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Heading Home to Heaven

von

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Seufzend steigt Dean aus dem Impala und starrt hoch zur Neonschrift, die über der Bar leuchtet. Seine Augenbrauen ziehen sich ungläubig zusammen.

„Alter, im Ernst?“, hört er Sam neben sich sagen, nachdem dieser die Tür des Wagens zugeschlagen hat. „Cass arbeitet in einer Bar, die Heaven heißt?“

Verständnislos schüttelt Dean den Kopf. „Warum arbeitet er überhaupt? Er ist ein Engel.“

„Na ja…“ Sam steckt die Hände in die Taschen seiner beigen Jacke und stellt sich neben ihn. „Er versucht nur, endlich seinen Platz zu finden.“

Dean gibt einen unzufriedenen Laut von sich. So ganz versteht er das dennoch nicht. „Lass uns reingehen.“

Langsam schreitet er auf das heruntergekommene Hütte zu. Schon seit Wochen hat er nichts von Castiel gehört, doch heute hat dieser angerufen – betrunken. Bis es einen Engel überhaupt auch nur juckt, bedarf es einen ganzen Schnapsladen, den es zu leeren gilt. Irgendwas stimmt ganz und gar nicht, das hat er im Gefühl. Mit einem mulmigen Gefühl betritt er, dicht von Sam gefolgt, das Heaven. Ob Castiel es witzig gefunden hat, ausgerechnet hier Arbeit anzunehmen? Nein, wahrscheinlich nicht – hat der Engel je etwas witzig gefunden? Dean vermag sich nicht zu erinnern.
 

„Hey Cass.“ Dean nähert sich der Bartheke und betrachtet Cass‘ Profil.

„Hallo Dean“, erwidert der Engel ohne zu ihm aufzusehen. Er starrt weiterhin in sein halbleeres Glas, das er in Händen hält. „Hallo Sam.“

Schweigend nimmt Dean neben Castiel Platz und tauscht einen kurzen Blick mit Sam, welcher sich rechts von ihm auf den freien Barhocker setzt. „Wie lange sitzt du schon hier?“, erkundigt Dean sich schließlich.

„Eine Weile“, antwortet Castiel vage, bevor er wieder in Schweigen verfällt. Dean runzelt leicht die Stirn und betrachtet ihn. Sein Freund hat diesen nachdenklichen, konzentrierten Blick, mit dem er vor sich hin starrt. Eigentlich betrachtet dieser nichts. Er ist woanders mit den Gedanken, Dean ahnt es.

„Also…“, sagt er schließlich zögernd. „Warum hast du uns angerufen?“
 

Schließlich hebt Castiel den Kopf und wirft Sam einen kurzen Blick zu, dann sieht er Dean an. Endlich. Für einen langen Moment starrt der Engel ihn aus schmalen Augen an, beinahe prüfend. Dean hält dem Blick stand. Er kennt ihn bereits. Seit er Castiel kennt, tauschen sie hin und wieder diese Blicke aus, die eher unausgesprochenen Worten ähneln. Denn ja, es sind mehr als nur Blicke. Dean hat es nie irgendjemandem erzählt, nicht einmal Sam, dass Castiel und er…ja, was eigentlich? Da läuft diese Sache zwischen ihnen, etwas, wofür es kein Wort gibt. Natürlich haben sie eine gewisse Verbindung, schließlich ist es dieser Engel gewesen, sein mittlerweile bester Freund, der ihn aus der Hölle gezogen, gerettet, hat. Aber da ist noch etwas. Mehr. Ja, sie sind Freunde, Brüder, doch manchmal weiß er, was in Castiel vorgeht. Es ist fast, als könne er seine Gedanken fühlen – nicht hören, aber fühlen. Und wenn sie diese Blicke austauschen, ist es wie eine stumme Konversation. Natürlich hört er Castiel nicht in seinen Gedanken reden, es ist mehr eine unbestimmte Ahnung, die Dean manchmal befällt, wenn sie einander anschauen.
 

Nun sieht Castiel ihn wieder so an. Die Augen strahlen blau, doch ein leichtes Flackern überschattet dies für einen Moment. Dean überkommt ein ungutes Gefühl. Was Castiel ihnen sagen wird, wird ihm nicht gefallen.

Und dann weiß er, dass es das letzte Mal sein wird, dass der Engel auf diese Art mit ihm kommunizieren wird. Deans Augen weiten sich in Unglauben, während Sam still neben ihnen sitzt, sie neugierig beobachtet. Er ahnt nichts.

