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Weiß Kreuz

Unschuld und Sünde
von

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Seelenqual

Mit roten Augen, in die immer wieder die Tränen stiegen, saß Aya totenbleich in ihrer Klasse und versuchte so etwas wie einen Schein zu wahren, als der Lehrer versuchte, die Klasse in die hohe Kunst der Mathematik einzuführen. Aber leider wollten die Informationen über Pythagoras und Euklid die Ohren des jungen Mädchens nicht erreichen. Zu sehr hing sie ihren Gedanken und ihrem Schmerz über die schmähliche Tat ihres Freundes... ihres Exfreundes... nach, der sie mit einer Frau betrogen hatte, die sie einmal gemocht hatte.
 

Das "Warum" war die einzige Frage, die Aya zurzeit interessierte und nicht die Lösung, die ihr Klassenkamerad gerade vortrug. Die Worte des Jungen gingen ungehört im Gehörgang der 16-Jährigen unter und verstummten. Sie verstummten so, wie sich es Aya auch von ihrem Schmerz wünschte. Sie wollte ihn nicht mehr fühlen, wollte nicht mehr daran denken, dass er wie ein schwarzes Loch alles in sich zog und nur noch undefinierbare Leere zurückließ.
 

Wie hatte Yoji ihr das nur antun können? Und wieder dieses verdammte warum...
 

Warum hatte er es getan? Warum schwor er ihr Liebe, und dass er sie nie verletzen würde, und dann das...
 

Er hatte mit einer anderen Frau geschlafen, hatte sie berührt, geküsst, dieser anderen Frau etwas von Liebe und Verlangen erzählt, und das, obwohl nach seiner Aussage diese Dinge immer nur ihr zugestanden hatten.
 

Tränen drängten sich in ihre wässrigen und leeren Augen. Körperlicher und seelischer Schmerz summierten sich zu einer allumfassenden Pein, so dass die zurückgedrängten Tränen schließlich doch siegten.
 

Zumindest eine von ihnen, denn mehr gestand sich Aya nicht zu. Mehr Tränen wollte sie für den Bastard, den sie geliebt hatte, den sie immer noch liebte, nicht vergießen. Denn er verdiente es nicht, dass sie ihm nachtrauerte. Er verdiente überhaupt nichts. Nur noch Verachtung und ihren Hass.
 

Doch leider war es nicht so leicht, Yoji zu hassen. Nicht, wenn sie genau wusste, dass sie ihn liebte. Und das tat sie, obwohl sie ihn hassen sollte und wollte.
 

Ein enormer Widerstreit ihrer Gefühle tobte in ihrem kleinen gebrochenen Herzen und sorgte dafür, dass ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht verschwand, dass ihr der Schweiß auf die Stirn trat und sich mit eben diesem ihre heißen Tränen vermengten.
 

Ihre Brust fühlte sich an, als wolle sie zerspringen. In ihrer Kehle formte sich ein verzweifelter und schmerzhafter Schrei, der sich so sehr nach Freiheit sehnte, dass das junge Mädchen es kaum noch aushielt.
 

Selbst den besorgten Blick ihrer besten Freundin Reika nahm sie nicht wahr.
 

Das andere Mädchen machte sich langsam wirklich Sorgen. Aya war am Morgen bereits zur spät zur Schule gekommen. Und seit Tagen nahm sie keine Anrufe mehr an. Und dann am Sonntag der Anruf von Ayas Freund, von Yoji, der sich so schrecklich verzweifelt angehört hatte und sie angefleht hatte, sie möge besonders gut auf Aya, seine große Liebe, Acht geben.
 

Zwar verstand Reika immer noch nicht, was zwischen ihrem höchstpersönlichen Traumpaar vorgefallen war, aber wenn selbst der sonst so souveräne und coole Yoji Kudoh sich aufgelöst anhörte, dann musste es wirklich schlimm gewesen sein.
 

Als Aya sich verstohlen über ein Auge wischte, entschied sich Reika für das einzig Richtige. Zumindest von ihrer Warte aus. Sie hob den Arm, stand auf und neigte knapp den Kopf vor ihrem Mathelehrer. "Entschuldigung, Herr Kakei, aber Aya und ich sollten noch kurz in die Turnhalle. Wir haben einen Termin mit unserer Trainerin und na ja, wir haben vergessen, Ihnen bescheid zu geben."
 

