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Engelsschatten

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Engelsschatten

Es war kühl, als Elaine erwachte. Sie fröstelte unwillkürlich und fand, dass Tau sich auf ihrem Schlafsack gesammelt hatte.

Entsprechend schloss sie, dass die Nacht weiter fortgeschritten sein musste. Doch es war noch dunkel, also war der Morgen noch nicht herein gebrochen oder brach gerade erst herein.

Was hatte sie geweckt?

Diese Frage wurde im nächsten Moment von einer Stimme in ihrem Kopf beantwortet.

Jemand schleicht herum.

Stimme war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, denn viel mehr war es ein Gedanke, der aus jenem anderen Bewusstsein in das ihre eindrang. Der Grund, warum sie hier war.

Sie war schon so lange auf der Flucht, dass sie daran gewohnt war, auf diese Art geweckt zu werden. Sie war hellwach und richtete sich auf.

Vorsichtig und darauf bedacht keinen Laut von sich zu geben, stand sie auf und rollte vorsichtig den Schlafsack hinab, ehe sie aus ihm herausstieg. Dabei verzichtete sie darauf, den Reißverschluss zu benutzen, aus Angst, dass der mögliche Verfolger so auf sie aufmerksam werden würde.

Dankbarer Weise hatte sie ihre Hose anbehalten, so dass sie nun nur noch barfuß in ihre mittlerweile verschlissenen Sportschuhe schlüpfte, ehe sie sich umsah, um sicher zu sein, dass sie nicht bereits unter Beobachtung stand.

Sie hatte ihr Lager am Boden einer Felsspalte aufgeschlagen und wie immer ein Sonnensegel, das sie auch vor Regen schützte, über ihrem Kopf aufgespannt. Wenngleich ausgebleicht, war der Stoff mit Camouflage bedruckt, so dass das Segel sie aus der Ferne nicht verriet. Außerdem half es, wenn auch immer sie kochte, das Feuer zumindest aus der Luft zu verbergen. Und sie machte sich nichts vor: Viele ihrer Verfolger konnten fliegen.

Wir sind zulange hier geblieben.

Vielleicht hatte jenes andere Bewusstsein nicht unrecht. Sie hatte die letzten drei Tage hier verbracht. Drei Tage, die es einfacher gemacht hatten, sie zu finden.

Die Spalte führte hinter ihr weiter in den Fels rein, wurde dort aber zu schmal, als das ein Mensch oder ein normal großes humanoides Wesen dadurch gepasst hatte. Vor ihr führte es jedoch in einem licht bewachsenes Waldgebiet – sofern man es so nennen wollte.

Alle Leute dachten bei Afrika nur an die Wüste und die Savanne, dachten an sengende Hitze und vielleicht noch an Regenzeiten und die damit einhergehenden Überflutungen, doch die Wahrheit war weit diverser.

Elaine wusste nicht genau wo sie war. Sie hatte kein Smartphone dabei. Keinen Tracker. All das war eine zu große Gefahr. Doch sie musste irgendwo im westlichen Kenia sein, vielleicht auch schon in Tansania. Zumindest soweit sie es sagen konnte.

Als sie in Nanyuki angekommen war, hatte sie sich in Richtung des Gebirges gehalten und war im Gebirge, dem ostafrikanischen Seehochland, wie ihr irgendwo einmal ein Schild an einer Rangerhütte gesagt hatte, geblieben. Hier war es kühler, milder, feuchter. Hier gab es Höhlen und Felsspalten. Hier konnte sie sich gut verstecken.

Irgendwann würde sie weiterreisen müssen. Irgendwie.

Doch dafür musste sie erst einmal sicher stellen, dass sie die Nacht überlebte.

Ihre Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt, doch war es dennoch schwer in die Ferne zu sehen und ihr Blick wurde von den vielen Bäumen und trockenen Büschen abgelenkt. Am Ende war sie nur ein einfacher Mensch und ihre Augen waren nicht auf das Sehen bei Nacht ausgerichtet.

Magie.

Verdammt. Sie hatte es vermeiden wollen. Sollte wirklich jemand dort im Dunklen lauern, würde sie all ihre Energie brauchen.

Was ist, wenn du aus dem Hinterhalt angegriffen wirst?