Dean räuspert sich. „Cass? Was ist hier los?“
 

Castiel mustert ihn nach wie vor, doch nun verändert sich sein Blick. Ein sanftes Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln, doch es ist mehr traurig als aufmunternd. „Dean, ich…“ Für einen Moment hält er inne, sucht mit den Augen etwas in Deans Blick. „Ich werde in den Himmel zurückkehren.“

Dean runzelt leicht die Stirn, während Sam neben ihm weiterhin nichts sagt. „Okay…?“ Das war ja per se nichts Schlechtes. Hin und wieder war Castiel in den Himmel zurückgekehrt, seit die Engel gefallen waren. Warum also machte er so ein Fass auf? Das hätte er ihnen ja auch am Telefon erzählen können. Der Besuch im Himmel würde ja nicht ewig dauern.

Nun weicht Castiel seinem Blick aus, senkt für einen kurzen Moment den Kopf. „Ich werde nicht mehr auf die Erde zurückkommen.“ Langsam hebt der Engel den Kopf, sucht vorsichtig, beinahe ängstlich, den Blick von Dean. „Ich werde im Himmel bleiben. Wir alle. Alle Engel. Es ist besser so. Wir sind hier fertig. Es gibt nichts mehr zu tun.“
 

Für eine Weile erwidert Dean nichts, denn eine kalte Hand beginnt, sein Herz zu umschließen. Oh, bitte nicht. Langsam heben sich seine Augenbrauen. Er wünscht, er hätte sich verhört, aber Castiel sieht ihn mit diesem Blick an… Entschuldigend. Fast reumütig. Dabei gibt es nichts, was Castiel bedauern müsste. Er hat es nie einfach auf der Erde gehabt. Vor allem aber hat er sich ihr nie zugehörig gefühlt. Natürlich hatten Sam und Dean versucht, für ihn da zu sein. Ihm eine Familie und ein Zuhause zu sein, aber es hatte nie gereicht. Castiel ist ein Engel und Engel gehören in den Himmel. Dort ist ihre wahre Familie.

Dean weiß all das, er weiß, dass Castiel insgeheim immer dorthin zurückkehren wollte, zurück nach Hause. Schon immer hat dieser sich danach gesehnt, egal, wie brutal und unfair seine Brüder und Schwestern je zu ihm gewesen waren. Vermutlich ist Castiel glücklich, endlich nach all den Jahren zurück in dem Himmel gehen zu können, und Dean sollte sich für ihn freuen. Aber Castiel würde hier auf der Erde fehlen. Er würde ihm fehlen.
 

Dean sieht aus dem Augenwinkel, wie Sam dichter kommt. „Ähm… Das freut mich, Cass, ehrlich. Aber wie kommt es, dass…?“ Er beendet die Frage nicht. Verwirrung, Überraschung und ja, so etwas wie Bedauern spiegeln sich in seiner Stimme wieder.

Nur langsam löst Castiel den Blick von Deans Gesicht, in welchem sich eine Reihe von Emotionen wiederspiegeln. Dean spürt, dass es seinem Freund schwer fällt, mit ihnen umzugehen. Er weiß, dass er Dean mit seiner Entscheidung weh tut, und das ist das letzte, was er will. Sam und ihm weh zu tun. Aber Dean versteht, dass Castiel sehen muss, wo er bleibt – dass auch er glücklich werden will.

„Wir haben alles geklärt“, erwidert Castiel. „Die Missverständnisse, die Fehler, die beide Seiten begangen haben – all das ist aus dem Weg geräumt. Unsere Aufgaben hier sind beendet. Auch ich habe meine Pflichten getan. Ich habe mit den wichtigsten Engeln gesprochen, sehr lange – und sie geben mir eine Chance.“

„Vertraust du ihnen?“, will Dean wissen, woraufhin sich Castiels Aufmerksamkeit wieder auf ihn legt.

„Ja.“

Dean nickt langsam und leckt sich über die trockenen Lippen. Er starrt auf den Kragen von Castiels Trenchcoat. Er kann und will ihm jetzt nicht in die blauen, sanften – und traurigen Augen sehen.