Zwar blickte der Mathelehrer im ersten Moment äußerst irritiert zu Reika und danach zu Aya, doch dann nickte er und führte unbehelligt seinen Unterricht fort.
 

Die neugierigen Augenpaare, die sich auf sie beide gelegt hatten, interessierten Reika nicht im Geringsten, als sie die weggetretene Aya von ihrem Stuhl zerrte und hinter sich herzog.
 

Erst als sie mit dem Mädchen auf dem Schulhof angekommen war und sie auf eine Bank gedrückt hatte, blickte Aya kurz auf. Dann schaute sie wieder auf den Boden, während sich vereinzelte Tränen zu einem Rinnsal und dann zu einem ganzen Bach formten und feuchte Spuren auf ihren bleichen Wangen hinterließen.
 

"Was ist denn los, Aya? Erzähl schon. Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt." Reika setzte sich neben die Freundin, zückte ein Taschentuch und wischte ihr vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht.
 

Aya schüttelte daraufhin nur schwach den Kopf, dennoch in gewisser Weise erleichtert, dass ihre beste Freundin ihr einen Trost spenden wollte, der den Schmerz nicht tilgen können würde.
 

"Bitte, sag mir, was los ist. Du leidest, Aya. Ich mag dich so nicht sehen. Das macht mich so unendlich traurig." Reika ließ ebenfalls den Kopf hängen und fühlte sich plötzlich überfordert. Noch nie hatte Aya sich so geziert, sich ihr anzuvertrauen. Sie waren schon so lange miteinander befreundet und nun das...
 

Immer noch schweig die Schwarzhaarige und starrte auf ihre weißen Knie hinab, die im Sonnenlicht zu strahlen schienen. Erst nach einer langen Weile, in der Reika sie letztendlich in den Arm genommen hatte, wurde ihre Stimme ganz leise verlautbar. "Yoji hat mich betrogen." Gequält nagte sie an ihrer Unterlippe, wagte nicht, den Blick zu heben und ihre Freundin anzusehen. Zu groß war die Scham, dass ihr Freund ihr so etwas angetan hatte.
 

"Be... betrogen? A... aber Aya, er liebt dich. Er liebt dich so sehr. Das... das ist doch gar nicht zu übersehen. Du bist Yojis Welt. Wenn du nicht bei ihm bist, sieht er immer ganz geknickt aus und..." Mit plötzlicher Klarheit verstand sie, warum Yoji sie am Vorabend angerufen hatte. Auch verstand sie endlich, warum er sie gebeten hatte, dass sie auf Aya acht geben sollte. Aber war das wirklich die Handlungsweise eines Mannes, der seine große Liebe betrog? Und warum sollte er sie überhaupt betrogen haben? Immerhin hatte sie selber einmal mit Yoji über Aya gesprochen, und da war es nur zu deutlich gewesen, wie sehr er sie liebte, und das er sich kein Leben ohne sie hatte vorstellen können.
 

Aya schluchzte leise. "Er hat es aber getan, Reika. Mit einer Frau, die ich kenne. Der ich vertraut habe. Und.. und... er war früher schon einmal sehr hinter ihr her. Doch bis jetzt... Er hat mit ihr ge... geschlafen und dabei... Er hat doch immer gesagt, er liebt mich und ich wäre... ich wäre..." Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht und weinte hemmungslos. Der Schmerz schwappte über ihr zusammen wie eine Flutwelle.
 

Und Reika konnte nur zusehen, wie ihre Freundin innerlich einen Tod nach dem anderen starb, da sie sich außer Stande sah, das Mädchen zu beruhigen.
 

In Gedanken schmiedete sie tausend Mordpläne gegen Yoji und dennoch sagte ihr ihr Inneres, dass dieser so etwas einfach nicht getan haben konnte. Immerhin war es wirklich so, dass Aya zu so etwas wie seinem Leben geworden war. Aya war für ihn sein Ein und Alles. Warum sollte er sie dann betrügen?
 

Fragen über Fragen und eine Freundin, die kurz vor dem Nervenzusammenbruch stand. Und dann auch noch die nervende Schulglocke, die die Pause ankündigte.
 

Schwer seufzend erhob Reika sich und hockte sich vor Aya auf den Boden. Sie strich ihr behutsam die Tränen aus dem Gesicht und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. "Was hältst du davon, wenn ich dich nach der Schule zu einem großen Eis einlade? Wir waren so lange nicht mehr zusammen in der Eisdiele. Und ich denke, dass das dein seelisches Gleichgewicht wieder etwas verbessert."
 