Das war natürlich eine berechtigte Frage. Es wäre eine einfachere Antwort gewesen, würde sie jene Zauber, die die Sinne schärften, besser beherrschen. Es war nie ihr großes Talent gewesen.

Doch sie tat, was jenes andere Bewusstsein von ihr verlangte. Sie wusste, dass es Recht hatte. Und sie kannte die Alternative nur zu gut.

Also schloss sie ihre Augen für einen Moment und konzentrierte sich. Feuer stand für Licht. Feuer lag ihr. Doch weniger lag ihr der Rest des Zaubers. Die Energie in sich selbst, anstatt in ihrer Umgebung zu sammeln. Sie fokussierte ihre Gedanken darauf, mehr Licht in ihren Augen zu sammeln, fokussierte dann ihre Magie.

Sie merkte ein beinahe schmerzhaftes Kribbeln in den Augen. Sie war wirklich nicht gut mit dieser Art Zauber. Als sie aber die Augen wieder öffnete, war das Bild vor ihr klarer.

Sie sah sich um.

Zwischen den Bäumen konnte sie Bewegung sehen. Doch es war nur ein Tier. Eine kleine Antilope, die nun zur Seite sprang.

Dankbarer Weise war es eine sternklare Nacht und ein Halbmond stand hell am Himmel. Als sie noch in Nova Scotia gelebt hatte, hatte sie nicht einmal gewusst, wie hell die Sterne strahlen konnten.

Hatte sich Maor, der Engel, der mit ihrem Bewusstsein verschmolzen war, geirrt?

Doch da hörte sie etwas. Steine, die weiter oben aus der Spalte hinab fielen.

Hier war jemand. Und der jemand war über ihr.

Vorsichtig bückte Elaine sich und griff nach ihrem Messer.

Wieso hast du das noch nicht längst gemacht?

Sie befestigte die Messerscheide an ihrem Gürtel, ehe sie vorsichtig unter dem Sonnelsegel hervortrat und nach oben schaute.

Während ihre Augen nach dem besten Weg in die Höhe suchten, band sie sich ihr braunes Haar zu einem Zopf zurück. Es war kein ordentlicher Zopf, doch wollte sie auch nicht gut aussehen. Sie wollte die Haare aus ihrem Gesicht haben..

Wenngleich es im Spiel von Licht und Schatten nicht besonders gut zu erkennen war, da der Mond gerade direkt über der Spalte stand, bewegte sich über ihr etwas und Elaine war sich relativ sicher, dass es kein Affe oder Antilope war.

Sie spannte sich an, spürte die Angst und Anspannung wieder in sich aufsteigen. Was hätte sie nur getan, hätte sie nie Kampfsport gemacht? Sie wäre nie so weit gekommen. Ihre Magie allein brachte sie nur so weit.

Dann sprang sie los. Stieß sich vom Boden ab und nutzte dann ihre Magie, um sich weiter in die Höhe zu katapultieren. Dies war ein Zauber, den sie mittlerweile besser beherrschte, als sie es je gedacht hätte.

Dankbarer Weise war der Fels nicht unbedingt glatt. Er bot genug Halt für ihre Hände und Füße, als ihr Momentum nachließ, und sie nach Halt suchte. Sie war knappe acht Meter in die Höhe gekommen.

Sie hörte einen Schrei.

Verdammt. Sie hatte gehofft, sie überraschen zu können. Jedenfalls war sie nun ziemlich sicher, dass sie jemand gesehen hatte.

Wieder stieß sie sich vom Fels ab, auch wenn es nun schwerer war guten Schwung nach oben zu bekommen, so dass sie mit ihrem nächsten Sprung nur knappe drei Meter schaffte. Ein weiterer Sprung, während sie mit ihren Augen nach dem vermeintlichen Gegner suchte.

Hatte sie sich geirrt?

Vorsicht! Links!

Gerade noch rechtzeitig wandte sie sich in die Richtung, um eine Gestalt auf sich zufliegen zu sehen. Eine geflügelte Gestalt. Irgendein Ungeheuer? Ein Magier? Ein Gestaltwandler?

Die Gestalt versuchte sie zu rammen – sie war etwas kleiner als ein Mensch – doch Elaine stieß sich erneut vom Fels ab und wich ihr so gerade noch rechtzeitig aus.

Sie prallte – härter als beabsichtigt – gegen den Felsen auf der anderen Seite der Spalte. Für einen Moment hatte sie das Gefühl keinen Halt unter den Füßen zu haben und rutschte, während die Gestalt sich ihr erneut zuwandte.

