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Desolate

von

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the first one to blame

If I'm honest I think you'll see

I'm scared to share what's calling for me

 

 

 

I

 
 

 

Irgendeine Jukebox in der Nähe spielt Cat's in the Cradle und in dem Moment, als der junge Mann auf dem Boden der Bowlingbahn das realisiert, weiß er, dass irgendetwas schief gelaufen ist. Gleich aus mehreren Gründen. Es gibt keine Jukebox in dem Ort, den er sein Zuhause nennt. Und dass er hier liegt – auf dem nackten Grund, mit mörderischen Kopfschmerzen – ergibt genauso wenig Sinn.

 

When you comin' home?

 

Das Lied bricht an dieser Stelle ab. Morris dreht sich auf den Rücken und starrt an die Decke, als könne sie ihm dabei helfen, sich an das zu erinnern, was geschehen ist. Als er den Kopf hebt, um über seinen Bauch hinweg nachzusehen, wo er sich überhaupt befindet, bringt ihm das nicht die gewünschte Klarheit, sondern verursacht nur noch mehr Verwirrung. Eine Bowlingbahn. So eine gibt es in seiner Heimatstadt auch, aber nur eine und das hier … ist sie nicht. Zusammengefasst – er weiß nicht, wo er ist oder wie er hierher gekommen ist. So etwas hat bisher nicht einmal der schlimmste Alkoholexzess zustande bekommen, zumal er sich nicht daran erinnern kann, überhaupt getrunken zu haben, geschweige denn irgendwohin gefahren zu sein.

Gut … erst einmal gilt es herauszufinden, wo er sich befindet. Über alles andere kann er sich später noch Gedanken machen. Manchmal passieren eben seltsame Dinge, die man sich nicht gleich erklären kann, auch wenn sie nicht geschehen sollten. Mit dieser erzwungen positiven Einstellung setzt er sich auf und sieht sich noch weiter um. Niemand ist hier. Aber die Bahnen sind beleuchtet. Alles in allem macht das Etablissement einen gepflegten Eindruck. Schon seltsam, dass es verlassen ist. Morris schüttelt seinen Ärmel und wirft einen Blick auf seine Uhr. Der Sekundenzeiger bewegt sich nicht mehr.

»Scheiße …«

Die Uhr ist kurz nach Vier stehengeblieben. Nachmittag. Mitten am Tag an einem fremden Ort aufwachen – nein, das hatte er so auch noch nicht. Als er aufsteht, intensivieren sich die Kopfschmerzen so sehr, dass er kurz schwankt, weil ihm schwindelig wird, aber nach den ersten Schritten legt sich das Gefühl.
 

 
 

-

 
 

 

Als er die Tür nach draußen aufstößt, ist das Erste, was er sehen kann, eine weiße Wand. Als er tief Luft holen will, entpuppt sich der Nebel nicht als das, was man erwarten würde. Keine feuchte, etwas kühle Luft. Ihm kommt es vor, als hätte er den Qualm einer sehr starken Zigarette eingeatmet. Er hustet und als er die Hand von seinem Mund zurückzieht, sieht sie … dreckig aus. Morris runzelt die Stirn, wischt sich über die Haut und verschmiert irgendetwas … Dunkles. Er hebt den Blick, blinzelt in den Himmel und erkennt, dass da irgendetwas auf ihn hinunter rieselt. Für Schnee ist es zu warm. Aber was kann es sonst sein?

»Was zum Henker ist hier los?«, brummt er irritiert. Er schaut nach links und rechts. Kein einziges sich bewegendes Fahrzeug auf der Straße, kein einziger Mensch zu sehen. Nicht einmal in der Ferne hört man irgendetwas. Er fühlt sich wie der letzte Mensch auf Erden. »Hallo?«

Er wiederholt das einige Male – so laut er kann. Eine Antwort bekommt er nicht. Er kramt in seiner Jacke nach seinem Smartphone. Vielleicht kann er jemanden anrufen. Das Display ist schwarz. Als er versucht, es anzuschalten, zeigt sich nur der rote Ladebalken. Tot. Das kann er vergessen. Sein Mut sinkt unter den Nullpunkt. Er steckt es zurück und geht weiter. Nach etwa einer halben Stunde lösen sich die Häuser auf. Der Stadtrand? Morris hofft es sehr, denn das Ende einer Stadt bedeutet, dass irgendwo ein Schild stehen muss. Ohne es bewusst zu merken, verfällt er in einen leichten Trab und läuft fast am Schild vorbei, das sich wegen des dichten Nebels kaum von der Umgebung abhebt.

Nach dem Sinn dieses Chaos' muss er wohl noch weiter suchen.

»Das … gibt’s doch nicht.«
 

 

Welcome to

SILENT HILL
 

 

Er kennt diesen Ort. Aber nur von Geschichten. Von diversen Internetseiten, die man eben so abgrast, wenn man sich für paranormale Dinge interessiert. Aber es sind … Geschichten, nicht wahr? Was für Substanzen hat er bitte zu sich genommen? Morris reibt sich die Augen, blinzelt, doch das Schild bleibt dasselbe. Dafür gibt es keine logische Erklärung. Er blickt die Straße hinunter. Er muss hier weg. Er will nicht darüber nachdenken, wie er hierher gekommen ist, denn es ergibt mehr Sinn, wenn er es für einen Traum hält. Zehn Meter. Zwanzig Meter. Seine Schritte frieren ein. Dann rennt er die restlichen Meter, bis das Ende der Straße ihn abermals anhalten lässt. Und es ist tatsächlich ein … Ende. Vor ihm erstreckt sich ein Abgrund, der nach einem kurzen Stück im Nebel versinkt, aber der Drang … dieser Drang einfach zu springen, ist so mächtig, dass er alle Kraft aufwenden muss, um ein paar Schritte zurückzutorkeln. Morris korrigiert sich selbst. Kein Traum. Ein Albtraum.

»Okay … okay, Morris. Reiß dich zusammen. Es gibt sicher noch ein anderes Ortsende. Geh einfach die Straße zurück und suche es. Gerate nicht in Panik, weil niemand dich schreien hören wird. Hah … genau.«

Diese leise gemurmelten Worte beruhigen ihn nur nicht wirklich. Noch einmal geht er zu dem Abgrund und schielt hinunter, dann dreht er sich um und kann gerade noch so einen hochfrequenten Schrei unterdrücken.

Da steht ein anderer Mann vor ihm, kaum größer als er. Der Nebel und das, was auch immer da vom Himmel fällt, lassen das Gesicht verschwimmen, doch als er die Stimme hört, erkennt er sie.

»Du hättest niemals herkommen dürfen.«

»Samuel?«

Die Überraschung wird zu Entsetzen und das Entsetzen zu nackter Angst, als sein Freund die Arme nach vorn schnellen lässt und ihn nach hinten stößt.

Freier Fall.

Der Schrei … endlos …



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