Kurz blickte Aya sie fragend und verwirrt an, nickte dann aber schließlich. Urplötzlich fiel sie ihrer Freundin um den Hals und schniefte nochmals. "Danke Reika. Danke, dass ich wenigstens noch dich habe."
 

"Natürlich hast du mich doch. Weißt du noch. Du bist doch auch immer für mich da, wenn ich dich brauchst." Erst, als die fragenden Blicke anderer Schüler abermals auf ihnen hafteten, drückte Reika Aya von sich und erhob sich aus ihrer hockenden Position. "Aber jetzt lass uns zuerst mal was essen gehen. Mir ist schlecht vor Hunger. Und du siehst auch so aus, als wenn du gleich vom Fleisch fallen würdest."
 

Ein knappes Nicken, und das, obwohl sie gar keinen Hunger hatte, war Ayas Antwort, als sie sich langsam erhob und ihren Rock provisorisch glatt strich. Dann folgte sie dem größeren Mädchen zurück in die Schule.
 


 

Yoji lehnte mit betrübtem Blick an seinem Auto und blickte durch die Gitter, die das Schulgelände umsäumten, zu Aya, vor welcher Reika auf dem Boden hockte.
 

Zwar hatte er dem Mädchen bei seinem Anruf nicht gesagt, warum sie auf Aya achten sollte, aber er war überaus froh, zu sehen, dass sie es tat. Aya brauchte nämlich zurzeit jeden Freund, den sie kriegen konnte.
 

Und das, weil Manx irgendeinen Mist erzählt hatte, der bar jeglicher Realität war.
 

Wie konnte dieses verdammte Weib nur behaupten, er hätte mit ihr geschlafen? Wie hatte sie das nur behaupten können? Nicht mal im Traum hätte er sie angefasst, da es für ihn seit Monaten bereits nur noch eine Frau gab, und diese war nun einmal Aya.
 

Aya war die einzige Frau, die er lieben wollte, mit der er schlafen wollte, und welche ihm so sehr am Herzen lag, dass ihr Verlust sein Herz fast zum zerspringen brachte.
 

Er sehnte sich so sehr nach ihr und ihren Berührungen, nach ihren Küssen und ihrer glockenhellen Stimme, die ihm morgens, bevor sie zur Schule ging, ein sanftes "Ich liebe dich" ins Ohr hauchte.
 

Doch seit drei Tagen durfte er ihre Stimme nicht mehr an seinem Ohr hören, dürfte ihre Lippen, die seine Ohrmuschel streiften, nicht mehr spüren, denn seit drei Tagen wurde sie von Omi und Ran von ihm abgeschottet. Die Beiden ließen nicht einmal Sichtkontakt zu und begleiteten sie auf Schritt und Tritt, nur damit er nicht die Chance hatte, mit ihr zu sprechen und ihr angeblich noch mehr Leid zuzufügen.
 

Und dabei wollte er ihr kein Leid zufügen. Er wollte sie ausschließlich in seinen Armen halten, sie an sich drücken, küssen und ihr sagen, dass er nur sie liebte, dass sie die einzige Frau für ihn sei und er sie niemals betrogen habe.
 

Denn das hatte er wirklich nicht getan. Nicht einmal im Ansatz. Er hatte ja nicht einmal mehr eine andere Frau angesehen, seitdem er mit ihr zusammen war, aber all das konnte er ihr nicht begreiflich machen. Zum einen, weil man ihn nicht ließ und zum anderen, weil seine Wort wohl nur auf taube Ohren bei ihr gestoßen wären.
 

Yoji wischte sich verhalten über die Augen. Sie waren plötzlich feucht geworden und immer wieder drängte sich neue Nässe aus seinen Tränendrüsen hervor.
 

Es tat so verdammt weh, nicht bei ihr sein zu können, ihr nicht beistehen zu können, während sie ihn so dringend brauchte.
 

Der Blonde fischte in seiner Hemdtasche vorsorglich nach seiner Sonnenbrille und setzt sie sich auf die Nase. Immerhin musste niemand sehen, dass ihm immer mehr Tränen in die Augen traten. Das war seine Privatangelegenheit und sollte keine übereifrigen hilfsbereiten Mädchen anlocken, deren Anwesenheit Aya noch auf dumme Gedanken bringen konnten.
 