Panisch versuchte Elaine Halt zu finden. Einen hervorstehenden Stein, eine Wurzel, irgendetwas. Sie fiel. Doch dann bekam sie eine schmale Lücke im Fels zu fassen.

Unwillkürlich stöhnte sie auf, als ihr Gewicht auf einmal auf ihrer linken Hand lag. Sie konnte den rauen Stein in ihre Haut schneiden fühlen.

Das ist jetzt egal! Es kommt zurück!

Elaine sah auf und tatsächlich kam das geflügelte Wesen, was auch immer es war, wieder auf sie zu, nun zwei paar spitzer Klauen vor sich ausgestreckt.

Sie hatte noch immer kaum Halt.

Magie!

Ohne darüber nachzudenken, beschwor sie das Feuer. Offensiv lag es ihr weit mehr.

Beinahe hatte das fliegende Tier, das aussah wie ein übergroßer, besonders hässlicher Flughund mit glühenden Augen, sie erreicht. Noch drei Meter. Noch zwei.

Nur für eine Augenblick musste sie sich konzentrieren, als schon eine Flamme in ihrer rechten Hand zum Leben erwachte. Noch immer mit dem Gleichgewicht kämpfend holte sie aus und warf die Flamme, die zu einem Strahl aus Feuer wurde.

Das Wesen war nur wenige Zentimeter entfernt. Sie spürte, wie ihre Hand seine Nase traf, als sie die Flamme nach vorne warf, und im nächsten Moment war das Wesen von den Flammen umschlossen.

Es ließ einen Schrei hören. Unmenschlich. Andersweltlich. Das grelle Kreischen wurde von den Felswänden reflektiert und vibrierte in ihrem Körper weiter.

Übelkeit erfüllte sie, doch dann verstummte der Schrei und die Kreatur fiel stumm und noch immer vor Hitze glühend in die Tiefe.

Gut. Jetzt...

Ein Stein bröckelte. Ihre linke Hand fing an zu gleiten. Sie verlor den Halt.

„Nein!“, rief sie unwillkürlich aus, doch es war zu spät. Sie fiel.

Wie hoch war sie? Etwas mehr als zehn Meter. Es würde sie nicht umbringen. Doch es würde wehtun.

Magie.

Ja, natürlich. Magie.

Der Zauber, der ihre Sicht verbessert hatte, war ihrer Kontrolle schon längst entglitten und das Licht des Mondes schien sie im Kontrast mit der umliegenden Dunkelheit zu blenden.

Ein Schatten löste sich.

Magie!

Ja. Magie.

All das nur im Bruchteil einer Sekunde. Doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an.

Luft. Luft würde ihren Fall federn. Irgendwie. Es war schwer sich zu konzentrieren, während man in die Tiefe fiel.

Dann merkte sie es. Eine Art Kissen, dass sie auffing - und zu sehr federte. Anstatt dessen, dass die Luft ihren Fall für den letzten halben Meter abbremste, glitt sie zur Seite, rutschte praktisch von dem unsichtbaren Kissen herunter.

Mit ihrer rechten Schulter kam sie zuerst auf dem Boden auf, doch ihr Schwung ließ sie zur Seite rollen. Nicht in einem eleganten Manöver. Viel eher rollte sie, wie ein heruntergefallenes Glas über den Boden, während spitze Steine und Felsstücke in ihrer Seiten stachen. Sie rollte aus der Felsspalte heraus, an deren Rand sie ohnehin gewesen war, und den recht flachen Abhang hinab, bis ein Busch ihren Sturz bremste.

Sie stöhnte, doch Maor kannte kein Mitleid; nur Überleben.

Er ist da. Jetzt!

Nur mit Mühe schaffte es Elaine aufzusehen. Sah eine Gestalt, die zumindest zum Teil humanoid war, auf sich zuspringen. Ein langes, grünlich glimmendes Messer in der Hand.

Ihr erster Instinkt war, sich zusammen zu kauern, doch sie wusste, es war falsch.

Dieses Wesen, das wahrscheinlich auch eine vollkommen menschliche Gestalt hatte, war fraglos von ihrem Vater angeheuert worden, sie zu finden. Sie würden sie nicht töten. Sie würden sie fangen. Und erst dann würde sie sterben. Sein Messer durfte sie nicht berühren.