Eine Reihe von Erinnerungen überschwemmen ihn. Sie sind immer schön gewesen. Doch jetzt schmerzen sie – und Castiel ist noch nicht einmal weg. Keine chaotischen Trinkabende mehr, bei denen Sam und er vergeblich versuchen, ihren Engel unter den Tisch zu trinken, keine Filmabende mehr, bei denen Dean versucht, seinem Freund wenigstens etwas Kultur näherzubringen, keine „Besorgen wir Cass einen One Night Stand“-Gespräche mehr, die meistens daran scheitern, dass der Engel Frauen gegenüber absolut kein Feingefühl hat, keine Versuche, ihm das Kochen beizubringen, just for the fun of it, keine gemeinsamen Fälle und kein „Cass rettet uns den Arsch“ mehr. Kein Austausch von vielsagenden Blicken, die nur Dean und Castiel verstehen.

Dean schluckt. Ein Leben ohne Castiel? Kurz schließt er die Augen, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Es bedeutet vielleicht auch, keine Angst mehr um den Engel haben zu müssen. Castiel hat immer das Richtige tun wollen. Er liebt die Menschen, er liebt Dean und Sam und er ist ihretwillen hier geblieben. Hat sie immer beschützen wollen, auch wenn er manchmal gescheitert ist. Castiel ist immer wieder aufgestanden. Er hat sein Bestes getan, hat sogar angefangen, zu arbeiten. Nebenbei führt er ein Jägerleben. Obwohl er ein Engel ist und sicher besseres zu tun hat. Über ganz andere Möglichkeiten verfügt.
 

Dean atmet tief durch und sieht Castiel an. So lange, bis dieser ihm auch in die Augen schaut. „Also Cass, wenn du unbedingt wieder in den Himmel willst, warum trinkst du dann einen über den Durst und siehst mich so traurig an, als ob du etwas bereuen würdest?“ Es ist eine verdammt ehrliche Frage, eine, die Dean eigentlich nicht stellen würde. Unter normalen Umständen. Aber er fühlt ganz genau, dass Castiel dabei ist, zu gehen. Er wird ihn nicht aufhalten können.

Der Engel hält seinem Blick stand, zuckt nicht mit der Wimper, als er Deans Frage vernimmt. Wieder legt sich dieses leichte, traurig anmutende Lächeln auf seine Lippen. „Ich werde euch vermissen. Darum. Ich sagte euch einst, dass ich euch liebe. Ihr seid meine Familie. Das war die Wahrheit. Das ist sie. Aber die Engel – sie sind auch meine Familie. Mein Zuhause. Die Chance, die sie mir geben, will ich ergreifen. Ich weiß, dass ihr ohne mich zurechtkommt. Wir haben alles geregelt.“ Castiels Lächeln weitet sich etwas, wird ehrlich, ohne Bedauern. „Ich werde über euch wachen. Das verspreche ich.“ Der Engel hebt eine Hand und legt sie auf Deans Schulter, während sein Blick so intensiv wird, dass Dean plötzlich nichts anderes als Castiel um sich herum wahrnimmt. Die Geräusche ersterben, Sammy verschwindet aus seinem Blickfeld. Der Engel sagt nichts, bewegt nicht die Lippen, aber die Gedanken, die er hat, formen sich zu klaren Worten in Deans Kopf. „Du wirst nicht allein sein.“ Seine Augen weiten sich minimal, dann schluckt er und nickt lediglich. Er wird sich sehr oft allein fühlen, egal ob Castiel oben auf einer Wolke hockt und ihm bei dem armseligen Verlauf seines noch armseligeren Lebens beobachtet.

Aber er will kein Arsch sein, also ringt er sich zu einem leichten Lächeln durch. Er will Castiel ein gutes Gefühl geben. „Okay, also…wenn du das wirklich willst….wenn du weißt, dass du da oben sicher bist, dann…“

„Das bin ich“, versichert ihm Castiel, während er sanft Deans Schulter drückt. Dann lässt er ihn los und sieht zu Sam, welcher ihn warm anlächelt und nur nickt.

Der Engel rutscht von seinem Stuhl, schwankt für einen kurzen Moment und hält sich an der Theke fest. Seine Schulter streift Deans und dieser kann für einen Augenblick Castiels Geruch wahrnehmen. Nun, der Geruch von einer großen Menge Wodka und Whiskey ist nicht abzustreiten, aber Castiel riecht nach wie vor – nun, nach Castiel. Nach Wald, Vanille und Regen. Eine merkwürdige, aber angenehme Mischung mit hohem Wiedererkennungswert. Dean versucht sie sich einzuprägen, schließt kurz die Augen, dann will auch er aufstehen. Aber Castiel legt ihm erneut eine Hand auf die Schulter, drückt diese leicht. „Ich werde jetzt gehen. Ich danke euch für alles.“ Er wechselt einen warmen Blick mit Sam, dann mit Dean. „Wir werden uns wiedersehen. Im Himmel.“ Und dann, ja, verdammt, dann zwinkert dieser hilflose, naive, so menschlich gewordene Engel ihnen doch tatsächlich zu. Wo hat er das denn gelernt?