Allerdings würde Aya wohl sowieso keine Notiz davon nehmen, was er tat. Denn es lag nicht nur an der Abschirmung durch Ran und Omi, dass sie ihn nicht beachtete. Sie wollte ihn nicht beachten, was auch gar nicht mal so unverständlich wäre, wenn Manx' Anschuldigung Hand und Fuß gehabt hätte. Aber das hatte sie nun mal nicht gehabt.
 

Umso mehr er hin und her überlegte, desto mehr drehte er sich im Kreis und kam schließlich zu dem Schluss, dass er mit Manx, die er eigentlich in nächster Zeit weder sehen noch hören geschweige denn an sie denken wollte, reden musste. Und zwar dringend.
 

Nur sie konnte Licht in dieses unerträgliche Dunkel bringen, das die Ausmaße eines enormen Chaos annahm.
 

Widerstrebend löste er den Blick von Aya, die gerade aufgestanden war, um Reika ins Innere der Schule zu folgen.
 

Wie gerne wäre er jetzt zu ihr gegangen, hätte sie an sich gezogen, aber das ging nicht. Es ging nicht. Noch nicht. Bis seine Unschuld in dieser Sache bewiesen war. Aber selbst dann blieb es weiter fraglich, ob sie ihm dann wieder ihr Herz öffnen könnte.
 

Vielleicht kam sie ja durch die ganze Sache zu dem Schluss, dass sie ohne ihn besser dran war.
 

Yoji schüttelte vehement den Kopf.
 

Das durfte einfach nicht geschehen, und an so was durfte er noch nicht einmal denken. Aya liebte ihn. Das wusste er. Und genau deswegen tat ihr die ganze Situation auch so schrecklich weh.
 

Eine Situation, für deren Ausweg er nun sorgen musste.
 

Innerlich mit sich kämpfend wendete er sich zu seinem Wagen um und stieg langsam und mit einem letzten Blick zur Schule ein.
 

Dabei entging im ganz und gar, dass an einem Fenster ein 16-jähriges Mädchen stand und in seine Richtung blickte. Tränen rannen über ein bleiches Gesicht, das von schwarzen Haaren gerahmt wurde und so sehr an das Aussehen einer Todesanzeige erinnerte.
 


 

"Gib es zu, Brad, ich bin ein Genie. Weiß zerwerfen sich wegen Abyssinians Schwester. Sie spalten sich." Schuldig lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen an die Wand in Brads Arbeitszimmer und grinste selbstgefällig.
 

Die ganze Sache um die Untreue des blonden Weiß Rüden hatte er wirklich perfekt eingefädelt und solange Manx' tiefste und geheimsten Wünsche neuen Nährstoff bekamen, würde auch das Zerwürfnis weiter gären.
 

Ein Zerwürfnis zwischen den vier Weiß, das schließlich Schwarz mit ungeahnter Kraft in die Arme spielen würde.
 

"Gut, ich gebe es zu. Du hast es vernünftig gemacht. Nur rate ich dir, dafür zu sorgen, dass die Vier davon keinen Wind kriegen. Und vor allen Dingen bei Balinese solltest du aufpassen. Immerhin liegt ihm wohl mehr als allen anderen daran, dass aufgeklärt wird, dass er Abyssinians Schwester nicht betrogen hat." Der Amerikaner blickte von seinem Laptop auf und lehnte sich in seinem Bürosessel zurück.
 

"Auch er wird nichts rauskriegen. Dafür sorge ich schon. Habe zurzeit eine Standleitung zu der guten alten Manx. Sobald er bei ihr ankommt, wird sie ihn anspringen und nach mehr Liebe lechzen. Und das, wo ihr Lover sie doch gar nicht anrühren mag... Und natürlich nicht so gut wäre, wie der eigentlich Lover." Der Deutsche strich sich viel sagend über den weißen Jackettkragen und blickte dann kurz auf seine manikürten Fingernägel hinab.
 

Dass Manx so überaus attraktiv war, hatte das Unterwandern von Weiß zu einer noch viel angenehmeren Aufgabe gemacht, als der Lohn seiner Mühen es eigentlich schon war. Immerhin hatte sich das rothaarige Vollweib im Bett zu einer wahren Wildkatze entwickelt, welche auch schon mal gerne biss und kratzte, was ihm voll und ganz zusagte.
 