Sie dachte nicht wirklich darüber nach. Vielleicht war es Maor, dier übernehmen wollte. Sie durfte nicht... Doch sie hatte keine Wahl.

Magie floss durch sie in den Boden, als die Ranken des Busches, der ihren Sturz abgefangen hatte, zum Leben erwachten und sich wie ein fester, dorniger Stoff über sie warfen.

Sie hörte das Splittern des Holzes, als das Messer in die Ranken schnitt, jedoch nicht weit genug vordrang.

Zurück, dachte sie. Zurück.

Maor durfte sie nicht kontrollieren.

Zurück.

Überlass es mir.

Nein. Ich kann nicht.

Sie konzentrierte sich auf das Feuer. Ihre beste Waffe. Sie zog ihr Messer.

Das ist ein Buda.

Was auch immer ein Buda war. Anders als Maor hatte sie keine dreitausend Jahre in dieser Welt verbracht. Anders als Maor kannte sie nicht jede alte und auch weniger alte Kreatur der Magie.

Ein Hyänenwandler.

Wie auch immer.

Was wollte xier ihr sagen?

Während sie sich auf den Bauch rollte und eine hockende Position annahm, hörte sie immer wieder die splitternden Schnitte des Messers im trockenen Holz.

Sie ließ eine Flamme in ihrer linken Hand zum Leben erwachen, während sie mit der rechten das Messer fester umgriff. Dann presste sie ihren ganzen Willen in einen Gedanken: Den Zauber, der den Busch kontrollierte, enden zu lassen.

Sei nicht albern.

Was interessierte es sie? Sie machte es nicht, um Maor zu schützen. Sie tat es, um selbst zu leben.

Und sie gewann. Der Zauber fiel. Die Ranken des Busches zogen sich zurück und im nächsten Moment hob sie ihr Messer, um den nächsten Hieb ihres Angreifers, des Buda, abzublocken.

Funken stoben aus der Klinge des Ungeheuers hervor, als es auf ihr Kampfmesser traf. Keine einfachen Funken, wie sie manchmal entstanden, wenn Metall auf Metall traf, sondern schwere, dunkel glühende Funken. Magie, die sein Messer verließ.

Noch während die Klingen aneinander hafteten, ließ sie sich zurückfallen. Sie nutzte Magie, um ihr Momentum zu vergrößern, als sie in einer fließenden Bewegung seitlich gegen seine Hüfte traf, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, und ihm im selben Moment die Flamme entgegenschnellen ließ. Wie eine Peitsche schoss sie in Richtung seines Gesichts.

Das Wesen hatte seine Hybridform angenommen. Das hässliche Gesicht einer Hyäne mit gelblich glühenden Augen sah ihr entgegen, als der Buda seine freie, fellige Hand instinktiv nutzte, um sein Gesicht zu schützen. Er konnte jedoch nicht verhindern, das Gleichgewicht zu verlieren, zu konzentriert war er auf die Flamme gewesen. Seine plötzliche Bewegung unterstützte den Schwung ihrer Beine sogar.

Auch sie ging zu Boden, doch anders als der Buda, war sie darauf gefasst. Kaum, dass sie auf dem Boden aufkam, nutzte sie ihren Schwung, um sich wieder bäuchlings zu drehen und dann wieder auf die Beine zu springen.

Sie stand, während der Hyänenwandler noch nicht ganz begriffen hatte, was ihm geschehen war.

Elaine ließ keine Zeit verstreichen. Sie ließ die Flammenzunge erneut auf ihn herabschnellen. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Sie zielte auf seine rechte Hand und erreichte, was sie versuchte: Er ließ das Messer fallen.

Sofort sprang sie vor und trat es von ihm fort, aus seiner Reichweite heraus, ehe sie kurz ihre Energie sammelte und einen Feuerball, heißer als ihre Flammenpeitsche, die eigentlich nicht viel mehr als eine Ablenkung war, hinterherwarf. Es kostete Energie und löschte vorerst ihre Flamme, doch zumindest nahm es das Messer aus der Gleichung heraus.

Jetzt nur noch...

Sie wollte sich herumdrehen, als ein Knurren hinter ihr erklang. Noch bevor sie ihre Bewegung beendet hatte, traf etwas hartes, schweres sie und brachte sie zum Fall. Dann schnappte lange, gelbliche Zähne nach ihrer Kehle.

