm, nach reichlichem Zögern, seine Hand in meine. Seine erzitterte, schloss sich dann aber doch, fest um meine. Sie war warm und flutete meinen Körper mit purer Energie des Lichtes. Es fühlte sich wunderbar an, als flöge ich durch himmlische Sphären.

Der Regen durchnässte ihn, sein Gewand klebte wie eine zweite Haut an ihm, veränderte seine Farbe...oh. Nein es wurde durchsichtig. Mein Gesicht erwärmte sich und ich wandte beschämt meinen Blick wieder ab. Warum ich ausgerechnet jetzt so reagierte, war mir ein Rätsel. Vielleicht hatte es aber auch nur mit seiner Geste zu tun. Nie hatte ein Engel einen Dämonen beschützt...nie. Ariraph....Engel war etwas ganz besonderes, das spürte ich ganz tief in mir und auch, dass ich am Liebsten für immer hier mit ihm gestanden wäre. Lange sahen wir in die Ferne, doch war mir wohl bewusst, dass ich mich nun zurück ziehen musste. Was wenn seine Obrigkeit nun doch davon erfuhr? Mir hatte dieser Kampf mit Gabriel schon gereicht und ich wollte ihm weiteren Ärger ersparen. Zum Glück hörte es auch langsam auf zu regnen. Also löste ich meine Hand von ihm, lächelte nochmal und wandte mich ab. Besser ich vergaß unsere Begegnung schnell wieder, bevor mein Herz entschied, ihn für immer an mich binden zu wollen. Unsere Seiten waren verfeindet. Es würde NIE ein UNS geben. Trauer ließ mein Herz schwer werden und es fing an, fürchterlich zu schmerzen.

„Wo willst du hin? Du kannst doch nicht...ich meine...äh...Crawley...“ Erstaunt blieb ich stehen und sah ihn mit großen Augen an. Wenn er meinen Namen sagte, klang er nicht mal ein kleines bisschen lächerlich. Als ob ich mich nicht dafür schämen müsste...

„Was?“

„Hast du...nicht gesagt, die Äpfel würden fantastisch schmecken? Ich meine...jetzt wo...wo die beiden Menschen nicht mehr hier sind...ist es ja nicht mehr nötig, ihn zu bewachen und...es scheint auch nicht mehr...verboten zu sein...oder? Wäre doch schade darum...“

Dieser Engel...ich grinste, fing an laut zu lachen und bot ihm meine Hand an, die er ohne zögern nahm und gemeinsam glitten wir nach unten, flogen in hoher Geschwindigkeit durch den Garten, zum Apfelbaum, um uns an seinen Früchten zu laben, bevor ich mich wieder nach unten begeben musste, um Bericht zu erstatten.

Und das, was wir in diesem kurzen Moment zusammen erlebten, würde ich nie vergessen und für immer in meinem Herzen bewahren, selbst wenn es das letzte Mal gewesen sein sollte.

 

~

 

Lange sah ich ihnen noch nach. Die Zeit mit dem Engel war nun erstmal vorbei. Aber ich würde ihn sicher wiedersehen und hoffte, Gabriel würde ihn nicht zu hart bestrafen. Ich betrachtete nachdenklich die Haut auf meinem rechten Unterarm, bevor ich ihn mit dem anderen verglich. Das war vorher noch nicht da gewesen. Dann hörte ich Ligur hinter mir und setzte ein siegessicheres Lächeln auf.

„Gut gemacht, Crawley...hätte ich nicht erwartet.“ Ich ehrlich gesagt auch nicht.

„Komm...wir werden deinen Sieg gebührend feiern.“ DAS wollte ich nicht feiern, doch zur Tarnung musste ich es. Also nickte ich und folgte ihm wieder in die Tiefen der Finsternis, wo es keine Liebe gab und auch keinen Engel...

 

Tbc...


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war das erste. Es würde mich freuen, wenn ihr mir einen Kommentar schreiben würdet, wie es euch gefallen hat. Ist aber kein muss. Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Chai-Cherry-Tea
2021-06-20T15:25:33+00:00 20.06.2021 17:25
Ganz wunderbar ^_^#
Hat mit wirklich gut gefallen <3
Du könntest noch mehr Absätze machen :D
Antwort von:  Alistor
20.06.2021 17:58
Juhuuuuuu <3 <3 <3
Da bin ich aber froh. Hab mir schon richtig Sorgen gemacht.

Alles klar. Ich werde für einen angenehmeren Lesefluss sorgen und mehr Absätze machen. War ja auch recht lang das Kapitel.


Zurück