Der Schwarzhaarige verdrehte die braunen Augen und neigte sich wieder vor, um auf seinen Laptop zu sehen.
 

Zwar mochte Schuldig die Aufgabe gut erledigt haben, aber so viel Selbstverliebtheit und Selbstdarstellung war doch um einiges zu viel. Zu viel für Brads Geschmack, der sich eher auf das Dezente fixiert hatte.
 

"Boss, sag mal, wie gehen wir als nächstes vor. Hast du dir schon etwas überlegt, wann wir das gegen die elenden Weiß einsetzen können? Ich meine, das ist doch die beste Gelegenheit, sie aus der Welt zu räumen. Und noch eine viel bessere, ein kleines trauriges Schwesterlein mit Zuspruch und Aufmerksamkeit zu überschütten." Grüne Augen blitzten listig auf, während sie sich auf den Amerikaner hefteten, der den Deutschen keines Blickes würdigte.
 

"Die Gelegenheit wird kommen. Und solange hältst du Yo-tan von Manx fern. Meinetwegen auch anders rum. Und..." Brads giftiger und eisiger Blick richtete sich auf Schuldig, "...lass deine Griffel von der kleinen Fujimiya. Es ist weder die Zeit noch der Ort, sich um ein so junges Mädchen zu kümmern." Bei dem Wort kümmern, deutete Brad mit den Fingern Anführungsstriche in der Luft an, senkte kurz darauf aber wieder den Blick, um sich abermals auf seine Arbeit zu konzentrieren, die immer noch auf ihn wartete.
 

Allerdings gereichte Schuldig der Befehl und das Verbot seines Leaders nur dazu, dass er sich vornahm, sich doch um die kleine Fujimiya zu kümmern. Immerhin war es seiner Ansicht nach ja schon fast ein Sakrileg, die arme Kleine mit ihrem Leid alleine zu lassen.
 

So was machte ein Gentleman nicht.
 

Und er schon gar nicht...
 


 

"Wo ist dieser Nichtsnutz? Er hat Schicht." Mit einem Gesicht, das eisiger nicht mehr sein konnte, kam Ran in den Laden und sah sich wütend nach seinem neuen Todfeind um, der den verfluchten Namen Yoji Kudoh trug. Als er ihn aber nicht entdecken konnte, blickte er zu dessen neuem Busenfreund Ken Hidaka, der dazu übergegangen war, ihn geflissentlich zu ignorieren.
 

Omi unterdes steckte den Kopf zur Lagertür raus, ignorierte Ken und zuckte in Rans Richtung mit den Schultern. "Keine Ahnung, wo er steckt. Er ist bestimmt bei Manx und beschwert sich bitterlich, dass sein Doppelspiel aufgeflogen ist. Ich hoffe, ihm fällt was ab." Damit verschwand der Blondschopf wieder im Lager.
 

Ken schnaubte im gleichen Moment von Omis Verschwinden und begann innerlich zu kochen. Das Gehabe der Zwei Yoji gegenüber trieb ihn langsam aber sicher zur Weißglut. Immerhin konnte der Blonde nun wirklich nichts dafür, dass Manx anscheinend an akutem und schwerem Irrsinn litt.
 

Er war immerhin selber der lebende Beweis dafür, dass Yoji in besagter Tatnacht mit ihm im Kino gewesen war. Aber irgendwie weigerten sich Omi und Ran beinah schon stoisch, ihn auch nur anzuhören.
 

Und das spitzte die Situation im Weiß-Lager allmählich zu.
 

Zwar hatte Ken sich nicht auf Yojis Seite schlagen wollen, aber nach dem Frontalangriff durch Ran und Omi am vergangenen Tag war es für ihn das einzig Richtige.
 

Beim Frühstück war es wirklich nicht mehr schön gewesen, wie sie ihn geschnitten und dann immer wieder mit spitzen Kommentaren in den Boden gestampft hatten.
 

Schließlich war Yoji gegangen, ohne auch nur einen Bissen seines Toasts zu sich genommen zu haben. Und Ken war ihm gefolgt und hatte versucht, Aufbauarbeit zu leisten, was aber reichlich schief gegangen war.
 

Yoji hatte sich schließlich für den Rest des Tages in seinem Zimmer vergraben und vor sich hingegrübelt, sich immer und immer wieder gefragt, wie das hatte alles so weit kommen können.
 