Der Buda hatte seine monströse Form angenommen. Sie hatte so etwas bei Wölfen und anderen Katzen schon gesehen, doch hier, bei Dunkelheit allein in Hochland, war die gut zwei Meter große Hyäne eine ganz andere Liga von einschüchternd.

Instinktiv hob sie das Messer zu ihrem Schutz und traf die Hyäne irgendwie am Hals. Warmes Blut, das bei der Dunkelheit beinahe schwarz wirkte, tropfte auf sie hinab, als die Hyäne ein Jaulen hören ließ. Doch sie wich nicht zurück. Wut glomm in ihren Augen.

Hatte das Untier die Beherrschung verloren?

Die Lechzen der länglichen Schnauze waren angespannt. Stinkender Speichel tropfte in Elaines Gesicht, als sie erneut zustach, dieses Mal auf die Halsschlagader gezielt.

Doch der Buda schien zu verstehen, was sie plante. Plötzlich fuhr seine Schnauze herum und ehe sie ganz begriff, bohrten sich die langen Zähne in ihren Unterarm.

Sie konnte gar nicht anders. Das Messer fiel aus ihrer Hand. Sie schrie.

Knurrend riss die riesige Hygiene an ihrem Arm, riss ihren Oberkörper nach oben und entlockte ihr einen weiteren Schrei. Das Bild vor ihren Augen verschwamm. Sie spürte nur noch Schmerz. Nur eine Erkenntnis drang in ihr Bewusstsein: Wenn der Buda wirklich seine Beherrschung verloren hatte, würde sie sterben. Dann kämpfte er nicht mehr um sie zu fangen. Dann kämpfte er um zu töten.

Elaine.

Sie musste Magie einsetzen.

Sie musste sich wehren.

Verzweifelt versuchte sie es, sich zu konzentrieren, doch schaffte sie es kaum, den Schmerz aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen. Er schien jeden Nerv, jede Faser ihres Körpers pulsieren zu lassen, als die Hyäne ihren Kopf herumriss und damit Elaines Körper gegen einen anstehenden Baum schleuderte.

Elaine.

Nein. Nicht jetzt.

Magie.

Die Sinne schwanden ihr. Sie musste etwas tun.

Der Buda knurrte sie an und sprang dann auf sie zu, als eine plötzlich ein Schwall Energie durch ihren Körper fuhr. Es war eine innere Hitze, die verbrannte - verbrannte ohne zu schmerzen. Es war reine Energie. Und sie kannte das Gefühl.

„Nicht“, hauchte sie, doch sie war sich nicht einmal sicher, ob ihre Worte wirklich über ihre Lippen kamen.

Dann merkte sie, wie etwas ihr Bewusstsein verdrängte. Mehr und mehr wurde es von ihrem Körper fortgerissen. In eine dunkle Ecke ihrer Existenz.

Nicht, klangen ihre Gedanken wie ein Echo durch die Dunkelheit, ehe sich ihr Bewusstsein gänzlich von ihren Sinnen trennte. Schwärze. Nacht. Nichts.
 

Die Sonne stand am Himmel, als Elaine wieder zu sich kam.

Ihr Körper schmerzte. Sie fühlte sich wie ausgetrocknet. Beinahe wunderte es sie, dass sie nicht tot war.

Sie öffnete die Augen und blinzelte in das grelle Sonnenlicht hinein, dass sich von einem See - nun, viel mehr einem Wasserloch, das vor ihr lag, reflektierte.

Ein Löwe, der an der gegenüberliegenden Seite des Wasserlochs lag, sah sie misstrauisch an, schien dann aber zu beschließen, dass sie keine Gefahr für ihn darstellte und trank in seelenruhe weiter.

Sie war in der Savanne. Oder - wie sie feststellte, als sie sich mühsam etwas aufrichtete - zumindest am Rand der Savanne. Dort, wo das Hochland zur Ebene überging.

Ihre Sachen!

Beruhige dich.

Sie sah sich um, als Maors Bewusstsein ihren Blick zu einem Busch neben ihr lenkte, wo Schlafsack, Segel und ihr Rucksack unordentlich herumlagen.