Bevor Dean ihn fragen kann, verlässt Castiel die Bar. Lange starren Sam und er ihm hinterher. Irgendwann wendet sich Sam um und bestellt zwei Drinks für sie. Dean lässt die Tür der Bar nicht aus den Augen. Castiel wird zurückkommen. Genau durch diese Tür. Für einen Moment ist er überzeugt, dass das hier ein Traum ist. Oder der Engel gelogen hat. Oder seine Meinung ändern wird. Was auch immer.

Castiel soll gegangen sein – für immer? Dieser Gedanke kommt ihm plötzlich vollkommen absurd vor.
 

„Dean?“ Sams Stimme reißt ihn aus seinen Gedanken. Er blinzelt und wendet sich zu ihm um. Sein Bruder sieht ihn traurig an. „Cass ist weg. Er wird nicht wiederkommen.“ Diese beiden Sätze sorgen dafür, dass sich sein Inneres schmerzhaft zusammenzieht.

Er brummt nur und starrt in das Glas Whiskey, das vor ihm auf der Theke steht. Und er versucht wirklich, sich für Castiel zu freuen.

„Er wollte das“, murmelt Sam neben ihm. „Jetzt ist er glücklich.“

Langsam nickt Dean. „Ja, du hast Recht. Er hat es verdient.“ Ein leichtes Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln.

Castiels Tod war vorherbestimmt gewesen. In dem Moment, in dem er Dean berührt hatte, ist klar gewesen, dass er früher oder später sterben würde. Und das ist er auch. Mehr als ein Mal hat Castiel abtreten müssen. Doch irgendetwas oder irgendwer hatte ihn immer wieder auf die Erde zurückgeschickt. Der Engel ist einfach nicht klein zu kriegen. Es ist also verdammtes Glück, dass Castiel immer noch lebt – und jetzt in Sicherheit ist. Zuhause. Ja, er hat es so sehr verdient.
 

Dean leert seinen Whiskey und steht auf. „Bin kurz frische Luft schnappen. Gleich zurück“, murmelt er und verlässt die Bar, spürt Sams besorgten Blick auf sich. Er geht ein paar Schritte und starrt hinauf in den wolkenlosen Himmel. Die Sterne funkeln, der Mond bildet eine Sichel und strahlt.

Dean leckt sich über die Lippen. Er hat das hier schon seit Jahren nicht mehr getan. „Cass… Ich wünsch dir alles Gute da oben. Ich danke dir für alles, was du für uns getan hast. Du wirst immer mein bester Freund bleiben. Mein Bruder. Und wenn…“ Er zögerte kurz. „Wenn irgendwas ist…egal was, dann komm zurück zu uns. Wir werden immer für dich da sein. Jederzeit, Cass. Das ist das Mindeste, was wir für dich tun können. Wir sehen uns, Kumpel.“

Zaghaft lächelt Dean in sich hinein, wartet einen Augenblick, als würde ein kosmisches Zeichen folgen und ihm zeigen, dass Castiel zuhört. Nichts geschieht. Aber Dean befällt eine gewisse Ruhe und Zufriedenheit – Wärme kriecht in seine Glieder, seine Knochen, füllt jede Faser aus. „Danke…“, murmelt er und geht zurück zur Bar.
 

Castiel wird es gut gehen.

Und Sam und ihm auch. Da ist er sich sicher.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KiraNear
2018-12-20T22:58:45+00:00 20.12.2018 23:58
T_T
Ich bin ein wenig traurig, aber auch ein wenig verwirrt ... ist jetzt Cass jetzt so in den Himmel gegangen oder gestorben und so in den Himmel gekommen?
Wie auch immer, die FF hat mich ziemlich berührt und auch wenn ich es echt schade finde, kann ich es auch verstehen, dass er gehen muss und möchte. Mir hat die FF gefallen :-) ;_;
Hab direkt Kopfkino bekommen.


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