Und Ken... er hatte zusehen müssen, wie ein Freund langsam einging. Langsam aber sicher war Yojis sonst so strahlende Fassade gebröckelt und hatte nur einen kläglichen Rest des einstigen Casanovas, der gelernt hatte, nur noch eine Frau zu lieben, zurückgelassen.
 

Kopfschüttelnd und in seinen nicht vorhandenen Bart murmelnd, band der Dunkelhaarige einen Blumenstrauß, den ein junger Mann für seine Freundin angefertigt haben wollte. Allerdings musste Ken gestehen, dass ihm zurzeit nicht nach solchen Tätigkeiten für solche Anlässe zu Mute war, weil einer seiner Freunde im Moment um seine Liebe kämpfe musste, weil da so ein dummes Weib...
 

Als die Glocke der Ladentür schellte, hob er den Kopf. Sofort verengten sich seine grünen Augen zu schmalen Schlitzen, als er langes wallendes rotes Haare entdeckte, das sich nicht im geringsten von dem roten Kostüm der Frau abhob.
 

"Ah... Manx..." Ran nickte ihr knapp zu. Zwar hatte er auch ein leichtes Hassgefühl auf sie, weil sie es Schuld war, dass Yoji schwach geworden war, und Aya nun leiden musste, allerdings dankte er ihr auf der anderen Seite mit seinem ganzen Herzblut, weil seine Schwester den Schmalspurcasanova nun endlich los war.
 

Die Beziehung hatte bis zum jetzigen Punkt sowieso schon viel zu lange gedauert, und das Einzige, das daraus resultiert war, war, dass Aya sich zu einer jungen Frau entwickelt hatte, mit deren Allüren er nicht wirklich viel anfangen konnte.
 

Seine Eltern hätten sich wahrscheinlich im Grab umgedreht, wenn sie miterlebt hätten, wie aus der schüchternen, wohl erzogenen Aya eine kleine Lolita geworden war, aber das war ja nun auch ausgestanden.
 

Seine Schwester erschien wieder sittsam und brav. Zwar bedeutete das, dass sie momentan litt wie ein Hund, aber das war wohl nicht zu vermeiden gewesen.
 

Alles hatte seinen Preis. Auch die rückkehrende Vernunft in einen verwirrten 16-jährigen Geist.
 

"Wie geht es Aya?" Manx trat neben ihn und schaut ihn mitfühlend an. Innerlich jubilierte das rote Gift allerdings, weil sie den Sieg über das kränklich erscheinende Mädchen davon getragen hatte. Ihr war es immer noch unbegreiflich, was Yoji jemals an ihr gefunden hatte.
 

Immerhin war die Kleine bleich, annähernd dürr und nun gut... hübsch ja, aber wirklich nicht herausragend schön, so wie sie es selber war. Außerdem fehlten Aya jegliche Attribute, die ein Mann an einer Frau anziehend fand. Zumindest sah man sie bei ihr nicht. Nicht richtig...
 

"Wie soll es ihr schon gehen? Sie wird es überleben, wenn es nicht mehr so schrecklich weh tut. Aber das wird es wohl weiterhin, wenn dein Stecher ihr immer wieder über den Weg läuft..." Der rothaarige unterkühle Weiß-Leader band sich gerade seine grüne Schürze um und schob die Ärmel seines orangen Pullovers bis knapp unter den Ellenbogen hoch.
 

Manx ignorierte Kens Schnaufen, dass sich aus dem Hintergrund erhob und durchbohrte Ran mit einem glühenden und überaus verstimmten Blick aus grünen giftigen Augen. "Könntest du ihn bitte beim Namen nennen? So was besitzt er nämlich."
 

"Der verdient keinen Namen. Nur nen abgehackten Kopf." Ran funkelte sie missgestimmt an, wendete sich dann von ihr ab, um mit der Gießkanne bewaffnet die ersten Blumen zu tränken. Allerdings blieb der gewünschte Effekt, nämlich der, dass er Manx loswurde, aus, weil sie ihm hinterher kam.
 

"Könntest du bitte stehen bleiben, wenn ich mit dir spreche?" Ihre Stimme war zu einem eisigen Säuseln abgeschwächt, welches seine Gehörgänge zu vereisen schien.
 

Doch Ran schüttelte nur den Kopf und murrte ein leises "Hab zu tun".
 