Dann wurde ihr klar, dass sie tatsächlich noch lebte. Sie hatte die Nacht überlebt, hatte den Angriff überlebt. Sie war nicht ausgebrannt. Und sie hatte ihre Kontrolle nicht ganz verloren.

Noch nicht.

Offenbar hatte Maor ihren Körper unter einem kleinen, kargen Baum am Rand des Wasserlochs zur Ruhe gelegt. Warum hier?

Ich wollte nicht in den Bergen bleiben. Vielleicht waren noch andere dort.

Verdammt. Dort hatte sie sich sicher gefühlt.

Sie stöhnte, als sie sich weiter aufrichtete und mühselig zum Wasserloch hinüberkrabbelte. Die Bäche im Hochland waren sauberer, appetitlicher als dieses matschige Wasser. Doch sie hatte Durst. Solchen Durst. Und so trank sie das Wasser unter der stetigen Beobachtung des Löwen und seines Rudels. Das matschige, warme Wasser. Doch es war Wasser.

Schließlich warf sie eine handvoll des Wassers in ihr Gesicht. Es fühlte sich glorreich auf ihrer trockenen Haut an.

Erst dann fiel ihr etwas auf. Ihr Arm. Er brannte. Doch als sie ihn ansah, stellte sie fest, dass die Wunde bereits verkrustet und zu einem guten Teil sogar mit frischer Haut überwachsen war.

„Danke“, flüsterte sie, als ihr klar wurde, dass dies ein Verdienst von Maors Heilmagie sein musste.

Wenn du stirbst, sterbe ich.

Ja, natürlich.

Wir müssen weiter.

„Ich weiß“, erwiderte sie. Sie musste weiter. Sie musste ein neues Versteck finden.

Für wie lange noch? Seit beinahe vier Jahren lebte sie schon so. Für wie lange noch?

Bis wir einen Weg finden.

„Aber wie?“, fragte sie, wusste sie doch genau, wovon xier redete.

Das ist die Frage.

Das war seit vier Jahren die Frage gewesen.

Denn wenn sie Menschen, vor allem andere Magier mieden, würden sie nie eine Antwort finden. Wenn sie so weiter machten, würde irgendwann einer der Söldner oder Goons sie erwischen. Irgendwann würden sie Magier suchen müssen. Vielleicht eine der alten Bibliotheken.

Das ist zu gefährlich.

Nein, es musste einen Weg geben.

Ihr Magen knurrte und ließ sie seufzen. Sie hatte noch ein wenig Dörrfleisch und Eingemachtes in ihrem Rucksack. Irgendwann würde sie ohnehin die nächste Stadt aufsuchen müssen. Und dann...

Ja, dann...

Doch für den Moment würde sie essen. Essen. Und dann weiterziehen. Sie würde ein neues Versteck finden und dort bleiben, bis der nächste Söldner sie fand. So würde es weiter gehen, bis sie irgendwann, hoffentlich, eine Lösung fand. Eine Lösung, die ihren Geist von dem Maors trennte; die es ihr erlaubte in ihre Heimat zurückzukehren.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eine kurze Erklärung wollte ich noch da lassen: Ich nutze für Maor, da Engel in diesem Universum weder männlich, noch weiblich sind, das geschlechtsneutrale Pronomen "xier", falls sich darüber jemand gewundert hat. :P Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Taroru
2017-07-20T16:55:28+00:00 20.07.2017 18:55
okay.... es hat viele fragen aufgeworfen.... und so gut wie nichts beantwortet o.O
darf man denn hoffen, das es hier auch weiter geht? das es mehr zu elaine und maor geben wird?
die kampfszene fand ich übrigens sehr mitreisend geschrieben! du schaffst es immer wieder, mich an deine geschichten zu fesseln XD
Antwort von:  Alaiya
20.07.2017 19:00
Wie immer Danke!

Die Antwort findest du hier :P
Ja, es wird davon mehr geben. Mehrere One-Shots um genau zu sein.
Antwort von:  Taroru
20.07.2017 19:05
hab ich gemerkt ^^°
vielleicht sollte ich erst deine blogeinträge lesen, und mich dann auf die geschichten stürzen und nicht anders rum XD
Antwort von:  Alaiya
20.07.2017 19:06
Hehe.
Aber ja, gibt noch ein paar Sachen dazu.
Antwort von:  Taroru
20.07.2017 19:08
ich freu mich drauf :-)


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