Wütend stemmte die Rothaarige die Arme in die schmalen Hüften und tippte ungehalten mit den Fußballen auf den Steinboden des Ladens. "Was bildest du dir eigentlich ein, Ran? Du kannst vernünftig mit mir umspringen."
 

Bevor Ran etwas sagen konnte, ließ Ken sich abermals aus dem Hintergrund vernehmen. "Nein, kann er nicht. Er liegt im Widerstreit mit sich. Auf der einen Seite verdammt er dich, weil Aya wegen dir leidet und auf der anderen Seite ist er dir sehr sehr dankbar. Er ist nichts weiter als ein Heuchler, der nicht glauben will, dass Yoji dich nicht angerührt hat, weil er an dem Abend mit mir im Kino war."
 

Für jemanden, der Ken nicht kannte, tat dieser etwas, dass wohl für einen Fremden eine normale temperamentvolle Handlung eines aufgewühlten Geistes gewesen wäre, für den zweitjüngsten Weiß aber entgegen seiner ganzen Natur war.
 

Mit Wucht schlug er den Blumenstrauß auf den Tresen, so dass sich im ganzen Raum abgebrochene Blütenköpfe und Blütenblätter verteilten und hier und da auch Stiele den Boden säumten.
 

Von der daraufhin eintretenden Stille angelockt, steckte Omi wieder den Kopf aus dem Lager hinaus in den Laden und legte den Kopf schief, als er Kens bleiches und wutverzerrtes Gesicht erspähte. So hatte er den Dunkelhaarigen wirklich noch nie gesehen.
 

Es schien fast so, als wenn der ruhende Weiß-Pol über den Tresen hechten und Ran an die Gurgel springen wollte.
 

Allerdings würde er das dann zu verhindern wissen. Ken war nämlich im Moment genauso wie Yoji feindliche Front, da er stoisch versuchte, den Casanova zu decken und dessen Vergehen ungeschehen zu machen.
 

Natürlich konnte Omi das nicht zulassen, da es hier um Aya ging. Und Aya war Sperrgebiet für sämtliches Verletzen, Belügen und traurig machen. Niemand verletzte sie, und schon gar nicht Yoji, der für ihn zum Abschaum des Abschaums auf eine Stufe mit Schwarz gehörte, seit er ihr so wehgetan hatte.
 

Immer noch wurmte es ihn, dass Aya auf den blasierten Schönling reingefallen war. Und wieder einmal wünschte er sich, er hätte es frühzeitig verhindern können. Er hätte sich nur ein wenig mehr Mühe geben müssen, aber nein... er hatte ja den Fehler begangen, an Yoji zu glauben. Und nun trugen sie alle die Quittung für diesen Irrtum davon. Für einen Irrtum, für den Aya jetzt auf ganz schreckliche Art und Weise leiden und büßen musste.
 

Und das... das hatte sie eindeutig nicht verdient. Nicht sie, wo sie in ihrem jungen Leben schon so viel hatte durchmachen müssen.
 

"Halt die Schnauze, Hidaka. Das geht dich einen feuchten Dreck an. Geh zu deinem Busenfreund und halt ihm das Händchen, während er sich ne neue Frau aussucht, die er durch die Mangel drehen kann. Wenn du nett bitte bitte sagst, kriegst du vielleicht auch eine ab." Ran schenkte ihm einen seiner überaus unterkühlten und tödlichen Blicke aus tiefen und unergründlichen Augen.
 

Es war einer dieser Blicke, die er auch Reiji Takatori hatte zuteil werden lassen, als er ihm bei dem menschlichen Schachspiel begegnet war. Damals hatte er Rache geschworen und auch bekommen. Und jetzt... jetzt würde er auch Rache nehmen. An allen, die am Leide seiner Schwester Schuld waren. Und dazu gehörte auch Ken, weil er mit dem Feind sympathisierte.
 

Ken öffnete hastig die Schürze hinter seinem Rücken, zog sie über den Kopf und knallte sie auf den Tresen. "Weißt du was, Fujimiya... Das mache ich jetzt auch. Ich gehe zu meinem Busenfreund und werde eine Frau suchen, die seiner würdig ist. Die ihn liebt, und welche er liebt. Und rat mal, wer das ist... Deine Schwester. Ich lasse nicht locker, bis die beiden wieder miteinander im Reinen sind. Und du... du kannst mich nicht daran hindern." Damit verließ er vor Wut kochend den Laden, schnappte sich seine Jacke und seine Motorradschlüssel und dampfte gen Garage ab.
 

Bevor Ran überhaupt reagieren konnte, erklang im Laden das Geräusch eines aufheulenden Motors und das Quietschen von Reifen, welche sich quälten, als eine Bremse bei zu hoher Geschwindigkeit losgelassen wurde.
 

"Wenn er wirklich daran denkt, die beiden wieder zusammenzubringen, dann bringe ich ihn um." In einem heftigen Wutanfall donnerte Ran die leere Plastikgießkanne auf den Boden.
 

Manx schreckte heftig zusammen und Momoe, die gerade in den Laden kam, fiel fast vom Schlag getroffen in Ohnmacht. Omi schüttelte nur heftig den Kopf und überlegte ganz kurz, dass Yoji wirklich froh sein konnte, dass er im Moment nicht zugegen war. Denn dieses Inferno war gerade tödlicher als eine Feuersbrunst in Australien.
 


 

Grüne selbstgefällig glitzernde Augen in einem Gesicht, das von orange schimmernden langen Haaren gerahmt wurde, blickten aus dem Seitenfenster einer roten Reisschüssel, wie ihr Besitzer sie nannte, zum Laden der Weiß-Attentäter.
 

Schuldig freute sich ein wahres Loch in den Bauch, als er der heftigen Auseinandersetzung zwischen Abyssinian und Siberian über ein paar Wanzen im Laden folgte.
 

Der ganze Plan fruchtete. Und wenn es weiter zu solchen Zerwürfnissen zwischen Weiß kam, dann würde noch nicht mal ein Auftrag zu deren Ende führen, sondern einfach das Blut, das aus ihren Leibern floss, nachdem sie sich gegenseitig zerhackt hatten.
 

Fröhlich grinsend startete Schuldig seinen Wagen und fuhr just in dem Moment ab, als ein Roadster vor dem Laden parkte, und ein niedergeschlagener Yoji mit hängendem Kopf und Schultern aus dem Wagen stieg, um sich durch die Haustür ins Haus zu schleichen.
 

Sofort hielt der Deutsche den Wagen noch einmal an und betrachtete grinsend die zusammengesunkene Gestalt seines persönlichen Erzfeindes.
 

Wie oft hatte dieser Kerl ihm das Leben schon zur Hölle gemacht? Wie oft hatte er sein Leben schon fast beendet? Und nun... nun würde er, Schuldig, dessen Name Programm war, ihm das alles heimzahlen. Auf Heller und Pfennig.
 

Und vielleicht... nur vielleicht würde er sich erbarmen, die arme unschuldige kleine Aya Fujimiya aus dieser Rückzahlung herauszuhalten. Allerdings waren die Chancen darauf noch geringer, als das er freiwillig von seinen zerstörerischen Gedanken dem ältesten Weiß gegenüber ablassen würde.
 

Erst als Yoji im Haus verschwunden war, gab der Deutsche wieder Gas und verschwand von der Straße, auf der der Blumenladen lag.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  PurpleDragonfly
2004-07-18T13:16:19+00:00 18.07.2004 15:16
Woooooow...nach so langer zeit mal wieder nen Kapi was sau gut gelungen ist ^^..also ich bin ja mal echt gespannt wie Ken und Yo-Tan des wieder hinbiegen wollen..hr hr hr hach ja ich freu mich ja schon so auf des nächste kapi ^^ also mach mal schön weiter ^^
bis denne
MfG
Db_FreaK
Von: abgemeldet
2004-07-04T19:31:24+00:00 04.07.2004 21:31
Hi du!!

Echt trauriges Kapitel irgendwie...die arme Aya...
Aber wenigstens ist es raus, dass Schwarz an dem ganzen Schlamassel Schuld ist...zumindest bei den Lesern. XDD

Aber ganz schön heftig, wie sich Weiß jetzt bekriegt...
Mann, da hat Schuldig aber ganze Arbeit geleistet.
Ich bin echt gespannt, wie es weitergeht. ^^

Du liest keine FFs?? o.O
Wow, ich könnt das nicht aushalten, auf Animexx zu sein und nichts zu lesen...Pro Internet-Zugang (ich weiß nicht, wie ich das nennen soll ^^") mindestens ein Kapitel bei mir...

Bitte schreib ganz schnell weiter!!

Deine Sakura


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